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German Pages 388 [390] Year 2020
Im Angesicht der „Pestilenz“ Seuchen in westfälischen und rheinischen Städten (1349–1600)
von Kay Peter Jankrift MedGG-Beiheft 72 Franz Steiner Verlag Stuttgart
Medizin, Gesellschaft und Geschichte Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung Herausgegeben von Robert Jütte Beiheft 72
Im Angesicht der „Pestilenz“ Seuchen in westfälischen und rheinischen Städten (1349–1600) von Kay Peter Jankrift
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Robert Bosch Stiftung GmbH
Coverabbildung: Lepraschaubrief des Melatenhauses Köln für Catharina Vrondes aus Soest, 1476. Stadtarchiv Soest, A Nr.9380.
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Für Neele und Raphael
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.
Einführung: Seuchen – Bedrohung, Herausforderung und städtisches Problem zwischen Kontinuität und Wandel . . . 1 .1 Voraussetzungen für eine Erforschung spätmittelalterlicher Auseinandersetzung mit Seuchenphänomenen aus regionaler Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 .2 Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 .3 Aufgaben und Ziele der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2.
Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen am Beispiel westfälischer und niederrheinischer Städte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2 .1 De grote doit, groet sterff, pestilencia – Möglichkeiten und Grenzen der Interpretation von Seuchenbildern in mittelalterlichfrühneuzeitlichen Schriftzeugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2 .2 Quellentypen und ihr Wert für die Erforschung der mittelalterlichfrühneuzeitlichen Seuchengeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2 .2 .1 Schriftquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2 .2 .2 Archäologische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2 .2 .3 Sachquellen (Realien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3.
Epidemiologische Faktoren – Ein Vergleich städtischer Wirkungsfelder zwischen Niederrhein und Weser . . . . . . . . . . . 3 .1 Westfälische und rheinische Städte in der Vormoderne – Ideale Nährböden für Seuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 .2 Mechanismen der Seuchenverbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 .2 .1 Der Tod auf Reisen: Handel, Märkte und Messen . . . . . . . . . . 3 .2 .2 In Erwartung göttlicher Gnade: Wallfahrten und Geißlerzüge 3 .2 .3 Todbringender Exodus: Flucht aus verseuchten Städten . . . . . 3 .2 .4 Stärker als der Feind: Seuchentod und Kriegszüge . . . . . . . . . . 3 .2 .5 Spezielle Formen innerstädtischer Seuchenverbreitung . . . . . . Formen, Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen in westfälischen und rheinischen Städten vom Hochmittelalter bis zum Ende des 16. Jahrhunderts im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 .1 Das hochmittelalterliche Seuchengeschehen (9 .–13 . Jahrhundert) . . . 4 .2 Seuchen am Vorabend des Schwarzen Todes . Vom Beginn bis zur Mitte des 14 . Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest von der Mitte des 14 . bis zum Ende des 16 . Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4.
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Inhalt
4 .3 .1 Die Herrschaft des Apokalyptischen Reiters . Städte zwischen Schwarzem Tod, Judenmassakern und Geißlerzügen (1349/1350) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 .3 .2 Ein spätmittelalterlich-frühneuzeitliches Seuchenproblem in der Etablierungsphase: Die Pest in der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 .3 .3 Up dat god aver uns verbarmen wolde… Konfrontation mit einem Dauerproblem: Die Pest im 15 . Jahrhundert . . . . . . . . . 4 .3 .4 Totentanz ohne Ende . Die Pest im 16 . Jahrhundert . . . . . . . . . 4 .4 Quellenbefunde jenseits der Pest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 .4 .1 Zwischen blutgangk, pockeden und dullen sukede . . . . . . . . . . . . . . 4 .4 .2 Nuwe krenckde . Die „Franzosenkrankheit“ und ihre Wirkung auf die Bevölkerung westfälischer und rheinischer Städte . . . . 4 .4 .3 Die unerhoerte kranckheit . Der Englische Schweiß des Jahres 1529 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 .5 Exkurs: Die Lepra – Einzelschicksal und institutionelle Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 .5 .1 Die Entwicklung institutioneller Versorgung in Westfalen und dem Rheinland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 .5 .2 Der Umgang mit Lepraverdächtigen und -kranken . . . . . . . . .
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5.
Schlussbetrachtung: Die Auseinandersetzung mit Seuchenphänomen zwischen Angst und Ohnmacht, Gottvertrauen und empirischer Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
6. 6 .1 6 .2 6 .3
Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Archivalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.
Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
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Vorwort Die vorliegende Untersuchung basiert wesentlich auf der Habilitationsschrift Up dat god sich aver uns verbarmen wolde … Formen, Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen in westfälischen und rheinischen Städten im Mittelalter, die im Jahre 2001 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angenommen wurde . Nach wie vor trifft die seinerzeitige Feststellung zu, dass vergleichende Regionalstudien zu den Auswirkungen verschiedener Seuchen in Mittelalter und Früher Neuzeit sowie zu den Reaktionen der städtischen Gesellschaft noch immer selten sind . Allerdings werfen jüngere Erkenntnisse der medizinischen und archäogenetischen Forschung inzwischen neues Licht auf den Erreger der verheerenden Pandemie des sogenannten Schwarzen Todes zur Mitte des 14 . Jahrhunderts mitsamt den folgenden, von den Zeitgenossen als „Pest“ wahrgenommenen Phänomenen . Hinzu kommt, dass sich auch die Geschichtswissenschaft in den vergangenen Jahren neue Zugänge zu diesem breiten Themenfeld erschlossen hat . Verstärkt in den Fokus gerückt ist dabei etwa die Frage nach der politischen Dimension der Pest . Um diesen Entwicklungen in gebührendem Maß Rechnung zu tragen, wurde die ursprüngliche Textfassung der Habilitationsschrift mit Blick auf den gegenwärtigen Stand der Forschung umfassend überarbeitet . Kaum genug danken kann ich Prof . Dr . Robert Jütte und Prof . Dr . Martin Dinges für ihr freundliches, generöses Angebot, diese Studie in die Reihe der Veröffentlichungen des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung aufzunehmen . Sie beide haben mich bei meinem wissenschaftlichen Werdegang unablässig mit großem Wohlwollen unterstützt und verständnisvoll geholfen, manch schwierige Passage zu überstehen . Mein inniger Dank gilt ebenso Prof . Dr . Richard Toellner, der mir mit väterlicher Umsicht den Weg in die Medizingeschichte gewiesen, mich bei meinen ersten Schritten begleitet und schließlich zur Habilitation geführt hat . Umso größer ist mein Bedauern darüber, dass er die späte Frucht, die nunmehr aus dieser Arbeit entstanden ist, nicht mehr erleben durfte . In großer Dankbarkeit verbunden bin ich auch Prof . Dr . Peter Johanek, der mir stets engagiert mit Rat und Tat bei der Habilitation zur Seite gestanden und mir im Institut für vergleichende Städtegeschichte freundliche Aufnahme gewährt hat . Viel habe ich von den anregenden Gesprächen mit den dortigen Kolleginnen und Kollegen profitiert, an die ich gern zurückdenke . Arno Michalowski hat mit seiner herausragenden Expertise in Sachen IT die mit einer längst veralteten Software erstellte Fassung des Textes aus den dunklen Abgründen des Computers geborgen und für die weitere Bearbeitung zugänglich gemacht . Hierfür ein ganz besonderes Dankeschön . Ebenso herzlich danken möchte ich Thomas Kaling, der seinerzeit am Institut für vergleichende Städtegeschichte freundlicherweise die Karten für dieses Werk nach meinen Entwürfen gestaltet und die Dateien in seinem Fundus aufbewahrt hat .
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Vorwort
Herzlich danken möchte ich zudem den Archivarinnen und Archivaren, der von mir konsultierten Archive, die meine Forschungen vielfach mit großem Interesse verfolgt und mir wertvolle Hinweise zu den Beständen in ihren Häusern gegeben haben . Viele der geknüpften Verbindungen blieben über die Arbeit zu dem vorliegenden Buch bestehen und führten verschiedentlich zu weiterer Zusammenarbeit . In diesem Sinne gilt mein besonderer Dank Dr . Norbert Wex, Dirk Elbert und dem Stadtarchiv Soest für die freundliche Abdruckgenehmigung und Bereitstellung des Lepra-Schaubriefs zur Gestaltung des Einbands . Schließlich gebührt mein Dank der Deutschen Forschungsgemeinschaft, durch deren großzügige Projektförderung die vorliegende Untersuchung erst möglich wurde . Stadtbergen im Frühjahr 2019
1.
Einführung: Seuchen – Bedrohung, Herausforderung und städtisches Problem zwischen Kontinuität und Wandel
Seuchen als Teil des kulturellen Gedächtnisses Es wurde ihnen Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten durch Schwert, Hunger und Pest und durch die wilden Tiere der Erde, heißt es im letzten Buch des Neuen Testaments, der Offenbarung des Johannes, über den schrecklichen Triumphzug der apokalyptischen Reiter .1 Als der Schwarze Tod zur Mitte des 14 . Jahrhunderts über Europa hereinbrach und allerorts ein Sterben vorher unbekannten Ausmaßes verursachte, schien sich die dunkle Prophezeiung der Apokalypse in den Augen vieler Zeitgenossen zu erfüllen . Unweigerlich wirkte sich der Massentod auf sämtliche Bereiche des öffentlichen wie privaten Lebens aus und erschütterte dadurch die mittelalterliche Gesellschaft in ihren Grundfesten .2 Nach Einschätzung mancher Historiker bedingten die durch die Seuche hervorgerufenen Umbrüche gar die Konzeption des neuzeitlichen Menschen .3 Die traumatischen Erfahrungen des Schwarzen Todes schlugen sich über viele Generationen im kollektiven Bewusstsein nieder . Im Gegensatz zur Pandemie der sogenannten „Justinianischen Pest“, die kurz vor der Mitte des 6 . Jahrhunderts besonders rund um das Mittelmeer unzählige Opfer forderte und dennoch im späten Mittelalter bereits in Vergessenheit geraten war,4 sicherte der inzwischen fortgeschrittene Stand einer weiterhin zunehmenden
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Offenbarung 6,8 . Klaus Bergdolt, Der Schwarze Tod in Europa . Die große Pest und das Ende des Mittelalters, München 42017, S . 9 f . David HerliHy, Der Schwarze Tod und die Verwandlung Europas, Berlin 1997, S . 7 . Neithard Bulst, Krankheit und Gesellschaft in der Vormoderne . Das Beispiel der Pest, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 17–47 . Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit . Die Krisis der europäischen Seele von der schwarzen Pest bis zum ersten Weltkrieg, Bd . 1, München 1927–1931, S . 63 u . S . 96 . Friedrich lütge, Das 14 ./15 . Jahrhundert in der Sozial und Wirtschaftsgeschichte, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 162 (1950), S . 161–213 . In jüngerer Zeit vertreten diese These u . a . Karl Georg Zinn, Kanonen und Pest . Über die Urprünge der Neuzeit im 14 . und 15 . Jahrhundert, Opladen 1989, S . 154 f . HerliHy (1997), S . 37 . Bergdolt (2017), S . 10 . Gegen eine solche Bewertung wendet sich nachdrücklich Neithard Bulst, Der Schwarze Tod . Demographische, wirtschafts- und kulturgeschichtliche Aspekte der Pestkatastrophe von 1347–52 . Bilanz der neueren Forschung, in: Saeculum 30 (1979), S . 46 . Jean-Noël BiraBen, Das medizinische Denken und die Krankheiten in Europa, in: Hrsg . Mirko Drazen grmek, Die Geschichte des medizinischen Denkens . Antike und Mittelalter, München 1996, S . 390 . Mischa meier, Die sogenannte Justinianische Pest und ihre Folgen, in: Hrsg . Mischa meier, Die Pest . Geschichte eines Menschheitstraumas, Stuttgart 2005, S . 86–107 . Karl-Heinz leven, Die „Justinianische Pest“, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte, Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung 6 (1987), S . 137–161 . Peter allen, The Justinianic Plague, in: Byzantion 49 (1979), S . 5–20 .
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1 . Einführung
Schriftlichkeit dem Schwarzen Tod ein weit dauerhafteres Gedächtnis .5 Neben den Aufzeichnungen zahlreicher Augenzeugen,6 betonen selbst lange nach dem infernalischen Wüten dieser zweiten Pandemie entstandene Schriftzeugnisse noch immer deren furchterregende Wirkung .7 Im Norden Deutschlands blieb die Erinnerung an das Grauen ebenfalls jahrhundertelang lebendig . In seinem 1548 gedruckten Werk Metropolis unterstreicht etwa der geistliche Hamburger Gelehrte Albert Krantz (um 1448–1517), die Seuche habe so grausam geherrscht, dass sie weder woanders noch je wieder so stark wüten werde .8 Der Mindener Chronist und Ratsherr Heinrich Piel, der in der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts sein Chronicon Domesticum et Gentile verfasste und sich dabei unter anderem auf Krantz’ Ausführungen stützte, schloss sich dessen Einschätzung mit Nachdruck an .9 Etwa zeitgleich kam in Skandinavien mit Bezug auf die spätmittelalterliche Pandemie die Bezeichnung Schwarzer Tod auf,10 die sich seit dem Beginn des 17 . Jahrhunderts allgemein durchsetzte .11 Schwarz stand dabei nicht nur als symbolträchtige Metapher für das „Furchtbare“ und „Schreckliche“ .12 Vielmehr spielte das Attribut auf das Er5
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Jacques ruFFié / Jean-Charles sournia, Die Seuchen in der Geschichte der Menschheit, München 1992, S . 33 . Zur Rolle der Schriftlichkeit für die Formung kollektiver Gedächtnisstrukturen Jan assmann, Das kulturelle Gedächtnis . Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 82018, S . 87–129 . Vgl . auch Jacques le goFF, Histoire et mémoire, Paris 1988, S . 130–148 . Das Werk erschien zunächst unter dem Titel Storia e Memoria, Turin 1977 . Clemens WiscHermann, Geschichte als Wissen, Gedächtnis oder Erinnerung? Bedeutsamkeit und Sinnlosigkeit in Vergangenheitskonzeptionen der Wissenschaft vom Menschen, in: Hrsg . Clemens WiscHermann, Die Legitimität der Erinnerung und Geschichtswissenschaft (= Studien zur Geschichte des Alltags 15), Stuttgart 1996, S . 55–85 . Für eine Übersicht vgl . Bergdolt (2017), S . 249 f . und Jean-Noël BiraBen, Les hommes et la peste en France et dans les pays européens et méditerranéens . Bd . 2: Les hommes face à la peste (= Civilisations et Sociétés 36), Paris/Den Haag 1976, S . 186–195 . Eine Zusammenstellung italienischer Quellen in Übersetzung liefert Klaus Bergdolt, Die Pest in Italien 1348 . 50 zeitgenössische Quellen, Heidelberg 1989 . Es existiert bis heute keine umfassende Untersuchung über das Bild des Schwarzen Todes im Spiegel der Chronistik des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit . Zu diesem Aspekt sehr kurz ruFFié/sournia, (1992), S . 33 f . … adeo efferatam pestem grassasse ut nunquam alias neque forte unquam grassaturam. Alberti Krantzii Metropolis seu historia de ecclesiis sub Carolo Magno in Saxonia instauratis 780–1504, Basel 1548, S . 36 . Martin krieg (Hrsg .), Das Chronicon Domesticum et Gentile des Heinrich Piel (= Geschichtsquellen des Fürstentums Minden 4), Münster 1981, S .XXVIII u . S . 63 . HerliHy (1997), S . 10 . Bulst (1979), S . 45 . Für eine Verwendung des Begriffs erst im 18 . Jahrhundert plädiert Rainer kössling, Der Schwarze Tod in zeitgenössischen Zeugnissen des 15 . und 16 . Jahrhunderts, in: Hrsg . Ortrun riHa, Seuchen in der Geschichte: 1348–1998 . 650 Jahre nach dem Schwarzen Tod . Referate einer interdisziplinären Ringvorlesung im Sommersemester 1998 an der Universität Leipzig, Aachen 1999, S . 78 . Zur Begriffsentwicklung auch Kay Peter JankriFt, Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, Darmstadt 22012, S . 85 sowie ders., Vom Pesthauch zu Yersinia Pestis . Eine Geißel der Menschheit im Wandel der Zeit, in: Hrsg . Alexander Berner / Stefan leenen / Sandra maus, Pest! Eine Spurensuche Darmstadt 2019, S . 20–29 . HerliHy (1997), S . 10 .
1 . Einführung
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scheinungsbild der Seuche an, zu dem die markanten, durch Unterhautblutungen hervorgerufenen schwärzlich erscheinenden Beulen zählen .13 Im Jahre 1832 verfasste der deutsche Medizinhistoriker Justus Friedrich Karl Hecker (1795–1850) unter dem Eindruck der Cholera ein Werk mit dem Titel Der Schwarze Tod im vierzehnten Jahrhundert .14 Hierdurch wurde der Begriff populär und fand durch Übersetzungen15 sowie eine mehrfach aufgelegte Abhandlung zur englischen Geschichte von Elizabeth Cartwright Penrose (1780– 1837) auch im angelsächsischen Kulturkreis Verbreitung .16 Den Durchsetzungsprozess dieser Wortneuschöpfung belegt exemplarisch die 1880 – gut ein Jahrzehnt vor der Entdeckung des Erregers Yersinia Pestis – durch den Aachener Arzt und Balneologen Bernhard Maximilian Lersch (1817–1902) verfasste Kleine Pest-Chronik.17 In dieser historischen, zur Orientierung für seine ärztlichen Standeskollegen zusammengestellten Kurzübersicht notierte Lersch unter anderem: „Der schwarze Tod, wie man die Epidemie jetzt [sic!] zu nennen pflegt .“18 Das Maß des Gedenkens an die Schrecken des Schwarzen Todes verringerte sich im Laufe der Jahrhunderte . Dennoch sind auf verschiedenen Wirkungsebenen bis in die Gegenwart hinein verstreute, oftmals von der modernen Gesellschaft kaum als solche wahrgenommene Erinnerungsfragmente an die große Katastrophe sowie an andere verheerende Epidemien19 und gefürchtete Infektionskrankheiten20 erhalten geblieben, die während des Mittelalters und der frühen Neuzeit auch in hiesigen Breiten auftraten . Auf den ersten zwei Wirkungsebenen, der religiösen und der alltäglichen, werden Erinne13
Friedrich-Bernhard spencker, Epidemiologische Aspekte von Massenseuchen, in: Hrsg . Ortrun riHa, Seuchen in der Geschichte: 1348–1998 . 650 Jahre nach dem Schwarzen Tod . Referate einer interdisziplinären Ringvorlesung im Sommersemester 1998 an der Universität Leipzig, Aachen 1999, S . 111 . Egon scHmitZ-cliever, Pest und pestilentzialische Krankheiten in der Geschichte der Reichsstadt Aachen, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 66/67 (1955), S . 109 . 14 Justus Friederich Karl Hecker, Der schwarze Tod im vierzehnten Jahrhundert . Nach den Quellen für Aerzte und gebildete Nichtärzte bearbeitet, Berlin 1832 . 15 Justus Friederich Karl Hecker, The Black Death in the Fourteenth Centruy, London 1833 . Weitere Ausgaben des Werkes erschienen 1835, 1859 und 1885 in New York . 16 HerliHy (1997), S . 11 . Elizabeth cartWrigHt penrose, A History of England from the First Invasion by the Romans to the Present, London 1859 . 17 Bernhard Maximilian lerscH, Kleine Pest-Chronik . Zeiten und Zeichen der orientalischen Pest, Aachen 1880, S . 1: „Als vor einigen Jahren die Pest Europa bedrohte, hat gewiss mancher Arzt über den Verlauf dieser Seuche in früheren Jahrhunderten sich in der älteren Literatur Belehrung gesucht, welche er in neueren Handbüchern nicht in gewünschtem Maasse fand“ 18 lerscH (1880), S . 28 . 19 spencker (1999), S .l 10 . ruFFié/sournia (1992), S . 33 f . u . S . 64 . 20 Richard toellner, Zur Einführung: Lepra ist anders, in: Hrsg, Richard toellner, Lepra-Gestern und Heute . 15 wissenschaftliche Essays zur Geschichte und Gegenwart einer Menschheitsseuche . Gedenkschrift zum 650-jährigen Bestehen des Rektorats Münster Kinderhaus, Münster 1992, S . 2 . Vorwort von Paul Krause, in: Wilhelm FroHn, Der Aussatz im Rheinland . Sein Vorkommen und seine Bekämpfung (= Arbeiten zur Kenntnis der Geschichte der Medizin im Rheinland und in Westfalen 11), Jena 1933, S .VI .
14
1 . Einführung
rungsfragmente mehr oder weniger bewusst sichtbar gemacht . Herausragendes Beispiel eines solchen Sichtbar-Machens sind die bis heute in regelmäßigem Turnus veranstalteten Oberammergauer Passionsspiele, die 1634 erstmals zur Erfüllung eines während der jüngsten Pest geleisteten Gelübdes aufgeführt wurden .21 Daneben finden sich im Zusammenhang mit einem Seuchenausbruch eingeführte, noch heute stattfindende Prozessionen .22 Die „Große Prozession“ im westfälischen Münster etwa, die alljährlich am Sonntag vor dem Fest der heiligen Margarete, dem 13 . Juli, stattfindet, geht gemäß der Überlieferung auf eine Pest im Jahre 1382 und einen Stadtbrand im Folgejahr zurück .23 Ebenso dauerhaft schlug sich der Eindruck massenhaften Seuchensterbens auf dörfliches Brauchtum nieder . Zahlreiche Gemeinden im Bistum Münster begehen das Namensfest des als Pestschutzpatron24 verehrten heiligen Eremiten Antonius am 17 . Januar noch heute als Feiertag .25 In Erfüllung 21 22 23
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James sHapiro, Bist du der König der Juden? Die Passionsspiele in Oberammergau, München 2000 . Zur herausragenden Bedeutung von Ritus und Fest für die primäre Organisation des kulturellen Gedächtnisses assmann (2018), S . 56 f . Ludwig remling, Brauchtum, Feste und Volkskultur im alten Münster, in: Hrsg, FranzJosef JakoBi, Geschichte der Stadt Münster, Bd . 1, Münster 31994, S . 624 ff . ders., Die „Große Prozession“ in Münster als städtisches und kirchliches Ereignis im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Hrsg . Helmut laHrkamp, Beiträge zur Stadtgeschichte (= Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster NF 11), Münster 1984, S . 197–233 . Gerd detHleFFs, Pest und Lepra . Seuchenbekämpfung in Mittelalter und früher Neuzeit (= Geschichte original – am Beispiel der Stadt Münster 16), Münster 1989, S . 9 . Ulrich WinZer, to troeste armer ellendiger verlaten lüde de in pestilencie befallen. Zu den Pestkrankenhäusern der Stadt Münster in der Frühen Neuzeit, in: Hrsg, Franz-Josef JakoBi, Hannes lamBacHer u . a ., Stiftungen und Armenfürsorge in Münster vor 1800 (= Studien zur Geschichte der Armenfürsorge und Sozialpolitik in Münster 1), Münster 1996, S . 240 . Ralf nickel, Die Minderbrüder in Münster, in: Hrsg . Dieter Berg, Franziskanisches Leben im Mittelalter . Studien zur Geschichte der rheinischen und sächsischen Ordensprovinz (= Saxonia Francisana 3), Werl 1994, S . 177 . Zur Rolle von Pestschutzpatronen für den Umgang mit der Pest exemplarisch Neithard Bulst, Heiligenverehrung in Pestzeiten . Soziale und religiöse Reaktionen auf die spätmittelalterlichen Pestepidemien, in: Hrsg . Andrea lötHer u . a ., Mundus in imagine . Bildersprache und Lebenswelten im Mittelalter . Festgabe für Klaus Schreiner mit einem Geleitwort von Reinhart Koselleck, München 1996, S . 63–97 . Heinrich dormeier, Ein geystliche ertzeney für die grausam erschrecklich pestilentz. Schutzpatrone und frommer Abwehrzauber gegen die Pest, in: Hrsg . Hans Wilderotter, Das große Sterben . Seuchen machen Geschichte, Berlin 1995, S . 54–93 . Michael Zeller, Rochus . Die Pest und ihr Patron (= Nürnberger Schriften 2), Nürnberg 1989 . Marie-Theres scHmitZ-eicHHoFF, St . Rochus . Ikonographische und medizinhistorische Studien (= Kölner medizinhistorische Beiträge 3), Köln 1977 . Wolfgang Bocker, Kurzer Überblick über die Geschichte Schöppingens, in: 828–1988 . 1150 Jahre Schöppingen . 650 Jahre Wallfahrt Eggerode, Schöppingen 1988, S . 11 f . Zu der bis 1830 stattfinden Prozession zur Erinnerung an die Pest vgl . auch Ruth Wenger, Reformation und katholische Erneuerung, in: Schöppingen 838–1988 . Eine Geschichte der Gemeinde Schöppingen und Eggerode, Schöppingen 1988, S . 621 ff . Josef scHültingkämper, Tungerloh – unsere Heimat . Herausgegeben zum 350-jährigen Vereinsjubiläum von der St . Antonius-Schützenbruderschaft Tungerloh-Capellen e . V . (= Heimat-
1 . Einführung
15
eines entsprechenden Gelübdes, welches das Ende einer frühneuzeitlichen Pestepidemie bewirkt haben soll, gilt der Vortag in der Bauerschaft Gemen bei Schöppingen traditionell als Buß- und Fasttag . Die Liste dieser in aller Kürze aufgezeigten Beispiele religiöser Erinnerungskultur ließe sich weiter verlängern .26 Hat vor allem sie dazu beigetragen, vor Jahrhunderten wütende Seuchen immer wieder ins kollektive Bewusstsein der Gläubigen zu rufen, so sind Relikte, die im Alltag das Gedächtnis an die Schrecken der Vergangenheit wach halten, vergleichsweise selten zu finden . Am häufigsten fallen wohl die mancherorts zur Erinnerung an vergangene Epidemien errichteten Pestsäulen ins Auge, die zumeist während des 17 . und 18 . Jahrhunderts errichtet wurden .27 Vereinzelt lassen sich, wenngleich in gänzlich anderer Form, bis in die Gegenwart Ausdrücke solcher Erinnerungspraxis beobachten . So setzte der Schöppinger Heimatverein unlängst einen Gedenkstein vor den sogenannten Pestfriedhof, auf dem mündlicher Überlieferung zufolge seit dem Mittelalter Seuchenopfer begraben worden sein sollen . Ein schlichtes Holzkreuz markierte bereits früher die angebliche Stelle . Die Aufstellung von Gedenkstein und – tafel, so hieß es zur Begründung, sollten nun – der Nachfrage zahlreicher Bürger nach der Bedeutung des Holzkreuzes Rechnung tragend – dafür sorgen, die „Zeiten der Pest“ nicht in Vergessenheit geraten zu lassen .28 Solche religiösen wie alltäglichen Erinnerungsfragmente, die sich in unterschiedlichen Erscheinungsformen und Ausprägungen – darunter einem reichen Sagenschatz – auch in anderen Regionen und Ländern finden lassen,29 belegen, dass die von den Zeitgenossen als „Pest“ wahrgenommenen Seuchen unter allen Geißeln, welche die Menschheit von Beginn an heimsuchten,30 die nachhaltigsten Spuren im europäischen Gedächtnis hinterlassen hat .31 An anderer
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buch Gescher 5), Coesfeld 1987, S . 14 f . u . S . 58 f . Gandulf korte, Antonius der Einsiedler in Kult, Kunst und Brauchtum Westfalens, Werl 1952 . Zu den mittelalterlichen Ursprüngen Thilo esser, Pest, Heilsangst und Frömmigkeit . Studien zur religiösen Bewältigung der Pest am Ausgang des Mittelalters (= Münsteraner Theologische Abhandlungen 58), Altenberge 1999 . ruFFié/sournia (1992), S . 49 . Exemplarische Abbildungen bei Hans Wilderotter, „Alle dachten, das Ende der Welt sei gekommen“ . Vierhundert Jahre Pest in Europa, in: Hrsg . Hans Wilderotter, Das große Sterben . Seuchen machen Geschichte, Berlin 1995, S . 48 f . Roger seiler, Zur Ikonographie der religiösen Pestdenkmäler des Kantons Graubünden (= Zürcher medizinhistorische Abhandlungen, NR 177), Zürich 1985 . Heimatpflege in Westfalen 5 (1999) . ruFFié/sournia (1992), S . 64 . Franz leskoscHek, Sebastianspfeil und Sebastiansminne . Vergessene Wallfahrtskultformen aus der Pestzeit, in: Hrsg . Leopold scHmidt, Kultur und Volk . Beiträge zur Volkskunde aus Österreich, Bayern und der Schweiz . Festschrift für Gustav Gugitz zum 80 . Geburtstag (= Veröffentlichungen des Österreichischen Museums für Volkskunde 5), Wien 1954, S . 229–236 . Kay Peter JankriFt, Die blaue Flamme . Die Pest im kulturellen Gedächtnis Europas, in: Hrsg . Jörg vögele, Stefanie knöll, Thorsten noack, Epidemien und Pandemien in historischer Perspektive, Wiesbaden 2016, S . 201–212 . Arno karlen, Die fliegenden Leichen von Kaffa . Eine Kulturgeschichte der Plagen und Seuchen, Berlin 1995, S . 25–49 . ruFFié/sournia (1992), S . 17 . toellner (1992), S . 2 . Ein vielsagendes Beispiel für die Assoziationen, welche die Pest noch im 20 . Jahrhundert hervorgerufen hat, liefert Henriette A . Bosman-Jelgersma, Pest in de Noordelijke Neder-
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Stelle dieser Untersuchung wird allerdings noch zu diskutieren sein, inwieweit sich in der heutigen Medizin zur Bezeichnung bestimmter Infektionskrankheiten gebräuchliche Begriffe wie etwa Pest oder Pocken, die gemeinhin nur allzu selbstverständlich für Krankheitserscheinungen vorangegangener Jahrhunderte benutzt werden, sich überhaupt auf mittelalterliche Seuchenphänomene übertragen lassen . Im 21 . Jahrhundert erscheint Mitteleuropäern die „Pest“ ebenso als „Krankheit par excellence“32 wie als längst ausgerottetes Übel einer fernen Vergangenheit . Was hierzulande und andernorts nur noch als Erinnerungsfragment fortlebt, ist in zahlreichen Ländern vor allem der sogenannten Dritten Welt durchaus Teil der Gegenwart . Während der jüngsten Pestepidemie auf Madagaskar traten Medienberichten zufolge zwischen Herbst 2017 und dem Frühjahr 2018 2348 Krankheitsfälle auf, wobei 1854 Patienten Symptome der Lungenpest zeigten .33 Rund 10 % der Erkrankten verstarb . Dass der Erreger nicht über einen der Flughäfen nach Europa eingeschleppt wurde, hing nach Einschätzung der Berichterstatter neben der guten Wirkung der eingesetzten Antibiotika vor allem von glücklichem Zufall ab . Doch nicht nur Madagaskar erwies sich in den vergangenen Jahren immer wieder als besonders seuchengefährdetes Gebiet . Vielmehr wurden Pestfälle zwischen 2010 und 2015 unter anderem im Kongo, in Peru und Teilen Chinas sowie im Südwesten der USA beobachtet .34 Die gegenwärtige Situation zeigt, dass tödliche Infektionskrankheiten trotz aller Anstrengungen der World Health Organization (WHO) weiterhin eine globale Bedrohung darstellen . Schon im April 1997 hatte der damalige Generaldirektor der World Health Organization (WHO), Hiroshi Nakajima, in Genf anlässlich des Weltgesundheitstages unter dem Motto Emerging Infectious Diseases: Global alert – global response vor einer tödlichen Rückkehr alter und den unterschätzten Gefahren neuauftretender Infektionskrankheiten gewarnt .35 Nachdem man den Kampf mit Hilfe von Präven-
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landen . In het bijzonder de pest in Alkmaar, Delft en Leiden, in: Geschiednis der Geneeskunde 7 (2000/2001), S . 45: Als der renommierte Internist Professor Jacob Mulder (1901–1965), der zwischen 1946 und 1965 an der Rijksuniversiteit Leiden wirkte, den Gesundheitsminister in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen wünschte, dieser sich aber gerade unabkömmlich in einer Ministerratssitzung befand, ließ ihm der Arzt lakonisch ausrichten, er habe einen Pestfall auf seiner Abteilung . Aufgeschreckt durch die fingierte Nachricht, rief der besorgte Minister Pieter Muntendam (1901–1986) den Leidener Professor augenblicklich zurück . Bulst (1989), S . 20 . Bergdolt (2017), S . 9 . Hermann Feldmeier, Pest in Madagaskar: Wie die konsequente Umsetzung eines Katastrophenplans und etwas Glück eine Katastrophe verhinderten, in: Neue Zürcher Zeitung vom 10 . März 2018 unter: https://www .nzz .ch/wissenschaft/die-pestepidemie-in-madagaskar-ist-besiegt-ld .1364767 [Abruf: 30 . Oktober 2018] Eric BertHerat, La peste à travers le monde, 2010–2015, in: Relevé épidemiologique hebdomadaire, OMS, n°8, 26 février 2016, S . 89–92 . Weltgesundheitstag 1997: Alte und neue Infektionskrankheiten-die unterschätzte Gefahr, in: Hrsg . Robert Koch-Institut Berlin, Epidemiologisches Bulletin . Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten 14 v . 4 . April 1997, S . 91 . Mit Bezug auf die Einschätzungen der WHO auch Johan C . scHoeman, Disease and Security: The Effect of
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tivimpfringen und Medikamenten fast gewonnen geglaubt habe, seien nun Pest, Diphtherie, Gelbfieber, Meningitis und Cholera zu einer erneuten Bedrohung der Menschheit geworden .36 Die Statistik gab den Befürchtungen Nakajimas Recht: 17,3 Millionen, rund 33 % der 1996 weltweit registrierten Todesfälle waren seinerzeit auf Infektionskrankheiten zurückzuführen . Nach Schätzungen der WHO belief sich allein die Zahl infektionsbedingter Todesfälle unter Kindern bis zum fünften Lebensjahr in den Entwicklungsländern jährlich auf 9 Millionen .37 Allerdings beschränkt sich das Gefahrenpotential ansteckender Infektionskrankheiten38 keineswegs nur auf die sogenannte Dritte Welt . Infektionsbedingte Krankheiten machen auch in Mitteleuropa einen Anteil sehr hohen Anteil aller akuten Erkrankungen aus .39 Der von der Weltgesundheitsorganisation angesichts einer solchen Entwicklung verkündete „weltweite Alarm“ verdeutlicht, dass die Gefahr einer Ausbreitung gefährlicher Infektionskrankheiten im Zeitalter der Globalisierung neue Dimensionen angenommen hat . Angemessen lässt sich dieser Gefahr, so die schon vor rund 20 Jahren ins Motto des Weltgesundheitstages geschriebene Forderung der WHO, nur mittels global response begegnen . Seuchen erforderten zu allen Zeiten und erfordern noch heute Reaktionen in Form von Handlungen, die auf ihre Eindämmung und Bekämpfung ausgerichtet sind . Auf dieses Ziel ist der Aufruf ausgerichtet, der nicht nur an Ärzte und andere im medizinischen Bereich tätige Personen, sondern auch an Entscheidungsträger in Politik und Gesellschaft appelliert . Das richtige Zusammenspiel aller gesellschaftspolitischen Kräfte bildet die wichtigste Voraussetzung, um dieser Herausforderung zu begegnen .40 Seuchen bewirken jedoch bekanntermaßen neben den zu
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Emerging and Re-emerging Diseases, in: Medicine, Conflict and Survival 16 (2000), S . 302–309 . Eine Reflexion über die Bedeutungen „alter“ und „neuer“ Seuchen in ihren gesellschaftlichen Kontexten bietet Neithard Bulst, Alte und neue Krankheiten . Seuchen, Mensch und Umwelt, in: Hrsg . Elisabeth mornet / Franco morenZoni, Milieux naturels, espaces sociaux . Études offertes à Robert Delort (= Histoire ancienne et médiévale 47), Paris 1997, S . 751–761 . Neue Osnabrücker Zeitung v . 4 . April 1997 . Hans-Günther sonntag, Infektionsgefahren nehmen zu, in: Spektrum der Wissenschaft 3/1997, S . 110 . Nach medizinischer Definition sind unter dem Begriff „Infektionskrankheiten“ nicht nur übertragbare, sondern auch solche Krankheiten zu verstehen, für deren Ablauf eine Infektion bestimmend ist, ohne daß diese ansteckend wären, etwa Nierenbecken-BlasenEntzündungen, Gallenblasenentzündungen oder Nagelbettvereiterung (Panaritium) . Vgl . spencker (1999), S . 109 . In der vorliegenden Untersuchung bezieht sich der Begriff „Infektionskrankheit“ stets auf kontagiöse Formen . Wolfgang geissel, Die schlimmsten Infektionskrankheiten, in: Ärzte-Zeitung online vom 30 . April 2018 unter https://www .aerztezeitung .de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/article/962972/ranking-schlimmsten-infektionskrankheiten .html [Abruf: 29 .Oktober 2018] . Gesundheitsberichterstattung und Epidemiologie als Basis für gesundheitspolitische Entscheidungen . WHO Workshop in Kiel, 14 .–16 . November 1989 (= Schriftenreihe des Instituts für Gesundheits-System-Forschung Kiel 33), Würzburg 1994, besonders S . 9–16 . Zur historischen Entwicklung dieser Problematik Alfons laBiscH/Florian tennstedt, Gesellschaftliche Bedingungen Öffentlicher Gesundheitsvorsorge . Problemsichten und
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ihrer Abwehr nötigen Verhaltensweisen noch weitere komplexe Reaktionen, die nicht an Eindämmungsstrategien gekoppelt sind; etwa die Flucht aus einer bereits verseuchten oder von einer Epidemie bedrohten Stadt . Die Gesamtheit aller Reaktionen bildet die dritte, die „außeralltägliche“41 oder unbewusste Wirkungsebene, auf der Erinnerungsfragmente zumeist unsichtbar bleiben und nur im Bedarfsfall aktiviert werden . Der heutige Umgang mit verschiedenartigen übertragbaren Infektionskrankheiten ist das Resultat jahrhundertelang gesammelter Erfahrungen im Umgang mit Seuchen, vor allem der Pest .42 Abgesehen vom medizinisch-technischen Fortschritt, der auf der Grundlage stetig wachsender Erkenntnis inzwischen wirksame Möglichkeiten zur Bekämpfung altbekannter Menschheitsgeißeln bereithält,43 sowie allgemeinen strukturellen Verbesserungen, sind manche Reaktionsmuster statisch geblieben . Diese Feststellung wird untermauert durch die Forderung zahlreicher Gesundheitsorganisationen und Mediziner nach neuen Präventionsstrategien als adäquate Antwort auf das sich verändernde Problemfeld ansteckender Infektionskrankheiten .44 Stereotype Verhaltensweisen, die von unbewussten Erinnerungsfragmenten geprägt sind, kennzeichnen in besonderem Maß das Spektrum der Reaktionen, die nicht auf eine Seuchenbekämpfung ausgerichtet sind . Ruffié und Sournia konstatierten, dass sich beim Auftreten einer auffällig erhöhten Sterblichkeit Phänomene der Vergangenheit stets wiederholen .45 Diese reichen von einer schon in der Antike praktizierten Flucht der Bevölkerung aus Seuchengebieten bis hin zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen Minderheiten .46 Als maßgeblicher Steuerungsfaktor kollektiven Verhal-
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Problemlösungsmuster kommunaler und staatlicher Formen der Gesundheitsvorsorge, dargestellt am Beispiel des öffentlichen Gesundheitsdienstes . Gesammelte Aufsätze einer historisch-soziologischen Untersuchung (= Schriftenreihe der Deutschen Zentrale für Volksgesundheitspflege e . V . 49), Frankfurt am Main 1988 . In einer für die Fragestellung der Untersuchung modifizierten Übernahme des Begriffs von assmann (2018), S . 58 . Peter Frey, Pest, in: Hrsg . Hans scHadeWaldt, Die Rückkehr der Seuchen . Ist die Medizin machtlos?, Köln 1994, S . 39: „Dass wir heute überhaupt in der Lage sind, viele Infektionskrankheiten wirkungsvoll zu bekämpfen, mag paradoxerweise ein Verdienst der Pest sein .“ spencker (1999), S . 110 . So wären etwa 25 % der infektionsbedingten Todesfälle allein durch Impfungen vermeidbar . sonntag (1997) . S . 110 . Thomas kistemann / Martin exner, Bedrohung durch Infektionskrankheiten? Risikoeinschätzung und Kontrollstrategien, in: Deutsches Ärzteblatt 97 (2000), S . 251–255 . Knut-Olaf gundermann, Public Health . Eine neue Präventionsstrategie für Infektionskrankheiten, in: Spektrum der Wissenschaft 3/1997, S . 114–121 . Gesundheitsberichterstattung und Epidemiologie als Basis für gesundheitspolitische Entscheidungen . WHO Workshop in Kiel, 14 .–16 . November 1989 (= Schriftenreihe des Instituts für Gesundheits-System-Forschung Kiel 33), Würzburg 1994 . ruFFié/sournia (1992), S . 65 . Vgl . hierzu auch die Ausführungen von Richard preston, Hot Zone . Tödliche Viren aus dem Regenwald, München 1995, S . 248 f . Hierzu auch spencker (1999), S . 114 . Vgl . z . B . Heinz-Peter scHmiedeBacH / Mariacarla gadeBuscH Bondio, Fleuch pald, fleuch ferr, kum wider spat, Entfremdung, Flucht und Aggression im Angesicht der Pestilentz (1347–150), in: Hrsg . Irene erFen / Karl-Heinz spiess, Fremdheit und Reisen im Mittel-
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tens wirkt heute wie einst die Angst vor einer Ansteckung .47 Sie gewinnt in der Erinnerung an die Epidemien der Vergangenheit unbewusst ein Gesicht, das nicht nur Mediziner fragen lässt, ob man heutzutage auf ein massiveres Wiederauftreten von Krankheiten wie der Pest vorbereitet wäre .48 Das Vertrauen in die Errungenschaften der heutigen Medizin hat in den entwickelten Industriestaaten die Angst vor der Unberechenbarkeit von Seuchen weitgehend aus dem Bewusstsein schwinden lassen .49 Die Ignoranz könnte allerdings gefährliche Folgen haben . Der bisher größte Ausbruch von Ebola in Teilen Westafrikas kostete 2014 über 11 .000 Menschen das Leben und führte dazu, dass die WHO einen internationalen Gesundheitsnotstand verkündete .50 Im August 2018 manifestierte sich die tödliche Infektionskrankheit in der Demokratischen Republik Kongo . Die weltweite Vernetzung über die internationalen Flughäfen mit einer steigenden Zahl an Reisenden birgt stets das Potenzial für eine rasante Verbreitung gefährlicher Erreger aller Art . Rasches Städtewachstum, die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen mit einem engen Zusammenleben von Mensch und Tier, sowie Kriege und fehlende medizinische Infrastrukturen zur Eindämmung drohender Epidemien steuern ein Übriges dazu bei, der zunehmenden Gefährdung durch Infektionskrankheiten den Weg zu bereiten .51 Hinzu kommen fortschreitender Klimawandel und Erderwärmung, die eine Ausbreitung von Mückenarten wie Aedes aegypti und Aedes albopictus (Asiatische Tigermücke) als Überträgern des Zika-Virus oder des Chikungunya- und Dengue-Fiebers in solchen Regionen ermöglichen, in denen diese blutsaugenden Insekten bis vor kurzem nicht heimisch waren .52 Inzwischen ist die Asiatische Tigermücke auch in Süddeutschland angelangt .53
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alter, Stuttgart 1997, S . 217–234 . Sabine tanZ, Pest und spätmittelalterliche Mentalität, in: Ortrun riHa, Seuchen in der Geschichte 1348–1998 . 650 Jahre nach dem Schwarzen Tod . Referate einer interdisziplinären Ringvorlesung im Sommersemester 1998 an der Universität Leipzig, Aachen 1999, S . 46–73 . Jean delumeau, Angst im Abendland . Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14 . bis 18 . Jahrhunderts, Bd . l, Reinbek 1985, S . 140–199 . Georges duBy, Unseren Ängsten auf der Spur . Vom Mittelalter bis zum Jahr 2000, Köln 1996, 77–95 . Gérard FaBre, Épidémies et contagions . L’imaginaire du mal, Paris 1998 . knieHl (1998), S . 96 . ruFFié/sournia (1992), S . 64 f . Frey (1994), S . 39 . gundermann (1997), S . 114 . Laurie garrett, Die kommenden . Plagen . Neue Krankheiten in einer gefährdeten Welt, Frankfurt/M . 1996 . gundermann (1997), S . 114 . Henrik oerding, Kein weltweiter Notfall, aber längst nicht unter Kontrolle, in: Zeit online vom 18 . Oktober 2018 unter https://www .zeit .de/wissen/gesundheit/2018–10/ebolakongo-who-krisenausschuss-gesundheitsnotstand [Abruf: 30 . Oktober 2018] . Jakob simmank, Willkommen im Zeitalter der Epidemien, in: Zeit online vom 6 . September 2018 unter https://www .zeit .de/wissen/gesundheit/2018-08/krankheitserreger-epidemien-kongo-ebola-anfaelligkeit-anthropozaen-ausbruch#4-menschen-kaempfen [Abruf: 30 . Oktober 2018] Ebenda . Doreen Werner / Helge kampe, Aedes albopictus breeding in southern Germany, 2014, in: Parasitology Research 114,3 (2015), S . 831–834 .
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Je weniger die Medizin derzeit in der Lage ist, einigen der neuen Infektionskrankheiten wie dem Zika-Virus oder dem Chikungunya-Fieber mit Impfungen entgegenzutreten oder tödliche virale hämorrhagische Fiebern (VHF) – insbesondere den durch Filoviren ausgelösten vom Typ Marburg oder Ebola – nicht nur in Einzelfällen wirksam zu begegnen,54 desto näher rückt die Ausgangssituation an die gefürchtete Hilflosigkeit heran, mit der Menschen im vormikrobiologischen Zeitalter der Pest und anderen infektionsbedingten Krankheiten gegenüberstanden . Gleichzeitig wird die Kontinuität einiger Handlungsmuster offenkundig . Bevor sich die weitere Untersuchung mit den Reaktionen vormoderner Stadtgesellschaften auf ein Auftreten von Seuchen sowie den Möglichkeiten und Strategien zu ihrer Eindämmung auseinandersetzt, erscheint daher ein exemplarischer Blick auf ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit sinnvoll, das den Wandel, aber auch die Dauerhaftigkeit gewisser Verhaltensweisen konkret verdeutlicht . Verhaltensstrukturen zwischen Kontinuität und Wandel am Beispiel eines bundesdeutschen VHF-Verdachtsfalles im August 1999 Nach einer zweiwöchigen Reise durch die Elfenbeinküste in Westafrika kehrte ein 40-jähriger freiberuflicher Kameramann aus Frankfurt/Oder in Begleitung seiner Ehefrau und zweier befreundeter Personen am Vormittag des 1 . August 1999 mit einem Flug über Zürich nach Berlin/Tegel in die Bundesrepublik zurück .55 Hatte sich der Mann bereits während des Rückflugs ohne Anzeichen einer Erkrankung unwohl gefühlt, so verstärkte sich das Krankheitsgefühl einige Stunden nach der Ankunft in seinem Wohnort . Nachdem inzwischen Fieber aufgetreten war, begab er sich am Abend in das nahegelegene Klinikum von Frankfurt/Oder, wo eine Malaria-Diagnostik, die allerdings ein negatives Ergebnis erbrachte, zu den ersten Untersuchungen zählte . Unter dem Verdacht auf Erkrankung an einer unklaren Infektionskrankheit wurde der Kameramann unter Isolationsbedingungen auf der internistischen Intensivstation aufgenommen .56 Als sich zu dem anfänglichen Fieber weitere Beschwerden wie Kopf-, Glieder- und Rückenschmerzen sowie Leibkrämpfe gesellten, 54 Erfolgreiche Behandlung eines Ebola-Patienten in Hamburg, in: aerzteblatt .de vom 23 . Oktober 2014 unter https://www .aerzteblatt .de/nachrichten/60583/Erfolgreiche-Behandlung-eines-Ebola-Patienten-in-Hamburg [Abruf: 30 . Oktober 2018] . Bernard le guenno, Neue Seuchen durch hämorrhagische Viren, in: Spektrum der Wissenschaft 3/1997, S . 59–65 . Clarence James peters, Filoviruses as Emerging Pathogens, in: Virology 5 (1994), S . 147–154 . Horst günterotH, Viren, in: Richard preston, Hot Zone . Tödliche Viren aus dem Regenwald, München 1995, S . 356 . scHoeman (2000), S . 304 . 55 Angaben zu einer tödlich, verlaufenden Gelbfieber-Erkrankung, in: Hrsg . Robert KochInstitut Berlin, Epidemiologisches Bulletin . Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health 32 v . 13 . August 1999, S . 237 f . 56 Risikoabschätzung für Kontaktpersonen bei Verdacht auf VHF . Erfahrungsbericht aus dem Land Brandenburg, in: Hrsg . Robert Koch-Institut Berlin, Epidemiologisches Bulletin . Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health 33 v . 20 . August 1999, S . 244 .
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gleichzeitig außerordentlich hohe Transaminasen, ein Abfall des Quick-Werts und der Thrombozytenzahl festgestellt wurden und sich der Zustand des Patienten bis zum dritten Krankheitstag kontinuierlich weiter verschlechtert hatte, transportierte man ihn per Rettungshubschrauber mit Verdacht auf ein virales hämorrhagisches Fieber in das Virchow-Klinikum der Berliner Charité . Dort verstarb der Patient trotz intensiver medizinischer Betreuung am 6 . August 1999, dem 6 . Krankheitstag, an Multiorganversagen . Verschiedene Erregergattungen und -stämme hämorrhagischer Viren sind bekannt, doch werden in unregelmäßigen Abständen stetig neue entdeckt .57 Sie verursachen Fiebererkrankungen, die neben anderen Beschwerden je nach Art des Erregers vor allem von den namengebenden mehr oder weniger massiven Blutungen begleitet werden . Hoch kontagiös und in ihrer Wirkung besonders heftig sind Erreger aus der Gattung der Filoviren – das sogenannte Marburg- und die verschiedenen Stämme des Ebola-Virus . Die Mortalität bei Infektionen mit einem dieser Erreger liegt bei etwa 50 %, im Falle von EbolaZaire sogar bei bis zu 90 % .58 Angesichts dieser Situation stellte der aufgetretene Verdachtsfall eine ernst zu nehmende Bedrohung dar . „Weil mit einem derartigen gefährlichen Ereignis aber immer gerechnet werden muss, sind geeignete Vorbereitungen erforderlich, die dadurch kompliziert sind, dass die Gefahren oft nur abgeschätzt werden können und praktische Erfahrungen [!] fehlen“, hieß es hierzu in einer Schrift des renommierten Berliner Robert Koch-Instituts .59 Die gut dokumentierten Reaktionen auf die Erkrankung orientierten sich demnach in erster Linie an den im Umgang mit altbekannten Seuchen gewonnenen Erkenntnissen, die durch die versuchsweise Anwendung neuer Handlungsstrategien auf der Grundlage eine Publikation der interdisziplinären Arbeitsgruppe Seuchenschutz ergänzt wurden .60 Der Katalog der eingeleiteten Maßnahmen zeigt, dass im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten, in denen hilflose Ärzte angesichts der Gefahr nicht selten die Flucht ergriffen,61 dem medizinischen Institutionsgeflecht heute eine tragende Rolle bei der Bewältigung der Situation zufällt .62 Demgegenüber sind die jahrhundertelang in der größtenteils religiös geführten Auseinandersetzung mit dem 57 Eine Übersicht bei le guenno (1997), S . 60 . 58 preston (1995), S . 57 f . le guenno (1997), S . 60 . 59 Erfahrungen und erste Schlußfolgerungen anläßlich eines VHF-Verdachtsfalles, in: Hrsg . Robert Koch-Institut Berlin, Epidemiologisches Bulletin . Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health 32 v . 13 . August 1999, S . 238 . 60 Rüdiger Fock u . a ., Management und Kontrolle lebensbedrohlicher hochkontagiöser Infektionskrankheiten, in: Bundesgesundheitsblätter-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 42 (1999), S . 389–401 . 61 Ortun riHa, Die Ärzte und die Pest, in: Hrsg . Ortrun riHa, Seuchen in der Geschichte: 1348–1998 . 650 Jahre nach dem Schwarzen Tod . Referate einer interdisziplinären Ringvorlesung im Sommersemester 1998 an der Universität Leipzig, Aachen 1999, S . 20 f . Bulst (1979), S . 58 f . Darrel W . amundsen, Medical Deontology and Pestilential Disease in the Late Middle Ages, in: Journal for the History of Medicine 32 (1977), S . 403–421 . 62 Angaben zu einer tödlich verlaufenden Gelbfieber-Erkrankung, in: Hrsg . Robert KochInstitut Berlin, Epidemiologisches Bulletin . Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health 32 v . 13 . August 1999, S . 238 .
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Seuchensterben unverzichtbaren geistlichen Kräfte inzwischen eher von individueller, denn von kollektiver Bedeutung .63 Unmittelbar nach der Verlegung des Patienten am 3 . August in eine eigens für solche Fälle vorgesehene Isoliereinheit des Virchow-Klinikums, die völlig abgeschottet vom alltäglichen Krankenhausbetrieb mit einer raumlufttechnischen Anlage mit Unterdrück und Abluftfilterung ausgestattet war, wurde über weitere Schritte der Diagnostik entschieden . Noch am späten Abend des gleichen Tages trafen Blutproben des Erkrankten beim Hamburger Bernhard-Nocht-Institut ein . In dessen Hochsicherheitslabor wurde umgehend eine Antikörpertestung auf viele der differentialdiagnostisch als Infektionsursache in Betracht kommenden Viren und Bakterien vorgenommen . Verschiedene Proben wurden am Folgetag an das Marburger Institut für Virologie übersandt . Im Laufe des 4 . August erfolgte die Mitteilung der Ergebnisse an das Virchow-Klinikum . Die Laboruntersuchungen hatten ein negatives Resultat bezüglich Lassa-, Marburg-, Hanta- und Ebola-Viren sowie einen negativen Antikörpernachweis gegen hämorrhagische Fieberviren ergeben . Im Blutausstrich hatten sich jedoch die für virale hämorrhagische Fieber typischen Pseudopelger-Zellen nachweisen lassen . Zwar hatte der Patient angegeben, eine Gelbfieberimpfung sei bereits vorgenommen worden, doch wurden zur Kontrolle auch für diesen Erreger die notwendigen Untersuchungen durchgeführt . Diese ergaben am 5 . August den begründeten Verdacht auf eine Gelbfieberinfektion, der durch den fehlenden Eintrag im Impfpass des Kranken erhärtet wurde . Dieser Befund, der am 6 . August gegen 1 Uhr dem Virchow-Klinikum mitgeteilt wurde und der sich wenige Stunden später bestätigte, bedeutete, dass die Gefahr des Um-sichGreifens eines hoch kontagiösen Erregers nicht länger bestand, da Gelbfieber nicht auf direktem Weg von Mensch zu Mensch übertragbar ist .64 In den Tagen vor dieser Diagnose galt es für die Mediziner jedoch, neben der Behandlung des Patienten eventuell darüberhinausgehende und für nötig erachtete Maßnahmen zwischen der Klinikleitung, den zuständigen Landesbehörden von Berlin, Brandenburg und Thüringen sowie dem Robert Koch-Institut abzustimmen . Die Senatsverwaltung für Gesundheit veranlasste die Bildung einer Einsatzleitung . Insgesamt wird anhand dieses Beispielfalles deutlich, dass jede potenzielle Gefahr für die Ausbreitung einer schwerwiegenden Infektionskrankheit weitreichende Auswirkungen zeitigt . Bewirkte der stetige medizinische Fortschritt eine veränderte Rolle im Umgang mit einer drohenden Seuche und damit eine gestärkte Position in Bezug auf Entscheidungen der politischen Ebene, so haben sich auf dieser Stufe einige seit Jahrhunderten 63 esser (1999) . tanZ (1999), S . 57 ff . Bernd Ingolf ZaddacH, Die Folgen des Schwarzen Todes für den Klerus Mitteleuropas (= Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 17), Stuttgart 1971 . Bulst (1979), S . 59–62 . Hans Ferdinand angel, Der religiöse Mensch in Katastrophenzeiten . Religionspädagogische Perspektiven kollektiver Elendsphänomene (= Regenburger Studien zur Theologie 48), Frankfurt am Main 1986 . 64 Gelbfieber . Übersicht und Überlegungen anläßlich einer importierten Erkrankung, in: Hrsg . Robert Koch-Institut Berlin, Epidemiologisches Bulletin . Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health 32 v . 13 . August 1999, S . 235 f .
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mehr oder weniger bewährte Verhaltensmuster erhalten . Die Gesundheitsämter Brandenburgs und Thüringens ermittelten Kontaktpersonen aus dem persönlichen Umfeld des Erkrankten, denen Verhaltensvorschriften auferlegt wurden und die sich einer Gesundheitskontrolle unterziehen mussten .65 Die hiervon Betroffenen, die Ehefrau und zwei Reisebegleiter, sollten sich im eigenen Haus aufhalten oder wurden stationär beobachtet und betreut . Das Krankenhauspersonal und alle Personen, die seit dem Auftreten der Symptome auf irgendeine Weise Kontakt mit dem Erkrankten oder den von ihm stammenden Laborproben gehabt hatten, wurden je nach Einschätzung ihrer individuellen Gefährdung verschiedenen Risikokategorien zugeordnet .66 Personen, welche unter die Kategorie II fielen, waren gehalten vor Ort zu bleiben, ihre Körpertemperatur zweimal täglich zu messen und ungewöhnliche Beobachtungen unverzüglich zu melden . Diese Maßnahmen betrafen 18 Krankenhausmitarbeiter aus Erstaufnahme und Labor . Die in den Kategorien III und IV Eingestuften erhielten eine umfassende Information über hämorrhagische Fiebererkrankungen und wurden ersucht, auf eventuelle Symptome zu achten . Nicht erfasst wurden solche Personen, die keinen unmittelbaren Kontakt mit dem Patienten selbst, sondern nur mit Menschen aus dessen direktem Umfeld gehabt hatten (Kategorie V) . Vorsorglich sicherte man zudem die Passagierliste des Flugzeugs, in welchem der Kranke gereist war . Da das Ansteckungsrisiko der Mitreisenden als gering eingestuft wurde, sollten diese zunächst nicht verständigt werden . Die Dimension des internationalen Informationsaustausches zeigt jedoch das Ausmaß der für möglich erachteten Gefahr . Das Robert Koch-Institut setzte die Europäische Union über den jeweiligen Sachstand in Kenntnis, während das Bundesministerium für Gesundheit die WHO informierte . Daneben galt es, den Krankheitsfall der Öffentlichkeit bekannt zu machen . Die Presse und die Seuchenreferenten der Länder waren über die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit umgehend benachrichtigt worden . Gleichzeitig richtete man Bürgertelefone für Berlin und Brandenburg ein . Zusätzliche Fachinformationen übermittelte das Robert Koch-Institut an die Medien . Am 4 . August fand eine gemeinsame Pressekonferenz von Senatsverwaltung, Charité und Robert Koch-Institut statt, der die Medien mit großem Interesse begegneten . In den Reaktionen der Bürgerinnen und Bürger auf die Berichterstattung spiegelte sich die Dauerhaftigkeit stereotyper Verhaltensweisen am deutlichsten wider . Welchen Anteil die Medien daran gehabt haben mögen, Ängste in der Öffentlichkeit zu schüren, lässt sich kaum beurteilen . Das Bürgertelefon, so stellt das Robert Koch-Institut in seinem Resümee zum Umgang 65 Angaben zu einer tödlich verlaufenden Gelbfieber-Erkrankung, in: Hrsg . Robert KochInstitut Berlin, Epidemiologisches Bulletin . Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health 32 v . 13 . August 1999, S . 238 . 66 Risikoabschätzung für Kontaktpersonen bei Verdacht auf VHF . Erfahrungsbericht aus dem Land Brandenburg, in: Hrsg . Robert Koch-Institut Berlin, Epidemiologisches Bulletin . Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health 33 v . 20 . August 1999, S . 244 .
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mit dem geschilderten VHF-Verdachtsfall fest, wurde stark in Anspruch genommen und diente größtenteils zur Beruhigung verängstigter Anrufer . Gleichzeitig wird unterstrichen, aus Sicht der beteiligten Ärzte sei eine weitere Versachlichung der Berichterstattung in den Medien wünschenswert . Zudem wurde den Medienvertretern nahegelegt, auf „Horrormeldungen“ zu verzichten .67 Beeinflussen im 21 . Jahrhundert Massenmedien die öffentliche Stimmung, so verkündete jahrhundertelange das Totengeläut der Kirchen weithin hörbar die Auswirkung der Seuchen . Im Gegensatz zum Magistrat vormoderner Städte, der allzu exzessives Läuten häufig verbot, um die wahre Dimension des Sterbens vor der Bevölkerung zu verschleiern,68 gilt inzwischen eine Informationspflicht gegenüber der Öffentlichkeit . Diese geht indes mit der Empfehlung einher, Meldungen so zu präsentieren, dass Panik vermieden wird .69 Der seinerzeitige Bericht des Robert-Koch-Instituts bewertete das Vorgehen im geschilderten Fall durchweg positiv . Anregungen zur Handhabung vergleichbarer Situationen bauten auf den im Sommer 1999 konkret gewonnenen Erfahrungen auf . So wurde für spezielle Notfälle die Vorbereitung von Ablauf- oder Vorsorgeplänen vorgeschlagen, die gelegentlich aktualisiert und in Übungen erprobt werden müssten .70 Die Zahl der zur Behandlung erforderlichen, bereits bestehenden oder zur Einrichtung vorgesehenen Isoliereinheiten wurden als ausreichend eingestuft . In den weiteren Ausführungen wurde ferner explizit darauf verwiesen, dass eine Funktionserhaltung der nicht ständig genutzten Spezialstationen über die bereits bestehenden Kapazitäten hinaus aus Kostengründen „nicht zu rechtfertigen“ sei . Diese wirtschaftlichen Erwägungen finden ihre Parallele mit Blick auf spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Pesthäuser, deren Gründung oftmals aus den gleichen Motiven unterblieb . Der Vorschlag, wie bei einer Häufung von Erkrankungen zu verfahren sei, weist ebenso Gemeinsamkeiten zu einer jahrhundertealten Praxis auf: „Falls doch einmal sehr viel mehr Personen betroffen wären, müsste die Requirierung eines möglichst außerhalb von Wohnsiedlungen gelegenen Krankenhauses bzw . einer im Bedarfsfall zügig zu evakuierenden stationären Rehabilitationseinrichtung erfolgen .“ Die tatsächliche oder mögliche Ausbreitung einer gefährlichen Infektionskrankheit ist weiterhin, so unterstreicht der Erfahrungsbericht, eine große Herausforderung, die immer auch einen Test für die Effizienz der Gegenmaßnahmen darstellt .71 Diese Feststellung gilt in gleicher Weise
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Erfahrungen und erste Schlußfolgerungen anläßlich eines VHF-Verdachtsfalles, in: Hrsg . Robert Koch-Institut Berlin, Epidemiologisches Bulletin . Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health 32 v . 13 . August 1999, S . 239 . 68 Bulst (1979), S . 62 . Bergdolt (2017), S . 189 . 69 preston (1995), S . 249: „Die Operation zur Eindämmung der biologischen Gefahr bestand zur Hälfte aus der Eindämmung von Nachrichten darüber .“ 70 Erfahrungen und erste Schlußfolgerungen anläßlich eines VHF-Verdachtsfalles, in: Hrsg . Robert Koch-Institut Berlin, Epidemiologisches Bulletin . Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health 32 v . 13 . August 1999, S . 239 . 71 Ebenda, S . 238 .
1 . Einführung
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mit Blick auf Seuchenausbrüche der Vormoderne, die ursächlich zur Entwicklung immer effizienterer Abwehrstrategien beigetragen haben .72 Seuche und Stadt. Ein Blick auf epidemiologische Faktoren Seuchenausbrüche haben zu allen Zeiten Reaktionen unterschiedlicher Art hervorgerufen; darunter nicht zuletzt Versuche zur Prophylaxe, Eindämmung und Krankenbehandlung, deren jeweilige Gestalt – wie das vorangegangene Beispiel gezeigt hat – von zahlreichen Faktoren bestimmt wird .73 Hierzu zählen etwa die spezifische Virulenz einer Krankheit, der medizinische Wissensstand oder der Grad politischer Organisation . Auch Siedlungsstrukturen sind in diesem Zusammenhang von wesentlicher Bedeutung . Denn Seuchen sind, wenngleich nicht ausschließlich ein städtisches Phänomen, so doch vor allem ein städtisches Problem .74 Je höher die Bevölkerungsdichte, die zugleich Erreger mit kurzen Inkubationszeiten begünstigt, desto mehr wächst die Seuchengefahr in einer Stadt .75 Direkt von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionskrankheiten kommen „deutlich häufiger oder sogar ausschließlich“ in dicht besiedelten Regionen vor .76 Im Gegensatz dazu, vermögen sich etwa Pocken, Grippe oder Cholera nicht über einen längeren Zeitraum in kleineren Lebensgemeinschaften zu halten .77 Neben diesen unmittelbar demografischen spielt eine lange Reihe anderer, teilweise an die Populationsdichte anknüpfender Bedingungen – allen voran die hygienische Situation – eine entscheidende Rolle für die unheilvolle Affinität von Stadt und Seuche . Das Zusammenwirken dieser allerorts unterschiedlich gestalteten natürlichen wie kulturellen Faktoren prägt ein jeweils veränderliches, lokalspezifisches Seuchengeschehen mitsamt den Reaktionen der betroffenen Stadtgesellschaft .78 Nicht zuletzt aufgrund verschiedener klimatischer und hygienischer Verhältnisse weisen die Millionenstädte Südostasiens für die Verbreitung bestimmter Erreger ganz andere Voraussetzungen auf als beispielsweise London oder Berlin, herrschen in 72 spencker (1999), S . 110 ff . Alfons laBiscH, Homo Hygienicus . Gesundheit und Medizin in der Neuzeit, Frankfurt/New York 1992, S . 53 ff . 73 kistemann/exner (2000), S . 253 bieten eine anschauliche Übersicht der Einflussfaktoren für das Auftreten von Infektionen und Infektionskrankheiten, die bis auf wenige Aspekte eindeutig gegenwärtiger Problemfelder (etwa Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung, Rückkühlwerke) auch für mittelalterliche Verhältnisse Gültigkeit besitzen . Dazu auch ruFFié/sournia (1992), S . 28 u . S . 35 ff . 74 Britta padBerg, Die Oase aus Stein . Humanökologische Aspekte des Lebens in mittelalterlichen Städten, Berlin 1996, S . 69–74 . karlen (1996), S . 79–104 . Frey (1994), S . 39 . 75 H . O . lancaster, Expectations of Life . A Study in the Demography, Statistics and History of World Mortality, New York u . a . 1990, S . 489 . Peter kunststaedter, Demography, Ecology, Social Structure ans Settlement Patterns, in: Hrsg . G . A . Harrison / a. J. Boyce, The Structure of Human Populations, Oxford 1972, S . 313–351 . 76 padBerg (1996), S . 70 . 77 Keith mancHester, The Paleopathology of Urban Infections, in: Hrsg . Steven Bassett, Death in Towns . Urban Responses to the Dying and the Dead (100–1600), Leicester/ London/New York 1992, S . 11 f . 78 padBerg (1996), S . 69 .
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1 . Einführung
einer Hafenstadt wie Marseille nicht die gleichen Gesetzmäßigkeiten wie etwa in Wien .79 Doch auch ohne solch offensichtliche Gegensätze bemühen zu müssen, gilt, dass die zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Eigenheiten einer Stadt stets unterschiedliche Grundlagen für die Ausbreitung und Wirkung bestimmter Infektionskrankheiten schaffen . Diese Feststellung trifft nicht nur auf die Gegenwart zu, sie lässt sich gleichermaßen auf vormoderne Städte übertragen . Zweifellos hat die Entwicklung der spätmittelalterlichen Städtelandschaft Europas80 eine wesentliche Voraussetzung für die Ausbreitung des Schwarzen Todes und nachfolgende Seuchen geschaffen .81 Die epidemiologischen Rahmenbedingungen mittelalterlich-frühneuzeitlicher Städte unterschieden sich durch eine Reihe charakteristischer Faktoren von den Gegebenheiten in zeitgenössischen Dörfern .82 Wenngleich die genaue Bedeutung lokalspezifischer Klimafaktoren wie Luftfeuchtigkeit, Niederschläge oder Temperatur für das Seuchengeschehen noch nicht abschließend geklärt ist,83 so scheint doch das städtische Klima84 eine Vermehrung und Verbreitung übertragbarer Erreger zu begünstigen .85 Inwieweit das für die meisten mittelalterlich-frühneuzeitlichen Städte so typische Mauer- und Festungswerk diesen Effekt tatsächlich verstärken konnte, wie Britta Padberg aus einer 1841 entstandenen historisch-topografischen Abhandlung über die Stadt Braunschweig folgert,86 der zufolge die Zahl der Fiebererkrankungen nach Schleifung der Festungswerke seltener geworden sei, ist vor dem Hintergrund einer tendenziellen Verbesserung des öffentlichen Gesundheitswesens zu dieser Zeit allerdings fraglich .87 Eine besondere Schwie79 simmank (2018). ruFFié/sournia (1992), S . 77 u . S . 47–58 . 80 Hierzu der Überblick von Edith ennen, Die europäische Stadt des Mittelalters, Göttingen 41987, S . 155–206 . 81 ruFFié/sournia (1992), S . 27 . karlen (1996), S . 27 f . 82 padBerg (1996), S . 69 . 83 Die sogenannte Biometeorologie wird in der Wissenschaft eher kritisch betrachtet . Hierzu Axel BoJanoWski, Wetterfühligkeit: Experten halten Biowetter-Vorhersagen für Unsinn, in: Spiegel online vom 11 . Oktober 2009 unter http://www .spiegel .de/wissenschaft/natur/ wetterfuehligkeit-experten-halten-biowetter-vorhersagen-fuer-unsinn-a-653951 .html [Abruf: 30 . Oktober 2018] . Entgegen padBerg (1996), S . 69, die einem Anstieg von Temperatur und Feuchtigkeit in Städten „klimahygienische Bedeutung“ zuspricht, unterstreichen ruFFié/sournia (1992), S . 43: „Die Meteoropathologie als Wissenschaft steckt erst in den Kinderschuhen, und das wird wohl noch einige Zeit so bleiben .“ 84 padBerg (1996), S . 53: „Das spezifisch urbane Klima stellt eine Modifikation des natürlichen lokalen Klimas dar, es bleibt jedoch von großräumigen klimatischen Rahmenbedingungen abhängig .“ Kathleen priByl, Farming, famine and plague . The impact of climate in late medieval England, Cham 2017 . 85 Hierzu auch Dorothea rotH, Aspekte des Stadtklimas, in: Stadt und Landschaft 11 (1979), S . 15 . 86 padBerg (1996), S . 69 . 87 laBiscH (1992), 109 ff . Jörg vögele, Historische Demographie, Epidemiologie und die Medizingeschichte, in: Hrsg . Norbert paul / Thomas scHlicH, Medizingeschichte: Aufgaben, Probleme, Perspektiven, Frankfurt am Main/New York 1998, S . 300 f . Allgemein zum Rückgang von Seuchensterblichkeit und Bevölkerungsanstieg im 19 . Jahrhundert Thomas mckeoWn, The Modern Rise of Population, London 1976 .
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rigkeit, die Rolle klimatischer Verhältnisse bei Ausbruch, Verlauf und Abflauen von Seuchen in vormodernen Städten zu verfolgen, ergibt sich aus der Natur der verfügbaren Quellen . Diese liefern die entsprechenden Klimadaten für eine Stadt in aller Regel nicht in der nötigen Dichte, um hieraus Zusammenhänge mit dem gesamten Seuchengeschehen ableiten zu können .88 Herausragende epidemiologische Relevanz kommt zweifelsfrei den hygienischen Umständen in den Städten zu . Dabei spielt die jeweilige Einwohnerdichte eine bedeutende Rolle . Diese hatte unmittelbaren Einfluss auf die Wohnsituation . Das Zusammenleben vieler Menschen auf beschränktem Raum – häufig in unmittelbarer Nähe zu ihrem Nutzvieh – verwandelte mittelalterlich-frühneuzeitliche Städte in einen bevorzugten Lebensraum für Parasiten aller Art . Zu Flöhen, Läusen, Schaben und Wanzen gesellten sich Nagetiere, deren Präsenz als Überträger mikrobieller Erreger in hohem Maße gesundheitsgefährdend auf die Stadtbevölkerung wirkte .89 Die schwarze Hausratte (lat .: Rattus rattus), die stets in enger Nachbarschaft zum Menschen lebte, weil sie in Häusern, Speichern und Kellern günstige Bedingungen antraf, sorgte wahrscheinlich immer wieder für die Ausbreitung der Pest .90 Doch auch für die Übertragung anderer Infektionskrankheiten, etwa Leptospirose oder Tularämie, die sogenannte Hasenpest, spielten und spielen Nager eine Rolle .91 Die Verbreitung solcher Parasiten und die Entwicklung der Nagerpopulation wurden in ebenso beträchtlichem Maße von den jeweiligen städtebaulichen Gegebenheiten,92 den Entsorgungspraktiken und den Möglichkeiten zur Frischwasserversorgung beeinflusst wie der Wirkungsgrad und 88 ruFFié/sournia (1992), S . 43 . 89 Robert delort, Natürliche Umwelt und Seuchen, Die Tiere und die Menschen, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 49–55 . spencker (1999), S . 112 f . ruFFié/sournia (1992), S . 130 . padBerg (1996), S . 69 . James D . rackHam, The Smaller Mammals in the Urban Environment . Their Recovery and Interpretation from Archeological Sites, in: Hrsg . A . R Hall / Harry K . kenWard, Environmental Archaeology in the Urban Context . The Council for British Archaeology . Research Report 43 (1982), S . 86–93 . Georg WacHa, Tiere und Tierhaltung in der Stadt sowie im Wohnbereich des spätmittelalterlichen Menschen und ihre Darstellung in der bildenden Kirnst, in: Hrsg . Heinrich appelt, Das Leben in der Stadt des Spätmittelalters (= Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs), Wien 1977, S . 229–260 . Hans Zinsser, Läuse, Flöhe und die Weltgeschichte, Stuttgart/Calw 1949 . 90 Bergdolt (2017), S . 17 . spencker (1999), S . 113 . Frédérique audoin-rouZeau, La peste et les rats: Les réponses de l’archéozoologie, in: Hrsg, Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 65–71 . 91 padBerg (1996), S . 69 .Daniel knop, Von Pest bis Aids . Die Infektionskrankheiten und ihre Geschichte, Freiburg 1988, S . 54 f . u . S . 62 f . 92 Nach Ansicht von William H . mcneill, Seuchen machen Geschichte . Geißeln der Völker, München 1978, S . 195 und Peter Paul Huttmann, Die Pest in Aachen und Umgebung, Med . Diss . Aachen 1987, S . 8–10 boten Fachwerk- und Holzbauten mit Strohdächern etwa Hausratten bessere Bedingungen zur Einnistung als ziegelgedeckte Steinbauten . Dazu auch Kari köster-löscHe, Die großen Seuchen . Von Pest bis AIDS, Frankfurt am Main 1995, S . 37 f .
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1 . Einführung
Verlauf von Infektionskrankheiten, die zu ihrer Entfaltung keinerlei Vektoren benötigen . Die Beseitigung häuslicher und gewerblicher Abfälle in flüssiger wie fester Form, menschlicher wie tierischer Fäkalien und Kadaver verendeter Tiere stellte die Bewohner mittelalterlicher Städte vor ein Problem ersten Ranges .93 Die Art und Konsequenz, mit der diese in Angriff genommen wurde, der Grad ihrer obrigkeitlichen Organisation und Kontrolle sowie lokalspezifisch gegebene natürliche Entsorgungsmöglichkeiten wie etwa Flüsse oder Bäche, aber auch die Form der Trinkwassergewinnung sind für das jeweilige epidemiologische Geschehen von entscheidender Bedeutung .94 Wichtig erscheinen vor diesem Hintergrund zudem die örtlichen Gegebenheiten der Leichenbestattung, die Aufnahmekapazitäten der Friedhöfe – besonders angesichts hoher Sterbezahlen in Seuchenzeiten – und deren topografische Lage .95 Der Vollständigkeit halber muss angemerkt werden, dass die hygienischen Rahmenbedingungen nicht nur in einem Kausalzusammenhang zu Seuchenausbrüchen standen, sondern gleichfalls ursächlich für zahlreiche andere Krankheiten waren, die sich auf die Populationsdynamik mittelalterlicher Stadtbevölkerungen auswirkten .96 So ließ sich etwa die endemische Präsenz verschiedener Darmparasiten, die das Immunsystem des Menschen schwächen, mancherorts durch Untersuchungen mittelalterlicher Kloaken nachweisen .97 Wie eine Seuche innerhalb einer Stadt wirkt, hängt ferner indirekt von der jeweiligen Zusammensetzung ihrer Einwohnerschaft ab . Mangelernährung und schlechtere hygienische Wohnbedingungen machten nicht erst im Zeitalter der Choleraepidemien des 19 . Jahrhunderts die Armen anfälliger für spezifische Infektionskrankheiten als die in besseren Verhältnissen lebenden Stadtbewohner .98 Neben Klima, Populationsgröße, Bevölkerungsdichte und -strukturen sowie Hygiene – gewissermaßen den inneren Rahmenbedingungen – sind Um93 Ulf dirlmeier, Zu den Lebensbedingungen in der mittelalterlichen Stadt: Trinkwasserversorgung und Abfallbeseitigung, in: Hrsg . Bernd Herrmann, Mensch und Umwelt im Mittelalter, Köln 2007 [Lizenzausgabe], S . 150 f . Robert Jütte, Seuchen im Spiegel der Geschichte, in: Spektrum der Wissenschaft 3/1997, S . 9 . 94 ruFFié/sournia (1992), S . 132 f . 95 Kay Peter JankriFt, … daß diese kranckheit ein ansteckend und bekleibend Seuche sey. Soest in Zeiten der Pest, in: Soester Zeitschrift 111 (1999), S . 37 . Marga koske, Der „Neue Friedhof“ in Soest, in: Soester Zeitschrift 105 (1993), S . 47–53 . 96 padBerg (1996), S . 70 . 97 Evilena anastasiou, Parasites in European populations from prehistory to the industrial revolution, in: Hrsg . Piers D . Mitchell, Sanitation, latrines and intestinal parasites in past populations, New York 2016, S . 203–218 . Bernd Herrmann, Parasitologisch-epidemiologische Auswertungen mittelalterlicher Kloaken, in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 13 (1985), S . 131–161 . ders., Parasitologische Untersuchungen mittelalterlicher Kloaken, in: Hrsg . Bernd Herrmann, Mensch und Umwelt im Mittelalter, Köln 2007 [Lizenzausgabe], S . 160–169 . ders., Parasitologische Befunde aus der Grabung Stummrige Straße 20, Höxter, in: Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 6 (1991), S . 477–481 . 98 Michel mollat, Die Armen im Mittelalter, München 21987, S . 14 u . S . 174 ff . Robert Boyd, Urbanization, Morbidity and Mortality, in: Hrsg . Peter ucko e . a ., Man, Settlement and Urbanism, Gloucester 1972, S . 348 . S . 348 .
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fang und Intensität auswärtiger Kontakte einer Stadt ein weiterer epidemiologischer Einflussfaktor von hohem Stellenwert .99 Alltägliche Handelsaktivitäten und Ereignisse, die in bedeutendem Maß räumliche Mobilität verursachen, wie Messen, Jahrmärkte, Wallfahrten oder Kriegsgeschehen, aber auch die etwa in den städtischen Neubürgerlisten offenkundig werdende Migration, spielen eine gewichtige Rolle für die Verbreitung kontagiöser Krankheiten und die Bandbreite des jeweiligen Krankheitsspektrums . Der Blick auf mittelalterliche Hafenstädte lässt die epidemiologische Dimension räumlicher Mobilität am deutlichsten zutage treten . Als Dreh- und Angelpunkte für zahllose Reisende und für den Warenaustausch bildeten sie bekanntermaßen immer wieder Einfallspforten für Infektionskrankheiten, wie das Paradebeispiel des Schwarzen Todes zur Mitte des 14 . Jahrhunderts oder die Epidemie des sogenannten Englischen Schweißes 1529 zeigen .100 Die über den Weg des zwischenmenschlichen Kontakts und Austausches geförderte, unfreiwillige Begegnung von Stadtbevölkerungen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Erreger bedingte abhängig vom Erregertyp zugleich die Ausbildung lebenslanger oder zeitweiser Resistenzen unter den Erkrankten, die eine Infektion überlebten .101 Dies hat langfristig zur Folge, dass die Virulenz eines Erregers abnimmt und eine Krankheit endemisch wird .102 Das Zusammenspiel dieser allerorts verschieden gestalteten Faktoren – vor allem im Hinblick auf Epidemien nach dem Schwarzen Tod – wirkte sich nicht überall gleich auf das Seuchengeschehen aus . Vielmehr ist „für jede spezifische Umweltkonstellation von einem spezifischen Krankheitsspektrum und einem spezifischen epidemiologischen Geschehen auszugehen“ .103 Bei dessen Untersuchung sind daher die natürlichen und kulturellen Gegebenheiten jeder Stadt hinsichtlich ihrer epidemiologischen Relevanz individuell zu be-
99 padBerg (1996), S . 71 . karlen (1996), S . 100 f . ruFFié/sournia (1992), S . 129 . 100 Zum Ausbreitungsweg des Schwarzen Todes vgl . u . a .Gundolf keil, Seuchenzüge des Mittelalters, in: Hrsg . Bernd Herrmann, Mensch und Umwelt im Mittelalter, Köln 2007, S . 113 . HerliHy (1997), S . 12 u . S . 15 ff . Bergdolt (2017), S . 39 . ruFFié/sournia (1992), S . 35 . Zur Rolle von Häfen für die Ausbreitung des Englischen Schweißes vgl . Manfred vasold, Pest, Not und schwere Plagen . Seuchen und Epidemien vom Mittelalter bis heute, Augsburg 1999, S . 120 f . Ferner Vesna Blažina / Zlata Blažina tomic´, Expelling the plague . The health office and the implementation of quarantine in Dubrovnik 1377– 1533, Montreal 2015 . 101 So ist die Immunitätsdauer bei Überlebenden einer Pesterkrankung zwar nicht genau bestimmbar, wohl aber nicht lebenslang anhaltend . Hierzu Lisa seiFert, Mikroevolution und Geschichte der Pest . Paläogenetische Detektion und Charakterisierung von Yersinia Pestis, gewonnen aus historischem Skelettmaterial . Dissertation, LMU München, Fakultät für Biologie (Elektronische Hochschulschriften), München 2014, S . 32 . ruFFié/sournia (1992), S . 45 schätzen die Immunität einer Person nach überstandener Pesterkrankung auf etwa 10 Jahre . Stephen Boyden, Western Civilization in Biological Perspective, Oxford 1987, S . 145 f . 102 padBerg (1996), S . 71 . 103 padBerg (1996), S . 69 . Britta padBerg, Empirische Zugänge zu einer Epidemiologie des Mittelalters, in: Sudhoffs Archiv 76 (1992), S . 165 ff .
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1 . Einführung
trachten, wobei im Laufe der Zeit eintretende Veränderungen berücksichtigt werden müssen . Ebenso komplex wie das Faktorenkonglomerat, das das epidemiologische Geschehen einer Stadt beeinflusst, gestalten sich die diesbezüglichen Reaktionen . Das Auftreten gefährlicher Infektionskrankheiten in einer Stadt führte je nach Grad der Furcht vor deren Wirkung dazu, dass vielfältige Handlungsmechanismen durch verschiedene Akteure inner- und außerhalb des betroffenen Gemeinwesens in Gang gesetzt wurden . Dieser Prozess begann häufig bereits im Vorfeld des eigentlichen Seuchenausbruchs . So etwa, wenn sich in einer benachbarten Stadt bereits Erkrankungsfälle häuften und damit die Gefahr einer Einschleppung wuchs . Eine ansteckende Krankheit und das Risiko ihrer Verbreitung betreffen immer, wenn auch nicht im gleichen Maße,104 sämtliche Stadtbewohner . Diese reagieren als Akteure auf die jeweilige Situation .105 Darüber hinaus werden abhängig von der Art der Seuche oder ihrer geografischen Ausbreitung außerstädtische Akteure involviert; allen voran die weltlichen wie geistlichen Landesherren und Vertreter seuchengefährdeter oder bereits verseuchter Nachbarstädte . Wie weit sich der Kreis solcher Akteure im Falle bestimmter Konstellationen ausdehnen kann, veranschaulicht das Beispiel des Schwarzen Todes . Aufgrund seiner massiven Wirkungsweise forderte das Massensterben auch die Reaktionen des römisch-deutschen Königs und späteren Kaisers Karl IV ., zahlreicher weitere Könige sowie des Papstes heraus .106 1.1
Voraussetzungen für eine Erforschung spätmittelalterlicher Auseinandersetzung mit Seuchenphänomenen aus regionaler Perspektive 1.1 Erforschung spätmittelalterlicher Auseinandersetzung mit Seuchenphänomenen
Ein theoretisches Interaktionsmodell In seiner Studie zu wissenschaftlichen Ansätzen bei der Erforschung der Seuchengeschichte hat Martin Dinges bereits 1995 ein schematisches Modell vorgelegt, das die verwobenen Interaktionen aller in Seuchenszenarien wirkenden Akteure veranschaulicht . Seiner Interpretation zufolge mündet dieses Handlungskonglomerat in seiner Gesamtheit über die Ebene subjektiver Wahrnehmung in eine „soziale Konstruktion von Seuchen“ .107 Dinges be104 Sheldon Watts, Epidemics and History . Disease, Power and Imperialism, New Haven/ London 1997, S . 16 . 105 Hierzu Dorothy porter, Health, Civilization and the State . A History of Public Health from Ancient to Modem Times, London/New York 1999, S . 27 f . 106 Vgl . u . a . Bergdolt (2017), S . 65 ff . u . S . 137 ff . Jean Favier, Histoire de France, Bd . 2: Le temps des principautés . De l’an mil à 1515 . Paris 1984, S . 328 ff . Vgl . allgemein zum Komplex der Furcht vor Ansteckung Jean-Pierre Bardet u . a . (Hrsg .), Peurs et terreurs face à la contagion, Paris 1998 sowie speziell zur Angst der Päpste vor ansteckenden Krankheiten und daraus resultierenden Reaktionen Agostino paravicini Bagliani, Der Leib des Papstes . Eine Theologie der Hinfälligkeit, München 1997, S . 174 ff . 107 Zu diesem Forschungsansatz insbesondere Jens lacHmund / Gunnar stollBerg (Hrsg .), The Social Construction of Illness (= Medizin . Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des
1 .1 Erforschung spätmittelalterlicher Auseinandersetzung mit Seuchenphänomenen 31
Quelle: Martin dinges, Neue Wege in der Seuchengeschichte?, in: Hrsg . Martin dinges/ Thomas scHlicH, Neue Wege in der Seuchengeschichte (= Medizin . Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Beiheft 6), Stuttgart 1995, S . 17 .108
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1 . Einführung
trachtet dabei Seuchen als „Gegenstand eines komplexen Prozesses des Aushandelns“, an dem verschiedene Kräfte beteiligt sind .180109 Neben dem Kranken innerhalb seines sozialen Umfeldes sind dies Heiler, regelnde und gegenüber der Gesellschaft Normen durchsetzende, mit den Begriffen „Obrigkeiten“ oder „Staaten“ belegte Institutionen, die Kirche und andere an Seuchen interessierte Gruppen ohne Heilfunktion sowie die in der Auseinandersetzung geschaffenen öffentlichen Meinungen . Innerhalb von Diskursen und Praktiken kommt es laut Dinges – eingebunden in eine Wechselbeziehung mit dem technisch-zivilisatorischen Stand einer Gesellschaft und unter Berücksichtigung naturräumlicher Bedingungen der Pathozönose110 – zum „Aushandeln“ zwischen diesen Akteuren . Diese Diskurse und Praktiken gelangen in bestimmten, temporär variablen und von ihnen selbst mitbegründeten „Machtgefällen zwischen den Beteiligten zum Einsatz“ .111 Das handlungtheoretische, auch in grafische Form umgesetzte Modell berücksichtigt ein Maximum an Einflüssen, denen die verschiedenen Akteure und ihre Interaktionen unterworfen sind . Es liefert damit für die Erforschung der Seuchengeschichte eine allgemeine Grundlage, die auch für die vorliegende Untersuchung des Seuchengeschehens in spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Städten Westfalens und des Rheinlands Orientierung bietet . Bezüglich der von ihm verwendeten Begrifflichkeiten hat Dinges unterstrichen, dass diese nicht zwangsläufig den Bedürfnissen von Spezialisten jeder Epoche gleichermaßen gerecht werden können .112 Hinzu kommt, dass Aspekte, die grafisch kaum darstellbar sind und die deshalb im Schaubild nicht auftauchen, zu ergänzen wären . Untersuchungsspezifische Modifizierung des Modells Durch die Betrachtung der jeweiligen gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse in westfälischen und niederrheinischen Städten werden die einzelnen Akteure des theoretischen Modells näher bestimmbar . „Obrigkeiten“, denen innerhalb dieses geografischen Rahmens
108 109 110
111 112
Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Beiheft 1), Stuttgart 1992 . Martin dinges, Neue Wege in der Seuchengeschichte?, in: Hrsg . Martin dinges / Thomas scHlicH, Neue Wege in der Seuchengeschichte (= Medizin . Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Beiheft 6), Stuttgart 1995, S . 9 u . S . 16 ff . Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck seiner Grafik an dieser Stelle gilt mein aufrichtiger Dank meinem langjährigen, hochgeschätzten Kollegen Martin Dinges, Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung Stuttgart . dinges (1995), S . 8 ff . Mirko Drazen grmek, Vorbemerkungen zu einer Geschichte der Krankheiten, in: Arthur E . imHoF, Biologie des Menschen in der Geschichte, Stuttgart 1978, S . 83 . ders., Les maladies à l’aube de la civilisation occidentale . Recherches sur la réalité pathologique dans le monde grec préhistorique, archaïque et classique, Paris 1983, S . 9 ff . Bulst (1989), S . 18 ff . dinges (1995), S . 9 . Exemplarisch Klaus Bergdolt, Pest, Stadt, Wissenschaft . Wechselwirkungen in oberitalienischen Städten vom 14 . bis zum 17 . Jahrhundert, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 15 (1992), S . 201–211 . Dinges (1995), S . 8 .
1 .1 Erforschung spätmittelalterlicher Auseinandersetzung mit Seuchenphänomenen 33
Regelungsgewalt zukam, waren die weltlichen wie geistlichen Landesherren und deren Vertreter, Bürgermeister und Rat . Je nach Ausmaß und Wirkung einer Seuche waren aber auch der Papst und der römisch-deutsche König bzw . Kaiser in den Kreis dieser Akteure eingeschlossen . Die Interessen weltlicher und geistlicher Territorialherren deckten sich – wie besonders deutlich verschiedene militärische Auseinandersetzungen des ausgehenden 14 . und des 15 . Jahrhunderts zeigen113 – naturgemäß nicht immer mit denen der nach Autonomie strebenden städtischen Räte . Dies gilt es ebenso in Bezug auf den obrigkeitlichen Umgang mit Seuchen zu berücksichtigen . Diejenigen, die entsprechend mittelalterlicher Auffassungen eine medizinische Funktion im Umgang mit Seuchen erfüllten, werden durch die Gruppe der „Heiler“ repräsentiert . Sie umfasst im weitesten Sinne die Medizinalpersonen einer Stadt . Ärzte und Wundärzte, Apotheker, Hebammen, aber auch Laienheiler und Scharlatane sowie Vertreter spezieller Institutionen der Versorgung Seuchenkranker, etwa der Pesthäuser, wirken in dieser Gruppe als Akteure . Vertreter der Geistlichkeit sind der Gruppe nur dann zuzurechnen, sofern sie primär medizinische Aufgaben versahen und sich nicht ausschließlich auf genuin geistliche Belange der besonders in Seuchenzeiten unentbehrlichen Pflege des Seelenheils beschränkten . Die Gruppe der „Kranken“ erstreckt sich auf alle mit der Seuche Infizierten und ihr unmittelbares soziales Umfeld aus Familie, Freunden und Nachbarn . Sie weist als einzige innerhalb des Interaktionsmodells hinsichtlich ihrer Zusammensetzung eine von zeitlichem Wandel am wenigsten beeinflusste Kontinuität auf, da sich die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe vor allem über den Zustand der Krankheit definiert . Die Art der Erkrankung ist dabei unerheblich . Veränderlich ist hingegen das soziale Umfeld . Lockern sich familiäre oder nachbarschaftliche Bindungen oder kommt es gar zu einer vollständigen Auflösung dieses sozialen Umfeldes, nimmt das Zusammenspiel der Akteure andere Formen an .114 Eine solche Veränderung kann sich etwa ergeben, wenn sämtliche Familienangehörigen gestorben sind oder sich aus Furcht vor Ansteckung von Erkrankten abwenden . Dies zeigt sich deutlich mit Blick auf die Ereignisse im Umfeld des Schwarzen Todes . Die Gruppe der an einer Seuche „Interessierten“ ohne medizinische Heilfunktion besteht in Anlehnung an die diesbezügliche Definition von Martin Dinges aus Geistlichen, Bruderschaften sowie Ämtern und Gilden, für die sich der Ausbruch einer gefährlichen Infektionskrankheit unter anderem auf den Absatz ihrer Erzeugnisse auswirkte .115 Hinzu kommen im weite113 Heinz-Dieter Heimann, Die Soester Fehde, in: Hrsg . Heinz-Dieter Heimann in Verbindung mit Wilfried eHBrecHt u . Gerhard köHn, Soest . Geschichte der Stadt, Bd . 2, Die Welt der Bürger . Politik, Gesellschaft und Kultur im spätmittelalterlichen Soest, Soest 1996, S . 173–260, Wilfried eHBrecHt, Rat, Gilden und Gemeinde zwischen Hochmittelalter und Neuzeit, in: Hrsg . Franz-Josef JakoBi, Geschichte der Stadt Münster, Bd . 1, Münster 21994, S . 131 ff . Zur Dortmunder sogenannten „Großen Fehde“ 1388/89 vgl . Thomas scHilp, Die Reichsstadt (1250–1802), in: Hrsg . Gustav luntoWski, Gunther Högl e . a ., Geschichte der Stadt Dortmund, Dortmund 1994, S . 80–91 . 114 Bergdolt (2017), S . 41 ff . 115 dinges (1995), S . 9 .
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1 . Einführung
ren aber auch all diejenigen Stadtbewohnerinnen und -bewohner, die (noch) nicht der Gruppe der „Kranken“ zuzurechnen sind und weder als „Obrigkeiten“ noch als „Heiler“ fungieren, aber dennoch in irgendeiner Weise vom Seuchengeschehen betroffen sind . Die allgemeine Interessensgrundlage bildet stets die Vermeidung einer Ansteckung . Jede Seuche wirkt auf das Kollektiv, betrifft dadurch eine Stadtbevölkerung stets in ihrer Gesamtheit und verwandelt die Mitglieder dementsprechend in Akteure . Weltliche und geistliche Herren treten gegebenenfalls von außen als inkorporierbare obrigkeitliche Kräfte in das Handlungsmodell ein . Keine der vier genannten Gruppen ist homogen . Wenngleich ein vermögender Fernhändler und ein Bettler an der gleichen Seuche erkranken, so gestaltet sich doch deren soziales Umfeld höchst unterschiedlich . Ebenso agiert ein Stadtarzt nicht unter den gleichen Voraussetzungen wie ein Wanderchirurg oder ein auf der Basis althergebrachter Familientraditionen praktizierender Laienheiler . Städtische Räte und Landesherren stehen nicht auf der gleichen Ebene . Zwischen einem Tuchhändler, der seinen Warenabsatz durch einen Seuchenausbruch gefährdet sieht, und einem Priester, der zum Trost an das Lager eines Kranken gerufen wird, besteht eine gewaltige Interessendiskrepanz, obwohl beide als an der Seuche „Interessierte“ gelten können . Die grafische Umsetzung des theoretischen Modells vermag diesem Umstand nicht hinreichend Rechnung zu tragen . Sie präsentiert die einzelnen Gruppen als nicht weiter differenzierte Dreiecksflächen, innerhalb derer alle Akteure ebenbürtige Rollen zu bekleiden scheinen . Die vielschichtige Zusammensetzung der Gruppen mit den begrenzten Mitteln eines Schaubildes eindeutig darzustellen, erscheint ohnedies kaum möglich . Darüber hinaus muss das Handlungsmodell noch um einen weiteren gewichtigen Aspekt erweitert werden: Die Gruppen der Akteure stehen keineswegs als monolithische Blöcke nebeneinander, sondern überschneiden sich unter bestimmten Voraussetzungen . Erkrankte beispielsweise, was oft vorkam, ein Ratsmitglied an einer Seuche, gehört die betreffende Person demnach sowohl der Gruppe der „Obrigkeiten“ wie der der „Kranken“ an .116 Ebenso konnte sich ein Arzt in Ausübung seiner Tätigkeit infizieren und zum „Kranken“ werden . Ein Kaufmann, der als Ratsherr an der Koordinierung obrigkeitlicher Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung mitwirkte, behielt gleichzeitig seine privaten wirtschaftlichen Interessen im Auge . Die gleiche Feststellung lässt sich hinsichtlich des sozialen Umfeldes eines „Kranken“ treffen . Familienmitglieder oder Nachbarn eines Erkrankten gehören häufig zugleich einer der anderen drei Gruppen an . Erfahrungen und Überlieferung Ein weiterer Faktor, der auf das Reaktionsspektrum der Akteure einwirkt und sich im Schaubild höchstens unter dem Begriff „Umwelt“ subsumiert findet, ist der akkumulierte Erfahrungsschatz . Dieser kommt somit nicht in dem Maß 116 Vgl . beispielsweise JankriFt (1999), S . 39 .
1 .1 Erforschung spätmittelalterlicher Auseinandersetzung mit Seuchenphänomenen 35
zur Geltung, wie es eine Untersuchung des Umgangs mit Seuchen in spätmittelalterlichen Städten erfordert . Die Begegnung mit vorangegangenen Krankheitsphänomenen zeitigte Erfahrungen, die sich prägend auf das künftige Verhalten angesichts einer Seuche auswirkten . Diese Erfahrungen können individueller Art sein, aber ebenso durch mündliche wie schriftliche Überlieferung vermittelt werden .117 Neben rationalen kommen dabei zugleich emotionale Komponenten zum Tragen . In den Quellen spiegelt sich eine dichte Abfolge von Seuchenausbrüchen in rheinischen und westfälischen Städten wider . Deren Einwohnerschaft sah sich im Laufe ihres Lebens – selbst bei einer im Hinblick auf gegenwärtige Verhältnisse vergleichsweise niedrigen Lebenserwartung118 – in aller Regel mehrfach mit unterschiedlichen Formen des „Großen Sterbens“ konfrontiert . Wer bereits erlebt hatte, wie sich eine Stadt unter dem Einfluss einer Epidemie verwandelte, wie Familienangehörige, Freunde oder Nachbarn starben oder gar selbst von einer Infektion genesen war, dürfte im Angesicht einer neuerlichen Bedrohung seine Verhaltensweise an solchen Erfahrungen ausgerichtet haben . Wenngleich eine vollständige Veränderung des Reaktionsspektrums ausgeschlossen scheint – zumal im Hinblick auf die religiöse Bewältigung von Seuchen, die im vormikrobiologischen Zeitalter entsprechend gängiger Krankheitskonzeptionen als logische Konsequenz zur Abwendung gottgewollten Übels erfolgte119 – waren Modifikationen im Detail durchaus möglich . So resultierten aus eigenem Erleben bei erneutem Hereinbrechen einer Seuche möglicherweise verstärkt emotional bestimmte Handlungsweisen wie Stadtflucht oder die Einschränkung sozialer Kontakte . Daneben bedingten persönliche Erfahrungen ohne Zweifel Lerneffekte hinsichtlich des Umgangs mit verschiedenen Krankheitsphänomenen, die beim wiederholten Auftreten von Seuchen zum Tragen kommen konnten . Diesbezügliche Lernprozesse verliefen dabei weniger linear, denn diskontinuierlich und selektiv .120 117 Martin dinges, Pest und Staat: Von der Institutionengeschichte zur sozialen Konstruktion, in: Hrsg . Martin dinges / Thomas scHlicH, Neue Wege in der Seuchengeschichte (= Medizin . Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Beiheft 6), Stuttgart 1995, S . 80 ff . 118 vögele (1998), S . 298 . Gundolf keil, Medizin und Demographie im Mittelalter, in: Hrsg . Bernd Herrmann / Rolf sprandel, Determinanten der Bevölkerungsentwicklung im Mittelalter, Weinheim 1987, S . 173–198 . Gisela grupe, Umwelt und Bevölkerungsentwicklung im Mittelalter, in: Hrsg . Bernd Herrmann, Mensch und Umwelt im Mittelalter, Köln 2007, S . 24–34 . 119 Jean-NoëI BiraBen, Essai sur les réactions des sociétés éprouvées par de grands fleaux épidémiques, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe– XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 367 f . Mirko Drazen grmek, Das Krankheitskonzept, in: Hrsg . Mirko Drazen grmek, Die Geschichte des medizinischen Denkens . Antike und Mittelalter, München 1996, S,263 ff . Irma naso, Les hommes et les épidemies dans l’Italie de la fin du moyen âge . Les réactions et les moyens de défense entre peur et méfiance, in: Hrsg . Neithard Bulst u. Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 318 . esser (1999), S . 14 f . u . S . 30 f . Heinrich scHipperges, Die Kranken im Mittelalter, München 31993, S . 19 f . 120 dinges (1995b), S . 82 .
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1 . Einführung
Schriftlich wie mündlich tradierte Erfahrungen mit einer Seuche vermögen Verhaltensweisen von Akteuren, die zu anderer Zeit mit einem ihnen vergleichbar erscheinenden Phänomen konfrontiert sind, auf dieselbe Art zu beeinflussen . Tradierung und spätere Rezeption erfolgen dabei abhängig etwa von Bildung und Funktion der Akteure auf drei verschiedenen Ebenen . Weltliche wie geistliche „Obrigkeiten“ konnten im Angesicht der Bedrohung durch eine Epidemie auf ein breitgefächertes administratives Schriftgut zurückgreifen . Dabei bedienten sie sich beispielsweise aus einem Katalog von Verhaltensregeln, die bereits bei früheren Gelegenheiten verordnet worden waren . Diese wurden entweder unverändert übernommen oder modifiziert .121 Daneben gewährten chronikalische Aufzeichnungen den Autoritäten Einblicke in die Verhältnisse während vorangegangener Seuchenausbrüche . Den „Heilern“ stand ein eigenes Fachschrifttum in Form medizinischer Traktate und Abhandlungen zur Verfügung, die sich in der Regel an den galenischen Lehren sowie der antiken Miasmentheorie orientierten .122 Ursächlich für das Auftreten epidemischer Erkrankungen waren demnach vor allem schlechte Ausdünstungen, die sogenannten Miasmen .123 Mittelalterlichen Schriften war zudem gemein, dass sie das Einwirken göttlicher Gnade als gleichermaßen unabdingbar für Behandlungserfolge voraussetzten . Abhandlungen aus Westfalen und dem Rheinland, die mancherorts vor allem seit dem 16 . Jahrhundert durch Stadtärzte abgefasst wurden,124 waren jahrhundertelang durch diesen Rahmen traditioneller Lehrmeinungen und religiöser Vorstellungen geprägt . Mithin wiesen die Schriften kaum nennenswerte Unterschiede zu älteren Vorlagen auf . Das Auftreten „neuer“ Infektionskrankheiten zwischen dem Ende des 15 . und der Mitte des 16 . Jahrhunderts führte zu Veränderungen traditioneller Verhal121 Bulst (1989), S . 31 . 122 Vgl . z . B . Ortrun riHa, Die Ärzte und die Pest, in: Hrsg . Ortrun riHa, Seuchen in der Geschichte: 1348–1998 . 650 Jahre nach dem Schwarzen Tod . Referate einer interdisziplinären Ringvorlesung im Sommersemester 1998 an der Universität Leipzig, Aachen 1999, S . 24 f . Karl sudHoFF, Pestschriften aus den ersten 150 Jahren nach der Epidemie des „Schwarzen Todes“ 1348, in: Sudhoffs Archiv 2 (1909) – 17 (1925) . Arnold kleBs / Karl sudHoFF, Die ersten gedruckten Pestschriften, München 1926 . Gloria WertHmann-Haas, Altdeutsche Übersetzungen des Prager Sendbriefe (Missum imperatori). Auf Grund der Ausgabe von Andreas rutZ neu bearbeitet (= Würzburger medizinhistorische Forschungen 27), Pattensen 1983 . Gundolf keil, Pariser Pestgutachten, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters . Verfasserlexikon, Bd . 7, Berlin 21989, Sp .309–312 . Carlo M . cipolla, Miasmas and Disease . Public Health and the Environment in the Pre-Industrial Age, New Haven 1992 . Karl-Heinz leven, Die Geschichte der Infektionskrankheiten . Von der Antike bis ins 20 . Jahrhundert (= Fortschritte in der Präventiv- und Arbeitsmedizin 6), Landsberg/Lech 1997, S . 23–30, ders., Miasma und Metadosis . Antike Vorstellungen von Ansteckung, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung 11 (1992), S . 43–72 . Terence ranger / Paul slack (Hrsg .), Epidemics and Ideas . Essays on the Historical Perception of Pestilence, Cambridge 1992 . grmek (1996), S . 260–277 . 123 Alain corBin, Pesthauch und Blütenduft . Eine Geschichte des Geruchs, Berlin 2005 . 124 Vgl . z . B . JankriFt (1999), S . 46 f . Norbert scHulte, Das Medizinalwesen in der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund bis zum Jahre 1815, Düsseldorf 1936, S . 11
1 .1 Erforschung spätmittelalterlicher Auseinandersetzung mit Seuchenphänomenen 37
tensmuster in der Gruppe der „Heiler“ .125 Allerdings lässt sich zu Anfang der Konfrontation mit einer bisher unbekannten Seuche stets ein Rückgriff auf den überlieferten Erfahrungsschatz, konstatieren . Zugleich wuchs die Gruppe der „Heiler“ und diversifizierte sich in zunehmend .126 Zu diesen zwei Überlieferungsebenen – der des obrigkeitlichen Schriftgutes und der des medizinischen Fachschrifttums – gesellte sich als dritte zur Weitergabe von Erfahrungen in der Begegnung mit Seuchen die der Sagen und Legenden .127 Zunächst vor allem mündlich tradiert, prägten sie abhängig vom jeweiligen Verbreitungsgrad Vorstellungen von Ursache und Wirkung verschiedener gefährlicher Infektionskrankheiten in allen Schichten der Bevölkerung und wirkten sich entsprechend auf das Reaktionsspektrum aus . Münsterländische Sagen etwa nehmen in der ihnen eigenen volkstümlichen Weise häufig Bezug auf die vorherrschende Miasmentheorie . In Altenberge beispielsweise erzählte man sich, die Pest sei als blaue Schürze in der Luft zu sehen und wer unter sie trete, werde unweigerlich sterben . Als ein Kind den Pesthauch in ein Astloch ziehen sah, habe es dieses schnell verschlossen und die Gefahr sei vorüber gewesen .128 Zahlreiche Varianten dieser Erzählung, in der die Pest stets in Gestalt eines blauen Flämmchens, Dunsts oder Schleiers auftaucht, waren in Westfalen weit verbreitet .129 Der infolge zwischenmenschlicher Kontakte oder durch die Berührung verseuchter Gegenstände beängstigend schnell eintretende Tod ist bisweilen mit stark moralisierendem Unterton in den Erzählstrang eingeflochten .130 Thematisiert wird zudem häufig die verheerende Wirkung rasch tötender Seuchen, die ganze Ortschaften entvölkern . So wird der Name des einige Kilometer nördlich von Minden gelegenen Dorfes Todtenhausen einer Sage zufolge damit erklärt, dass eine Seuche sämtliche Einwohner bis auf einen Jungen hingerafft habe . Nach seiner Herkunft befragt, habe das Kind angesichts des erlebten Massensterbens den Ort mit „To(d)tenhausen“ bezeichnet .131 Ein weiteres Beispiel für eine solch volkstümliche Überlieferung, in der eine topografische Bezeichnung an vergangenes Seuchengeschehen erin-
125 Neithard Bulst, Einleitung, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 13 . 126 Ein exemplarisches Beispiel hierfür liefert die Untersuchung von Robert Jütte, Ärzte, Heiler und Patienten . Medizinischer Alltag in der frühen Neuzeit, München 1991 . 127 JankriFt (2016), S . 201–212 . Susanne Hose, Ein ungebeten Gast aus fernen Ländern … Erzählen über die Pest in der Lausitz, in: Hrsg . Bernd rieken, Erzählen über Katastrophen . Beiträge aus Deutscher Philologie, Erzählforschung und Psychotherapiewissenschaft, (= Psychotherapiewissenschaft in Forschung, Profession und Kultur 16), Münster 2016, S . 115–130 . 128 Heinz Bugener, Münsterländische Sagen . Geschichten aus dem alten Landkreis Steinfurt und angrenzenden Gebieten, Münster 31982, S . 23–26 . 129 Heinz rölleke, Sagen aus Westfalen, Reinbek 1995, S . 336 f . 130 Das Chronicon Domesticum et Gentile des Heinrich Piel, Hrsg, Martin krieg (= Geschichtsquellen des Fürstentums Minden 4), Münster 1981, S . 195 . 131 Margrit krieg, Minden im Zeichen der Pest, in: Mindener Heimatblätter 23 (1951), S . 141 .
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1 . Einführung
nert, ist die „Grüne Gasse“ in Münster .132 Die Bewohner der „Grünen Gasse“ seien, so die Sage, allesamt während eines Pestausbruchs am Ende des 14 . Jahrhunderts gestorben . Daraufhin wurden die beiden Straßenzugänge mit Mauern verschlossen . Als man die Mauern nach vielen Jahren aufbrach, überwucherte angeblich ein sattes Grün die gesamte Gasse . Bisweilen ranken sich Legenden ebenso um die Gründung hospitalischer Einrichtungen zur Versorgung Seuchenkranker . Einer Aachener Erzähltradition zufolge wurde Karl dem Großen durch Fasten und inständiges Beten göttliche Hilfe im Kampf gegen die Pest zuteil, die seine Untertanen unsagbar quälte .133 Auf Geheiss eines gottgesandten Engels, der dem Kaiser im Traum erschienen war, schoss Karl einen Pfeil in die Luft . Das Geschoss fiel auf eine heilkräftige Pflanze nieder . Das Heilkraut tat die erhoffte Wirkung . Zum Dank für die wunderbare Massenheilung ließ Karl an der Stelle, an der das goldfarbene, distelartige Gewächs gestanden hatte, eine Kapelle und das Aachener Leprosorium [sic!] errichten . Der Entstehungszeitraum solcher Erzähltraditionen lässt sich kaum ergründen, weil oftmals konkrete Bezüge zu zeitlich fixierbaren Ereignissen fehlen . Einige Motive reichen aber offenbar bis in das Mittelalter zurück .134 Bei solchen bis in die Gegenwart hinein tradierten Geschichten über Seuchen handelt es sich allerdings wohl nur noch um Fragmente des ursprünglichen Sagenschatzes, dessen genauer Umfang sich nicht mehr rekonstruieren lässt . Multiplikation des Interaktionsmodells Neben der Berücksichtigung von Erfahrung als einem entscheidenden Wirkfaktor für das Reaktionsspektrum der Akteure erfordert die Betrachtung der Strategien zum Umgang mit Seuchen aus regionaler Perspektive zudem eine Multiplikation der für sich isolierten und jeweils nur für eine einzige Stadt gültigen Modelle . Diese finden ihre Verknüpfung durch Interaktionen zwischen den Gemeinwesen . Das mögliche Interaktionsspektrum gestaltet sich dabei recht facettenreich . Flieht beispielsweise ein Infizierter aus seiner Heimat- in eine Nachbarstadt, so setzt er dort gleichfalls vielfältige Reaktionsmechanismen in Gang . Möglicherweise schließt aber auch die Nachbarstadt ihre Tore für Flüchtlinge, unterbindet den Handel oder versucht, Informationen über das Seuchengeschehen in ihrer Umgebung zu erlangen, um im Vorfeld geeignete Maßnahmen treffen zu können . Da sich die Untersuchung über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten erstreckt, sind die Namen der jeweiligen 132 Gottfried scHäFers, Stadtviertel Geschichten . Das Leben vor Jahr und Tag in Münster, Münster 1997, S . 95 . Den Ausführungen Schäfers zufolge leitet sich der Name der 1256 erstmals urkundlich als vicus, qui gronestige dicitur erwähnten Gasse von dem Umstand her, dass diese wenig befahren wurde und daher als „grüner Weg“ galt . 133 Anke scHütt / Manfred victor, Aachener Sagen und Legenden, Aachen 1998, S . 56 f . 134 Kay Peter JankriFt, Der apokalyptische Reiter in Dortmund . Seuchenbekämpfung in einer spätmittelalterlichen Reichsstadt, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 89 (1998), S . 110 .
1 .1 Erforschung spätmittelalterlicher Auseinandersetzung mit Seuchenphänomenen 39
Akteure, ihre Rollen und ihre Interaktionen Schwankungen unterworfen . Dementsprechend muss die Konstellation in Bezug auf jedes Seuchengeschehen neu überprüft werden . Diese Wandelbarkeit, die sich auf alle Akteursgruppen auswirkt, lässt sich anhand eines Beispiels verdeutlichen: Traten die Herren von Berg zur Zeit des Schwarzen Todes im Kreis der Akteure auf, so werden diese durch den Zusammenschluss des Territoriums mit Jülich im Jahre 1423 durch die Herzöge des nunmehr in Personalunion verbundenen Herzogtums Jülich-Berg ersetzt . Die sich in der Folgezeit noch weiter verändernden territorialen Herrschaftsverhältnisse bedingten automatisch auch einen Wandel hinsichtlich der für Seuchenszenarien jeweils relevanten landesherrlichen Akteure .135 Vergleichbare Veränderungen ergeben sich beim Blick auf geistliche Landesherren, wenn etwa ein Bischof die Herrschaftsgewalt über mehrere Bistümer ausübte und dadurch die Konstellation der für ein regionales Seuchengeschehen relevanten Akteure modifizierte . So fungierte beispielsweise Franz von Waldeck gleichzeitig als Bischof von Münster (1532–1553) und Osnabrück sowie als Administrator des Bistums Minden (seit 1529) .136 Sonderfälle: Lepra und Antoniusfeuer Mit diesen im Hinblick auf die regionale Perspektive und den Zeitrahmen vorgenommenen Ergänzungen und Veränderungen eignet sich das Interaktionsmodell nicht nur zur Betrachtung von Vorgängen in Zeiten infektionsbedingt 135 Einen kompakten Überblick zur Territorienbildung sowie territorialen Zusammenschlüssen bietet mitsamt weiterführender Bibliografie Harm klueting, Geschichte Westfalens . Das Land zwischen Rhein und Weser vom 8 . bis zum 20 . Jahrhundert, Paderborn 1998, S . 56–83 . Aus der ansonsten umfangreichen Literatur seien stellvertretend genannt Klaus Flink / Wilhelm Janssen (Hrsg .), Territorium und Residenz am Niederrhein . Referate der 7 . Niederrhein-Tagung des Arbeitskreises niederrheinischer Kommunalarchivare für Regionalgeschichte . 25 .–26 . September 1992 in Kleve (= Klever Archiv . Schriftenreihe des Stadtarchivs Kleve 14), Kleve 1993 . Wilhelm Janssen, Kleve-Mark-Jülich-Ravensberg 1400–1600, in: Land im Mittelpunkt der Mächte . Die Herzogtümer Jülich-KleveBerg, Kleve 31985, S . 17–40 . ders., Die niederrheinischen Territorien in der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts, in: Rheinische Vierteljahresblätter 44 (1980), S . 47–67 . ders., Niederrheinische Territorienbildung . Voraussetzungen, Wege, Probleme, in: Hrsg . Klaus Flink / Edith ennen Soziale und wirtschaftliche Bindungen im Mittelalter am Niederrhein, Kleve 1981, S . 95–113 . Uta vaHrenHold-Huland, Grundlagen und Entstehung des Territoriums der Grafschaft Mark, Dortmund 1968 . Herbert HelBig, Fürsten und Landstände im Westen des Reiches im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, in: Rheinische Vierteljahresblätter 29 (1964), S . 32–72 . Manfred groten, Priorenkolleg und Domkapitel von Köln im Hohen Mittelalter . Zur Geschichte des kölnischen Erzstifts und Herzogtums, Köln 1980 . Albert K . HömBerg, Kirchliche und weltliche Landesorganisation im südlichen Westfalen, Münster 1965 . scHilp (1994), S . 76–95 . 136 Zu Franz von Waldeck Hans-Joachim BeHr, Franz von Waldeck . Fürstbischof zu Münster und Osnabrück, Adminstrator zu Minden (1491–1553) . Sein Leben in seiner Zeit, Teil 1: Darstellung, Teil 2: Urkunden und Akten (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XVIII; Westfälische Biographien 9), Münster 1996/1998 . Vgl . auch Ernst lauBacH, Reformation und Täuferherrschaft, in: Hrsg . Franz-Josef JakoBi, Geschichte der Stadt Münster, Bd . 1, Münster 31994, S . 159 f .
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1 . Einführung
deutlich erhöhter Sterblichkeit . Vielmehr ermöglicht es ohne weitere Modifikationen zwei Krankheitsphänomene in die vorliegende Untersuchung einzubeziehen, die gewissermaßen eine Sonderstellung einnehmen . Beide wirkten sich in unterschiedlicher Weise nachhaltig auf die mittelalterliche Gesellschaft aus und besaßen für die Entwicklung des seuchenbezogenen Reaktionsspektrums in den Städten möglicherweise erhebliche Relevanz, ohne jedoch der modernen medizinischen Definition von Seuchen zu genügen . Der Begriff Seuche ist dieser zufolge die „historische Bezeichnung für eine plötzliche Erkrankung zahlreicher Menschen an einer schweren Infektionskrankheit“ .137 Die erste dieser Erscheinungen, die Lepra, ist gleichzeitig die am frühesten bezeugte, tödlich verlaufende Infektionskrankheit im mittelalterlichen Westeuropa .138 Sie war in Britannien und Gallien nachweisbar seit dem 4 . Jahrhundert endemisch präsent und hatte bis zum Zeitpunkt der größten Durchseuchung während des 13 . und 14 . Jahrhundert panendemische Formen angenommen .139 Ihr dauerhaftes Vorkommen rief umfangreiche Reaktionen hervor und involvierte wie auch im Falle seuchenbedingten Massensterbens alle Akteure des erörterten Modells in unterschiedlichem Maße . Zwar ist die Lepra eine Infektionskrankheit, doch erfüllt sie in ihren heute bekannten Formen nicht die für eine Seuche charakteristischen Kriterien einer raschen Erkrankung vieler Individuen . Vielmehr zeichnet sie sich durch monate- bis jahrelange Inkubationszeiten sowie einen äußerst chronischen Verlauf aus und ist im Gegensatz zu kollektiv wirkenden Infektionskrankheiten wie Pest, Pocken oder Masern das Schicksal Einzelner .140 Ohne genaue Zahlen zu kennen, scheint sich das Bild der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Lepra – selbst unter Berücksichtigung der von den Zeitgenossen aufgrund ähnlicher Erscheinungsformen möglicherweise unter dieser Bezeichnung zusammengefassten 137 Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, 258 ., neu bearbeitete Auflage, Berlin/New York 1998, S . 1457 . vasold (1999), S . 7–15 . 138 Jörn Henning WolF, Zur historischen Epidemiologie der Lepra, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 100 . 139 Verena J . scHuenemann, Charlotte avanZi e . a ., Ancient genomes reveal a high diversity of Mycobacterium leprae in medieval Europe, in: PLOS vom 10 . Mai 2018 unter https:// journals .plos .org/plospathogens/article?id=10 .1371/journal .ppat .1006997 [Abruf am 6 . November 2018] . Martin uHrmacHer, Lepra und Leprosorien im rheinischen Raum vom 12 . bis zum 18 . Jahrhundert (=Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 8), Trier 2011, S . 18–20 . Gundolf keil, Der Aussatz im Mittelalter, in: Hrsg . Jörn Henning WolF, Aussatz-Lepra-Hansen-Krankheit . Ein Menschheitsproblem im Wandel, Bd . 2 (= Kataloge des Deutschen Medizinhistorischen Museums, Beihefte 1), Würzburg 1986, S . 88 ff . Peter JoHanek, Stadt und Lepra, in: Hrsg . Richard toellner, Lepra-Gestern und Heute . Gedenkschrift zum 650-jährigen Bestehen des Rektorats Münster-Kinderhaus . 15 wissenschaftliche Essays zur Geschichte und Gegenwart einer Menschheitsseuche, Münster 1992, S . 42 . Ingrid kästner, Der Aussatz in der Geschichte, in: Hrsg . Ortrun riHa, Seuchen in der Geschichte: 1348–1998 . 650 Jahre nach dem Schwarzen Tod . Referate einer interdisziplinären Ringvorlesung im Sommersemester 1998 an der Universität Leipzig, Aachen 1999, S . 97 . 140 toellner (1992), S . 1 f .
1 .1 Erforschung spätmittelalterlicher Auseinandersetzung mit Seuchenphänomenen 41
anderen Krankheiten141 – diesbezüglich nicht grundlegend von gegenwärtigen Beobachtungen unterschieden zu haben . Einschätzungen zufolge erreichte die Morbidität der Lepra selbst auf dem Gipfel ihrer Ausbreitung höchstens wenige Prozent, vielleicht gar nur Promille, und wurde von der des Schwarzen Todes um ein Vielfaches übertroffen .142 Die Lepra war in der Vormoderne mit bekannten therapeutischen Mitteln nicht heilbar . Nach mehr oder weniger langem Siechtum endete eine Erkrankung stets tödlich . Allerdings forderte die Infektionskrankheit weit weniger Opfer als die Pest und andere Seuchen .143 Die zweite Erscheinung, das Heilige Feuer, seit dem 12 . Jahrhundert auch Antoniusfeuer genannt, flammte während des Mittelalters und der frühen Neuzeit mehrfach auf,144 verursachte rasch die häufig tödlich endende Erkrankung zahlreicher Menschen, ist aber dennoch keine Infektionskrankheit . Vielmehr handelt es sich bei dieser in zeitgenössischen Quellen hinsichtlich ihres Erscheinungsbildes vergleichsweise deutlich beschriebenen Krankheit offenbar um den in zwei Formen auftretenden Ergotismus: Eine Vergiftung, die durch den Verzehr von Mutterkorn (Secale cornutum), der Dauerform des Schlauchpilzes Claviceps purpurea Tulasne, hervorgerufen wird .145 Von der weiten Verbreitung des Heiligen Feuers war vor allem die Landbevölkerung betroffen, was der Krankheit während des 18 . Jahrhunderts die Bezeichnung Morbus ruralis eintrug .146 Doch auch in den Städten, die ja von Getreidelieferungen aus dem Umland abhängig waren, forderten Massenvergiftungen mit Mutterkorn immer wieder zahllose Opfer . So etwa in Paris im Jahre 1128/29 .147 Die Begegnung mit dem Heiligen Feuer, das schon im Hochmittelalter in der Regel 141 scHuenemann/avanZi e . a . (2018). kästner (1999), S .10f . Huldrych M . koelBing / Antoinette stettler-scHär, Aussatz, Lepra, Elephantiasis Graecorum – zur Geschichte der Lepra im Altertum, in: Hrsg . Huldrych M . koelBing e . a ., Beiträge zur Geschichte der Lepra (= Zürcher medizinhistorische Abhandlungen, Neue Reihe, 93), Zürich 1972, S . 34–54 . köster-löscHe (1995), S . 49 f . vertritt ohne hinreichende Belege die Ansicht, dass die Inkubationszeit der Lepra im Mittelalter bedeutend kürzer gewesen sei . 142 WolF (1989), S . 101–103 . Wilhelm doerr, Über den Aussatz im Altertum und in der Gegenwart, Heidelberg 1948, S . 10 beziffert den Verbreitungsgrad der Lepra im Norden Deutschlands um 1350 mit 5 % während James Ross innes, Betrachtungen zur Geschichte der Lepra, in: Ciba Symposium 7 (1959), S . 123 diesen zwischen 1200 und 1300, allerdings ohne Angaben zur Berechnungsgrundlage, insgesamt auf 10 bis 50 Promille angibt . Für England nimmt er um 1377 eine Lepramorbidität von etwa 1–5 Promille an . Weitere Nennungen bei grmek (1978), S . 94 . 143 WolF (1989), S . 102 f . Zur Mortalität während des Schwarzen Todes Bulst (1979), S . 49 f . Graham J . tWigg, The Black Death in England . An Epidemiological Dilemma, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 75 schätzt die Sterblichkeit in England auf 20–50 % . 144 Jean-Noël BiraBen, Das medizinische Denken und die Krankheiten in Europa, in: Hrsg . Mirko Drazen grmek, Die Geschichte des medizinischen Denkens . Antike und Mittelalter, München 1996, S . 390 f . Adalbert miscHleWski, Das Antoniusfeuer in Mittelalter und früher Neuzeit in Westeuropa, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 249–268 . 145 miscHleWski (1989), S . 251 . 146 Horst WirtH, Über die Mutterkornvergiftungen, in: Natur und Heimat 3 (1954), S . 322 . 147 miscHleWski (1989), S . 253 .
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1 . Einführung
als nicht-kontagiös angesehen wurde,148 rief innerhalb betroffener Gemeinwesen vor allem institutionelle und medizinische Reaktionen hervor .149 Eine Betrachtung dieser Abwehrmaßnahmen und ihrer Entwicklung hilft, das im Rahmen der vorliegenden Untersuchung gewonnene Bild medizinischer Strukturen und obrigkeitlicher Möglichkeiten bei der Auseinandersetzung mit Massenerkrankungen zu vervollständigen . Unter all diesen Prämissen und mit den vorgenommenen Modifikationen repräsentiert nun das von Martin Dinges entworfene Modell eine theoretische Grundlage für die folgende Betrachtung zeitspezifischer Reaktionen in Städten Rheinland-Westfalens, die durch das Auftreten gefährlicher Infektionskrankheiten hervorgerufen wurden . 1.2
Stand der Forschung 1.2 Stand der Forschung
Seuchen in Mittelalter und früher Neuzeit als Gegenstand medizinhistorischer Forschung Mit der Entdeckung der ersten Erreger von Infektionskrankheiten während der zweiten Hälfte des 19 . Jahrhunderts und der allmählichen Entwicklung effektiver medizinischer Methoden zu deren Behandlung,150 setzte gleichzeitig 148 miscHleWski (1989), S . 257 . 149 Vgl . z . B . Adalbert miscHleWski, Grundzüge der Geschichte des Antoniterordens bis zum Ausgang des 15 . Jahrhunderts . Unter besonderer Berücksichtigung von Leben und Wirken des Petrus Mitte de Caprariis (= Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte 8), Köln/ Wien 1976 . ders., Die Frau im Alltag des Spitals, aufgezeigt am Beispiel des Antoniterordens, in: Frau und spätmittelalterlicher Alltag . Internationaler Kongreß Krems an der Donau 2 . bis 5 . Oktober 1984 (= Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs 9 . Österreichische Akademie der Wissenschaften . Philosophischhistorische Klasse, Sitzungsberichte 437), Wien 1986, S . 587–615 . Henry cHaumartin, Le Mal des Ardents et le feu Saint-Antoinne, Vienne 1946 . Régis delaigue, L’étonnante intoxication ergotée . Ses formes historiques (Mal des ardents, feu Saint-Antoine) et leurs équivalents anciens et actuels, Thèse dactylographiée de Médecine, Lyon 1980 . Harold Bauer, Das Antonius-Feuer in Kunst und Medizin, Berlin 1973 . 150 Einen kompakten Überblick vermittelt leven (1997), S . 98 ff . Aus der Vielzahl von Veröffentlichungen zu diesem komplexen Thema seien in Bezug auf die Entdeckungsgeschichte der Erreger stellvertretend genannt Robert kocH, Die Ätiologie der MilzbrandKrankheit, begründet auf die Entwicklungsgeschichte des Bacillus Anthracis, in: Hrsg . Ferdinand coHn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd . 2, Breslau 1876, S . 277–310 . ders., Ätiologie der Tuberkulose, in: Berliner Klinische Wochenschrift 19 (1882), S . 221–230 . ders., Über die Cholerabakterien, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 10 (1884), S . 725–728 . Alexandre yersin, La peste bubonique à Hong Kong, in: Annales de l’Institut Pasteur 8 (1894), S . 662–667, Paul Louis simond, La propagation de la peste, in: Annales de l’Institut Pasteur 12 (1898); S . 625–687 . Ferner u . a . Thomas scHlicH, Wichtiger als der Gegenstand selbst. Die Bedeutung des fotografischen Bildes in der Begründung der bakteriologischen Krankheitsauffassung durch Robert Koch, in: Hrsg . Martin dinges / Thomas scHlicH, Neue Wege in der Seuchengeschichte (= Medizin . Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Beiheft 6), Stuttgart 1995, S . 143–174 . Bruno latour, Pasteur . Une sciènce, un style, un siècle, Paris 1994 . Thomas Brock, Robert Koch . A Life in
1 .2 Stand der Forschung
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ein verstärktes Interesse an der historischen Dimension von Seuchen, ihrer Bekämpfung und ihren Auswirkungen in Mittelalter und früher Neuzeit ein .151 Seither hat sich die Geschichte der Infektionskrankheiten zu einem klassischen Gegenstand medizinhistorischer Forschung entwickelt .152 Die Reihe der Werke, die sich bei unterschiedlicher Schwerpunktsetzung dem Seuchengeschehen zwischen Antike und Gegenwart in seiner Gesamtheit annehmen, ist seit den 1980er Jahren beträchtlich angewachsen . Das in diesem Rahmen bisweilen zu beobachtende Phänomen Krankheit als „geschichtsbildende Macht“ nach dem populärwissenschaftlich wirksamen Motto „Seuchen machen Geschichte“ einstufen zu wollen,153 geht, wie bereits Martin Dinges treffend festgestellt hat, an historischen Realitäten allerdings vorbei .154 Interdisziplinäre Betrachtungen des weiten Forschungsfeldes treten in jüngster Zeit zusehends in den Vordergrund . Besonderes Interesse ziehen dabei nach wie vor der Schwarze Tod und die Pest auf sich .155 Im Herbst 2019 öffnet im LWL-Museum für Archäologie in Herne eine große Sonderausstellung unter dem Titel „Pest!“ ihre Tore .156 In den Beiträgen des mehrtägigen Vorbereitungssymposiums im Mai 2018 spiegelten sich der Forschungsstand wie auch die gegenwärtige Ausrichtung der historischen Pestforschung wider . Neben den bereits klassischen Themen wie dem Bild der Pest in zeitgenössischen Schriftzeugnissen oder den Judenpogromen im Umfeld des Schwarzen Todes in mehr oder minder mikrohistorischem Zugriff findet sich dabei eine Erweiterung der zuvor eurozentrisch dominierten Perspektive auf die vormo-
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Medicine and Bacteriology, Madison/Berlin 1988 . Codell C . carter, The Koch-Pasteur Dispute on Establishing the Cause of Anthrax, in: Bulletin of the History of Medicine 62 (1988), S . 42–57 . Aus der beachtlichen Zahl älterer Publikationen seien stellvertretend genannt Heinrich Haeser, Lehrbuch der Geschichte der Medizin und der epidemischen Krankheiten, 3 Bde ., Jena 31882 . Justus Friedrich Karl Hecker, Die großen Volkskrankheiten des Mittelalters . Historisch-pathologische Untersuchungen, Berlin 1865 . Emil von BeHring, Die Geschichte der Diphterie, Leipzig 1893 . Bernhard Maximilian lerscH, Geschichte der Volksseuchen nach und mit den Berichten der Zeitgenossen, Berlin 1896 . Charles creigHton, A History of Epidemics in Britain, Cambridge 1891 . Adolf dieudonne, Die Pest in den letzten Jahrhunderten, Leipzig 1906 . Georg sticker, Abhandlungen aus der Seuchengeschichte und der Seuchenlehre, 2 Bde ., Bd . 1: Die Pest . Erster Teil: Die Geschichte der Pest . Zweiter Teil: Die Pest als Seuche und als Plage . Bd . 2: Die Cholera, Gießen 1908/1910/1912 . Iwan BlocH, Der Ursprung der Syphilis, 2 Bde ., Jena 1901/1911 . Zu dieser Einschätzung dinges (1995B), S . 72 ff . William H . mcneill, Seuchen machen Geschichte, München 1978 . Hans Wilderotter (Hrsg .), Das große Sterben . Seuchen machen Geschichte, Berlin 1995 . dinges (1995b), S . 71 . Vivian nutton, Pestilential Complexities: Understanding medieval plague (= Medical History Supplement 27), London 2008 mit den Beiträgen einer gleichnamigen, interdisziplinären Tagung im Jahre 2006 . https://www .lwl-landesmuseum-herne .de/sonderausstellungen [Abruf am 6 . November 2018]
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1 . Einführung
derne islamische Welt, Zentral- und Ostasien .157 Damit wird der schmale Pfad, welcher am der Ende der 1970er Jahre u . a . durch Michael W . Dols zunächst mit Blick auf den Vorderen Orient angelegt und in den 1990ern etwa durch Lawrence Conrad weitergeführt wurde, allmählich zu einem breiteren Weg .158 Von wesentlicher Bedeutung sind in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die neuesten Erkenntnisse der Archäogenetik . So gelang einem internationalen Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um den Archäogenetiker Johannes Krause 2011 anhand der Untersuchung von DNA-Proben Verstorbener, die zur Mitte des 14 . Jahrhunderts auf dem seinerzeit frisch angelegten Friedhof East Smithfield in London beigesetzt worden waren, der bahnbrechende Nachweis, dass sich die DNA des mittelalterlichen Pesterrgers nur wenig von der moderner Erregerstämme unterscheidet .159 Die einschlägigen Forschungen der Abteilung für Archäogenetik am 2014 gegründeten Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte werden fraglos auch künftig einen nachhaltigen Beitrag für ein besseres Verständnis historischer Krankheitsphänomene unterschiedlicher Art zu leisten .160 Durch diese Befunde zur mittelalterlichen Pest und deren Vorläufern161 konnte ein naturwissenschaftlicher Schlussstrich unter die anhaltenden Diskussionen über die Ursache des Schwarzen Todes gezogen werden . Vor dem Hintergrund der Anschläge vom 11 . September 2001 und der folgenden Attentatsserie mit milzbrandverseuchten Briefen wuchs weltweit die Frage nach dem Potenzial gefährlicher Erreger als Biokampfstoffen, was in einem Nebeneffekt gesteigertes Interesse am Auslöser der Pandemie zur Mitte des 14 . Jahrhunderts weckte .162 Die teilweise abenteuerlichen Spekulationen und Interpretationsversuche zeitgenössischer Schriftquellen reichten dabei vom Bacillus anthracis
157 Hierzu u . a . George D . sussman, Was the Black Death in India and China?, in: Bulletin of the History of Medicine 85 (2011), S . 319–355 . 158 Exemplarisch Michael W . dols, The Black Death in the Middle East, Princeton 1977 . Larry I. conrad, Die Pest und ihr soziales Umfeld im Nahen Osten des frühen Mittelalters, in: Der Islam 73 (1996), S . 81–102 . Eine bibliografische Übersicht zur Pest in der islamischen Welt bei Kay Peter JankriFt, Die Pest im Nahen Osten und in der mittelalterlichen arabischen Welt, in: Hrsg . Mischa meier, Pest . Die Geschichte eines Menschheitstraumas, Stuttgart 2005, S . 430–432 . 159 Verena J . scHuenemann / Kirsten Bos / Sharon deWitte e . a ., Targeted enrichment of ancient pathogens yielding the pPCP1 plasmid of Yersinia Pestis from victims of the Black Death, in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America Bd . 108/38 (2011), S . E746–E752 . 160 Zum Forschungsprogramm des Instituts siehe http://www .shh .mpg .de/Abteilung-fuerArchaeogenetik [Abruf am 6 . November 2018] 161 Aida andrades valtueña / Alissa mittnik / Felix M . key e . a ., The Stone Age Plague and its persistence in Eurasia, in: Current Biology Bd . 27 (2017), S . 3683–3691 . 162 Philipp sarasin, Anthrax: Bioterror als Phantasma, Frankfurt am Main 2004 . Graeme mcQueen, The 2001 Anthrax deception . The case for a domestic conspiracy, Atlanta 2014 .
1 .2 Stand der Forschung
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bis hin zu Ebola .163 Neues Licht ist in den letzten Jahren nicht nur auf den Pesterreger, sondern auch auf die Infektionskette gefallen . Bis vor wenigen Jahren ging man davon aus, dass der Menschenfloh (lat . pulex irritans) für die Verbreitung der Krankheit aufgrund des fehlenden Proventrikels keine nennenswerte Rolle spielt .164 Jüngere Untersuchungen belegen indes, dass auch Flohspezies ohne Proventrikel Yersinia pestis übertragen können .165 Damit kommt dem Menschenfloh eine weitaus größere Bedeutung für das vormoderne Pestgeschehen zu als bisher angenommen . Die medizinhistorische Forschung hat sich vor allem während der letzten zwei Jahrzehnte bei der kritischen Auseinandersetzung mit Seuchenschilderungen in zeitgenössischen Schriftquellen darauf konzentriert, die beschriebenen Krankheitsphänomene „in ihrer zeitspezifischen Entwicklung und Wahrnehmung“ sowie damit einhergehende Vorstellungen, Theorien und Bewältigungsstrategien zu betrachten .166 Kompakte und zumeist informationsgesättigte Gesamtdarstellungen wie die in ihrer Qualität aus einem größeren Kreis167 herauszuhebende von Karl-Heinz Leven168 oder von Daniel Knop169 sowie quellengestützte, kleinere Schriften170 stehen neben dem älteren, noch immer wertvollen Werk von Erwin Ackerknecht171 sowie ausführli163 Samuel coHen, The Black Death transformed . Disease and culture in early Renaissance Europe, New York 2002 . Susan scott / Christopher duncan, Return of the Black Death . The world’s greatest serial killer, Chichester 2004 . Ole J . BenedictoW, What disease was plague? On the controversy over the microbiological identity of plague epidemics of the past, Leiden/Boston 2010 . 164 Hugo kupeerscHmidt, Die Epidemiologie der Pest . Der Konzeptwandel in der Erforschung der Infektionsketten seit der Entdeckung des Pesterregers im Jahre 1894 (= Gesnerus Supplement 43), Aarau 1993, S . 14 und S . 56 ff . 165 Anne laudisoit / Herwig leirs / Rhodes H . makundi e . a .: Plague and the Human Flea, Tanzania, in: Emerging Infectious Diseases 13 (2007), S . 687–693 . 166 leven (1998), S . 164 . 167 Kai kupFerscHmidt, Seuchen . 100 Seiten, Ditzingen 2018 . Jens JacoBsen, Schatten des Todes . Die Geschichte der Seuchen, Darmstadt 2012 . Petra Feuerstein-HerZ (Hrsg .), Gottes verhengnis und seine straffe . Zur Geschichte der Seuchen in der Frühen Neuzeit . Ausstellungskatalog der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Wiesbaden 2005 . Kari köster-löscHe, Die großen Seuchen . Von Pest bis AIDS, Frankfurt am Main 1995 . dies., Die großen Epidemien, München 1978 . Hans scHadeWaldt (Hrsg .), Die Rückkehr der Seuchen . Ist die Medizin machtlos?, Köln 1994 . Erwin scHmitscHek / Günther T . Werner, Malaria, Fleckfieber, Pest . Auswirkungen auf Kultur und Geschichte – medizinische Fortschritte, Stuttgart 1985 . 168 Karl-Heinz leven, Die Geschichte der Infektionskrankheiten . Von der Antike bis ins 20 . Jahrhundert (= Fortschritte in der Präventiv- und Arbeitsmedizin 6), Landsberg/Lech 1997 . 169 Daniel knop, Von Pest bis AIDS . Die Infektionskrankheiten und ihre Geschichte, Freiburg 1988 . 170 Dominik Feldmann / Andrea Walser / Antonia landois/Bettina pFotenHauer, Der Feind in der Stadt . Vom Umgang mit Seuchen in Augsburg, München und Nürnberg . Eine Ausstellung der Bayerischen Archivschule der Staatlichen Archive Bayerns, München 2016 . 171 Erwin Heinz ackerknecHt, Geschichte und Geographie der wichtigsten Krankheiten, Stuttgart 1963 .
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1 . Einführung
cheren, mit zahlreichen Beispielen aus unterschiedlichen geografischen Räumen angereicherten Abhandlungen wie etwa denen von Manfred Vasold172 oder Sheldon J . Watts .173 Zivilisationstheoretische Ansätze bilden die Grundlage zu den ebenso umfassenden Studien von Jacques Ruffié und Jean Charles Sournia174, Jo N . Hays175 sowie von Arno Karlen, deren unspektakulärer Originaltitel Man and Microbes in der deutschen Ausgabe irreführenderweise durch Die fliegenden Leichen von Kaffa ersetzt wurde .176 Einen ebenso monumentalen wie in wissenschaftlicher Hinsicht misslungenen Versuch zu einer Gesamtdarstellung der Seuchengeschichte hat Stefan Winkle unter dem Titel Geißeln der Menschheit vorgelegt .177 Mit seinem Urteil, Winkles Werk befinde sich jenseits aller „medizinhistorischer Methodik“ und sei „in seiner Naivität kaum zu übertreffen“ hat Karl-Heinz Leven wohl die schärfste Kritik an einer von zahlreichen Wissenschaftlern als fehlerhaft, anekdotisch und auf veraltetem Stand bezeichneten Abhandlung geübt .178 Ein besonderer Stellenwert kommt den in interdisziplinärer Kooperation entstandenen Arbeiten zu, in deren Mittelpunkt neue Wege, Methoden und Interpretationsansätze für die historische Seuchenforschung in ihrer Gesamtheit thematisiert und zuweilen exemplarisch aufgezeigt werden .179 Entsprechend der vielfältigen Forschungsrichtungen galt und gilt das Interesse neben der Problematik retrospektiver Diagnostik,180 der chronologischen Aufarbeitung mittelalterlicher wie früh172 Manfred vasold, Pest, Not und schwere Plagen . Seuchen und Epidemien vom Mittelalter bis heute, Augsburg 1999 . Ders ., Grippe, Pest und Cholera . Eine Geschichte der Seuchen in Europa, Stuttgart 2008 . 173 Sheldon Watts, Epidemics and History . Disease, Power and Imperialism, New Haven/ London 1997 . 174 Jacques ruFFié / Jean-Charles sournia, Die Seuchen in der Geschichte der Menschheit, München 1992 . 175 Jo N . Hays, The Burdens of Disease: Epidemics and Human Response in Western History, New Brunswick, New Jersey, London 22000 . 176 Arno karlen, Die fliegenden Leichen von Kaffe . Eine Kulturgeschichte der Plagen und Seuchen, Berlin 1995 . 177 Stefan Winkle, Geißeln der Menschheit . Kulturgeschichte der Seuchen, Düsseldorf/Zürich 1997 . Im Jahre 2005 erschien die dritte, verbesserte Auflage des Werkes! 178 leven (1998), S . 156 Anm . 8 . Hierzu auch die Rezension von Karl-Heinz leven, in: Gesnerus 55 (1998), S . 157–158, Robert Jütte, in: Damals 9/1997, S . 48–49 . 179 nutton (2008) . Martin dinges / Thomas scHlicH (Hrsg .), Neue Wege in der Seuchengeschichte (= Medizin . Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Beiheft 6), Stuttgart 1995 . Neithard Bulst/Robert delort (Hrsg .), Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989 . 180 Michael stolBerg, Möglichkeiten und Grenzen einer retrospektiven Diagnostik, in: Hrsg . Waltraud pulZ, Zwischen Himmel und Erde . Körperliche Zeichen der Heiligkeit, Stuttgart 2012, S . 209–227 . Karl-Heinz leven, Krankheiten: Historische Deutung versus retrospektive Diagnose, in: Hrsg . Norbert paul / Thomas scHlicH, Medizingeschichte: Aufgaben, Probleme, Perspektiven, Frankfurt am Main/New York 1998, S . 153–185 . ders., Die Geschichte der Infektionskrankheiten . Von der Antike bis ins 20 . Jahrhundert (= Fortschritte in der Präventiv- und Arbeitsmedizin 6), Landsberg/Lech 1997, S . 13–15 . Ortrun riHa, Subjektivität, Semiotik und Diagnostik . Eine Annäherung an den
1 .2 Stand der Forschung
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neuzeitlicher Seuchenphänomene und ihren demografischen Konsequenzen181 auch den ökonomischen und sozialen Folgen182 sowie dem Niederschlag in der Kunst .183 mittelalterlichen Krankheitsbegriff, in: Sudhoffs Archiv 80 (1996), S . 123–149 . Johanna Bleker, Windpocken, Varioloiden oder echte Menschenpocken? Zu den Fallstricken der retrospektiven Diagnostik, in: NTM . Internationale Zeitschrift für Geschichte und Ethik der Naturwissenschaften, Technik und Medizin . N .S . 3 (1995), S . 97–116 . JeanCharles sournia, Discipline du diagnostic rétrospectif, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 57–64 . Antoinette stettler, Der ärztliche Pestbegriff in historischer Sicht, in: Gesnerus 36 (1979), S . 127–139 . Gernot ratH, Moderne Diagnosen historischer Seuchen, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 81 (1956), S . 2065–2068 . Piers D . mitcHell, Leprosy and the case of King Baldwin IV . of Jerusalem . Mycobacterial Disease in the Crusader States of the 12th and 13th Centuries, in: Journal of Leprosy 61 (1993), S . 283–291 . 181 z . B . Heinz-Peter scHmiedeBacH, Seuchen und ihre Spuren in Gesellschaft, Kultur und Politik, in: Hrsg . Heiner Fangerau, Medizin im Spiegel ihrer Geschichte, Theorie und Ethik . Schlüsselthemen für ein junges Querschnittsfach, Stuttgart 2012, S . 235–258 . Bulst (1979) . Bulst (1989) . vögele (1998) . keil (1989) . Ann G . carmicHael, The plague and the poor in Renaissance Florence, Cambridge 1986, S . 170 ff . Ole Jørgen BenedictoW, Plague in the late medieval Nordic countries . Epidemiological studies, Oslo 1992 . Gunnar karlsson / Helgi Skuli kJartansson, Plágurnar miklu á Íslandi, in: Saga 32 (1994), S . 11–74 . 182 Stellvertretend seien genannt: František graus, Pest – Geißler – Judenmorde . Das 14 . Jahrhundert als Krisenzeit (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 86), Göttingen 1987 . Volker Zimmermann, Krankheit und Gesellschaft . Die Pest, in: Sudhoffs Archiv 72 (1988), S . 1–13 . Michel mollat, Les pauvres au Moyen Âge . Étude sociale, Paris 1978 . Wim P . Blockmans, The Social and Economic effects of plague in the Low Countries 1349–1500, in: Revue belge de Philologie et d’Histoire 48 (1980), S . 833–863 . 183 z . B . Peter dinZelBacHer, Angst im Mittelalter . Teufels-, Todes- und Gotteserfahrung: Mentalitätsgeschichte und Ikonographie, Paderborn 1996, S . 135–260 . ders., Die tötende Gottheit . Pestbild und Todesikonographie als Ausdruck der Mentalität des späten Mittelalters und der Renaissance, in: Hrsg . James Hogg, Zeit, Tod und Ewigkeit in der Renaissanceliteratur (= Analecta Cartusiana 117), Salzburg 1986, S . 5–138 . Winfried Frey / Hartmut Freytag (Hrsg .), Ihr müßt alle nach meiner Pfeife tanzen. Totentänze vom 15 . bis 20 . Jahrhundert aus den Beständen der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Bibliothek Otto Schäfer Wolfenbüttel, Schweinfurt 2000 . Stephan cosaccHi, Makabertanz . Der Totentanz in Kunst, Poesie und Brauchtum des Mittelalters, Meisenheim 1965 . Gert kaiser (Hrsg .), Der tanzende Tod . Mittelalterliche Totentänze, Franfiirt am Main 1983 . Reinhold Hammerstein, Tanz und Musik des Todes . Die mittelalterlichen Totentänze und ihr Nachleben, Bern/München 1980 . Klaus Bergdolt, Totentanz und ars moriendi im Spätmittelalter, in: Forum Medizinische Universität Lübeck 3 (1996), S . 1–16 . J . polZer, Aspects of Fourteenth-Century Iconography of Death and the Plague, in: Hrsg . D . Wiliman, The Impact of the Fourteenth-Century Plague, New York 1982, S . 107–130 . Ulrich kuder, Der Aussätzige in der mittelalterlichen Kunst, in: Jörn Hennig WolF (Hrsg .), Aussatz-Lepra-Hansen-Krankheit . Ein Menschheitsproblem im Wandel, Teil II: Aufsätze, Würzburg 1986 (= Kataloge des Deutschen Medizinhistorischen Museums, Beihefte 1), S . 233–271 . Keith mancHester / Christopher knusel, A medieval sculpture of leprosy in the cistercian abbaye de Cadouin, in: Medical History 38 (1994), S . 204–206
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1 . Einführung
So unterschiedlich die Intensität der Erforschung einzelner Infektionskrankheiten ist, so unterschiedlich gestalten sich auch aktuelle Forschungsrichtungen und -fragen . Besonders in Bezug auf die historische Pestforschung scheint es, als existiere kein Aspekt, der nicht bereits Gegenstand einer mehr oder weniger gründlichen Untersuchung geworden wäre .184 Dementsprechend ist die Fülle der Publikationen, die sich aus verschiedensten Blickwinkeln mit dem Schwarzen Tod und der Pest befassen, inzwischen nahezu unüberschaubar geworden .185 Neben einer Reihe von Gesamtdarstellungen zur Pestgeschichte, wie die zum Klassiker avancierte Studie von Jean-Noël Biraben186 und dem gesamteuropäischen Überblick über die Pandemie des Schwarzen Todes von Klaus Bergdolt,187 existieren zahlreiche Untersuchungen zu einzelnen Pestepidemien sowie deren Auswirkungen in verschiedenen Ländern und Städten .188 Unter den älteren Werken, die sich auf das Pestgeschehen in einem bestimmten geografischen Raum konzentrieren, ist die ob ihrer Informationsfülle noch immer wertvolle Arbeit von Robert Hoeniger herauszuheben .189 Seltener sind noch immer Forschungen, die sich der vergleichenden Betrachtung der Pest in einer regionalen Perspektive anneh-
184 dinges (1995B), S . 72 ff . 185 Mischa meier (Hrsg .), Pest . Geschichte eines Menschheitstraumas, Stuttgart 2005 . Umfassende, wenngleich nicht systematisierte Bibliografien zur älteren Literatur finden sich u . a . bei Jean-Noël BiraBen, Les hommes et la peste en France et dans les pays européens et mediterranéens (= Civilisations et Sociétés 35 u . 36), 2 Bde, Paris/Le Havre 1975/76 . Zuletzt Bergdolt (2017) . 186 BiraBen (1975) . 187 Bergdolt (2017) . 188 Stellvertretend sei aus der Fülle von Werken genannt Karen Jillings, An urban history of the plague . Socio-economic, political and medical impacts in a Scottish community, 1500– 1650, London 2018 . Colin rose, Plague and violence in early modern Italy, in: Renaissance Quarterly 71 (2018), S . 1000–1035 . Susan L . einBinder, After the Black Death . Plague and commemoration among Iberian Jews, Philadelphia 2018 . Ole Jørgen BenedictoW, The Black Death and later plague epidemics in the Scandinavian countries . Perspectives and controversies, Warschau/Berlin 2016 . Birsen Bulmus¸, Plague, quarantines and geopolitics in the Ottoman Empire, Edinburgh 2012 . Patrick sturm, Die Pest in Durlach . Bekämpfung und Auswirkungen von Epidemien in einer frühneuzeitlichen Residenzstadt, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 165 (2017), S . 173–205 . Paul slack, Die Pest, Ditzingen 2015 . Hilde scHmölZer, Die Pest in Wien, Innsbruck 2015 . Philip Ziegler, The Black Death, London/Glagow 1972 [Neudruck: Stroud 1997] . Karl Georg Zinn, Kanonen und Pest . Über die Ursprünge der Neuzeit im 14 . und 15 . Jahrhundert, Opladen 1989 . Gundolf keil, Pest im Mittelalter . Die Pandemie des „Schwarzen Todes“ von 1347 bis 1351, in: Hrsg . Walter Buckl, Das 14 . Jahrhundert als Krisenzeit, Regensburg 1995, S . 95– 107 . Monique lucenet, Les grandes pestes en France, Paris 1985 . Klaus Bergdolt, Die Pest in Venedig 1348, in: Würzburger Medizinhistorische Mitteilungen 8 (1990), S . 229– 244 . Marie-Hélène congourdeau, Black Death in Constantinople (1348–1466), in: Medicina nei Secoli . Arte e scienza . Giornale di storia della medicina 11 (1999), S . 377–389 . Juan Ballesteros rodrigueZ, La peste en Córdoba, Córdoba 1982 . Carlo M . cipolla, Fighting the Plague in Seventeenth Century Italy, Madison 1981 . Michael W . dols, The Black Death in the Middle East, Princeton 1977 . 189 Robert Hoeniger, Der Schwarze Tod in Deutschland, Berlin 1882 .
1 .2 Stand der Forschung
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men .190 Besonderes Augenmerk kommt dabei mentalitätsgeschichtlichen Aspekte zu .191 Wenngleich die Zahl der stetig wachsenden Publikationen inzwischen beachtlich ist, so ist doch die Lepra bislang in deutlich geringerem Maße als die Pest Gegenstand medizinhistorischer und mediävistischer Forschungen geworden . Der fruchtbare Anstoß zu einer intensiveren Beschäftigung mit der historischen Lepra ging von Frankreich aus, wo Françoise Bériac mit ihrer 1988 erschienenen Arbeit Histoire des lépreux au Moyen Âge192 erstmals ein Übersichtswerk vorlegte . Französische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich seitdem verstärkt damit befasst haben, die Geschichte der Lepra in ihren archäologischen und historischen Facetten in einzelnen Regionen systematisch zu erschließen .193 Während zu verschiedenen Ländern, so etwa Eng190 Patrick Sturm, Leben mit dem Tod in den Reichsstädten Esslingen, Nördlingen und Schwäbisch Hall . Epidemien und deren Auswirkungen vom frühen 15 . bis zum frühen 17 . Jahrhundert (= Esslinger Studien 23), Ostfildern 2014 . Carl Christian WaHrmann, Kommunikation der Pest . Seestädte des Ostseeraums und die Bedrohung durch die Seuche, 1708–1713, Berlin 2012 . Michaela FaHlenBock, Der Schwarze Tod in Tirol . Seuchenzüge-Krankheitsbilder-Auswirkungen, Innsbruck 2009 . Ulf Wendler, Nicht nur Pest und Pocken . Zur Bevölkerungsgeschichte der Lüneburger Heide, des Wendlandes und der Marschen des Fürstentums Lüneburg, 1550–1850, Hannover 2008 . Jürgen Hartwig iBs, Die Pest in Schleswig-Holstein von 1350 bis 1547/48 . Eine sozialgeschichtliche Studie über eine wiederkehrende Katastrophe (= Kieler Werkstücke Reihe A, Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte 12), Frankfurt am Main 1994 . Neithard Bulst, Vier Jahrhunderte Pest in niedersächsischen Städten . Vom Schwarzen Tod (1348–1351) bis in die erste Hälfte des 18 . Jahrhunderts, in: Hrsg . Cord meckseper, Stadt im Wandel, Bd . 4, Stuttgart 1985, S . 251–270 . Kurt HoFius, Die Pest am Niederrhein, insbesondere in Duisburg, in: Duisburger Forschungen 15 (1971), S . 171–221 . Véronique pascHe, Les épidémies de peste en Suisse romande . Vers des nouveaux comportements?, in: Hrsg . Agostino paravicini Bagliani / Franceso santi, The Regulation of Evil . Social and Cultural Attitudes to Epidemies in the Late Middle Ages (= Micrologus’ Library 2), Turnhout 1998, S . 125–136 . 191 dinges (1995B) . tanZ (1999) . esser (1999) . Joachim WollascH, Hoffnungen der Menschen in Zeiten der Pest, in: Historisches Jahrbuch 110 (1990), S . 23–51 . Robert E . lerner, The Black Death and Western European Eschatological Mentalities, in: American Historical Review 86 (1981), S . 533–552 . Rainer erkens, Buße in Zeiten des Schwarzen Todes: Die Züge der Geißler, in: Zeitschrift für Historische Forschung 26 (1999), S . 483–513 . David mcneill, Plague ansd Social Attitudes in Renaissance Florence, in: Hrsg . Agostino paravicini Bagliani / Franceso santi, The Regulation of Evil . Social and Cultural Attitudes to Epidemics in the Late Middle Ages (= Micrologus’ Library 2), Turnhout 1998, S . 137–144 . 192 Françoise Bériac, Histoire des lépreux au Moyen Âge . Une société d’éxclus, Paris 1988 . 193 Vgl . u . a . Françoise Bériac, Des lépreux au cagots . Recherches sur les sociétés marginales en Aquitaine médiévale, Bordeaux 1990 . François Olivier touati, Archives de la lèpre . Atlas des léproseries entre Loire et Marne au Moyen Âge, Paris 1996 . ders., Maladie et sociéte au Moyen Âge . La lèpre, lépreux et léproseries dans la province ecclésiastique de Sens, jusqu’au milieu du XIVe siècle, Brüssel 1998 . Nicole Bériou / François Olivier touati, Voluntate Dei leprosus . Les lépreux entre conversion et exclusion au XIIe et XIIIe siècles (= Testi, Studi, Strumenti 4), Spoleto 1991 . Damien Jeanne, Les lépreux et les léproseries en Normandie moyenne et occidental au Moyen Âge, in: Cahiers Leopold Delisle . Revue publiée par la Société Parisienne d’Histoire et d’Archéologie Normandes 46 (1997), S . 19–48 . ders., Les quelles problématiques pour la mort du lépreux? Son-
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1 . Einführung
land, der Schweiz und Dänemark,194 inzwischen Überblickswerke vorliegen und der Umgang mit mittelalterlichen Leprakranken zwischen medizinischer Theorie und Praxis wie auch die Darstellung der Lepra in der Kunst verschiedentlich Gegenstand der Untersuchung geworden sind,195 fehlt für das Alte Reich noch immer eine grundlegende Gesamtdarstellung . In Deutschland war es die Ausstellung Aussatz-Lepra-Hansen Krankheit im Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt, die in den 1980er Jahren mit ihren umfangreichen Begleitbänden eine wachsende wissenschaftliche Beschäftigung mit der Lepra anregete .196 Seither hat sich eine größere Zahl an Studien, häufig mit regionalen oder sozialgeschichtlichen Schwerpunktsetzungen,197 dem Thema gewidmet .198 Dem klassischen Ansatz, die Geschichte einzelner Leprosenhäu-
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dages archéologiques du cimetière de Saint-Nicolas de la Chesnaie à Bayeux, in: Annales de Normandie 1 (1997), S . 69–90 . Bruno taButeau, De l’éxpérience éremitique à la normalisation monastique: étude d’un processus de formation des léproseries aux XIIe et XIIIe siècles . Le cas d’Évreux, in: Hrsg . Jean duFour / Henri platelle, Fondations de oeuvres charitables au Moyen Âge, Paris 1999, S . 89–96 . Carole raWcliFF, Leprosy in medieval England, Woodbridge 2006 . Christian müller, Lepra in der Schweiz, Zürich 2007 . Jesper Boldsen, Leprosy in medieval Denmark . A comprehensive analysis, Odense 2007 . U . a . Luke demaître, Leprosy in premodern medicine . A malady of the whole body, Baltimore 2007 . Timothy S . miller / John W . nesBitt, Walking Corpses . Leprosy in Byzantium and the medieval West, Ithaca 2014 . Einen knappen Überblick bietet M . BosHart, De ziekte van Lazarus . Lepra in de middeleeuwen, Soesterberg 2017 . Ferner Susa eBBinge WuBBen, Leven als doodverklaarden . Leprozenzorg in Europa (500–1800), Zeist 1993 . Christine M . Boeckl, Images of leprosy . Disease, religion and politics in European art, Kirksville 2011 . Jörn Henning WolF / Christa HaBricH (Hrsg .), Aussatz-Lepra-Hansen-Krankheit . Ein Menschheitsproblem im Wandel, Bd . 1: Katalog (= Kataloge des Deutschen Medizinhistorischen Museums 4), Ingolstadt 1982 . Jörn Henning WolF (Hrsg .), Aussatz-Lepra-Hansen-Krankheit . Ein Menschheitsproblem im Wandel, Bd . 2: Aufsätze (= Kataloge des Deutschen Medizinhistorischen Museums, Beihefte 1), Würzburg 1986 . Aus der Zahl dieser Untersuchungen seien stellvertretend genannt Hrsg . Richard toellner, Lepra – Gestern und Heute . 15 wissenschaftliche Essays zur Geschichte einer Menschheitsseuche . Gedenkschrift zum 650-jährigen Bestehen des Rektorats Münster-Kinderhaus, Münster 1992 . Robert Jütte, Lepra-Simulanten, in: Hrsg . Martin dinges / Thomas scHlicH, Neue Wege in der Seuchengeschichte (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Beiheft 6), Stuttgart 1995, S . 25–42 . ders., Stigma-Symbole . Kleidung als identitätsstiftendes Merkmal bei spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Randgruppen ( Juden, Dirnen, Aussätzige, Bettler), in: Saeculum 44 (1993), S . 65–89 . Werner götZ, Tamquam mortuus . Auf den Spuren des mittelalterlichen Aussatzes, in: Notabene Medici 1 (1990), S . 30–35 . Fred kaspar / Barbara krug / Jürgen Belker, Zum funktionalen Wandel karitativer Einrichtungen . Interdisziplinäre Studien zum Leprosorium in Münster-Kinderhaus, in: Hrsg . Nils-Arvid Bringeus e . a ., Wandel der Volkskultur in Europa . Festschrift für Günter Wiegelmann zum 60 . Geburtstag, Bd . 2, Münster 1988, S . 669–695 . Brigitte Beyer, Leprosenstätten am linken Niederrhein, in: Archäologie im Rheinland, Köln/Bonn 1989, S . 129–131 . Wilhelm scHulZe, St . Jürgen . Lepra in Schleswig-Holstein und Hamburg, Hamburg 1993 . Antje scHelBerg, Approches actuelles de l’histoire de la lèpre et des lépreux au Moyen Âge, in: Bulletin d’information de la Mission Historique Française en Allemagne 30/31 (1995), S . 36–40 .
1 .2 Stand der Forschung
51
ser mehr oder weniger detailliert von ihrer Gründung bis zu ihrer Auflösung zu untersuchen, wird nach wie vor breiter Raum eingeräumt .199 Neuen Auftrieb verleiht der deutschen Lepraforschung inzwischen auch, die seit 2009 alljährlich stattfindende „Kinderhauser Tagung“ in Münster, auf der vor allem Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ihre Arbeit vorstellen . Allgemein richtet sich das Forschungsinteresse weniger auf die institutionsbildende Wirkung der Lepra oder medizinische Reaktionen im Zusammenhang mit der Krankheit, denn vielmehr auf eine Bewertung der Rolle Leprakranker innerhalb der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft .200 Verglichen mit der beachtlichen Zahl historischer Untersuchungen zur Pest und Lepra bildet das breite Spektrum der übrigen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Infektionskrankheiten, unter anderem bedingt durch die Quellenlage, ein eher vernachlässigtes Feld der historischen Forschung . Während die sogenannte „Franzosenkrankheit“, die gemeinhin mit der später als „Syphilis“ bezeichneten Infektionskrankheit gleichgesetzt wird, Gegenstand mehrerer epochenübergreifender Gesamtdarstellungen201 und auf einzelne Aspekte – etwa der Behandlung oder des Verhaltens von Patienten – bezogener Detailstudien202 geworden ist, existieren vergleichsweise wenige 199 Andreas WüBBen, Zur Geschichte der Lepra unter besonderer Berücksichtigung des Marburger Raumes, Marburg 2003 . Otto FriscH, Das Leprosenhaus in Bad Wurzach (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bad Wurzach 3), Bad Wurzach 1987 . Dietrich WalcHer, Die armen Siechen auf dem Felde . Geschichte der Ravensburger Leprosenhäuser, Ravensburg 1994 . Stephan nussmann, Das Leprosenspital zur Süntelbecke . Sein Beitrag zur Osnabrücker Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Phil . Diss . Würzburg 1994 . 200 Vgl . beispielsweise Bénédicte BaucHau, Sciènce et racisme . Les Juifs, la lèpre et la peste, in: Stanford French Review 13 (1989), S . 21–35 . Mary douglas, Witchcraft and leprosy . Two strategies of exclusion, in: Man 26 (1991), S . 723–736 . Walter de keyZer, Un exemple de léproserie foraine organisée: Les Petits-Malades de Valenciennes, in: Hrsg . Jean-Marie duvosQuel e . a ., Les Pays-Bas bourgignons . Histoire et institutions . Mélanges André Uyttebrouck, Bruxelles 1996, S . 175–185 . Ulrich kneFelkamp, Merkmale der Kontrolle und Ausgrenzung von Kranken in der städtischen Gesellschaft, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1993, S . 231–239 . Huldrych M . koelBing, Durch Krankheit an den Rand gedrängt . Die Aussätzigen im Mittelalter, in: unizürich . Mitteilungsblatt des Rektorats der Universität Zürich 1/2 (1987), S . 10–12 . 201 Claudia stein, Die Behandlung der Franzosenkrankheit in der Frühen Neuzeit am Beispiel Augsburg (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte, Beihefte 19), Stuttgart 2003 . Jean-Paul martineaud, L’amour au temps de la vèrole . Histoire de la syphilis, Paris 2010 . Jon arriZaBalaga / John Hendersson / Roger FrencH, The Great Pox . The French Disease in Renaissance Europe, New Haven/London 1997 . Vgl . hierzu auch John David oriel, The Scars of Venus . A History of Venerology, London 1994 . Olivier dutour e . a . (Hrsg .), L’origine de la Syphilis en Europe . Avant ou après 1493? Actes du Colloque International de Toulon, 25–28 novembre 1993, Paris 1994 . Claude Quetel, Le Mal de Naples . Histoire de la Syphilis, Paris 1986 . Ernst Bäumler, Amors vergifteter Pfeil, Kulturgeschichte einer verschwiegenen Krankheit, Frankfurt am Main 21997 . Noch immer aufgrund seines Materialreichtums ergiebig Iwan BlocH, Der Ursprung der Syphilis, 2 Bde ., Jena 1901/1911 . 202 Robert Jütte, Die Leiden der Elisabeth von Rochlitz, der Schwester Philipps des Großmütigen, in: Hrsg . Werner BucHHolZ / Stefan kroll, Quantität und Struktur . Festschrift
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1 . Einführung
Untersuchungen über die Pocken,203 die Malaria204 oder den Englischen Schweiß .205
für Kersten Krüger zum 60 . Geburtstag, Rostock 1999, S . 337–356 . ders., Syphilis and Confinement: Isolation Hospitals in German-Speaking Countries . 1500–1800, in: Hrsg . Robert Jütte / Norbert FinZscH, The Prerogative of Confinement: Social, Cultural, Political and Administrative Aspects of the History of Hospitals and Carceral and Penal Institutions in Western Europe and North America . 1500–1900, New York 1996, S . 97–116 . Winfried scHleiner, Moral Attitudes towards Syphilis and its Prevention in the Renaissance, in: Bulletin of the History of Medicine 68 (1994), S . 389–410 . Johann FaBricius, Syphilis in Shakespeare’s England, London 1994 . Roger FrencH, The Arrival of the French Disease in Leipzig, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe sièles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 133–141 . Annemarie kinZelBacH, Böse Blattern oder Franzosenkrankcheit. Syphiliskonzept, Kranke und Genese des Krankenhauses in oberdeutschen Reichsstädten der frühen Neuzeit, in: Hrsg . Martin dinges / Thomas scHlicH, Neue Wege in der Seuchengeschichte (= Medizin . Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Beiheft 6), Stuttgart 1995, S . 43–69 . Anna Foa, The New and the Old . The Spread of Syphilis (1494–1530), in: Hrsg . Edward muir/Guido ruggiero, Sex and Gender in Historical Perspective, Baltimore/London 1990, S . 26–45 . Anne Marie moulin, L’ancien et le nouveau . La réponse médicale à 1’épidémie de 1493, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 121–132 . 203 Karl-Heinz leven, Zur Kenntnis der Pocken in der arabischen Medizin, im lateinischen Mittelalter und in Byzanz, in: Hrsg . Odilo engels / Peter scHreiner, Die Begegnung des Westens mit dem Osten, Kongreßakten des 4 . Symposiums des Mediävistenverbandes in Köln 1991 aus Anlaß des 1000 . Todesjahres der Kaiserin Theophanu, Sigmaringen 1993, S . 341–354 . Donald R . Hopkins, Princes and Peasants . Smallpox in History, Chicago/ London 1983 . Oskar scHlotter, Die Geschichte der Lepra und Pocken in Europa, Med . Diss ., München 1966 . Ann G . carmicHael / Arthur M . silverstein, Smallpox in Europe before the Seventeenth Century . Virulent Killer or Benign Disease?, in: Journal of the History of Medicine 12 (1987), S . 147–168 . 204 Peter Herde, Die Katastrophe von Rom im August 1167 . Eine historisch-epidemiologische Studie zum vierten Italienfeldzug Friedrichs I . Barbarossa (= Sitzungsberichte der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main 27,4), Stuttgart 1991 . Leonhard Jan Bruce-cHWatt / Julian de Zuleta, The Rise and Fall of Malaria in Europe . A Historico-epidemiological Study, Oxford 1980 . Erwin scHimitscHek / Günther T . Werner, Malaria, Fleckfieber, Pest . Auswirkungen auf Kultur und Geschichte . Medizinische Fortschritte, Stuttgart 1985 . Yves-Marie Bercé, Influence de la malaria sur l’histoire évémentielle du Latium (XVIe–XIXe siècles), in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 235–245 . 205 Claudia rescH, „Englischer Schweiß“ 1529 in Augsburg . „Suchet man leybsärtzney, warumb sucht man nit ärtzney der seelen?“, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung 28 (2009), S . 97– 119 . Guy tHWaites / Mark taviner / Vany gant, The English Sweating Sickness, 1485– 1551, in: New England Journal of Medicine 336 (1997), S . 580–582 mit der abwegigen Überlegung, die Epidemie sei durch Hanta-Viren verursacht worden . Erich püscHel, Der Englische Schweiß des Jahres 1529 in Deutschland, in: Sudhoffs Archiv 42 (1958), S . 169–181 . Adam patrick, A Consideration of the Nature of the English Sweating Sickness, in: Medical History 9 (1965), S . 272–279 .
1 .2 Stand der Forschung
53
Ebenso ist dem Antoniusfeuer, bei dem es sich wie bereits betont um eine Massenvergiftung handelte ist, trotz seiner verheerenden Wirkung während des Mittelalters und der frühen Neuzeit bisher nur begrenzte Aufmerksamkeit zuteil geworden .206 Der Name Adalbert Mischlewskis steht im deutschen Sprachraum für die bisher einzige umfassende Studie zur Bekämpfung der Krankheit durch den Antoniterorden sowie eine Zahl weiterer Arbeiten zu diesem Themenkreis .207 Die Breite und Intensität, mit der sich die medizinhistorische wie die mediävistische Forschung all dieser Krankheitsphänomenen der Vergangenheit angenommen hat, vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass Regionalstudien, die sich innerhalb eines bestimmten geographischen Raumes in vergleichender Perspektive mit der Entwicklung zeitspezifischer Wahrnehmung der in einem Gebiet wirkenden Seuchen insgesamt sowie mit den Strategien zu ihrer Bekämpfung auseinandersetzen, bis heute rar sind . Für die frühe Neuzeit hat etwa Annemarie Kinzelbach mit ihrer komparatistischen Untersuchung zu
206 Henry cHaumartin, Le Mal des Ardents et le feu Saint-Antoinne, Vienne 1946 . Regis delaigue, L’étonnante intoxication ergotée . Ses formes historiques (Mal des ardents, feu Saint-Antoine) et leurs équivalents anciens et actuels, Thèse dactylographiée de Médecine, Lyon 1980 . Harold Bauer, Das Antonius-Feuer in Kunst und Medizin, Berlin 1973, Karl sudHoFF, Eine Antoniter-Urkunde sus Memmingen vom Jahre 1503 und ein therapeutischer Traktat über das Sankt-Antonius-Feuer, in: Archiv für Geschichte der Medizin 6 (1913), S . 270–280 . Elfriede graBner, Das Heilige Feuer, Antoniusfeuer, Rotlauf und Rose als volkstümliche Krankheitsnamen und ihre Behandlung in der Volksmedizin, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 66 (1963), S . 77–95 . George Barger, Ergot and Ergotism . London/Edinburgh 1931 . 207 Adalbert miscHleWski, Grundzüge der Geschichte des Antoniterordens bis zum Ausgang des 15 . Jahrhunderts . Unter besonderer Berücksichtigung von Leben und Wirken des Petrus Mitte de Caprariis (= Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte 8), Köln/Wien 1976 . Für eine überarbeitete und erweiterte Neuauflage ders., Un ordre hospitalier au Moyen Ages . Les chanoines réguliers de Saint-Antoine-en-Viennois, Grenoble 1995 . ders., Die Frau im Alltag des Spitals, aufgezeigt am Beispiel des Antoniterordens, in: Frau und spätmittelalterlicher Alltag, Internationaler Kongreß Krems an der Donau 2 . bis 5 . Oktober 1984 (= Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs 9 . Österreichische Akademie der Wissenschaften . Philosophisch-historische Klasse, Sitzungsberichte 437), Wien 1986, S . 587–615 . ders., Das Antoniusfeuer in Mittelalter und früher Neuzeit in Westeuropa, in: Hrsg . Neithard Bulst u. Robert delort, Maladies et société (XIIe – XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 249–268 . ders., Die Antoniusreliquien in Arles – eine heute noch wirksame Fälschung des 15 . Jahrhunderts, in: Fälschungen im Mittelalter . Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica, München 1986, Bd . 5 (= Schriften der MGH 33, V), München 1988, S . 417–431 . Peter Friess (Hrsg .), Auf den Spuren des heiligen Antonius . Festschrift für Adalbert Mischlewski zum 75 . Geburtstag, Memmingen 1994 . Vgl . auch die preisgekrönte Studie von Elisabeth clementZ, Les Antonins d’Issenheim . Essor et dérive d’une vocation hospitalière à la lumiére du temporel (= Recherches et documents 62), Strasbourg 1998 . Eine kurze Übersicht zwischen 1995 und 1997 erschienener Werke zur Geschichte der Antoniter bietet ebenfalls Adalbert miscHleWski, Antoniter-Bibliographie, in: Antoniter-Forum 8 (2000), S . 79–81 .
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1 . Einführung
den Reichsstädten Ulm und Überlingen unlängst einen exemplarischen Schritt in diese Richtung getan .208 Forschungen zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Seuchengeschichte Westfalens und des Rheinlands Der allgemeine Forschungsstand zur mittelalterlichen wie frühneuzeitlichen Seuchengeschichte spiegelt sich in themenbezogenen Publikationen Rheinland-Westfalen wider . Werke, die sich dem regionalen Seuchengeschehen und dessen Auswirkungen in seiner Gesamtheit annehmen, existieren bisher nicht .209 Stattdessen liegt weiterhin ein Schwerpunkt auf der Erforschung einzelner Krankheitserscheinungen – allen voran der Pest und der Lepra – in lokal begrenzter Perspektive . Arbeiten, die diesen Blickwinkel auf eine regionale Dimension ausweiten, sind demgegenüber selten . Hervorzuheben sind diesbezüglich die Studie von Martin Uhrmacher und die ob ihres Materialreichtums noch immer unentbehrliche Darstellung zur Lepra im Rheinland von Wilhelm Frohn .210 Einen Ansatz für die weitere Erforschung von Lepra und Pest im mittelalterlichen Westfalen bietet unter Vorbehalten die knappe institutionsgeschichtliche Studie von Ute Weyand, die sich zu unkritisch auf Angaben der bisweilen veralteten Sekundärliteratur stützt und so auch fehlerhafte Informationen übernimmt .211 Einblicke in die Auswirkungen der Pest in Westfalen und dem Rheinland vermitteln ferner die allerdings vornehmlich auf Fragen der
208 Annemarie kinZelBacH, Gesundbleiben, Krankwerden, Armsein in der frühneuzeitlichen Gesellschaft . Gesunde und Kranke in den Reichsstädten Überlingen und Ulm 1500–1700 (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Beihefte 8), Stuttgart 1995 . 209 Entgegen des vielversprechenden Titels beschäftigt sich das Werk von Paul FraatZ, Beiträge zur Seuchengeschichte Westfalens und der holländischen Nordseeküste (= Arbeiten zur Kenntnis der Geschichte der Medizin im Rheinland und in Westfalen 1), Jena 1929 lediglich mit einer Fieberepidemie nahe Paderborn im Jahre 1827, woran sich die historische Erörterung ähnlicher Fälle an der Nordseeküste anschließt . 210 Martin uHrmacHer, Lepra und Leprosorien im rheinischen Raum vom 12 . bis zum 18 . Jahrhundert (= Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 8), Trier 2011 . Wilhelm FroHn, Der Aussatz im Rheinland . Sein Vorkommen und seine Bekämpfung (= Arbeiten zur Kenntnis der Geschichte der Medizin im Rheinland und in Westfalen 11), Jena 1933 . Vgl . ebenso ders., Siechenhäuser und Verkehrsstraßen im Rheinland, in: Rheinische Vierteljahresblätter 2 (1932), S . 143–164 . Ferner Fritz meyers, Lepra am Niederrhein, Würzburg 1985 . Horst aBée, Die Leprosenhäuser der Grafschaft Mark, Phil . Diss . Frankfurt 1947 . Vgl . auch die mit grundlegenden Erläuterungen versehene Karte von Jürgen Belker, Mittelalterliche Leprosorien im heutigen Nordrhein-Westfalen, in: Die Klapper . Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde 8 (2000), S . 9–12 (mit erläuternder Beilage) . 211 Ute Weyand, Neue Untersuchungen über Lepra- und Pesthäuser in Westfalen und Lippe . Versuch eines Katasters, Diss . Med . Bochum 1983 . Die Verfasserin schenkt beispielsweise der Annahme Glauben, die Lepra sei schon vor dem Jahre 1388 in Dortmund verschwunden (S . 18) . Anhand der Quellen lässt sich jedoch eine Präsenz der Lepra in Dortmund noch bis zum Beginn des 17 . Jahrhunderts nachweisen . Hierzu JankriFt (1998), S . 123 .
1 .2 Stand der Forschung
55
Forschungsmethodik zugeschnittene Abhandlung von Neithard Bulst212 sowie der Aufsatz von Kurt Hofius .213 Neben kürzeren Untersuchungen zu einzelnen Krankheitsphänomenen214 streifen weitere Studien, die verschiedenen Aspekten der Entwicklung des Medizinal- oder Hospitalwesens in regionalem Rahmen gelten, zuweilen auch Fragen der Seuchengeschichte .215 Forschungen zur Seuchengeschichte westfälischer Städte Der Stand der Forschung zum lokalen Seuchengeschehen in Mittelalter und früher Neuzeit sowie seinen Auswirkungen ist für alle Städte unterschiedlich . Dies gilt ebenso für jene Städte, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung eingehender betrachtet werden sollen . Obgleich Fragestellungen zur Seuchengeschichte nicht überall in gleichem Maß Eingang in die lokalhistorische Forschung gefunden haben, lässt sich dennoch beobachten, dass allerorts ein deutlicher Akzent auf Arbeiten zur Geschichte einzelner Einrichtungen zur Versorgung Seuchenkranker liegt . So ist das Dortmunder Leprosorium Gegenstand verschiedener Untersuchungen geworden,216 während Auftreten und Wirkung von Seuchen in der einzigen freien Reichsstadt Westfalens bis in die jüngste Zeit hinein vergleichsweise wenig wissenschaftliche Aufmerksam212 Neithard Bulst, Krankheit und Gesellschaft in der Vormoderne . Das Beispiel der Pest, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 17–47 . Eine Publikation der Ergebnisse des Forschungsprojekts zur Pest in Westfalen und am Niederrhein liegt entgegen der entsprechenden Ankündigung (S . 29, Anm . 45) bisher nicht vor . 213 HoFius (1971) . Vgl . auch Albert stroHe, Die Pest in Kurköln und am Niederrhein, Med . Diss . Frankfurt am Main 1950 . 214 Jürgen Belker / Rudolf menn, Lepra in Westfalen, in: Hrsg . Richard toellner, Lepra – Gestern und Heute . 15 wissenschaftliche Essays zur Geschichte einer Menschheitsseuche . Gedenkschrift zum 650-jährigen Bestehen des Rektorats Münster-Kinderhaus, Münster 1992, S . 8–13 . Erich püscHel, Untersuchungen über die Verbreitung einer epidemischen Krankheit in Westfalen . Der Englische Schweiß des Jahres 1529, in: Westfälische Forschungen 10 (1957), S . 57–63 . 215 Vgl . beispielsweise Karlheinz HuF, Das Medizinalwesen in den alten Herzogtümern Jülich, Kleve und Berg, Med . Diss . Düsseldorf 1937 . Emil pauls, Notizen zur Chirurgie insbesondere zur Volkschirurgie am Niederrhein, in: Monatsschrift des Bergischen Geschichtsvereins 21 (1914), S . 21–26 . Emil düsseler, Beiträge zur Geschichte des Medizinalwesens in der Grafschaft Mark und im märkisch-lippischen Kondominium Lippstadt, in: Altenaer Beiträge . Arbeiten zur Geschichte und Heimatkunde der ehemaligen Grafschaft Mark 1 (1961), S . 81–222 . Wilhelm liese, Westfalens alte und neue Spitäler, in: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde 71 (1919), S . 128–189 . 216 Michael siedling, Das Dortmunder Leprosenhaus . Stadtgesellschaft und Aussätzige im Mittelalter, in: Hrsg . Thomas scHilp, Himmel, Hölle, Fegefeuer . Jenseitsvorstellungen und Sozialgeschichte im spätmittelalterlichen Dortmund, Essen 1996, S . 124–128 . Karl rüBel, Die Armen- und Wohltätigkeitsanstalten der freien Reichsstadt Dortmund, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 20 (1911), S . 127–249 . Auch Britta leise, „Schwarzer Tod“ in Dortmund . Wie einst die Pest in der Reichsstadt wütete, in: Heimat Dortmund 2/1997, S . 36–39, die irrtümlich das Leprosen- in ein Pesthaus verwandelt! Ferner JankriFt (1998), S . 118–123 .
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1 . Einführung
keit auf sich gezogen haben .217 Ähnlich stellt sich die Situation für die Bischofsstadt Minden dar . Die Arbeiten, die sich Fragen der mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Seuchengeschichte widmen, beschränken sich auf nur wenige Aufsätze .218 Für Münster hingegen liegen zahlreiche ältere wie jüngere Untersuchungen vor, welche sich dem Auftreten der Pest und der Lepra sowie dem institutionellen Umgang mit diesen Infektionskrankheiten widmen .219 217 leise (1997) . JankriFt (1998) . 218 Kay Peter JankriFt, Das „Große Sterben“ an der Weser . Seuchenabwehr und Medizinalwesen in Minden vom 11 . bis zum 16 . Jahrhundert, in: Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins 71 (1999), S . 113–138 . Christa pecZynsky, Das Hospital St . Nicolai in Minden . Ein Beitrag zur Kirchen- und Sozialgeschichte der Stadt, in: Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins 63 (1991), S . 153–163 berührt trotz des durch die Verwendung des Begriffs „Hospital“ irreführenden Titels die Geschichte des Leprosenhauses St . Nicolai . Margrit krieg, Minden im Zeichen der Pest, in: Mindener Heimatblätter 23 (1951), S . 138–144 . Martin krieg, Wegen drohender Epidemie die Martini-Messe 1666 abgesagt, in: Mindener Heimatblätter 22 (1950), S . 9 . 219 Mirko craBus, Kinderhaus im Mittelalter . Das Leprosorium der Stadt Münster, Münster 2013 . detHleFFs (1989) . Belker (1988) . Ulrich WinZer (1996), S . 240–298 . Otto HellingHaus, Die letzte Pestepidemie in Münster (1666–1667) und ihre Bekämpfung durch Bischof Christoph Bernhard von Galen, in: Hrsg . Karl Jansen, Sechsundvierzigster Jahresbericht über das Realgymnasium zu Münster in Westfalen, Münster 1898, S . 3–16 . Viktor Huyskens, Zeiten der Pest in Münster während der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts, 2 Teile (= Beilage zum Jahresbericht des städtischen Realgymnasiums zu Münster in Westfalen, Ostern 1901 und Ostern 1905), Münster 1901/1905 . ders., Das Schicksal der Akten und der Ausstattung der Lamberti-Elende in der Wiedertäuferzeit, in: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde 60 (1902), S . 199–200 . Ralf klötZer, Kleiden, Speisen, Beherbergen . Armenfürsorge und soziale Stiftungen in Münster im 16 . Jahrhundert (1535–1588) (= Studien zur Geschichte der Armenfürsorge und der Sozialpolitik in Münster 3), Münster 1997, S . 84–92 . u . S . 128–134 . ders., Kinderhaus 1648 . Das Leprosenhaus der Stadt Münster in Krieg und Frieden . Ausstellung im Lepramuseum Münster-Kinderhaus zum Jubiläum 350 Jahre Westfälischer Frieden, 25 . Januar bis 28 . Juni 1998, Münster 1998 . ders., Kinderhaus 1534–1618 . Das Leprosenhaus der Stadt Münster von der Täuferherrschaft bis zum Dreißigjährigen Krieg . Ausstellung im Lepramuseum Münster-Kinderhaus 28 . Januar bis 24 . Juni 2001, Münster 2001 . Gernot ratHert, Die Geschichte des Leprosenhauses in Kinderhaus bei Münster/Westfalen, Med . Diss Münster 1968 . Gerd detHleFFs, Leprosenhaus – Werkhaus – Armenhaus . Die stadtmünsterische Leprosenstiftung Kinderhaus als Objekt fürstbischöflicher Wirtschafts- und Sozialpolitik 1661–1686, in: Hrsg . Helmut laHrkamp, Beiträge zur neueren Stadtgeschichte (= Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster NF 12), Münster 1987, S . 1–33 . ders., 650 Jahre Kinderhaus, in: Hrsg . Richard toellner, Lepra – Gestern und Heute . 15 wissenschaftliche Essays zur Geschichte einer Menschheitsseuche . Gedenkschrift zum 650-jährigen Bestehen des Rektorats Münster-Kinderhaus, Münster 1992, S . 14–28 . Barbara krug-ricHter, Item am dinxtage up der billigen drey koninge dach den armen einen rinderen pothast … Lebensstandard und Nahrungsgewohnheiten im Leprosorium Münster-Kinderhaus im 16 . und 17 . Jahrhundert, in: Hrsg . Richard toellner, Lepra – Gestern und Heute . 15 wissenschaftliche Essays zur Geschichte einer Menschheitsseuche . Gedenkschrift zum 650-jährigen Bestehen des Rektorats MünsterKinderhaus, Münster 1992, S . 29–39 . dies., Die Leprosen in Münster-Kinderhaus im 17 . Jahrhundert . Bemerkungen zur Lebensform, in: Hrsg . Nils-Arvid Bringeus e . a ., Wandel der Volkskultur in Europa . Festschrift für Günter Wiegelmann zum 60 . Geburtstag, Bd . 2 (= Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland 60), Münster 1988, S . 676–685 .
1 .2 Stand der Forschung
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Wie im Falle Dortmunds und Mindens sind auch für Paderborn Forschungen zur Lokalgeschichte tödlicher Infektionskrankheiten rar .220 Zahlreicher und umfassender, wenngleich noch keineswegs erschöpfend, sind Untersuchungen, die sich mit dem Seuchengeschehen in Soest auseinandersetzen .221 Forschungen zur Seuchengeschichte niederrheinischer Städte Eine besonders intensive Bearbeitung hat die mittelalterliche und frühneuzeitliche Seuchengeschichte der Reichsstadt Aachen erfahren . Maßgeblichen Anteil hieran hatte zwischen den 1950er und den 1970er Jahren vor allem der Aachener Medizinhistoriker Egon Schmitz-CIiever (1913–1975) .222 Zahlreiche seiner Abhandlungen galten der Wirkung und Bekämpfung epidemischer Erkrankungen sowie der Lepra .223 Die Geschichte des Leprosoriums Melaten,
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Kay Peter JankriFt, Jost Heerde . Das Schicksal eines Lepraverdächtigen in Münster, in: Die Klapper . Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde 6 (1998), S . 2–5 . Leprosorien in ganz Westfalen behandelt trotz des einschränkenden Titels Josef lappe, Siechenhäuser im Paderborner Land, in: Heimatborn 12 (1932), S . 25 f . Anton gemmeke, Geschichte der Armenhäuser und des Armenwesens der Stadt Paderborn bis zum Jahre 1866, Bad Oeynhausen 1939 bezieht in seine Betrachtung auch das Leprosorium ein . Dina van Faassen, Lepra und Lepröse im Hochstift Paderborn, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte an der Universität-GH Paderborn 11 (1998), S . 5–23 . Kay Peter JankriFt, … multe pestilencie interim fuerunt. Streiflichter auf die Seuchenbekämpfung in Paderborn bis zum Ende des 16 . Jahrhunderts, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte an der Universität-GH Paderborn 11 (1998), S . 92–98 . Kay Peter JankriFt, Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, Darmstadt 22012, S . 94–96 . Ders .: Brände, Stürme, Hungersnöte . Katastrophen in der mittelalterlichen Lebenswelt, Ostfildern 2003, S . 181–196 . Kay Peter JankriFt, … daß diese kranckheit ein ansteckend und bekleibend Seuche sey, Soest in Zeiten der Pest, in: Soester Zeitschrift 111 (1999), S . 31–55 . Eduard vogeler, Das Leprosenhaus auf der Marbecke bei Soest, in: Soester Zeitschrift 3 (1883/84)), S . 61–71 . ders., Nachrichten über Leprosen (Melaten), in: Soester Zeitschrift 17 (1899/1900), S . 15 ff . ders., Einige Mitteilungen betreffend Gesundheitsverhältnisse, Krankenpflege und Heilkunde im alten Soest, in: Soester Zeitschrift 2 (1882/1883), S . 1–16 . Bulst (1989), S . 40 f . Zu Seuchen in Soest während der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts auch Gerhard köHn, Soest und die Soester Börde in den kriegerischen Auseinandersetzungen 1543– 1648, in: Hrsg . Ellen Widder / Wilfried eHBrecHt / Gerhard köHn, Soest . Geschichte der Stadt . Bd . 3: Zwischen Bürgerstolz und Fürstenstaat . Soest in der frühen Neuzeit, Soest 1995, S . 710–713 . Zur Person Schmitz-Clievers u . a . Richard küHl, Leitende Aachener Klinikärzte und ihre Rolle im „Dritten Reich“ (= Studien des Aachener Kompetenzzentrums für Wissenschaftsgeschichte 11), Kassel 2011, S . 51–52 . Egon scHmitZ-cliever, Ergebnisse seuchengeschichtlicher Untersuchungen für die Reichsstadt Aachen bis zum Ausgang des 18 . Jahrhunderts, in: Sudhoffs Archiv 38 (1954), S . 289–302 . ders., Pest und pestilenzialische Krankheiten in der Geschichte der Reichsstadt Aachen, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 66/67 (1954/1955), S . 108– 168 . ders., Topographie und Baugeschichte des Leprosoriums Melaten bei Aachen, in: Sudhoffs Archiv 54 (1972), S . 197–206 . ders., Das mittelalterliche Leprosorium Melaten bei Aachen in der Diözese Lüttich (1230–1550), in: Clio Medica 7 (1972), S . 13–33 . ders., Repertorium medicohistoricum Aquense . Ein Beitrag zur medizinhistorischen Topographie, in: Aachener Kunstblätter 34 (1967), S . 194–251 . ders., Zur Osteoarchäologie der
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1 . Einführung
die – nahezu einzigartig in Deutschland – ebenso osteoarchäologisch erforscht wurde, ist bis in die jüngere Zeit hinein in verschiedenen Aufsätzen und medizinhistorischen Dissertationen aufgegriffen und jüngst Gegenstand eines umfangreichen Sammelwerks geworden .224 Das „Pestgeschehen“ in Aachen zwischen dem 14 . und dem 18 . Jahrhundert wurde im Rahmen der medizinhistorischen Dissertation von Peter Paul Huttmann thematisiert, die gleichzeitig auf der Grundlage einer vergleichsweise unkritischen Betrachtung des historischen Quellenmaterials den gewagten Versuch retrospektiver Diagnostik unternimmt .225 Ebenso wurde bereits die Wirkung von Seuchen im Zusammen-
mittelalterlichen Lepra . Ergebnisse einer Probegrabung in Melaten bei Aachen, in: Medizinhistorisches Journal 6 (1973), S . 243–263 u . 8 (1973), S . 182–200 . ders., St . Jakobspilger-Muscheln in einem mittelalterlichen Leprosengrab, in: Aachener Kunstblätter 44 (1973), S . 317–321 . ders., Zur Frage der epidemischen Tanzkrankheit im Mittelalter, in: Sudhoffs Archiv 37 (1953), S . 149–162 . ders., Zur Darstellung des Heiltanzes in der Malerei des 16 . und 17 . Jahrhunderts, in: Verhandlungen des 20 . Internationalen Kongresses für Geschichte der Medizin . Berlin 1966, Hildesheim 1968, S . 507–510 . 224 Andreas prescHer / Paul Wagner / Wilhelm emmericH (Hrsg .), Aachen, Melaten . Der Friedhof des mittelalterlichen Leprosoriums an der Via Regia, (= Rheinische Ausgrabungen 73), Darmstadt 2016 . Neben den genannten Werken von scHmitZ-cliever vgl . zuletzt Hans Otto Brans, Hospitäler, Siechen- und Krankenhäuser im früheren Regierungsbezirk Aachen von den Anfängen bis 1971 . Bd1: Hospitäler und Siechenhäuser bis zum Ende des 18 . Jahrhunderts, (= Studien zur Geschichte des Krankenhauswesens 37), Herzogenrath 1995, S . 89–112 sowie Wilhelm mummenHoFF, Die Aachener Leproserie Melaten, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 66/67 (1955), S . 12–34, Axel Hinrich murken, Die Geschichte des Leprosoriums Melaten in Aachen . 300 Jahre geschlossene Anstaltspflege für die Aussätzigen, in: Hrsg . Richard toellner, Lepra – Gestern und Heute . 15 wissenschaftliche Essays zur Geschichte einer Menschheitsseuche . Gedenkschrift zum 650-jährigen Bestehen des Rektorats Münster-Kinderhaus, Münster 1992, S . 48–56 . Wilfried Maria kocH, Archäologischer Bericht 1988/89 . Das Leprosorium Aachen-Melaten, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 96 (1989), S . 409–436 . ders., Die mittelalterliche Leprastation Aachen-Melaten, in: Archäologie im Rheinland 1988, S . 132–135 . Hans Otto Brans, Leprosorien im früheren Regierungsbezirk Aachen, in: Historia Hospitalium 14 (1981/82), S . 17–34 . Dieter meyer, Zahnbefunde an 25 Schädeln des mittelalterlichen Gräberfeldes Melaten bei Aachen (1230–1550), Med . Diss . Aachen 1974 . Joachim H . scHleiFring, Anthropologische Untersuchungen an den Skelettfunden vom Gräberfeld des Leprosoriums Gut Melaten, in: Archäologie im Rheinland 1988, S . 136–138 . Joachim H . scHleiFring / Michael Weiss, „Donnerkeile“ in den mittelalterlichen Gräbern beim Gut Melaten, in: Archäologie im Rheinland 1988, S . 139–140 . dies., Pilger- und andere Schnecken . Molluskenfunde im mittelalterlichen Gräberfeld beim Gut Melaten in Aachen, in: Rheinisches Landesmuseum 4 (1989), S . 49–53 . Willy vellen, Das Leprosen-Spital Melaten, Heimatblätter des Landkreises Aachen 14 (1958), S . 62–64 . Heinrich scHnock, Zur Geschichte des Leprosenhauses und der Kapelle Melaten, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 23 (1901), S . 436–438 . 225 Peter Paul Huttmann, Die Pest in Aachen und Umgebung, Med . Diss . Aachen 1987 . Für die von Huttmann angesetzten Diagnosekriterien vgl . S . 4 f . Weitere Untersuchungen zur Pest und der Versorgung Pestkranker in Aachen bieten Brans (1995), S . 112–116 u . S . 168–172 . Waltraud kruse, Die Pest in Aachen und in den angrenzenden Rheinlanden, Med . Diss, Frankfurt am Main 1951 . C . BoeHmer, Verhaltensmaßregeln in Pestzeiten, in: Aus Aachener Vorzeit 2 (1889), S . 108–112 .
1 .2 Stand der Forschung
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hang mit der Aachener Heiligtumsfahrt in einem älteren Aufsatz erörtert .226 Bedingt durch die Existenz lokaler Heilquellen, denen seit dem 16 . Jahrhundert auch für die Behandlung der Syphilis therapeutischer Nutzen zugesprochen wurde, hat dieses Themenfeld Eingang in verschiedene Untersuchungen zur Aachener Medizingeschichte gefunden .227 Weit weniger Beachtung hat die Erforschung des Duisburger Seuchengeschehens erfahren . Neben den Arbeiten von Kurt Hofius zur Pest und zur Lepra228 existieren nur wenige kürzere Aufsätze, die sich vor allem mit verschiedenen Detailfragen befassen .229 Ebenso spärlich gestaltet sich die Forschungssituation in Essen . Neben dem älteren, der Stiftung der Siechenkapelle breiten Raum einräumenden Abriss zur Geschichte des Leprosenhauses von Franz Arens230 findet sich bisher nur eine kleine Zahl von Untersuchungen zum Essener Seuchengeschehen .231 Ein vergleichbarer Mangel an Studien zum Auftreten wie zur Wirkung von Infektionskrankheiten in Mittelalter und früher Neuzeit läßt sich auch in Bezug auf Wesel und Xanten konstatieren . In beschränktem Rahmen sind bisher lediglich die Geschicke des Weseler Leprosenhauses näher erforscht worden,232 während für Xanten ein Übersichtswerk zur Medizingeschichte der Stadt vorliegt, das sich unter anderem eingehender mit dem Thema der lokalen Auseinandersetzung mit dem Seuchengeschehen befasst .233 226 J . H . kessel, Wie wurde es früher in Epidemie- und Kriegsjahren mit der Feier der siebenjährigen Heiligtumsfahrt gehalten, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 3 (1881), S . 266 ff . 227 Egon scHmitZ-cliever, Die Balneotherapie der Syphilis in Aachener Thermenschriften (1546–1903), in: Sudhoffs Archiv 41 (1957), S . 97–104 . Ludwig diener, Abhandlung über die Heilwirkung der Aachener Schwefelthermen in constitutioneller Syphilis und Quecksilberkrankheiten, Aachen 1862 . 228 HoFius (1971) . Kurt HoFius, Lepra in Duisburg, in: Duisburger Forschungen 43 (1997), S . 23–41 . 229 Joseph milZ, Handel, Pest und Judenverfolgung im Mittelalter . Die älteste Duisburger Stadtrechnung vom Jahre 1348, in: Duisburger Journal 8/1978, S . 6–10 . ders., Krieg, Hunger, Pest und Tod . Das Schreckensjahr 1587, in: Duisburger Journal 11/1987, S . 32– 34 . Hans Hamann, Aussätzige in Duisburg, in: Duisburger Heimatkalender 1968, S . 110– 112 . Eine literarische Fiktion des Pestgeschehens in Duisburg bei Reinhold scHlonski, Die Pest . Aus Duisburgs schweren Tagen, in: Duisburger Heimatkalender 1938, S . 34–41 . 230 Franz arens, Das Essener Siechenhaus und seine Kapelle, in: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 18 (1898), S . 44–95 . 231 Franz Wagner, Zur Geschichte des Essener Medizinalwesens vom Mittelalter bis zur Neuzeit, in: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 40 (1922), S . 1–55 widmet sich auch der Seuchengeschichte . Kay Peter JankriFt, … myt dem Jammer der Pestilenz beladen. Seuchen und die Versorgung Seuchenkranker in Essen vom späten Mittelalter bis zum Beginn der frühen Neuzeit, in: Essener Beiträge . Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 111 (1999), S . 20–42 . 232 Isabella BenningHoFF-lüHl, Die sozialen Stiftungen in Wesel, in: Hrsg . Jutta prieur, Geschichte der Stadt Wesel, Bd . 2, Düsseldorf 1991, S . 71–105 . Zur Pest in Wesel vgl . die nicht ganz vollständige Tabelle bei Bulst (1989), S . 42 f . 233 Horst körner, Die Medizingeschichte der Stadt Xanten unter besonderer Berücksichtigung ihrer Hospitäler, Lazarette und Seuchen . 1297–1911 (= Studien zur Geschichte des
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1 . Einführung
Angesichts der nahezu unüberschaubar gewordenen Publikationsflut zu zahlreichen Aspekten der Stadtgeschichte, welche die politische wie wirtschaftliche Bedeutung der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Metropole Köln gezeitigt hat, ist die Zahl der Werke zu seuchengeschichtlichen Fragestellungen bisher vergleichsweise gering geblieben . Allerdings zeichnen sich diese Arbeiten zumeist durch ihren grundlegenden Charakter aus . Die Arbeit von Johannes Asen über die Geschichte des Melatenhauses stellt trotz ihres Alters aufgrund ihrer soliden Quellenauswertung noch immer einen unentbehrlichen Beitrag zur Erforschung der Lepra in Köln dar .234 Die Befunde werden durch die Darstellung von Gregor Heinrich Klövekorn materialreich ergänzt .235 Strategien der Auseinandersetzung mit Seuchen erörtert Rudolf Creutz in seinem Aufsatz, in dessen Mittelpunkt die Auswirkungen der Pest steht .236 Daneben ist das in seiner Art bisher noch einzigartige Hilfsmittel eines von Maria Barbara Rössner-Richarz akribisch zusammengestellten sachthematischen Inventars zur Erschließung medizinhistorischer Quellen im Historischen Archiv der Stadt Köln dazu angetan, die weitere Beschäftigung mit der lokalen Seuchengeschichte nachhaltig anzuregen .237 Komplettiert werden die seuchengeschichtlichen Forschungen durch Arbeiten zu diversen Aspekten des kölnischen Medizinalwesens .238 Grundlegend sind in diesem ZusamKrankenhauswesens 4), Münster 1977 . 234 Johannes Asen, Das Leprosenhaus Melaten bei Köln, Bonn 1908 . Vgl . auch ders. (Hrsg .), Eine Leprosenordnung von Melaten bei Köln aus dem 16 . Jahrhundert, in: Lepra . Bibliotheca Intemationalis 14 (1913), S . 70–72, 235 Gregor Heinrich klövekorn, Der Aussatz in Köln, München 1966 . Vgl . ferner Franz irsigler / Amold lassotta, Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker . Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt . Köln 1300–1600, München 71996, S . 69–86 . Otto von Bremen, Die Lepra-Untersuchungen der medizinischen Fakultät von 1491–1664, in: Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst 18 (1899), S . 65–77 . Hermann keussen, Beiträge zur Geschichte der Kölner Lepra-Untersuchungen, in: Lepra . Bibliotheca intemationalis 14 (1913), S . 80–112 . Thomas scHWaBacH, Ein bemerkenswerter Lepra-Untersuchungsfall vor der Medizinischen Fakultät der Universität Köln in der ersten Hälfte des 16 . Jahrhunderts, in: Die Klapper . Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde 6 (1998), S . 8–10 . 236 Rudolf creutZ, Pest und Pestabwehr im alten Köln, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 15 (1933), S . 79–119 . Ferner Kay Peter JankriFt, Schwarzer Tod und „Großes Sterben“ . Seuchen im spätmittelalterlichen Köln, in: Geschichte in Köln 51 (2004), S . 9–22 . ders., Von der „Pestilenz“ . Seuchen im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit, in: Hrsg . Thomas deres, Krank – Gesund . 2000 Jahre Krankheit und Gesundheit in Köln, Köln 2005, S . 114–125 . JankriFt (2012), S . 88–93 . 237 Quellen zur Geschichte der Medizin in der Reichsstadt Köln . Ein sachtthematisches Inventar für vier Jahrhunderte (1388–1798) . Bearbeitet von Maria Barbara rössner-ricHarZ nach Vorarbeiten von Ulrich simon, Irmgard tietZ-lassotta und Jürgen Ziese (= Mitteilungen aus dem Stadtarchiv Köln 78), Köln 1998 . Hierzu auch Maria Barbara rössner-ricHarZ, Ad fontes rerum medicarum . Medizin-historische Quellen in der Überlieferung der Reichsstadt Köln, in: Hrsg . Sonja Horn / Susanne Claudine pils, Sozialgeschichte der Medizin . Wiener Gespräche – Stadtgeschichte und Medizingeschichte, Thaur/Wien/München 1998, S . 19–28 . 238 Aus dem Kreis der Publikationen seien stellvertretend genannt Rüdiger Jopp, Einzelheiten zur Geschichte der Augenheilkunde von der Antike bis um 1800 am Beispiel von
1 .2 Stand der Forschung
61
menhang vor allem die Untersuchungen von Robert Jütte .239 Im Hinblick auf ihre Gesundheitsgefährdung wurden ebenso die hygienischen Verhältnisse im vormodernen Köln bereits thematisiert .240 Werke zur Entwicklung des lokalen Medizinal- und Apothekenwesens sowie zur Hygiene ergänzen nicht nur im Falle Kölns, sondern auch für viele der genannten westfälischen und niederrheinischen Städte Forschungen zur Seuchengeschichte . Zumeist sind es ältere medizinhistorische Dissertationen, die sich häufig in prosopografischer Vorgehensweise dem Wirken von Ärzten, Wundärzten, Hebammen sowie sonstigen, Heiltätigkeit ausübenden Personen widmen und dabei deren Leistungen in Seuchenzeiten kenntlich machen .241 Vergleichbare Schwerpunkte setzen die ebenfalls überwiegend älteren Darstellungen zur Geschichte des Apothekenwesens .242 Die Behandlung hygienischer Aspekte, die eine unentbehrliche Basis jeder weiterführenden Untersuchung des Seuchengeschehens bildet, ist demgegenüber nach wie vor selten .243 In der Gesamtbetrachtung ist festzustellen, dass Arbeiten, die sich der Geschichte einzelner Institutionen der Gesundheitspflege oder des Medizinalwesens einer einzigen Stadt widmen – so unentbehrlich und grundlegend sie
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Köln (= Kölner medizinhistorische Beiträge 16), Köln 1981 . Franz-Günther tHeileocHel, Zur Geschichte des Hebammenwesens in Köln, Med . Diss . Köln 1972 . Walter priBilla, Die Geschichte der Anatomie an der Universität Köln von 1478–1798, Greifswald 1940 . Arbeitsmöglichkeiten mit Kölner Quellen in Bezug auf Fragestellungen zur Sozialgeschichte der Medizin zeigt Robert Jütte, Die medizinische Versorgung einer Stadtbevölkerung im 16 . und 17 . Jahrhundert am Beispiel der Reichsstadt Köln, in: Medizinhistorisches Journal 22 (1987), S . 173–184 . Eine fundierte Untersuchung mit zahlreichen Verweisen auf Köln ders., Ärzte, Heiler und Patienten . Medizinischer Alltag in der frühen Neuzeit, München/Zürich 1991 . ders., Obrigkeitliche Armenfürsorge in deutschen Reichsstädten der frühen Neuzeit . Städtisches Armenwesen in Frankfurt am Main und Köln (= Kölner historische Abhandlungen 31), Köln/Wien 1984 . Maria Barbara rössner, Gesundheitsgefährdung durch Umweltverschmutzung . Vorindustrielles Umweltbewußtsein in Köln, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 66 (1995), S . 69–79 . Die Studie widmet sich vor allem den Verhältnissen des 18 . Jahrhunderts . Vgl . etwa für Dortmund Norbert scHulte, Das Medizinalwesen in der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund bis zum Jahre 1815, Med . Diss . Düsseldorf 1940, für Soest Clemens Hecker, Die Ärzte und Wundärzte von Soest von 1265–1785, Med . Diss . Düsseldorf, Hamburg 1940 oder für Münster Elisabeth gördes, Heilkundige in Münster in Westfalen im 16 . und 17 . Jahrhundert, Med . Diss . Münster, Hildesheim 1917 . Beispielsweise Alfred scHmidt, Die Kölner Apotheken von der ältesten Zeit bis zum Ende der reichsstädtischen Verfassung (= Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins), Köln 21931 . Albert BönningHoFF, Die Geschichte des Apothekenwesens der Stadt Aachen bis zum Beginn des 20 . Jahrhunderts, Med . Diss Aachen, Mainz 1980 . Wilhelm koHl, Die Apotheken der Stadt Minden in der älteren Zeit, in: Zwischen Dom und Rathaus . Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Minden, Minden S . 215–231 . Ralf molkentHin, Trinken, Waschen, Löschen, Antreiben . Die Wasserversorgung der Stadt bis zur Mitte des 19 . Jahrhunderts, in: Hrsg . Jan gercHoW, Die Mauer der Stadt . Essen vor der Industrie 1241 bis 1865, Essen 1995, S . 76 f . Gerhard köHn, Hygiene im alten Soest, in: Soester Stadtgeschichten, Soest 1985, S . 277–297 .
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1 . Einführung
auch sind – ohne Vergleich mit Gegebenheiten andernorts zwangsläufig um manche Erkenntnis ärmer bleiben . Besonderheiten und institutionelle Einmaligkeiten sind ohne komparatistischen Blick kaum zu aufzudecken . Ob der Umfang der Versorgung über oder unter dem Durchschnitt lag, ob die institutionelle Entwicklung in Nachbarstädten ähnlich, völlig anders oder gar als Resultat gegenseitiger Beeinflussung verlief, ob bestimmte Phänomene lokale Besonderheiten oder weitverbreitete Normalität sind und viele weitere an eine Bewertung geknüpfte Aspekte müssen einer enggefassten Detailstudie naturgemäß entgehen . Überblickswerke, die ein großes Feld, etwa das Wirken des Schwarzen Todes in Europa thematisieren, wollen und können angesichts dieser Dimension keinen detaillierten Vergleich liefern oder die in jeder Stadt unterschiedlichen Voraussetzungen für Ausbreitung und Wirkung von Seuchen entsprechend berücksichtigen . Verknüpft aber bilden Einzel- und Übersichtsdarstellungen als unverzichtbare Vorarbeiten einen Grundstein für die Erforschung regionalen Seuchengeschehens . 1.3 Aufgaben und Ziele der Untersuchung 1 .3 Aufgaben und Ziele der Untersuchung Die vorliegende Studie unternimmt den Versuch, aus einer regionalen Perspektive differenzierte Einblicke in die zeitspezifische Wahrnehmung unterschiedlicher Seuchen zu gewinnen sowie Formen, Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit diesen todbringenden Infektionskrankheiten zu beleuchten . Dabei erscheint es unmöglich, sämtlichen Aspekten dieses außerordentlich facettenreichen Spektrums von der religiösen Bewältigung über obrigkeitliche Verhaltensmuster bis hin zur medizinischen Praxis in gleichem Maße gerecht zu werden . Allein die umfassende Interpretation theologischer Deutungsmuster zum Auftreten diverser Seuchen und zum Umgang mit den Erkrankten böte selbst in regionalem Rahmen genügend Stoff für eine umfangreiche Betrachtung .244 Gleiches gilt für kunstgeschichtliche Fragen, etwa nach der Darstellung Seuchenkranker und iher Schuztpatrone, die zweifelsfrei einen Beitrag zur Erforschung seuchenbezogener Wahrnehmungsformen leisten, jedoch im Rahmen dieser Untersuchung nur gelegentlich berücksichtigt werden können . Um eine unüberschaubare Ausuferung des breiten thematischen Zugangs und fehlende Kontextualisierung zu vermeiden, ist die Konzentration auf einige Schwerpunkte unvermeidlich . Neben dem Bemühen, ein Bild von der chronologischen Abfolge, der Häufigkeit und Verbreitung verschiedener Seuchenausbrüche zu gewinnen, sollen Kontinuität und Wandel gesellschaftlicher Verhaltensweisen ergründet werden . Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei die Institutionalisierungsprozesse, welche unmittelbar aus dem Auftreten bestimmter Infektionskrankheiten und des Antoniusfeuers resultierten und vor deren Hintergrund die weitgespannten Reaktionen der Zeitgenossen sichtbar werden . Der regionale Blickwinkel ermöglicht einen 244 Vgl . etwa esser (1999) .
1 .3 Aufgaben und Ziele der Untersuchung
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Strukturvergleich der Ausbildung und Entwicklung bestimmter Institutionen von Sondersiechenhäusern über Lepraschaukommissionen bis hin zu speziellen Bruderschaften sowie des Medizinalwesens in Städten unterschiedlicher Größe . Wechselseitige Beeinflussungen treten dabei zutage Die Berücksichtigung des Seuchengeschehens in seiner – soweit mit Hilfe der Quellen erfassbaren – Gesamtheit zielt darauf ab, Unterschiede wie Gemeinsamkeiten bei der Wahrnehmung und der Abwehr unterschiedlicher Massenerkrankungen zu ermitteln . Zugleich muss der Frage nachgegangen werden, ob jedes Auftreten einer Seuche einen „Bruch der Normalität“245 bewirkte oder ob hierzu bestimmte weitere Faktoren erforderlich waren . Die exemplarische Analyse des Seuchengeschehens und der darauf ausgerichteten Reaktionen in elf Städten bildet die Grundlage dieser vergleichenden Regionaluntersuchung . Die Betrachtung erstreckt sich auf einen Teil Westfalens wie des Rheinlands und konzentriert sich auf den Raum zwischen den Eckpunkten Rheine im Nordwesten, Minden im Nordosten, Aachen im Südwesten und Paderborn im Südosten . Die Determinierung des Untersuchungsraumes folgte weniger naturräumlichen Gegebenheiten denn vielmehr der Maßgabe, dass dieser eine ausreichende Anzahl an Städten einschließt, die eine mehr oder weniger intensive Beziehung untereinander pflegten, gleichzeitig eine möglichst große Zahl gesellschaftlicher Akteure garantierten und zudem über eine ausreichende Quellenlage verfügten . Unter dieser Voraussetzung wurden die westfälischen Bischofsstädte246 Minden, Münster, Paderborn,247 Westfalens einzige Reichsstadt Dortmund sowie die im Mittelalter bedeutende Hansestadt Soest gewählt . Die Wahl der fünf westfälischen wurde durch die Wahl sechs rheinischer Städte ergänzt: die Reichs- und Krönungsstadt Aachen, Duisburg, Essen, für dessen Geschicke die jeweilige Äbtissin des Reichsstifts von besonderer Bedeutung war, Wesel, Xanten und schließlich Köln, dessen politische wie wirtschaftliche Bedeutung weit in den gesamten Raum und darüber hinaus ausstrahlte . Die Verteilung der Städte innerhalb des Untersuchungsraumes ermöglicht es, der Frage nachzugehen, ob sich von Westen nach Osten Unterschiede im Hinblick auf Institutionendichte 245 dinges (1995), S . 10 . 246 Zum Problem der Typologisierung von Städten seien stellvertretend genannt ennen (1987), S . 225 ff . Franz irsigler, Städtelandschaften und kleine Städte, in: Hrsg . Helmut FlacHenecker / Rolf kiessling, Städtelandschaften in Altbayern, Franken und Schwaben (= Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, Beihefte 15), München 1999, S . 13– 38 . Carl Haase, Stadtbegriff und Stadtentstehungsgeschichten in Westfalen, in: Hrsg . Carl Haase, Die Stadt des Mittelalters, Bd . 1 (= Wege der Forschung 243), Darmstadt 1969, S . 67–101 . ders., Die Entstehung der Westfälischen Städte (= Veröffentlichungen des Provinzialinstituts für Westfälische Landes- und Volksforschung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe . Reihe I, 11), Münster 41984 . Franz petri (Hrsg .), Bischofs- und Kathedralstädte in Mittelalter und der frühen Neuzeit (= Städteforschung A/l), Köln/ Wien 1976 . Hektor ammann, Wie groß war die mittelalterliche Stadt?, in: Studium Generale 9 (1956), S . 503–506 . 247 Zu den mittelalterlichen Grenzen Westfalens und zur Zugehörigkeit Paderborns vgl . klueting 1988, S . 9–21 .
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1 . Einführung
und Entwicklungszeiträume einer auf Seuchen bezogenen Institutionalisierung erkennen lassen . Der gewählte Untersuchungsraum dient somit als ein exemplarisches Beispiel aus einer Vielzahl weiterer geografischer Gebiete, die diesen Zweck gleichermaßen erfüllt hätten und deren Erforschung im Detail möglicherweise andere Ergebnisse zutage gefördert hätte . Der Untersuchungszeitraum wird von der Quellenlage bestimmt . Diese basiert maßgeblich auf der Existenz städtischer Organe, die Schriftzeugnisse in mehr oder weniger großem Umfang produzierten und darin unter anderem Eindrücke des städtischen Seuchengeschehen vermitteln . Unter Berücksichtigung hochmittelalterlicher Entwicklungen soweit möglich, liegt der Schwerpunkt der Betrachtung mithin auf der Zeitspanne zwischen dem Ausbruch des Schwarzen Todes um die Mitte des 14 . Jahrhunderts und – die klassische Epochengrenze des Mittelalters überschreitend – der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts . Die Ausdehnung in den Beginn der frühen Neuzeit hinein verfolgt das Ziel, die gut dokumentierten Reaktionen auf das Auftreten zweier „neuer“ Infektionskrankheiten, der sogenannten „Franzosenkrankheit“ und des Englischen Schweißes, für den angestrebten Vergleich von Verhaltensweisen nutzen zu können und gleichzeitig Einflüsse der Reformation auf einen möglicherweise gewandelten gesellschaftlichen Umgang mit Seuchen deutlich werden zu lassen . Ein solches Hinausgreifen über die Epochengrenze erschien auch deshalb legitim, weil die Faktoren, welche das epidemiologische Geschehen beeinflussen, im Untersuchungsraum bis in die Neuzeit hinein unverändert geblieben sind . Dennoch verbot sich eine Betrachtung der Verhältnisse über das 16 . Jahrhundert hinaus schon aus dem Grunde, dass die in der Folge immer dichter werdende Quellenflut eine differenzierte Auswertung in der von der Untersuchung beabsichtigten Weise, zumal für einen vergleichsweise großen Kreis von Städten, unmöglich macht . Hinzu kommt, dass sich auch das Seuchenspektrum im Laufe der Jahrhunderte weiter veränderte und neue Infektionskrankheiten auftraten, während andere, etwa die Lepra, allmählich aus der Region verschwanden . Eine Berücksichtigung all dieser Perspektiven ließe jede Untersuchung unweigerlich ins Unermessliche ausufern . Beachtung finden allerdings die vergleichsweise wenigen Hinweise auf ein Auftreten von Seuchen vor der Mitte des 14 . Jahrhunderts . Die Lepra beispielsweise war nachweislich bereits lange vor dem Schwarzen Tod in Westfalen und dem Rheinland präsent . Reaktionen und diesbezügliche institutionelle Entwicklungen setzten früher ein und können hinsichtlich ihrer Kontinuität und ihres Wandels nur dann treffend interpretiert werden, wenn sie von Beginn an verfolgt werden . Eingangs erscheint es zwingend erforderlich, die Möglichkeiten und Grenzen einer Interpretation von Seuchenbildern in mittelalterlichen Quellen auszuloten und mögliche Begrifflichkeiten zu klären . Das Ziel der Untersuchung, zeitspezifische Wahrnehmungen und Reaktionen auf verschiedene Seuchenphänomene differenziert darzustellen, erfordert die Einbeziehung eines breiten Quellenspektrums . Da sich das Auftreten von Seuchen in unterschiedlicher Weise auf alle Teile der Stadtbevölkerung auswirkt, schlägt es sich ebenso
1 .3 Aufgaben und Ziele der Untersuchung
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in einer Vielzahl unterschiedlicher Schriftzeugnisse nieder . Nur der geringere Teil derselben liegt in Editionen vor . Vor allem bis zum Ende des 14 . Jahrhunderts enthalten vornehmlich Annalen und Chroniken verstreute Mitteilungen über das Seuchengeschehen . Das Gros der Quellen besteht jedoch aus unedierten und bisweilen für die Erforschung der Seuchengeschichte noch gänzlich unberücksichtigten Dokumenten unterschiedlichster Natur . Nicht zuletzt aus diesem Grunde kann die vorliegende Untersuchung keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben . Es ist nicht ausgeschlossen, dass früher oder später weitere Befunde, etwa durch eine serielle Auswertung städtischer Rechnungsbücher oder Korrespondenz, die Erkenntnisse der vorliegenden Studie ergänzen oder in Frage stellen können . Entsprechend dem exemplarischen Charakter unserer Untersuchung richtet sich der Blick zunächst auf die Quellen . Die Erörterung der verschiedenen Quellentypen fokussiert deren Aussagecharakter zu seuchengeschichtlichen Fragestellungen . Sie vermag indes ebensowenig eine grundlegende Diskussion um einzelne Quellengattungen wie um deren spezielle Eigenarten zu liefern . Bevor sich die Untersuchung im weiteren mit der vergleichenden Betrachtung zeitspezifischer Reaktionen und institutioneller Ausprägungen zwischen Kontinuität und Wandel befasst, ist es unabdingbar, im Vorfeld einen kurzen Blick auf jene Faktoren zu werfen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem epidemiologischen Geschehen standen . Dies sind vor allem die hygienischen Verhältnisse wie die verschiedenen für den Untersuchungsraum relevanten Verbreitungsmechanismen . Die Behandlung dieser Voraussetzungen für eine Seuchenverbreitung und -bekämpfung reduziert ihren Blickwinkel ausschließlich auf die einschlägigen Fragestellungen der Untersuchung . Der Kern der Studie ist in chronologischer Folge dem vergleichenden Blick auf die Wirkung unterschiedlicher Seuchen und das damit verbundene Reaktionsspektrum in westfälischen und niederrheinischen Städten vorbehalten .
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Seuchen als Gegenstand mittelalterlichfrühneuzeitlicher Quellen am Beispiel westfälischer und niederrheinischer Städte 2. Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
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De grote doit, groet sterff, pestilencia – Möglichkeiten und Grenzen der Interpretation von Seuchenbildern in mittelalterlich-frühneuzeitlichen Schriftzeugnissen 2 .1 De grote doit, groet sterff, pestilencia Es sei keineswegs ausgemacht, so formulierte David Herlihy schon 1997 treffend, dass heute zu beobachtende Infektionskrankheiten noch immer die gleichen seien, die einstmals unsere Vorfahren plagten .1 Dass die Erreger während der vergangenen Jahrhunderte eine Evolution durchlaufen haben, ist insbesondere durch die jüngsten Erkenntnisse der Archäogenetik inzwischen unstrittig . Retrospektive Diagnosen auf der alleinigen Grundlage zeitgenössischer Schriftquellen sind unmöglich, da sich das Erscheinungsbild und die Vehemenz von Infektionskrankheiten im Laufe der Zeit mehr oder weniger veränderten .2 Wie vergleichsweise schnell wandelbar vor allem manche Viren sein können, zeigt besonders deutlich die in hiesigen Breitengraden allwinterlich in neuer Gestalt auftretende Grippe .3 Auch erstmalig in einer Population auftretende Infektionskrankheiten, sogenannte virgin population epidemics, wirken wie etwa das Beispiel der sogenannten „Franzosenkrankheit“ demonstriert, zunächst verheerender als in der Folgezeit .4 Jeder Versuch einer retrospektiven Diagnose, noch dazu unter anachronistischer Rückprojizierung moderner medizinischer Erkenntnisse auf Befunde in historischen Schriftzeugnissen, stellt ein höchst fragwürdiges Unterfangen dar .5 Geradezu unzulässig ist das damit verbundene Bemühen, Krankheitsbeschreibungen in mittelalterlichen Quellen durch die Verurteilung der – gemessen an heute gültigen naturwissenschaftlichen Maßstäben vermeintlich ungenauen – Sichtweise ihrer zeitgenössischen Verfasser dennoch in die Schablone gegenwärtig bekannter Infektionskrankheiten zwängen zu wollen . Diese Feststellung hat vor allem Karl-
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HerliHy (1997), S . 28 . stolBerg (2012) . Karl-Heinz leven, Krankheiten – historische Deutung versus retrospektive Diagnose, in: Hrsg . Norbert paul / Thomas scHlicH, Medizingeschichte: Aufgaben, Probleme, Perspektiven, Frankfurt/New York 1998, S . 171 . ders. (1997), S . 14 . Bergdolt (2017), S . 19 . ruFFié/sournia (1992), S . 12 ff . Eine Übersicht der seit 1973 entdeckten Infektionserreger und Krankheiten bei kistemann/exner (2000), S . 252 . spencker (1999), S .l 17 ff . leven (1997), S . 14 f . leven (1998), S . 171 u . S . 179 ff . Leven zeigt gleichzeitig die Grenzen der Aussagekraft paläopathologischer Erkenntnisse für die Medizingeschichte auf (S . 175 ff .) . Eine weniger kritische Beurteilung unter Einbeziehung der Paläopathologie bei Jean-Charles sournia, Discipline du diagnostic rétrospectif in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 57–64 .
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Heinz Leven anhand der Diskussion verschiedener Fallbeispiele aus unterschiedlichen Epochen nachhaltig untermauert .6 Bleibt die stets anfechtbare retrospektive Diagnose denkbar ungeeignet, um vormoderne Seuchen und die von ihnen bewirkten Geschehnissen zu erklären, so bietet eine historische Deutung, die zeitspezifische Denkmuster berücksichtigt, Möglichkeiten, sich Krankheitsphänomenen der Vergangenheit sowie den von ihnen ausgelösten Reaktionen zu nähern . Sofern mittelalterliche und frühneuzeitliche Quellen überhaupt Angaben zur Nosologie machen, orientieren sich diese ebenso wie Ausführungen zur Ätiologie zwangsläufig an Erklärungsmodellen, die durch zeitgenössisches Verständnis geprägt waren . In diesen Schemata waren auch die Ärzte verhaftet, von denen sich naturgemäß die genaueste Beschreibung einer Krankheit und ihrer Symptome erwarten ließe . Bis weit über das Mittelalter hinaus richteten sie ihr Wirken nicht nur in westfälischen und niederrheinischen Städten an den humoralpathologischen Lehren Galens, angereichert durch die Errungenschaften der Scholastik, sowie der festen Überzeugung göttlicher Einflußnahme auf Krankheit und Gesundheit aus .7 Das medizinische Fachschrifttum folgte der Intention, Krankheiterscheinungen in dieses Schema einzuordnen . In entsprechender Weise sind Angaben zur Nosologie und Ätiologie gestaltet . So schließt beispielsweise noch der 1607 verfasste kurze Bericht wie sich ieder Mensch in jetzt schwebenden Sterbensleufften gegen die gifftige Pestilentz verwahren und so er damit angegriffen widerumb curieren solle des Soester Stadtarztes Johann Kattenbusch wie selbstverständlich mit den bezeichnenden Worten: Medicin hilffet wann Gott es will, wan nicht da ist des Todes viel.8 Der Blick auf einige Beispiele soll exemplarisch veranschaulichen, mit welchen Begrifflichkeiten zur Bezeichnung von Seuchen in Rheinland-Westfalen entstandene Schriftzeugnisse operieren, inwieweit sich diese Bezeichnungen von der Mitte des 14 . bis zur zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts wandelten und welche Möglichkeiten für eine historische Deutung sich hieraus ergeben .9 Der Liber de rebus 6
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leven (1998), S . 166–175 . Vgl . auch Alfons laBiscH, Zusammenfassende Thesen, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 409 f ., der deutlich auf die Problematik des „Vertrauensbereichs der sog . Palaio-Diagnostik / retrospektiven Diagnostik“ hinweist und betont: „Den sozialen Akteuren der Vergangenheit wird eine dem aktuellen Erkenntnisstand gleichende Rationalität in der Reaktion auf Krankheit unterstellt .“ Einen Überblick über die Entwicklung medizinischer Konzeptionen von der Antike bis ins Spätmittelalter liefern die Beiträge in Mirko Drazen grmek, Die Geschichte des medizinischen Denkens . Antike und Mittelalter, München 1996 . In diesem Band insbesondere Danielle JacQuart, Die scholastische Medizin, S . 216–259 . Weiterführend ebenfalls Gerhard Baader / Gundolf keil (Hrsg .), Medizin im mittelalterlichen Abendland, Dannstadt 1982 . Vgl . auch Vito Fumagalli, Wenn der Himmel sich verdunkelt, Lebensgefühl im Mittelalter, Berlin 21999, S . 44 f . Stadtarchiv Soest, Sz 1 kat 1 Rara . 14seitiger Druck, Soest 1607 . Zur terminologischen Entwicklung vgl . auch Antoinette stettler, Der ärztliche Pestbegriff in historischer Sicht, in: Gesnerus 36 (1979), S . 127–139 . Ferner Stephen R . ell, Plague and Leprosy . Medieval Accounts in the light of modern medical knowledge, in: Fifteenth Century Studies 5 (1982), S . 17–22 .
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memorabilioribus sive Chronicon des Heinrich von Herford (vor 1326–1370) nimmt mehrfach Bezug auf den Schwarzen Tod, dessen verheerende Wirkung und albtraumhafte Begleiterscheinungen, welche der westfälische Dominikaner als Augenzeuge erlebte .10 In seiner Schilderung, in deren Rahmen er weitverbreitete Erlärungsmodelle für die Ursachen des Massensterbens eingehender erörtert und gegen das landläufige Gerücht der Brunnenvergiftung durch Juden11 Stellung bezieht,12 verwendet er wortgewandt ein breites Begriffsspektrum zur Bezeichnung der Seuche . Mehrfach wird dabei auf die Beobachtung verwiesen, dass sich die Krankheit von einem auf den anderen übertrug . So erzählt der Dominikaner vom Schicksal zweier Fischer, die ihren Fang zum Verkauf anbieten wollten und daher Lugdunum subintrabant, et continuo vicus quietis eorum inficiebatur, et a minimo usque ad maximum, a puero usque ad senem decrepitum, viri et mulieres, simul omnes, illorum duorum pestifera contagione morientes, sic quod nec unus superfuit, perdebantur.13 An anderer Stelle wird ebenso wie in italienischen Berichten hervorgehoben,14 dass Frauen ihre Männer, Töchter ihre Mütter und Väter ihre Söhne contagionis timore zurückließen .15 Im Sprachgebrauch des spätmittelalterlichen Chronisten besitzen die Worte infectio und contagio, so gilt es zu unterstreichen, allerdings nicht die gleiche Bedeutung wie in der durch die Erkenntnisse der Mikrobiologie bestimmten Infektionslehre des ausgehenden 20 . Jahrhunderts .16 Sie verweisen vielmehr auf humoralpathologische Vorstellungen, wonach die Hitze der Krankheit im Erkrankten gewissermaßen entflammt . Besonders deutlich tritt dieser Gedanke durch die Verwendung des Begriffe ignis epydimalis zutage .17 Dreimal greift Heinrich von Herford auf den im Rahmen des Corpus Hippocraticum zur Bezeichnung der Verbreitung von Krankheiten unter der Bevölkerung benutzten Terminus epy10 11
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Liber de rebus memorabilioribus sive Chronicon Henrici de Hervordia (bis 1355), Hrsg . August pottHast, Göttingen 1859, S . 273 f ., S . 277, S . 280–282, S . 284 f . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 280: Item hoc anno Judei per Theutoniam pluresque provincias alias universi cum mulieribus et parvulis ferro vel igne crudeliter et inhumaniter absumuntur. Aut propter divitias eorum copiossimas, quas plerique et nobiles et alii pauperes et indigentes vel etiam eorum debitores usurpare querebant; quod verum esse credo […]. Aut propter aquariam invenenationes per eos, ut asserunt quam plurimi, et fama communis est, nequiter et malitiose factas ubique terranam; quod verum non esse credo, quamvis illi fame fidem preberet pestilentia, que tunc in mundo sevissime […] grassaretur. Eine ebenso umfassende wie gründliche Interpretation der Haltung Heinrichs von Herford bietet mitsamt Erläuterung zu dessen Quellen Klaus Peter scHumann, Heinrich von Herford . Enzyklopädische Gelehrsamkeit und universalhistorische Konzeption im Dienste dominikanischer Selbstbedürfnisse (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XLIV; Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte 4), Münster 1996, S . 184–208 . Vgl . auch Eugen HillenBrand, Heinrich von Herford, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters . Verfasserlexikon, Bd . 3, Berlin/New York 1981, Sp .745–749 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 274 . Vgl . hierzu auch S . 280 . Bergdolt (2017), S . 43 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 274 . leven (1997), S . 21 . Lawrence conrad / Dominik WuJastyk, Contagion . Perspectives from Pre-Modern Societies, Aldershot 2000 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 274 .
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dimia zurück .18 Des weiteren bezeichnet er den Schwarzen Tod als lues19, pestilentia (gravissima)20 oder pestis .21 Nehmen die Darstellung des Massensterbens, der Judenpogrome und des Geißlerzuges in all ihrer bedrückenden Plastizität einen breiten Raum ein, widmet sich der Chronist den Symptomen der verheerend wütenden Krankheit in nur wenigen Sätzen . In der Leistengegend und an anderen empfindlichen Stellen, so heißt es dort, seien die Drüsen angeschwollen wie eine Nuss oder Dattel . Darauf folgte sofort ein unerträgliches Fieber, das die Erkrankten innerhalb dreier Tage dahingerafft habe . Wer aber den dritten Tag überstand, konnte auf Genesung hoffen .22 Ausmaß und vehemente Wirkung der Krankheit werden deutlich hervorgehoben: epydimia tam ingens, atrox et seva violenter.23 Ein sehr viel fragmentarischeres Bild bietet die Chronik des Florenz von Wevelinghoven . Der spätere Bischof von Münster (1364–1378) war ebenfalls als Augenzeuge mit dem Schwarzen Tod konfrontiert . Dazu heißt es in seinem Werk: Anno domini m.ccc.l. viguit in universo mundo mortalitas hominum permaxima sucessive, que epydemia vocabatur, ita quod vix unus homo alium sufficiebat sepelire.24 An anderer Stelle greift der Chronist auf den ebenfalls von Heinrich von Herford verwendeten Begriff pestilentia zur Bezeichnung des Schwarzen Todes zurück . Nirgends aber finden sich Anmerkungen zum Erscheinungsbild der Seuche . Der Verfasser einer während der ersten Hälfte des 15 . Jahrhunderts vorgenommenen niederdeutschen Bearbeitung der Bischofschronik des Florenz von Wevelinghoven, der die Ereignisse bis zum Tode Bischof Ottos IV . von Hoya (1392–1424) weiterführte, übersetzte in seiner Version die mortalitas hominum permaxima der lateinischen Vorlage als alto groet sterven.25 Er schmückte die Ausführungen seines Vorgängers durch die Bemerkung aus, dass Niemand bis zum Tode eines Erkrankten in dessen Nähe bleiben konnte umme unvledichkeit der sukede und verwies damit deutlich auf eine Ansteckungsgefahr . Unverkennbar ist sowohl in der Chronik des Florenz von Wevelinghoven als auch in ihrer späteren Bearbeitung die Nähe zum Text
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Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 273, S . 274 u . S . 284 . In den Epidemien des Hippokrates findet allerdings trotz der Deutlichkeit der geschilderten Fälle das Anstekkungskonzept keine ausdrückliche Erwähnung . Hierzu leven (1997), S . 21 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 273 u . S . 274 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 277, S . 280, S . 284, S . 285 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 285 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 274: Ceperuntque nasci in inguinibus hominum vel in aliis locis delicatoribus glandule in modum nucis vel dactili. Quas mox subsequebatur febrium intollerabilis estus, ita ut in triduo homo extingueretur. Sin vero aliquis triduum transgisset, habebat spem vivendi. Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 273 . Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters (Hrsg . Julius Ficker), Münster 1851, S . 49 . Chronik der Bischöfe von Münster von der Stiftung des Bistums bis auf den Tod des Bischofs Otto von Hoya, Hrsg . Julius Ficker, in: Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 131 .
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Heinrichs von Herford .26 Dessen Weltchronik diente zahlreichen Historiografen als wichtige Quelle für ihre Kompilationen,27 welche sich in ihrer Beschreibung des Schwarzen Todes daher kaum von ihrer Vorlage abheben . Allerdings straffen sie Heinrichs Berichts mitunter erheblich und verzichten dabei auf eine Wiedergabe der geschilderten Symptome . Der spätere Bearbeiter der münsterischen Bischofschronik setzte die sukede der epydimia gleich und verwendete diesen Terminus im Rahmen seines Werkes ausschließlich in Bezug auf das Krankheitsgeschehen des Jahres 1350 .28 Um die vehemente Wirkung der Seuche hervorzuheben, ergänzte er die Darstellung des Florenz von Wevelinghoven um die vermeintlichen münsterischen Opferzahlen und unterstrich die noch immer wache Erinnerung an das Massensterben: Und in Monster storven by xi. dusent menschen und het noch mande den luden de groete doet. Solche Angaben zur demografischen Wirkung des Seuchengeschehens,29 die in mittelalterlichen Schriftzeugnissen häufig anzutreffen sind, greifen bekanntlich schon in Anbetracht der für die jeweiligen Städte geschätzten Einwohnerzahlen in aller Regel viel zu hoch . Dies wird umso deutlicher, wenn zudem innerhalb eines Zeitrahmens, der in keinem Fall zum Ausgleich des vorgeblichen Bevölkerungsverlustes ausgereicht hätte, erneut von einem seuchenbedingten Sterben mit Tausenden von Opfern die Rede ist . Die bis zum Tode Ottos IV . von Hoya reichende Bischofschronik berichtet beispielsweise schon für die Amtszeit Bischof Heidenreich Wolf von Lüdinghausens (1381– 1392) abermals von einem Seuchenausbruch, der in Münster mehr als 8000 Menschenleben gekostet haben soll .30 Derartige Nennungen erfüllen abhängig von der Natur der Quelle, in der sie auftauchen, höchst unterschiedliche Zwecke . Während sie innerhalb chronikalischer Aufzeichnungen vor allem als Stilmittel zur Ausmalung des durch göttliche Strafe bewirkten Geschehens dienten, konnten sie sich politischen Erwägungen folgend – wie etwa ein Bremer Beispiel zeigt31 – gelegentlich auch innerhalb des Ratsschriftgutes niederschlagen . 26 Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 273 f . schildert bereits das bei Florenz von Wevelinghoven (S . 49) und dem späteren Bearbeiter (S . 131) aufgegriffene Verlassen der Angehörigen wie die Schwierigkeit, die unzähligen Toten zu bestatten . 27 scHumann (1996), S . 209–234 . 28 Wann immer der Chronist sonst eine krankheitsbedingt höhere Morbidität in Münster schildert, bezeichnet er diese als groet stervynge oder pestilencie. Chronik der Bischöfe von Münster von der Stiftung des Bistums bis auf den Tod des Bischofs Otto von Hoya, Hrsg . Julius Ficker, in: Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 102, S . 143, S . 153 . 29 Einer auf Geheiss Papst Clemens’ VI . durchgeführten Ermittlung zufolge forderte der Schwarze Tod angeblich 42 836 486 Opfer . Hierzu Bulst (1979), S . 52 . 30 Chronik der Bischöfe von Münster von der Stiftung des Bistums bis auf den Tod des Bischofs Otto von Hoya (1851), S . 143 . 31 Klaus scHWarZ, Die Pest in Bremen . Epidemien und freier Handel in einer deutschen Hafenstadt 1350–1713 (= Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen 60), Bremen 1996, S . 100–108 weist schlüssig nach, dass die Zahl von 6966 Seuchenopfern, jeweils nach Kirchspielen aufgeschlüsselt, die das erste zwischen 1289 und 1519 geführte Bremer Bürgerbuch für das Jahr 1351 [sic!] nennt, von späterer Hand nach-
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Ein Hinweis auf das Erscheinungsbild des Schwarzen Todes findet sich in den Kölner Annalen . In einer niederdeutschen Fassung heißt es hierzu: In den jaren uns heren 1350 […] was ouch eine grose sterfde an den drosen.32 Beschrieben wird mit dieser kurzen Bemerkung die auch durch Heinrich von Herford mitgeteilte Veränderung der Lymphknoten als auffälliges Merkmal der Krankheit . Doch selbst wenn unschwer Parallelen zu einem charakteristischen Symptom der Beulenpest in ihrer heute bekannten Form zu erkennen sind, reichen Schriftzeugnisse allein keineswegs aus, um ein Seuchenphänomen des 14 . Jahrhunderts mit dieser für identisch zu erklären . Unter Zusammenführung aller Details deckt sich die Darstellung des Schwarzen Todes in Rheinland-Westfalen durch Augenzeugen oder spätere Chronisten nicht mit dem Bild der gegenwärtig mit dem Namen Pest bezeichneten Infektionskrankheit und ihrem Symptomkomplex . Keiner der Autoren erwähnt etwa Unterhautblutungen oder andere für das heutige Krankheitsbild der Pest signifikante Erscheinungen, beispielsweise ein Bluthusten beim Auftreten der Lungenpest .33 Ebenso nennt keine der westfälischen oder rheinischen Quellen eine der Epidemie vorausgehende Epizootie, welche in der Infektionskette der heutigen Beulenpest eine wesentliche Rolle spielt .34 Ein massenhaftes Rattensterben wäre aber kaum allerorts unbemerkt geblieben . Dem Einwand, das grauenhafte Wüten unter den Menschen hätte die Zeitgenossen zu sehr beschäftigt, als dass sie ihr Augenmerk auf tote Nagetiere richteten, lässt sich entgegenhalten, dass – wie nicht zuletzt das sogenannte Pariser Pestgutachten zeigt35 – fieberhaft nach einer Erklärung für das unbegreifliche Phänomen des Schwarzen Todes gesucht wurde . Heinrich von Herford, aber auch andere Chronisten bemühten sich geradezu um eine Auflistung böser Vorzeichen auf den vermeintlich drohenden Weltuntergang .36 Nach den Ausführungen des Dominikaners verkündeten die Geißler die Ankunft des Antichristen, die Sternenkonstellation verhieß Unheil, Verschwörung, Rebellion und Sittenverfall machten sich breit und monstra und fantasmata, etwa ein zweiköpfiges Schaf und ein Basilisk, wurden
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getragen wurden, um die hohen Geldforderungen Erzbischof Alberts II . im Mai 1366 mit Verweis auf einen möglichst glaubhaft wirkenden großen Menschenverlust und die dadurch bedingte desolate Lage der Stadt abzuwenden . Kölner Jahrbücher des 14 . und 15 . Jahrhunderts, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis 16 . Jahrhundert . Bd . 13, Chroniken der niederrheinischen Städte, Bd . 1: Cöln, Hrsg . Hermann cardauns, Leipzig 1876 [Neudruck: Göttingen 1968], S . 36 . Die vielzitierte Straßburger Chronik des Fritsche Closener führt genauer aus: Die lute do sturbent, die sturbent alle an buelen und an druesen die sich erhubent under den armen und obenan an den beinen, und wen die buelen ankoment, di do sterben solent, die stürben an dem vierden tage oder an dem dirten oder an dem andern, etliche sturbent ouch dez ersten tages … Chronik des Fritsche Closener, in: Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis 16 . Jahrhundert, Bd . 8 . Chroniken der Oberrheinischen Städte, Bd . 1: Straßburg, Hrsg . Carl Hegel, Leipzig 1870, S . 120 . Bergdolt (2017), S . 19 macht deutlich, dass die Bubonen- jederzeit in die Lungenpest übergehen kann! HerliHy (1997), S . 19 . Bergdolt (2017), S . 24 f . Ausführlich scHumann (1996), S . 184–208, besonders S . 197 ff .
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in verschiedenen Teilen des Reiches beobachtet .37 Ein großes Rattensterben hätte dieses Spektrum geradezu vortrefflich ergänzt . Die Frage nach einer dem Schwarzen Tod vorangehenden Epizootie in westfälischen und niederrheinischen Städten muss aber in Ermangelung entsprechender Belege letztlich ebenso offen bleiben wie die nach sämtlichen Symptomen der Krankheit oder nach der Rolle des unlängst als potentieller Überträger der Infektion nachgewiesenen Menschenflohs (pulex irritans). Die gleichen Probleme ergeben sich bezüglich der Darstellungen des Seuchengeschehens für die Jahrhunderte nach dem Schwarzen Tod . Massenerkrankungen mit offenbar hoher Todesrate werden in westfälischen wie rheinischen Schriftzeugnissen zumeist uniform mit Varianten der Begriffe pestilentia (pestis epidemia, pestilentie, pestelenz und weitere) oder groet sterff (de grote doit, dat grote stervent, groet stervynge, de gaie doit und weitere) belegt, die als Synonyme für verschiedene Infektionskrankheiten dienten . So vermerkt ein Soester Ratsprotokoll, zwischen Ostern und Allerheiligen des Jahres 1494 seien umbtrent 1450 menschen alt, meist doich der junghen an der pestilencie gestorben .38 Verwendung findet in diesem Rahmen auch die Bezeichnung suke. Der Dortmunder Gerichtsschreiber Dietrich Westhoff (gest . 1550) berichtet in seiner während der ersten Hälfte des 16 . Jahrhunderts entstandenen Stadtchronik, mehr als 2000 Menschen seien zwischen dem Monat März und dem Martinstag, dem 11 . November, des Jahres 1494 durch eine weldige und wegnemende pestilenz […] den weg alles vleis gangen und gestorven.39 Beide Schilderungen machen keinerlei Angaben zur Nosologie der Seuche . Ein exemplarischer Blick auf Zeugnisse des 16 . Jahrhunderts zeigt, dass die verwendeten Begrifflichkeiten weitgehend statisch bleiben . In Dortmund, so berichtet die Chronik des Dietrich Westhoff für das Jahr 1513, sei ein groet sterven an pestilenz gewesen, das schnell um sich gegriffen und rund 1500 Opfer allein in zwei Straßen gefordert habe .40 Der Mindener Ratsherr Heinrich Piel (1517–1580) schreibt in seinem Chronicon Domesticum et Gentile, 1519 sei eine
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Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 277 u . S . 282–284 . Basilisken, die Legenden zufolge von Schlangen oder in der Wärme eines Misthaufens aus dem Ei eines alten Hahnes ausgebrütet werden und die beim Anblick ihres eigenen grauenhaften Spiegelbildes zu Stein erstarren, hausen in tiefen Brunnen, die sie mit ihrem Hauch vergiften können . Vor dem Hintergrund der im Umfeld des Schwarzen Todes kursierenden Brunnenvergiftungstheorie scheint dieses Motiv keinesfalls zufällig gewählt zu sein . Vgl . hierzu Ulrike müller-kaspar (Hrsg .), Handbuch des Aberglaubens, Bd . 1, Wien 1999, S . 93 . 38 Auszüge aus den Soester Stadtbüchern, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis 16 . Jahrhundert, Bd . 24, Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd . 3: Soest und Duisburg, Hrsg . Theodor ilgen, Leipzig 1895 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 85 . 39 Chronik des Dietrich Westhoff von 750–1550, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis 16 . Jahrhundert, Bd . 20, Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd . 1: Dortmund und Neuß, Hrsg . Joseph Hansen, Leipzig 1887 [Neudruck: Göttingen 1968], S . 361 . 40 Chronik des Dietrich Westhoff (1968), S . 397 .
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große pest in der arne gefolget, daß viele gute leute darinne gesturben.41 Wiederum enthält keiner der Berichte Aussagen über das Erscheinungsbild der Krankheit . Piel, der den Ausbruch einer Seuche 1578 in seiner Heimatstadt an der Weser erlebte, widmet sich eingehend den durch das Sterben hervorgerufenen innerstädtischen Problemen .42 Auf die Symptome der geferlichen suche oder peste, deren Übertragbarkeit er anhand von Beispielen unterstreicht, verwendet er jedoch keine Zeile . Die Uniformität der Seuchendarstellungen in Annalen, Chroniken und selbst dem Ratsschriftgut wie auch das weitgehende Fehlen von Angaben zur Nosologie resultieren aus der jeweiligen Intention solcher Quellen, für die aus unterschiedlichen Gründen eine medizinisch genaue Beschreibung unerheblich war . Unterscheiden konnten die Zeitgenossen verschiedene Infektionskrankheiten und das Ausmaß der von ihnen ausgehenden Gesundheitsgefahrdung jedoch durchaus, wie beispielsweise die Stiftungsurkunden der vier zwischen 1475 und 1573 in Münster eingerichteten Pesthäuser belegen, der sogenannten Elenden . In der am 4 . Oktober 1529 ausgestellten Fundationsurkunde der Lamberti-Elende wird das Haus mehrfach ausdrücklich zur Aufnahme mit der pestilentzien unnd andre beclyuende suyke Befallener bestimmt .43 Die pestilentz wird hier deutlich von anderen als Infektionskrankheiten eingestuften Phänomenen unterschieden . Der formaljuristische Charakter des Dokuments, der ein bezeichnendes Licht auf die zeitgenössische Wahrnehmung von Krankheitserscheinungen wirft, erforderte offenbar eine solche Spezifizierung, um den Kreis der im Bedarfsfall in der Einrichtung Aufzunehmenden eindeutig festzuschreiben . Bleibt die Darstellungsweise von Seuchenszenarien, die sich nach dem Schwarzen Tod offenbar in immer ähnlicher Weise wiederholten, in erzählenden Quellen weitgehend undifferenziert, so werden „neue“ Krankheitsphänomene aus dem Kreis der bereits lange bekannten Erscheinungen als Besonderheiten deutlich herausgehoben . Die Franzosen krenckde oder Sent Jobs krenkde, die sich am Ende des 15 . Jahrhunderts auch in Westfalen und dem Rheinland verbreitete,44 sowie der Englische Schweiß45 des Jahres 1529 lassen sich weniger aufgrund von Angaben zu ihrer Nosologie, denn vor allem aufgrund der in den Schriftzeugnissen zu ihrer Bezeichnung verwendeten Begriffe von all den übrigen pestilenzien unterscheiden . Eine Ausnahmestellung nehmen ferner die gemäß spätmittelalterlicher Wahrnehmung unter dem Begriff „Lepra“ gefassten Krankheitserscheinungen ein . Die Lepra war in Anlehnung an die Hei41 42 43 44
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Das Chronicon Domesticum et Gentile des Heinrich Piel, Hrsg . Martin Krieg (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XIII; Geschichtsquellen des Fürstentums Minden 4), Münster 1981, S . 102 . Chronicon Domesticum et Gentile (1981), S . 193–195 . Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Elende Lamberti, Urkunden Nr . 1 . Chronik des Dietrich Westhoff (1968), S . 362 . Cronica van der hilliger stat von Coellen bis 1499, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 14, Die Chroniken der niederrheinischen Städte, Bd . 3: Cöln, Hrsg . Hermann cardauns, Leipzig 1877 [Neudruck: Göttingen 1968], S . 900 . Z. B. Chronicon Domesticum et Gentile (1981), S . 108 f .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
lige Schrift mit einer komplexen Symbolik verknüpft .46 Erkrankungen, welche die Zeitgenossen als Lepra wahrnahmen, wurden nie unter der Bezeichnung pestilentia subsumiert, sondern zeitigten ihrerseits die Entstehung einer eigenen Terminologie .47 Die in lateinischer Sprache ausgestellten Urkunden des 13 . und 14 . Jahrhunderts verwendeten in Westfalen wie auch im Rheinland zur Benennung der Krankheit und der von ihr Befallenen ausschließlich die Termini lepra sowie leprosi.48 Bisweilen, so in einem am 1 . August 1325 ausgestellten Indulgenzbrief Bischof Gottfrieds von Osnabrück, der allen Wohltätern des Leprosoriums vor den Mauern von Minden einen vierzigtägigen Ablass zusicherte, ist auch von contagio lepre die Rede .49 Hingegen taucht die Bezeichnung elephantiasis, die sich schon im 12 . Jahrhundert bei der sehr genauen Beschreibung der Erkrankung König Balduins IV . von Jerusalem (1161–1185) durch den Chronisten Wilhelm von Tyrus (um 1130–1186) findet, in westfälischen und niedrrheinischen Quellen erst unter dem Einfluss des Humanismus vereinzelt auf;50 so in der erst nach der Mitte des 17 . Jahrhunderts entstandenen Aachener Chronik des Jesuiten Heinrich von Thenen (1607–1696) .51 46 Jürgen Belker, Aussätzige . „Tückischer Feind“ und „Armer Lazarus“, in: Hrsg . BerndUlrich Hergemöller, Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, Warendorf 21994, S . 253–283 . Saul Nathaniel Brody, The Disease of the Soul . Leprosy in Medieval Literature, Ithaca/London 1974 . Nicole Bériou / François-Olivier touati, Voluntate Dei leprosus . Les lépreux entre conversion et exclusion aux XIIe et XIIIe siècles (= Testi, Studi, Strumenti 4), Spoleto 1991 widmet sich der Lepra als Gegenstand religiösen Schrifttums und Predigten . 47 kästner (1999), S . 90 ff . leven (1998), S . 176 f . Jütte (1995), S . 32 . koelBing/stettlerscHär (1972), S . 34–54 . Ortrun riHä, Subjektivität und Objektivität, Semiotik und Diagnostik . Eine Annäherung an den mittelalterlichen Krankheitsbegriff, in: Sudhoffs Archiv 80 (1996), S . 123–149 . Vgl . in diesem Zusammenhang auch Renate Wittern, Die Lepra aus der Sicht des Arztes am Beginn der Neuzeit, in: Hrsg . Jörn Henning WolF, AussatzLepra-Hansen-Krankheit . Ein Menschheitsproblem im Wandel, Bd . 2 (= Kataloge des Deutschen Medizinhistorischen Museums, Beihefte 1), Würzburg 1986, S . 41–50 . 48 Aus der langen Liste möglicher Beispiele sei exemplarisch verwiesen auf Urkunden-Regesten der Soester Wohlfahrtsanstalten, Hrsg . Friedrich von klocke, Bd . 3, Münster/ Soest 1953, Nr . 414–417 . DUB, Nr . 114 . MUB 1/1, Nr . 83, Nr . 89 . Aachener Urkunden 1102–1250 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde LVIII), Bonn 1972, Nr . 102 u . Nr . 111 . 49 Die Urkunden des Bistums Minden 1301/1325 (=WUB X), bearbeitet von Robert krumBHoltZ, 2 ., verbesserte und ergänzte Auflage von Joseph prinZ, Münster 1977, Nr . 981 . 50 Wilhelmi Tyrensis Archiepiscopi Chronicon, Hrsg . Robert B . C . Huygens (= Corpus Christianorum Continuatio Medievalis LXIIIA), Tournhout 1986, S . 961: … cum ad pubertatis annos cepit ex surgere morbo elephantioso visus est. Der Erzbischof von Tyrus beschreibt den Krankheitsverlauf Balduins mit ungewöhnlicher Plastizität . Hierzu Piers D . mitcHell, Leprosy and the Case of King Baldwin IV . of Jerusalem: Mycobacterial Disease in the Crusader States of the 12th and 13th Centuries, in: Journal of Leprosy (1993), S . 283– 291 . ders., An Evaluation of the Leprosy of King Baldwin IV of Jerusalem in the Context of the Medieval World, in: Hrsg . Bernard Hamilton, The Leper King and his Heirs . Baldwin IV and the Crusader Kingdom of Jerusalem, Cambridge 2000, S . 245–258 . 51 Stadtarchiv Aachen, Handschriften 16, Chronik des Jesuiten Heinrich von Thenen, fol . 200r .
2 .1 De grote doit, groet sterff, pestilencia
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Ebenfalls aus dem 17 . Jahrhundert stammt ein Beleg für die Verwendung des Terminus elephantia(sis) an der Peripherie des untersuchten Raumes . Der im Dezember 1692 von den Doctores der Medizin Loouis und de Reumer unterzeichnete Bericht aus dem Lütticher Leprosorium Mont Cornillon erwähnt zur Lepraschauuntersuchung eines gewissen de Renaud, dass der Untersuchte atteinte de la Maladie appellée […] Elephanthiasis gewesen sei .52 Relevanz besitzt dieser Beleg vor dem Hintergrund, dass Lepraverdächtige aus Aachen aufgrund der Zugehörigkeit der Stadt zum Bistum Lüttich zur sogenannten „Probe“ vor allem zum dortigen Leprosenhaus Mont Cornillion gesandt wurden .53 Im Gegensatz dazu weisen zwischen dem 14 . und 16 . Jahrhundert in deutschen Sprachformen abgefasste Schriftzeugnisse einen größeren Variantenreichtum an Begriffen auf . So heißt es beispielsweise in einer um 1400 vom Soester Rat für das Leprosorium auf der Marbecke verfügten Ordnung, wer durch göttliches Verhängnis mit der malatzer zucht bevangen sei, solle sich in das Haus begeben und dort mit den anderen Kranken bleiben .54 Melaten, malatzer zucht, malatschaft und ähnliche Begriffe zur Bezeichnung der Lepra sind Derivate des altfranzösischen mal ladre (Krankheit des Lazarus) oder malade (krank) .55 Häufig verwendet wurden ferner der klassische Terminus Aussatz56 und seine Varianten wie außsetzigkeit57 oder uißsatz.58 In münsterischen Quellen findet das Leprosorium mit Bezug auf seine Bewohnerinnen und Bewohner seit Beginn seiner Existenz im 14 . Jahrhundert stets als kynderhus Erwähnung .59 Die Bezeichnung Leprakranker als seykenkinder erscheint während des 16 . Jahrhunderts auch in einem Dokument aus Soest . In ihr spiegelt sich die Vorstellung von der Gotteskindschaft aller Menschen wider,60 von der auch die auf besondere Weise gezeichneten Leprakranken nicht ausgeschlossen sein sollten .61 Zur Nosologie der mit so vielfältigen Namen belegten mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Lepra macht in der Regel keines der Schrift52 53 54 55 56 57 58 59 60 61
Liège, Archives de l’État, Archives de l’Hôpital de Cornillon N° 69 . mummenHoFF (1954/55), S . 24 f . klocke (1953), Nr . 424 . murken (1992), S . 54 . kästner (1999), S . 90 f . Beispielsweise Stadtarchiv Soest, A HS 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 109 . Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 105 . Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 106 . MUB 1/1, Nr . 83 . Mt 5,9 . 45; Joh 1,2; Röm 8,15 f .; Gal 3,26; Gal 4,5 f . Eph 1,5; Tit 3,7; 1 Petr 3,22; 1 Joh 3,1 . Zum Begriff Kynderhus vgl . deiHleFFs (1992), S . 14 . klötZer (1997), S . 84 . Die Bezeichnung als „arme Kinder Gottes“ oder „Siekenkinder“ findet sich auch andernorts, so in Trier und in Göttingen, wo alle Insassen eines Spitals „Kinder“ genannt wurden Hierzu Elke Weingärtner, Das Medizinal- und Fürsorgewesen der Stadt Trier im Mittelalter und der frühen Neuzeit, Phil . Diss ., Trier 1981, S . 77 . Walter kronsHage, Die Bevölkerung Göttingens . Ein demographischer Beitrag zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 14 . bis zum 17 . Jahrhundert (= Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen 1), Göttingen 1960, S . 109 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
stücke nähere Angaben . Eine Ausnahme bilden in diesem Zusammenhang die seit dem ausgehenden 15 . Jahrhundert teilweise erhaltenen Protokolle von Lepraschauuntersuchungen der Kölner Medizinischen Fakultät, in welchen die Befunde der Ärzte detailliert festgehalten wurden .62 Doch nicht nur solche in Rheinland-Westfalen seltenen Zeugnisse medizinischer Sichtweisen, die in Lepraschauprotokollen und dem Fachschrifttum zum Ausdruck gelangen, erlauben eine Annäherung an zeitspezifische Krankheitswahrnehmungen . Anhand der vorangegangenen Beispiele ist deutlich geworden, dass die Seuchenbilder in mittelalterlichen Quellen ermöglichen, Einschätzungen bestimmter Krankheitserscheinungen durch die Zeitgenossen zumindest in begrenztem Rahmen nachzuvollziehen . Wie rasch oder langsam eine Seuche sich ausbreitete, ob und in welcher Weise sie für übertragbar gehalten wurde, wie man ihre Ursachen zu erklären versuchte und welches Ausmaß sie nach den Vorstellungen der Verfasser mittelalterlich-frühneuzeitlicher Schriftzeugnisse im Vergleich zu vorangegangenen oder nachfolgenden Epidemien annahm, wird in vielen Quellen offenkundig . Alle Reaktionen auf eine Seuche sind unmittelbar an solche zeitgenössischen Auffassungen gebunden und nur aus diesen heraus erklärbar . Daraus ergibt sich für jegliche geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Seuchengeschehen der Vergangenheit zugleich die zwingende Notwendigkeit, anhand der Quellenbefunde kritische Rechenschaft über Natur und Wirkung der behandelten Krankheitsphänomene abzulegen . Nicht jede der unter dem Begriff pestilentia zusammengefassten Seuchen, so geht eindeutig aus der Überlieferung hervor, wirkte auf dieselbe Art und im gleichen Umfang verheerend . Während die Vehemenz der einen pestilentia den städtischen Alltag mit weitreichenden Folgen für die auswärtigen Beziehungen grundlegend beeinträchtigen konnte, beeinflusste die vergleichsweise schwache Wirkung einer anderen das Lokalgeschehen möglicherweise nur in sehr begrenztem Maße . Geradezu ein Paradebeispiel für letzteren Fall liefert die Krönung Karls V . am 23 . Oktober 1520 in Aachen .63 In der traditionsreichen Krönungsstadt herrschte zur gleichen Zeit eine Seuche, die jedoch, wie Vertreter Aachens dem in Löwen weilenden Habsburger überzeugend vermittelten, nur schwach wirke, so dass kein Grund zur Verlegung der Feierlichkeiten nach Köln bestehe .64 Weniger spektakulär, aber dennoch deutlich belegen auch andere Beispiele die Präsenz solch pestilenzialischer Krankheiten, die sich aufgrund einer offenbar nur beschränkten Ausbreitung kaum auf das öffentliche Leben in der betroffenen Stadt niederschlugen und in der lokalen Überlieferung daher kaum Spuren hinterlassen haben . So erscheinen etwa in einem Rechnungsbuch der münsterischen Speckpfründe Lamberti für 1537 Zuwendungen an eine arme Frau, die die 62 keussen (1913), S . 80–112 . 63 Hierzu Alfred koHler, Karl V . (1500–1558) . Eine Biographie, München 1999, S . 72 ff . 64 Ioannes Noppius, Aacher Chronick . Das ist eine kurtze historische Beschreibung aller gedenckwuerdigen Antiquitaeten und Geschichten/ sampt zugefügten Privilegien und Statuten deß koeniglichen Stuls und h . Roemischen Reichs Statt Aach, Köln 1632, S . 51 . Hierzu scHmitZ-cliever (1954/55), S . 137 . Huttmann (1987), S . 42 f .
2 .1 De grote doit, groet sterff, pestilencia
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Pocken hat sowie eine arme Frau mit einem armen Kind, das die Pocken hat.65 Weder Schriftquellen aus Münster noch aus umliegenden westfälischen Städten weisen jedoch für dieses Jahr auf Beeinträchtigungen des städtischen Alltags durch eine Seuche hin . Welche Infektionskrankheit sich hinter den Pocken verborgen haben mag, lässt sich nicht bestimmen . Fest steht, dass hieraus wohl kein Sterben resultierte, das weit über das gewöhnliche Maß hinausging und besondere Reaktionen hervorrief . Gleiches lässt sich verschiedentlich im Spiegel spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Testamente beobachten . Die Kölnerin Belgin Buchels beispielsweise ließ am Nachmittag des 29 . März 1531 ihren letzten Willen niederschreiben, derweill sy den myt der swelligen und gruwelichen krenckde der pestilencien as sy sachte und ouch anzosien und zu mirken was, belaiden sy.66 In anderen Dokumenten deutet für das nämliche Jahr allerdings nichts auf ein Seuchengeschehen größeren Ausmaßes in der Stadt hin . Bisweilen finden sich sogar deutliche zeitgenössische Urteile über die tatsächliche oder nur vermeintlich begrenzte Wirkung einer Seuche . Den beredten Ausführungen des Hermann von Weinsberg zufolge, forderte eine pestilentz, die auch andernorts in Rheinland-Westfalen aufflammte,67 Anfang Mai 1578 ihre Opfer in der Stadt . In geringem Maße hielt die Seuche bis über den Winter hinaus an, verursachte aber nach der subjektiven Wahrnehmung des Kölner Ratsherrn nur noch ein wennich zu sterben.68 Ein Problem bei der Interpretation mittelalterlich-frühneuzeitlicher Seuchenbilder bleibt die Frage, welche Terminologie für die vorliegende Untersuchung verwendet werden kann . Die Krankheitsbezeichnungen stets in der Version der Quellen wiederzugeben, eignet sich kaum dazu, wenigstens einige Fäden des gordischen Knotens uniformer Begrifflichkeiten zu entwirren . Die Übernahme der Varianten in ihrer jeweiligen zeitgenössischen Schreibweise ist aber nicht nur abträglich für die Klarheit der Darstellung . Vielmehr birgt diese Wahl zugleich die Gefahr, den Eindruck zu erwecken, pestilentia etwa bezeichne stets eine andere Krankheit als pestis. Wie im vorangegangenen ausgeführt, können aber pestis und pestilentia, pestelentz und sukede ebensogut ein und dasselbe wie auch unterschiedliche Phänomene repräsentieren . In Ermangelung einer befriedigenden Terminologie wird daher im Rahmen der vorliegenden Untersuchung unter den erörterten Vorbehalten auf heute in der Medizin verwendete Krankheitsbezeichnungen zurückgegriffen . Dies geschieht im Bewusstsein, dass die verwendeten Begriffe nicht mit den heutigen „mikrobiologisch definierten Krankheitseinheiten“ gleichzusetzen sind .69 65 Mechthild Black, Die Speckpfründe Lamberti . Zentrum der Armenfürsorge in Münster während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (mit prosopographischen und editorischen Anhängen), in: Hrsg . Franz-Josef JakoBi e . a ., Stiftungen und Armenfürsorge in Münster vor 1800 (= Studien zur Geschichte der Armenfürsorge und der Sozialpolitik in Münster 1), Münster 1996, S . 114 . 66 Historisches Archiv der Stadt Köln, Testamente 3/B 1066 . 67 Chronicon Domesticum et Gentile (1981), S . 193 f . 68 Das Buch Weinsberg . Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16 . Jahrhundert, Bd . 3, bearbeitet von Friedrich lau (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 16), Bonn 1897, S . 7 . 69 leven (1997), S . 15 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
2.2
Quellentypen und ihr Wert für die Erforschung der mittelalterlich-frühneuzeitlichen Seuchengeschichte 2.2 Quellentypen und ihr Wert Art, Dichte und Qualität der Überlieferung, die Aufschluss über Auftreten und Wirkung von Seuchen sowie über Reaktionen auf das Massensterben liefert, sind für jede Stadt unterschiedlich . Durch Kriege, Brände und weitere widrige Umstände wurden im Laufe der Jahrhunderte mehr oder weniger große Teile des mittelalterlich-frühneuzeitlichen Dokumentenbestandes niederrheinischer und westfälischer Städte vernichtet . Welche Schriftzeugnisse erhalten blieben, ist deshalb oftmals dem Zufall geschuldet . So gestaltet sich die Überlieferungssituation für jedes der Gemeinwesen unterschiedlich . Das Weseler Stadtarchiv verlor nahezu seinen gesamten mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Urkundenbestand infolge der Einwirkungen des Zweiten Weltkriegs, vermochte jedoch einen bedeutenden Teil seiner Akten zu retten .70 Die umfangreichen Archivbestände der einstigen freien Reichsstadt Dortmund, die man zum Schutz während des Krieges in das ehemalige Kloster Grafschaft im sauerländischen Schmallenberg ausgelagert hatte, konnten damit zwar vor dem Bombenhagel, aber dennoch nicht vor ihrer weitgehenden Zerstörung gerettet werden . Befreite Zwangsarbeiter, die nach dem Kriegsende 1945 in dem Klostergebäude untergebracht waren und auf den Rücktransport in ihre Heimat warteten, öffneten auf der Suche nach Essbarem die Kisten mit den Archivalien, verstreuten, verschmutzten, zerrissen oder verbrannten die für sie nutzlosen Schriftstücke .71 In Aachen wurden wichtige Zeugnisse der mittelalterlichen Stadtgeschichte bereits Jahrhunderte vor dem Inferno des Zweiten Weltkrieges ein Raub der Flammen . Ein verheerender Brand vernichtete 1656 den größten Teil der traditionsreichen Krönungsstadt und beinahe deren gesamte Archivbestände . Nur wenige spätmittelalterliche Urkunden und Akten blieben verschont . In Münster verbrannten die Wiedertäufer im Frühjahr 1534 alle rechtlich relevanten Schriftzeugnisse, derer sie habhaft werden konnte . So endete das mittelalterliche Ratsarchiv mitsamt den städtischen Privilegien fast vollständig im Feuer .72 Was dieser Verlust schon in der Vormoderne für die in der Stadt ansässigen Wundärzte bedeutete, spiegelt sich schlaglichtartig in späteren Dokumenten wider . Am 12 . November 1563 richteten die münsterischen Chirurgen eine freuntliche nachpaurliche ansuchungh an die Meister der Kölner Barbierzunft, diese möchten ihnen eine Abschrift ihrer Statuten zukommen lassen .73 Der 70
Für die umfassenden Auskünfte zu den Weseler Archivbeständen gilt mein aufrichtiger Dank dem Leiter des Weseler Stadtarchivs, Dr . Martin Wilhelm Roelen . 71 Horst-Oskar sWientek / Willy timm, Gesamtinventar des Stadtarchivs Dortmund (= Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Dortmund 1), Dortmund 1964, S . 8 f . 72 Franz-Josef JakoBi / Hannes lamBacHer / Christa WilBrand, Das Stadtarchiv Münster und seine Bestände, Münster 1998, S . 3 . 73 Historisches Archiv der Stadt Köln, Zunft A 365, fol . 14r u . v . Die Datierung des Stückes scheint unklar, weil das Ausstellungsdatum lediglich mit 12 . November 63 angegeben ist . Der Verweis auf die Wiedertäufer und der weitere, zu diesem Vorgang gehörige, teils von gleicher Hand geführte Schriftverkehr im Stadtarchiv Münster legt eine Datierung auf
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
79
Rat der Stadt Münster, so heißt es zur Begründung, habe die Vorlage der Statuten verlangt, doch sei die alte rulle leider durch de verdempte Witterteufferde secte und ujfrur verkhomen. Die Kölner gewährten den Münsteraner Wundärzten ihre Bitte . Diese konnten dem Rat am Montag nach Quasimodogeniti, dem 10 . April 1564, die Kopie aus Köln vorlegen und um die Bestätigung ihrer Amtsrolle, der Artikell der Bruderschaft der Barberer und sembtlicher verwantenn der Chyrurgischer kunst bynnen Münster, ersuchen .74 Während den Barbieren durch die Wiedertäuferherrschaft offenbar wichtige Dokumente abhanden gekommen waren, blieben zahlreiche Schriftzeugnisse des Leprosoriums Kinderhaus sowie der drei bereits bestehenden Elenden Aegidii, Überwasser und Lamberti von Zerstörung verschont .75 Einem Vermerk der ersten Provisoren Borchard Heerde und Johan Warendorp in einem Rechnungsbuch der 1529 gestifteten Lamberti-Elende lässt sich entnehmen, wie man dat boek und register der upboringh und uthgifte, den kopbreff up dat hues, vor allem aber die Stiftungsurkunde und weitere, das Haus betreffende Dokumente vor den losen Handel und Widder dopere verstecken konnte .76 Die Reihe der Schilderungen über den Verlust oder die Rettung mittelalterlich-frühneuzeitlichen Schriftgutes westfälischer und niederrheinischer Städte ließe sich durchaus fortsetzen . Der Befund, welche Quellentypen in den verschiedenen Städten ganz, teilweise oder gar nicht überliefert sind, ist für die zu erwartenden Untersuchungsergebnisse von zentraler Bedeutung . Immerhin stellt die disparate Ausgangssituation zwangsläufig eine besondere Schwierigkeit für die vergleichende Untersuchung dar, da Umfang und Natur der Informationen zu epidemiologisch relevanten Faktoren und zum Seuchengeschehen unmittelbar vom jeweiligen Quellentyp abhängen . Überlieferungslücken und ein Fehlen bestimmter Quellen verändern zwar nicht grundlegend das Gesamtbild, können aber einzelne Details verzerren . Dies gilt es bei der Betrachtung zu berücksichtigen; nicht zuletzt bei der Ermittlung der Häufigkeit von Seuchenausbrüchen . Je weiter sich die Überlieferung im Laufe des 16 . Jahrhunderts verdichtet, desto häufiger finden sich Hinweise auf das Seuchengeschehen und erwecken so den mehr oder weniger zutreffenden Eindruck von dessen Intensivierung . Dennoch kann nicht mit letzter Gewissheit ausgeschlossen werden, dass das ein oder andere Auftreten von Epidemien während der vorangegangenen Jahrhunderte aufgrund der spärlicheren Quellenlage unentdeckt bleibt .77 1563 nahe . Der Archivvermerk im Kölner Historischen Archiv datiert das Schreiben unter Streichung des früheren Eintrags 1563 irrtümlich auf 1663 . 74 Stadtarchiv Münster, A XI Nr . 248 . Insgesamt liegen sechs Abschriften der Bruderschaftsartikel aus den Jahren 1564 und 1565 im Stadtarchiv Münster vor . 75 Die Einrichtung der vierten Münsteraner Elende im Martini-Kirchspiel begann erst nach der Wiedertäuferherrschaft im Jahre 1563 . Vgl . klötZer (1997), S . 131 . Zehn Jahre später, am 19 . Dezember 1573, fand der Gründungsprozess durch obrigkeitliche Bestätigung seinen formalen Abschluss . Vgl . Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Elende-Martini, Urkunden Nr . 3 . 76 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Elende Lambert, Akten Nr . 1 . 77 Bulst (1989), S . 29 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Die folgende exemplarische Diskussion konzentriert sich auf Quellentypen, die von ihrer Natur her Rückschlüsse auf das Seuchengeschehen sowie auf den Umgang mit Seuchen erwarten lassen . Sie versucht, den gattungsspezifisch bedingten Charakter diesbezüglicher Aussagen herauszustellen . Im Vordergrund der Betrachtung stehen dabei mit Blick auf die Ausrichtung der Untersuchung einschlägige Zeugnisse städtischen Schriftgutes und historiografische Quellen . Im Rahmen dieser Betrachtung wird zugleich auch solches Schriftgut weltlicher wie geistlicher Landesherren kurz berührt, das in eindeutigem Bezug zu städtischem Seuchengeschehen steht . Mit der gleichen Knappheit widmet sich die Erörterung geistlichen Quellen . Die vorgenommene Systematisierung richtet sich dabei ohne Grundsatzcharakter beanspruchen zu wollen an arbeitstechnischen Gesichtspunkten aus . Obgleich ein deutlicher Schwerpunkt auf der Auswertung von Schriftquellen liegt, erschienen angesichts der Vielschichtigkeit des Forschungsfeldes, das die Geschichtswissenschaft von Erkenntnissen anderer Disziplinen in besonderer Weise profitieren lässt, einige kurze Ausführungen zum Wert archäologischer Befunde und verschiedener Sachquellen unerlässlich . 2.2.1
Schriftquellen
Zwischen Weltgeschehen und städtischen Perspektiven: Annalen, Chroniken, Historien Schilderungen von Seuchen lassen sich in nahezu allen historiographischen Werken finden, die seit der Mitte des 14 . Jahrhunderts in Westfalen und am Niederrhein entstanden sind . Die Mehrheit dieser Schriften liegt inzwischen in Editionen vor .78 Obgleich von vielen Geschichtsschreibern immer wieder mehr oder weniger ausführlich beschrieben, spielt die Seuchenthematik für die Gesamtkonzeption ihrer Werke stets eine untergeordnete Rolle . Neben unzähligen anderen Aspekten widmen die Chronisten dem Massensterben selten mehr als wenige Zeilen . Diese bezüglich ihrer Zuverlässigkeit stets kritisch zu prüfenden Angaben erlauben indes die Erstellung einer ungefähren Seuchenchronologie für einzelne Städte und die gesamte Region als wichtige Ausgangsbasis unserer Untersuchung . Die Person des Verfassers, seine Erfahrungen mit dem Ausbruch einer Epidemie oder zeitlich-räumliche Nähe zu den Ereignissen, vor allem aber seine Intentionen, die für Kompilationen herangezogenen Quellen, die Darstellungsweise79 und der inhaltliche, den Blickwinkel und die Gestaltung beeinflussende Typ einer Chronik, wirken sich auf 78
Ein großer Teil dieser Editionen stammt aus der zweiten Hälfte des 19 . Jahrhunderts . Manche Werke, etwa die Weltchronik des Heinrich von Herford, sind darüber hinaus nicht komplett herausgegeben worden . Eine neue kritische Edition gerade dieser Quelle ist als Desiderat zu betrachten . 79 Gert melville, System und Diachronie . Untersuchungen zur theoretischen Grundlegung geschichtsschreiberischer Praxis im Mittelalter, in: Historisches Jahrbuch 95 (1975), S . 33–67 u . S . 308–341 .
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
81
die Art und Weise aus, in der Seuchen zum Berichtsgegenstand wurden . Entsprechend unterschiedlich erscheinen trotz unverkennbarer Gemeinsamkeiten, Natur, Fülle und Wert der Informationen zum spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Seuchengeschehen, die Annalen, Chroniken und – sofern man diese als eigene Gattung betrachten will – Historien liefern .80 Verschieden gestaltet sich nicht zuletzt der Umfang historiografischer Überlieferung zwischen dem Schwarzen Tod und dem Ende des 16 . Jahrhunderts im Hinblick auf die westfälischen und rheinischen Städte, deren Seuchengeschehen im Rahmen der vorliegenden Untersuchung eingehender betrachtet werden soll . Aus Stadt und Stift Essen, Wesel oder Xanten sind keine spämittelalterlich-frühneuzeitlichen Chroniken überliefert .81 Auch Aachen, Reichs- und Krönungsstadt zahlreicher Herrscher, hat im Spätmittelalter erstaunlicherweise kaum chronikalische Zeugnisse hervorgebracht . Neben einer im vergangenen Jahrhundert nach einer Berliner Handschrift nur fragmentarisch edierten, an der Wende zum 16 . Jahrhundert entstandenen Chronik, welche die Geschichte Aachens von der angeblichen Gründung durch Karl den Großen im Jahre 770 bis zum Jahre 1482 – mit einer Fortsetzung bis 1513 – umfasst,82 liegen weitere historiografische Werke erst ab dem 17 . Jahrhundert vor .83 Auf 80 Hierzu Bernard guenée, Histoires, annales, chroniques: essai sur les genres historiques au Moyen Âge, in: Annales ESC 28 (1973), S . 997–1016 . Joachim knape, „Historie“ in Mittelalter und früher Neuzeit . Begriffs- und gattungsgeschichtliche Untersuchungen im interdisziplinären Kontext (= Saecula spiritualia 10), Baden-Baden 1984 . 81 Die sogenannten Annales Xantenses reichen nicht bis in das Spätmittelalter, sondern enden bereits mit dem Jahr 874 . Sie beinhalten auch Ausführungen zum Seuchengeschehen im Niederrheingebiet . Annales Xantenses anno 640–874, in: Hrsg . Georg Heinrich pertZ, MGH SS, Bd . 2, Hannover 1829 [Neudruck: Leipzig 1925], S . 217–235 . Chronikalische, bis zur Mitte des 14 . Jahrhunderts reichende Notizen finden sich in einem im Xantener Stiftsarchiv erhaltenen Memorienbuch des Xantener Domes, dem sogenannten „Liber Albus“ (Stiftsarchiv Xanten, Handschriften B2) . Hierzu Friedrich Wilhelm oediger, Die geschichtlichen Notizen im Liber Albus, in: Xantener Domblätter 6 (1964), S . 141–160 . Vgl . auch körner (1977), S . 39 f . u . S . 146 . 82 Hugo loerscH, Aachener Chronik . Aus einer Handschrift der königlichen Bibliothek in Berlin, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 17 (1866), S . 1–29 . Die von Emil pauls, Chronica Aquensis manuscripta, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 35 (1913), S . 126 ff . in Auszügen beschriebene Chronik ist nicht mit ersterer identisch, sondern stammt ebenfalls erst aus der frühen Neuzeit 83 Ioannes Noppius, Aacher Chronick . Das ist eine kurtze historische Beschreibung aller gedenckwürdigen Antiquitäten und Geschichten sampt zugefügten Privilegien und Statuten deß königlichen Stuls und h . Römischen Reichs Statt Aach, Köln 1632 . Eine zweite, ebenfalls in Köln gedruckte Auflage erschien 1643 . Ferner auch die 1669 fertiggestellte, in mehreren Handschriftenexemplaren vorliegende Chronik des Jesuiten Heinrich von Thenen (Stadtarchiv Aachen, Handschrift 16 und Diözesan-Archiv Aachen, Hs 444) . Weitere Chroniken stammen aus dem 18 . Jahrhundert: J . J . Fell, Aachener Chronik, Stadtarchiv Aachen, Handschrift 213 (um 1713) . Aachener Chronik des Notars Johann Leonard Schröder, Stadtarchiv Aachen, Handschrift 212 (um 1725) und schließlich Karl Franz Meyer, Aachensche Geschichten überhaupt Beytraege zur Reichsallgemeinen insbesondere aber zur Anlage einer vollstaendigen Historie über den koeniglichen Stuhl und des heiligen Roemischen Reichs freye Haupt- Krön- und Cur-Stadt Aachen von ihrem Ursprung bis auf gegenwärtige Zeiten, Aachen 1781 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
vergleichsweise wenige Jahre zwischen 1474 und 1517 beschränkt sich mit der während der ersten Hälfte des 16 . Jahrhunderts entstandenen Chronik des Johanniters Johann Wassenberch auch die Duisburger Historiografie .84 Schlecht ist es ebenso um die spätmittelalterliche Geschichtsschreibung der für den Hansehandel so bedeutenden Stadt Soest bestellt . Die chronikalische Überlieferung erschöpft sich mit der Historia der Twist Veede und Unenicheit tusschen dem Heren Dyderick Ertzbyschop to Collen und der ersam und erliken Stadt Soest, den Aufzeichnungen des Bartholomäus van der Lake über die Ereignisse der Soester Fehde 1414 bis 1447 .85 Hinzu kommen eine Werler und eine Lippstädter Reimchronik über die kriegerischen Auseinandersetzungen sowie Chronik-Fragmente aus dem 15 . Jahrhundert, die allesamt keine Informationen über das lokale Seuchengeschehen liefern .86 Erst der Soester Arzt Ludwig Eberhard Rademacher (1695–1750) hat sich auf reiches Quellenmaterial stützend um eine Aufzeichnung der Stadtgeschichte in annalistischer Form bemüht .87 Demgegenüber liegen für Minden mehrere Chroniken verschiedener inhaltlicher Typen vor . Zusammen betrachtet decken die Berichte den Zeitraum von der Mitte des 14 . bis in die zweite Hälfte des 16 . Jahrhunderts nahezu lückenlos ab . An den Liber de rebus (et temporibus) memorabilioribus sive Chronicon, die Weltchronik des Heinrich von Herford (um 1300–1370), die Bischofschroniken des Hermann von Lerbeck (um 1345–1425) und des Heinrich von Sloen genannt Tribbe († 1464) mitsamt ihren bis ins Jahr 1542 reichenden Fortsetzungen und die ebenfalls aus der Feder Tribbes stammende Beschreibung von Stadt und Stift Minden schließt sich die Chronik des Hein-
84 Die Duisburger Chronik des Johann Wassenberch, in: Die Chroniken der deutschen Städte, Bd . 24, Chroniken der westfalischen und niederrheinischen Städte, Bd . 3: Soest und Duisburg, Hrsg . Theodor ilgen, Leipzig 1895, S . 177–252 [Neudruck: Göttingen 1969] . Zur Rezeption von Wassenberchs Chronik in den Werken der späteren Duisburger Chronisten Ambrosius Moer (2 . Hälfte 16 . Jh .) und Johann Hildebrand Withof (1 . Hälfte 18 . Jh .) vgl . HoFius (1971), S . 184 . 85 Kriegstagebuch der Soester Fehde 1433–1449 . De historia van der Soistschen vede oder Historia der Twist Veede und Unenicheit tusschen dem Heren Dyderick Ertzbyschop to Collen und der ersam und erliken Stadt Soest, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 21: Soest, Hrsg . Joseph Hansen, Leipzig 1889 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 1–171 . 86 Werler Reimchronik der Soester Fehde 1433–1449, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 21 . Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte Bd . 2: Soest, Hrsg . Joseph Hansen, Leipzig 1889 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 282–336 . Lippstädter Reimchronik der Soester Fehde, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 21 . Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte Bd . 2: Soest, Hrsg . Joseph Hansen, Leipzig 1889 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 182–275 . Fragmente Soester Aufzeichnungen des 15 . Jahrhunderts, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 24 . Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd . 3: Soest und Duisburg, Hrsg . Theodor ilgen, Leipzig 1895 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 159–162 . 87 Ludwig Eberhard Rademacher . Annales oder Jahr-Bücher der uhralten und weltberühmten Stadt Soest, 4 Bde . (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Soest 22), Soest 1999 .
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
83
rich Piel (1516/17–1580) an, welche die weltlichen Ereignisse in der Stadt in den Mittelpunkt stellt .88 Günstig gestaltet sich ebenso die einschlägige Quellenlage im Hinblick auf Münster . Beginnend mit der bis 1379 geführten, von unbekannter Hand bis 1424 fortgesetzten und durch die Mönche von Marienfeld mit Zusätzen angereicherten Chronik des Florenz von Wevelinghoven († 1393), befassten sich bis zur Mitte des 16 . Jahrhunderts nicht weniger als fünf weitere Werke mit Leben und Wirken der münsterischen Bischöfe .89 Während sich der anonyme Verfasser der „Chronik der Bischöfe von Münster von der Stiftung des Bisthums bis auf den Tod Bischof Ottos von Hoya“ vor allem damit begnügt, den lateinischen Text Florenz von Welvelinghovens Bischofschronik nahezu wortgetreu ins Deutsche zu übertragen, konzentriert sich ein anderer Bericht ausschließlich auf die Person Bischof Ottos IV . von Hoya (1392–1424) .90 Die drei weiteren Werke knüpfen zeitlich an diese Schilderungen an: Die Chronik des Arnd Bevergern beschreibt die Geschehnisse von der Wahl Heinrichs II . von Moers (1424–1450) über die turbulenten Jahre der Münsterischen Stiftsfehde nach dessen Tod bis zur Einführung Bischof Heinrichs III . von Schwarzburg 1466 .91 88 Liber de rebus memorabilioribus sive Chronicon Henrici de Hervordia (bis 1355), Hrsg . August pottHast, Göttingen 1859, S . 1–291 . Hermann’s von Lerbeck Catalogus episcoporum Mindensium, in: Hrsg . Klemens löFFler, Die Bischofschroniken des Mittelalters . Hermann’s von Lerbeck Catalogus episcoporum Mindensium und seine Ableitungen (= Mindener Geschichtsquellen, Bd . 1 . Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 16), Münster 1917, S . 17–90 . Die jüngere Bischofschronik, in: Hrsg . Klemens löFFler, Die Bischofschroniken des Mittelalters . Hermann’s von Lerbeck Catalogus episcoporum Mindensium und seine Ableitungen (= Mindener Geschichtsquellen, Bd . 1 . Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 16), Münster 1917, S . 91–263 . Successio episcoporum Mindensium, in: Hrsg . Klemens löFFler, Die Bischofschroniken des Mittelalters . Hermann’s von Lerbeck Catalogus episcoporum Mindensium und seine Ableitungen (= Mindener Geschichtsquellen, Bd . 1 . Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 16), Münster 1917, S . 265–286 . Des Domherrn Heinrich Tribbe Beschreibung von Stadt und Stift Minden (um 1460), Hrsg . Klemens löFFler (= Mindener Geschichtsquellen, Bd . 2), Münster 1932 . Das Chronicon domesticum et gentile des Heinrich Piel (1516/17–1580), Hrsg . Martin krieg (= Geschichtsquellen des Fürstentums Minden, Bd . 4 . Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 13), Münster 1981 . 89 Florenz von Wevelinkhoven’s Chronik der Bischöfe von Münster mit der Fortsetzung eines Ungenannten und den Zusätzen der Mönche von Marienfeld 772–1424, in: Hrsg . Julius Ficker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 1–91 . 90 Chronik der Bischöfe von Münster von der Stiftung des Bisthums bis auf den Tod Bischof Otto’s von Hoya 772–1424, in: Hrsg . Julius Ficker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 92–155 . Leben Otto’s von Hoya, Bischofs zu Münster 1392–1424, Hrsg . Julius Ficker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 156–188 . 91 Arnd Bevergern’s münsterische Chronik von der Wahl Bischof Heinrich’s von Moers bis auf die Einführung Bischof Heinrichs von Schwarzburg 1424–1466, in: Hrsg . Julius Fikker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 244–288 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Eine Fortsetzung von anderer Hand skizziert herausragende Ereignisse bis zum Jahre 1524 .92 Die Wahl Heinrichs von Moers und die Stiftsfehde (1450–1457) stehen ebenso im Mittelpunkt der durch Rudolf von Langen (um 1438–1519) bis 1496 weitergeführten Chronik eines unbekannten Augenzeugen .93 Bis zur Wahl Bernhards von Raesfeld (1557–1666) reicht schließlich ein weiteres historiografisches Werk aus der Feder eines anonymen Verfassers .94 Ergänzt werden all diese, ekklesiastische Belange betonenden Quellen durch die in der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts entstandene Chronik des Domkantors Melchior Röchell († 1606), der sich ungeachtet seiner geistlichen Stellung verstärkt der weltlichen Vorgänge in der Stadt annahm, sowie die aus dem 17 . und 18 . Jahrhundert stammenden chronikalischen Aufzeichnungen des Heinrich Stevermann (Mitte d . 17 . Jh .), Priester des Hohen Altars, und des Generalmajors Lambert Friedrich von Corfey (1668–1733) .95 Durch den Augenzeugenbericht des Hermann von Kerssenbrock umfassend dokumentiert sind zudem die Geschehnisse im Umfeld der Wiedertäuferherrschaft 1534/35 .96 Im Vergleich dazu erscheint die chronikalische Überlieferung Paderborns eher bescheiden . Lediglich die Cosmidromius betitelte Universalchronik des Gobelin Person (1358–1421) nimmt sich der Geschehnisse in der Bischofsstadt an .97 Keine spätmittelalterliche Chronik widmet sich indes Leben und Taten der Paderborner Bischöfe, welche die Series episcoporum Paderbornensium bis zum Jahre 1463 nennt .98 Wie im Falle Aachens, so liegt auch für Paderborn ein weiteres historiografisches Zeugnis, das im Rückgriff auf ältere Vorlagen mittelalterliche Ereignisse schildert, erst während des 17 . Jahrhunderts mit den Annalen des Jesuiten und Feldkaplans Nikolaus Schaten (1608–1678) vor .99 92 Fortsetzung der Chronik des Arnd Bevergern bis auf den Beginn der Religionserneuerungen 1466–1524, in: Hrsg . Julius Ficker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 289–303 . 93 Münsterische Chronik eines ungenannten Augenzeugen von der Wahl Bischof Heinrichs von Moers bis auf das Ende der großen münsterischen Fehde . Nebst Fortsetzung Rudolfs von Langen 1424–1456 [1496], in: Hrsg . Julius Ficker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 188–243 . 94 Münsterische Chronik von der Wahl Bischof Heinrichs von Mors bis auf die Wahl Bischof Bernhards von Raesfeld 1424–1557, in: Hrsg . Julius Ficker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 304–345 . 95 Die Münsterischen Chroniken von Röchell, Stervermann und Corfey (= Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 3), Hrsg . Johannes Janssen, Münster 1856 . 96 Hermanni a Kerssenbroch Anabaptistici furoris Monasterium inclitam Westphaliae Metropolim evertentis historica narratio (= Die Geschichtsquellen des Bistums Münster, Bd . 5 u . 6), Hrsg . Heinrich dettmer, Münster 1899/1900 . 97 Cosmidromius Gobelini Person, Hrsg . Max Jansen, Münster 1900 . Auch ediert als Gobelini Personae […] Cosmidromium . Hoc est: Chronicon universale Complectens Res Ecclesiae et Reipublicae, in: Rerum Germanicarum, Tomus, Scriptores Germanicos ab Heinrico Meibomio Seniore, Helmstedt 1688, S . 53–346 98 Series episcoporum Paderbornensium, Hrsg . Oswald Holder-egger, in: MGH SS 13, Leipzig 1891 [Neudruck: Leipzig 1943], S . 341–342 . 99 Nikolaus Schaten, Annalium Paderbornensium pars secunda, Editio altera, Münster 1775 .
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
85
Verschiedene Chronisten haben sich zwischen dem Beginn des 15 . und der Mitte des 16 . Jahrhunderts der Geschichte Dortmunds, der einzigen freien Reichsstadt Westfalens, zugewandt . Neben dem bis 1389 reichenden Werk des Dominikaners Johannes Nederhoff (um 1400 – nach 1456) sind dies die Stadtchroniken des Johann Kerkhörde (1405–1465) und des Dietrich Westhoff († 1551) sowie eine auf die Jahre zwischen 1491 und 1499 beschränkte Reimchronik des Reinold Kerkhoerde .100 Ungewöhnlicherweise handelt es sich bei der wohl ältesten Chronik, der sogenannten „Chronik der Pseudorektoren von der Benediktskapelle“, die zugleich für einen Großteil der Überlieferung zur Dortmunder Stadtgeschichte die älteste Quelle überhaupt darstellt und aus der die spätere Lokalchronistik schöpfte, um eine am Ende des 14 . Jahrhunderts entstandene Fälschung aus der Feder des Heinrich von Broke .101 Der Rektor verfasste das von der Antike bis auf das Jahr 1391 reichende Werk zur Untermauerung institutionseigener Interessen der Dortmunder Benediktskapelle im Ostentor gegenüber der Stadt, griff dabei aber nicht nur auf Fiktives zurück .102 Die bedeutende Großstadt Köln wartet mit einer historiografischen Überlieferung auf, die trotz großer Bandbreite lediglich einen bescheidenen Beitrag zur spätmittelalterlichen Stadtchronistik leistet . Aus dem Kreis der Werke sollen daher im folgenden nur diejenigen genannt werden, die sich im Hinblick auf die Fragestellungen der vorliegenden Untersuchung auf die eine oder andere Weise als aussagekräftig erwiesen haben .103 Ereignisse bis zum Jahre 1445 verzeichnet die jüngste Fassung einer Reihe von Annalen, die insgesamt einen Zeitrahmen zwischen dem 5 . und dem 15 . Jahrhundert füllen . Diese Jahrbücher unterscheiden sich zwar hinsichtlich der jeweiligen Länge ihres jeweiligen Berichtszeitraumes, doch macht die zumeist wortgetreue Über100 Des Dominicaners Jo . Nederhoff Chronica Tremonensium (= Dortmunder Chroniken, Bd . 1), Hrsg . Eduard roese, Dortmund 1880 . Chronik des Johann Kerkhörde von 1405– 1465, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 20 . Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd . 1: Dortmund, Neuß, Hrsg . Joseph Hansen / J. Franck, Leipzig 1887 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 25–146 . Chronik des Dietrich Westhoff von 750–1550, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 20 . Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd . 1: Dortmund, Neuß, Hrsg . Joseph Hansen/J. Franck, Leipzig 1887 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 177–426 u . S . 463–477 . Friedrich Woeste, Kerkhoerde’s Dortmunder Reimchronik, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 10 (1874), S . 1–26 . Eine im 18 . Jahrhundert entstandene Kompilation dieser Werke, angereichert mit weiterem Quellenmaterial, bieten die sogenannten „Merkwürdigkeiten der Kayserl . und des H . R Reichs freier Stadt Dortmund“ des Johann Christoph Beurhaus (1721– 1786), Stadtarchiv Dortmund, Best . 448, Nr . 15 . 101 Chronik der Pseudorektoren der Benediktskapelle zu Dortmund, Hrsg . Joseph Hansen, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 11 (1886), S . 491–550 . 102 Hierzu Beate WeiFenBacH, Sankt Reinoldus in Dortmund . Ein Ritterheiliger aus philologischer Sicht, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 89 (1998), S . 58 ff . sowie Luise von WinterFeldt, Die Entstehung der Stadt Dortmund, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Dortmund und der Grafschaft Mark 48 (1951), S . 17 . 103 Für einen kurzen Überblick der edierten chronikalischen Überlieferung vgl . Winfried dotZauer (Hrsg .), Quellenkunde zur deutschen Geschichte im Spätmittelalter (1350– 1500), Darmstadt 1996, S . 482 .
86
2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
nahme oder deutsche Übersetzung des Textes einer älteren Vorlage ihre gegenseitige Abhängigkeit offenkundig .104 Daneben existiert eine große Zahl an Chroniken inhaltlich unterschiedlicher Typen, von denen zu nennen sind: Die sogenannte „Kölner Weltchronik“,105 welche sich auf den Zeitraum von 1273/88 bis 1376 erstreckt, die um 1469 durch Heinrich von Beeck verfaßte Agrippina106 und die 1499 bei Johann Koelhoff unter dem Titel Cronica van der billiger stat van Coellen gedruckte, auch Koelhoffsche Chronik genannte Stadtchronik .107 Ferner die bis 1515 geführte Cronica Presulum et Archiepiscorum Coloniensis Ecclesie108 und die Bischofschronik des Jakob von Soest († 1440) .109 Ergänzung 104 Annales Agrippinenses, Hrsg . Georg Heinrich pertZ, in: MGH SS 16 (1859) [Neudruck: Leipzig 1925], S . 736–738 . Notae Colonienses, Hrsg . Hermann cardauns, in: MGH SS 24 (1879) [Neudruck: Stuttgart/New York 1964 u, 1975], S . 362–365 . Cronica Regia Colonienses (Annales maximi Coloniensis) cum continuationibus in monasterio S . Pantaleonis scriptis, Hrsg . Georg WattZ, in: MGH Scriptores in usum scholarum 18 (1880) . Cölner Jahrbücher des 14 . und 15 . Jahrhunderts, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis zum 16 . Jahrhundert, Bd . 13 . Die Chroniken der niederrheinischen Städte, Bd . 2: Cöln, Hrsg . Hermann cardauns, Leipzig 1876 [Neudruck: Göttingen 1968], S . 18– 192 . Außerdem Leonard ennen, Cölner Chronik 274 bis 1399, in: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, insbesondere die alte Erzdiöcese Köln 23 (1871), S . 46–59 . Trotz des Titels ist diese, am Ende des 14 . Jahrhunderts wahrscheinlich in der Abtei Werden verfasste „Chronik“ aufgrund ihrer Gestaltungsmerkmale wohl den Annalen zuzurechnen . Zu den Problemen der Zuordnung seit dem 12 . Jahrhundert entstandener Werke vgl . Michael mccormick, Les Annales du Haut Moyen Âge (= Typologie des sources du Moyen Âge Occidental, Fasc . 14), Turnhout 1975, S . 20 f . 105 Die Kölner Weltchronik 1273/88–1376, Hrsg . Rolf sprandel (= MGH Script, rer . Germ, N . S . Bd . 15), München 1991 . 106 Die Agrippina, im Vorwort zum zweiten Band der im Rahmen der Chroniken der deutschen Städte herausgegebenen Kölner Quellen noch als „historisch völlig wertlos“ eingestuft und lange unediert geblieben, liegt inzwischen als Edition vor bei Robert meier, Heinrich van Beeck und seine „Agrippina“ . Ein Beitrag zur Kölner Chronistik des 15 . Jahrhunderts . Mit einer Textdokumentation (= Kölner Historische Abhandlungen 41), Köln/Wien/Weimar 1998 . Vgl . hierzu auch: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis zum 16 . Jahrhundert, Bd . 13 . Die Chroniken der niederrheinischen Städte, Bd . 2: Cöln, Leipzig 1876 [Neudruck: Göttingen 1968], S .VI . 107 Die cronica van der hilliger stat van Coellen 1499, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis zum 16 . Jahrhundert, Bd . 13 . Die Chroniken der niederrheinischen Städte, Bd . 2: Cöln, Hrsg . Hermann cardauns, Leipzig 1876 [Neudruck: Göttingen 1968], S . 211–638 u . Bd . 14, Die Chroniken der niederrheinischen Städte, Bd . 3: Cöln, Leipzig 1877 [Neudruck: Göttingen 1968], S . 641–918 . 108 Cronica Presulum et Archiepiscorum Coloniensis Ecclesie, Hrsg . Gottfried eckertZ, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 2 (1857), S . 181–250 . Fontes adhuc inediti rerum Rhenarum . Niederrheinische Chroniken, Köln 1864 [Neudruck: Niederwalluf 1971], S . 1–52, 54–64 . Die Edition erfolgte nach einer bis ins Jahr 1508 reichenden Handschrift aus dem 16 . Jahrhundert im Historischen Archiv der Stadt Köln, Chroniken und Darstellungen 8 . Im Historischen Archiv der Stadt Köln befinden sich weitere Handschriften der Bischofschronik . Die älteste Fassung stammt aus dem 14 ., die jüngste Abschrift – mit Anmerkungen versehen – aus dem 19 . Jahrhundert . Vgl . Historisches Archiv der Stadt Köln, Chroniken und Darstellungen 5, 7 u . 9 . 109 Jacobus de Susato, Chronicon Episcoporum Colonensium, in: Hrsg . Johann Suibert seiBertZ, Quellen der westfälischen Geschichte, Bd . 1, Arnsberg 1857, S . 165–215 .
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
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finden diese Werke durch Chroniken des 16 . und 17 . Jahrhunderts, die aus älteren Vorlagen kompilierten, jedoch häufig eigenständige Aussagen zu Ereignissen während ihrer Entstehungszeit sowie Kommentare und Wertungen früherer Geschehnisse enthalten .110 Die chronikalische Überlieferung in Bezug auf weltliche Territorien in Westfalen und am Niederrhein sowie auf deren Herren erstreckt sich – neben teilweise kurzen, mit Notizen angereichten dynastischen Auflistungen und Kompilationen des späten 15 . Jahrhunderts111 – auf die Chronik der Grafen von der Mark des Levold von Northof (1278–1358),112 die bis 1478 geführte Clevische Chronik des Gert von Schuren (1411 – nach 1489),113 die durch Hermann von Lerbeck verfasste und bis 1407 reichende Chronik der Grafen von Schaumburg114 und Werner Rolevincks De laude antiquae Saxoniae nunc Westphaliae dictae.115 110 Etwa Historisches Archiv der Stadt Köln, Chroniken und Darstellungen 70, Kölner Chronik 1580 und Historisches Archiv der Stadt Köln, Chroniken und Darstellungen 72, Annales Colonienses 1500–1596 um die Mitte des 17 . Jahrhunderts vielleicht von einem Jesuiten verfasst . 111 Jacobi de Susato al . de Sweve, Chronologia comitum de Marka 1390, in: Hrsg . Johann Suibert seiBertZ, Quellen der westfälischen Geschichte, Bd . 1, Arnsberg 1857, S . 216– 220 . Alois meister, Niederdeutsche Chroniken aus dem XV . Jahrhundert, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 70 (1901), S . 43–63 (Darin: Chronik der Herzöge von Cleve bis 1453 und die Chronik von Geldern bis 1437) . Anonymi Chronicon de genealogia successione ac rebus gestis comitum ac postea ducum Clivensium 1450, in: Hrsg . Johann Suibert seiBertZ, Quellen der westfälischen Geschichte, Bd . 3, Arnsberg 1869, S . 323–367 . Cronica Comitum et Principum de Clivis et Marca, Gelriae, Juliae et Montium, necnon archiepiscoporum Coloniensium, usque ad annum 1392, in: Hrsg . Johann Suibert seiBertZ, Quellen der westfälischen Geschichte, Bd . 1, Arnsberg 1857, S . 113–253 . Magnum chronicon in quo cumprimis Belicae res et familiae dilligenter explicantur . Authore vel collectore ordinis S . Augustini canonicorum regularium prope Neuß iam religioso, in: Rerum Germanicarum veteres iam primum publicati Scriptores VI . […]Ex[…]Ioannis Pistorii bibliotheca, Frankfurt, S . 1–420 . Hierzu dotZauer (1996), S . 426 f . 112 Levold von Northof (1278–1358), Cronica comitum de Marca – Die Chronik der Grafen von der Mark, Hrsg . Fritz ZscHaek (= MGH SS rer . Germ . NS 6), Berlin 21955 . Die Chronik der Grafen von der Mark . Von Levold von Northoff , Übers . Hermann FleBBe (= Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Bd . 99), Münster/Köln 1955 . 113 Clevische Chronik nach der Originalhandschrift des Gert von der Schuren nebst Vorgeschichte und Zusätzen von Turk, einer Genealogie des Clevischen Hauses und drei Schrifttafeln, Hrsg . Robert scHölten, Cleve 1884 . 114 Hermanni de Lerbeke […] Chronicon comitum Schawenburgensium e M[anu]s[crip]to erutum et notis illustratum ab Henrico Meibomio, in: Rerum Germanicarum, T . 1, Scriptores Germanicos ab Henrico Meibomiae Seniore, Helmstedt 1668, S . 489–548 . Hermann von Lerbecks Chronik der Grafen von Schaumburg mit den Anmerkungen Meiboms, Übers . Hans rauscH, in: Die Schaumburg-lippische Heimat . Mitteilungen des Vereins für schaumburg-lippische Geschichte, Altertümer und Landeskunde 11 (1951), S . 5–89 . 115 Werner Rolevinck, De laude antiquae Saxoniae nunc Westphaliae dictae . Ein Buch zum Lobe Westfalens, des alten Sachsenlandes, Hrsg . Hermann Bücker, Münster 21982 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Im Anschluss an diesen knappen Überblick über die historiografischen Quellen der in unserer Untersuchung betrachteten Städte sollen nun anhand einiger Beispiele typenspezifische Darstellungsweisen des Seuchengeschehens in Annalen und unterschiedlichen Chroniktypen aufgezeigt werden . Annalen Ihrer knappen Darstellungsweise entsprechend, beschränken sich Annalen zumeist auf bloße Erwähnungen von Seuchenausbrüchen in chronologischer Abfolge der Ereignisse . In der Regel liefern diese Quellen keine weiteren Angaben zum Seuchengeschehen oder den daraus resultierenden Reaktionen . Selbst das spätmittelalterliche Massensterben des Schwarzen Todes wird lediglich in lakonischer Kürze verzeichnet . So heißt es beispielsweise in der bis 1377 reichenden Rezension A der Kölner Annalen: In den jairen uns herren 1350 do was de stervede van den druissen.116 Die mit dem Jahre 1398 abschließende Rezension B übernimmt die Nachricht aus dieser älteren Vorlage, ergänzt die kurze Notiz jedoch um ein weiteres, vom Seuchengeschehen unabhängiges und diesem vorangestelltes zweites Ereignis: In den jaren uns heren 1350, do was de grose romervart, ind was ouch eine grose sterfde an den drosen.117 Dieser Eintrag ist in leicht veränderter Form in das um die Mitte des 15 . Jahrhunderts verfasste annalistische Werk des Tilmann Pluntsch eingeflossen, Kanoniker des Stifts der heiligen Crysanthus und Daria in Münstereifel . Anno domini MCCCL, berichtet die sogenannte Münstereifeler Chronik, was zoe Collen eyne groisse sterffde van den droesen in der Romervart.118 Im Rahmen der Kölner Jahrbücher, die vor allem das Lokalgeschehen in den Blick nehmen, sind kurze Angaben zu Seuchenausbrüchen in der Domstadt vergleichsweise häufig . So wird beispielsweise schon 1358 erneut ein Massensterben van den droisen angeführt, 1365 tobte abermals eine Seuche und 1367 was ein grose sterfde an deim hoiste.119 Aus der Verbindung von Lokalbezug und dem Bemühen um eine chronografische Darstellungsweise120 ergibt sich der Informationswert der Annalen für Fragen nach dem Seuchengeschehen . Selbst als Kompilationen leisten sie einen grundlegenden Beitrag zur Erstellung ungefähren Seuchenchronologie, die es im kritischen Vergleich mit anderen Quellen zu verifizieren gilt . Weltchroniken Die Weltchronik des um das Jahr 1300 geborenen Dominikaners Heinrich von Herford, der den überwiegenden Teil seines gelehrten Lebens bis zu seinem Tod im Oktober 1370 im Mindener Kloster zum hl . Paulus verbrachte, 116 Cölner Jahrbücher (1876), S . 23 . 117 Cölner Jahrbücher (1876), S . 36 . 118 H . J . Floss, Münstereifeler Chronik (1270–1450), in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 15 (1864), S . 193 . 119 Cölner Jahrbücher (1876), S . 37–39 . 120 melville (1975), S . 33–67 u . S . 308–341 .
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
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thematisiert unter anderem das regionale Seuchengeschehen .121 Dabei richten sich Heinrichs Darstellung weit zurückliegender Ereignisse122 wie auch sein Augenzeugenbericht über das Wüten des Schwarzen Todes an seiner Intention zu moralischer Belehrung aus .123 Seuchen erscheinen stets als gerechte Folge göttlichen Zorns über die Sündhaftigkeit der Menschheit, insbesondere den sittlich-moralischen Verfall des Christentums .124 Dieser Zusammenhang erschien für die gelehrten Verfasser von Weltchroniken eingedenk der göttlichen Fluchandrohung bei Missachtung der Gebote evident;125 zumal dann, wenn es sich bei den Autoren um Geistliche handelte . Immerhin heißt es im 4 . Buch Mose: Der Herr wird die Pest an dir haften lassen, bis er dich aus dem Lande vollends vertilgt hat.126 Die Chronisten kompilierten ihre jeweiligen Weltchroniken in der Regel aus einer Vielzahl von Werken vermengt mit Berichten aus der eigenen Lebenswelt . Wie stark im Rahmen einer Weltchronik Augenzeugenberichte vom Wirken einer Seuche Lokalbezüge herausstellen, ist individuell verschieden . Tritt im Bericht des Heinrich von Herford über den Schwarzen Tod das regionale Element zugunsten der universalgeschichtlichen Ausprägung in den Hintergrund, erscheinen im Cosmidromius des Paderborner Klerikers Gobelin Person (1358–1421) lokale Aspekte stärker betont . Person verbrachte die meiste Zeit seines bewegten Lebens, das ihn in jungen Jahren gar in die Dienste des Heiligen Stuhls geführt hatte, in seiner westfälischen 121 Hierzu scHumann (1996), S . 184 ff . Zur regionalgeschichtlichen Dimension von Weltchroniken Peter JoHanek, Weltchronistik und regionale Geschichtsschreibung im Spätmittelalter, in: Hrsg . Hans patZe, Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter (= Vorträge und Forschungen 31), Sigmaringen 1987, S . 287–330 . 122 Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 95 f . 123 scHumann (1996), S . 162 ff . u . S . 185 f . 124 Besonders deutlich tritt dieser Aspekt noch in Schriftzeugnissen des 17 . und 18 . Jahrhunderts zutage . So heißt es etwa bei Karl Franz meyer, Aachensche Geschichten, Aachen 1781, S . 468 zum Ausbruch einer Seuche in Aachen im Jahre 1576: Ein so scheusliches Chaos (…) reizte den göttlichen Zorn, und endlich kam die Zucht-Ruthe über Babel, denn die Pest schlich abermals in Aachen ein. Ähnliche Beispiele nennt für Süddeutschland und die Schweiz Walter Gerd rödel, Die Obrigkeiten und die Pest . Abwehrmaßnahmen in der frühen Neuzeit – Dargestellt an Beispielen aus dem Süddeutschen und Schweizer Raum, in: Hrsg . Neithard Bulst u . Robert delort, Maladies et société (XIIe–XVIIIe siècles) . Actes du Colloque de Bielefeld, Paris 1989, S . 188 . 125 Vgl . hierzu allgemein Karl Heinrich krüger, Die Universalchroniken (= Typologie des Sources du Moyen Âge Occidental 16), Turnhout 1976; Nachtrag, Turnhout 1985 . AnnaDorothee von den Brincken, Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in das Zeitalter Ottos von Freising, Düsseldorf 1957 . dies, Die lateinische Weltchronistik, in: Hrsg . Alexander randa, Mensch und Weltgeschichte . Zur Geschichte der Universalgeschichtsschreibung, Salzburg/München 1969, S . 43–58 u . S . 77–85 . 126 Deut . 28, 21 f . Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testamentes . Nach den Grundtexten übersetzt und herausgegeben von Vinzenz Hamp / Meinrad stenZel / Josef kürZinger, Aschaffenburg 1977 . Im biblischen Originaltext ist in diesem Zusammenhang von dever die Rede . Das Wort dever wird in der deutschen Übersetzung mit „Pest“, in der englischen mit „pestilence“ wiedergegeben . Vgl . The Holy Scriptures . A Jewish Bible according to the Masoretic Text . Hebrew and English . Revised by M . Friedländer, Tel Aviv 1979 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Heimat .127 Zwar hatte er das infernalische Wüten des Schwarzen Todes noch nicht selbst erlebt, doch konnte er sich wahrscheinlich auf die plastischen Erzählungen von Zeitzeugen stützen . Person beschreibt das Massensterben per Germaniam im Allgemeinen und in civitate Paderburnensi im Besonderen . Wertvoller als seine Darstellung des Schwarzen Todes erscheinen jedoch die auf eigener Anschauung beruhenden Notizen, in denen sich ein Teil Paderborner Lebenswirklichkeit der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts widerspiegelt . Multe pestilencie interim fuerunt, heißt es über die Jahre zwischen dem Schwarzen Tod und der Niederschrift des Cosmidromius. Weiter führt der Chronist aus: Et deinde pestilencie in ulterios annos in civitate Paderburnensi et locis circumvicinis dilate nondum ad presens cessaverunt.128 Abgesehen von mehr oder weniger facettenreichen Augenzeugenschilderungen tauchen in den Weltchroniken bisweilen auch Berichte über Seuchenausbrüche auf, die sich in erheblichem Abstand zur Entstehungszeit der Quelle zugetragen haben sollen . Solche Darstellungen gilt es besonders kritisch zu betrachten . In der Regel sind diese Ausführungen im Rahmen der Kompilation aus älteren Vorlagen in das Werk eingeflossen . Diese Beobachtung trifft auch auf andere Chroniktypen zu . Dabei kann der Kompilator die entnommene Information jedoch seinen eigenen Ausführungen dergestalt angepasst haben, dass ein ursprünglich auf einen anderen Ort bezogener Seuchenbericht nun auf die ganze Welt, die Heimatregion oder -stadt des Verfassers übertragen wird .129 Welche Entwicklung eine so übernommene Nachricht im Laufe der Jahrhunderte durchmachen kann, illustriert das folgende Beispiel: Heinrich von Herford notiert für das Jahr 1003: Fames et mortalitas tam graviter per totum pene orbem invaluit, ut sepelientium tedio vivi spiritum adhuc trahentes cum mortalitas obruerentur.130 Der Mindener Dominikaner entlehnte diese Anführung dem chronikalischen Werk des Sigebert von Gembloux (um 1030–1112), der seinerseits bereits kein Augenzeuge des von ihm für das Jahr 1006 [!] geschilderten Ereignisses mehr war . Die Verbindung von Hunger und Massensterben legt die Vermutung nahe, dass die von Sigebert genannte Sterblichkeit durch das Wüten des ignis sacer verursacht wurde . Nicht die „ganze Welt“, wohl aber Sigeberts lothringische Heimat, Wallonien, Flandern sowie die Ile-de-France, die Champagne und weitere Regionen wurden am Ende des 10 . und während des 11 . Jahrhunderts mehrfach schwer vom Heiligen Feuer heimgesucht . In jährlichem Abstand traten Mutterkorn-
127 Baumann (1995), S . 13 ff . 128 Cosmidromius (1900), S . 57 . 129 Hierzu allgemein Gert melville, Kompilation, Fiktion und Diskurs . Aspekte zur heuristischen Methode der mittelalterlichen Geschichtsschreiber, in: Hrsg . Christian meier / Jörn rüsen, Historische Methode (= Theorie der Geschichte . Beiträge zur Historik 5), München 1988, S . 133–153 . Kay Peter JankriFt, The Language of Plague and its Regional Perspectives: The Case of Medieval Germany, in: Hrsg . Vivian nutton, Pestilential Complexities . Understanding Medieval Plague (= Medical History, Supplement 27), London 2008, S . 53–59 . JankriFt (2012), S . 4 . 130 Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 95 f .
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
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vergiftungen seit 993 massenhaft in diesen Gebieten auf .131 Mit Ausnahme einer Nennung in den Annales Xantenses für das Jahr 857 scheint der Ergotismus rechts des Rheins jedoch erst im frühen 12 . Jahrhundert in größerem Ausmaß Opfer gefordert zu haben .132 Die durch Heinrich von Herford übernommene Nachricht wird von späteren Mindener Chronisten aufgegriffen und in die Lokalberichterstattung eingeflochten . So ist der nach der Mitte des 15 . Jahrhunderts entstandenen sogenannten jüngeren Bischofschronik zu entnehmen, zur Zeit des Bischofs Ramward (996–1002) habe allerorts eine solche Hungersnot geherrscht, dass die Lebenden beim Begraben der Toten ihre Lebensgeister (spiritus) aushauchten und ihrerseits in die Gräber sanken .133 Eine genauere Datierung entfällt . Schließlich verlegt das in der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts verfasste Chronicon Domesticum et Gentile des Heinrich Piel das Geschehnis ins Jahr 1009 und interpretiert dies nun auf seine Weise: Bei dieses zeiten anno 1009 ist so groß hunger über die ganzen welt gewesen, daß die meiste teil der leute verschmachtede und jamerlich umbkemen. Und die lebendigen, so die doden begraben, sein bei den greberen aus folgender [sic!] pestilenz dalgefallen und gesturben.134 Im Fluss des lokalen Handlungsrahmens, schließt die „ganze welt“ wie selbstverständlich auch Minden ein . Im Laufe von rund 600 Jahren hat sich so durch immer weitere Rezeption ein Seuchengeschehen, das sich in Lothringen und Teilen Frankreichs zugetragen hatte, gewissermaßen zum Lokalereignis gewandelt . Neben der Möglichkeit, dass Schilderungen eines weit vor der Lebensund Schaffenszeit des Chronisten liegenden Seuchengeschehens über den Weg der Kompilation in das Werk geraten sind, besteht in solchen Fällen der Verdacht, dass eine Epidemie, häufig in einem Atemzug mit Naturkatastrophen und Kriegen genannt, als feststehender Topos vom Verfasser lediglich als Versatzstück hin- und wieder eingeschoben wurde . Lässt sich eine solche Praxis innerhalb der in Rheinland-Westfalen entstandenen Weltchroniken nicht eindeutig belegen, so wird dies im Spiegel von Bischofschroniken aus der Region offensichtlich .
131 BiraBen (1996), S . 391 . miscHleWski (1989), S . 250 f . Ein herausragendes Beispiel für die religiöse Bewältigung des Antoniusfeuers findet sich in der Verehrung des vierten Abts von Cluny, Maiolus, zu dessen Grab in Souvigny 997 während eines massiven Auftretens der Krankheit in Burgund zahllose Menschen in Hoffnung auf Heilung pilgerten . Nur wenige Jahre nach seinem Tod 994 wurde der Cluniazenserabt heiliggesprochen . Vgl . Joachim WollascH, Cluny – Licht der Welt . Aufstieg und Niedergang der klösterlichen Gemeinschaft, Zürich/Düsseldorf 1996, S . 99 . 132 BiraBen (1996), S . 391 . scHmitZ-cliever (1954/55), S . 112 f . 133 Die jüngere Bischofschronik, in: Die Bischofschroniken des Mittelalters . Hermann’s von Lerbeck Catalogus episcoporum Mindensium und seine Ableitungen, Hrsg . Klemens löFFler (= Mindener Geschichtsquellen Bd . 1), Münster 1917, S . 126 . 134 Chronicon Doemesticum et Gentile (1981), S . 25 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Bischofschroniken Anders als Weltchroniken, die für berichtenswert empfundene Nachrichten aller Art zusammenstellen, konzentrieren sich die Bischofschroniken ihrer Ausrichtung entsprechend vorrangig auf Leben und Wirken der jeweiligen Bischöfe . Dieser Blickwinkel kann dazu führen, dass manche der am Niederrhein und in Westfalen entstandenen Bischofschroniken überhaupt keine Angaben zum Seuchengeschehen enthalten . Die Kölner Cronica Presulum et Archiepiscoporum Coloniensis Ecclesie etwa erwähnt nicht einmal den Schwarzen Tod . Krankheiten werden dort nur dann zum Berichtsgegenstand, wenn sie einen der Erzbischöfe persönlich betreffen . So heißt es beispielsweise über Erzbischof Everger (985–999): Et pestem [!] podagricam dextro pede incidit.135 In diesem Zusammenhang wird der Begriff pestis wohl als Synonym für ein krankheitsbedingtes Übel allgemein gebraucht . Immerhin handelt es sich bei der erwähnten Podagra selbst nach zeitgenössischer Auffassung nicht um eine pestilenzartige Krankheit .136 Im Gegensatz zu diesem Kölner Beispiel greifen Bischofschroniken aus Minden und Münster Seuchen in drei unterschiedlichen Grundformen als Berichtsgegenstand auf . Zum ersten findet sich gewissermaßen die Form eines Augenzeugenberichts . Das Werk des Florenz von Wevelinghoven, von 1364 bis 1378 selbst Bischof von Münster und bis zu seinem Tode 1393 Bischof von Utrecht, enthält Schilderungen des lokalen Seuchengeschehens besonders für die unmittelbar der Amtsperiode des Chronisten vorausgehenden zwei Jahrzehnte sowie für den daran anschließenden, von einem unbekannten Verfasser in Fortführung der Chronik dargestellten Zeitraum . Trotz ihrer subjektiven Färbung liefern diese Augenzeugenberichte zahlreiche Informationen zu den Auswirkungen von Seuchen in der westfälischen Stadt . In diesem Zusammenhang werden die Handlungen des jeweiligen Bischofs bisweilen hervorgehoben . Im unmittelbaren Anschluss an die Beschreibung des Schwarzen Todes wird erwähnt, dass Bischof Ludwig II . von Hessen (1310–1357) die Feier des Festes Mariä Empfängnis eingeführt habe .137 Im Gegensatz dazu tauchen in den Mindener Bischofschroniken keine Seuchenschilderungen nach eigenem Erleben der Verfasser auf . Diese beschränken sich vielmehr darauf – die zweite Berichtsform – sämtliche Ausführungen zum Seuchengeschehen aus älteren Vorlagen zu rezipieren und bisweilen durch Angaben über die lokalen Verhältnisse zu ergänzen . Der Domherr Heinrich Tribbe beispielsweise fügt seinem aus der Weltchronik Heinrichs von Herford entlehnten Bericht über den Schwarzen Tod hinzu, dass die Seuche
135 Historisches Archiv der Stadt Köln, Chroniken und Darstellungen 9, fol .34 . 136 Gundolf keil, blutken-bloedekijn . Anmerkungen zur Ätiologie der Hyposhagma-Genese im „Pommersfeldener schlesischen Augenbüchlein“ (1 . Drittel des 15 . Jahrhunderts) . Miteiner Übersicht über die augenheilkundlichen Texte des deutschen Mittelalters, in: Fachprosaforschung .Grenzüberschreitungen 8/9 (2012/2013), S . 10 . 137 Florenz von Wevelinkhoven’s Chronik (1851), S . 49: Hic eciam Ludowicus fastum concepcionis beate Marie ad celebrandum instituit …
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
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1350 auch Minden erreichte und dort 24 Wochen andauerte .138 Über den Berichtszeitraum Heinrichs von Herford hinausgehende Seuchenbeschreibungen finden sich nicht . Das Fehlen weiterer Nachrichten über epidemische Erkrankungen ist jedoch – anders als man anzunehmen geneigt sein könnte – schon angesichts des in anderen Quellen belegten dichten Seuchengeschehens in Westfalen und am Niederrhein zwischen der Mitte des 14 . und des 15 . Jahrhunderts kein Beweis dafür, dass Minden während dieser Zeit von Seuchen verschont blieb . Die dritte Form, in der Seuchen zum Berichtsgegenstand in Bischofschroniken werden können, ist die eines feststehenden Topos . Als Versatzstück verwendet, weisen solche Ausführungen keine (nachweisbaren) Bezüge zu realem Geschehen auf . So lagen beispielsweise Florenz von Wevelinghoven offenbar keine oder nur sehr wenige Informationen zum Wirken des 967 verstorbenen münsterischen Bischofs Hildebold vor, dessen Lebensbeschreibung sich auf nicht mehr als zwei Sätze erstreckt .139 Neben der allgemeingültigen Aussage, dass sein Amtsvorgänger quamplurima bona fecit ecclesie et fratribus, erwähnt Florenz eine Seuche, die in der ganzen Welt gewütet habe und der angeblich auch Hildebold erlag . Ein derartiges Massensterben wird für das nämliche Jahr jedoch in keiner anderen Quelle westfälischer oder rheinischer Provenienz erwähnt . Selbst die Weltchronik des Heinrich von Herford vermag nichts darüber zu berichten . Ein weiteres Beispiel für den Einsatz des Seuchenmotivs möglicherweise ohne reale Hintergründe liefert die sogenannte jüngere Bischofschronik des Heinrich Tribbe für Minden . Die Erwähnung einer Epidemie dient an dieser Stelle offensichtlich dem Zweck moralischer Belehrung: Im Jahre 1201, nach einer anderen Handschriftenvariante 1101, grassierte den Ausführungen Tribbes zufolge eine nicht näher beschriebene Seuche in Minden .140 Während der nämlichen Epidemie seien die Schwestern des von Bischof Milo (969–996) gegründeten Benediktinerinnenklosters, des Marienstifts, demütig und einfach gekleidet gewesen . Danach jedoch hätten sie das Joch der Regel abgelegt (regulae iugum deponebant). Der Verfall der Klosterdisziplin, den der Chronist anprangert, bezieht sich auf den Konflikt zwischen der Äbtissin und ihrem Konvent über die Administration des im Laufe der Zeit beträchtlich gewachsenen Klosterbesitzes .141 Angesichts dieses Sachverhalts regt sich der Verdacht, dass der Domherr Tribbe das Seuchenmotiv lediglich als Ermahnung zu demütigem monastischem Leben einsetzte . Die beschriebene tödliche Seuchengefahr, die vermeintlich wahre klösterliche Identität stiftete, bezieht sich nicht auf ein reales Ereignis . 138 Jüngere Bischofschronik (1981), S . 202 . 139 Florenz von Wevelinkhoven’s Chronik (1851), S . 13: Huius temporibus fuit in universo mundo maxima mortalitas hominum, in qua et ispse periit. Et quamplurima bona fecit ecclesie et fratribus et apud sanctum Clementem est sepultus. 140 Jüngere Bischofschronik (1981), S . 125 . 141 Hans Jürgen Brandt, Minden-Benediktinerinnen, gen . Marienstift, in: Hrsg . Karl Hengst, Westfälisches Klosterbuch . Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung, Teil II, Münster 1992, S . 606 f .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Wie Seuchen als feststehender Topos von spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Chronisten gelegentlich verwendet wurden, veranschaulicht auch die Osnabrücker Bischofschronik des Bürgermeisters Ertwin Ertmann (ca . 1430– 1505) .142 Im Jahre 1200, so verzeichnet der Chronist, sei der Zorn Gottes auf die ganze Welt herabgekommen . Viele Städte Sachsens und Westfalens, besonders aber Osnabrück, Soest und Magdeburg, seien im Feuer verbrannt und durch eine plötzliche Pestilenz schwer heimgesucht worden .143 Der Bericht steht nicht im Zusammenhang mit zuvor oder im Anschluss geschilderten Ereignissen und setzt ohne jede Überleitung unvermittelt ein . Da keine weitere westfälische oder niederrheinische Quelle auf ein Seuchengeschehen im Jahre 1200 hinweist, liegt auch in diesem Falle der Verdacht nahe, dass der Beschreibung keine tatsächliche Begebenheit zugrunde liegt . Dese Vermutung wird durch die gleichzeitige Nennung der Feuersbrünste noch erhärtet . Seuchen, Hungersnot und Naturkatastrophen werden in den Darstellungen oftmals in einem Atemzug genannt . Sie bilden eine Trias, die – aus der apokalyptischen Offenbarung des Johannes herrührend – als klassischer Topos ideale Verwendung in erzählenden Quellen finden konnte . Stadtchroniken Unter den erzählenden Quellen liefern Stadtchroniken in aller Regel recht umfangreiche Nachrichten über das regionale und lokale Seuchengeschehen .144 Besonders aus der Lebens- und Schaffenszeit ihrer Verfasser finden sich häufig reiche Ausführungen,145 die in naturgemäß subjektiver Färbung 142 Zur Person Ertmanns Christian HoFFmann, Grenzen von Etablierung und Aufstieg in der altständischen Gesellschaft . Die Familie Ertmann in Osnabrück, in: Osnabrücker Mitteilungen 101 (1996), S . 11–64 . Vgl . auch Josef deutscH / Franz Josef WorstBrock, Ertwin Ertmann, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters . Verfasserlexikon, Bd . 2, Berlin/New York 1980, Sp .623–624 . Allgemein zu Bürgermeistern als Chronisten Rainer postel, Warumb ich have disse Historiam beschribben. Bürgermeister als Chronisten, in: Hrsg . Peter JoHanek, Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit (= Städteforschung A/47), Köln/Weimar/Wien 2000, S . 319–332 . 143 Ertwini Ertmanni Cronica sive catalogus episcoporum Osnaburgensium, Hrsg . Hermann Forst, in: Hrsg . Friedrich pHilippi / Hermann Forst, Osnabrücker Geschichtsquellen, Bd . 1: Die Chroniken des Mittelalters, Osnabrück 1891 [Neudruck: Osnabrück 1977], S . 66: Deinde anno sequenti ira Dei descendit in omnem terram, et precipue in Saxonia et Westphalia multe civitates igni incense et maxima pars civitatum Osnabrugge, Susatum et Magduburgh ac aliarum plurimarum fuit combusta, et ex pestilencia quasi subitanea plures mortui fuerunt, et fuit per universum. 144 Vgl . hierzu allgemein die Beiträge im Band von Peter JoHianek (Hrsg .), Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit (= Städteforschung A/47), Köln/Weimar/Wien 2000 . 145 Zur Unterscheidung von Historiografie und Gegenwartschronistik Franz-Josef scHmale, Funktionen und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung . Eine Einführung, Darmstadt 1985, S . 24–26 . Ursula moraW, Die Gegenwartschronistik in Deutschland im 15 . und 16 . Jahrhundert, Phil . Diss . Heidelberg 1966 . Zur Funktion städtischer Geschichtsschreibung Heinrich scHmidt, Bürgerliches Selbstverständnis und städtische Geschichtsschreibung im deutschen Spätmittelalter, in: Hrsg . Peter JoHanek, Städtische Geschichts-
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
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die Wahrnehmung von Seuchen sichtbar werden lassen und Eindrücke der Reaktionen in einer betroffenen Stadt vermitteln .146 Von deutlich geringerem Aussagewert sind demgegenüber aus anderen Werken kompilierte Schilderungen früherer Ereignisse, zumal nicht in jedem Fall zu ergründen ist, ob mit der Übernahme nicht auch deren gleichzeitige Anpassung an das lokale Blickfeld der Chronik verbunden war . So schöpft beispielsweise die Dortmunder Chronik des zur Mitte des 16 . Jahrhunderts wirkenden Dietrich Westhoff ihre Information über einen Seuchenausbruch in der westfälischen Reichsstadt im Jahre 1358 aus der Koelhoffschen Chronik .147 Obwohl in der Vorlage Dortmund überhaupt nicht erwähnt wird, bezieht Westhoff den Bericht nun auf seine Heimatstadt: 1358 ist to Dortmunde und meer platzen ein […] pestilenz gewesen.148 Daneben erwähnt der Chronist ohne erkennbaren Grund mehrfach das Seuchengeschehen in Florenz . Ein pestilenz, so heißt es beispielsweise zum Jahre 1418, heft dis jaers to Florenz bij sestein dusent menschen erworgt und hengenommen.149 Bei der Behandlung solcher Ereignisse, die mehr oder weniger lange vor der Wirkungszeit des Verfassers stattgefunden haben (sollen), überwiegen deutlich historiografische gegenüber chronografischen Aspekten . Deshalb erweist sich die zeitliche Zuordnung der erwähnten Geschehnisse nicht immer als zutreffend . Das im 16 . Jahrhundert verfasste Chronicon Domesticum et Gentile des Mindener Ratsherrn Heinrich Piel etwa verlegt die Geißlerzüge im Umfeld des Schwarzen Todes chronologisch falsch in die 1320er Jahre .150 Eine Ausnahme unter den Stadtchroniken bilden diejenigen während des 15 . und 16 . Jahrhunderts entstandenen Werke, die nahezu Werbeschriftcharakter annahmen und primär auf die Herausstellung von Vorzügen einer Stadt bedacht waren .151 Mit dieser lokalpatriotischen Präsentation ist das Bild einer „gesunden“ Stadt verbunden, das durch die Erwähnung von Epidemien keinesfalls getrübt werden durfte . Heinrich van Beecks Agrippina beispielsweise enthält trotz ihrer geringen Eigenständigkeit und der Verwendung von Vorlagen, die über das Seuchengeschehen in Köln sehr wohl berichten, keinen Hinweis auf irgendeine Pestilenz . Besonders deutlich tritt die gleiche programmatische Ausrichtung in einer anonymen Kölner Chronik des späten 16 . Jahr-
146 147 148 149 150 151
schreibung im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit (= Städteforschung A/47), Köln/ Weimar/Wien 2000, S . 1–17 sowie die Einleitung von Peter JoHanek, S .VII–XIX im selben Band . Peter JoHanek., Hofhistoriograph und Stadtchronist, in: Walter Haug / Burghard WacHinger, Autorentypen (= Fortuna vitrea 6), Tübingen 1991, S . 50–68 . Koelhoffsche Chronik (1877), S . 690 . Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 218 . Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 298 . Chronicon Domesticum et Gentile (1981), S . 61 . Klaus arnold, Städtelob und Städtebeschreibung im späteren Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Hrsg . Peter JoHanek, Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit (= Städteforschung A/47), Köln/Weimar/Wien 2000, S . 247– 268 . Vgl . auch Gerhard tHeuerkauF, Die Interpretation historischer Quellen . Schwerpunkt: Mittelalter, Paderborn 21997, S . 190 f .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
hunderts zutage, die mit denselben Worten beginnt, die schon das Stadtwappen über dem Eigelsteintor zierten: O Edele fleck von Gode erweckt. Du bist der Welt Krone. Dheins gleich hat kein Reich …152 Haus- und Landeschroniken Seuchen finden im Rahmen westfälischer und niederrheinischer Haus- und Landeschroniken kaum Erwähnung . Werke, wie das des Levold von Northof für die Grafen von der Mark verfasste, konzentrieren sich vor allem auf Fragen dynastischer Kontinuität sowie auf die Leistungen der herrschaftlichen Familie und ihrer Mitglieder .153 Obwohl Augenzeuge des Schwarzen Todes, streift Levold das Ereignis lediglich mit einer Randbemerkung . Werner Rolevincks „Westfalenlob“ nimmt aufgrund seiner Ausrichtung ebenfalls keinen Bezug auf das Wirken von Seuchen . Urkunden (außer Leprosen- und Pesthäuser) Mit Ausnahme von Wesel liegt für die untersuchten westfälischen und niederrheinischen Städten im Allgemeinen eine umfangreiche Urkundenüberlieferung vor . Diese umfasst in der Regel ein breites Spektrum . Neben einer überschaubaren Zahl von Herrscherurkunden sowie päpstlichen Privilegien für geistliche Institutionen behandelt eine mehr oder weniger große Zahl an Privaturkunden städtische Verwaltungs- und Zunftangelegenheiten, die Belange weltlicher und geistlicher Einrichtungen sowie private Rechtsgeschäfte verschiedenster Art . Während der größte Teil des Urkundenmaterials bis in die zweite Hälfte des 14 . Jahrhunderts ediert oder in Regesten systematisch erschlossen ist,154 harrt die bisweilen große Fülle von Privaturkunden des ausge152 Historisches Archiv der Stadt Köln, Chroniken und Darstellungen 70, fol . 1r . Vgl . auch Franz-Reiner erkens, Sozialstruktur und Verfassungsentwicklung in der Stadt Köln während des 11 . und frühen 12 . Jahrhunderts, in: Hrsg . Jörg Jarnut / Peter JoHanek, Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11 . Jahrhundert (= Städteforschung A/43), Köln, Wien, Weimar 1998, S . 192 . 153 Hierzu Peter JoHanek, Die Schreiber und die Vergangenheit . Zur Entfaltung einer dynastischen Geschichtsschreibung an den Fürstenhöfen des 15 . Jahrhunderts, in: Hrsg . Hagen keller / Klaus gruBmüller / Nikolaus stauBacH, Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter . Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen (= Münstersche Mittelalter-Schriften 65), München 1992, S . 195–209 und JoHanek. (1991), S . 50–68 . Allgemein auch Gert melville, Vorfahren und Vorgänger . Spätmittelalterliche Genealogien als dynastische Legitimation zur Herrschaft, in: Hrsg . Peter-Johannes scHuler, Die Familie als historischer und sozialer Verband . Untersuchungen zum Spätmittelalter und zur frühen Neuzeit, Sigmaringen 1987, S . 203–309 . 154 Vgl . u . a . Aachener Urkunden 1101–1250, Hrsg . Erich meutHen (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 58), Bonn 1972 . Regesten der Reichsstadt Aachen . Einschließlich des Aachener Reiches und der Reichsabtei Burtscheid . 1251– 1310, Hrsg . Wilhelm mummenHoFF (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 17), Bonn 1961 . Regesten der Reichsstadt Aachen . Einschließlich des Aachener Reiches und der Reichsabtei Burtscheid, Bd . 2: 1301–1350, Hrsg . Albert Huys-
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henden Mittelalters weiterhin ihrer Edition . Die bei weitem überwiegende Zahl der in westfälischen und niederrheinischen Städten gefertigten oder von weltlichen und geistlichen Herrschern für diese Gemeinwesen sowie für einzelne Institutionen ausgestellten Urkunden enthält keine Informationen über Seuchen . Reaktionen auf das Auftreten einer Epidemie spiegeln sich – in sehr begrenztem Maß – vornehmlich in besitzrechtlichen Schriftstücken wider, die während des Schwarzen Todes oder in geringem zeitlichem Abstand zu dieser Katastrophe entstanden sind . Gegenstand ist dabei vor allem die Einigung über das Gut, das von den ermordeten und vertriebenen Juden eingezogen worden war . So urkundeten beispielsweise Graf Engelbert III . von der Mark und die Stadt Dortmund am 28 . Juni 1350 über die Aufteilung der in der westfälischen Reichsstadt konfiszierten jüdischen Habe .155 Sind direkte Bezüge zu Seuchen und ihren unheilvollen Begleiterscheinungen in den Urkunden sehr selten, so geben diese mitunter Details zum Medizinalwesen preis . Ärzte, Wundärzte und Apotheker bezeugten bisweilen oder tätigten gar selbst Rechtsgeschäfte . Dies zeigen unter anderem zwei Beispiele aus Soest . Am 2 . Februar 1265 übertrug Conrad von Rüdenberg dem Kloster Welver sechs Morgen Land bei Klotingen, die Nicolaus Berstraten dem Kloster verkauft hatte .156 Dem Wortlaut der Urkunde zufolge wurde das Geschäft im (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 17), Köln 1937 . Dortmunder Urkundenbuch, 4 Bde ., Hrsg . Karl rüBel, Dortmund 1881–1910 [Neudruck: Osnabrück 1975/1978] – erfasst Urkunden von 789 bis 1410 . Künftig: DUB . Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, 6 Bde ., Hrsg . Leonard ennen / Gottffied eckertZ, Köln 1860–1879 [Neudruck: Aalen 1980] – erfasst Urkunden bis 1397 . Der jüngste Band der Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, Bd . 12,1, Hrsg . Norbert andernacH (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtstskunde 21), Düsseldorf 2001 führt die Reihe bisher bis zum Jahre 1414 . Münsterisches Urkundenbuch . Das Stadtarchiv Münster, Teil 1, Halbbd . 1 . 1176–1440, Bearb . Joseph prinZ (= Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, NF 1), Münster 1960 . Künftig: MUB . Urkundenbuch der Stadt Duisburg, 2 Bde ., Hrsg . Joseph milZ (= Duisburger Geschichtsquellen 8 u . 11), Duisburg 1989/1998 – reicht bis 1400 . Urkundenbuch des Stiftes Xanten, Bearb . Peter Weiler (= Veröffentlichungen des Vereins zur Erhaltung des Xantener Domes 2), Bonn 1935 – reicht bis 1359 . Urkunden und Akten des Essener Münsterarchivs, Hrsg . K . Heinrich scHaeFer / Franz arens, in: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 28 (1906) . Urkundenbuch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogthums Westfalen, Bearb . Johann Suibert seiBertZ, 3 Bde ., Arnsberg 1839–1854 enthält Urkunden von 799 bis 1800 . Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins oder des Erzstifts Cöln, der Fürstenthümer Jülich und Berg, Geldern, Meurs, Cleve und Mark, und der Reichsstifte Elten, Essen und Werden, 4 Bde ., Hrsg . Theodor Joseph lacomBlet, Düsseldorf 1840–1858 [Neudruck: Aalen 1960] . Der vierte Band erfasst Urkunden von 1401 bis zum Erlöschen des Jülich-Cleveschen Hauses 1609 . Die bisher erschienenen elf Bände des Westfälischen Urkundenbuches (Künftig . WUB) und ihre Teilbände umfassen neben den westfälischen Papsturkunden bis zum Jahre 1304 Urkunden der Bistümer Minden, Münster und Paderborn sowie des kölnischen Westfalen bis ins 14 . Jahrhundert . Vgl . etwa Urkundenbuch des Bistums Paderborn 1301–1325, Liefg .1–5 (= WUB 9), Münster 1972–1993 . 155 DUB 1, Nr . 665 . 156 Die Urkunden des kölnischen Westfalens vom Jahre 1200–1300 (= WUB 7), Münster 1908–1919 [Neudruck: 1980], Nr . 1213 . kens
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Hause des Physicus Magister Hermann am Patroklimünster vorgenommen . Dies ist zugleich der älteste Beleg für die Anwesenheit eines Arztes in Soest .157 An einer Güterschenkung unmittelbar beteiligt war rund dreißig Jahre später Hermanns Standeskollege Johannes genannt Judeus, medicus von Soest. Dieser Johannes, gleichsam Sohn eines Arztes, übertrug vor dem Rat von Brilon am 19 . Februar 1297 gemeinsam mit seinem Bruder Güter in Berwich an das Kloster Welver .158 Die Urkunden enthalten demnach neben prosopografischen Angaben auch Hinweise auf die Besitzverhältnisse der Ärzte- und Wundärzteschaft . Dies gilt in besonderem Maße für die Zunfturkunden der Chirurgen und Barbiere .159 Einblicke in deren Rolle bei der Seuchenbekämpfung oder die medizinische Alltagspraxis vermitteln jedoch auch diese Dokumente naturgemäß nicht . Darüber hinaus finden sich in den Urkunden verschiedentlich fragmentarische Aussagen über hygienische Verhältnisse und sonstige für das epidemiologische Geschehen relevante Faktoren . So wurde etwa die nachbarschaftliche Einigung bezüglich einer Wasserleitung ebenso zum Gegenstand eines Rechtsgeschäfts wie die Schlichtung eines Streits um die Nutzung eines Abtritts . Urkunden gänzlich anderen Inhalts können nebenbei vereinzelte Informationen zur topografischen Lage etwa von Brunnen, Kloaken, Friedhöfen, dem Schindanger oder öffentlichen Badestuben liefern . Zwei Beispiele aus Minden mögen dies kurz veranschaulichen: Am 18 . Oktober 1318 verpachtete der Mindener Rat einem gewissen Gerhard von Valva und seinem Verwandten Conrad einen Platz im Stadtgraben inter valvam sancti Symeonis et cloacam proximam situm. Der Hinweis auf die nächstgelegene Kloake, die in diesem Zusammenhang zur genaueren topografischen Bestimmung des verpachteten Grundes diente, verrät, dass mehrere solcher Entsorgungsgruben bestanden und öffentlich genutzt wurden . Hätte es sich bei der erwähnten cloaca um eine private Anlage gehandelt, wäre zum Zwecke der in diesem Fall angestrebten genaueren Ortsbestimmung wahrscheinlich der Name des Besitzers genannt worden . Im zweiten Fall belegt eine Urkunde, ausgestellt am 23 . Juni 1369, die Einigung des Domherrn Johann von Heymberg mit dem Rat der Stadt Minden über die Einrichtung eines privaten Abtritts . Da der Abfluss unter der Stadtmauer und mithin öffentlichem Grund hindurch führte, benötigte Heymberg die Zustimmung des Rates . Dieser kam der Bitte des Domherrn aus „Freundschaft“ (umme vrunscop) nach .160 Für den Fall, dass die Stadt aber eine Verbreiterung des Weges bei der Mauer vornehmen sollte, verpflichtete sich Johann von 157 Vgl . hierzu Clemens Hecker, Die Ärzte und Wundärzte von Soest von 1265–1785, Hamburg 1940 . JankriFt (2010) . 158 WUB 7, Nr . 2448 . 159 Vgl . etwa Die Kölner Zunfturkunden nebst Kölner Gewerbeurkunden bis zum Jahre 1500, 2 Bde ., Hrsg . Heinrich von loerscH (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 22), Bonn 1907 [Neudruck: Düsseldorf 1984] . 160 Die Urkunden des Bistums Minden 1301–1325 (= WUB X), Bearb . Robert krumBHoltZ, 2 ., verbesserte und ergänzte Auflage von Joseph prinZ, Münster 1977, Nr . 608 .
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Heymberg, seine Abflußrinne, sofern er diese behalten wollte, auf eigene Kosten weiterzuverlegen ane der stad schaden.161 Der Rat und die Stadtbevölkerung: Städtisches Schriftgut Ratsprotokolle Ratsprotokolle vermitteln oftmals umfassende Eindrücke vom Verhalten städtischer Obrigkeiten beim Ausbruch von Seuchen sowie – vor allem im Falle der Lepra – vom Umgang mit Erkrankten . Leider sind spätmittelalterliche Ratsprotokolle nur in wenigen westfälischen und niederrheinischen Städte erhalten . Neben Köln, wo die Überlieferung sogar bis vor die Mitte des 14 . Jahrhunderts zurückreicht,162 existieren mittelalterliche Ratsprotokolle nur noch in Soest und Wesel sowie in beschränktem Umfang in Essen .163 Während diese wichtigen Zeugnisse der Stadtgeschichte zumindest ab den 1530er Jahren auch für Duisburg und Münster vorliegen,164 sind Niederschriften von Ratsverhandlungen in den übrigen untersuchten Gemeinwesen erst aus sehr viel späterer Zeit vorhanden . In Ratsbeschlüssen spiegeln sich zeitspezifische Wahrnehmungen verschiedener Infektionskrankheiten deutlich wider . Umfang und Art der angeordneten Bekämpfungsmaßnahmen lassen erkennen, inwieweit sich die Erkrankungen möglicherweise ausgebreitet hatten oder wie die Ausbreitungsgefahr eingeschätzt wurde . Unabhängig von solchen Erwägungen fällt auf, dass sich der Maßnahmenkatalog im Laufe der Zeit insgesamt zwar beständig er-
161 Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden A I, Nr . 113 . Druck: Urkunden zur Geschichte des Städtewesens in Mittel- und Niederdeutschland Bd . 2, Hrsg . Friedrich Bernward FaHlBuscH / Heinz stooB (= Städteforschung C/4), Köln 1992, Nr . 14 . 162 Edition in Regestenform: Beschlüsse des Rates des Stadt Köln 1320–1550, Bd . 1: Die Ratsmemoriale und ergänzende Überlieferung 1320–1520 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 65), Bearb . Manfred Huiskes, Düsseldorf 1990 . Die Ratsbeschlüsse ab 1513 liegen ebenfalls vor als Beschlüsse des Rates der Stadt Köln 1320–1550, Bd . 2–5 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde), Bearb . Manfred groten, Düsseldorf 1988–1990 . 163 Das älteste Soester Ratsprotokollbuch beginnt 1404 . Vgl . Stadtarchiv Soest, A 3086 . Eine Edition ausgewählter Textstellen der Ratsprotokolle von 1414 bis 1509 bieten die Auszüge aus den Soester Stadtbüchern, Hrsg . Theodor ilgen, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 24 . Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd . 3: Soest und Duisburg, Leipzig 1895 [Neudruck: Göttingen 1969] . In Wesel setzt die Überlieferung der Ratsprotokolle 1466 ein . Vgl . Stadtarchiv Wesel, A3 1466–1475 . Das sogenannte Gruntlike Protokoll stellt den durch einen Stadtsekretär gefertigen Auszug aus Essener Ratsprotokollen der Jahre 1467 bis 1540 dar . Dieser ist ediert als Das Stadtschreiberbuch, Bearb . Ferdinand scHroeder, in: Essener Beiträge . Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 22 (1902), S . 29–115 . Vgl . auch Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 283 . 164 Die Jahre 1532 bis 1538 umfasst der erste Band der frühesten für Duisburg überlieferten Ratsprotokolle Stadtarchiv Duisburg, Best 10A Nr . 1 . Die ältesten Ratsprotokolle Münsters stammen aus der Zeit nach der Wiedertäuferherrschaft 1534/35 Stadtarchiv Münster, AII Nr . 20, Bd . 1 .
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weiterte, jedoch bei früheren Seuchenausbrüchen bereits getroffene Verordnungen in der Regel nicht in ihrer Gesamtheit wiederholt wurden .165 Ferner lässt sich mit Hilfe der chronologisch geordneten Einträge in den Ratsprotokollbüchern die ungefähre Dauer einer Seuche ermitteln . Ein Weseler Ratsprotokoll notiert für den 13 . Dezember 1493 die Entsendung zweier Boten eines gewissen Meister Hermann, die Auskunft darüber einholen sollten, ob dieser die Stadt by dese pestelencie aufzusuchen könne oder off hy moste up andere platz trecken.166 Es scheint, als habe sich die Pest erst kurz zuvor bemerkbar gemacht, denn diesem Eintrag folgt unter dem selben Datum der Beschluss, men solde meister Thys an der Klosterporten spreken.167 Am 25 . Februar 1494 entschied der Weseler Rat, dass Meister Thys, dem Wundarzt, zehn Rheinische Gulden dafür gezahlt werden sollten, als hy toe jair in tyt der pestilencie gynck tot den armen ind swacken, die beladen der pestilencien gewesen seien .168 Nach diesen Ausführungen des Ratsprotokollbuches ließe sich das Wirken der Seuche in Wesel ungefähr auf einen Zeitraum zwischen Anfang Dezember 1493 und Ende Februar 1494 festlegen . Mitunter klafft in den Ratsprotokollen für die Zeit eine Lücke, in der andere Schriftzeugnisse das Wüten einer Epidemie in einer Stadt andeuten . Dieses Fehlen ist mit Blick auf das Verhalten des Rates durchaus aussagekräftig, deutet es doch darauf hin, dass die Stadtväter offenbar nicht in gewohnter Weise zur Beratung zusammenkommen konnten . Wie sich unter Hinzuziehung weiterer Dokumente Erklärungen für diese seuchenbedingte Unregelmäßigkeit ergeben können und dabei bisweilen gleichzeitig eine chronologische Eingrenzung des Seuchengeschehens möglich wird, mag erneut ein Beispiel aus Wesel illustrieren . Zahlreiche Einträge der Weseler Kämmereirechnung für 1554 belegen, dass die Stadt während dieses Jahres von der Pest heimgesucht wurde . Dem immer wieder auftretenden Vermerk in tytt der pestilentie zufolge, scheint die Seuche nach dem 16 . Juli ausgebrochen zu sein .169 Das Ratsprotokollbuch enthält für die Sommermonate jedoch keine Einträge . Nun weist die Rechnung Zahlungen für Wein aus, den die Ratsherren und acht Diener konsumierten, als in tytt der sterft ein ersamer Raidt auf Bergh vonn Calvarie by enander gewest. Den Ausführungen des Ratsprotokolls zufolge, fand die Versammlung angen Berch Calvarie außerhalb Wesels am 21 . September 1554 statt, einem Freitag .170 Am 8 . Oktober traf sich der Rat – wie ausdrücklich erwähnt wird – wieder wie gewohnt bynnen Wesell.171 Die Stadtväter hatten
165 Übersichtliche Beispiele für westfälische und niederrheinische Städte – allerdings nicht nur bezogen auf Ratsprotokolle und mit Lücken – in tabellarischer Form bei Bulst (1989), S . 38–47 . Allgemein hierzu besonders dinges (1995a), S . 80 ff . 166 Stadtarchiv Wesel, A3 1493–1496, fol .36v . 167 Stadtarchiv Wesel, A3 1493–1496, fol .37r . 168 Stadtarchiv Wesel, A3 1493–1496, fol .59v . 169 Stadtarchiv Wesel, A7 1554, fol .48v . zeigt den ersten entsprechenden Eintrag nach dem 16 . Juli . 170 Stadtarchiv Wesel, A3 1554/55, fol .23r . 171 Stadtarchiv Wesel, A3 1554/55, fol .23v .
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
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also Wesel während des schwersten Wütens der Seuche von Mitte Juli bis Anfang Oktober verlassen . Neben oft detailreichen Informationen zur Rolle des Rates in Seuchenzeiten vermitteln die Ratsprotokolle wertvolle Eindrücke vom Umgang der städtischen Obrigkeiten mit Lepraverdächtigen und – kranken . Sie notieren, wer unter welchen Umständen beim Rat zur Anzeige eines Aussatzverdachts vorstellig wurde, die Entscheidung zur Übersendung der betreffenden Person zur Untersuchung und das weitere Verfahren nach der Siechenschau inklusive eventuell strittiger Fälle . Beispielhaft zeigt dies ein Fall aus Soest aus der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts .172 Gesine Vades war dem Magistrat 1575 pflichtgemäß als aussatzverdächtig angezeigt worden und sollte sich auf Geheiß der Stadtväter zur Lepraschauuntersuchung in das Kölner Melatenhaus begeben . Ihr Gesundheitszustand scheint indes bereits so schlecht gewesen zu sein, dass sie ihre Reise gerurhrt und schrecklich krank abbrechen musste .173 Angesichts dessen beschloss der Rat, Gesine Vades ausnahmsweise im Soester Leprosorium auf der Marbecke untersuchen zu lassen . Nachdem die dortige Prüfung den Aussatzverdacht bestätigt hatte, wurde die Kranke zur Aufnahme im Leprosenhaus zugelassen . Das Ratsprotokoll vom 11 . September 1575 vermerkt indes nachdrücklich, dass dem alten Brauch nach Coln zu ziehen hierdurch nicht derogiert seyn solle . Darüber hinaus geben die Ratsprotokolle mannigfaltig Auskunft über jene Faktoren, die das epidemiologische Geschehen bestimmten . Der Kölner Rat beispielsweise war in regelmäßigen Abständen gefordert, sich mit dem Problem freilaufenden Viehs auseinanderzusetzen oder die Tötung streunender Hunde durch einen von den Obrigkeiten entlohnten Hundeschläger zu veranlassen .174 Daneben finden sich mitunter Angaben über die klimatischen Verhältnisse . So erwähnen etwa die Aufzeichnungen der Soester Ratsschreiber verschiedentlich Perioden langer Trockenheit oder sintflutartiger Regenfälle . In einem Eintrag vom 8 . September 1468 heißt es hierzu: Item eodem anno umbtrent dey vrijkermisse do regendet an dach by dage bys to Alle godes hilgen dage …175 Die zahlreichen Informationen spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Ratsprotokollen sind für die Erforschung der städtischen Seuchengeschichte äußerst wertvoll . Angesichts des beträchtlichen Gesamtumfangs dieser Schriftzeugnisse im Falle einer guten Überlieferungssituation, ist es für eine ertragreiche Auswertung nötig, mit Hilfe anderer Quellen eine ungefähre Seuchenchronologie zu erstellen . Auf dieser Grundlage werden gezielte, systematische Zugriffe auf themenrelevante Protokolleinträge möglich . 172 Ein Beispiel zum Verfahren in strittigen Fällen aus dem 17 . Jahrhundert bei Kay Peter JankriFt, Jost Heerde . Das Schicksal eines Lepraverdächtigen in Münster, in: Die Klapper . Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde 6 (1998), S . 2–5 . 173 Stadtarchiv Soest A 7184 . 174 Zahlreiche Beispiele mit Belegen aus Kölner Ratsprotokollen bei Franz irsigler / Amold lassotta, Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker . Außenseiter in einer spätmittelalterlichen Stadt . Köln 1300–1600, München 71996, S . 270–282 . 175 Soester Stadtbücher (1895), S . 51
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Kämmereirechnungen Wie schon im Falle der Ratsprotokolle gestaltet sich auch die Überlieferungssituation spätmittelalterlicher Kämmereirechnungen westfälischer und rheinischer Städte unterschiedlich . In Wesel liegen Stadtrechnungen in geschlossener Folge seit 1349 vor .176 Auch für Essen177 und Duisburg178 reicht die Überlieferung, allerdings mit Lücken, bis zur Mitte des 14 . Jahrhunderts, in Soest gar bis 1338 zurück .179 Aus dem 15 . Jahrhundert finden sich in allen drei Städten lückenlose Rechnungsserien . Bis zum Einsturz des Historischen Archivs im Jahre 2009 waren die Kölner Stadtrechnungen seit 1370 – mit größeren Überlieferungslücken auch aus dem darauffolgenden Jahrhundert – erhalten .180 Lediglich vereinzelt liegen hingegen Aachener Stadtrechnungen des 14 . und 15 . Jahrhunderts vor .181 Münster besitzt für die Zeit des 14 . keine, für die des 15 . Jahrhunderts nur wenige Rechnungsbücher .182 Erst für die Zeit nach der Wiedertäuferherrschaft setzt dort eine lückenlose Rechnungsüberlieferung ein . Während für Dortmund zumindest noch einige Rechnungen und Rechnungsfragmente – in Abschriften oder im Original – aus dem 14 . und
176 Die Rechnungen sind bis zum Jahre 1450 in wesentlichen Auszügen ediert: Stadtrechnungen von Wesel, 5 Bde ., Bearb . Friedrich gorissen (= Regesten zur politischen Geschichte des Niederrheins 1; Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 55), Bonn 1963–1968 . 177 Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 857 f . 178 Eine Edition der ältesten Stadtrechnungen bei Heinrich averdunk, Duisburger Stadtrechnungen 1349–1407, o . O . o . J . Zu den Duisburger Stadtrechnungen vgl . auch Ingo runde, Die Duisburger Stadtrechnungen von 1348/49 bis 1407 . Ansätze zu einer interdisziplinären Quellenauswertung, in: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein 200 (1997), S . 39–74 . 179 Stadtarchiv Soest, A 4528 f . Ich danke an dieser Stelle Mark mersioWsky (Stuttgart), der dem Autor freundlicherweise seine Transkriptionen der ältesten Soester Rechnungen zur Einsicht zur Verfügung gestellt hat . Ediert wurde exemplarisch die Stadtrechnung des Jahres 1582 . Vgl . Rechenbuch von allem empfang und außgeben im jar 1582, Hrsg . Eduard vogeler, in: Soester Zeitschrift 18 (1900/1901), S . 3–126 . 180 Ein Teil der spätmittelalterlichen Rechnungen wurde ediert von Richard knipping, Die Kölner Stadtrechnungen des Mittelalters mit einer Darstellung der Finanzverwaltung, Bd . 1: Die Einnahmen und die Entwicklung der Staatsschuld, Bd . 2: Die Ausgaben (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 15), Bonn 1897/1898 . Hierzu auch ders., Die mittelalterlichen Rechnungen der Stadt Köln, in: Mitteilungen aus dem Historischen Archiv der Stadt Köln 23 (1893), S . 187–222 . 181 Rechnungen und Rechnungsfragmente des 14 . Jahrhunderts finden sich ediert bei Josef laurent (Hrsg .), Aachener Stadtrechnungen aus dem 14 . Jahrhundert . Nach den Stadtarchivurkunden mit Einleitung, Register und Glossar, Aachen 1866 [Neuauflage: 1876], Für das 15 . Jahrhundert liegen weitere, mitunter nicht vollständig erhaltene Stücke vor . Vgl . Stadtarchiv Aachen, rai J .38 (1433); rai J .45 (1467/68); rai J .47 (1472/73); RAI J .51 (1477) . Die Rechnung für das Jahr 1440 findet sich als Anlage zu Reichskanmergerichtsakten unter Stadtarchiv Aachen, RAII L2574, fol .356 ff . Daneben existieren einzelne Rechnungsbelege, so über Aufwendungen zur Pflasterung des Marktplatzes . Vgl . Stadtarchiv Aachen, RAI J .20 (15 . Jh .) . 182 Die Kämmereirechnungen der Stadt Münster über die Jahre 1447, 1448 und 1448 (= Fontes minores medii aevi 11), Hrsg . W . Jappe alBerts, Groningen 1960 .
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15 . Jahrhundert existieren,183 jedoch keine Stücke aus dem 16 . Jahrhundert mehr vorhanden sind, und auch in Minden und Paderborn nur noch Reste einzelner Finanzdokumente vorliegen,184 ist für Xanten ein kompletter Verlust der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Rechnungsbestände zu konstatieren . Städtische Rechnungen enthalten eine Vielzahl unterschiedlicher Hinweise auf das Seuchengeschehen, die damit verbundenen epidemiologischen Faktoren sowie das Medizinalwesen . In Verbindung mit den Ratsprotokollen erlauben sie oftmals eine chronologische Eingrenzung vom Ausbruch bis zum Ende einer Epidemie . Daneben vermitteln sie Eindrücke davon, wie langsam oder rasch Beschlüsse des Rates umgesetzt wurden und in welchem Umfang öffentliche Finanzmittel für diverse Maßnahmen der Seuchenbekämpfung oder zur Verbesserung der hygienischen Situation aufgewendet wurden . Das Geld, welches der Weseler Rat Meister Thys für seine Verdienste um die Versorgung Seuchenkranker laut Beschluss vom 25 . Februar 1494 zugedacht hatte, erhielt der Wundarzt dem Eintrag in das entsprechende Rechnungsbuch zufolge offenbar ohne größere Verzögerung .185 Mehr oder weniger umfangreich liefern städtische Rechnungsbücher Angaben zu Aufwendungen für hygienische Belange . So verzeichnet beispielsweise die Mittwochsrentkammer, bis zum 15 . Jahrhundert einziges Organ des städtischen Kölner Finanzwesens:186 Famulis purgantibus cloacas prope portam Panthaleonis et aliis lapicidis laborantibus iuxta Beyen et sanctum Gereonis 8 m 2 ß .187 In Soest weist die Stadtrechnung für das Jahr 1363 mehrfach Ausgaben ad purgandum piscinam aus, womit wohl die Reinigung des Großen Teichs oder des Kolks gemeint sind .188 Die Essener Stadtrechnung des Jahres 1364 belegt die bescheidene Zahlung von sechs Pfennigen an einen stummen Mann van dem myste to samene to werpene oppen marckett.189 In diesem Essener Dokument ist der Name dieses Mannes nicht genannt . Die Erwähnung seines Gebrechens gibt indes Anlass zu der Vermutung, dass vor allem sozial randständige Personen von den Obrigkeiten mit derlei Tätigkeiten beauftragt wurden . Im Allgemeinen sind städtische Rechnungen eine wertvolle prosopografische Quelle . Ärzte, Wundärzte, Apotheker, Hebammen und weitere Heilkundige wie etwa „Pestbarbiere“ werden häufig namentlich genannt . Die Rech183 Stadtarchiv Dortmund, Best .202-VI 7 (1444, 1461 u . 1488) . Dortmunder Finanz- und Steuerwesen, Bd . 1: Das vierzehnte Jahrhundert, Bearb . Karl rüBel, Dortmund 1892 enthält Auszüge heute verlorener Rechnungsunterlagen des späten 14 . Jahrhunderts . 184 Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden B307 (Einnahme- und Ausgabenregister 1403–1483) und B77 (Einnahme und Ausgabenregister der Kämmerei 1547–1619) beinhalten lediglich Rechnungsfragmente für einige Jahre . Paderborner Stadtrechnungen für die Jahre 1563, 1566, 1569 und 1575 finden sich im Staatsarchiv Münster . Hierzu KarlHeinz kircHHoFF, Paderborn um 1560/80 . Neue Quellen zur wirtschaftlichen und finanziellen Situation der Stadt, in: Westfälische Forschungen 28 (1976/1977), S . 119–134 . 185 Stadtarchiv Wesel, A7 1494, fol .618r . 186 knipping (1893), S . 188 . 187 knipping, Bd . 2 (1897), S . 13 . 188 Stadtarchiv Soest, A Nr . 4527 . 189 Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 858, fol .2r .
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nungsbelege der Kölner Mittwochsrentkammer führen etwa am 5 . Februar 1371 die Zahlung von 21 Mark für Jacobo apothecario de medicinis receptis per mag. H[enricum] cirologum auf .190 Durch die Art der Einträge wird zudem oftmals deutlich, zu welcher Zeit Medizinalpersonen in städtischen Diensten standen und ob diese dauerhaft oder nur kurzfristig in obrigkeitlichem Auftrag tätig waren . Gelegentlich enthalten die mitunter sehr beredten Ausführungen darüber hinaus Angaben über die Art und das Resultat der Behandlungen, wie das folgende Beispiel aus Wesel demonstriert . Die Weseler Stadtrechnung für das Jahr 1452 verzeichnet umfangreiche Ausgaben für die Behandlung des Henrik uppen Brink, seit 1425 Angehöriger des Magistrats und 1432 wie auch 1445 Bürgermeister .191 Im Auftrag des Rates unterwegs, geriet er offenbar in einen Hinterhalt . Dabei traf ihn ein Pfeil kort bouen dat knye in een been,192 Die Verwundung, die sich Henrik den Ausführungen der Rechnung zufolge offenbar schon im Sommer zugezogen hatte und die ihn lange auf das Krankenlager warf, führte schließlich am Abend des 20 . Dezember 1452 zum Tod .193 Ein Wundarzt aus Kalkar, der kurz zuvor den Pfeil herausgezogen hatte, wurde für seine Dienste mit zwei Gulden entlohnt . In den vorangegangenen Tagen und Wochen hatten sich zahlreiche Heilkundige aus dem Niederrheingebiet vergeblich um die Behandlung des Verwundeten bemüht . So hatte man nach einem Meister aus Kleve geschickt . Die Kosten für den Besuch des klevischen Wundarztes in Wesel wurden ebenfalls aus der städtischen Kasse beglichen . Erfolglos hatten offensichtlich auch Drudken Ingelsman aus Duisburg sowie ein Scherer aus Xanten ihre Kunst an Henrik versucht . Ende Juli, wahrscheinlich unmittelbar nach seiner Verwundung, war Henrik uppen Brink zu einem Heilkundigen nach Emmerich gebracht worden . Dort wurde er von dem Wundarzt zunächst für einige Zeit versorgt . Henrich Romer, der den Verletzten nach Emmerich gebracht hatte, erhielt 15 Gulden als Unterhalt während er auf die Genesung des Kranken wartete . Schließlich beglich man aus der Stadtkasse auch die Zahlung für Arzneimittel (alreley krude) aus der Apotheke . Der Aufwand, mit dem sich die Stadtoberen um die Behandlung des gewissermaßen „im Dienst“ Verwundeten sorgten, bezeugt nicht nur die Schwere der Wunde, sondern zugleich die soziale Stellung und das Ansehen des Henrik uppen Brink . Daneben verzeichnet das Rechnungsbuch für die Behandlung von vier Dienstleuten der Stadt, die Heinrich begleitet und durch Schusswaffen an den Beinen und am Kopf verwundet worden waren, eine Zahlung von 13 Rheinischen Gulden an die beiden Wundärzte Arnt und Johan tom Waill .194
190 191 192 193 194
knipping, Bd . 2 (1897), S . 35 . Stadtarchiv Wesel, A7 1452, ohne Paginierung . gorissen, Bd . 4(1963), S . 14 . Stadtarchiv Wesel, A7 1452, ohne Paginierung . Stadtarchiv Wesel, A7 1452, ohne Paginierung . Unmittelbar den Aufwendungen für die Behandlung Hendrik uppen Brinks vorangehend .
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Außer den Kosten für medizinische Behandlungen und prosopografische Informationen liefern Rechnungen auch Hinweise auf die Beschäftigung von Wundärzten und Laienheilern in Seuchenzeiten .195 Ordnungen, Erlasse und andere städtische Rechtsquellen Spezielle Ratsverordnungen und -erlasse spiegeln auf vielfältige Weise den normativen Umgang städtischer Obrigkeiten mit Seuchen, Seuchengefahr und hygienischen Belangen wider . Unter der großen Zahl solch normativer Texte als fester Bestandteil städtischen Schriftguts ist der Umfang von Verordnungen zur Gesundheitsfürsorge zumeist recht überschaubar .196 Überwiegend stammen die in westfälischen und rheinischen Städten erhaltenen Ordnungen und Ratserlasse, darunter Pestordnungen, erst aus der frühen Neuzeit . Mittelalterliche Zeugnisse städtischer Gesetzgebung zum Verhalten während einer Epidemie sind in Rheinland-Westfalen Ausnahmen . Ein Beispiel hierfür findet sich in Aachen, wo der Rat wohl 1349 solche Verhaltensregeln angesichts der Gefahr des Schwarzen Todes aufstellte .197 Aus dem 16 ., vor allem aber aus dem 17 . Jahrhundert liegen für nahezu alle Städte Ordnungen und Erlasse vor, die den Alltag der Stadtbewohner in Seuchenzeiten, das Totengeläut, den Ablauf von Begräbnissen, die Viehhaltung, die Reinigung von Straßen und Plätze, den Umgang mit fremden Bettlern, Aussätzigen sowie jedwedem fahrenden Volk und vieles mehr regelten .198 Wenngleich die normativen Texte kein naturgetreues Bild der realen Verhältnisse widerspiegeln, lassen sie die Umstände erahnen, die ihre Aufsetzung in den Augen der Obrigkeiten erforderlich machte . Damit reflektieren sie zugleich zeitspezifische Wahrnehmungen . Aufschlussreich für die Wirkung solch obrigkeitlicher Bemühungen zur Eindämmung von Seuchen ist der Blick auf die Häufigkeit, mit der sich die Publikation von Ordnungen – möglicherweise in verschärfter Form – wiederholte . Ein Textvergleich erlaubt darüber hinaus Rückschlüsse über den Austausch der Städte untereinander in Bezug auf die rechtliche Handhabung bestimmter Belange . 195 Stadtarchiv Wesel, A7 1554, ohne Paginierung . 196 Vgl . etwa Hugo loerscH, Aachener Rechtsdenkmäler aus dem 13 ., 14 . und 15 . Jahrhundert, Bonn 1871 . Soester Recht . Eine Quellensammlung von Wolf-Herbert deus, 3 . Lieferung: Ältere Ordnungen (= Soester Beiträge 34), Soest 1971 und 5 . Lieferung: Andere Ordnungen (= Soester Beiträge 36), Soest 1974 . Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem königlich preußischen Erbfürstentum Münster […] vom Jahre 1359 […] bis 1806 ergangen sind, Bd . 1: 1359–1762, Münster 1842 . A . FaHne, Die Grafschaft und freie Reichsstadt Dortmund, Bd . 3: Statuarrecht und Rechtsaltertümer, Dortmund 1855 . Weseler Edikte . 1600–1769, 2 Bde ., Bearb . Erich Wolsing, Wesel 1998 . 197 Stadtarchiv Aachen, RAI R . I .8 . 198 Für einen Eindruck von der Bandbreite spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Ordnungen und Erlasse in westfälischen und niederrheinischen Städten vgl . beispielsweise die Auszüge aus Polizeiordnungen der Stadt Münster von 1356, 1442, 1492 und 1523 unter Stadtarchiv Münster, A VI Nr . 1, Mindener Ratserlasse von 1566 bis 1720 unter Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden B 369, die Medizinalordnung von 1613 im Stadtarchiv Soest, A Nr . 10478 oder die Pestordnung von 1615 im Stadtarchiv Wesel, A1 caps . 345–347, Nr . 16/128 u . 175 sowie die zahlreichen Verordnungen unter Stadtarchiv Dortmund, Best .2 Nr . 19 und Stadtarchiv Essen, Rep . 100 Nr . 184 .
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So finden sich in Soest mehrere Exemplare von Armenordnungen aus anderen westfälischen und niederrheinischen Städten,199 die offenbar als Vorlagen zur Erstellung einer eigenen Textfassung dienen sollten . In Münster sind desgleichen frühneuzeitliche Bettel- und Armenordnungen aus Dortmund, Osnabrück, Amsterdam und Deventer vorhanden .200 Ein ausgewähltes Beispiel aus Soest veranschaulicht, in welcher Weise obrigkeitliche Ordnungen und Erlasse belangreiche Aussagen zu seuchengeschichtlichen Fragestellungen enthalten können . Am 9 . August 1439 beklagte sich der Pfarrer der Soester Petrikirche, Rudolf von Borgeln beim Rat über die Verfügung, die Zahl der Trauergäste bei Begräbnissen zu beschränken .201 Zu dieser Zeit grassierte einmal mehr die Pest in der Stadt . Der Erlass selbst ist nicht mehr vorhanden, doch greift der Pfarrer dessen wesentliche Inhalte auf . Nicht mehr als sechs Männer und sechs Frauen – die Zahl der Apostel – sollten dem Willen des Rates zufolge an einer Beisetzung teilnehmen . Rudolf von Borgeln empörte sich in seinem Schreiben, dass eine solche Einschränkung gegen althergebrachte Gewohnheiten verstoße .202 Mochten pragmatische Überlegungen hinter diesem Ratserlass stehen, so war doch der Konflikt mit der Geistlichkeit vorgezeichnet . Unterstützt durch den Kölner Erzbischof Dietrich von Moers,203 forderte der Pfarrer der Petrikirche die Soester Stadtväter auf, die Verordnung zurückzunehmen und warnte eindringlich vor den Folgen eines drohenden Interdikts in dusser sterfliken tyd. Beide Seiten beharrten offensichtlich auf ihren Positionen . Mehr als ein Jahr später schwelte der Streit zwischen Rudolf von Borgeln und dem Rat noch immer . Am 17 . Dezember 1440 lud der Kölner Erzbischof die streitenden Parteien daher zu Verhandlungen über die Beilegung des Konflikts nach Arnsberg .204 Unter Hinzuziehung anderer Quellengattungen wird deutlich, in welcher Form solche Ratsverordnungen zu Seuchenzeiten promulgiert wurden . Die Belege stammen aus dem 16 . Jahrhundert, doch unterschied sich die hierin deutlich werdende Praxis einer öffentlichen Kundgebung wohl nicht wesentlich von der des späten 14 . und des 15 . Jahrhunderts . Die Weseler Stadtrechnung des Jahres 1554 zeigt, dass städtische Diener für die Verbreitung von Ratserlassen in 199 Im Dortmunder Archiv ist kein Exemplar einer Armenordnung erhalten, doch findet sich unter den Beständen des Stadtarchivs Soest eine solche Dortmunder Ordnung aus dem Jahre 1596 . Dieses Beispiel untermauert den Wert vergleichender Regionalstudien . Beate Sophie gros, Eine Dortmunder Armenordnung aus dem Jahre 1596 . Edition und Kommentar, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 88 (1997), S . 111–137 . 200 Stadtarchiv Münster, A VI Nr . 89 . 201 Kay Peter JankriFt, … daß diese kranckheit ein ansteckend und bekleibend Seuche sey. Soest in Zeiten der Pest, in: Soester Zeitschrift 111 (1999), S . 38 . Kay Peter JankriFt, Gesundheit, Krankheit und Medizin in Soest von der Zeit der Karolinger bis zum Ende des 16 . Jahrhunderts, in: Hrsg . Wilfried eHBrecHt, Soest . Geschichte der Stadt, Bd . 1: Der Weg ins städtische Mittelalter . Topographie, Herrschaft, Gesellschaft, Soest 2010, S . 487–519 . 202 Stadtarchiv Soest, ANr . 6769 . 203 Stadtarchiv Soest, A Nr . 6768 . 204 Stadtarchiv Soest, A Nr . 6770 .
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Seuchenzeiten eine wichtige Rolle spielten .205 Item inn tytt der sterft, so heißt es in dem Dokument, Thoniß, Peter, Rutger und Kilian in der statt herbergen umbgesacht, dass dem Beschluss des Rates entsprechend keine Fremden und Vaganten Unterkunft gewährt werden sollte . Vor allem aber wurden offizielle Verlautbarungen des Rates durch die Geistlichkeit von den Kanzeln der Kirchen verlesen . So etwa in Soest, wo am 17 . Juli 1567 die neuerlich vom Rat aufgestellten Verhaltensvorschriften während der zu dieser Zeit tobenden Epidemie auf diese Weise verkündet wurden .206 Neben Ordnungen und Erlassen, die sich durch ihre Widmung etwa als Pestordnung oder Ordnung […] wegen des drecks oder kothsfahrens eindeutig als mehr oder weniger aussagekräftig im Hinblick auf seuchengeschichtliche Fragestellungen zu erkennen geben, liefern mitunter auch Quellen verfassungsrechtlichen Charakters – unabhängig von ihrer eigentlichen Intention – Informationen zu obrigkeitlichen Hygienemaßnahmen . So beispielsweise das Mindener Stadtbuch, dessen Ausführungen einen fragmentarischen Einblick in die normativen Standards persönlicher Hygiene der gehobenen Bürgerschicht im Spätmittelalter gewähren .207 Körperpflege scheint demnach im mittelalterlichen Minden – zumindest bei den Frauen – einen gewissen Stellenwert gehabt zu haben . Unter den Utensilien, die das Stadtrecht um 1400 Mindener Frauen als ihre gerade zuordnet, finden sich auch solche, die eindeutig der persönlichen Hygiene dienten: Handtücher und Lappen, eine Wanne oder Badezuber mitsamt Deckel, Badetücher, Handwaschbecken oder -kanne, Spiegel, Scheren und Bürsten . In welchem Maß der normative Text die realen Verhältnisse widerspiegelt, ist allerdings nicht zu ergründen . Neben alltäglichen Gerätschaften zählt er nämlich Schmuckstücke aus Gold, Silber und Perlen auf . Preziosen, die eine weniger betuchte Mindenerin wohl kaum besaß . Zweck der Auflistung war allerdings keine Bestandsaufnahme der gewöhnlichen Habseligkeiten einer Frau um 1400, sondern die Festlegung derjenigen Güter, welche die Erben im Falle des Ablebens von Frauen gegebenenfalls beanspruchen konnten . Vortmer so wanne en vruwe to Minden sterft, de negeste van der Spillen de schal nehmen der vruwen rhade echt unde recht, bestimmte das alte Mindener Recht im Jahre 1336 .207 Später bestand offenbar die Notwendigkeit zu einer genaueren Definition dessen, was zum Frauengerät (der vruwen rhade oder gerade) gehörte .208 Eine Parallele hierzu findet sich auch mit Blick auf die vererbbare Habe von Männern .209 Wie weit die Benutzung der aufgezählten Körperpflegeutensilien unter den Mindenern verbreitet war, lässt sich allein auf der Grundlage der normativen Quelle nicht bestimmen . Dennoch deuten die Regelungen darauf hin, dass zumindest Teilen der Bürgerschaft eine gewisse persönliche Hygiene nicht fremd gewesen zu sein scheint . Allerdings sagt der 205 Stadtarchiv Wesel, A7 1554, ohne Paginierung . 206 rademacHer, Bd . 2 (1999), S . 780, Nr . 2115 . 207 Das Mindener Stadtbuch von 1318 (= Mindener Geschichtsquellen 3), Bearb . Martin krieg, Münster 1931, II 20 S . 117 . 208 Stadtbuch (1931), II 24 S . 118 . 209 Stadtbuch (1931), II 23, S . 118 und Erweiterung um 1400 II 19, S . 117 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Besitz bestimmter Gegenstände nichts über die Häufigkeit von deren Gebrauch aus . So aufschlussreich dieses Mindener Zeugnis ist, gilt es dennoch festzuhalten, dass seuchengeschichtlich relevante Informationen in Rechtsquellen solcher Art eher die große Ausnahme denn die Regel darstellen . Neben städtischen Obrigkeiten reagierten bisweilen auch die Landesherren mit normativen Vorgaben auf eine drohende oder bereits ausgebrochene Seuche . Gegenstand landesherrlicher Dekrete und Ordnungen ist daneben häufiger der Umgang mit Leprakranken geworden, wie exemplarisch etwa die umfangreiche, 1560 auf Geheiß Herzog Wilhelms des Reichen (1516–1592) verfasste Leprosenordnung für die Herzogtümer Kleve, Jülich und Berg sowie die Grafschaften Mark und Ravensberg zeigt .210 Die Ordnung, die für alle Leprakranken in Wilhelms Herrschaftsgebiet gelten sollte, weist unter anderem Städte, Dörfer und Ämter an, den rechten krancken durch die Verhaftung von Lepra-Simulanten behilflich zu sein.211 Solche landesherrlichen unterscheiden sich von städtischen Ordnungen weniger in ihrer formalen Gestaltung und ihrem Inhalt, denn vielmehr in ihrer Reichweite . Bürgerlisten und -bücher Spätmittelalterliche Bürgerlisten und -bücher, die für jedes Jahr die Namen der zum Bürgerrecht zugelassenen Personen verzeichnen – häufig unter Angabe ihrer Herkunftsorte und Berufe – sind für einige westfälische und niederrheinische Städte überliefert . Die bis auf das Jahr 1289 zurückreichenden Auflistungen des Dortmunder Bürgerbuchs zählen dabei zu den ältesten im Gebiet des Alten Reiches .212 Vor allem für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sind diese Zeugnisse eine wichtige Quelle . Sie liegen überwiegend in edierter Form vor .213 Bieten die reichhaltigen Neubürgerlisten mit ihren prosopografischen Angaben für die historische Forschung in mancherlei Weise ein ertragreiches Betätigungsfeld, so ist ihr Informationswert im 210 FroHn (1933), S . 270–272 . Bloos, Die erste Leprosenordnung des Herzogtums Kleve, in: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins 4 (1889), S . 151–157 . 211 Hierzu Robert Jütte, Lepra-Simulanten . De iis qui morbum simulant, in: Hrsg . Martin dinges / Thomas scHlicH, Neue Wege in der Seuchengeschichte (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Beiheft 6), Stuttgart 1995, S . 25–42, besonders S . 34 . Fritz dross, The comings and goings: Entering and leaving Nuremberg Leprosaria in the 16th and 17th centuries, in: Historia Hospitalium . Jahrbuch der deutschen Gesellschaft für Krankenhausgeschichte 30 (2016/2017), S . 181–188, hier: S . 186 . 212 Neben Hamburg (1277), Bremen (1288), Augsburg (1288) und Lüneburg (1289) . dotZauer (1996), S . 176 . Die Dortmunder Listen finden sich ediert in den Bänden des Dortmunder Urkundenbuches . 213 Das älteste Bürgerbuch der Stadt Soest 1302–1449, Hrsg . Hermann rotHert (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XXVII), Münster 1958 . Kölner Neubürger 1356–1798,4 Bde ., Bearb . Joachim deeters (= Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 64), Köln 1983 . Adolf langHans, Die Bürgerbücher der Stadt Wesel . Die Listen der Neubürger von 1308–1609, Duisburg 1950 . Für weitere Bürgerlisten vgl . u . a . Stadtarchiv Münster, AIV Nr . 1, Bürgerlisten 1538–1609 . In Duisburg sind Neubürgerlisten ab 1408 im sogenannten Stadtlagerbuch verzeichnet . Stadtarchiv Duisburg, Best 10 A Nr . 101 .
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
109
Hinblick auf seuchengeschichtliche Belange eher gering . Verwertungsmöglichkeiten ergeben sich diesbezüglich lediglich über den Vergleich der Aufnahmezahlen aus Jahren nach einer Epidemie mit solchen ohne nachweisbares Seuchengeschehen . Ein deutlicher Anstieg der Aufnahmezahlen könnte etwa darauf hindeuten, dass es durch eine seuchenbedingt erhöhte Sterblichkeit zu größeren demografischen Einschnitten kam . Nicht immer ist jedoch eine solch nennenswerte Veränderung zu beobachten . So lässt sich etwa im Soester Bürgerbuch kein überdurchschnittlicher Anstieg der Neubürgerzahlen für die Jahre nach dem Schwarzen Tod konstatieren . Die Schlussfolgerung Rotherts, dass die Ursache hierfür „in der Zurückhaltung der Stadt gegenüber Zuzüglern zu suchen ist oder weil die Pest hier weniger Opfer forderte“,214 erscheint gleichsam zu verschiedenen Zeiten auf andere westfälische und niederrheinische Städte übertragbar . Beschränkte Informationen können die Bürgerlisten in Bezug auf das Medizinalwesen liefern, sofern die Berufe der Neubürger genannt werden . Der Zuzug von Medizinalpersonen, hauptsächlich von Wundärzten, und ihre Herkunft lassen sich dadurch ermitteln . Vorstellungen vom Umfang medizinischer Strukturen werden auf diese Weise vage ergänzt . Ratslisten Ratslisten liefern unter zwei Voraussetzungen wertvolle Auskünfte über das Seuchengeschehen und den Umgang mit Infektionskrankheiten durch die städtischen Obrigkeiten: Sie müssen zum einen das Sterbedatum eines Ratsmitglieds verzeichnen und zum anderen deren Funktion nennen . Starben innerhalb kurzer Zeit mehrere Ratsmitglieder, liegt neben der Möglichkeit des Zufalls der Verdacht des Seuchentodes zumindest nahe . So vermerkte etwa der Stadtschreiber Wenemar Vulramen für das Jahr 1531 gleich drei solcher Todesfälle in der Essener Ratsliste .215 Mithilfe weiterer Quellen gilt es, den Verdacht auf ein seuchenbedingtes Sterben zu erhärten . Bestätigt sich die Vermutung, ist die Beobachtung relevant für die Einschätzung der weiteren Funktionsfähigkeit des Rates und dessen Beschlüsse zum Umgang mit dem jeweiligen Seuchengeschehen . Angaben zu den Amtsbereichen der Ratsherren ermöglichen, den Aufstieg einzelner Personen zu verfolgen und einen Eindruck davon zu gewinnen, wieviel Bedeutung der Zuständigkeit für die Geschicke etwa eines Leprosenhauses seitens der Obrigkeiten beigemessen wurde . Ob beispielsweise die Tätigkeit als (Pilgrimhaus-)Marbeke-Herr für das Soester Leprosorium am Beginn oder am Abschluss einer Ratskarriere stand,216 spiegelt in erheblichem Maß auch das Ansehen einer solchen Institution innerhalb der städtischen Gesellschaft wider . 214 rotHert (1958), S . 25 . 215 Stadtarchiv Essen, Rep . 100 Nr . 244 . 216 Diesen Gedanken verfolgt in Bezug auf das vor den Toren Münsters gelegene Leprosenhaus Kinderhaus im 17 . Jahrhundert Ralf klötZer, Kinderhaus 1648 . Das Leprosenhaus der Stadt Münster in Krieg und Frieden . Ausstellung im Lepramuseum Münster-Kinderhaus zum Jubiläum 350 Jahre Westfälischer Frieden . 25 . Januar bis 28 . Juni 1998, Münster 1998, S . 6/5 ff . Wolf Herbert deus, Die Herren von Soest . Die Stadtverfassung im Spiegel
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Steuerlisten Steuerlisten bieten in den für die Untersuchung herangezogenen westfälischen und niederrheinischen Städten keine seuchengeschichtlich verwertbaren Informationen . Um einschneidende Veränderungen infolge einer erhöhten Sterblichkeit erkennen zu können, müssten diese Dokumente in geschlossenen Reihen vorliegen . Nur so ist ein Vergleich der Namen möglich . Selbst in einem solchen Fall wäre die Aussagekraft der Zeugnisse begrenzt, da mittelalterliche Listen in der Regel nur an Grund- und Hausbesitz gebundene Abgaben verzeichnen und somit einen mehr oder weniger großen Teil der Stadtbevölkerung gar nicht erfassen .217 Korrespondenz Mit zunehmender Verdichtung der städtischen Schriftlichkeit wuchs die Zahl der Briefe stetig an . Die Schreiben liefern in vielfältiger Form Auskünfte über das Seuchengeschehen und zeitgenössische Wahrnehmungen unterschiedlicher pestilenzartiger Krankheiten .218 Obwohl inhaltlich an feststehenden Formeln von Mustersammlungen orientiert, – dies gilt vor allem für das obrigkeitliche Schriftgut – lassen sich spätestens im 16 . Jahrhundert ver-
des Ratswahlbuches 1417 bis 1751, Soest 1955 bietet umfangreiche Listen, welche die Ratskarrieren in Soest verfolgbar werden lassen . Zu den Soester Herrenämtern vgl . auch Mark mersioWsky, Städtische Verfassung und Verwaltung im spätmittelalterlichen Soest, in: Hrsg . Heinz-Dieter Heimann in Verbindung mit Wilfried eHBrecHt u . Gerhard köHn, Soest . Geschichte der Stadt . Bd . 2: Die Welt der Bürger . Politik, Gesellschaft und Kultur im spätmittelalterlichen Soest, Soest 1996, S . 57–151 . Zu Köln vgl . Herbert M . scHleicHer, Ratsherrenverzeichnis von Köln zu reichsstädtischer Zeit von 1396–1796 (= Veröffentlichungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde, NF 19), Köln 1982 . 217 M .-A . arnould, Les relèves de feux (= Typologie des sources du Moyen Âge Occidental, Fasc . 18), Turnhout 21985 . Für ein Beispiel vgl . Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden, B Nr . 163a,2 (alt) [Einwohner- und Steuerlisten 15 . Jh .] und B Nr . 163a,4 (alt) [Einwohnerund Steuerlisten 16 . Jh .] . Zu den Verhältnissen in Köln vgl . etwa Steuerlisten des Kirchspiels St . Kolumba in Köln vom 13 . bis 16 . Jahrhundert (= Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 30), Hrsg . Joseph greving, Köln 1900 sowie den Beitrag von Achatz von müller, Zwischen Verschuldung und Steuerrebellion . Die mittelalterliche Stadt an den Beispielen Florenz und Köln, in: Hrsg . Uwe scHultZ, Mit dem Zehnten fing es an . Eine Kulturgeschichte der Steuer, München 31992, S . 100–113 sowie allgemein zu Besteuerungsformen in Kombination von Kopf-, Vermögen-, Einkommen- und ständischer Personalsteuer im 15 . und 16 . Jahrhundert Peter moraW, Der „Gemeine Pfennig“ . Neue Steuern und die Einheit des Reiches im 15 . und 16 . Jahrhundert, in: Hrsg . Uwe scHultZ, Mit dem Zehnten fing es an . Eine Kulturgeschichte der Steuer, München 31992, S . 130– 142 . Zu Köln: Die vermögenden Kölner 1417–1418 . Namenlisten einer Kopfsteuer von 1417 und einer städtischen Kreditaufnahme von 1418 (= Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 69), Bearb . Klaus militZer, Köln 1981 . 218 Maria Barbara rössner-ricHarZ, Krankheit in der Kommunikation einer frühneuzeitlichen Stadt am Beispiel Kölns, in: Hrsg . Gerd scHWerHoFF, Köln als Kommunikationszentrum . Studien zur frühneuzeitlichen Stadtgeschichte . Köln 2000, S . 337–364 . Für die frühe Neuzeit siehe nun die online-Datenbank „Frühneuzeitliche Ärztebriefe des deutschsprachigen Raumes (1500–1700), die im Rahmen eines Akademie-Projekts unter der Leitung von Michael Stolberg (Würzburg) erstellt wird: http://wrzh180 .rzhousing .uni-wuerzburg .de:8080/aDISWeb/app?service=direct/0/Home/$DirectLink&sp=S127 .0 .0 .1 %3A4103
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
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stärkt individuelle Nuancen erkennen .219 Die ausgehende Korrespondenz der Städte findet sich bisweilen in Form flüchtig erstellter und daher schwer lesbarer Abschriften, so etwa in Soest, im Rahmen von Missivenbüchern wieder .220 Innerhalb der für jede der untersuchten westfälischen und rheinischen Städte mehr oder weniger umfangreichen Briefbestände nehmen nur wenige Stücke Bezug auf den Umgang mit Seuchen .221 Im Spiegel dieser Korrespondenz wird allerdings ein wichtiger Teil obrigkeitlicher Reaktionen auf Epidemien und der regionalen Kooperation bei Lepraschauuntersuchungen erkennbar .222 Der gegenseitige Informationsaustausch bestand nicht zuletzt darin, benachbarte Städte vom Ausbruch einer Seuche in Kenntnis zu setzen . Inwieweit die Räte verseuchter Städte angesichts drohender wirtschaftlicher Schäden allerdings willens waren, ihre Nachbarn umgehend über die Lage zu informieren, oder die Gefahr lieber einstweilen verheimlichten, wird an anderer Stelle noch zu erörtern sein . Dies gilt auch für die Frage, inwieweit die Nachbarstädte aufgrund der Benachrichtigungen noch Vorkehrungen zur Prophylaxe treffen und umsetzen konnten . Der geografische Umkreis, innerhalb dessen solche Botschaften ausgetauscht wurden, lässt sich bisweilen unter Hinzuziehung der entsprechenden Stadtrechnungen sowie der Ratsprotokolle feststellen . Dabei wird mitunter gleichzeitig eine Einschätzung darüber möglich, wie rasch die Warnungen weitergeleitet wurden . So bezieht sich etwa der erste mit dem Vermerk in tytt der pestilencie versehene Ausgabeposten der Weseler Stadtrechnung von 1554 auf die Kosten für die Übersendung zweier Sendschreiben an den Bürgermeister von Hünxe.223 Aus der chronologischen Folge der datierten Einträge lässt sich schließen, dass die Weseler Stadtväter diese Botschaften nicht allzu lange nach dem Ausbruch der Pest nach Hünxe sandten . Sind diese Schreiben nicht mehr erhalten, vermittelt ein Brief im Soester Stadtarchiv einen Eindruck von den Informationen, die in Seuchenzeiten weitergegeben wurden . In diesem auf den 3 . Juli 1464 datierten Dokument setzt die Stadt Wesel die Magistrate von Soest und Dortmund davon in Kenntnis, dass der ursprünglich nach Hamburg einberufene Hansetag aufgrund der in der Hafenstadt grassierenden Pest nunmehr in Wesel stattfinden solle .224 219 Hierzu allgemein tHeuerkauF (1997), S . 108 ff . Giles constaBle, Letters and Letter-Collections (= Typologie des sources du Moyen Âge Occidental, Fasc . 17), Turnhout 1976 . 220 Stadtarchiv Soest A Nr . 3059 . 221 Mit der Auswertung der Quellen sind zusätzliche Schwierigkeiten verbunden . Die Korrespondenz zwischen Städten ist – insbesondere, wenn eine breite Überlieferung vorliegt – nicht immer in einer Form in den Findmitteln der Archive verzeichnet, die einen gezielten Zugriff auf einzelne Stücke in Orientierung an einer ungefähren Seuchenchronologie ermöglicht . Manche Briefbestände, so im Stadtarchiv Essen, sind noch immer gänzlich unverzeichnet! 222 Etwa Stadtarchiv Soest, A 3059, fol .300 (Missivenbücher 1543–1546) . 223 Stadtarchiv Wesel, A7 1554, fol .48v . 224 Stadtarchiv Soest, A Nr . 1382 . Druck: Die Recesse und andere Akten der Hansetage . 2 . Abt ., Hanserecesse von 1341–1476, Bd . 5, Bearb . Goswin Freiherr von der ropp, Leipzig 1888, S . 426 Nr . 577 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Daneben konnte es sich bei den Gegenständen der Korrespondenz auch um eine Anfrage an die Nachbarn handeln, um in Erfahrung zu bringen, wie man dort bestimmte Angelegenheiten im Umfeld eines Seuchenausbruches regelte . Dicht belegt ist dieser Erfahrungsaustausch etwa im Umfeld des Schwarzen Todes .225 Vor dem Hintergrund des Gerüchts, die Juden hätten die Brunnen vergiftet und so die Pest verursacht, entsandte der Weseler Rat am 29 . Mai 1350 einen Boten nach Essen, um Erkundigungen über die vermeintlichen Giftmischer einzuholen . Am gleichen Tag traf auch in Wesel selbst ein Gesandter aus Coesfeld ein, der in der gleichen Angelegenheit in der niederrheinischen Stadt anfragen sollte . Knapp zwei Wochen später, am 11 . Juni, schickte man aus Wesel abermals einen Boten namens Peter Hunnen aus . Dieser sollte sich bei den Duisburger Obrigkeiten über das Gift informieren und fragen, ob die verbrannten Juden irgendetwas ausgestreut hätten . Wiederum zwei Wochen später erging aus Wesel eine Botschaft de intoxicatione puteorum nach Kleve an den Grafen . Die Briefe selbst sind nicht überliefert . Eine Vorstellung von ihrem Inhalt ergibt sich in diesem Fall lediglich aus den beredten Ausführungen der Stadtrechnung . Dennoch belegt eine genügend große Zahl erhaltener Schreiben den Informationsreichtum dieser Quellengattung für seuchengeschichtliche Fragestellungen insgesamt . Dies gilt es nicht nur in Bezug auf die Ratskorrespondenz, sondern in gleichem Maße für landesherrliche226 und – im weitesten Sinne – private Briefe227 zu unterstreichen . Quellen des städtischen Gerichtswesens Quellen des städtischen Gerichtswesens, die in den untersuchten Städten nur selten schon für das Spätmittelalter, aber häufig aus dem 16 . Jahrhundert vorliegen, enthalten vielfältige Hinweise zu medizinhistorischen Belangen .228 So finden sich etwa Informationen über den 225 HoFius (1971), S . 181 setzt sich auf der Grundlage von Stadtarchiv Wesel, A3 1349–1353, fol .20 in Bezug auf Duisburg ausführlich mit der hier aufgezeigten Informationskette auseinander . 226 Ein Beispiel bietet die Korrespondenz des Kölner Erzbischofs Hermann IV . von Hessen mit Herzog Wilhelm II . von Jülich im Jahre 1490 . Ediert bei Woldemar Harless, Pest in Köln und im Erzstifte, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 2 (1865), S . 367– 371 . Vgl . für weitere Zeugnisse Hauptstaatsarchiv Düsseldorf Jülich-Berg I, Akten Nr . 1389 . 227 Vgl . hierzu die Studie von Robert Jütte, Die Leiden der Elisabeth von Rochlitz, der Schwester Philipps des Großmütigen, in: Hrsg . Werner BucHHolZ / Stefan kroll, Quantität und Struktur . Festschrift für Kersten Krüger zum 60 . Geburtstag, Rostock 1999, S . 337–356 für die eine Auswertung der Korrespondenz zwischen der wohl an Syphilis erkrankten Elisabeth von Rochlitz mit ihrem Bruder vorgenommen wurde . Brigitte pFeil / Tilmann Walter, Im Dienst der Reichsstadt . Der spätmittelalterliche Stadtarzt Amplonius von der Buchen (1403–1438) und seine Briefe an die Stadt Nördlingen, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für Nördlingen und das Ries 35 (2017), S . 57–91 . 228 Quellen der städtischen Gerichtsbarkeit liegen nur selten in edierter Form vor . Vgl . Die Protokolle des Duisburger Notgerichts 1537–1545 . Mit Einführung und einem Glossar (= Duisburger Geschichtsquellen 10), Hrsg ., Margret miHm, Duisburg 1994 . Ein von der historischen Forschung nicht zuletzt aufgrund seiner herausragenden bildlichen Darstellungen intensiv rezipiertes, für die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung jedoch
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
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Umgang mit kranken Gefangenen, (wund)ärztliche Gutachten und strafrechtliche Verfahren bei Normübertretungen in Seuchenzeiten . Insbesondere Verhörprotokolle,229 die in vergleichsweise großer Zahl etwa in den sogenannten Kölner „Turmbüchern“ überliefert sind,230 gewähren Einblicke in zeitspezifische Wahrnehmungen von Krankheit und in die medizinische Praxis . Sie beleuchten zudem – wenngleich durch ihren Zweck perspektivisch eingeschränkt – das Schicksal einer sozialen Schicht von Stadtbewohnern, die in anderen Quellengattungen überhaupt nicht oder nur selten auftauchen . Dabei gilt allerdings einmal mehr, dass auch Zeugnisse des städtischen Gerichtswesens nur gelegentlich solche für seuchengeschichtliche oder allgemein medizinhistorische Untersuchungen gewinnbringenden Informationen enthalten . Der größte Teil der Dokumente bezieht sich auf andere Angelegenheiten . Sofern nicht – wie in Köln – für medizinhistorische Zwecke systematisch erschlossen, ist in der Regel nur eine stichprobenartige Auswertung der Bestände auf der Grundlage einer ungefähren Seuchenchronologie möglich . Die Ergebnisse bleiben dadurch notgedrungen eher zufällig . Einige exemplarische Beispiele mögen veranschaulichen, in welcher Gestalt sich seuchengeschichtlich relevante Aspekte in Zeugnissen der städtischen Gerichtsbarkeit verbergen können . Johann Kyntzwiler, angeklagt in Köln wegen einer Schuldangelegenheit, erkrankte während seiner Haft im Frühjahr 1581 an der Pest .231 Wie das Gericht in diesem Fall weiter verfuhr, wirft ein bezeichnendes Licht auf den obrigkeitlichen Umgang mit einem Kranken, der eine potentielle Gefahr für andere Stadtbewohner darstellte und mit dem man sich auf keinen Fall weiter belasten wollte . Ob das Urteil ähnlich ausgefallen wäre, wenn der Beklagte zur angesehenen Kölner Oberschicht gezählt hätte, mag dahingestellt sein . Im Fall des unergiebiges Zeugnis städtischer Rechtsprechung ist das Soester Nequambuch . Vgl . Das Soester Nequambuch . Das Buch der Frevler . Ein Stadtbuch des XIV . Jahrhunderts (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für die Provinz Westfalen XIV), Leipzig 1924 . Das Soester Nequambuch . Neuausgabe des Acht- und Schwurbuches der Stadt Soest (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XIV), Hrsg . Wilhelm koHl, Wiesbaden 1980 . 229 Winfried scHulZe, Zur Ergiebigkeit von Zeugenbefragungen und Verhören, in: Hrsg . Winfried ScHulZe, Ego-Dokumente . Annäherung an den Menschen in der Geschichte (= Quellen und Darstellungen zur Sozial- und Erfahrungsgeschichte 2), Berlin 1996, S . 319–326 . 230 Vgl . etwa das erste Kölner Turmbuch, Prothocollum ind irster anzeichnongh der gefangen, bynnen Colne uff den tomen verhört (1555–1560; 1567–1568), unter Historisches Archiv der Stadt Köln, Verfassung und Verwaltung G 206 . Vorläufer unter Historisches Archiv der Stadt Köln, Verfassung und Verwaltung G 205 sowie Verfassung und Verwaltung G 204 (Liber malefactorum) daneben zahlreiche weitere Kriminalakten . Eine stichpunktartige, sehr gründliche Auswertung der umfangreichen Bestände bietet rössner-ricHarZ (1998) . Vgl . auch Jürgen macHa, Kölner Turmbücher . Schreibsprachwandel in einer seriellen Quelle der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 110 (1991), S . 36–61 . Gerd scHWerHoFF, Ein Blick vom Turm . Kölner Quellen zur historischen Kriminalitätsforschung, in: Geschichte in Köln 27 (1990), S . 43–67 . ders., Köln im Kreuzverhör . Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft in einer frühneuzeitlichen Stadt, Bonn/Berlin 1991 . Größere Bestände liegen auch andernorts vor . Vgl . etwa Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden, B 252 (alt) – 270 (alt) oder Stadtarchiv Münster, Acta Criminalia BI u . BII . 231 Historisches Archiv der Stadt Köln, Hohes Weltliches Gericht G 1, fol . 151r .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Johann Kyntzwiler entschied man auf die prompte und dauerhafte Ausweisung aus der Stadt . Daneben liefert das auf die Zeit zwischen dem 18 . April und dem 6 . Mai datierte Dokument für die Betrachtung des epidemischen Geschehens in Köln einen wichtigen Hinweis zur Seuchenchronologie . Die Angst vor Ansteckung spielt auch eine nicht unerhebliche Rolle in einer Kölner Kriminalakte vom 3 . Januar 1505 .232 Guetgin Pryss, die aufgrund einer Pfandbriefsache verhaftet werden sollte, erklärte, sy het Sent Jobs kranckheit.233 Die offenbar nur vorgetäuschte Syphiliserkrankung vermochte den hartgesottenen Gerichtsboten Clauss jedoch nicht nachhaltig zu schrecken . Er beharrte darauf, die Frau trotzdem in Gewahrsam zu nehmen . Auch dieses Zeugnis vermittelt einen plastischen Eindruck zeitspezifischer Wahrnehmung einer wenige Jahre zuvor erstmals in der Großstadt Köln aufgetretenen Krankheit . Immerhin hoffte die beklagte Guetgin auf die furchteinflößende Wirkung der Syphilis, von deren Kontagiosität sie – offenbar ohne Kenntnis des geschlechtlichen Übertragungsweges – überzeugt schien .234 Ärzte, Wundärzte, Apotheker, Hebammen und sonstige Heilkundige finden sich bisweilen ebenfalls unter den Beklagten, den Zeugen oder den sonst wie mit einem Delikt in Verbindung stehenden Personen . Im März des Jahres 1558 wurden mehrere Schifferknechte wegen einer Messerstecherei in Trunkenheit auf dem Turm verhört .235 Einige Wochen nach dem Vorfall war der verwundete Christoffel von Rüdesheim verstorben . Lodewich Stempell, dem der tödliche Messerstich zur Last gelegt wurde, sagte am 1 . März dazu aus, Christoffel sei ihm in seine Klinge gelaufen . Dabei sei das Messer eine Handbreit bouven de hanth in den Leib des Opfers eingedrungen . Ein Wundarzt aus Deutz hatte die Wunde behandelt . Fünf Wochen später brach die Verletzung jedoch wieder auf . Der am 22 . März verhörte Schiffer Roerhaus entlastete den Tatverdächtigen . Seiner Aussage zufolge nahm Christoffel von Rüdesheim seine Arbeit nach fünf Wochen wieder auf . Zu dieser Zeit sei er by nach heill genesenn, Unter der Belastung sei die Verletzung zwar abermals aufgebrochen, doch sei Christoffel erst gestorben, als er darnach die pestelentz kregenn. Testamente Spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Testamente, die in einigen Städten Rheinland-Westfalens in größerer Zahl, in anderen hingegen nur vereinzelt oder gar nicht vorliegen, sind für seuchengeschichtliche Untersuchungen kaum gewinnbringend verwertbar . In der Regel enthalten sie selbst in Jahren nachweislich größerer Epidemien keinen Hinweis auf das Seuchengeschehen oder eine mögliche Erkrankung der Testatorinnen und Testatoren . 232 Historisches Archiv der Stadt Köln, Krim . 3, fol . 163r . 233 In der Koelhoffschen Chronik wird dieser Begriff ebenfalls verwendet . Vgl . Koelhoffsche Chronik (1877), S . 900 . 234 Zur anfänglichen Kenntnis und Deutung der Syphilisübertragung kurz Peter scHuster, Das Frauenhaus . Städtische Bordelle in Deutschland 1350 bis 1600, Paderborn 1992, S .185 . Die mittelbare Übertragung der Syphilis durch Gegenstände bildet die Ausnahme . knop (1988), S . 135 . 235 Historisches Archiv der Stadt Köln, Verfassung und Verwaltung G 297, fol .21r–22v .
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
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Aus diesem Grund wurde für die vorliegende Untersuchung von der zeitlich aufwändigen und im Vergleich dazu wenig ertragreichen Auswertung von Testamenten weitgehend abgesehen . Lediglich für Köln war es durch die akribischen Vorarbeiten von Maria Rößner-Richarz möglich, zumindest einige einschlägige Zeugnisse zu berücksichtigen .236 Diese liefern durch Vermerke zu Erkrankungen der Testierenden wertvolle Hinweise für die Seuchenchronologie . Leider vermitteln die Dokumente keinerlei detaillierte Vorstellung davon, ob bestimmte Teile der Bevölkerung stärker von der Seuche getroffen wurden als andere . Um derartige Feststellungen einigermaßen verlässlich treffen zu können, müssten Angaben zum (bevorstehenden) Seuchentod der Testatoren in einer weitaus größeren Zahl entsprechender Dokumente vorliegen . In welcher Form Testamente dennoch Auskünfte über das Wirken von Seuchen enthalten können, wird beispielhaft anhand des letzten Willens des Macharius Vegesack aus Münster deutlich . Dieser hatte zwei Urkunden zufolge, die im Zusammenhang mit der Stiftung der sogenannten Aegidii-Elende am 11 . Januar 1474 und 6 . März 1475 ausgefertigt wurden, in seinem Testament die Einrichtung eines Hauses bestimmt, das to troeste armer ellendiger, verlaten lüde de in pestilencie befallen vorgesehen war .237 Leider ist das Testament Vegesacks nicht überliefert und nur durch die Angaben der Testamentsvollstrecker in diversen Urkunden fragmentarisch zu erschließen .238 Ein späteres Bespiel aus Köln zeigt, welche Einblicke in das seuchenbedingte Reaktionsspektrum spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Testamente gewähren können . Am 20 . August 1630 erschien der Schuster Peter von Frechen gemäß den Ausführungen des Testaments vor dem Notar, um anzuzeigen, dass seine Schwägerin Gertrud von Bercheim, Witwe des Johann Nagel aus Greefrath, ihren letzten Willen aufsetzen lassen wolle .239 Gertrud war allerdings mit der abscheulichen Pest kranckheit behaftet, so dass sich Schöffen, Notar und Zeugen inständig weigerten, das Haus zu betreten . Also fanden sich diese im gegenüberliegenden Haus auf der Hönergasse ein, von wo aus sie Einsicht in das Zimmer der Erblasserin hatten . Von einem oberen Stockwerk aus dem Fenster schauend, wurde Gertrud von Bercheim in ihr eigenthumblichen behuysing […] Schwachheit halben auf ihren Sitzplatz sitzend befunden. Die Amtspersonen konstatierten, dass die Frau in diesem Zustand nichts mehr verrichten könne und nahmen offenbar mittels Zurufs den letzten Willen der Todkranken auf . Leider sind derart beredte Testamente eine Ausnahme . Zunftakten Nicht in allen Städten Rheinland-Westfalens waren Vertreter der sogenannten niederen Heilberufe in eigenen Zünften zusammengeschlossen . Während Chirurgen und Barbiere in Köln schon im späten Mittelalter in einer 236 rössner-ricHarZ (1998), S . 14–23 stellt für Köln in Registerform 35 Testamente mit medizingeschichtlich relevanten Bezügen zusammen . 237 Stadtarchiv Münster, Aegidii-Elende, Urkunden Nr . 3 u . 3 a (Stiftungsurkunde) . 238 WinZer (1996), S . 244 . 239 Historisches Archiv der Stadt Köln, Testamente 3/B 280 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Zunft organisiert waren, erreichten die Mindener Wundärzte erst an der Wende zum 18 . Jahrhundert, die Soester hingegen nie Zunftstatus .240 Wo Zunftakten vorliegen, enthalten diese reichhaltige prosopografische Informationen und geben wertvolle Einblicke in die wundärztliche Alltagspraxis sowie das Wirken dieser Heilkundigen in Seuchenzeiten .241 Quellen städtischer Bruderschaften In allen westfälischen und niederrheinischen Städten existierte eine mehr oder weniger große Zahl von Bruderschaften, von denen sich einige über ihre zentralen Zwecke242 hinaus hospitalischen Belangen widmeten .243 Die überlieferten Dokumente solcher Bruderschaften enthalten Aussagen über deren karitatives Wirken und lassen Formen des institutionellen Umgangs mit Seuchenkranken sichtbar werden . Die Rechnungsbücher etwa der Kölner Heilig-Geist-Bruderschaft zu Herrenleichnam, erstmals 1353 als Fraternitas S. Spiritus de Sublobiis et de forro ferri erwähnt,244 machen deutlich, in welch vielfältiger Weise diese Gemeinschaften zum Unterhalt der Leprakranken im Melatenhaus beitrugen . Neben einer alljährlich am Heiligen Sacraments Avent stattfindenden Speisung der Hausinsassen, deren Zahl jeweils genannt wird, listen die Abrechnungen vor allem regelmäßige Lebensmittelzuwendungen auf .245 Die Bruderschaft führte eine jährliche Almosen240 In Köln liegen mannigfaltige Zeugnisse bereits für das Spätmittelalter vor . Für eine Zusammenstellung vgl . rössner-ricHarZ (1998), S . 194–210 . Zu Minden Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden B 98 (alt) . Vgl . auch Margrit krieg, Der Mindener Bader erste Zunftordnung, in: Mindener Heimatblätter 9 (1931), Nr . 16 u . Nr . 17 und dies., Von der Chirurgenzunft in Minden, in: Mindener Heimatblätter 9 (1931), Nr . 23 . Zu Soest JankriFt (2010). Vgl . ferner zu Aachen Claudia kraHn, Die Geschichte der Aachener Chirurgenzunft und ihrer Vertreter, Med . Diss . Aachen 1984 . 241 Vgl . etwa für Köln zum wundärztlichen Dienst im Pest-, Armen- und Waisenhaus Historisches Archiv der Stadt Köln, Zunft A 381, fol .347 ff . 242 Vgl . die Beiträge in dem Band von Peter JoHanek (Hrsg .), Einungen und Bruderschaften in der spätmittelalterlichen Stadt (= Städteforschung A/37), Köln/Weimar/Wien 1993 . Ferner Peter löFFler, Studien zum Totenbrauchtum in den Gilden, Bruderschaften und Nachbarschaften Westfalens vom Ende des 15 . bis zum Ende des 19 . Jahrhunderts (= Forschungen zur Volkskunde 47), Münster 1975 . 243 Vgl . Benjamin laQua, Bruderschaften und Hospitäler während des hohen Mittelalters . Kölner Befunde in westeuropäisch-vergleichender Perspektive (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters 58), Stuttgart 2011 . FroHn (1933), S . 183 ff . Ernst von moeller, Die Elendenbrüderschaften . Ein Beitrag zur Geschichte der Fremdenfürsorge im Mittelalter, Leipzig 1906 . Zu den Verhältnissen im frühneuzeitlichen Köln Rebekka von malinckrodt, Struktur und kollektiver Eigensinn . Kölner Laienbruderschaften im Zeitalter der Konfessionalisierung, Göttingen 2005 . 244 FroHn (1933), S . 184 . 245 Vgl . etwa die Einnahmen und Ausgaben der Bruderschaft zum Heiligen Geist der Armen zu Melaten (Sancti Spiritus zu den Heren Licham) 1540–1579 u . 1580–1651 unter Historisches Archiv der Stadt Köln, Armenverwaltung, Best . 160 Melaten B 2191 u . B 2192 . Zur Verpflegung im münsterischen Leprosorium Kinderhaus Barbara krug-ricHter, Item am dinxtage up der hilligen drey koninge dach den armen einen rinderen potthast … – Lebensstandard und Nahrungsgewohnheiten im Leprosorium Münster-Kinderhaus im 16 . und 17 . Jahrhundert, in: Hrsg . Richard toellner, Lepra Gestern und Heute . 15 wissenschaftliche Essays zur Geschichte und Gegenwart einer Menschheitsseuche-Gedenkschrift zum
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
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kollekte in der Stadt durch . So ist etwa 1587 eine Einnahme von rund 186 Mark verzeichnet, als mit Broder meister mit umb gangen der Armen Bussen in der Burger und kaufleudt heuser .246 Einschlägig gewählte Patrozinien von Bruderschaften verweisen auf deren nähere Zweckbestimmung . Ein Beispiel bietet hierfür die St .-RochusBruderschaft in Aachen, die den Namen des Pestschutzheiligen führt und infolge eines Pestausbruchs in der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts gegründet wurde .247 Eine besondere Rolle spielten besondere Leprosenbruderschaften, denen gleichzeitig Kranke wie Gesunde angehören konnten .248 So tauchen beispielsweise für Köln 1491 Hinweise auf die Gründung einer derartigen Bruderschaft durch Lentzo von der Wee und seine Frau Margareta de Steynbusch auf, die in einer im Jahre 1494 ausgestellten Urkunde als „Bruderschaft der heiligen vier Marschalle und des heiligen Lazarus zu Melaten“ bezeichnet wird .249 Insgesamt liegen jedoch nur wenige Quellen über das Wirken westfälischer und niederrheinischer Leprosenbruderschaften vor .250 Tagebücher Tagebücher können in all ihrer Subjektivität ein wertvolles Bild persönlicher Seuchenwahrnehmung vermitteln und den Umgang mit Erkrankten aus der Sicht Betroffener schildern . Sie sind damit eine ebenso wertvolle, wie leider für den Untersuchungszeitraum in Westfalen und dem Rheinland seltene Quelle . Ein herausragendes, von der historischen Forschung oft herangezogenes Beispiel für die facettenreiche Informationsflut von Tagebuchaufzeichnungen stellt das sogenannte Buch Weinsberg des Kölner Ratsherrn Hermann Weinsberg (1518–1598) dar . So sind auch Weinsbergs persön-
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650-jährigen Bestehen des Rektorats Münster-Kinderhaus, Münster 1992, S . 29–39 . dies., Zwischen Fasten und Festmahl . Hospitalverpflegung in Münster 1540 bis 1650 (= Studien zur Geschichte des Alltags 11), Stuttgart 1994 . Historisches Archiv der Stadt Köln, Armenverwaltung, Best . 160 Melaten B 2192, fol .62r . Stadtarchiv Aachen, Handschrift 87 Rochusbruderschaft . Zu Pest-Schutzheiligen vgl . Neithard Bulst, Heiligenverehrung in Pestzeiten . Soziale und religiöse Reaktionen auf die spätmittelalterlichen Pestepidemien, in: Hrsg . Andrea lötHer u . a ., Mundus in imagine . Bildersprache und Lebenswelten im Mittelalter . Festgabe für Klaus Schreiner mit einem Geleitwort von Reinhart Koselleck, München 1996, S . 63–97 . Martin uHrmacHer, Zu gutem Frieden und Eintracht strebend . Norm und Praxis in Leprosorien des 15 . Jahrhunderts im Spiegel ihrer Statuten . Das Beispiel Trier, in: Hrsg . Sebastian scHmidt / Jens aspelmeier, Norm und Praxis der Armenfürsorge in Spätmittelalter und früher Neuzeit (= Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 189), Stuttgart 2006, S . 147–168 . FroHn(1933), S . 184L Vgl . Faassen (1998), S . 9 sowie zur Gertruden-Bruderschaft, der neben den Kranken des Lemgoer Siechenhauses St . Georg die Insassen von neun weiteren Leprosorien der Region angehörten Hermann HentscHel, Lepra-der Siechen Last . Ergänzung zur Sonderausstellung der Gesellschaft für Leprakunde e . V . Münster und des Deutschen Aussätzigen Hilfswerks e . V . In’s Abseits. Aussatz-Kulturgeschichtliches Erbe und aktuelle Aufgabe aus örtlicher und regionaler Sicht (= Verein Alt Lemgo im Lippischen Heimatbund, Arbeitskreis Stadtgeschichte 10/90), Lemgo 1990, S . 76 ff .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
liche Erfahrungen mit den Auswirkungen von Seuchen in seiner Heimatstadt Köln immer wieder Gegenstand plastischer Beschreibungen geworden .251 Eine lokalspezifische Besonderheit: Das Schriftgut der Universität Köln Im Jahre 1388 wurde die Universität Köln gegründet, die bis zur Einrichtung der klevemärkischen Landesuniversität Duisburg im Jahre 1655 die einzige Alma Mater auf westfälisch-niederrheinischem Gebiet blieb . Das universitäre Schriftgut enthält zahlreiche Hinweise auf Seuchen und deren Bekämpfung .252 Dies gilt vor allem für Dokumente der Medizinischen Fakultät . Insbesondere die chronologisch angelegten Dekanatsbücher erlauben Rückschlüsse auf die Seuchenchronologie, das Verhalten der Universitätsangehörigen im Angesicht der Pestilenz und die Rolle der Medizinischen Fakultät für das Lepraschauwesen . Im Jahre 1409 sah sich die Universität beispielsweise genötigt, die ursprünglich auf den 24 . Juni festgesetzte Meldefrist für den Rotulus wegen der in Köln grassierenden Pest bis auf den 13 . Januar 1410 zu verschieben .253 Die Protokolle der Lepraschauuntersuchungen stellen ein überaus wertvolles Dokumentenkonvolut zeitspezifischer Krankheitswahrnehmung dar . Sie geben nicht nur die Namen der an den Prüfungen beteiligten Ärzte und der Lepraverdächtigen sowie Ort und Zeit der Untersuchungen wieder, sondern machen umfangreiche Angaben zu den Befunden .254 So fand etwa die vierköpfige Untersuchungskommission der Medizinischen Fakultät, die am 31 . März 1492 im Haus des Arztes Dordraco zur Besehung des Soester Geistlichen Johann Kannegieter zusammentraf, keine Spuren der Lepra an dem Aussatzverdächtigen .255 Für die Durchführung der Schau erhielt jeder der Doktoren 4 Mark . Das Untersuchungsprotokoll vermerkt, dass Kannegieter den für seine Untersuchung gezahlten Betrag auf einen Goldgulden aufstocken wolle, sofern er die Ausgaben von seinen Anklägern zurückerlangen könne . Die Notiz gibt einen wichtigen Hinweis auf die Anzeigepraxis eines Lepraverdachts, die in diesem Fall mit der kaum zu beantwortenden Frage verbunden ist, ob der Vikar Feinde hatte, die ihm durch die Lepraverdächtigung schaden woll251 Das Buch Weinsberg . Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16 . Jahrhundert, 5 Bde . (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 2, 3 u . 16), Bearb . Konstantin HöHlBaum [Bd . 1 u . 2], Friedrich lau [Bd . 3 u . 4], Josef stein [Bd . 5], Leipzig/Bonn 1886–1926 [Neudruck: Düsseldorf 2000] . Zur Darstellungsweise Weinsbergs vgl . Wolfgang scHmid, Kölner Renaissance-Kultur im Spiegel der Aufzeichnungen des Hermann Weinsberg 1518–1597 (= Veröffentlichungen des Kölner Stadtmuseums 8), Köln 1991 . 252 Eine Zusammenstellung relevanter Schriftzeugnisse über das 16 . Jahrhundert hinaus bietet rössner-ricHarZ (1998), S . 155–194 . Allgemein zur Kölner Universität die Studien bei Albert Zimmermann (Hrsg .), Die Kölner Universität im Mittelalter (= Miscellanea mediaevalia 20), Berlin 1989 . 253 Regesten und Auszüge zur Geschichte der Universität Köln 1388–1559 (= Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 36/37), Bearb . Hermann keussen, Köln 1918, S . 21 . 254 Hermann keussen, Beiträge zur Geschichte der Kölner Lepra-Untersuchungen, in: Lepra . Bibliotheca internationalis 14 (1913), S . 80–112 . Vgl . hierzu auch Otto von Bremen, Die Lepra-Untersuchungen der medizinischen Fakultät von 1491–1664, in: Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst 18 (1899), S . 65–77 . 255 keussen (1913), S . 80 u . 87 .
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ten oder ob eine reale Angst vor Ansteckung bestand . Vierzehn Jahre nach dieser ersten musste sich Johann Kannegieter jedenfalls einer zweiten Untersuchung in Köln unterziehen . Zwei der schon damals beteiligten Ärzte, Dordraco und Bau, waren dem Protokoll zufolge erneut in der Kommission vertreten . Ihre Beschreibung lässt erahnen, dass der Zustand Kannegieters in seinem Umfeld durchaus Verdächtigungen Vorschub leisten konnte . Die Doctores attestierten dem Geistlichen unter anderem scabies sicca am ganzen Körper, wiesen den Lepraverdacht jedoch erneut zurück und stellten Kannegieter abermals ein Reinheitszeugnis aus . Schriftgut von Leprosorien und Pesthäusern Urkunden Urkunden von Leprosorien liefern – besonders in Serien ausgewertet – wertvolle Informationen über die wirtschaftliche Situation der Einrichtungen und ihr Ansehen in der jeweiligen städtischen Gesellschaft . Die Zeugnisse betreffen nahezu ausschließlich Güterübertragungen, Rentengeschäfte und Schenkungen . Sie erlauben es, die zu einer Einrichtung gehörigen Besitzungen zu erfassen und partielle Erkenntnisse über die Entwicklung der Einkünfte zu gewinnen . Kenntlich werden ferner die Namen der Personen, die an den jeweiligen Rechtsgeschäften beteiligt waren . Unter Hinzuziehung weiterer Quellen werden Rückschlüsse auf deren soziale Stellung und damit auf die Struktur des Personenkreises deutlich, der maßgeblich zur Förderung der Institution beitrug . Daneben ergeben sich Einblicke in die Administration des Hauses, da die Bezeichnungen für die in Vertretung der Institution handelnden Amtspersonen häufig genannt werden . Sind diese gar namentlich erwähnt, lassen sich deren ungefähre Amtszeiten ermitteln, die gegebenenfalls in den Ratslisten abgeglichen und so auf eine sichere Basis gestellt werden können . Dadurch werden Kontinuität und Wandel in der Verwaltung hospitalischer Institutionen deutlich . Aspekte der Krankenversorgung scheinen in den Urkunden hingegen nur gelegentlich durch . Ein Beispiel aus dem Traditionsbuch des Essener Siechenhauses zeigt, in welcher Form sich diese Informationen im Rahmen der Quelle präsentieren können .256 Am 31 . Januar 1441, so ist der Urkunde zu entnehmen, gaben Albert Schylder und Wennemair Steven, vormündere des hilligen geistes tot Essende und gleichzeitig zuständig für die Verwaltung des Leprosoriums, vor dem Rat an, Johan von Theveren eine Erbrente von dreieinhalb Rheinischen Gulden verkauft zu haben . Aus diesen Einkünften des Heilig Geist Spitals wollten sie nunmehr alljährlich zu Ostern und am Fest des heiligen Michael, dem 29 . September, eine Zahlung an die armen leprosen menschen yn dem seykenkotten leisten . Die im Hinblick auf den untersuchungsrelevanten Aussagegehalt solcher Urkunden getroffenen Feststellungen lassen sich auf gattungsgleiche Zeugnisse westfälischer und niederrheinischer Pesthäuser übertragen . Einschrän-
256 Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 2147, fol .1 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
kend ist dabei zu betonen, dass Serienuntersuchungen aufgrund der zu geringen Zahl an Urkunden in aller Regel unmöglich sind . Neben Zeugnissen über Rentengeschäfte und Schenkungen finden sich von Vertretern der Geistlichkeit zugunsten einzelner Leprosorien ausgestellte Urkunden, die oft den Bau von Gotteshäusern für die Leprakranken betreffen . Um eine für diesen Zweck häufig nötige Steigerung der Einkünfte zu erzielen, wurde Wohltätern der Einrichtungen ein Ablass in Aussicht gestellt . Im Falle des Aachener Leprosoriums war es gar Papst Gregor IX . (um 1167–1241), der diesbezüglich in einer auf den 24 . Februar 1234 datierten Urkunde Bischöfe, Äbte, Pröpste, Prälaten und Rektoren eindringlich zur Unterstützung aufforderte .257 Die Urkundenüberlieferung westfälischer und rheinischer Leprosorien ist individuell verschieden und spiegelt zumeist die allgemeine Überlieferungssituation für die jeweilige Stadt wider . Mehr oder weniger umfangreiche Urkundenbestände liegen für die Häuser in Köln-Melaten, Minden, Münster, Soest sowie Essen und Paderborn vor .258 Hingegen sind für die Leprosorien von Aachen, Dortmund, Duisburg und Xanten nur vereinzelte Dokumente bekannt .259 Der Urkundenbestand des Weseler Leprosenhaus ist vollständig verloren gegangen . Aus Gründen, die mit dem speziellen Typ dieser Institution zusammenhängen und die an anderer Stelle noch zur Sprache kommen werden, sind die Urkundenbestände der Pesthäuser viel kleiner als die der Leprosorien . Lediglich für die sogenannten Elenden Münsters – sehr begrenzt auch für das „Kleine Altena“ in Soest260 – existiert eine nennenswerte Urkundenüberlieferung .261 Rechnungsbücher vermitteln zahlreiche Einblicke in den institutionellen Alltag der Leprosen- und Pesthäusern sowie die Versorgung der darin untergebrachten Personen . Anhand der Dokumente lassen sich naturgemäß Erkenntnisse über die Einkunftsquellen sowie über die Ausgaben gewinnen . Dies gilt vor allem für die Kosten von Lebensmitteln, Brennmaterial und allerlei Arbeiten zur Instandhaltung des Hauses . Mitunter wird auch die Zahl der Versorgungs257 meutHen (1972), Nr . 111 . 258 Einige Dokumente liegen in edierter Form verstreut in den Urkundenbüchern der jeweiligen Städte bzw . im Westfälischen Urkundenbuch vor . Ein Großteil der Urkunden aus der Zeit nach der Mitte des 15 . Jahrhunderts harrt weiterhin der Edition . Einzig für Soest existiert eine systematische Erfassung des gesamten mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Urkundenbestandes des Leprosenhauses zur Marbecke mit Edition in Regestenform . Vgl . Urkunden-Regesten der Soester Wohlfahrtsanstalten, Bd . 3: Urkunden der kleineren Hospitäler, Pilgrimshäuser, Beginenhäuser und Armeneinrichtungen (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 25), Bearb . Friedrich von klocke, Münster/Soest 1953–64 . 259 Der kleine Urkundenbestand des Dortmunder Leprosoriums ist seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen und nur über die Edition im Dortmunder Urkundenbuch zu erschließen . Vgl . siedling (1996), S .186 Anm . 10 . 260 klocke, Bd . 3 (1953) . 261 Stadtarchiv Münster, Elende Aegidii, Urkunden (37; 1436–1661); Elende Überwasser, Urkunden (26; 1501–1658); Elende Lamberti, Urkunden (26; 1529–1687); Elende Martini, Urkunden (11, 1555–1629) .
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empfänger erwähnt, die in Dokumenten der Leprosorien auch namentlich genannt sein können . Durch eine serielle Betrachtung werden Veränderungen der Belegzahlen deutlich . Während sich durch Veränderungen der Belegzahlen aus den Rechnungen der Pesthäuser auf den etwaigen Verlauf und die Dauer einer Seuche schließen lässt, erlauben Leprosenhausrechnungen gelegentlich, Einzelschicksale vom Eintritt eines Kranken bis zu dessen Ableben zu verfolgen . Gleichzeitig ergeben sich Hinweise auf die Verwaltungs- und Organisationsstrukturen der Institutionen . Im Spiegel der Rechnungsbücher offenbaren sich mithin Form und Umfang des Beitrages von Leprosen- und Pesthäusern für den städtischen Umgang mit Seuchen . Leider liegen diese so wichtigen Quellen nur für einen Teil der rheinisch-westfälischen Einrichtungen vor, wobei die Überlieferung selten vor dem 16 . Jahrhundert einsetzt . Eine Ausnahme bildet Wesel, wo die im Laufe der Zeit immer umfangreicheren Leprosenrechnungen nahezu lückenlos seit 1417 erhalten sind .262 Auch die Rechnungen des Weseler Pest-Gasthauses sind seit dessen Gründung in der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts komplett vorhanden .263 Für die bereits vor der Mitte des 16 . Jahrhundert bestehenden münsterischen Einrichtungen, drei Elenden und das Leprosorium Kinderhaus, sind Registerrechnungen zumeist erst aus der Zeit nach der Wiedertäuferherrschaft überliefert . Dies jedoch in lückenloser Folge . Frühneuzeitliche Rechnungsbücher liegen zudem für das Essener Siechen- und das Kölner Melatenhaus vor . Vereinzelte Überreste existieren auch für das Soester Aussätzigenspital, nicht aber für das Pesthaus . In Aachen, Dortmund, Duisburg, Minden, Paderborn und Xanten fehlen entsprechende Zeugnisse gänzlich . Hausstatuten und -Ordnungen Statuten und Ordnungen gewähren aufschlussreiche Einblicke in die normativen Grundlagen des alltäglichen Spitalbetriebs . Dies gilt vor allem für die Leprosorien, wo das durch die Natur der Krankheit bedingte dauerhaftere Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft die Aufstellung teilweise umfangreicher Regelwerke förderte . In deren Mittelpunkt stehen neben Aufnahmebedingungen die Verhaltensvorschriften für die Kranken . Demgegenüber widmen sich Ordnungen von Pesthäusern zumeist Aspekten, die Umfang und Art der hospitalischen Versorgung sowie die Entlohnung des Personals festlegen . Die Kranken werden in diesem Rahmen oft nur mittelbar berücksichtigt, da eventuelle Konflikte im Haus durch deren physischen Zustand und deren zumeist wohl rasches Ableben wahrscheinlich selten waren . Der Reglementierungsbedarf erschien mithin begrenzt . Die Formulierungen in den statuarischen Texten belegen, dass der baldige Tod der Infizierten als die Regel betrachtet wurde und ihre Genesung eher eine Ausnahme dar-
262 Stadtarchiv Wesel, A11 Leprosen-Stiftung 1417–1477; 1480–1510; 1511–1540; 1541–1570, 1571–1590 und weitere . 263 Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus 1581–1607,1609–1640 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
stellte .264 Der grundsätzlich unterschiedliche Charakter der Lepra auf der einen und der Pest mitsamt weiteren rasch tötenden Infektionskrankheiten auf der anderen Seite, schlug sich somit in einer ebenso unterschiedlichen Normierungspraxis nieder . Inwieweit das in Statuten und Ordnungen entworfene Idealbild mit der alltäglichen Praxis übereinstimmt, lässt sich in begrenztem Maße mit Hilfe anderer Quellenzeugnisse ergründen . So können beispielsweise Rechnungsbücher Verstöße gegen die Norm in der Form registrieren, dass für eine gewisse Zeit die Zuteilung von allerlei Naturalien durch das Haus an eine Person unterblieb oder finanzielle Zuwendungen gekürzt wurden . Mit der allmählichen, von lokalen Leprosenordnungen beeinflussten Wiedererlangung der Verfügungsgewalt eines Kranken über seinen Besitz, die jahrhundertelang durch das Recht eingeschränkt worden war, scheinen im ausgehenden Mittelalter – spätestens aber im 16 . Jahrhundert – gelegentlich Geldstrafen für ordnungswidriges Verhalten verhängt worden zu sein . So notierte etwa Derick Cortois, Provisor des Weseler Melatenhauses, in der Rechnung des Jahres 1571: Als etliche Melaten gegen die Ordnung gedaen, so heb ick von Klanckenbergen 40 alb. van Noelen Gulicker i daler und Engelbert van Ervick 51 alb. empfangen .265 Daneben lassen Statuten und Ordnungen ebenso Rückschlüsse auf die Administration des Hauses wie auf normative Entwicklungen zu . Im regionalen Vergleich offenbaren sich zudem Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieses Quellentyps . Der überwiegende Teil der aus westfälischen und niederrheinischen Städten überlieferten Hausstatuten und -ordnungen stammt in Form von Abschriften oder Erweiterungen älterer Texte erst aus dem 16 . Jahrhundert . Mittelalterliche Zeugnisse sind demgegenüber rar . Sie finden sich nur für die Leprosenhäuser von Soest,266 Essen,267 Xanten268 und – in einem Kopiar – Münster .269 In jüngeren Abschriften sind zumindest Auszüge spätmittelalterlicher Paderborner Siechenhausordnungen erhalten .270 Für das Kölner Melatenhaus liegt erst für das 16 . Jahrhundert ein Statutentext vor, der allerdings ausschließlich den Modalitäten für die Durchführung der Lepraschauuntersuchung gewidmet ist .271 In Aachen, Dortmund, Duisburg, Minden und Wesel 264 Stadtarchiv Münster, Elende Lamberti, Urkunden Nr . 1 . Stadtarchiv Essen, Rep . 100, Nr . 2356 fol . 4r u . 4v erwähnt nicht einmal die Möglichkeit der Gesundung eines Pestkranken . 265 Stadtarchiv Wesel, A11 Leprosenrechnungen 1571–1590, fol .28r . 266 WUB, Bd . 7 (1908–1919), Nr . 1611 (1277) . Regesten bei klocke, Bd . 3 (1953–1964), Nr . 416 (1277) und Nr . 424 (um 1400) . 267 FroHn (1933), S . 278 f . (undatiert, 15 . Jh .) . 268 FroHn (1933), S . 104 u . S . 279 (Abschrift von 1528) . 269 Stadtarchiv Münster, Kinderhaus, Akten Nr . 186 (1447) . 270 Staatsarchiv Münster, Fürstbistum Paderborn, Hofkammer, Nr . 3910, fol .47 ff . (1390, 1400, 1425) und Akademische Bibliothek Paderborn, Archiv des Altertumsvereins, Act .45 fol .119, fol .125 u . fol .126 . 271 Johannes asen, Eine Leprosenordnung von Melaten bei Köln aus dem 16 . Jahrhundert, in: Lepra . Bibliotheca Internationalis 14 (1913), S . 70–72 . Auch bei FroHn (1933), S . 290–
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finden sich keine entsprechenden Zeugnisse . Statuarische Bestimmungen für Pesthäuser sind nur in Münster seit dem 15 .272 sowie in Essen seit dem 16 . Jahrhundert vorhanden .273 Siechenschaubriefe Eine besondere Form von Urkunden sind die sogenannten Siechenschaubriefe . Personen, die zur Überprüfung eines Aussatzverdachts an eine Schaukommission überstellt wurden, erhielten nach erfolgter Untersuchung einen solchen Brief als Zeugnis über den Befund . Die Statuten mancher Leprosorien westfälischer und rheinischer Städte forderten, vor der Aufnahme in das Haus einen glaubwürdig besiegelt breue über eine Lepraerkrankung vorzulegen .274 Seit wann die Untersuchungsbefunde in Rheinland-Westfalen in schriftlicher Form festgehalten wurden, ist unklar . Die ältesten erhaltenen Zeugnisse stammen aus der zweiten Hälfte des 15 . Jahrhunderts .275 Im Spiegel der Siechenschaubriefe offenbart sich ebenso ein wichtiger Ausschnitt obrigkeitlicher Verfahrensweisen im Umgang mit Leprakranken und -verdächtigen wie ein schemenhaftes Bild der Krankheitswahrnehmung zwischen Kontinuität und Wandel . Gleichzeitig liefern die Dokumente mancherlei Erkenntnis über regionale Organisationsformen des Lepraschauwesens . Als aufschlussreich erweist sich in dieser Hinsicht ein Textvergleich der von verschiedenen Kommissionen ausgestellten Schaubriefe . Stadtrechnungen, Ratsprotokolle, Rechnungsbücher der Leprosorien und weitere Dokumente weisen darauf hin, dass die Städte die Dienste der Schaukommissionen – insbesondere im Kölner Melatenhaus – regelmäßig in Anspruch nahmen . Allein aus Wesel wurden den Leprosenrechnungen des 16 . Jahrhunderts zufolge alljährlich bis zu neun Personen zur Überprüfung des Aussatzverdachts an eine auswärtige Schaukommission entsandt .276 Auch die Protokolle der Medizinischen Fakultät der Universität Köln, die sich im 15 . und am Beginn des 16 . Jahrhunderts erst noch als akzeptierte Schauinstanz etablieren musste und daher zweifelsfrei weniger Aussatzprüfungen vornahm als etwa das seit langem renommierte Melatenhaus, lassen den Gesamtumfang
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293 . Eine neue Edition des Textes bei Irmgard Hort, Aussätzige in Melaten: Regeln zur Krankheitsdiagnose, um 1540/1580, in: Hrsg . Joachim deeters / Johannes HelmratH, Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Bd . 2: Spätes Mittelalter und Frühe Neuzeit (1396–1794), Köln 1996, S . 168–173 . Stadtarchiv Münster, Elende Aegidii, Urkunden Nr . 3a und Akten Nr . 21 (Ordnung des Rates für die vier Elenden, 1 . Januar 1589); Elende Überwasser, Akten Nr . 11 (Kopie 18 .Jh .); Elende Lamberti, Urkunden Nr . 1; Elende Martini, Urkunden Nr . 3 . Ferner Stadtarchiv Münster AVI Nr . 83, 63 . Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 2356 fol .4r-v . Etwa Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 107 . Vgl . den im April 1476 im Kölner Melatenhaus ausgestellten Siechenschaubrief für die Soesterin Catharina Vrondes . Stadtarchiv Soest, A Nr . 9380 . Vgl . beispielsweise Stadtarchiv Wesel A11, Leprosenrechnungen 1511–1540, fol .184v; Leprosenrechnungen 1541–1570, fol .650r ., fol .677v; Leprosenrechnungen 1571–1590, fol .68r, fol .103r ., fol .131r .
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der Lepraschauuntersuchungen in Westfalen und dem Rheinland erahnen .277 Angesichts dessen sind erstaunlich wenige Siechenschaubriefe für die untersuchten westfälischen und niederrheinischen Städte erhalten . Lediglich in Soest278 und Duisburg279 liegen solche Zeugnisse – überwiegend aus dem 16 . Jahrhundert – in größerer Zahl vor .280 Medizinisches Schriftgut Vergleichsweise selten taucht in westfälischen und niederrheinischen Städten originäres medizinisches Schriftgut im weitesten Sinne auf,281 das sich mit Ursache, Verlauf und Behandlung von Seuchen auseinandersetzt . Von Ärzten verfasste Pestregimina und -consilia, wie sie im Umfeld des Schwarzen Todes in italienischen Städten bereits kurz vor der Mitte des 14 . Jahrhunderts entstanden, lassen sich für das spätmittelalterliche Rheinland-Westfalen nur vereinzelt nachweisen .282 Das älteste überlieferte Pestconsilium stammt aus der Feder des umbrischen Arztes Gentile da Foligno (um 1280–1349) .283 Da Foligno, welcher angeblich im schier unermüdlichen Einsatz um die Kranken im 277 keussen (1913), S . 80–112 verzeichnet für den Zeitraum zwischen 1499 und 1664 eine Zahl von 179 erhaltenen Protokollen . 278 Stadtarchiv Soest, A Nr . 9380-Nr . 9391 . Bis auf A Nr . 9391 als Regesten bei klocke Bd . 3 (1953–1964), Nr . 438, Nr . 478, Nr . 480–482, Nr . 484–486, Nr . 488, Nr . 490 u . Nr . 492 . 279 Stadtarchiv Duisburg, Best .1, Urkunden Nr . 117, Nr . 118 I, Nr . 120 I, Nr . 132, Nr . 139 I, Nr . 140 II, Nr . 145 u . Nr . 153 . 280 Vereinzelte Hinweise finden sich auch zu Aachen . mummenHoFF (1954/1955), S . 24 erwähnt ein 1448 vom Lütticher Leprosorium Mont Cornillon für den Priester Matthias Rappart ausgestelltes Dokument mit dem Befund immundus et leprosus. Ein solches ließ sich in den Aachener Archiven nicht ermitteln . Einige Zeugnisse von Schauntersuchungen des Leprosoriums Mont Cornillon sind erhalten . Unter ihnen befindet sich jedoch keines, das die Untersuchung einer Aachenerin oder eines Aacheners betrifft . Außerdem stammen sämtliche Stücke erst aus dem 16 . und 17 . Jahrhundert . Liège, Archives de l’Etat, Archives de l’Hôpital de Cornillon N°65 (darin Schaubrief), N°67– N°70 . 281 Häufiger sind neben Abschriften von Gesamtwerken Kompendien, die Auszüge der Werke klassischer und renommierter medizinischer Autoritäten enthalten . Ein Überblick über die Bestände im Historischen Archiv Köln bei rössner-ricHarZ (1998), S . 373– 399 . Für Xanten körner (1977), S . 146 f . Ein exemplarisches Beispiel für solche medizinischen Sammelhandschriften bietet ein wahrscheinlich in Frankreich während der ersten Hälfte des 14 . Jahrhunderts entstandenes Kompendium aus dem Besitz des Soester Dominikanerpriors Reynerus de Cappella († 1384) . Es enthält eingangs die Synonyma Simplicium auf Lateinisch und Deutsch, gefolgt von Quid pro quo, Tabula electuariorum et aliam medicinarum, Alphita und Auszügen aus den Werken des Bernhard von Gordon, des Johannes von Toledo, des Ibn Rušd, des Johannes von Sancto Amado sowie des Johannes von Aquila nebst einer umfangreichen Zitatensammlung von Galen über Ibn Sīnā bis hin zu Isaac Judaeus . Stadtarchiv Soest, Cod .23 . 282 creutZ (1933), S . 89 . 283 Bergdolt (2017), S . 24 u . S . 271 f . Karl sudHoFF, Pestschriften aus den ersten 150 Jahren nach der Epidemie des Schwarzen Todes, in: Archiv für Geschichte der Medizin 2 (1909) – 17 (1925) . rata (1999), S . 7–26 . Vgl . auch Dominick palaZZotto, The Black Death and Medicine . A Report and Analysis of the Tractates written between 1348 and 1350, phil . Diss, Ann Arbor 1974 . Allgemein zur Gattung medizinischer Consilia Jole
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Juni des Jahres 1348 in Perugia selbst der Seuche erlag, entwickelte eine häufig rezipierte Pesthauchtheorie . Auf diese stützte sich in wesentlichen Teilen auch das durch den französischen König Philipp VI . (1293–1350) im Sommer 1348 bei der Pariser Medizinischen Fakultät in Auftrag gegebene berühmte Pestgutachten .284 Das Consilium Da Folignos wie auch das Pestgutachten fanden zwar weite Verbreitung, doch lässt sich ihre Ausstrahlung in spätmittelalterliche westfälische und niederrheinische Städte kaum nachverfolgen . Durch Stadtärzte auf der Grundlage solcher Vorlagen gewissermaßen als Teil ihrer Dienstverpflichtung zusammengestellte Pesttraktate werden in der Region – mit Ausnahme Kölns285 – erst im 16 . und 17 . Jahrhundert vereinzelt greifbar . Bezeugt sind sie für diese Zeit etwa in Dortmund und Soest . So wirkte beispielsweise in Dortmund seit 1546 Tarquinius Schnellenberg (um 1490–1561) als Stadtarzt .286 Dieser hatte sich schon 1519 als Pestarzt in Sachsen einen Namen gemacht, seinen Doktortitel 1540 in Köln erworben und verfasste für die Dortmunder ein Traktat unter dem Titel Experimenta von zwentzig Pestwurzeln. 1577, sechzehn Jahre nach dem Tod Schnellenbergs in Travemünde, wurden die Experimenta in Straßburg noch einmal gedruckt . Nicht erhalten geblieben ist hingegen die dem Soester Rat gewidmete Schrift des Stadtarztes Conrad Hinrichs .287 Das Werk ist nur aus einem Ratsprotokoll vom 30 . November 1580 bekannt, das Kunde vom Beschluss der Soester Obrigkeiten gibt, Hinrichs wegen seiner Bemühungen mit einer Verehrung zu steuren.288 Überliefert ist hingegen das am Beginn des 17 . Jahrhunderts verfasste Pestconsilium seines späteren Standeskollegen Johann Kattenbusch, den der Rat 1599 anstellte . In seinem kurzen Bericht wie sich ieder Mensch in jetzt schwebenden Sterbensleufften gegen die giftige Pestilentz verwahren und so er damit angegriffen widerumb curieren solle greift der Soester Stadtarzt auf ein breites Spektrum von Empfehlungen zurück, in denen klassische und spätmittelalterliche Traditionen deutlich zutage treten .289 Ausgehend von Pestconsilia und einschlägigem medizinischem Schriftgut aus der Feder städtischer Ärzte ließe sich anhand von Rechnungsbüchern, Ratsprotokollen oder Verordnungen der Frage nachgehen, inwieweit die Obrigkeiten solche ärztlichen Ratschläge in die Praxis umsetzten . Im Falle spätmittelalterlicher westfälischer und rheinischer Städte bleibt ein derartiges Unterfangen, das andernorts durchaus reiche Frucht hervorbringen mag, in Ermangelung entsprechender Zeugnisse unmöglich .
284 285 286 287 288 289
agrimi / Chiara crisciani, Les consilia medicaux (= Typologie des sources du Moyen Âge Occidental, Fasc . 69), Turnhout 1994 . Gundolf keil, Pariser Pestgutachten, in: Hrsg . Kurt ruH u . a ., Die deutsche Literatur des Mittelalters . Verfasserlexikon, Bd . 7, Berlin/New York 21989, Sp .309–312 . Historisches Archiv der Stadt Köln, Hs GB 4° 84 . Die wohl aus dem 15 . Jahrhundert stammende Sammelhandschrift aus dem Minoritenkloster scheint originäres Material zu enthalten . scHulte (1936), S . 11 . JankriFt (1998), S . 112 . JankriFt (1999a), S . 46 . Hecker (1940), S . 16 f . Stadtarchiv Soest, S z kat 1 Rara . 14seitiger Druck [Soest 1607] .
126
2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
Das einschlägige medizinische Schrifttum des Spätmittelalters und des 16 . Jahrhunderts beschränkt sich in den westfälischen und rheinischen Städten, die in dieser Untersuchung berücksichtigt wurden, auf vereinzelte Rezepte gegen die Pest und andere Seuchen . Weitgehend ebenfalls nicht lokalen Ursprungs, geben diese Rezepte immerhin Hinweise auf mögliche Behandlungsversuche .290 Schriftgut geistlicher Institutionen Wie im städtischen so hat sich die Auseinandersetzung mit Seuchen auch im Schriftgut geistlicher Institutionen niedergeschlagen . Klosterchroniken, wie etwa die des niederrheinischen Zisterzienserklosters Kamp,291 erwähnen das Seuchengeschehen und schildern häufig dessen Auswirkungen auf die monastische Gemeinschaft . Zeugnisse pragmatischer Schriftlichkeit wie Kapitelprotokolle und Briefe enthalten in ähnlicher Weise wie entsprechende Quellen weltlicher Obrigkeiten Informationen über Seuchenausbrüche und Reaktionen auf deren Wirken . Auch in diesem Fall gilt, dass Bezüge zu Seuchen nur in einem Bruchteil der vorhandenen Quellenzeugnisse überhaupt auftauchen . Institutionsspezifische Belange und die religiöse Bewältigung der Bedrohung durch Seuchen stehen dabei oftmals im Vordergrund .292 Ein deutliches Zeugnis für das geistliche Reaktionsspektrum in Seuchenzeiten legen in Westfalen und dem Rheinland verfasste Pestgebete und -messen ab .293 Visitationsprotokolle von Leprosorien, die in gewinnbringender Weise Aufschlüsse über die Funktionsweise und die inneren Zustände der Häuser liefern könnten, sind in Rheinland-Westfalen hingegen nicht überliefert . Die Gründungsgeschichte der Leprosorien in dieser Region lässt vermuten, dass dort keine in episkopalem Auftrag durchgeführten Visitationen stattfanden wie etwa in Frankreich .294 Der Grund dafür war wohl, dass Leprosenhäuser mancherorts von Beginn unter die Zuständigkeit städtischer Obrigkeiten fielen . Nur sofern die Geistlichkeit an der Einrichtung eines Leprosoriums be290 z . B . Domarchiv Aachen, XVIII Nr . 3 (Heilmittel und Recepte zur Reinigung des Blutes, wenn die Pest regiert 16 . u . 17 . Jh .) . Historisches Archiv der Stadt Köln, Hs GB 4° 27, fol .31–34 enthält wohl während des 15 . Jahrhunderts verfasste Rezepte gegen die Pest . Darunter findet sich auf fol .32r eines, das der lokalen Tradition entstammt und als Modus preseruandi a peste Theoderici de Meschede Artiorum et Medicorum doctor gekennzeichnet ist . 291 Chronicon monasterii Campensis ordin . Cisterciensis ex originali edidit manuscripto, Hrsg . Hermann keussen, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 20 (1869), S . 261–382, besonders S . 310, S . 318 u . S . 340 . 292 Einen umfassenden Überblick bietet die Untersuchung von esser (1999) . 293 Vgl . u . a . Historisches Archiv der Stadt Köln, Hs W39, fol .142 sowie Hs GB 8° 2, fol .19v-21 u . fol .73v-79 . Eine Übersicht einschlägiger Beispiele bei rössner-ricHarZ(1998), S . 399–411 . 294 Bériac (1988), S . 234 f . mollat (1987), S . 136 . Léon le grand, Les Maisons-Dieu et les léproseries du diocèse de Paris au milieu du XVIe siècle, d’après le régistre de visite du délegué de l’évêque (1353–1369), in: Mémoires de la Société d’Histoire de Paris et de l’Ile-de-France 24 (1897), S . 61–365 u . 25 (1898), S . 47–177 .
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
127
teiligt war – wie etwa der Kölner Erzbischof in Soest295 – könnte ein solches Haus bis zu seiner Unterstellung unter die städtische Verwaltung visitiert worden sein . In Ermangelung geeigneter Dokumente lässt sich dies allerdings nicht belegen . Inkunabeln und Einblattdrucke Mit dem Überschreiten der klassischen Epochengrenze zur frühen Neuzeit treten Inkunabeln und Einblattdrucke als weitere Quellengruppe in den Kreis der Schriftzeugnisse, die für eine Untersuchung des vergangenen Seuchengeschehens und dessen Wahrnehmung relevant erscheinen .296 Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden dieses Quellenmaterial, das für weiter gefasste Fragestellungen wie etwa nach der Rezeption bestimmter therapeutischer Empfehlungen in medizinischen Schriften oder nach Bild von Syphiliskranken im Spiegel von Einblattdrucken zweifelsohne Informationen liefern kann, nur berücksichtigt, wenn regionale Bezüge mehr oder minder eindeutig erkennbar erschienen . 2.2.2
Archäologische Befunde
Archäologische Befunde bieten eine wertvolle Ergänzung der Schriftquellen und unterstützen mitunter deren Interpretation . Dies gilt insbesondere für Erkenntnisse über die hygienische Situation mittelalterlich-frühneuzeitlicher Städte, welche das epidemiologische Geschehen nachhaltig beeinflusste . So fördern die Grabungen etwa Überreste von Wasserleitungen, Brunnen und Pflasterungen sowie Kloaken zutage, die in schriftlichen Zeugnissen selten und zumeist nur am Rande erwähnt werden .297 In diesem Rahmen ergeben 295 klocke, Bd . 3 (1953–1964), Nr . 416 u . Nr . 424 . JankriFt (2010). 296 Etwa Arnold Carl kleBs / Karl sudHoFF, Die ersten gedruckten Pestschriften, München 1926 . 297 Vgl . unter anderem Walter melZer, Alltagsleben in einer westfälischen Hansestadt . Stadtarchäologie in Soest, Soest 1995 . Karl Heinrich deutmann, Geschichte und Ergebnisse der mittelalterlichen Stadtgrabungen Dortmunds, in: Hrsg . Ferdinand seiBt, Gudrun gleBa u . a ., Vergessene Zeiten . Mittelalter im Ruhrgebiet . Katalog zur Ausstellung im Ruhrlandmuseum Essen, 26 . September 1990 bis 6 . Januar 1991, Bd . 2, Essen 1990, S . 290–293 . Gabriele isenBerg, Die Ausgrabungen an der Bäckerstraße in Minden 1973– 1976, in: Westfalen 55 (1977), S . 427–449 . dies., Mittelalter im „Ruhrgebiet“ aus archäologischer Sicht, in: Hrsg . Ferdinand seiBt, Gudrun gleBa u . a ., Vergessene Zeiten . Mittelalter im Ruhrgebiet . Katalog zur Ausstellung im Ruhrlandmuseum Essen, 26 . September 1990 bis 6 . Januar 1991, Bd . 2, Essen 1990, S . 274–283 . Günter krause, Stadtarchäologie in Duisburg, in: Hrsg . Ferdinand seiBt, Gudrun gleBa u . a ., Vergessene Zeiten . Mittelalter im Ruhrgebiet . Katalog zur Ausstellung im Ruhrlandmuseum Essen, 26 . September 1990 bis 6 . Januar 1991, Bd . 2, Essen 1990, S . 284–289 . Herbert lorenZ, Die Archäologie . Der unbekanntere Weg ins Mittelalter, in: Hrsg . Ferdinand seiBt, Gudrun gleBa u . a ., Vergessene Zeiten . Mittelalter im Ruhrgebiet . Katalog zur Ausstellung im Ruhrlandmuseum Essen, 26 . September 1990 bis 6 . Januar 1991, Bd . 2, Essen 1990, S . 270–273 .
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2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
sich stichhaltige Hinweise auf verwendete Baumaterialien, vor allem aber auf die in schriftlichen Zeugnissen weitgehend im Verborgenen bleibenden hygienischen Zustände: Den Soester Marktplatz beispielsweise zierte um 1300 ein aufwändig verlegtes Pflaster aus waagerecht verlaufenden Kalksandsteinplatten in unterschiedlicher Größe, die mit kleinen Steinchen verfugt waren . Dieses Pflaster war bis zum 15 . Jahrhundert unter einer 20 cm dicken Schicht aus Speise- und Gewerbeabfällen, Dung und Laub allmählich versunken .298 Allein mit Hilfe schriftlicher Quellen lassen sich derlei Erkenntnisse nicht gewinnen . Daneben erlauben archäologische Grabungen vor allem Rückschlüsse auf städtebauliche Strukturen und damit auf die Wohnverhältnisse, die Beschaffenheit der Häuser sowie die Dichte der Besiedlung .299 Funde, wie das unlängst in Höxter zutage geförderte Wohnhaus eines mittelalterlichen Arztes, bei dem es sich um den sogenannten Chirurgen von der Weser gehandelt haben könnte,300 sind hingegen die Ausnahme und das Resultat glücklicher Zufälle .301 Ein Vergleich zwischen Schriftquellen und archäologischen Befunden erweist sich häufig als ergiebig . Mitunter werden auf diese Weise Diskrepanzen zwischen dem Eindruck, den die Dokumente erwecken, und den Grabungsbefunden offenkundig . Dies mag ein Beispiel aus Dortmund veranschaulichen . Dem Bericht des Chronisten Dietrich Westhoff zufolge wurde zur Bestattung der zahllosen Pestopfer im Jahre 1485 ein großes Loch hinter dem Turm der Reinoldikirche ausgehoben .302 Der archäologische Befund stützt die Darstellung des Dortmunder Geschichtsschreibers indes nicht .303 Besondere Bedeutung für medizinhistorische Untersuchungen im Allgemeinen und für seuchengeschichtliche im Besonderen kommt osteoarchäologischen Befunden zu .304 Das Skelettmaterial liefert neben Informationen zu 298 melZer (1995), S . 56 f . 299 Hierzu etwa Gabriele isenBerg, Stadtarchäologie als Sicherung und Erschließung historischer Boden- und Baubefunde, in: Hrsg . Franz-Josef JakoBi, Geschichte der Stadt Münster, Bd . 1, Münster 31994, S . 411–446 . dies., Archäologische Beobachtungen zur Ausbildung der Parzellenstrukturen und zur baulichen Nutzung der Grundstücke in mittelalterlichen Städten Westfalens, in: Hrsg . Günter P . FeHring, Topographie und Hausbau in der Frühzeit in Städten des hansischen Wirtschaftsraumes (= Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte 20), Bonn 1990, S . 109–118 . 300 Gundolf keil, Chirurg von der Weser, in: Lexikon des Mittelalters, Bd . 2, München/Zürich 1983, Sp . 1859 f . 301 Hans-Georg stepHan, Der Chirurg von der Weser (ca . 1200–1265) – ein Glücksfäll der Archäologie und Medizingeschichte, in: Sudhoffs Archiv 77 (1993), S . 174–191 . HansGeorg stepHan, Medizinische Instrumente, mutmaßlich aus dem Besitz des „Chirurgen von der Weser“, in: Hrsg . Hans-Jürgen kotZur, Kein Krieg ist heilig . Die Kreuzzüge. Mainz 2004, S . 444–446 . 302 Chronik des Dietrich Westhoff(1887), S . 348 . 303 JankriFt (1998), S . 113 Anm . 72 . 304 Grundlegend Vilhelm møller-cHristensen, Osteoarcheology as a Medical-Historical Auxiliary Science, in: Medical History 17 (1973), S . 411–418 und Keith mancHester, The Archaeology of Disease, Bradford/New Yorkshire 1983 . Vgl . auch Jane E . Buikstra (Hrsg .), Bioarchaeology . The contextual analysis of human remains, Amsterdam 2006 .
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
129
Alter und Geschlecht vor allem reichhaltige Hinweise auf die Lebensumstände und gesundheitlichen Belastungen der bestatteten Personen . Grabungen auf den Friedhöfen von Leprosorien tragen so dazu bei, nähere Erkenntnisse über die Insassenstruktur der Häuser, die mögliche Todesursache der Bestatteten und deren körperlichen Zustand zu Lebzeiten sowie eventuell besondere Formen der Sepulkralkultur und der Nutzung des Begräbnisplatzes zu gewinnen . Im Gegensatz zur Pest und zu anderen rasch tötenden Infektionskrankheiten, die am Skelett nicht nachweisbar sind, hinterlässt die Lepra in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium deutliche Spuren .305 Die Auswertung des osteoarchäologischen Materials liefert in dieser Hinsicht Aussagen darüber, bei wie vielen Individuen sich charakteristische Veränderungen zeigen . Sie gewährt ferner – freilich unter einigen näher zu klärenden Vorbehalten306 – beschränkte Einblicke in die Zuverlässigkeit mittelalterlicher Diagnosen und zeitspezifische Krankheitswahrnehmungen . In Westfalen und dem Rheinland sind solche einschlägigen osteoarchäologischen Untersuchungen selten .307 Systematisch medizinisch untersucht wurden bisher nur die rund 450 Skelette, die auf dem Friedhof des Aachener Melatenhauses in mehreren Grabungskampagnen geborgenen wurden .308
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308
Caroline polet / Rosine orBan, Les dents et les ossements humains . Que mangeait-on au Moyen Âge? (= Typologie des Sources du Moyen Âge Occidental, Fasc . 84), Turnhout 2001 . Vilhelm møller-cHristensen, Umwelt im Spiegel der Skelettreste vom Kloster Aebelholt, in: Hrsg . Bernd Herrmann, Mensch und Umwelt im Mittelalter, Frankfurt 1989, S . 129–139 . Vilhelm møller-cHristensen / Pia møller, Et tilfaelde af formodet spedalsked fra Danmarks middelalder, in: Aarbøger for nordisk oldkyndighed og historie 1946, S . 232–252 . Ferner Jane E . Buikstra (Hrsg .), Bioarchaeologists speak out . Deep time perspectives on contemporary issues, Cham 2019 . Vilhelm møller-cHristensen, Leprosy Changes in the Skull, Odense 1978 . ders., Bone Changes in Leprosy, Kopenhagen 1961 . ders., Ten Lepers from Naestved in Denmark, Kopenhagen 1953 . So kann beispielsweise nicht ausgeschlossen werden, dass sich für leprakrank befundene Insassen des Hauses erst nach längerem Aufenthalt tatsächlich mit der Lepra infizierten . Daneben kam es auf den Friedhöfen der Leprosorien auch zu „Fehlbelegungen“, die sich nicht in jedem Fall als solche erkennen lassen . Gesunde können ebenso gut Bewohner des Hauses wie Fremde gewesen sein . Brans (1995), S . 165 . Die Befunde der paläopathologischen Untersuchungen einer Skelettserie von rund 180 Individuen aus der Karolingerzeit liegen in Soest vor . Karin ratHJe, Bearbeitung der Skelettfunde aus dem karolingischen Gräberfeld Soest, St . Petri, Bd . 1, Institut für Anthropologie Georg-August-Universität zu Göttingen . Arbeitsgruppe „Prähistorische Anthropologie und Umweltgeschichte“ unter Leitung von Prof . Dr . B . Herrmann, Masch .Schrift, Göttingen 1996 und Thomas Finke, Bearbeitung der Skelettfunde aus dem karolingischen Gräberfeld Soest, St . Petri, Bd . 2, Institut für Anthropologie Georg-AugustUniversität zu Göttingen . Arbeitsgruppe „Prähistorische Anthropologie und Umweltgeschichte“ unter Leitung von Prof . Dr . B . Herrmann, Masch .-Schrift, Göttingen 1997 . Hierzu JankriFt (2010). Brans (1995), S . 165 . murken (1992), S . 54–56 . kocH (1989), S . 409–436 . kocH (1988), S . 132–135 . meyer (1974) . scHleiFring (1988), S . 136–138 . scHleiFring/Weiss (1988), S . 139–140 . scHleiFring/Weiss(1989), S . 49–53 . Andreas prescHer / Erwin HaHn, Osteoarchäologische Untersuchungen an den Gebeinen aus dem Friedhof des Aachener Leprosoriums Gut Melaten, in: Hrsg . Andreas prescHer / Paul Wagner, Aachen, Mela-
130
2 . Seuchen als Gegenstand mittelalterlich-frühneuzeitlicher Quellen
2.2.3
Sachquellen (Realien)
Eine weitere Ergänzung erfahren die schriftlichen Befunde durch Sachquellen verschiedener Art . Der überwiegende Teil der Realien entstammt dem Umfeld spezifischer Einrichtungen zur Seuchenbekämpfung, vornehmlich den Leprosorien . Während sich in den untersuchten Städten keinerlei sichtbare Spuren von Pesthäusern erhalten haben, bezeugen mancherorts bauliche Überreste die jahrhundertelange endemische Präsenz der Lepra in Westfalen und dem Rheinland . Reste von Leprosenanlagen oder -kapellen wie etwa in Münster-Kinderhaus oder Essen-Rüttenscheid vervollständigen trotz zahlreicher, nicht zuletzt durch Funktionswandel bedingter Umbauten und Veränderungen während der vergangenen Jahrhunderte das in den Schriftzeugnissen gezeichnete Bild .309 Die historische Kartografie hilft, spezielle topografische Gegebenheiten zu veranschaulichen .310 Dabei wird beispielsweise die Lage der Leprosorien außerhalb der Städte deutlich, deren Bau in Anlehnung an die Miasmentheorie bevorzugt auf der windabgewandten Seite erfolgte .311 Gegenstände des täglichen Bedarfs, die eindeutig dem Gebrauch der Kranken zuzuordnen sind, beispielsweise spätmittelalterliche Klappern oder Almosenbüchsen, sind allgemein rar .312 Siegel zeugen sowohl von Bedeutung und Ansehen eines Leprosenhauses als auch vom Selbstverständnis seiner Hausgemeinschaft . Das vom Kölner Melatenhauses im 15 . und 16 . Jahrhundert verwendete Siegel,313 das vergleichsweise häufig an Siechenschaubriefen und anderen Dokumenten über-
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ten . Der Friedhof des mittelalterlichen Leprosoriums an der Via Regia (= Rheinische Ausgrabungen 73), Darmstadt 2016, S . 125–204 . Volker pickert, Lepramuseum und ehemalige Leprosenanlage in Münster-Kinderhaus, FH Münster/Fachbereich Architektur, Masch . Schrift, Münster 1993 mit zahlreichen Abbildungen und Plänen . Ferner allgemein Dankwart leistikoW, Bauformen der Leproserie im Abendland, in: Jörn Henning WolF, Aussatz-Lepra-Hansen-Krankheit . Ein Menschheitsproblem im Wandel, Bd . 2 (= Kataloge des Deutschen Medizinhistorischen Museums, Beihefte 1), Würzburg 1986, S . 103–149 . ders., Die Leproserie als Sonderform des mittelalterlichen Hospitals, in: Architectura . Zeitschrift für Geschichte der Baukunst 73 (1986), S . 114–129 . Vgl . auch Kay Peter JankriFt, Hagioskope . Unbeachtete Zeugnisse der Leprageschichte, in: Die Klapper . Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde 7 (1999), S . 1–3 . Allgemein Anna-Dorothee von den Brincken, Kartographische Quellen . Welt-, See- und Regionalkarten (= Typologie des sources du Moyen Âge Occidental, Fasc . 51), Turnhout 1988 . Landkarten als Geschichtsquellen (= Landschaftsverband Rheinland . Archivberatungsstelle . Archivhefte 16), Köln 1985 . Zu den Aussagen der Kartographie in Bezug auf Leprosenhäuser vgl . etwa für Münster die Abbildungen bei klötZer (1998), S . 1/2 u . 1/3 . Zu den Standortfaktoren Jürgen Belker, Aussätzige . „Tückischer Feind“ und „Armer Lazarus“, in: Hrsg . Bernd-Ulrich Hergemöller, Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, Warendorf 21994, S . 264 f . Einen Überblick bietet der Katalog von Christa HaBricH / Juliane C . Wilmans / Jörn Henning WolF (Hrsg .), Aussatz-Lepra-Hansen-Krankheit . Ein Menschheitsproblem im Wandel, Teil 1: Katalog (= Kataloge des Deutschen Medizinhistorischen Museums 4), Ingolstadt 1982 . Stadtarchiv Soest, A Nr . 9380 .
2 .2 Quellentypen und ihr Wert
131
liefert ist, zeigt auf seiner Vorderseite die biblische Gestalt des armen Lazarus an der Schwelle des reichen Mannes .314 Während der Bettler ärmlich gekleidet mit Bettelstab und Sack, nicht aber der für Leprakranke charakteristischen Klapper, am Hauseingang um ein Almosen bittet, sitzt der Reiche in prächtiger Gewandung inmitten seines Hauses . Die Umschrift lautet: SIGILLVM LEPROSORVM EXTRA MVROS CIVITATIS COLONIE(N)S(IS) . Auf der Rückseite befindet sich umschrieben mit den Worten SENATVS COLONIENSIS BENEFICIO eine dreiblättrige Klapper . Im Gegensatz zum renommierten Kölner Leprosorium besaßen die meisten Leprosenhäuser westfälischer und niederrheinscher Städte jedoch kein eigenes Siegel .315 Dokumente wurden stattdessen mit dem Siegel der Provisoren oder des Rates versehen . Das münsterische Leprosorium Kinderhaus verfügte offenbar ebenfalls nicht über ein eigenes Siegel . Verschiedentlich griffen die Provisoren während des 17 . Jahrhunderts kurioserweise aber neben ihrem eigenen und dem städtischen auf ein Siegel zurück, das der stilistischen Form nach möglicherweise bereits für den ersten Pastor der Kinderhauser Kirche, Wessel de Perlinctorpe, um 1333 angefertigt worden sein könnte . Es zeigt die heilige Gertrud von Nivelles in Gestalt einer Äbtissin mit Stab, die in ihrer linken Hand ein Modell der Kinderhauser Kirche hält .316 Nur zwei Exemplare des Siegelabdrucks sind bekannt . In der schlecht erhaltenen Umschrift steht zu lesen: SIGILLUM RECTORIS ECCLESIE SANCTE GERTRUDIS. Neben solchen, mit einer Einrichtung in direkter Verbindung stehenden Realien, geben auch Bildquellen einen Einblick in zeitgenössische Krankheitswahrnehmung . Eine Auswertung dieses Quellenmaterials ist im Rahmen der vorliegenden Studie indes weder leistbar noch angestrebt . Inwieweit bildliche Darstellungen eine naturgetreue Wiedergabe sichtbarer Symptome, etwa Pestbeulen, zum Ziel haben oder sich der Künstler von ganz anderen Gesichtspunkten leiten ließ, muss einer eigenständigen kunsthistorischen Untersuchung mit fachspezifischen Fragestellungen vorbehalten bleiben .
314 Eine gute Abbildung bei irsigler/lassotta (1996), S . 69 u . S . 86 . 315 Ein eigenes Siegel führte auch das Aachener Leprosenhaus . Eine Abbildung bei mummenHoFF (1954/1955) . Zahlreiche Siegel finden sich etwa für flandrische und wallonische Leprosorien . Hierzu René laurent, Les sceaux, in: Hrsg . Walter de keyZer / Marleen Forrier / Michel van der eycken, La lèpre dans les Pays-Bas . XIIe–XVIIIe siècles (= Archives Générales du Royaume et Archives de l’Etat dans les provinces, Service éducatif, Dossiers 6), Brüssel 1989, S . 83–86 . G . decamps, Sceau de la maison de Saint-Ladre à Mons, in: Annales du Cercle archéologique de Mons 18 (1883), S . 133–139 . 316 klötZer (1998), S . 6/4 .
3.
Epidemiologische Faktoren – Ein Vergleich städtischer Wirkungsfelder zwischen Niederrhein und Weser 3. Epidemiologische Faktoren
3.1
Westfälische und rheinische Städte in der Vormoderne – Ideale Nährböden für Seuchen 3.1 Westfälische und rheinische Städte in der Vormoderne
Wenngleich keine exakten Angaben über die Bevölkerungszahlen möglich sind und Schätzungen auf der Grundlage unterschiedlicher Zeugnisse mitunter deutlich voneinander abweichen, so lässt sich doch konstatieren, dass die westfälischen und rheinischen Städte im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit viel dichter besiedelt waren als heute .1 Stadtmauern boten den Gemeinwesen seit dem 12 . Jahrhundert Schutz vor äußeren Gefahren, beschränkten aber zugleich die Größe der bebaubaren Flächen .2 Zur Veranschaulichung mag hier das Beispiel der rheinischen Metropole Köln dienen . Um 1180 wurde ein Mauerring erbaut, der ein Areal von rund 400 ha einschloss und auf dem Schätzungen zufolge zur Blütezeit Kölns im 13 . und 14 . Jahrhundert maximal 40 .000 Menschen lebten .3 Damit war die rheinische Metropole zu dieser Zeit die größte und bevölkerungsreichste Stadt des Alten Reiches .4 Sofern die vagen Angaben zutreffen, belief sich die durchschnittliche Bevölkerungsdichte mithin auf 100 Einwohner pro Hektar! Es liegt auf der Hand, dass sich die Einwohnerschaft keinesfalls gleichmäßig verteilte . Die tatsächliche Dichte variierte von Straße zu Straße und Viertel zu Viertel . Dabei dürften sich markante Unterschiede zwischen den Wohngebieten der Ärmeren, in denen sich die Menschen vermutlich dichter drängten, und den großzügiger gestalteten Stadtresidenzen der wohlhabenden Familien ergeben haben . In den übrigen westfälischen und rheinischen Städten gestaltete sich die Situation ähnlich .5 Der gezwungenermaßen enge zwischenmenschliche Kon-
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2 3
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ammann (1956), S . 503–506 . ennen (1987), S . 225 ff . roelen, Bd . 1 (1989), S . 82 ff . Jan de vries, Problems in the Mesurement, Description and Analysis of Historical Urbanization, in: Hrsg . Ad van der Woude / Akira Hayami / Jan de vries, Urbanization in History, Oxford 1990, S . 43–60 . Rolf sprandel, Überregionale Tendenzen und örtliche Determinanten . Die Bevölkerung der deutschen Städte im Spätmittelalter, in: Saeculum 39 (1988), S . 207–216 . Eberhard isenmann, Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1150–1550 . Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Köln/ Weimar/Wien 22014, S . 59 f . Vergleichsweise unkritisch padBerg (1996), S . 60 ff . JankriFt (2003), S . 147 ff . irsigler (1999), S . 34 . ennen (1987), S . 103 . Erich keyser (Hrsg .), Rheinisches Städtebuch (= Deutsches Städtebuch . Handbuch städtischer Geschichte, Bd .III: NordwestDeutschland), Stuttgart 1956, S . 255 . Vgl . auch Gerhard curdes / Markus ulricH, Die Entwicklung des Kölner Stadtraumes . Der Einfluss von Leitbildern und Innovationen auf die Form der Stadt, Dortmund 1997, S . 76 ff . ennen (1987), S . 227 . Hierzu Manfred groten, Köln, Mittelalterliche Stadt, in: LMA, Bd . 5, München/Zürich 1991, Sp .1255–1261 . Hierzu mit Beispielen JankriFt (2003), S . 147 ff .
3 .1 Westfälische und rheinische Städte in der Vormoderne
133
takt bot ideale Voraussetzung für die Ausbreitung von Infektionskrankheiten mit kurzen Inkubationszeiten .6 Dass die mangelhaften hygienischen Bedingungen vormoderner Städte einen idealen Nährboden für tödliche Erreger boten, ist keine neue Erkenntnis . Die Verhältnisse in Rheinland-Westfalen unterschieden sich darin nicht von denen in anderen Regionen des Reiches . Waren die weltlichen Obrigkeiten kaum dazu in der Lage, wenigstens die öffentlichen Plätze oder städtischen Gewässer leidlich sauber zu halten, vermochten sie erst recht nicht, die Entsorgungspraxis der privaten Haushalte zu überwachen .7 Für diese galt in Ermangelung einer organisierten Abfuhr des Unrats das Verursacherprinzip, demzufolge ein jeder selbst für den Umgang mit seinen festen und flüssigen Abfällen verantwortlich war . Verschärft wurde die Lage durch die Anlage von Schweine- und Hühnerställen entlang der zumeist ungepflasterten Straßen, freilaufendes Vieh und streunende, mitunter gar tollwütige Hunde .8 Ein Paradies für Ratten, denen in der Infektionskette der Pest eine tragende Rolle zukommt . Der Gesundheit höchst abträglich war auch die Anlage von Friedhöfen innerhalb der Städte . Ein Beispiel aus dem westfälischen Soest zeigt, dass die Begräbnisstätten schon vor dem Ausbruch des Schwarzen Todes so überfüllt waren, dass der besorgte Kölner Erzbischof Heinrich II . von Virneburg (1306–1332) am 4 . Oktober 1323 die Anlage eines neuen Friedhofs außerhalb der Stadtmauern anordnete .9 Dabei verwies er im Einklang mit zeitgenössischen Vorstellungen auf die krankheitserregenden Dünste, die Miasmen, die vermeintlich für die Ausbreitung von Seuchen verantwortlich zeichneten . Eben diese Miasmen einzudämmen, um die Bedrohung zu mindern, war eine Aufgabe der Stadtväter, die mit allerlei Verfügungen versuchten, der stets angespannten Lage Herr zu werden . Wie weit diese Anstrengungen reichten und welche Nuancen sich in den unterschiedlichen Städten Westfalens und des Niederrheingebiets erkennen lassen, wird im Spiegel der an anderer Stelle dieser Untersuchung dargelegten Reaktionen auf das Seuchengeschehen noch zu sehen sein . 6 7
8 9
Henry O . lancaster, Expectations of Life . A Study in the Demography, Statistics and History of World Mortality, New York 1990, S . 489 . padBerg (1996), S . 70 . mancHester (1992), S . 11 f . Ulf dirlmeier, Die kommunalpolitischen Zuständigkeiten und Leistungen süddeutscher Städte im Spätmittelalter (Vor allem auf dem Gebiet der Ver- und Entsorgung), in: Hrsg . Jürgen sydoW, Städtische Versorgung und Entsorgung im Wandel der Geschichte (= Stadt in der Geschichte . Veröffentlichungen des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung 8), Sigmaringen 1981, S . 143 f . ders., Zu den Lebensbedingungen in der mittelalterlichen Stadt: Trinkwasserversorgung und Abfallbeseitigung in: Hrsg . Bernd Herrmann, Mensch und Umwelt im Mittelalter, Stuttgart 1986, S . 158 . Gottfried Hösel, Unser Abfall aller Zeiten . Eine Kulturgeschichte der Städtereinigung, München 21990, S . 55 ff . JankriFt (2003), S . 151 ff . U . a . für Köln irsigler / lassotta (1996), S . 273 . creutZ (1933), S . 101 f . seiBertZ, Bd . 2 (1843), Nr . 601 . Marga koske, Der „Neue Friedhof“ in Soest, in: Soester Zeitschrift 105 (1993), S . 47–53 .
134
3 . Epidemiologische Faktoren
3.2 Mechanismen der Seuchenverbreitung 3 .2 Mechanismen der Seuchenverbreitung Sorgen die unvermeidlichen sozialen Kontakte zwischen Markttreiben und Gottesdienst für die Übertragung von Erregern innerhalb der Stadt, so spielen deren Außenkontakte die Hauptrolle für die Verbreitung ansteckender Infektionskrankheiten über den eigenen Mauerring hinaus . In den Stadtrechnungen, welche die Entlohnung ausgesandter Boten und Geschenke an die von auswärts eingetroffenen Kuriere verzeichnen, spiegeln sich der rege Austausch auf politischer Ebene und die interkommunalen Vernetzungen in Westfalen und am Niederrhein wider .10 Angelehnt an dieses Gerüst und in gewisser Weise von seiner Konstellation abhängig, erscheinen die für eine Einschleppung und Weiterverbreitung von Seuchen prädestinierten Formen der Außenkontakte: Der Warenhandel, insbesondere Märkte und Messen, Wallfahrten, die Anwesenheit von Heeren und nicht zuletzt Fluchtbewegungen aus einer verseuchten Stadt . Im Folgenden ist zu erörtern, in welcher Art sich das Einwirken solcher Verbreitungsfaktoren auf das Seuchengeschehen in westfälischen und niederrheinischen Städten nachweisen lässt . 3.2.1
Der Tod auf Reisen: Handel, Märkte und Messen
Der Fernhandel kann als Verbreitungsfaktor von Infektionskrankheiten mit kurzen Inkubationszeiten für die meisten Städte Westfalens und des Niederrheins höchstens eine sekundäre Rolle gespielt haben . Ein Münsteraner Kaufmann etwa, der sich in Riga mit der Pest infiziert hätte, wäre auf dem Rückweg ohne Zweifel bereits weit entfernt von seiner westfälischen Heimat gestorben . Reisebegleiter, die sich ansteckten, hätte wohl vor Erreichen ihres Zielortes das gleiche Schicksal ereilt . Eine Infizierung des ersten Seuchenopfers wird bei Landreisen vor allem in einer Stadt oder Herberge geschehen sein, in der die Reisegesellschaft Quartier nahm . Fuhrwerke und Lastkarren, mit denen die Waren über Land transportiert wurden, boten keine Unterschlupfmöglichkeiten für Ratten, erst recht nicht in größerer Zahl . Unterwegs auf der Landstraße war eine Infektionsmöglichkeit somit nur über Flöhe gegeben, die sich zwischen den Waren befanden, vorzugsweise auf Tuchen . Doch auch die rund 30 Tage, die der übertragende Floh ohne Symbiose mit einem Wirt auf diese Weise überleben kann,11 reichten angesichts der Entfernungen und der Reisegeschwindigkeit nicht aus,12 um die Krankheit auf direktem Wege von Riga in Westfalen einzuschleppen . Nur aus näher gelegenen 10 11 12
Hierzu allgemein Jürgen Karl W . Berns, Propter communem utilitatem . Studien zur Bündnispolitik der westfälischen Städte im Spätmittelalter (= Studia humaniora . Düsseldorfer Studien zu Mittelalter und Renaissance 16), Düsseldorf 1991 . Bergdolt (2017), S . 18 . Nach Norbert oHler, Reisen im Mittelalter, München 41995, S . 141 betrug die von Kaufleuten mit Gepäck und Gefolge zurückgelegte Wegstrecke zwischen 30 und 45 Kilometern am Tag .
3 .2 Mechanismen der Seuchenverbreitung
135
Zielen, die innerhalb kürzerer Zeit erreichbar waren, etwa Brügge, wäre eine Direkteinschleppung möglich gewesen . Auf dem Landweg weiterverbreitete Seuchen dürften somit in einer Art Schneeballsystem von Stadt zu Stadt und von Herberge zu Herberge übertragen worden sein . Die Einschleppung einer Infektionskrankheit aus weiter Ferne erfolgte auf diese Weise zeitverzögert . Dies lässt sich deutlich am Beispiel des Schwarzen Todes zeigen . Von seinem ersten Auftreten 1346 in der Gegend des Balchaschsees in Zentralasien brauchte es über drei Jahre bis das große Sterben Westfalen und den Niederrhein erreichte .13 Der Fernhandel über den Wasserweg bot schnellere Möglichkeiten einer direkten Übertragung etwa der Pest,14 da die zeitgenössischen Schiffe grundlegend andere Voraussetzungen für Infektionsabläufe aufwiesen . An Bord fanden Ratten und andere Nager in größerer Zahl Schlupfwinkel und Nahrung . Eine Epizootie konnte so bereits während der Reise einsetzen . Passagiere und Mannschaft erkrankten erst später und waren im ungünstigen Fall bereits in die Nähe ihres Bestimmungsortes gelangt . Bereits krank, konnten sie anlanden und die Pest weiterverbreiten . Dies belegt der klassische Fall jener aus Kaffa, dem heutigen Feodosia auf der Krim ausgelaufenen Schiffe, die 1347 den Schwarzen Tod angeblich nach Süditalien brachten .15 Zwar dürfte sich diese Situation im Vergleich mit dem Binnenschiffsverkehr schon wegen der ständigen Anlegemöglichkeit der Flussschiffe in manchen Aspekten unterschieden haben, doch waren die Grundvoraussetzungen strukturell identisch . Auch Binnenschiffe verfügten über Laderäume mit Schlupfwinkeln für Ratten, deren Flöhe dort ebenfalls zwischen die Waren gelangen konnten . Aufgrund zumeist kürzerer Wege kamen die Käufer mit krankheitsübertragenden Parasiten oder infizierten Schiffsbesatzungen noch schneller in Kontakt als beim maritimen Warenaustausch . Demnach lässt sich für jene westfälischen und niederrheinischen Städte, die – wie Köln über den Rhein oder Minden über die Weser – einen intensiven Handel auf dem Wasserweg betrieben und gar auf Stapelzwang pochten, ein höheres Gefährdungspotential vermuten als etwa für Dortmund oder Münster . Eine bedeutendere Rolle für die Transmission gefährlicher Infektionskrankheiten spielten sicherlich regionale Handelsverbindungen und Wirtschaftsbeziehungen mit den niederländischen oder flandrischen Städten, die innerhalb weniger Tagesreisen erreichbar waren .16 Leider enthalten die Quellen zu wenige differenzierte Informationen, um derlei Vermutungen zu stützen . Die westfälischen und niederrheinischen 13 14 15 16
Bergdolt (2017), S . 33 f . Für eine generelle Evaluierung der Verbreitungsmöglichkeiten der Pest über den See- und Landweg vgl . die Strukturanalyse von Edward A . eckart, The Structure of Plagues and Pestilences in Early Modern Europe . Central Europe, 1560–1640, Basel 1996, S . 64–77 . Bergdolt (2017), S . 39 f . creutZ (1933), S . 95 zu einer solchen Einschleppung im Jahre 1555 in Köln . Zu den Handelsverbindungen Kölns vgl . u . a . Gunther HirscHFelder, Die Kölner Handelsbeziehungen im Spätmittelalter (= Veröffentlichungen des Kölner Stadtmuseums 10), Köln 1994 .
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3 . Epidemiologische Faktoren
Schriftzeugnisse identifizieren mitunter Kaufleute, Messen, Märkte oder spezielle Handelspraktiken als Auslöser von Seuchen . So heißt es etwa in einem Soester Ratsprotokoll, am 2 . September 1529 sei im Haus des Hinrich Potter ein Kaufmann aus Essen eingekehrt .17 Dort äußerte sich bei dem Reisenden die jemerlike suke gnt. de Engelsche swet. Noch am Abend desselben Tages starb der namentlich nicht genannte Kaufmann . Kurz darauf äußerte sich der Englische Schweiß in der ganzen Stadt . Inwieweit diese Darstellung den Tatsachen entspricht, lässt sich nicht feststellen . Will man dem Ratsprotokoll Glauben schenken, erfolgte die Einschleppung der Krankheit aufgrund der regionalen Handelsaktivitäten . Da die Reiseroute des Kaufmanns unbekannt ist, muss offen bleiben, ob er sich in seiner Heimatstadt Essen oder unterwegs mit dem Sudor anglicus infizierte . Die offenbar kurze Inkubationszeit lässt beide Möglichkeiten zu . Da reisende Kaufleute in der Regel nicht mehr als 30 bis höchstens 45 Kilometer täglich zurücklegten,18 war die Strecke zwischen Essen und Soest an nur einem Reisetag nicht zu bewältigen . Selbst wenn ihn sein Weg direkt nach Soest geführt hätte, muss der reisende Handelsmann demnach mindestens einmal Station gemacht haben . Sofern sich der ungefähre Zeitpunkt eines Seuchenausbruchs mit Hilfe der Quellen bestimmen lässt, fällt dieser häufig in die Nähe eines zuvor abgehaltenen Jahrmarkts . So führt beispielsweise die Chronik des Dietrich Westhoff aus, in Dortmund sei der Englische Schweiß am Freitag na Brakelermissen aufgetreten, dem 3 . September 1529 .19 Der Ausbruch einer Seuche in Dortmund im Juni 1508, von dem in der chronikalischen Überlieferung die Rede ist, erfolgte im unmittelbaren Anschluss an einen alljährlich zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten abgehaltenen Jahrmarkt .20 Das gleiche Phänomen lässt sich schon im Falle einer anderen Epidemie beobachten, die im Juni 1394 begann und bis Ende August andauerte .21 Für andere Städte ergibt sich ein ähnliches Bild . So erlebte Soest 1517 im Umfeld des Jahrmarktes zu St . Ulrich am 4 . Juli den Beginn eines groit sterff pestilencie halven, das sich den Ausführungen des Dokuments zufolge bis in das folgende Jahr hinzog .22 Die Beispiele, deren Reihe sich fortsetzen ließe, weisen deutlich auf einen Kausalzusammenhang zwischen der Zusammenkunft vieler Menschen auf Markt oder Messe und der Seucheneinschleppung – und -verbreitung hin . Den städtischen Obrigkeiten scheint im Laufe der Zeit durchaus bewusst geworden zu sein, dass selbst von manchen der feilgebotenen Waren Gefahr für Leib und Leben ausgehen konnte . Verbote zum Vertrieb von Kleidern und Tuchen aus pestverseuchten Gebieten finden sich in der Regel erst spät und nicht in allen Städten . Am 12 . September 1564 verfügte etwa der Soester Rat, unterstützt durch das gnedige gesennen unsers gnedigen Landtsfürsten, Wil17 18 19 20 21 22
ilgen (1895), S . 154 f . oHler (1995), S . 141 . Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 425 . Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 390, Anm . 2 . Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 288 . ilgen (1887), S . 105 .
3 .2 Mechanismen der Seuchenverbreitung
137
helms des Reichen, dass sich niemand in verseuchte Städte begeben solle, um dort Tuche zu kaufen .23 Zahlreiche Edikte ähnlichen Inhalts erließ auch der Kölner Rat .24 3.2.2
In Erwartung göttlicher Gnade: Wallfahrten und Geißlerzüge
Neben Handelsaktivitäten trugen religiös motivierte Massenzusammenkünfte zur Verbreitung und Einschleppung von Seuchen bei . Ein ebenso herausragendes wie auf den Schwarzen Tod beschränktes Beispiel stellen dabei die Züge der Geißler dar, von denen Mitte des 14 . Jahrhunderts auch die westfälischen und niederrheinischen Städte betroffen waren .25 Den Flagellanten, die mit ihren ekstatischen Bußübungen und Selbstgeißelungen das Unheil abzuwenden versuchten, folgte der Tod häufig auf dem Fuß . Dies lässt sich vor allem für den Süden des deutschsprachigen Raumes konstatieren .26 In der Überlieferung westfälischer und niederrheinischer Städte wird indes kein Zusammenhang zwischen dem Durchzug der Geißler und dem Ausbruch des Schwarzen Todes erkennbar . Wallfahrten, insbesondere die Aachener Heiligtumsfahrt, zu denen sich unzählige Menschen versammelten, boten günstige Voraussetzungen für die Verbreitung von Seuchen . Immerhin fand die Heiligtumsfahrt auch oder gerade in Seuchenjahren statt .27 So begaben sich die Pilger 1356 scharenweise nach Aachen, um ein Ende der Pest zu erflehen .28 Lediglich im Jahre 1580 konnte die Heiligtumsfahrt aufgrund einer Seuche in der Stadt nicht ausgeführt werden .29 Die Wallfahrer suchten auf ihrer Reise zunächst am Wege liegende Orte auf . Insbesondere der Zielort der Wallfahrt, an dem die verschiedenen Pilgerströme zusammentrafen, war häufig überfüllt und so der Gefahr eines Seuchenausbruchs in hohem Maße ausgesetzt .30 Die bereits ohne derartige Ereignisse unzureichenden hygienischen Bedingungen taten ihr Übriges . Ein Epitaph in der Aachener Dominikanerkirche legt Zeugnis über den Tod auf der Pilgerfahrt ab . Der Inschrift zufolge verstarb Maria von Froidwine 23 Stadtarchiv Soest, A HS 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 337 . 24 creutZ (1933), S . 104 . 25 Hierzu insbesondere František graus, Pest, Geißler, Judenmorde . Das 14 . Jahrhundert als Krisenzeit, Göttingen 31994 . 26 Zu den Routen der Geißler Bergdolt (2017), S . 107 ff . 27 scHmitZ-cliever (1954/55), S . 123 bemerkt, dass von den 45 Heiligtumsfahrten zwischen 1350 und 1650 sieben in ein Seuchenjahr fielen, bezweifelt jedoch bis auf einen Seuchenausbruch im Jahre 1629 eine Einschleppung . 28 J . H . kessel, Wie wurde es früher in Epidemie- und Kriegszeiten mit der Feier der siebenjährigen Heiligtumsfahrt gehalten?, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 3 (1881), S . 268 . 29 kessel (1881), S . 269 . 30 Hierzu Dieter P . J . Wynands, Die Aachener Heiligtumsfahrt . Kontinuität und Wandel eines mittelalterlichen Reliquienfestes (= Ortstermine . Historische Funde und Befunde aus der deutschen Provinz 7), Siegburg 1996, S . 13 .
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3 . Epidemiologische Faktoren
aus Namur im Jahre 1426 während ihrer Teilnahme an der Heiligtumsfahrt an der Pest .31 Eine Darstellung des als Pestpatron verehrten Heiligen Sebastian ziert die Grabplatte und steht gleichsam symbolisch für die Todesursache der Pilgerin . Der auf diese Weise dokumentierte Seuchentod der adeligen Dame aus Namur vermittelt einen Eindruck des wahrscheinlich größeren Problems . So notierte der Dortmunder Chronist Dietrich Westhoff für das Jahr 1440: So groten Achenvart was […] 50 to Achen krank liggen bliven, der etlich ufstonden, ein deil storven.32 Eine spätere Heiligtumsfahrt scheint in Dortmund 1496 zur Verbreitung der „Franzosenkrankheit“ beigetragen zu haben . Westhoff beschreibt, dass viele Pilger auf dem Weg nach Aachen in der westfälischen Reichsstadt eintrafen und es danach zu einem massiven Auftreten der venerischen Krankheit kam .33 Ein Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen liegt somit nahe . Welche Rolle kleinere Wallfahrten in Westfalen und dem Rheinland für die Ausbreitung von Seuchen spielten, lässt sich in Ermangelung geeigneter Zeugnisse nicht ergründen . 3.2.3
Todbringender Exodus: Flucht aus verseuchten Städten
In ihrer Bedeutung für die Seucheneinschleppung kaum zu unterschätzen ist die massenhafte Flucht von Einwohnern verseuchter Städte in benachbarte oder weiter entfernt liegende Orte . Sie gehörte in Ermangelung wirksamer medizinischer Mittel gegen die Pest oder andere Seuchen seit der Antike zu den selbst von Ärzten empfohlenen Reaktionen auf die Ansteckungsgefahr .34 Lassen sich im Spiegel der Quellen immer wieder mehr oder weniger große Fluchtbewegungen aus westfälischen und niederrheinischen Städten infolge eines Seuchenausbruchs beobachten, so bleibt es dennoch unmöglich, die Ausmaße der Massenflucht genauer festzustellen . Die Zielorte aller Flüchtlinge sind eben so wenig mit Gewissheit zu ermitteln . Führen die Schriftquellen bisweilen noch an, wohin sich die Ratsherren oder andere herausragende Persönlichkeiten wandten, schweigen die Zeugnisse über die Wege der Massen . Daraus resultiert, dass sich Einschleppung durch Flüchtlinge aus einem Seuchengebiet als Ursache für den Ausbruch einer Epidemie in einer bestimmten Stadt zwar vermuten, aber im konkreten Fall nur selten nachweisen lässt . Manche derer, die in Panik ihre Heimatstadt verließen, dürften am Beginn ihrer Flucht bereits Erreger in sich getragen haben . Unterwegs oder bereits am Ziel angelangt, holte sie der Seuchentod unerbittlich ein . Als beispielsweise im Juli 1517 die Pest in Soest ausbrach, ergriffen wieder zahlreiche Ratsherren und Stadtbe-
31
scHmttZ-cliever (1954/55), S . 128 . Vgl . dort auch Anm . 61 . Das Epitaph wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört . Eine Wiedergabe der Inschrift mit Beschreibung des Epitaphs bei H . scHiFFers, Kulturgeschichte der Aachener Heiligtumsfahrt, Köln 1930, S . 191 . 32 Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 314 . 33 Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 362 . 34 scHmiedeBacH/gadeBuscH Bondio (1997), S . 217–234 . tanZ (1999), S . 46–73 .
3 .2 Mechanismen der Seuchenverbreitung
139
wohner die Flucht .35 Der Zisemeister Hermann Gresemunth, der Zuflucht in Köln gesucht hatte, verstarb dort am 9 . August 1517 und wurde zum Begräbnis in seine westfälische Heimat zurückgeleitet . Die Seuche dauerte den Ausführungen des Soester Ratsprotokolls zufolge bis zum Osterfest des Folgejahres . Nach Hamm, Dortmund, Lippstadt und an andere Orte seien die Flüchtenden gezogen .36 Wie lange Pestflüchtlinge das verseuchte Soest verließen, verzeichnet keine Quelle . Jedenfalls setzte zu ungefähr derselben Zeit, als das Sterben in der Stadt aufhörte, das epidemische Geschehen in Köln ein . Ob ein kurz zuvor aus Soest oder aus einer anderen verseuchten Stadt Geflohener den Tod in die rheinische Metropole trug, lässt sich in den überlieferten Dokumenten nicht ergründen . Fest steht hingegen, dass daraufhin der Exodus aus der Domstadt begann . Hermann von Weinsberg berichtet in seinen Aufzeichnungen detailreich von diesen Ereignissen37 Als das Sterben täglich eine größere Zahl an Opfern forderte und die Menschen mit tausenten uis Col wichen (…) flowen meine eltern auch uis der stat. Die Eltern Weinsbergs wurden mit ihrem neugeborenen Sohn Hermann bei Verwandten in Dormagen aufgenommen, wo sie sich einige Monate aufhielten . Dies sollte nicht das letzte Mal sein, dass die Weinsbergs ihre verseuchte Heimatstadt verließen . Als Köln im Spätsommer 1529 vom Englischen Schweiß heimgesucht wurde, befand sich das Ehepaar Weinsberg gerade zur Kindtaufe in Ichendorf .38 Auf dem Rückweg trafen sie auf Flüchtlinge aus Köln, die von der Lage in der Stadt berichteten . Da sie die Kinder nicht zurücklassen wollten, begaben sich die Weinsbergs dennoch nach Hause zurück, um sich mit der gesamten Familie und dem Gesinde umgehend nach Dormagen einzuschiffen . In dieser oder ähnlicher Weise gestaltete sich die Flucht von Teilen der Stadtbevölkerung und des Rates seit dem Wüten des Schwarzen Todes immer wieder, wie zahlreiche Beispiele demonstrieren . Während etwa 1420 in Soest die Pest grassierte, hatte sich der Rat in die Umgebung der Stadt nach Thöningsen und Hattrop zurückgezogen .39 Als die Pest 1494 in Dortmund ausbrach waren dem Bericht des Chronisten Dietrich Westhoff zufolge etlich der sucht entwechen und uet der stat gerumet.40 Während der Epidemie des Jahres 1551/52 schloss man das Dortmunder Archigymnasium und die Professores begaben sich mit ihren Schülern zur Fortsetzung der Lehre nach Schwerte .41 Für das Jahr 1578 notierte Beurhaus in seinen Merkwürdigkeiten, aufgrund der Pestplage sei der mehrste Teil Menschen aus Dortmund entwichen.42 Die Flucht vor der Seuchengefahr, so lässt sich konstatieren, hat allerorts stattgefunden und 35 JankriFt (1999), S . 40 . 36 ilgen (1895), S . 105 37 Das Buch Weinsberg . Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16 . Jahrhundert, Bd . 1, Bearb . Konstantin HöHlBaum (= Pulikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde III), Leipzig 1886, S . 25 . 38 Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 63 . 39 JankriFt (1999), S . 37 . 40 Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 361 . 41 JankriFt (1998) ,S . 110 . 42 Merkwürdigkeiten, Stadtarchiv Dortmund, Best . 448, Nr . 15,1 . Buch 12 .Kapitel .
140
3 . Epidemiologische Faktoren
jede Stadt konnte gleichermaßen zum Zielort für Flüchtlinge werden . Flucht ist zudem ein dauerhaftes Phänomen, das über das Mittelalter hinaus reicht . So empfahl noch der Soester Stadtarzt Johann Kattenbusch in seinem am Beginn des 17 . Jahrhunderts verfassten Pestconsilium: Wo man nicht durch pflicht und etlicher ämpter oder sunsten [gehindert] wirt, soll man fliehen und sich bey Zeiten weit genugh an gesunde orter begeben.43 Umso erstaunlicher mutet das Verhalten des Weseler Rates an, während eine Seuche im Sommer 1383 die Stadt heimsuchte . Die Kämmereirechnung verzeichnet unter dem 25 . August dieses Jahres die Entlohnung für die Boten, die tempore epidimie nach Duisburg geritten waren, um die dort befindlichen Weseler zur Heimkehr aufzufordern .44 3.2.4
Stärker als der Feind: Seuchentod und Kriegszüge
Kriegszüge und Belagerungsheere haben bekanntermaßen zu allen Zeiten die Verbreitung von Seuchen gefördert . Das wohl berühmteste Beispiel liefert der Bericht des Gabriele de Mussis über den Ausbruch des Schwarzen Todes in der von den Tataren eingeschlossenen Stadt Kaffa auf der Krim im Frühjahr 1347 .45 Nachdem die Seuche im Heer bereits zahlreiche Opfer gefordert hatte, katapultierten die Tartaren die Leichen angeblich in die Stadt hinein, wo schon bald das Sterben um sich griff . Doch selbst ohne solch spektakuläre Ereignisse bedeuteten Heeresbewegungen oder Belagerungen eine hygienische Herausforderung für die betroffenen Städte und eine gesundheitliche Gefährdung ihrer Bewohner . Dies lässt sich auch in Westfalen und am Niederrhein verschiedentlich beobachten . Besonders deutlich wird die Rolle von Kriegszügen für die Einschleppung der „Franzosenkrankheit“ in die westfälischen und niederrheinischen Städte während der letzten Jahre des 15 . Jahrhunderts . Iberische Schiffsbesatzungen hatten den Erreger aus der Neuen Welt in ihre Heimathäfen gebracht, von wo aus sich dieser rasch über ganz Westeuropa verbreiteten .46 Ins Reichsgebiet war die Geschlechtskrankheit der schriftlichen Überlieferung zufolge durch Landsknechte gelangt, die im Gefolge des französischen Königs Karl VIII . den Feldzug nach Italien begleitet und sich im Heerlager vor Neapel die „Franzosenkrankheit“ zugezogen hatten . Mit der Rückkehr in ihre Heimatregionen schleppten sie die bis dahin unbekannte Krankheit ein . So unterstreicht etwa der Chronist Dietrich Westhoff in seinem Bericht über das erste Auftreten der Syphilis in Dortmund und den Nachbarstädten, es sei eine Seuche, die landsknechte mit ine uet Frankrijch in Duetsland gebracht hätten .47 Ebenso wie Handel, Wallfahrten und Flucht sind Kriegszüge ein dauerhafter Seuchenverbreitungsfaktor . Im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzun43 44 45 46 47
Stadtarchiv Soest, S z 1 kat 1 Rara . 14seitiger Druck von 1607 . gorissen, Bd . 2 (1963), S . 133 . Bergdolt (2017), S . 35 ff . oriel (1994), S . 1 f . Bäumler (1997), S . 9 ff . Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 369 .
3 .2 Mechanismen der Seuchenverbreitung
141
gen in den Niederlanden etwa, welche die spanische Herrschaft abzuschütteln versuchten, kam es zwischen 1576 und 1579 zu schweren Kämpfen um Maastricht .48 In den Reihen der spanischen Truppen, die das gesamte Umland durchzogen, hatten sich derweil offenbar Seuchen breitgemacht, die zunächst auf die Stadt und in der Folgezeit auch auf das benachbarte Aachen übergriffen . Bei der Gesamtbetrachtung des Seuchengeschehens in westfälischen und niederrheinischen Städten wird indes deutlich, dass Truppenbewegungen bis in die zweite Hälfte des 16 . Jahrhunderts hinein eine geringere Rolle für die Verbreitung von Seuchen in der Region gespielt zu haben scheinen als Handel, Pilgerströme und Pestflucht . 3.2.5
Spezielle Formen innerstädtischer Seuchenverbreitung
Badestuben Die in jeder spätmittelalterlichen Stadt in mehr oder minder großer Zahl anzutreffenden öffentlichen Badestuben boten gute Voraussetzungen für die Verbreitung von Infektionskrankheiten aller Art . Nicht zuletzt für die Übertragung der „Franzosenkrankheit“ dürften sie eine in ihrer Dimension schwer abzuschätzende Rolle gespielt haben . Dabei gilt es allerdings mit Peter Schuster zu betonen, dass die klassische und stark pauschalisierende Bewertung der Verbindung von Badewesen und Prostitution revisionsbedürftig erscheint und einer Differenzierung bedarf .49 „Unehrbare“ Badestuben oder Badebordelle haben im deutschsprachigen Raum möglicherweise nie existiert, was freilich nicht ausschließt, dass gewissen Badehäusern und ihren Betreibern ein zweifelhafter Ruf anhaftete . Zeugnisse über den Badebetrieb und die Kundschaft der Badestuben sind in den meisten Städten Westfalens und des Rheinlands selten . Häufig lassen sich nur noch die Lage der Häuser und die Namen ihrer Besitzer ermitteln . So taucht etwa die erste urkundliche Erwähnung einer Dortmunder Badestube im Jahre 1393 auf . Sie lag dem Dokument zufolge an der westlichen Seite der Kuckelkestraße und stand in Besitz des Godike van Hulren .50 Ein Blick auf die Besitzverhältnisse der Badestuben in der westfälischen Reichsstadt demonstriert, dass diese Häuser durchaus angesehenen Personen des öffentlichen Lebens gehörten, wenngleich sie diese nicht selbst führten . So verkaufte Beleke van der Hovel, die Witwe des 1505 verstorbenen Ratsherren und Bürgermeisters Johann van Hovel, im Jahre 1514 ein Haus an der Hoveler Straße, genannt der Hoveler baitstoven an Johann van Dülmen .51 Godike van Hulren wohnte nicht selbst in der ihm gehörigen Badestube . 1406 findet sich dort Sweneken, 1407 eine bezeichnenderweise Styne in der stoven genannte Betreiberin . 48 Ausführlich scHmitZ-cliever (1954/55), S . 142 ff . 49 scHuster (1992), S . 129 ff . 50 August meiningHaus, Badestuben und Stubengasse in Dortmund im 14 ., 15 . und 16 . Jahrhundert . Sonderdruck aus der Dortmunder Zeitung, Jg . 1929, Nr . 115, unpaginiert (= Stadtarchiv Dortmund, Kps . 1248) . 51 meiningHaus (1929), unpaginiert .
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3 . Epidemiologische Faktoren
Ein Protokoll des Duisburger Notgerichts vom 21 . Dezember 1539 wirft ein Schlaglicht auf die Kundschaft einer dortigen Badestube im 16 . Jahrhundert .52 Nach Aufforderung des Richters Wilhelm von Düsseldorf sagten drei Augenzeugen zu der tätlichen Auseinandersetzung zwischen Jan Horn und Hartmann Mißener auf der Beeker Kirmes aus . Bevor er bei der Messerstecherei tödlich verletzt wurde, hatte Mißener offenbar in einer Badestube gesessen und dort reichlich dem Alkohol zugesprochen . Den Aussagen der Zeugen zufolge hatte er Horn und syner mytfrunde gelaich mehrfach gestört . Vier Mal hatte er hierzu die Badestube aufgesucht und wieder verlassen . Die Duisburger Badestube erscheint in diesem Beispiel als halb öffentlicher Ort, der nicht nur der Reinlichkeit, sondern dem allgemeinen Vergnügen diente . Der Alkoholgenuss wird seinen Teil dazu beigetragen haben, dass es bisweilen zu schwerwiegenden Handgreiflichkeiten kam . Belege hierfür finden sich auch im westfälischen Münster . Im Jahre 1594 verurteilte der Rat den batstovener uf der Berchstraes und seine Frau zur Zahlung von 20 Mark, weil sie eine Rauferei in ihrer Badestube zugelassen hatten .53 Ein Ratsprotokoll des Jahres 1610 belegt, dass zu dieser Zeit noch zwei Badestuben in Münster bestanden; eine auf der Bergstraße, die zweite an der Stubengasse .54 Der Protokolleintrag lässt erkennen, dass die bestehenden Zustände in beiden Einrichtungen den Vorstellungen des Rates von einem sittlichen Badebetrieb zuwiderliefen . Zwar sei das Bad der Männer von dem der Frauen getrennt, aber gleichwoll an einem end offen. Auf diese Weise finde ein reger Austausch zwischen den Badeabteilungen statt, wobei noch unlengst allerhandt unfletigkeit gespueret. Der Rat beschloss darauf hin, den berittenen Boten Ditrich Vorberg zu den Badern zu schicken und anzuordnen, dass sie innerhalb acht tag die mans- und frowenstube gentzlich ab- und zuschlagen. Dies sollte so gründlich geschehen, dass Frauen und Männer künftig nicht mehr einander zulaufen und zucht und erbarhkeit erhalten pleiben. Anhand eines konkreten Falls lässt sich in Münster zeigen, wie leicht Badestuben einer Ausbreitung von Infektionskrankheiten Vorschub leisten konnten . Mag die Furcht vor der „Franzosenkrankheit“ die Badefreuden getrübt und zu einem Rückgang des Badewesens beigetragen haben,55 erscheint diese Sorge um die Gesundheit als durchaus berechtigt . Eine Kontrolle der Badegäste erfolgte nicht, so dass Kranke ungehindert ins Bad gelangen konnten . Dies zeigt das folgende Beispiel . Im Mai 1552 verhandelte das Münsteraner Schöffengericht in einer Strafsache gegen Henrich Schenckinck .56 Dieser war angeklagt, den Höker und Bierzapfer Hermann Elbertz so schwer verwundet zu haben, dass dieser infolge der Verletzung einige Wochen später verstorben sei . Im 52 Die Protokolle des Duisburger Notgerichts 1537–1545 . Mit Einführung und einem Glossar, Hrsg . Margret miHm (= Duisburger Geschichtsquellen 10), Duisburg 1994, Nr . 32 . 53 Albert Wormstall, Badestuben in Münster, in: Westfälische Zeitschrift 55 (1897), S . 263– 264 . 54 Stadtarchiv Münster, AII Nr . 20, Ratsprotokolle 1610, fol .29 . 55 irsigler/lassotta(1996), S . 104 . 56 Stadtarchiv Münster, Acta Criminalia, BII, Nr . 11 .
3 .2 Mechanismen der Seuchenverbreitung
143
Zuge des Verhörs bekannte der Angeklagte, den Verstorbenen geschlagen zu haben . Gestorben sei dieser aber nicht an der Verwundung, sondern an den Franzoßen.57 Unter den Zeugen, die das Gericht in der Angelegenheit anhörte, zählten auch de Stovenersche by sundt Ludger und der Wundarzt Johann Ernst . Die Badstübnerin gab zu Protokoll, Elbertz habe ihre Badestube einige Wochen nach dem Zwischenfall mit Schenckinck aufgesucht . Er habe sich auf Straßen und Plätzen gezeigt und midt vellenn ludenn bynnen unnd buithenn huisses gegettenn unnd wyn unnd beer gedruncken. Johann Ernst bestätigte die Aussage des Angeklagten . Der Wundarzt berichtete, er habe sich der frantzosen des Hermann Elbertz angenommen und diesen neun Tage lang behandelt . Am ganzen Körper habe der Verstorbene eindeutige Zeichen der Krankheit aufgewiesen . Der Rat befand Henrich Schenckincks nach diesen Zeugenaussagen für unschuldig am Tod des Hermann Elbertz . Das Gerichtsprotokoll hält fest, dass Elbertz nicht an den angefügeten wunden, sondern an denn pocken verstorben were. Dafür, dass er Elbertz verletzt hatte, wurde Schenckinck zu einem Bußgeld in Höhe von 10 Talern verurteilt . Eine Rüge des Rates für die Badstübnerin, den von der „Franzosenkrankheit“ sichtbar gezeichneten Elbertz ins Bad eingelassen zu haben, findet sich im Protokoll indes nicht . In Köln scheint die Badestube in der Nähe des städtischen Bordells auf dem Berlich mit obrigkeitlicher Tolerierung von Prostituierten zur Werbung von Freiern genutzt worden zu sein .58 Syphiliskranke konnten offenbar auch dort ungehindert in die Badestuben gelangen, wo sich bisweilen gar ein Badstuber an der Behandlung der Krankheit versuchte . Dies verrät unter anderem das detailreiche Vernehmungsprotokoll des Diederich von Wylich, Badstuber auf der Maximinenstraße . Dieser war angeklagt worden, durch die Gabe eines Abführmittels den Tod eines Schuhmachergesellen verschuldet zu haben . Der Schuster, bei dem Diederich von Wylich, eine Erkrankung an den Windpocken vermutete, hatte sich vor der Behandlung jedenfalls noch ins Bad begeben .59 Prostitution als Verbreitungsfaktor der „Franzosenkrankheit“ Schon bevor die „Franzosenkrankheit“ der Prostitution eine neue Qualität als Verbreitungsfaktor von Erregern unterschiedlicher Art verlieh, war weithin bekannt, dass der Umgang mit Prostituierten gesundheitliche Risiken barg .60 Wiederholt wurde mancherorts beim Auftreten der Pest eine vorübergehende Schließung der Bordelle angeordnet .61 Selbst die Verbreitung der Lepra durch Prostituierte wurde auf der Grundlage humoralpathologisch fundierter medizinischer Denkweisen bisweilen vermutet und schlug sich in normativen Texten 57 58 59 60 61
Stadtarchiv Münster, Acta Criminalia, BII, Nr . 11, fol .3 . irsigler/lassotta (1996), S . 105 . irsigler/lassotta(1996), S . 106 . Zu solchen Behandlungen auch Jütte (1991), S . 144–146 . scHuster (1992), S . 186 . Leah L . otis, Prostitution in Medieval Society . The History of an Urban Institution in Languedoc, Chicago 1987, S . 41 ff . Allgemein scHuster (1992), S . 50 .
144
3 . Epidemiologische Faktoren
nieder .62 Trotz dieser Hintergründe, entsprechender medizinischer Erkenntnisse63 und der etwa von Martin Luther (1483–1546) oder Erasmus von Rotterdam (um 1466–1536) propagierten Übertragung der neuen Krankheit durch Prostitution, scheint in der Öffentlichkeit erst nach der Mitte des 16 . Jahrhunderts allgemein bekannt gewesen zu sein, dass sich der morbus gallicus vorrangig auf geschlechtlichem Wege verbreitete .64 Dies erklärt die weitverbreitete Passivität der städtischen Obrigkeiten, der rapiden Ausbreitung der „Franzosenkrankheit“ bei ihrem ersten Auftreten durch ein Verbot der Prostitution und Schließung der Bordelle entgegenzutreten . So finden sich selbst in der Großstadt Köln vor dem 16 . Jahrhundert keine Hinweise auf obrigkeitliche Verordnungen über die Prostitution im Hinblick auf die neue Krankheit .65 Städtische Frauenhäuser scheinen im spätmittelalterlichen Westfalen und am Niederrhein selten gewesen zu sein . Mit Ausnahme Kölns besaß offenbar nur noch Soest eine solche Einrichtung, für deren Existenz in der westfälischen Stadt es jedoch erst für das Jahr 1526 einen unsicheren Hinweis gibt .66 Dies schließt keineswegs aus, dass es in den übrigen westfälischen und niederrheinischen Städte andere Formen der Prostitution vom Privatbordell bis hin zur Gelegenheitsprostitution gegeben haben mag . In Köln existierten all diese Phänomene nebeneinander .67 Greifbar werden solche Erscheinungen hier wie 62 scHuster (1992), S . 186 Anm . 21 nennt ein Beispiel aus den Statuten im englischen Coventry aus dem 13 . Jahrhundert: Darin heißt es: Item meretrices solent supponere se leprosis, et inde poterit periculum esse in partu et in proprio corpore. Die Vorstellung, dass eine Frau, die Geschlechtsverkehr mit einem Leprakranken gehabt hatte, die Krankheit unmittelbar weiterübertragen könne, ohne jedoch selbst zu erkranken, war offenbar weit verbreitet . Sie erklärte sich aus den gemäß der Humoralpathologie unterschiedlichen Naturen von Mann und Frau . So antwortete der gelehrte Adelard von Bath in einem fiktiven Dialog mit seinem Neffen auf die Frage nach der geschlechtlichen Übertragung der Lepra: Est igitur virilis quidem natura secundum esse calidor, muliebris vero frigidior. Et virilis quiedem ac siccitatem pertinet, muliebris vero ad humiditatem. Vgl . Die Quaestiones Naturales des Adelardus von Bath, Hrsg . Martin müller (= Beiträge zur Geschichte und Theologie des Mittelalters XXXI, Heft 20), Münster 1934, Kap . XLI, S . 42 f . 63 Gundolf keil / Wilhelm F . daem, Paracelsus und die „Franzosen“ . Beobachtungen zur Venerologie Hohenheims . Teil 1: Pathologie und nosologisches Konzept, in: Nova Acta Paracelsica 9 (1977), S . 99–151 . 64 Ulrich kneFelkamp, Das Gesundheits- und Fürsorgewesen der Stadt Freiburg im Breisgau im Mittelalter (= Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 17), Freiburg 1981, S . 96 . scHuster (1992), S . 185 . Vgl . auch die Einschätzung von Rita voltmer, Praesidium et pater pauperum, pustulatorum praecipua salus. Johann Geiler von Kaysersberg und die Syphilis in Straßburg (1496–1509), in: Hrsg . Friedhelm Burgard. Liber amicorum necnon et amicarum für Alfred Heit . Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte und geschichtlichen Landeskunde (= Trierer Historische Forschungen 38), Trier 1996, S . 421 . 65 F . Jank, Prostitution und Geschlechtskrankheiten in Köln . Geschichte und Bekämpfung, Diss . med ., Köln 1929, S . 3 . 66 scHuster (1992), S . 37 f . Schuster verweist darauf, bei dem Soester Etablissement könne es sich auch um ein Privatbordell gehandelt haben . Zur Verbreitung der Frauenhäuser im deutschen Sprachraum zwischen 1350 und 1600 vgl . auch die Übersichtskarte von Neithard Bulst bei scHuster (1992), S . 52 f . 67 irsigler/lassotta (1996), S . 179–227 .
3 .2 Mechanismen der Seuchenverbreitung
145
andernorts während des Spätmittelalters aber höchstens sporadisch und in der Regel nur dann, wenn sie einen Weg in das obrigkeitliche Schriftgut fanden . Zumeist geschah dies, wenn Prostituierten ein Rechtsbruch zur Last gelegt wurde . Mit Ausnahme Kölns finden sich keine Zeugnisse für Art und Ausmaß der Prostitution in westfälischen und niederrheinischen Städten .
4.
Formen, Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen in westfälischen und rheinischen Städten vom Hochmittelalter bis zum Ende des 16. Jahrhunderts im Vergleich
4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
4.1
Das hochmittelalterliche Seuchengeschehen (9.–13. Jahrhundert) 4 .1 Das hochmittelalterliche Seuchengeschehen Schon für die Jahrhunderte vor der Katastrophe des Schwarzen Todes, bisweilen noch bevor sich die meisten Siedlungen und Bischofssitze zu Städten entwickelt hatten,1 berichten die Schriftquellen vereinzelt über das Wüten von Seuchen in Westfalen und dem Rheinland . Die Bewertung solcher Zeugnisse gestaltet sich schwierig . Nachrichten über früh- und hochmittelalterliche Seuchenausbrüche an einzelnen Orten stammen häufig aus Chroniken, die in erheblichem Zeitabstand zum Geschehen entstanden sind . Allein auf dieser Grundlage lassen sich Charakter und mögliche Eigenheiten früherer Epidemien in der Region jedoch nicht bestimmen . Immerhin lässt sich kaum zu ergründen, in welchem Maße die zeitspezifische Erfahrung spätmittelalterlicher Geschichtsschreiber im Umgang mit Seuchen auf die weit zurückliegenden Ereignisse anachronistisch rückprojiziert wurde . Viele der in die Lokalhistoriografie integrierten Schilderungen angeblicher Seuchenausbrüche zwischen dem 9 . und 13 . Jahrhundert weisen überdies keine deutlichen Bezüge zum örtlichen Geschehen auf . Anhand verschiedener Beispiele ist vor diesem Hintergrund an anderer Stelle dieser Untersuchung die Funktion des Seuchenmotivs als literarischer Topos bereits erörtert worden . Im gleichen Zusammenhang sind weitere Hinweise der Schriftquellen auf Epidemien in RheinlandWestfalen vor dem Schwarzen Tod kritisch zu prüfen, bevor Rückschlüsse auf Art und Wirkung des frühen Seuchengeschehens gezogen und zeitspezifische Reaktionen näher bestimmt werden können .
1
Eine Diskussion um den Stadtbegriff und die Entwicklung der mittelalterlichen Stadt kann an dieser Stelle nicht geführt werden . Stellvertretend sei verwiesen auf das noch immer grundlegende Werk von ennen (1987), insbesondere S . 15–30 u . S . 78–110 . Vgl . auch Heinz stooB, Über den Aufbruch der Städteentwicklung in Mitteleuropa, in: Hrsg . Jörg Jarnut / Peter JoHanek, Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11 . Jahrhundert (= Städteforschung A/43), S . 1–20 . Gerhard dilcHer, Stadtherrschaft oder kommunale Freiheit – das 11 . Jahrhundert ein Kreuzweg, in: Hrsg . Jörg Jarnut / Peter JoHanek, Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11 . Jahrhundert (= Städteforschung A/43), S . 31–44 . Jacques Heers, La ville au Moyen Âge en Occident . Paysages, pouvoirs et conflits, Paris 1995, insbesondere S . 15–70 u . S . 146 ff . Ferner Haase (1969) . Haase (1984) . Klaus Funk / Wilhelm Jansen (Hrsg .), Grundherrschaft und Stadtentstehung am Niederrhein, Kleve 1989 . Otto doppelFeld, Das Fortleben der Stadt Köln vom 5 .–8 . Jahrhundert n . Chr . (= Early Medieval Studies 1 / Antikvariskt arkiv 38), Stockholm 1970 . Eine Falluntersuchung bietet u . a . Bärbel Brodt, Stedikene-Oppidum-Stadt? Zur Stadtwerdung Dülmens im Mittelalter, in: Hrsg . Friedrich Bernward FaHlBuscii, Beiträge zur westfälischen Stadtgeschichte, Bd . 1, Münster 1992, S . 41–58 .
4 .1 Das hochmittelalterliche Seuchengeschehen
147
Das „Heilige Feuer“ in Westfalen und dem Rheinland An den Anfang des 9 . Jahrhunderts setzt die frühneuzeitliche Lokaltradition das erste Auftreten einer Seuche in Soest . Die Grundlage für diese Einordnung lieferte der Bericht über die Translation der Heiligen Pusinna in der Weltchronik Heinrichs von Herford .2 Demzufolge ließ der fränkische König und spätere Kaiser Karl der Kahle im Jahre 860 auf Bitten der Äbtissin Hadwigis die Gebeine der heiligen Pusinna von Binson an der Marne ins westfälische Herford führen . Während ihrer Translation, besonders aber nach ihrer Ankunft in Herford, habe die Heilige zahlreiche Wunder gewirkt, erzählt der Dominikaner . Ausführlich schildert er die für hagiografische Darstellungen typischen Heilungswunder, vornehmlich an Blinden, Tauben, Gelähmten und Besessenen .3 Der Soester Arzt und Historiograf Ludwig Erhard Rademacher (1695–1750) griff für die Zusammenstellung seiner Annales mit Verweis auf das Wirken Heinrichs von Herford im Soester Dominikanerkloster dessen Ausführungen zur Wundertätigkeit der Herforder Stadtheiligen auf und verlegte die Translation Pusinnas ins Jahr 803 . Nicht genug damit, dehnte er deren Wundertätigkeit auf „diese Gegenden“ und „andere unheilbare Seuchen“ aus .4 Als Beleg für eine Epidemie im Soest des 9 . Jahrhunderts kann diese abenteuerlich anmutende Konstruktion somit nicht gelten . In ähnlicher Weise modifizierte Rademacher ohne deutlich erkennbaren Bezug auf eine Seuche eine weitere allgemeingehaltene Notiz Heinrichs von Herford über eine Hungersnot im Jahre 851 zu einem großen Sterben, von dem seiner Darstellung zufolge besonders Westfalen betroffen war .5 Es ist nicht auszuschließen, dass der Soester Arzt von der Nachricht über die akute Lebensmittelknappheit eine Verbindung zu einem krankheitsbedingten Massensterben herstellte, das unter ähnlichen Bedingungen nur wenige Jahre später für das Niederrheingebiet durch die Annales Xantenses bezeugt ist .6 Deren Ausführungen gemäß wütete im Jahre 857 eine plaga magna vesicarum turgentium unter der Bevölkerung . Eine abscheuliche Fäulnis habe die Menschen derart verzehrt, dass ihre Gliedmaßen sich lösten und vor dem
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Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 58–60 . Hierzu auch Meinhard poHl, Herford-Reichsabtei, in: Hrsg . Karl Hengst, Westfälisches Klosterbuch . Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung, Teil 1, Münster 1992 . S . 404–412 . Hierzu Martin HeinZelmann, Translationsberichte und andere Quellen des Reliquienkultes (= Typologie des sources du Moyen Âge Occidental, Fasc . 33), Turnhout 1979 . Exemplarisch mit einer Analyse der Wunderheilungen des heiligen Kölner Erzbischofs Anno II . Heinrich scHipperges, Die Kranken im Mittelalter, München 31993, S . 69 ff . Ludwig Eberhard rademacHer, Annales oder Jahr-Bücher der uhralten und weitberühmten Stadt Soest, Bd . 1 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Soest 22), Soest 1999, S . 3 . Annales, Bd . 1 (1999), S . 3 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 56: Item fames valida Germaniam attrivit, ita ut etiam pater filium suum vorare voluerit. Annales Xantenses, in: Hrsg . Georg Heinrich pertZ, MGH SS Bd . 2, Hannover 1829 [Neudruck: Leipzig 1925], S . 230: Plaga magna vesicarum turgentium grassatur in populo, et detestabili eos putredine consumpsit, ita ut menbra [sic!] dissoluta, ante mortem deciderent.
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Tod abfielen .7 Aussagen über das Verbreitungsgebiet dieser plaga magna liefern die Annalen indes nicht . Vor dem Hintergrund einer häufigen chronikalischen Erwähnung von Hungersnöten um die Mitte des 9 . Jahrhunderts liegt es angesichts dieser Beschreibung bei aller gebotenen Vorsicht nahe, keine Infektionskrankheit, sondern das Heilige Feuer, später Antoniusfeuer genannt, als Ursache der Massenerkrankungen zu vermuten .8 Die Ausführungen in der Weltchronik Heinrichs von Herford scheinen diese Annahme zu stützen, wenngleich der Chronist keine direkten Bezüge zum Krankheitsgeschehen herstellt . Der Dominikaner berichtet von zahlreichen Fährnissen, denen sich die Menschen zwischen 853 und 857 ausgesetzt sahen .9 So heißt es etwa für das Jahr 855: Item hoc anno terremotus, aeris insolita commotio, turbines, tempestates, grandines, fulmina, multa multis incommoda hominibus inferunt. Auffällig ist in diesem Zusammenhang eine Nachricht, hinter der sich möglicherweise ein Hinweis auf das Heilige Feuer verbirgt . Heinrich schildert, dass im nämlichen Jahr ein Mann igne celesti consumptus est und lediglich die Kleider übriggeblieben seien . Der Chronist stellt das Ereignis durch seine Interpretation in die lange Reihe von Wundergeschichten und fantastischen Begebenheiten, die seine gesamte Darstellung durchziehen . Direkte Bezüge zum Krankheitsgeschehen, die irgendeine der zugrundeliegenden Quellen vielleicht ursprünglich enthalten haben mag, werden indes nicht mehr erkennbar . Schon Sigebert von Gembloux, Heinrichs Gewährsmann für das verschlingende „Himmelsfeuer“, verfasste sein Werk in einigem zeitlichen Abstand zum Berichtsgegenstand . Die Wirkung des Heiligen Feuers war Sigebert jedoch aus eigener Anschauung vertraut . Im Jahre 1089 wurde er Augenzeuge massenhafter Mutterkornvergiftungen im westlichen Teil Lothringens . Viele, so schreibt er, deren Inneres das Heilige Feuer verzehrte, seien an ihren zerfressenen, schwarz wie Kohle werdenden Gliedern verfault . So seien die Unglückseligen entweder elendig gestorben oder hätten – manibus et pedibus putrefactis truncati – ein noch elenderes Leben fortgesetzt .10 Zudem seien multi vero nervorum contractione distorti tormentantur.11 Heinrich von Herford, der diesen Bericht des Benediktinermönchs in seine Weltchronik aufnahm, identifizierte die Krankheit gleich seiner Vorlage als ignis sacer, nicht ohne jedoch der zeitgenössischen Wahrnehmung Rechnung tragend darauf zu verweisen, dass es sich bei diesem um eine pestilentia feda handele .12 Mochte sich auch allmählich die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass das Heilige Feuers nicht durch zwi7 8 9 10 11 12
Kay Peter JankriFt, Epidemien im Hochmittelalter, in: Hrsg . Mischa meier, Pest . Die Geschichte eines Menschheitstraumas, Stuttgart 2005, S . 129–141, Hier: S . 129 f . JankriFt (2012), S . 127 . miscHleWski (1989), S . 250 f . mit einer Zusammenstellung unterschiedlicher Beurteilungen der Darstellung in den Xantener Annalen . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 57 . JankriFt (2005), S . 130 . Sigebert von Gembloux, Cronica cum omnibus auctoris, in: Sigeberti Gemblacensis Monachi Opera Omnia accedit Chronicon Polonorum (= Migne, Patrologia Latina CLX), Paris 1880, Sp .9–546, hier: Sp .224 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 125 . Sigebert spricht von annus pestilens.
4 .1 Das hochmittelalterliche Seuchengeschehen
149
schenmenschlichen Kontakt übertragbar war, so scheint doch die Wahrnehmung desselben als pestilentialische Krankheit nicht zuletzt aufgrund des bisweilen massenhaften Auftretens hiervon unberührt geblieben zu sein .13 Immerhin dauerte es noch bis weit in das ausgehende 18 . Jahrhundert hinein, die vermeintliche Pestilenz eindeutig als Mutterkornbrand (Ergotismus gangraenosus) zu entlarven .14 Die gegenwärtige Medizin unterscheidet beim Ergotismus abhängig vom Vergiftungsgrad zwei verschiedene Verlaufsformen .15 Die schwere ist gekennzeichnet durch Krämpfe und schmerzhafte Kontraktionen, die über ein Stadium des Deliriums zum Tod fuhren . Die schwächere Form verursacht neben Alpträumen zunächst die Bildung von Blasen unter der Haut . Anschließend treten besonders in Armen und Beinen starke Schmerzen auf, die Gliedmaßen verfärben sich schwarz und werden brandig . In der kurzen Beschreibung der plaga magna von 857 in den Xantener Annalen und den detaillierteren Ausführungen Sigeberts von Gembloux zum Krankheitsgeschehen in occidentali parte Lotharingia im Jahre 1089 finden sich zumindest bemerkenswerte Parallelen zu diesem Erscheinungsbild . Inwieweit das Heilige Feuer seit dem 9 . Jahrhundert möglicherweise zu einem wachsenden Problem am Niederrhein und in Westfalen wurde, lässt sich in Ermangelung geeigneter Quellen nicht ergründen . Es ist aufgrund des ausgeprägten Roggenanbaus in diesen Gebieten nicht auszuschließen, dass es mehr oder weniger häufig zu Erkrankungen kam, die jedoch nur lokal auftraten oder sich innerhalb eines begrenzten Personenkreises äußerten und somit keinen Platz in der Überlieferung fanden .16 Besonders zwischen dem Ausgang des 11 . und dem Beginn des 14 . Jahrhunderts berichten Chroniken vereinzelt über Erscheinungen krankheitsbedingter Massensterblichkeit, die nahezu immer im Zusammenhang mit Missernten und Hungersnöten standen .17 Diese Konstellation reicht allein nicht aus, um stets Mutterkornvergiftungen als todbringende Ursache ins Feld zu führen . Weitere Deutungen – etwa Formen von
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miscHleWski (1989), S . 257 . miscHleWski (1976), S . 23 u . S . 349 f . Der Autor führt auch Beispiele für die bisweilen noch immer irrige Auffassung von der Ätiologie des Heiligen Feuers in der historischen Forschung an . Vgl . S . 23 Anm . 28 . miscHleWski (1976), S . 349 . miscHleWski (1989), S . 252 . Zum Roggenanbau Heinz Günter steinBerg, Die geographischen Grundlagen, in: Hrsg . Wilhelm koHl, Westfälische Geschichte, Bd . 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Alten Reiches, Düsseldorf 1983, S . 47 f . engelBrecHt (1994), S . 95 . Mit Verweisen auf die Verhältnisse in Westfalen und dem Rheinland vgl . u . a . Edith ennen / Walther Janssen, Deutsche Agrargeschichte . Vom Neolithikum bis zur Schwelle des Industriezeitalters (= Wissenschaftliche Paperbacks, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 12), Wiesbaden 1979, S . 154 f . Ulrich Willerding, Landwirtschaftliche Produktionsverhältnisse im Mittelalter, in: Hrsg . Bernd Herrmann, Mensch und Umwelt im Mittelalter, Frankfurt 1989, S . 246 f . BiraBen (1996), S . 391 führt ohne Beleg ein Auftreten des Heiligen Feuers rechts des Rheins erst für das Jahr 1105 an . Hierzu schon Fritz curscHmann, Hungersnöte im Mittelalter . Ein Beitrag zur deutschen Wirtschaftsgeschichte des 8 . bis 13 . Jahrhunderts (= Leipziger Studien aus dem Gebiet der Geschichte 6,1), Leipzig 1900 [Nachdruck: Aalen 1970], S . 9 f .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Dysenterie – sind durchaus möglich .18 Dies gilt besonders für den Fall, dass die Quellenberichte nicht ausdrücklich vom ignis sacer sprechen oder zumindest einschlägige nosologische Angaben liefern .19 Zumeist fehlen solche Hinweise gänzlich . So wird für das Jahr 1093 in Köln und Aachen ein großes Sterben erwähnt, ohne jedoch näher auf dessen Hintergründe einzugehen .20 In den Kölner Annalen findet sich indes kein entsprechender Eintrag . Für das Folgejahr 1094 notierte Sigebert von Gembloux: In Gallia et Germania gravis hominum mortalitas facta est .21 In beiden Fällen liegt das Sterblichkeitsgeschehen in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu einer Hungersnot . Es lässt sich anhand dieser Schilderungen dennoch nicht feststellen, ob das Heilige Feuer, der Hunger, andere Krankheiten oder gar ein Konglomerat aus all diesen Faktoren zu diesem Massensterben führten . Nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist außerdem der Verdacht, dass die Lokalchronistik die allgemeineren Ausführungen Sigeberts für ihre Zwecke modifizierte und den Blickwinkel auf Köln und Aachen reduzierte, wie bereits im Falle eines Berichts aus Minden zu den vermeintlichen Ereignissen des Jahres 1009 aufgezeigt wurde .22 Eben so wenig ist die Schilderung eines großen Sterbens im Jahre 1128 der erst an der Wende zum 16 . Jahrhundert verfassten Brauweiler Annalen ein sicheres Indiz für die Präsenz des Heiligen Feuers im Rheinland .23 Auch berichten die Quellen mit keiner Silbe davon, dass die von ihnen für Aachen bezeugten Hungersnöte der Jahre 1146 und 1151 von einem Auftreten des Heiligen Feuers begleitet waren, wie Schmitz-Cliever dies zwingend annimmt .24 Es lässt sich mit Hilfe der überlieferten Schriftquellen nicht feststellen, in welchem Umfang der Ergotismus zwischen der Mitte des 9 . und dem Ende des 13 . Jahrhunderts in Westfalen und am Niederrhein auftrat und ob Erkrankungen dort ein kollektives Problem darstellten . Die im Westfälischen weit verbreitete Verehrung des heiligen Antonius,25 der nicht nur als Pestschutzheiliger galt, sondern vielmehr seit dem 12 . Jahrhundert zum Schutz gegen 18 19
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ruFFié/sournia (1992), S . 78 f . Entgegen der Auffassung von scHmitZ-cliever (1954/55), S . 112, der allein das zeitliche Zusammentreffen von krankheitsbedingter Massensterblichkeit, Missernten und Hungersnöten als hinreichendes Kriterium zur Identifizierung des Heiligen Feuers ansieht . Dieses ließe „entsprechende Schlüsse auch dann zu, wenn die geschilderte ‚Pestilenz‘ keine solche eingehende Darstellung erfährt .“ lerscH (1896), S . 77 . scHmitZ-cliever(1954/55), S . 112 . Sigebert von Gembloux (1880), Sp .225 . Chronicon Domesticum et Gentile (1981), S . 25 . Margrit krieg (1951), S . 140 setzt in Ihrem knappen Überblick zum Seuchengeschehen in Minden einen weiteren Seuchenausbruch für 1020/1021 an . Ein unmittelbarer Bezug des Krankheitsgeschehens zu Minden lässt sich jedoch in der Quellenüberlieferung nicht erkennen . Heinrich von Herford zitiert für das nämliche Jahr Ekkehard von Aura mit den Worten: Henricus imperator hoc anno Novam Troyam cepit deditione, et mortalitas magna in exercitu facta est. Vgl . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 98 . Gottfried eckertZ (Hrsg .), Chronicon Brunwylrense, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 19 (1868), S . 220 . scHmitZ-cliever (1954/55), S . 112 . korte (1952).
4 .1 Das hochmittelalterliche Seuchengeschehen
151
die auch Antoniusfeuer genannte Krankheit verstärkt um Hilfe angerufen wurde,26 deutet möglichweise auf häufige Mutterkornvergiftungen in der Region hin . Allerdings lassen sich in Westfalen keine, am Niederrhein nur bedingt obrigkeitliche Reaktionen im Umgang mit den Opfern des Heiligen Feuers nachweisen . Entsprechend selten sind Hinweise auf therapeutische Versuche zur Heilung oder Linderung der von einer Vergiftung hervorgerufenen Leiden . Fast gänzlich im Dunkeln bleibt auch die gesellschaftliche Situation derjenigen, die verstümmelt mit dem Leben davonkamen . Eine institutionelle Versorgung dieser Kranken ist lediglich in Köln zu belegen . Dort unterhielt der Orden der Hospitaliter vom Heiligen Antonius, der sich die Fürsorge für die vom Heiligen Feuer Befallenen zur besonderen Aufgabe erkoren hatte, seit dem Ende des 13 . Jahrhunderts eine Niederlassung . Dieses Haus unterstand der nahe Hanau gelegenen Präzeptorei Roßdorf .27 Erzbischof Wigbold von Holte (1297–1304) hatte den Antonitern in Köln am 21 . Dezember 1298 das Anwesen der Sackbrüder überlassen,28 deren in den Verdacht der Ketzerei geratene Gemeinschaft 1274 durch das zweite Konzil von Lyon aufgehoben worden war . Es bleibt fraglich, inwieweit diese Ansiedlung des Antoniterordens bedarfsgesteuert, planvoll und als unmittelbare Reaktion auf das Auftreten des Heiligen Feuers erfolgte . Eher scheint die Gründung der neuen Präzeptorei dem zufälligen Zusammenspiel günstiger Umstände zu verdanken gewesen zu sein . Ein frei gewordenes Haus stand zur Verfügung, der Kölner Oberhirte zeigte sich wohlwollend gegenüber einem Orden, der im Zenit seines Ansehens stand, und die Roßdorfer Präzeptoren zeichneten sich durch eine fähige Amtsführung aus . Immerhin gelang es ihnen innerhalb von nur dreißig Jahren, alle der ihnen nachgeordneten neun Ordenshäuser an Rhein, Main und Mosel einzurichten .29 Obwohl der Orden zahlreiche Niederlassungen im Reichsgebiet besaß, blieb das Haus in Köln das einzige im Niederrheingebiet . In Westfalen kam es nicht zur Gründung von Antoniterpräzeptoreien . Der Spitalalltag in der kölnischen Ordensniederlassung des ausgehenden 13 . und beginnenden 14 . Jahrhunderts lässt sich in Ermangelung geeigneter Quellen nicht rekonstruieren . Welche krankenpflegerischen Dienste die Kölner Antoniter Hilfesuchenden boten und welcher Erfolg ihren Bemühungen beschieden war, liegt im Dunkeln . Im Spiegel der Dokumente, die für andere Antoniterhäuser vorliegen, erschließt sich jedoch ein allgemeines Spektrum der therapeutischen Leistungen des Ordens . In der ein oder anderen Weise werden diese Behandlungen vermutlich auch in der Domstadt zur Anwen26 miscHleWski (1976), S . 24 f . u . S . 31 . 27 miscHleWski (1976), S . 196 . Eine Übersicht über die das Niederlassungsnetz der Antoniter bietet die dem Werk beigefügte Karte . 28 Richard knipping, Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, Bd . 3, Bonn 1913, Nr . 3631 . 29 miscHleWski (1976), S . 196 . Der Präzeptorie Roßdorf unterstanden die Häuser in Köln, Alzey, Kleve-Hau, Marville (Departement Meuse), Brieg, Frankfurt/Main, Mainz, Oppenheim und Trier . Mischlewski unterstreicht, dass eine Verkettung günstiger Umstände der Entfaltung des Ordens in diesem Gebiet Vorschub leistete .
152
4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
dung gekommen sein . Der spezialisierten Hospitalgemeinschaft war offenbar seit dem Beginn ihres zunächst bruderschaftlichen Wirkens in Saint-Antoine in der Dauphine bei der Therapierung des Mutterkornbrandes einiger Erfolg beschieden . Standen im Vordergrund des Umgangs mit den vom ignis sacer Befallenen Formen religiöser Krankheitsbewältigung, so resultierten aus der Erfahrung im Umgang mit den Kranken mehr oder weniger zufällig Heilungserfolge .30 Die Ordensstatuten zeichnen ein normatives Bild von Aufnahme und Pflege der Kranken . Zwar mag es in der alltäglichen Praxis von Spital zu Spital zu mehr oder weniger Abweichungen von dieser Norm gekommen sein, doch vermittelt der Text einen Eindruck antonitischer Idealvorstellungen im Umgang mit den Hilfesuchenden .31 Bei ihrer Aufnahme im Antoniterspital sollten Kranke zunächst Brot erhalten . Bereitet aus Getreide- und Mehlspenden, die gute, ergotinfreie Qualität aufgewiesen haben dürften, war dieser symbolische Akt christlich-hospitalischer Nächstenliebe zugleich der unbewusste erste Schritt, den weiteren Vergiftungsprozess zu unterbinden .32 Danach sollte den Vergifteten der sogenannte Saint Vinage zum Trank gereicht werden . Antonius-Reliquien, die jeweils am Tag der großen Prozession mit den Gebeinen des Heiligen zu Christi Himmelfahrt in den Rebensaft getaucht wurden, sollten dem nunmehr „heiligen“ Wein seine besondere Heilwirkung verleihen . Zugleich wurden dem Saint Vinage, der auch zur äußerlichen Anwendung diente, verschiedene Kräuter beigegeben . Vierzehn heilkräftige Pflanzen mit narkotischer oder – dem Gift des Mutterkornpilzes entgegenwirkend – gefäßerweiternder Wirkung hat Matthias Grünewald (1470/80–1528) auf einem Flügel des Isenheimer Altars verewigt, den der Künstler zwischen 1512 und 1516 für das Antoniterhaus der elsässischen Stadt anfertigte .33 Adalbert Mischlewski geht davon aus, dass sich das Wissen um die richtige Komposition der Kräuter im Saint Vinage auf empirischem Weg allmählich entwickelte und die Rezeptur in allen Ordenshäusern bekannt war .34 Die bedeutsame Weihe des Antoniusweins und des noch gebräuchlicheren Antoniuswassers wurde jedenfalls in allen Ordensniederlassungen, so sicher auch in Köln, unter Berührung mit den Reliquien des heiligen Eremiten vollzogen .35 Neben 30 miscHleWski (1976), S . 30 . 31 Ausführlich miscHleWski (1976), S . 29 ff . 32 Mischlewskis Ansicht, die Antoniter hätten das heilige Feuer durch die Gabe von geweihtem, ergotinfreiem Brot unbewusst richtig bekämpft, wird unter anderem gestützt von Barger (1931), S . 52 und scHmitZ-cliever (1954/55), S . 113 . JankriFt (2005), S . 92 . 33 Der Altar befindet sich heute im Musée d’Unterlinden in Colmar . Zu den dargestellten Heilkräutern Wolfgang küHn, Grünewalds Isenheimer Altar als Darstellung mittelalterlicher Heilkräuter, in: Kosmos 44 (1948), S . 327–333 . Vgl . auch Reiner marQuard, Matthias Grünewald und der Isenheimer Altar . Erläuterungen, Erwägungen, Deutungen, Stuttgart 1996 . Gottfried ricHter, Der Isenheimer Altar, Stuttgart 1997 . 34 miscHleWski (1976), S . 30 Anm . 72 . Vgl . auch miscHleWski (1989), S . 261 . 35 Adolph FranZ, Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, Bd . 1, Freiburg im Breisgau 1909 [Neudruck: 1960], S . 214 f . Zum Gebrauch des Antoniuswassers vgl . auch Gundolf keil, Die Cirurgia des Peter von Ulm (= Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm), Ulm 1961, S . 213 .
4 .1 Das hochmittelalterliche Seuchengeschehen
153
diesen Heilmitteln, die schon in der Frühzeit der Gemeinschaft in Gebrauch waren und deren rasche Ausbreitung schon im 12 . Jahrhundert maßgeblich vorantrieb,36 bereiteten die Antoniter den sogenannten Antonius-Balsam . Unbekannt ist, seit wann dieser Balsam verwendet wurde, dessen Zusammensetzung der Orden als Geheimnis wahrte, oder welche Präzeptoreien sich auf die Kunst von dessen Zubereitung und Anwendung verstanden .37 Erahnen lässt sich hingegen seine Funktion . Wahrscheinlich wurde der Antonius-Balsam auf die brandigen Extremitäten oder die Wunden aufgetragen, welche die Amputationen zerstörter Gliedmaßen mit sich brachten . Lässt die spärliche Quellenlage bis in das ausgehende Mittelalter kaum Eindrücke der krankenpflegerischen Leistungen der Antoniter in der alltäglichen Praxis zu, so belegen Zeugnisse des 16 . Jahrhunderts beachtliche Fähigkeiten bei der Durchführung von Amputationen .38 Wie und in welchem Umfang die Dienste der Kölner Antoniter an der Wende zum 14 . Jahrhundert in Anspruch genommen wurden oder woher die Hilfesuchenden stammten, ist eben so wenig zu ergründen wie die Häufigkeit des Auftretens massenhafter Mutterkornvergiftungen in Westfalen und am Niederrhein . Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass der Ergotismus unter den wenigen von den Chronisten beschriebenen und von den Zeitgenossen als seuchenartig wahrgenommenen Pestilenzen des Hochmittelalters, für die ein lokaler Bezug angenommen werden darf, mehr oder weniger häufig vorkam . Demgegenüber boten die Strukturen zwischen Maas, Niederrhein und Weser direkt von Mensch zu Mensch übertragbaren Erregern mit kurzen Inkubationszeiten bis über das Ende des Hochmittelalters und die Blüte des Städtewesens hinaus wohl noch nicht den günstigen Nährboden,39 den die dichter bevölkerten Städte mit ihren stetig anwachsenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verflechtungen um die Mitte des 14 . Jahrhunderts bereitet hatten .40 Neben der bisweilen ins Feld geführten geringeren Überlieferungs36 miscHileWski (1976), S . 32 sieht den Hauptgrund für die zügige Verbreitung der Antoniter im Erfolg ihrer therapeutischen Leistungen . 37 miscHleWski (1976), S . 31 . miscHleWski (1989), S . 262 . 38 Alfred martin, Das Antoniusfeuer und seine Behandlung in der deutschen Schweiz, in: Schweizerische Medizinische Wochenschrift 3 (1922), S .l 183–1184 . Ein anschauliches Zeugnis bietet das berühmte Werk des am Ende des 15 . Jahrhunderts in den Diensten der Straßburger Antoniter stehenden Hans von Gersdorff, Feldtbuch der wundtartzney, Straßburg 1517 [Nachdruck: Darmstadt 1967] . Vgl . auch Joachim telle, Hans von Gersdorf, gen . Schielhans, in: Lexikon des Mittelalters, Bd . 4, München/Zürich 1989, Sp .1921 . 39 Zur Entwicklung des europäischen Städtewesens vgl . die breitgefächerten Studien bei Jörg Jarnut / Peter JoHanek (Hrsg .), Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11 . Jahrhundert (= Städteforschung A/42), Köln, Wien, Weimar 1998 . 40 Zur Frage einer „Überbevölkerung“ im Mitteleuropa des 14 . Jahrhunderts, auch im Hinblick auf die Städte, vgl . die Diskussion bei Wilhelm aBel, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur . Eine Geschichte der Land- und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter, Hamburg/Berlin 21966, S . 46 ff . Auch grupe (1989), S . 26–32 . Zu Hungersnöten im 15 . Jahrhundert exemplarisch Christian Jörg, Teure, Hunger, Großes Sterben . Hungersnöte und Versorgungskrisen in den Städten des Reiches während des 15 . Jahrhunderts (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters), Stuttgart 2008 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
dichte,41 können solche epidemiologisch relevanten Unterschiede eine weitere Erklärung dafür liefern, dass Seuchen im hochmittelalterlichen Rheinland-Westfalen bis zur Apokalypse des Schwarzen Todes schlichtweg seltener auftraten .42 4.2
Seuchen am Vorabend des Schwarzen Todes. Vom Beginn bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts 4 .2 Seuchen am Vorabend des Schwarzen Todes Hungersnot und Großes Sterben, 1315–1318 Das 14 . Jahrhundert markiert den Auftakt zu einem Seuchengeschehen neuer Dimension . Tauchen in den Quellen Berichte über „Pestilenzen“ davor nur sporadisch und in erheblichem Zeitabstand an Orten auf, die geografisch meist nur vage genannt sind, erscheinen am Vorabend des Schwarzen Todes die ersten unheilvollen Vorboten der Pandemie . Den Aufzeichnungen der Geschichtsschreiber zufolge wurden verschiedene westfälische und rheinische Städte während der ersten Hälfte des 14 . Jahrhunderts zweimal von einer großen Seuchensterblichkeit getroffen . Die erste Sterbewelle ereignete sich demnach zwischen 1315 und 1318 . Mitteleuropa wurde zu dieser Zeit von einer schweren, in zeitgenössischen Quellen gut dokumentierten Hungersnot heimgesucht, die auch das Rheingebiet und Westfalen nicht verschonte .43 Damit forderte die „kleine Eiszeit“, die wie ein böses Omen zu Beginn des Jahrhunderts angebrochen war,44 erstmals einen für die Geschichtsschreiber bemerkenswerten Tribut an Menschenleben . Die Kölner Annalen wissen von einem großen Sterben und einer immensen Teuerung im Jahre 1315 zu berichten .45 Einen eindeutigen Hinweis auf die Ursache der hohen Sterblichkeit bleiben die knappen Ausführungen allerdings ebenso schuldig wie einen direkten Bezug zur Situation in der rheinischen Metropole . Auffällig erscheint indes die unterschiedliche Akzentuierung der beiden Ereignisse in den verschiedenen Textversionen . Nur in einer Handschrift wird de groisse sterfde der 41 Bulst (1989), S . 29 . 42 BiraBen (1996), liefert den Versuch eines allgemeinen Überblicks über das Auftreten epidemischer Erkrankungen im Hochmittelalter, der aufgrund des unkritischen Umgangs mit den Problemen retrospektiver Diagnostik nur unter Vorbehalt benutzbar erscheint . 43 aBel (1966), S . 44 ff . curscHmann (1900), S . 208 ff . Die Untersuchung enthält detaillierte Tabellen über die Ausdehnung mittelalterlicher Hungersnöte bis zum Massensterben 1315 bis 1318 . Vgl . ferner William rosen, The third horseman . Climate change and the great famine of the 14th century, New York 2014 . Henry S . lucas, The Great European Famine of 1315, 1316 and 1317, in: Speculum 5 (1930), S . 344–377 . mollat (1987), S . 142–190 . 44 Wilhem aBel, Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters, Stuttgart 31976 . RS . Bray, Armies of Pestilence . The Effects of Pandemics in History, Cambridge 1996, S . 58 ff . Barbara tucHman, Der ferne Spiegel . Das dramatische 14 . Jahrhundert, München 141996, S . 37 f . Detaillierter Rüdiger glaser, Klimageschichte Mitteleuropas . 1000 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen, Darmstadt 2001, S . 64 ff . 45 Jahrbücher, A (1876), S . 21 . Jahrbücher, B (1876), S . 33 . Jahrbücher, D (1876), S . 130 . Cölner Chronik (1871), S . 50 .
4 .2 Seuchen am Vorabend des Schwarzen Todes
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großen dure zit vorangestellt, während in den drei übrigen Texten der Tod auf den Preisanstieg folgt . In den jairen uns herren 1315, do was eine groisse duirzit ind sterfde, heißt es dort . Der wahrscheinliche Zusammenhang zwischen der Teuerung und dem Massensterben wirkt durch diese Satzstellung stärker betont . Spuren der Ereignisse finden sich auch in den Urkunden der Reichsstadt Dortmund . Anfang Dezember 1316 gestattete der Kölner Erzbischof Heinrich II . von Virneburg auf Bitten virorum consulum et opidanorum Johann, dem Rektor der Reinoldikirche, die Erweiterung des Kirchhofs bis auf den angrenzenden erzbischöflichen Grund .46 Das in diesem Jahr auftretende „gemeine Sterben“ in der Stadt hatte dazu geführt, dass die Kapazitäten des alten Bestattungsplatzes überlastet waren und eine Ausweitung nötig wurde .47 Dem Urkundentext zufolge beschränkte die außergewöhnliche Sterblichkeit sich nicht allein auf das Stadtgebiet, sondern war in der gesamten Diözese spürbar . Nicht nur die Kölner und Dortmunder Überlieferung, auch andere regionale Zeugnisse erwähnen zwischen 1315 und 1318 Teuerung, Not und ein großes Sterben . Dadurch wird in der Gesamtbetrachtung zumindest die chronologische Folge der Ereignisse deutlich . Die Häufung der Todesfälle folgte im Anschluss an Hunger und Preisanstieg . Während jedoch die mit dem geringsten Abstand zum Berichtsgegenstand entstandenen Kölner Annalen die Sterbefälle nicht mit dem Auftreten einer Krankheit in Verbindung bringen, stellen andere Werke diesen Aspekt ergänzend heraus . Die Münstereifeler Chronik trennt sogar zwischen einem durch die Teuerung bedingten Hunger- und einem möglicherweise um sich greifenden Seuchentod: Anno domini MCCCXV was eyne groisse Sterffde Ind eyne duyre zijt. Also dat manch mynsche starff van der sterffden Ind ouch manche mynsche von hunger verdarf.48 Nach den Notizen im Xantener Liber Albus raffte eine große pestilencia im Jahre 1316 Arme wie Reiche hin .49 Die Chronik des Zisterzienserklosters Kamp widmete dem Hunger und der pestilentia magna in der zweiten Dekade des 14 . Jahrhunderts gar ein eigenes Kapitel . Darin heißt es, 1317 und im Folgejahr fuit tanta fames in alemannia, dass die Menschen selbst Pflanzen für die Schweinefütterung sowie Tierkadaver verzehrt hätten . Auf diese Hungersnot sei ein solches Sterben gefolgt, dass die Friedhöfe die Zahl der Toten nicht habe fassen können und viele Häuser verwaist gewesen wären .50 Die zur Beschreibung der pestilentia magna ge46 DUB, Bd .II (1890), Nr . 432 . 47 … quod propter miserabilem hominum hoc anno quasi communem mortalitatem que non solum Tremonie sed in partibus pluribus nostre civitatis et dyocesis se ostendebat, simiterium ecclesie tue predicte capere non sufficiat corpora defunctorum … 48 Münstereifeler Chronik (1270–1450), Hrsg . H . J . Floss, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 23 (1871), S . 191 . 49 Zitiert nach körner (1977), S . 121 Anm . 148: Fuit etiam hoc tempore maxima hominum pestilencia tam divitum quam pauperum. 50 Chronicon monasterii Campensis ordin . Cisterciensis ex originali edidit manuscripto, Hrsg . Hermann keussen, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 20 (1869), S . 304: De fame et pestilentia magna. Anno 1317 et sequenti anno fuit tanta fames in alemannia, quod homines pre fame et inedia commederunt siliquas porcorum et mortua cadauera animalium. Et secuta est tanta mortalitas hominum, vt plures mortui inuenirentur, per vicos et
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
brauchten Wendungen weisen allerdings starke Parallelen zu Formulierungen auf, die Historiografen in Berichten über den später wütenden Schwarzen Tod verwendeten .51 Da die Zusammenstellung der Kampener Klosterchronik erst während der zweiten Hälfte des 15 . Jahrhunderts begann, liegt die Vermutung nahe, dass Erfahrungen mit zeitgenössischen Epidemien oder als Vorlage dienende Berichte über den Schwarzen Tod zur Ausschmückung der Ereignisdarstellung durch den Verfasser anachronistisch rückprojiziert wurden .52 Die Ausführungen erlauben somit keinerlei verlässliche Rückschlüsse auf die Wirkungsweise einer Massenerkrankung oder gar unterschiedlicher Erkrankungen mit hoher Sterblichkeit im Umfeld der Hungersnot . Deutlich wird hingegen im Spiegel der Schilderungen, dass die Zeitgenossen die Opferzahlen des Sterbens als ungewöhnlich hoch empfanden . Es ist aufgrund der Darstellungsweise weder zu belegen noch auszuschließen, dass es sich hierbei um ein erneutes massenhaftes Auftreten des Heiligen Feuers gehandelt haben könnte . Schilderungen anhaltender Regenfälle, die zu Missernten führten, sprechen allerdings eher dagegen .53 Die Ausbildung von Mutterkorn verlangt idealerweise eine andere Witterung: einen trockenen und kalten Winter, auf den ein feuchtwarmes Frühjahr sowie ein kurzer und heißer Sommer folgen .54 Demnach ist wahrscheinlicher, dass die bemerkenswerte Häufung von Todesfällen, die ausdrücklich nicht auf den Hunger allein zurückzuführen ist,55 durch Infektionskrankheiten hervorgerufen wurde .56 Wenngleich offen bleiben muss, um welche Krankheitserscheinung(en) es sich
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53 54 55 56
plateas ac sepes et in multis locis cimiteria mortuos capere non poterant, sed aportebat dilatari, plures eciam ville et domus remanserunt absque habitatore. Vgl . beispielsweise die Ausführungen im Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 274 u . S . 284 . Ein vergleichbares Beispiel in Bezug auf die Einordnung der Geißler in das Jahr 1318/1320 im Chronicon Domesticum et Gentile (1981), S . 61 . Unreflektiert hierzu krieg (1951), S . 140 . Ausführungen zur Hungersnot von 1315 und der anschließenden Epidemie bietet weiterhin das als sehr spätes Zeugnis nur bedingt aussagekräftige sogenannte Stadtbuch von Gangelt . Die in der ersten Hälfte des 17 . Jahrhunderts von dem Jesuiten Jacobus Kritzraedt (1602–1672) unter Verwendung auch älterer lokaler Quellen kompilierte Schrift notiert: 1315 wegen stetigen regens von s. Johans Baptisttag ahn ist ein grosse theurung durch gantz Occident oder sonnen nidergang (darunter Gangelt gelegen) entstanden; im feldt stunden die ähren ohn körnlein. Darauf ist ein starke pest kommen und erfolgt. Vgl . G . rauscHen, Das Stadtbuch und die Chronik von Gangelt, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 13 (1891), S . 188 . aBel (1966), S . 44 . miscHleWski (1989), S . 253 . Hierzu curscHmann (1900), S . 9 . Zur Interpretation der Zusammenhänge zwischen Ernährung und Infektion grupe (1989), S . 31 . Demzufolge erscheint zwar die fatale Verknüpfung von Ernährung und Infektion für eine hohe Sterblichkeitsrate – besonders unter Kleinkindern – verantwortlich, wie gegenwärtig tragischerweise noch immer an Beispielen aus der sogenannten Dritten Welt deutlich wird . Eine von diesem Komplex unabhängige „Eigendynamik“ besitzen nach manchen Einschätzungen jedoch tödliche Infektionskrankheiten wie Pest, Pocken oder Typhus . Hierzu auch A . appleBy, Nutrition and Disease . The Case of London 1550– 1750, in: Journal of Interdisciplinary History 6 (1975), S . 1–22 . Ohne kritische Auseinan-
4 .2 Seuchen am Vorabend des Schwarzen Todes
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konkret handelte, ist zu konstatieren, dass durch die Schilderungen der Ereignisse zwischen 1315 und 1318 erstmals das Auftreten einer spätmittelalterlichen Epidemie gemäß der modernen medizinischen Definition in Westfalen und am Niederrhein fassbar wird . Wassermassen und Blutfluss, 1341 Will man den Schriftzeugnissen Glauben schenken, so ereignete sich 1341 abermals ein Seuchenausbruch, der in unmittelbarem Zusammenhang mit der Witterung und einer vorhergehenden Hungersnot stand .57 Dabei sorgten offenbar langanhaltende Regenfälle während der Sommermonate vielerorts in Westfalen für eine Missernte und Überschwemmungen . Hierzu berichtet der Dominikaner Heinrich von Herford als Augenzeuge über die Ereignisse in Minden: In Minda tantum excreverunt aque pro tunc, quod, civitatem intrantes, per majorem ecclesiam ad forum usque pervenerunt, et ostium porte civitatis quatuor vel quinque pedibus minus ad superius totum impleverunt.58 Durch die katastrophalen hygienischen Zustände in der Stadt wuchs mit dem Hochwasser zugleich die Seuchengefahr .59 So schwemmten die Fluten nicht nur den Unrat von den Straßen in die Häuser . Vielmehr schildert der Geschichtsschreiber, dass die Wassermassen Schweine, Rinder, Schafe und Pferde mitrissen, die verendend in der Weser trieben . Darüber hinaus verursachte das Hochwasser großen Schaden auf den dicht belegten Friedhöfen . Dort wurden Leichen freigelegt, die dem Bericht des Geschichtsschreiber zufolge im benachbarten Lemgo sogar vom Wasser fortgespült wurden . Obgleich vor allem die anhaltende Verunreinigung des Wassers beste Voraussetzungen für den Ausbruch von Seuchen lieferte, taucht in den weiteren Ausführungen des Dominikaners keinerlei Hinweis auf eine erhöhte Sterblichkeit infolge der Naturkatastrophe auf . Dabei berichten andere Zeitgenossen wie etwa der spätere Bischof von Münster, Florenz von Wevelinghoven, für das Jahr 1341 sehr wohl vom Auftreten einer Seuche nach dem verheerenden Hochwasser . Seiner Chronik zufolge wurde die Region zwischen Ende Juli und Anfang November von heftigen Regenfällen heimgesucht .60 Dem Dauerregen folgten Missernte und Hun-
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59 60
dersetzung mit den Quellenzeugnissen spricht Huttmann (1987), S . 13 f . von der „Epidemie der Jahre 1315–1317“ . Zu diesem Phänomen erhöhter Sterblichkeit am Beginn der 1340er Jahre allgemein vasold (1999), S . 38 f . Zu Rheinland-Westfalen JankriFt (2012), 110–111. Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 265 . Die späteren Mindener Bischofschroniken übernehmen die Schilderung wortgetreu . Das Chronicon Domesticum et Gentile (1981), S . 62 des Heinrich Piel stützt sich in seinen Ausführungen wie gewöhnlich auf die älteren Mindener Vorlagen, verlegt das Ereignis aber ins Jahr 1342 . Piels Bericht zufolge wurden auch Menschen in den Fluten der Weser fortgerissen . Moderne Beispiele zu diesem Komplex bei Paul W . eWald, Die Evolution der Virulenz, in: Spektrum der Wissenschaft 3/1997, S . 29 f . Wevelinghoven (1851), S . 48 f .: … cecidet inaudita pluvia, que a festo Jacobi usque ad festum omnium sanctorum sine aliqua intermissione duravit. Quam maxima subitanea mortalitas in fluxu sanguinis est subsecuta et inaudita validissima fames in universa terra, ita quod homines diversis
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
ger . Schließlich begann das große Seuchensterben . Die Seuche bezeichnet der Chronist in diesem Fall als fluctus sanguinis. Diese Bezeichnung deutet auf eine schwere Form der Dysenterie hin, die mit blutigen Durchfällen einherging und sich wahrscheinlich über verunreinigtes Wasser ausgebreitet hatte .61 Leider erzählt der Chronist nichts über die Auswirkungen dieses „Blutflusses“ auf das Alltagsleben in der Stadt . Allerdings betont er, dass der fluctus sanguinis zahllose Opfer forderte und unvermittelt einsetzte . Demnach war die Inkubationszeit kurz . Die Weise, in der Florenz von Wevelinghoven das Auftreten des fluctus sanguinis schildert, lässt indes vermuten, dass eine derartige Seuche unter den Zeitgenossen bereits bekannt war . Immerhin verzichtet der Chronist auf Zusätze, wie „neu“ oder „unerhört“, die sich sehr wohl in Verbindung mit dem ersten Auftreten des Schwarzen Todes einige Jahre später finden . Dies lässt darauf schließen, dass die Zeitgenossen bereits mit einem ähnlichen Seuchengeschehen in Berührung gekommen waren . Die von Dietrich Lilie ins Niederdeutsche übertragene und bis 1553 fortgeführte Osnabrücker Bischofschronik übernahm die Schilderung des Münsteraner Oberhirten .62 Zur Zeit Bischof Gottfrieds, so heißt es dort, seien eine große Dunkelheit und eine waterfloit zwischen dem Fest des heiligen Jakobus, dem 25 . Juli, und Allerheiligen hereingebrochen . Zwar bleibt die in der Vorlage angeführte Hungersnot unerwähnt, doch unterschlägt der frühneuzeitliche Geschichtsschreiber keineswegs das groit unvorseenlick stervent. Der fluctus sanguinis wird in seiner Übersetzung zum bloitgang. Angesichts ihres großen Zeitabstands vom Berichtsgegenstand und noch dazu maßgeblich auf den Schilderungen Florenz von Wevelinghovens beruhend, sind die Ausführungen Lilies naturgemäß nicht dazu angetan, weiteres Licht auf die Ereignisse des Jahre 1341 zu werfen . Dennoch kommt ihnen im Hinblick auf eine Annäherung an das Seuchengeschehen bis zur Mitte des 16 . Jahrhunderts eine gewisse Aussagekraft zu . Gleich seiner Vorlage erachtet es auch Lilie als unnötig, den Begriff bloitgang eingehender zu erläutern . Hieraus lässt sich folgern, dass seine Zeitgenossen mit der Wirkung dysenterieartiger Erkrankungen ebenso vertraut waren wie die des Florenz von Wevelinghoven und dass solche Infektionskrankheiten in gewissen Abständen immer wieder auftraten . Seltener scheinen hingegen derart große Überschwemmungen gewesen zu sein, wie jene, die 1341 zahlreiche Städte unter Wasser setzten . Um das Ausmaß der Überflutungskatastrophe plastischer erscheinen zu lassen, fügte der Osnabrücker Geschichtsschreiber ein jüngeres lokales Beispiel vom Ende des 15 . Jahrhunderts an . Viele Städte und Dörfer seien ebenso untergegangen wie dieses herbis sicut bestie vescebantur. Et in hac fame homines et iumenta communiter perierunt. Et plurime civitates terre, castra et ville de inundancia aquarum sunt submerse. 61 ruFFié/sournia (1995), S . 78 betonen zu Recht, dass sich die „historische Rolle“ von Erregern wie Shigella oder Salmonella nicht ermitteln lässt . 62 Die niederdeutsche Bischofschronik bis 1553 . Beschrivinge sampt den handelingen der hoichwerdigen bisschopen van Ossenbrugge . Uebersetzung und Fortsetzung der lateinischen Chronik Ertwin Ertmanns durch Dietrich Lilie (= Osnabrücker Geschichtsquellen 2), Osnabrück 1894, S . 91 . Zur Chronik des Florenz von Wevelinghoven als Quelle Ertmanns deutscH/WorstBrock (1980), Sp .624 .
159
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
nu ock im jair dusent veerhundert vheer unde achtentich bi der Hegerporten up dem wege, dar men na Monster geit zu beobachten gewesen sei . Auf eine solche Illustration verzichtete er jedoch bei seiner Beschreibung des Blutganges . Unklar bleibt, inwieweit die Wahrnehmung dysenterieartiger Seuchenphänome sich im Laufe zweier Jahrhunderte verändert haben mag . Ob der niederdeutsche bloitgang exakt das gleiche Krankheitsspektrum umfasst wie der fluctus sanguinis, lässt sich nicht ermitteln . Waren und blieben unterschiedliche Formen der Dysenterie vertraute Übel, so nahte zur Mitte des 14 . Jahrhunderts eine bis dahin unbekannte Seuche neuer Qualität . 4.3
Der Schwarze Tod und die Pest von der Mitte des 14. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts
4.3 Der Schwarze Tod und die Pest
4.3.1
Die Herrschaft des Apokalyptischen Reiters. Städte zwischen Schwarzem Tod, Judenmassakern und Geißlerzügen (1349/1350)
Zur Mitte des 14 . Jahrhunderts hielt der Schwarze Tod Einzug in den westfälischen und rheinischen Städten . Die wenigen zeitgenössischen Quellen gewähren nur fragmentarische Einblicke in die jeweiligen lokalen Vorgänge und Reaktionen im Umfeld des Seuchenausbruchs . Dennoch fügen sich die bruchstückhaften Informationen zu einem Gesamtbild zusammen . Der Schwarze Tod in Köln Im Dezember 1349 setzte der Schwarze Tod in Köln und kurz darauf in Aachen ein .63 Die Quellen geben kaum etwas über die Geschehnisse in der Domstadt zur Zeit des beginnenden Seuchensterbens preis . In den Annalen taucht hierzu lediglich der kurze Vermerk auf, in der Stadt habe eine stervede van den druissen geherrscht . Dabei wird das Ereignis in den verschiedenen Varianten der Jahrbücher unterschiedlich 1349 oder 1350 zugeordnet .64 Begleitet wird der kurze Eintrag mit einer Notiz zur großen Romwallfahrt im Jahre 1350 .65 Die Koelhoffsche Chronik, die erst in einigem zeitlichen Abstand zum Berichtsgeschehen zusammengestellt wurde, führt nichts Näheres über die
63 scHmitZ-cliever (1954/55), S . 116 u . S . 121 . creutZ (1933), S . 82 . Bergdolt (2017), S . 82 . Huttmann (1987), S . 17 . JankriFt (2004) . JankriFt (2005) . Ausführlich auch JankriFt (2012), S . 88–90 . 64 Jahrbücher, A (1876), S . 23 nennt 1350 . Jahrbücher, B (1876), S . 36: In den jairen uns heren 1350, do was de grose romervart, ind was ouck eine grose sterfde an den drosen. Jahrbücher, D (1876), S . 131 nennt 1349 . Die Cölner Chronik 274 bis 1399, Hrsg . Leonard ennen, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 23 (1871), S . 52 übernimmt die Version der Handschrift B wortgetreu . 65 Vgl . hierzu auch Francois micHaud, La peste, la peur et l’éspoir . Le pélérinage jubilaire de romeux marsillais en 1350, in: Moyen Âge 104 (1998), S . 399–434 .
160
4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Wirkung des Schwarzen Todes auf die Bevölkerung aus .66 Die überlieferten Dokumente erlauben keine Rückschlüsse auf die Reaktionen der weltlichen oder geistlichen Obrigkeiten angesichts des plötzlichen, unerklärlichen Massensterbens . Ebenso fehlt jeglicher Hinweis auf das Verhalten der städtischen Heilkundigen . Unbekannt ist auch, ob in der Stadt Vorkehrungen getroffen wurden, um einen möglichen Ausbruch des Schwarzen Todes zu verhindern . Immerhin hatte die mysteriöse Seuche schon einige Monate zuvor die Städte am Oberrhein heimgesucht und bahnte sich augenscheinlich nur langsam ihren Weg nach Norden .67 Fraglos war man in Köln über die Ereignisse informiert und hätte somit Zeit gehabt, prophylaktische Maßnahmen gemäß zeitgenössischer Vorstellungen in Angriff zu nehmen .68 Denkbar wären in diesem Rahmen etwa Versuche gewesen, die auf Grundlage des Pariser Pestgutachtens auf eine Eindämmung krankheitserregender Miasmen durch Verbesserung der hygienischen Situation abzielten . Nach den Erfahrungen, die man in Italien und Frankreich bereits im Umgang mit dem Schwarzen Tod gemacht hatte, wäre auch eine zwischenzeitliche Unterbrechung der städtischen Außenkontakte zur Vermeidung einer Seucheneinschleppung theoretisch möglich . Praktisch dürften solche Überlegungen – wenn sie denn überhaupt existierten – schon daran gescheitert sein, dass die Stadt zu ihrer Versorgung auf das Umland angewiesen war und eine komplette Einstellung des Handelsverkehrs für die städtische Wirtschaft nicht tragbar war . Eben so wenig belegt sind Versuche, mit einer Intensivierung von Frömmigkeitsbezeigung den Zorn Gottes schon im Vorfeld eines möglichen Seuchenausbruchs zu besänftigen wie etwa in Frankfurt . Nachdem Nachrichten über das verheerende Massensterben am Oberrhein in der Domstadt eingetroffen waren, richtete der Kölner Magistrat am
66 Koelhoffsche Chronik (1877), S . 684 nennt 1349 . Der Autor führt an gleicher Stelle – wohl durch den zeitlichen Abstand vom Geschehen bedingt – irrtümlich schon 1347 als Seuchenjahr für Köln an . Die im 14 . Jahrhundert entstandene Limburger Chronik des Tilemann Elhen von Wolfhagen (1347 – nach 1411) verzeichnet den Ausbruch des Schwarzen Todes in Köln ebenfalls für das Jahr 1349 . Vgl . Die Limburger Chronik des Tilemann Elhen von Wolfhagen, Hrsg . Arthur Wyss (= MGH . Dt . Chron ., Bd . 4,1), Hannover/Leipzig 1883 [Neudruck: 1973], S . 31: Item da man schreip dusent druhundert ande in dem nine unde virzigsten jare da quam ein groß sterben in Dusche lande, daz ist genant daz große erste sterben. Unde storben si an den drusen unde wen daz anging, der starp an dem dretten dage in der maße. Unde storben di lüde in den großen steden zu Menze, zu Collen unde also meistlichen alle dage me dan honderet menschen oder in der maße … Zu Tilemann Elhen von Wolfhagen und seinem Werk vgl . Peter JoHanek, Elhen, Tilemann, von Wolfhagen, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters . Verfasserlexikon, Bd . 2, Berlin/New York 1980, Sp .474–478 . 67 Kay Peter JankriFt, Das „grosse Sterbote“ . Seuchen am Oberrhein in Mittelalter und früher Neuzeit, in: Hrsg . Ursula Huggle / Thomas ZotZ, Kriege, Krisen und Katastrophen am Oberrhein vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit . Tagung des Historischen Seminars Abteilung Landesgeschichte an der Universität Freiburg und der Stadt Neuenburg am Rhein, 13 . und 14 . Oktober 2006 (= Das Markgräflerland), Schopfheim 2007, S . 72–84 . 68 Schon um Ostern 1349 wütete der Schwarze Tod etwa in Frankfurt . Bergdolt (2017), S . 81 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
161
12 . Januar 1349 ein Schreiben an die Stadtväter des elsässischen Straßburg .69 Aus dem Schreiben geht hervor, dass der Kölner Rat sich zunächst offenbar weniger vor der Seuche selbst denn vor einer Unruhe in der Bürgerschaft fürchtete . Eindringlich baten die Ratsherren den Straßburger Magistrat, die aufgebrachte Bevölkerung zu beruhigen . Immerhin stand zu befürchten, dass der allgemeine Unmut zu einer niedermetzlung der Juden und mehr anders uebel führe . Vor diesem Hintergrund tat der Kölner Rat seine Sorge kund, dass es auch in der Domstadt und anderen Gemeinwesen entlang des Rheins zu Mordaktionen an den jüdischen Einwohnern kommen könne . Diese Befürchtung kam nicht von ungefähr . In Windeseile hatte sich in den vergangenen Monaten das Gerücht verbreitet, die Juden hätten die Brunnen vergiftet und so den Schwarzen Tod heraufbeschworen . Infolge dieser Verleumdung war es in Städten der Deutschschweiz und Oberdeutschlands bereits zu blutigen Ausschreitungen gegen die Juden gekommen .70 Selbst das Eingreifen des Heiligen Stuhls hatte den Mord an der jüdischen Bevölkerung nicht verhindern können . Dabei hatte Papst Clemens VI . mit seiner Bulle vom 26 . September 1348 versucht, die Juden vor dem wütenden Mob zu schützen . Mit dem Hinweis, dass der Schwarze Tod gleichermaßen unter der jüdischen Bevölkerung grassiere, verbot der Heilige Vater, Juden zu ermorden oder auszuplündern .71 Seit August 1348 schwelte das unheilvolle Gerücht über die vermeintliche jüdische Brunnenvergiftung auch in Köln . Entgegen aller Erwartungen erreichte der Kölner Rat mit seinem Schreiben an die Straßburger Obrigkeiten keine Entspannung der Lage . Im Gegenteil . Im Februar 1349, nur wenige Wochen nachdem die Ratsherren der Domstadt ihr Schreiben versandt hatten, wurden die jüdischen Einwohner Straßburgs auf Scheiterhaufen verbrannt .72 Nun drohte auch in Köln ein ähnliches Szenario . Mit dem Tod Erzbischof Walrams von Jülich am 15 . August in Paris verschärfte sich die Bedrohungslage für die jüdischen Einwohner Kölns, denn diese unterstanden sowohl dem Kirchenfürsten als auch dem Rat . Tatsächlich ließ der Auftakt der blutigen Pogrome nicht lange auf sich warten .73 Einer Notiz der Kölner An69 Huttmann (1987), S . 30 nach Johannes noHl, Der schwarze Tod . Eine Chronik der Pest 1348 bis 1720, Potsdam 1924, S . 260 f . 70 Erschöpfend graus (1994) . Vgl . auch Alfred Haverkamp, Die Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes im Gesellschaftsgefüge deutscher Städte, in: Hrsg . Alfred Haverkamp, Zur Geschichte der Juden im Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters 24), Stuttgart 1981, S . 27– 93 . Bergdolt (2017), S . 119–145 . Eine Diskussion zu den Motiven der Massaker bietet Iris ritZmann, Judenmord als Folge des Schwarzen Todes: Ein medizinhistorischer Mythos?, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte . Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung 17 (1998), S . 101–130 . 71 Bergdolt (2017), S . 124 . 72 Ausführlich Gerd mentgen, Studien zur Geschichte der Juden im mittelalterlichen Elsaß (= Forschungen zur Geschichte der Juden A2), Hannover 1995, S . 366–379 . 73 Zu den Judenpogromen zur Zeit des Schwarzen Todes in Westfalen und dem Rheinland vgl . Kay Peter JankriFt, Judenpogrome in rheinischen und westfälischen Städten im Umfeld des Schwarzen Todes, in: Aschkenas . Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
nalen vom 24 . August zufolge bleven die Joeden [doit], de sich selver verbranten.74 Der anonyme Verfasser der Koelhoffschen Chronik widerspricht der Darstellung, dass alle Juden sich freiwillig zum Suizid im Feuer entschlossen und hebt deren Ermordung hervor .75 Die Kölner Weltchronik bestätigt diese Ausführungen . Beredt schildert der Verfasser das erbarmungslose Gemetzel an den jüdischen Einwohnern Kölns, dem Männer, Frauen und selbst Kinder zum Opfer fielen .76 Während die angebliche Brunnenvergiftung in den Kölner Annalen mit keiner Silbe erwähnt wird, steht für den Verfasser der Koelhoffschen Chronik außer Frage, dass die Juden wasser und puitz venint hätten . Allerorts, wo man diese heimtückische Tat aufgedeckt habe, seien die Juden erschlagen oder aus der Stadt gejagt worden . Ob die Geißlerzüge in irgendeinem Zusammenhang zum Kölner Judenpogrom stehen, geht aus der Überlieferung nicht hervor . Die Schriftzeugnisse verraten kaum etwas über das Erscheinen von Geißlern in der Domstadt im Jahre 1349 .77 Aus der kurzen Notiz geht weder hervor, in welchem Zeitraum die Flagellanten in Köln auftraten noch welche Wirkung ihr Erscheinen in der Stadt entfaltete . Angesichts der Chronologie der Ereignisschilderungen in den Berichten ist es wahrscheinlich, dass die Geißler Köln noch vor dem Pogrom erreichten und der antijüdischen Stimmung durch ihr Auftreten weiteren Auftrieb gaben . Hierfür spricht der Bericht des Chronisten Levold von Northof, der betont, dass sich die Ausschreitungen gegen die Juden ereigneten, während sich die Geißler in der Stadt aufhielten .78 Dieser Befund schließt aufgrund des zeitlichen Abstands zwischen dem Geißlerzug und dem Seuchenausbruch allerdings aus, dass der Schwarze Tod durch die Flagellanten in Köln eingeschleppt wurde . Das Motiv der jüdischen Brunnenvergiftung war zur Mitte des 14 . Jahrhunderts nicht neu . So war es bereits 1321 in Westfrankreich zur Ermordung von Juden und Leprakranken gekommen, die beschuldigt wurden in einem Komplott mit dem muslimischen Herrscher von Granada durch eine Vergiftung von Brunnen und Quellen die gesamte Christenheit mit der Lepra anste16,2 (2006), erschienen 2007, S . 545–560 . Ferner Rosemarie koscHe, Studien zur Geschichte der Juden zwischen Rhein und Weser (= Forschungen zur Geschichte der Juden A15), Hannover 2002, S . 199–208 . 74 Jahrbücher D (1876), S . 131 . 75 Koelhoffsche Chronik (1877), S . 686 . Dies belegt auch eine am 23 . September 1350 von Erzbischof Wilhelm von Gennep ausgestellte Urkunde, die von den erslagenen Juden spricht . lacomBlet, Bd . 3 (1853), Nr . 489 . 76 Kölner Weltchronik (1991), S . 91 . 77 Jahrbücher, A (1876), S . 23 . Jahrbücher, B (1876), S . 36 . Jahrbücher, D (1876), S . 131 . Koelhoffsche Chronik (1877), S . 684 . Cölner Chronik (1871), S . 52 . 78 Die Chronik der Grafen von der Mark von Levold Northof Hrsg . Fritz ZscHaeck (= MGH Scriptores Rerum Germanicarum N . S . 6), Berlin 1929 [Neudruck: München 1984], S . 87: Tunc eciam secta flagellatorum per turmas discurrit, inter quos licet multi essent, qui ex devocione se sociassent eisdem, fuerunt tamen plures, qui non recta intencione hoc fecerunt, omnino fingentes exercuerunt diversas. Et sic eorum error detegitur, ita quod ecclesia ipsos non poterat diucius sustinere. Tunc vero omnes Iudei in Colonia interfecti sunt sub occasione predicta.
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cken zu wollen .79 Auch in diesem Fall hatte das pure Gerücht zur Ermordung unzähliger Menschen ausgereicht . Nicht anders gestaltete sich die Lage in Köln im Sommer 1349 . So brach der Schwarze Tod erst Monate nach dem blutigen Pogrom über die Stadt herein .80 Wenngleich sich die Ausschreitungen möglicherweise nicht allein auf rationales Vorgehen zurückführen lassen,81 standen doch materielle Interessen im Vordergrund .82 Nicht genug damit, dass sich mancher durch die Morde an den Juden seiner Geldschulden entledigt sah, wurden die Opfer ihrer gesamten Habseligkeiten beraubt . Nachdem der Schwarze Tod in der Stadt sein Ende gefunden hatte, verfolgte der neue Erzbischof Wilhelm von Gennep am 23 . September 1350 mit Nachdruck seinen Plan, eine Regelung über die Ansprüche am geplünderten jüdischen Besitz herbeizuführen .83 Die Stadtväter entschieden schließlich, dass sich keiner der Ratsherren des geraubten jüdischen Eigentums bemächtigen sollte .84 Darüber hinaus verlief der weitere Entscheidungsprozess äußerst langsam . Erst mehr als ein Jahr später, am 24 . Februar 1352, verständigte sich das Gremium, welches eigens zur Streitschlichtung zwischen Rat und Erzbischof ins Leben gerufen worden war, Wilhelms Forderungen nachzukommen und ihm das Raubgut zu überlassen .85 Die Häuser der ermordeten und ver-
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Dieses Motiv taucht in einer am Beginn des 17 . Jahrhunderts erstellten Dortmunder Schrift bezeichnenderweise mit Bezug zum Schwarzen Tod auf . Vgl . Stadtarchiv Dortmund, Best .203 Nr . 9, Detmar Mulher, Kurtzes Chronicon von Ankunfft, Zunahm und Fortgang der kayserlichen Freyen Reichs- und Hanse-Stadt Dortmund: 1348 War ein groß Sterben zu Dortmund und durch gantz Teutschland von den Leprosen und Juden ereget/ darumb die Juden an vielen orthern getodtet. Die Dortmundische aber haben die Güter confiscirt und sie relegirt. Mulhers „Kurzchronik“ liegt im Dortmunder Stadtarchiv nur als Fragment vor . Es handelt sich um den oberen Teil eines 1622 bei Andreas Wechtern in Dortmund hergestellten Einblattdrucks . Malcolm BarBer, Lepers, Jews and Moslems: The plot to overthrow Christendom in 1321, in: History 66 (1981), S . 1–17 . Françoise Bériac, La persécution des lépreux dans la France méridionale en 1321, in: Le Moyen Âge 93 (1987), S . 202–221 . Vgl . auch Bénédicte BaucHau, Sciene et racisme: Les juifs, la lèpre et la peste, in: Stanford French Review 13 (1989), S . 21–35 . graus (1994), S . 166 hat nachgewiesen, dass die Ausschreitungen gegen die Juden zumeist vor dem Ausbruch der Seuche geschahen . Das Beispiel des gotländischen Visby zeigt, dass die Vergiftungstheorie unabhängig von der Existenz einer jüdischen Ansiedlung als Erklärungsmodell für die Ausbreitung der Seuche herangezogen wurde, was auf ein vorhandenes Angstpotential hindeutet . Da in Visby offenbar keine Juden lebten, wurden Anfang Mai 1350 stattdessen andere Personen, darunter sogar zwei Priester, verhaftet und als Urheber der Vergiftungen beschuldigt . Erst viele Wochen später, am 2 . Juli 1350, ist in einem Schreiben an den Lübecker Rat die Rede von zwei auswärtigen Juden, die sich als Anstifter betätigt haben sollen . Hanserecesse . Die Recesse und andere Akten der Hansetage von 1256 bis 1430, Bd . 1, Leipzig 1870, S . 77 . Bergdolt (2017), S . 139 f . lacomBlet, Bd . 3 (1853), Nr . 489 . Ratsmemoriale (1990), S . 21 . stein, Bd . 1 (1893), Zusatz III, S . 51 mit Zuordnung zum Jahre 1450 [sic!] . lacomBlet, Bd . 3 (1853), Nr . 508 .
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triebenen Juden wurden verpachtet .86 Die Geschehnisse im Umfeld des Schwarzen Todes wirkten lange nach . Erst 1372 durften sich Juden abermals in Köln niederlassen .87 Sind Geißlerzug und Judenpogrom in den Quellen dokumentiert, so verraten die Zeugnisse nichts über die Lage der Stadtbevölkerung im Angesicht des Seuchensterbens . Eine päpstliche Urkunde vom 29 . Juli 1351 erwähnt die große Sterblichkeit in Köln .88 Das Massensterben hatte offenbar zu empfindlichen wirtschaftlichen Einbußen des Domkapitels geführt, dem Papst Clemens VI . zur Abmilderung die Pfarrkirche zu Glehn überantwortete . In den übrigen westfälischen und niederrheinischen Städten zeitigte die drohende Seuchengefahr ein stets ähnliches Szenario . Dabei hinterließen die Massaker an der jüdischen Bevölkerung wie auch die Geißlerzüge deutlich mehr Spuren in der Geschichtsschreibung als das Massensterben und dessen Auswirkungen auf den städtischen Alltag . So wird im Spiegel der Überlieferung vor allem deutlich, dass die Städte entlang des Rheins und in Westfalen in engem Austausch miteinander standen . Von besonderem Interesse war für die Stadtväter dabei unter anderem, Erkundigungen darüber einzuholen, wie die vermeintliche Gefahr der Brunnenvergiftung durch Juden einzuschätzen sei und wie man mit den Geißlern verfahren solle . Der Schwarze Tod in Aachen Nachdem der Schwarze Tod in Köln eingesetzt hatte, dauerte es nicht lange bis das große Sterben auch Aachen erreicht hatte .89 Ende Dezember 1349 brach die Seuche dort aus . Kurz zuvor war ein Sendbote des Brüsseler Rates mit einem besorgniserregenden Schreiben nach Aachen gekommen . Darin warnte der Magistrat der brabantischen Stadt vor einer angeblichen Brunnenvergiftung durch Juden, die eine ungeheure Sterblichkeit hervorrief . Das Schriftstück selbst ist nicht erhalten, doch belegt das Fragment einer Stadtrechnung aus dem Jahre 1349 die Entlohnung des besagten Brüsseler Boten: nuncio ferenti litteram de Bruxelles de intoxicacione foncium per Judeos ex parte civium Bruxellensium nos muniencium.90 Welche Konsequenzen diese Warnung für die jüdische Einwohnerschaft der Reichsstadt hatte, wird nirgends erwähnt . Vermutlich fielen auch sie einem Pogrom oder der Vertreibung zum Opfer .91 Geht man davon aus, dass die Einträge der Stadtrechnung chronologisch erfolgten, erreichte den Aachener Rat nur wenige Tage später ein Schreiben des Erzbischofs von Lüttich, dem geistlichen Oberhaupt der Diözese . Darin 86 Eine umfangreiche Aufstellung der Verpachtung jüdischen Besitzes zwischen 1351 und 1358 unter Historisches Archiv der Stadt Köln, R Nr . 3 . 87 Historisches Archiv der Stadt Köln, R Nr . 8 . Das mit Liber Judeos betitelte kleine Rechnungsbüchlein verzeichnet die Einnahmen aus den Aufnahmegeldern der 1372 zugelassenen Juden . 88 lacomBlet, Bd . 3 (1853), Nr . 500 . 89 Ausführlicher auch schon JankriFt (2012), S . 90–93 . 90 laurent (1866), S . 217 . Huttmann (1987), S . 31 . scHmitZ-cliever (1954/55), S . 120 . 91 Huttmann (1987), S . 31 . scHmttZ-cliever (1954/55), S . 120 .
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bezog der Kirchenfürst Stellung contra flagellatores bohemios.92 Ebenso wie das vorherige Schreiben aus Brüssel ist auch dieser Brief nicht überliefert . Der kurze Vermerk in der Stadtrechnung deutet indes darauf hin, dass die Nachricht im Zusammenhang mit dem Verbot der Geißlerbewegung stand, das der Pontifex am 20 . Oktober 1349 erlassen hatte .93 Clemens VI . erklärte darin das Geißeln zur Häresie und verurteilte die Ermordung und Beraubung von Juden oder Christen scharf . Daneben verordnete der Papst, eine Bittmesse zur Besänftigung göttlichen Zorns abzuhalten, und bestärkte die kultische Verehrung des Heiligen Sebastian . Wenngleich die Kirche hinter dem ungezügelten Treiben der Geißler durchaus Ketzerei witterte und eine schädliche Wirkung auf die Gläubigen befürchtete, so scheint doch das Drängen Karls IV . den Schritt des Papstes begünstigt zu haben . Im Juli 1349 war der Herrscher mit seinem Gefolge nach Aachen gekommen, um dort seine zweite Krönung vornehmen zu lassen . Doch die Reichsstadt quoll von Geißlern über, was Karls Einzug verzögerte .94 Überall in der Diözese Lüttich, zu der auch Aachen gehörte, zogen zu dieser Zeit größere Geißlerscharen umher . Radulph von Rivo, der in den 1370er Jahren als Kanoniker in Tongern wirkte, zeichnet in seiner Gesta pontificium Leodiensium ein lebendiges Bild der Flagellanten . Die Schilderung Radulphs, der wohl wenige Jahre vor dem Ausbruch des Schwarzen Todes im niederländischen Breda geboren wurde, weist in ihrer Tendenz deutliche Parallelen zu den detailreichen Berichten der Limburger Chronik und des Heinrich von Herford auf .95 Radulph schließt sich dessen Beurteilung der Flagellanten an, die nach seinen Worten sine legitimi superioris durch die Lande streiften . Ohne Umschweife bezeichnet er die Geißler als Sekte (secta) und kennzeichnet diese damit unmissverständlich als Ketzer . Er untermauert seine Bewertung durch den Verweis auf das anstößige Gebaren der Häretiker, die ihre entblößten Oberkörper unter dem Singsang verdächtiger, häretischer Lieder unablässig geißelten . Das weitere Geschehen verlief nach gleichem Muster wie schon zuvor in Köln . Nachdem die Geißler Ende Juli in Aachen aufgetaucht waren, dürfte es irgendwann im Laufe des Spätsommers zu Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung gekommen sein . Sofern der Brief des Lütticher Erzbischofs tatsächlich infolge des päpstlichen Geißelverbots entstanden sein sollte, könnte das Schreiben erst nach dem 20 . Oktober 1349 verfasst worden sein . Solches vorausgesetzt, scheint die Diözese im Herbst noch immer von Geißlern aufgesucht worden zu sein . Wann auch immer die Botschaft des Kirchenfürsten eingetroffen sein mag, sah der Magistrat in jedem Fall Handlungsbedarf gege92 laurent (1866), S . 218 . Vgl . hierzu auch Huttmann (1987), S . 32 . scHmttZ-cliever (1954/55), S . 119 . 93 Bergdolt (2017), S . 110 f . Neithard Bulst, Flagellanten, in: LMA, Bd .IV, München/Zürich 1989, Sp .510–512 . 94 Ferdinand seiBt, Karl IV . Ein Kaiser in Europa 1346–1378, München 1987, S . 195 . 95 Radulphi de Rivo, Decani Tongrensis Gesta Pontificorum Leodiensium, in: Joannes cHapeaville, Gesta Ponificorum Leodiensium scripserunt auctores praecipui, Bd . 3, Leodini (Liège) 1616, S . 41 . Die Limburger Chronik, Hrsg . Otto Brandt, Jena 1922, S . 8 f . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 280 ff .
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ben . Jedenfalls findet sich in Aachen eine undatierte, wohl um 1349/1350 ausgefertigte Verordnung, die das Geißeln bei Androhung schwerer Körperstrafen verbot und zugleich alle auswärtigen Kontakte beschränkte . Nirgendwo in Rheinland-Westfalen ist bisher ein ähnliches Dokument aufgetaucht . Die Ausführungen werfen ein Schlaglicht auf die zeitspezifische Wahrnehmung des Massensterbens und seiner unheilvollen Begleitphänomene .96 Einheimischen wie Auswärtigen wurde darin unter Verweis auf das päpstliche Verbot untersagt, sich in der Stadt zu geißeln . Bürger, die dieser Anordnung zuwiderhandelten, sollten für eine bestimmte Zeit ausgewiesen, nach erfolgreichem Gesuch an den Rat aber wieder aufgenommen werden . Auswärtigen hingegen drohte ein Abschlagen der Hand . Die weiteren Bestimmungen deuten darauf hin, dass die tödlichen Gefahren, die von der Seuche ausgingen, zwar bereits bekannt waren, jedoch noch immer völlige Unkenntnis über deren Ausbreitungswege herrschte . Nur so lässt sich erklären, warum die Stadtväter Auswärtigen, die mit der „neuen Seuche beladen“ waren, einen Tag Aufenthalt in Aachen gewährte . Wer sich dennoch länger in der Stadt aufhielt, dem sollte ebenfalls die Hand abgeschlagen werden . Bürger, die Durchreisenden Unterschlupf gewährten, konnten für ein Jahr verbannt werden . Versuchten die Obrigkeiten auf diese Weise, die öffentliche Ordnung zu bewahren und eine Einschleppung des Schwarzen Todes zu verhindern, so liefen diese Bemühungen eindeutig ins Leere . Die Erlaubnis eines befristeten Aufenthalts für Erkrankte öffnete der Seuche unweigerlich die Tür .97 Ebenso zeugt die angedrohte Körperstrafe von mangelnder Erfahrung mit der Wirkung des Schwarzen Todes . In einem weiteren Abschnitt der Verordnung unterbanden die Stadtväter die Flucht aus der Stadt .98 Ein jeder sollte in seinem Haus bleiben und dort sein Schicksal geduldig abwarten . Im Gegenzug verpflichteten sich die Obrigkeiten, die Versorgung der Kranken sicher zu stellen . Wie die Stadtväter dieses Versprechen umzusetzen gedachten, geht aus dem Dokument nicht hervor . Ebenso bleibt im Dunkeln, ob es ihnen nach dem Ausbruch der Seuche gelang, die zugesicherte Versorgung zumindest ansatzweise zu übernehmen . Die Ausführungen Radulph von Rivos belegen, dass Lüttich, Flandern und Brabant durch den Schwarzen Tod schwer heimgesucht wurden .99 Berichte über das Seuchengeschehen in Aachen fehlen hingegen . Eine Unterbringung der Erkrankten auf der Schervielsburg vor dem Adalbertstor und deren Pflege durch vier Cellitenbrüder bzw . Alexianer wie in der älteren Lite96 Stadtarchiv Aachen, RAI R I Nr . 8 . In transkribierter Form bei Huttmann (1987), S . 25 f . Der äußeren Form nach handelt es sich bei diesem Stück um die Abschrift von einem nicht mehr vorhandenen Original . Das für die Kopie verwendete Papier zeigt im Wasserzeichen eine Waage . Es finden sich weder Siegel noch Siegelreste . Ein Datum fehlt . 97 Zu dieser Einschätzung auch Huttmann (1987), S . 89 . 98 Mit der gråschaff sind die neun sogenannten Torgrafschaften gemeint, in die das Aachener Stadtgebiet eingeteilt war . Hierzu Huttmann (1987), S . 27 . Josef Biergans, Die Wohlfahrtspflege der Stadt Aachen in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 31 (1909), S . 94 . 99 Gesta Ponificorum Leodiensium, Bd . 3 (1616), S . 4 .
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ratur mitunter behauptet,100 ist durch keine Quelle belegt .101 Fest steht lediglich, dass sich Begarden schon 1349 in Aachen niedergelassen hatten, die dem Eintrag der städtischen Rechnung zufolge eine Belohnung dafür enthielten ut orarent pro civitate .102 Der Bestimmungszweck deutet daraufhin, dass man die Gebete der Brüder als besonders segensreich erachtete und darauf hoffte, Gottes Barmherzigkeit zu erwirken . Noch vor Zeit des Schwarzen Todes finden sich in den Stadtrechnungen Belege für die Anstellung von Heilkundigen . So ist unter dem Jahr 1346 ein Betrag von 100 Mark zur Entlohnung eines wohl gelehrten Arztes namens Nikolaus (magistro Nicolao medico) verzeichnet,103 während ein namentlich nicht genannter Wundarzt 25 Mark erhielt .104 Schon 1338 taucht zudem der Apothecarius Theodoricus in den Schriftzeugnissen auf .105 Dieser versah den Rechnungsfragmenten zufolge seinen Dienst noch im Seuchenjahr 1349 .106 Hinweise auf die Entlohnung eines Wundarztes finden sich hingegen nicht mehr . Keines der Zeugnisse gibt indes Aufschluss darüber, wie sich Meister Nikolaus oder der städtische Wundarzt angesichts des Schwarzen Todes verhielten .107 In Ermangelung weiterer Zeugnisse bleibt ungewiss, ob die Heilkundigen versuchten, Kranke zu behandeln und möglicherweise selbst an der Seuche starben oder aber den spätantiken Empfehlungen zur Flucht Folge leisteten . Geißler, Judenmorde und Massensterben. Nachrichten aus niederrheinischen Städten Der Einbruch des Winters scheint die weitere Ausbreitung des Schwarzen Todes auf rechtsrheinisches Gebiet zunächst gestoppt zu haben . Eine Rolle spielte dabei möglicherweise, dass Handel und Reisen zu dieser Jahreszeit, in der die Dunkelheit rasch hereinbrach und ein Fortkommen verlangsamte, gemeinhin auf das Nötigste beschränkt wurden . Jedenfalls dauerte es offenbar einige Monate, bis die Seuche die niederrheinischen Städte Wesel, Duisburg 100 Biergans (1909), S . 86 . scHmttZ-cliever (1954/55), S . 159 zieht diese Möglichkeit als „wahrscheinlich“ in Betracht . Auch S . 120 f . Unkritisch noch Huttmann (1987), S . 27 f . und S . 95 . 101 Hierzu Brans (1995), S . 168, der zu Recht betont, eine Versorgung Seuchenkranker in der Burg sei erst für das Jahr 1607 gesichert . 102 Zur Ansiedlung der Alexianer in Aachen Albert Huyskens, Die Anfänge der Aachener Alexianer im Zusammenhang der Ordens- und Ortsgeschichte, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 48/49 (1926/27), S . 190–256 . laurent (1866), S . 203 . 103 laurent (1866), S . 187 . Hierzu Huttmann (1987), S . 33 . 104 laurent (1866), S . 187: It. … magistro cirordico [sic!] deprecio dimidii anni 25 m. 105 laurent (1866), S . 129: It. Theodorico apothecario de censu domus sue 7 m. Vgl . auch Albert BönnigHoFF, Die Geschichte des Apothekenwesens der Stadt Aachen bis zum Beginn des 20 . Jahrhunderts, Med . Diss ., Aachen 1980, S . 10 . 106 laurent (1866), S . 226 . 107 Das von Huttmann (1987), S . 29 angeführte Pestrezept scheint der Formulierung der Überschrift zufolge as dy lüde zemoil [!] seir storven nicht aus der Zeit des Schwarzen Todes zu stammen, sondern danach entstanden zu sein .
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und Essen erreichte . Das große Sterben setzte dort wohl nicht vor dem Mai oder Juni 1350 ein . Aufgrund der unzureichenden Überlieferung lässt sich allerdings nicht rekonstruieren, wann genau sich der Schwarze Tod dort äußerte . Zum Ablauf der Ereignisse existieren keinerlei Nachrichten . Allerdings finden sich allerorts Hinweise darauf, dass Gerüchte über die angebliche jüdische Brunnenvergiftung auch am Niederrhein im Umlauf waren . Diese führten augenscheinlich zu einem intensiven Schriftverkehr zwischen den Gemeinwesen .108 Am 11 . Juni 1350 traf Peter Hunnen, ein Bote aus Wesel, in Duisburg ein . Er hatte vom Weseler Rat den Auftrag erhalten, sich nach dem Gift zu erkundigen, welches die Juden angeblich besäßen .109 Fest steht, dass die Duisburger Juden zu dieser Zeit bereits einem Pogrom zum Opfer gefallen und wohl wie schon in Straßburg auf dem Scheiterhaufen geendet hatten . Die Stadtrechnung vermerkt, dass der Bote in Erfahrung bringen sollte, ob die Juden vor ihrer Verbrennung irgendein Pulver ausgestreut hätten . Welche Antwort Peter Hunnen auf seine drängende Frage erhielt, ist nicht überliefert . Schon am 29 . Mai hatte der Weseler Rat einen anderen Boten propter accusatos de veneno nach Essen entsandt . Noch am selben Tag war ein Abgesandter aus dem westfälischen Coesfeld in Wesel erschienen, der dort ebenfalls Informationen über das vermeintliche Gift einholen wollte . Am 26 . Juni 1350 machte sich erneut ein Bote aus Wesel auf den Weg, um den Hintergründen der angeblichen Brunnenvergiftungen weiter auf den Grund zu gehen . Dieses Mal führte der Weg zum Landesherrn, der sich in Kleve aufhielt . Offen bleibt, welche Reaktionen die gesammelten Informationen schließlich hervorriefen . Obwohl jeglicher Beleg in zeitgenössischen Zeugnissen fehlt, lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten, dass auch die jüdischen Einwohner von Essen, Wesel und Xanten Opfer von Pogromen wurden .110 Hierfür spricht, dass jüdische Memorbücher unter den zerstörten Gemeinden auch Wesel und Xanten auflisten .111 Hinweise auf den Geißlerzug in Duisburg, Essen, Wesel oder Xanten fehlen . Nicht zuletzt dadurch bleibt es unmöglich, den Ablauf der Ereignisse chronologisch nachzuzeichnen . Auch für das Seuchengeschehen selbst mangelt es an Belegen . Einzig in Xanten, wo im Spiegel der Quellen ansonsten nichts über die Auswirkungen der Seuche und ihre Begleiterscheinungen zu108 Hierzu detailliert HoFius (1971), S . 181 f . JankriFt (2006), 550 f . 109 gorissen, Bd . 1 (1963), S . 20 . Vgl . ferner das Privileg von 1362 Stadtarchiv Duisburg, Best .1, Nr . 35A . 110 Franz BüscHer, Zur Geschichte des Essener Medizinalwesens vom Mittelalter bis zur Neuzeit, in: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 40 (1922), S . 28 . Allgemein Salomon samuel, Geschichte der Juden in Stadt und Stift Essen bis zur Säkularisation des Stiftes 1291–1802, in: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 26 (1905), S . 53– 164 . Zu Wesel und Xanten Germania Judaica, Bd . II,2: Von 1238 bis zur Mitte des 14 . Jahrhunderts, Hrsg . Zvi avneri, Tübingen 1968, S . 879 f . u . S . 936 f . Ein Zeugnis über die Wiederaufnahme von Juden in Wesel in der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts in Stadtarchiv Wesel, Nachlaß Folz, Bd . 4, S . 55 . 111 Das Martyrologium des Nürnberger Memorbuches, Hrsg . Siegfried salFeld, Berlin 1898, S . 273 u . S . 286 .
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tage tritt, wird die pestilencia erwähnt. Einschränkend ist allerdings zu bemerken, dass sich der betreffende Eintrag im sogenannten Liber albus nicht eindeutig auf Xanten bezieht . Vielmehr ist darin von einer grassierenden Epidemie quasi per totum mundum im Jahre 1349 die Rede .112 Sowohl in Essen als auch in Wesel und Duisburg finden sich Spuren für die Anstellung städtischer Heilkundiger . Zwischen 1346 und 1349 tauchen in den Weseler Stadtrechnungen mehrfach Kosten für die Entlohnung von Meister Johann aus Essen auf . Wahrscheinlich handelte es sich bei diesem um einen Wundarzt und nicht um einen gelehrten Arzt . Aus der Zuschreibung geht dies nicht eindeutig hervor, denn der Heilkundige wird zweimal als medicus, zweimal aber auch als chirurgus tituliert .113 Im Jahre 1350 wird in Essener Schriftzeugnissen eine gewisse Hille von Werden als Witwe eines Barbiers erwähnt, dessen Tod möglicherweise mit dem Auftreten des Schwarzen Todes zusammenhängt .114 Auch der Duisburger Magistrat beschäftigte während der Jahre 1349 und 1350 einen Stadtarzt . In der ersten Duisburger Stadtrechnung erscheint eine Ausgabe für den namentlich nicht genannten Physicus .115 In Xanten erweist sich die Überlieferung als zu dürftig, um Hinweise auf das Wirken eines Heilkundigen zu bieten . Überhaupt finden sich für keine der niederrheinischen Städte Aussagen zur Betätigung der bestallten Ärzte oder Wundärzte zur Zeit des Schwarzen Todes . Engelbert III. von der Mark, der Rat und die Juden. Szenen des Schwarzen Todes in Dortmund Auch in der nahegelegenen westfälischen Reichsstadt Dortmund werden im Spiegel zeitgenössischer Schriftzeugnisse vor allem Judenpogrom und Geißlerzug fassbar, während Nachrichten über das eigentliche Seuchengeschehen fehlen .116 Der dominikanische Geschichtsschreiber Johann Nederhoff gibt an, dass die Dortmunder Juden nicht ermordet, sondern aus der Stadt vertrieben wurden: Tremonienses tamen Judaeos non cremabant nec occidebant, sed de civitate expulserunt.117 Nachdem man die Juden der Vergiftung von Quellen wie Brunnen verdächtigt habe und die Beschuldigten ihre Untat bekannt hätten, seien diese per totam Almanniam verbrannt worden . Die Ausführungen des Chronisten werden durch verschiedene Urkunden bestätigt . Anzumerken ist jedoch, dass Johann Nederhoff sich bei der zeitlichen Einordnung des Berichtsgeschehens irrte . Während er den Ausbruch des Schwarzen Todes in der Reichsstadt gemäß seiner Textvorlagen dem Jahr 1349 zuordnete, verlegte er die Ausschreitungen gegen die Juden wie auch das Auftreten der Flagellanten ins Jahr 1351 . Zur Rekonstruktion einer exakten Chronologie der Geschehnisse in Dortmund 112 113 114 115 116 117
körner (1977), S . 39 . BüscHer (1922), S . 11 . BüscHer (1922), S . 15 . HoFius (1971), S . 179 . koscHe (2002), S . 161–164 . Auch JankriFt (2012), S . 94 f . Nederhoff (1880), S . 52 .
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im Umfeld des Schwarzen Todes eignet sich Nederhoffs Werk deshalb nicht . Die Ausführungen Dietrich Westhoffs, die erst in einigem Zeitabstand zu den Ereignissen niedergeschrieben wurden, bringen eben so wenig Licht in das Dunkel . Fälschlich rechnet er das Judenpogrom dem Jahr 1348 zu .118 Obwohl sich Westhoff im Wesentlichen auf die Chronik Johann Nederhoffs stützt, vertritt der doch seine eigene Sicht zur Ursache des seuchenbedingten Massensterbens . So war der Geschichtsschreiber davon überzeugt, dass die Juden ein groet overswerlich und grusam damp hervorgerufen hätten .119 Zum einen wird in dieser Behauptung das zeitgenössische Konzept erkennbar, dem zufolge Seuchen vor allem durch die Verbreitung von Miasmen verursacht wurden, zum anderen scheint Westhoff anzunehmen, dass Juden in der Lage wären, dieses krankheitserregenden Dünste zu erzeugen und bewusst einzusetzen . Damit klingt zugleich die Vorstellung von den Juden als Hütern geheimen und magischen Wissens an, die in antisemitischen Stereotypen mitunter bis in die jüngere Zeit hinein fortlebte .120 Darüber hinaus veranschaulicht Westhoffs Darstellung, wie sich das Motiv der angeblichen Brunnenvergiftung im Laufe von rund zweihundert Jahren entwickelte . Da der Dortmunder Chronist bei der Erstellung seines Werkes unter anderem aus der Koelhoffschen Chronik schöpfte, erwähnt er auch die vermeintliche Selbstverbrennung der Kölner Juden und ordnet dieses Ereignis entsprechend in den August des Jahres 1349 . Allerdings entnahm er seine Ausführungen zum Auftreten der Flagellanten aus Nederhoffs Chronik und behielt dessen zeitliche Einordnung bei . Dementsprechend heißt es bei Westhoff, die Geißler seien im Folgejahr 1351 nach Dortmund gezogen . Sowohl Nederhoff als späterhin auch Westhoff breiten den Mantel des Schweigens über das unheilvolle Treiben des Grafen Engelbert III . von der Mark und des Dortmunder Magistrats, die sich nach Kräften an der Plünderung jüdischen Besitzes bereicherten . In der urkundlichen Überlieferung werden die Vorgänge in ihren Abläufen rekonstruierbar . Demnach scheint es, als sei das Vorgehen gegen die jüdischen Bewohner der Reichsstadt durch ihren eigenen Schutzherrn, den Grafen, in Verbindung mit den städtischen Obrigkeiten sorgfältig vorbereitet worden .121 Die gewaltsamen Ausschreitungen gegen die Juden ereigneten sich weder zufällig noch als spontane Reaktion eines aufgeheizten Mobs . Am 28 . Juni des Jahres 1350 verständigte sich Engelbert III . mit den Stadtvätern über die Verteilung der jüdischen Habe, die vor der Vertreibung ihrer rechtmäßigen Besitzer von den Obrigkeiten beschlagnahmt 118 Chronik des Dietrich Westhoff (1877), S . 213 . 119 Chronik des Dietrich Westhoff (1877), S . 214 . 120 Kay Peter JankriFt, Lepra Hebraeorum . Ein antisemitisches Krankheitskonstrukt des 19 . Jahrhundertts und seine Entwicklung, in: Hrsg . Robert Jütte / Andreas kilcHer, Judentum und Krankheit (= Aschkenas . Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 29,1), Berlin 2019, S .27–42 . Daniel Jütte, Das Zeitalter des Geheimnisses . Juden, Christen und die Ökonomie des Geheimen (1400–1800), Göttingen 2011, S . 76 ff . 121 Thomas scHilp, Juden im mittelalterlichen Westfalen, in: Hrsg . Kirsten menneken / Andrea Zupanic, Jüdisches Leben in Westfalen, Essen 1998, S .10f . Diethard ascHoFF, Die Juden in Westfalen zwischen Schwarzem Tod und Reformation (1350–1530) . Studien zur Geschichte der Juden in Westfalen, in: Westfälische Forschungen 30 (1980), S . 78–106 .
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worden war .122 Wenngleich die Dortmunder Geschichtsschreiber von einer Ermordung der jüdischen Einwohner nichts wissen wollen, spricht die urkundliche Überlieferung eine andere Sprache . Zumindest geht aus dem Dokument hervor, dass Juden zur Ausfertigungszeit der Urkunde bereits eingekerkert waren und von möglichen weiteren Inhaftierungen die Rede ist . Angesichts der Bedrohung durch den Schwarzen Tod, für dessen Ausbruch die Juden verantwortlich gemacht wurden, hatten der Graf und seine Komplizen freie Hand . Möglicherweise taten sie sogar kund, dass die Verhaftungen dem Schutz der Bürgerschaft dienen sollte . Wahrscheinlich sorgte der Seuchenausbruch dafür, dass sich die Verteilung des Raubgutes über Monate hinzog . Zumindest scheint der Schwarze Tod die Handlungsfähigkeit der Protagonisten bis in den Spätherbst des Jahres 1350 hinein gelähmt zu haben . Erst am 11 . November 1350 verbriefte der Graf dem Magistrat der westfälischen Reichsstadt den Erhalt von 350 Mark, die wahrscheinlich aus den Plünderungen jüdischer Häuser stammten .123 Offenbar gab sich Engelbert mit dieser Ausbeute nicht zufrieden, denn nur wenige Monate später, am 4 . April 1351, untermauerte er beim Rat seine Forderungen bezüglich der Besitztümer Dortmunder Juden in Köln .124 Der Kölner Erzbischof Wilhelm von Gennep mochte diesem Kuhhandel nicht tatenlos zusehen und exkommunizierte kurzerhand den Grafen von der Mark wie auch die Stadt Dortmund .125 Der Geschichtsschreiber Levold von Northof, der einstige Erzieher Engelberts, nimmt seinen Zögling in Schutz .126 Mit Nachdruck versichert er seiner Leserschaft, man möge der üblen Nachrede, dass sich der Graf an jüdischem Besitz vergriffen habe, keinen Glauben schenken: Comes de Marka multam pecuniam de bonis iudeorum in Tremonia et alibi dicitur habuisse, que tota ad eius utilitatem non creditur pervenisse.127 Mehr als zwanzig Jahre sollten vergehen, bevor Engelbert III . und der Dortmunder Magistrat sich 1372 schließlich darauf einigten, die Ansiedlung von Juden in der Stadt wieder zuzulassen . Das Zugeständnis hatte einen hohen Preis . Engelbert III . ließ sich sein Einverständnis mit der stolzen Summe von 1300 Gulden vom Rat reichlich entlohnen .128 Während sich das Schicksal der jüdischen Bevölkerung Dortmunds angesichts des Schwarzen Todes in wesentlichen Konturen nachzeichnen lässt, beschränkt sich die Darstellung des eigentlichen Seuchengeschehens lediglich auf stereotype Bilder . Der Geschichtsschreiber Johann Nederhoff nimmt bei seiner Schilderung des Massensterbens keinen direkten Bezug auf Dortmund und spricht allgemein von einer gravissima pestis epidemia. Verbunden ist die knappe Notiz mit der in zahlreichen Chroniken als Topos anzutreffenden 122 123 124 125 126 127 128
DUB, Bd . 1 (1881), Nr . 665 . DUB, Bd . 1 (1881), Nr . 666 . DUB, Bd . 1 (1881), Nr . 678 . scHilp (1998), S . 17 . Northof (1984), S . 2 f . Northof (1984), S . 87 . DUB, Bd . 2 (1890), Nr . 9 .
172
4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Wendung, die Seuche habe derart heftig gewütet, dass die Lebenden kaum die Toten begraben konnten und vielerorts nur ein Drittel der Menschen mit dem Leben davon gekommen sei . Der genaue Zeitpunkt des Seuchenausbruchs wird nicht erwähnt . Der Blick auf die erhaltenen Schriftstücke legt die Vermutung nahe, dass der Schwarze Tod im Juli 1350 einsetzte und zu Beginn des Monats November abgeflaut war .129 Die dürftige Überlieferung lässt keine Rückschlüsse auf etwaige Maßnahmen der Stadtväter zur Eindämmung der Seuche zu . Eben so wenig finden sich Hinweise auf das Wirken von Heilkundigen in städtischen Diensten .130 Verwischte Spuren in Soest Ähnliche Beobachtungen treffen auch für das westfälische Soest zu .131 Trotz der Bedeutung der zu dieser Zeit bevölkerungsreichen Stadt für den Handelsverkehr, fehlen eindeutige Belege für ein Auftreten des Schwarzen Todes . Die zeitgenössischen Schriftzeugnisse bleiben erstaunlicherweise stumm . Nirgends findet sich ein Hinweis darauf, dass die Stadtväter besondere Vorkehrungen gegen den Seuchenausbruch trafen oder gar Maßnahmen zu einer Eindämmung des Schwarzen Todes ergriffen . Nicht einmal die Anstellung eines Arztes oder Wundarztes durch den Magistrat ist in den Schriftzeugnissen belegt .132 Die Einträge des ältesten Bürgerbuchs lassen für die Jahre nach der Epidemie keine ungewöhnlich hohe Zahl an Aufnahmen Auswärtiger in die Bürgerschaft erkennen .133 Damit fehlt jedes Indiz, dass es in der Stadt zu einem demografischen Einschnitt aufgrund eines massenhaften Seuchensterbens kam . Vor diesem Hintergrund erheben sich Zweifel, ob die Stadt überhaupt von der Seuche heimgesucht wurde . Aufgrund des regen Hansehandels und der diplomatischen Beziehungen Soests zu anderen Gemeinwesen ist dieses Szenario zwar wenig wahrscheinlich, aber in Ermangelung einschlägiger Belege dennoch nicht auszuschließen . Fraglich bliebe in diesem Fall, warum Chronisten anderer Städte diesen besonderen Fall nicht notierten . Bekannt ist, dass der Schwarze Tod in manchen Städten des Reichsgebiets nicht auftrat . So blieb Prag, die Residenzstadt Karls IV ., augenscheinlich seuchenfrei .134
129 Die Dortmunder Pseudorektorenchronik weist den Schwarzen Tod dem Jahre 1350 zu und führt aus, das Sterben habe quoque integrum annum angedauert . Joseph Hansen (Hrsg .), Chronik der Pseudorektoren der Benediktskapelle zu Dortmund, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 11 (1886), S . 534 . 130 Norbert scHulte, Das Medizinalwesen in der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund bis zum Jahre 1815, Düsseldorf 1936, S . 9 . 131 Hierzu ausführlicher auch schon Kay Peter JankriFt, Brände, Stürme, Hungersnöte . Katastrophen in der mittelalterlichen Lebenswelt, Ostfildern 2003, S . 164–165 . 132 Hierzu vor allem Clemens Hecker, Die Ärzte und Wundärzte von Soest von 1265–1785, Hamburg 1940 . 133 Das älteste Bürgerbuch der Stadt Soest 1302–1449, Hrsg . Hermann rotHert, Münster 1958 . S . 25 . 134 Bergdolt (2017), S . 30 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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Wenngleich Soest vom Massensterben verschont geblieben sein mag, wurden die Juden wohl auch hier Opfer eines Pogroms . Zumindest fehlt nach dem Jahre 1350 jeglicher Hinweis auf eine jüdische Gemeinde .135 Da der Judenmord vielfach stattfand, noch bevor sich der Schwarze Tod überhaupt in der Stadt zeigte und sich dieser Ablauf der Ereignisse auch in Rheinland-Westfalen beobachten lässt, kann das Pogrom keinesfalls als Beleg für den Ausbruch der Seuche in Soest gelten .136 Sicher erscheint hingegen das Auftreten des Schwarzen Todes in Paderborn, Münster und Minden . Der genaue Zeitpunkt des Seuchenausbruchs bleibt auch hier ungewiss . Berichte aus weiter nördlich oder östlich gelegenen Städten tragen nur bedingt zu einer ungefähren Rekonstruktion der Ereignisse in Westfalen bei . Will man der sogenannten Detmar-Chronik glauben, trat die Pest zu Pfingsten, am 14 . Mai 1350, in Lübeck auf .137 Unklar bleibt dabei, auf welchem Weg die Seuche in die Stadt eingeschleppt wurde . Möglicherweise gelangte sie aus einem der Ostseehäfen über das Meer nach Lübeck .138 Bremer Quellen sind uneins . Sie datieren das große Sterben auf das Jahr 1350 oder 1351 .139 Eine chronologische Orientierung zur näheren Eingrenzung des Seuchenausbruchs in Paderborn, Münster und Minden bietet allerdings der Zeitpunkt der Judenpogrome in Dortmund und Minden . In der westfälischen Reichsstadt ereigneten sich die antijüdischen Ausschreitungen Ende Juni 1350, in Minden am 21 . Juli .140 Die westfälischen Städte zwischen diesen beiden Örtlichkeiten dürften mithin während der Sommermonate des Jahres 1350 vom Schwarzen Tod heimgesucht worden sein . Das Massensterben in Paderborn Der Paderborner Kleriker Gobelinus Person schildert in seiner Weltchronik das Wüten des Schwarzen Todes in seiner Heimatstadt im Jahre 1350 .141 Während die Aachener Dokumente die Pest als „neue Seuche“ bezeichnen, hebt der Geschichtsschreiber die ungewöhnliche Heftigkeit der Krankheit (pestilencie morbus) hervor . Dabei unterstreicht er, dass sich die Zeitgenossen nicht da135 Rotraud ries, Ein ambivalentes Verhältnis . Soest und seine Juden in der frühen Neuzeit, in: Hrsg . Ellen Widder / Wilfried eHBrecHt / Gerhard köHn, Soest . Geschichte der Stadt, Bd . 3: Zwischen Bürgerstolz und Fürstenstaat . Soest in der frühen Neuzeit, Soest 1995, S . 553 . Diethard ascHoFF, Zur Geschichte der Soester Juden, in: Hrsg . Gerhard köHn, Soest . Stadt-Territorium-Reich . Festschrift zum 100jährigen Bestehen des Vereins für Geschichte und Heimatpflege Soest, Soest 1981, S . 509 . ders., Das Pestjahr 1350 und die Juden in Westfalen, in: Westfälische Zeitschrift 129 (1979), S . 58 f . ascHoFF (1980), S . 80 . 136 graus (1994), S . 166 . 137 Detmar Chronik von 1105–1395, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis zum 16 . Jahrhundert Bd . 19 . Die Chroniken der niedersächsischen Städte Bd . 2: Lübeck, Hrsg . Wilhelm mantels / Karl koppmann, Leipzig 1884 [Neudruck: Göttingen 1967], S . 522 . 138 Bergdolt (2017), S . 83 . 139 Bergdolt (2017), S . 82 . scHWarZ (1998), S .100f . 140 Jüngere Bischofschronik (1917), S . 203 . 141 Hierzu auch JankriFt (2003), S . 186–188 .
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ran erinnern könnten, je von einer ähnlichen Pestilenz betroffen gewesen zu sein: Non erat in memoria hominum similem pestilenciam ante fuisse.142 Wenngleich Paderborn in der Folgezeit unter weiteren Seuchenausbrüchen gelitten habe, so werde doch der Schwarze Tod usque in hunc diem […] mortalitas magna genannt . Um diese Aussage für seine Leserschaft möglichst plastisch erscheinen zu lassen, hebt Person hervor, welche Herausforderung die Bestattung der zahlreichen Seuchenopfer bedeutete . Seinen Ausführungen zufolge war die Zahl der Überlebenden so gering, dass sie die zahllosen Leichen nicht zu tragen vermochten . Um die Toten zum Friedhof zu transportieren, sammelten sie diese auf Wagen und Karren . Die Schilderung legt nahe, dass die Seuchenopfer in Massengräbern beigesetzt wurden . Ob dies innerhalb oder außerhalb der Stadtmauern erfolgte, berichtet der Chronist nicht . Gespenstische Szenen begleiteten die Massenbestattungen . Person berichtet, manch einer der ins Grab Geworfenen hätte noch gelebt und sich bewegt .143 Doch niemand kümmerte sich um diese Unglückseligen . Angst, Verzweiflung oder Gleichgültigkeit trieben die Totengräber unablässig dazu an, die zuckenden Körper mit Erde zu bedecken . Steht die vehemente Wirkung des Schwarzen Todes in Paderborn außer Frage, nimmt Person in seinem Bericht keinerlei Bezug auf die Reaktion der weltlichen und geistlichen Obrigkeiten . Inwieweit der Rat oder der Bischof Maßnahmen ergriffen, um die Seuche einzudämmen oder die Bevölkerung zu kollektiven Frömmigkeitsbezeigungen aufriefen, bleibt im Dunkeln . Auch finden sich keine Hinweise auf das Verhalten der städtischen Heilkundigen . Einschränkend muss diesbezüglich angemerkt werden, dass aufgrund der lückenhaften Überlieferung offen bleibt, ob zu dieser Zeit überhaupt ein Arzt oder Wundarzt in städtischen Diensten stand .144 Deutlich manifestieren sich jedoch Spuren der religiösen Bewältigung des traumatischen Ereignisses . Der Paderborner Geistliche Konrad Vonderbeke, dessen Bruder als amtierender Stadtkämmerer dem Schwarzen Tod zum Opfer gefallen war, stiftete in der Busdorfkirche einen Antonius- und Sebastiansaltar und sorgte für dessen reichliche Ausstattung .145 Während Gobelin Person in seinen Ausführungen das Seuchengeschehen im heimatlichen Paderborn in den Blick nimmt, betrachtet er die Geißlerzüge wie auch die Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung in einem weiteren Kontext .146 Wie sein Zeitgenosse Radulph von Rivo stilisiert auch er die Geißler als Sekte und weist deren Auftreten dem Jahr 1349 zu . Dabei entspricht seine Beschreibung der Flagellanten der Darstellung Heinrichs von Herford, Radulph von Rivos und des Limburger Chronisten Tileman Elhen von Wolfhagen . Die Judenpogrome ordnet er nicht genau ein, sagt aber, dass diese sich ereigneten, bevor 1350 der Schwarze Tod gefolgt sei . Zwar berichtet 142 143 144 145 146
Cosmidromius (1900) . S . 57 . Hierzu auch scHoppmeyer (1999), S . 295 . Ausführlich JankriFt (1998a) . scHoppmeyer (1999), S . 296 . Cosmidromius (1900), S . 57 .
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auch Person, dass die jüdische Bevölkerung vielerorts verbrannt wurde, verweist allerdings nicht auf das Gerücht der Brunnenvergiftung . Vielmehr scheint der Kleriker einmal mehr vage religiöse Motive als Grund für die neuerlichen Übergriffe auf die Juden anzunehmen . Immerhin ist er der einzige zeitgenössische Chronist, der auf die Möglichkeit verweist, durch eine Taufe der Ermordung zu entgehen . Aus der Darstellung Persons ergibt sich, dass die Geißler in den westfälischen Städten ebenso wie in Köln oder Aachen mehrere Monate vor dem jeweiligen Seuchenausbruch auftauchten . Neben dem Paderborner Kleriker berichtet auch der Münsteraner Chronist Florenz von Wevelinghoven vom Geißlerzug im Jahr 1349 .147 Die chronologische Einordnung wird durch den Bericht des Heinrich von Herford erhärtet . Der Mindener Dominikaner erzählt, dass der Osnabrücker Rat die Flagellanten 1349 daran hinderte, in die Stadt einzuziehen .148 Vermutlich erfolgte diese Entscheidung der Stadtväter nach dem päpstlichen Verbot der Geißlerbewegung am 20 . Oktober 1349 . Daraus lässt sich folgern, dass die Flagellanten wahrscheinlich Ende Oktober oder Anfang November in Osnabrück eintrafen . Nur wenig später dürften sie nach Minden weitergezogen sein . In Paderborn und Münster scheinen sie noch Einlass gefunden zu haben . In diesem Zusammenhang erwähnt der spätere Bischof von Münster, Florenz von Wevelinghoven, ebenfalls das päpstliche Geißlerverbot .149 Da sich sowohl die Judenpogrome als auch der Seuchenausbruch in den westfälischen Städten erst in den Sommermonaten des Jahres 1350 ereigneten, kann kein Zusammenhang mit dem vorherigen Geißlerzug im Herbst 1349 bestehen . Durch die Chronologie der Ereignisse ist ausgeschlossen, dass die Flagellanten den Schwarzen Tod in die westfälischen Städte einschleppten . Der Schwarze Tod in Münster In Münster schweigen die Quellen ebenso über den Umgang der städtischen Obrigkeiten mit dem Seuchengeschehen .150 Sicher ist hingegen, dass es auch dort zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen die jüdischen Einwohner kam . Der Geschichtsschreiber Florenz von Wevelinghoven greift in seinem Bericht die gängige Wendung auf, dass man die Juden verdächtig habe, den Schwarzen Tod verursacht zu haben und sie deshalb vielerorts 1350 getötet worden 147 Wevelinghoven (1851), S . 49 . 148 Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 282 . Die spätere Einrichtung einer jeweils am Freitag vor Pfingsten stattfindenden Prozession in Osnabrück zur Erinnerung an den Schwarzen Tod, erscheint allerdings nicht dazu angetan, den Auftakt des Seuchengeschehens näher festzulegen . scHoppmeyer (1999), S . 295 zieht die Einführung der Prozession zur zeitlichen Einordnung der Ereignisse in Paderborn in Betracht . Im Jahre 1350 sei der Freitag vor Pfingsten auf den 14 . Mai gefallen . Dieses Datum stünde mit den Nachrichten über die Judenpogrome in Westfalen in Einklang, die „mit dem Auftreten der Pest korrelierten“ [!] . 149 Wevelinghoven (1851), S . 49 . 150 Hierzu auch JankriFt (2003), 186–191 .
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seien .151 Von einer vermeintlichen Brunnenvergiftung ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht die Rede . In der deutschen Übersetzung und Erweiterung der Bischofschronik bis zum Tode Ottos IV . von Hoya im Jahre 1424 bleibt das unheilvolle Gerücht ebenfalls unerwähnt . So heißt es darin lakonisch: So worden aller wegende ioden gedodet, wan man gaff en de schult der sukede.152 Im Jahre 1951 stieß man bei Arbeiten am Münsteraner Stadtweinhaus unvermutet auf einen Schatz . Der sensationelle Fund, zu dem mehr als 2000 Münzen gehören, zeugt von dem Judenpogrom im Jahre 1350 . Bis zu seiner Zerstörung im nämlichen Jahr lag das jüdische Wohnviertel im Bereich des heutigen Syndikatplatzes, unmittelbar hinter dem Stadtweinhaus .153 Da die Prägung sämtlicher Münzen vor 1350 erfolgte, geht die Forschung allgemein davon aus, dass der Schatz von einem der dort lebenden Juden angesichts der Bedrohung am späteren Fundort versteckt wurde .154 Wie die Stadtväter auf die Judenpogrome reagierten und welche Rolle sie möglicherweise selbst dabei spielten, lässt sich nicht ergründen . Fraglich bleibt auch, wie sich Bischof Ludwig II . von Hessen (1310–1357) gegenüber den antijüdischen Gewalttaten verhielt . Immerhin hatte der Oberhirte einer Niederlassung von Juden in Stadt und Stift zuvor stets wohlwollend gegenübergestanden .155 Demnach ist möglich, dass Ludwig seine Stimme durchaus gegen die Mordaktionen erhob . Einige Jahre nach der Vernichtung der jüdischen Ansiedlung, 1358, veräußerte sein Nachfolger Adolf von der Mark ein Grundstück des vormaligen Judenviertels nahe der einstigen Mikwe an die Erbmänner Steveninck .156 In den folgenden Jahren sicherte sich der bischöfliche Rat Bernhard von Steveninck zur Arrondierung des Familienbesitzes auch die Grundstücke der vormaligen Synagoge und der sogenannten Judenscharne . Die Urkunde über diesen Grunderwerb datiert auf den 2 . April 1380 . Bis sich erneut Juden in Münster niederließen vergingen mehr als 70 Jahre . Erst ab 1422 finden sich wieder vereinzelte Hinweise auf jüdisches Leben in der Bischofsstadt .157 Wie in vielen anderen westfälischen und rheinischen Städten weisen die Schriftzeugnisse in Münster zwar knapp auf das Erscheinen von Geißlern im Jahre 1349 und das Judenpogrom hin, verraten aber nichts Substantielles über den städtischen Alltag angesichts des Seuchensterbens . Auch Florenz von Wevelinghoven begnügte sich mit der stereotypen Floskel, die Überlebenden hätten nicht ausgereicht, um die Toten zu begraben .158 Der anonyme Verfas151 152 153 154 155 156 157 158
Wevelinghoven (1851), S . 49 . Chronik der Bischöfe von Münster (1851), S . 131 . kircHHoFF (1994), S . 471 f . u . S . 458 mit Übersichtsplan . scHilp (1998), S . 18 . Diethard ascHoFF, Die Juden in der ständischen Gesellschaft, in: Hrsg . Franz-Josef JakoBi, Geschichte der Stadt Münster, Bd . 1, Münster 31994, S . 576 ff . ascHoFF (1994), S . 578 . Vgl . allgemein auch Diethard ascHoFF, Die Juden in Münster . Von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Geschichte original – am Beispiel der Stadt Münster 5), Münster 31988 . kircHHoFF (1994), S . 472 . ascHoFF (1994), S . 579 . Wevelinghoven (1851), S . 49 .
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ser, welcher das Werk später bis zum Tode Ottos von Hoya fortführte, wartet diesbezüglich indes mit Zusätzen auf . Im Gegensatz zu Florenz von Wevelinghoven beschrieb er die Ereignisse des Jahres 1350 nicht nur aus der Retrospektive, sondern hatte vermutlich selbst Erfahrung mit den nachfolgenden Pestausbrüchen gemacht . Fraglos bringt er späteres Wissen über die Wirkung des Schwarzen Todes ein, den er als epydimia bezeichnet . Hierzu führt er aus, dass Niemand am Lager der Sterbenden auszuharren wagte umme unvledichkeit der sukede.159 Um das Ausmaß der Massensterblichkeit zu unterstreichen, führt der anonyme Chronist an, dass 11 .000 Menschen dem Schwarzen Tod in Münster zum Opfer gefallen seien und bezeichnet die Seuche als den groeten doet . Dass es sich bei derlei Angaben um Übertreibungen handelt, liegt auf der Hand . Leider verschweigt der Geschichtsschreiber, wo die zahllosen Toten beigesetzt wurden . Eben so wenig finden sich Hinweise auf das Verhalten der Obrigkeiten . Auch liefern die Quellen keinerlei Aufschluss darüber, ob ein Arzt oder Wundarzt zur Zeit des Schwarzen Todes in städtischen Diensten stand .160 Da die städtischen Rechnungen des 14 . Jahrhunderts nicht erhalten geblieben sind, lässt sich das von den erzählenden Quellen gezeichnete Bild nicht weiter ergänzen . Die Ausführungen des Florenz von Wevelinghoven deuten darauf hin, dass man auch in Münster versuchte, dem Seuchensterben durch religiöse Inbrunst zu begegnen . So berichtet er im Anschluss an seine Notizen über das Massensterben und die antijüdischen Gewaltexzesse, dass Ludowicus festum concepcionis beate Marie ad celebrandum instituit.161 Wann sich der Oberhirte dazu entschied, die Feier von Mariä Empfängnis einzuführen und aus welchem Grund dies geschah, bleibt offen . Da Mariä Empfängnis nach dem Kirchenkalender auf den 8 . Dezember fällt, ist es möglich, ein Ende des Seuchensterbens in dieser Zeit anzunehmen . Dies fügt sich mit den für Dortmund getätigten Beobachtungen, wo der Schwarze Tod wohl bis Mitte November abgeflaut war . In diesem Falle wäre die Einsetzung des neuen Festes in Münster erfolgt, um Dankbarkeit für das überstandene Leid zu zeigen . Die Wahl, Mariä Empfängnis als neues Fest zu etablieren, bot sich nicht zuletzt nach gängigen Vorstellungen deshalb an, weil die Gottesmutter in Seuchenzeiten häufig um Schutz und Beistand angerufen wurde .162
159 Chronik der Bischöfe von Münster (1851), S . 131 . 160 Nur wenige Münsteraner Ärzte und Wundärzte sind vor dem 16 . Jahrhundert in der Quellenüberlieferung fassbar . Den frühesten Beleg für die Präsenz eines Arztes in der Bischofsstadt bietet eine Urkunde aus dem Jahre 1205, die unter den Zeugen des Rechtsaktes einen gewissen Conradus medicus aufführt . In ähnlicher Weise wird 1260 Bertoldus chirurgicus genannt . Vgl . hierzu Elisabeth gördes, Heilkundige in Münster in Westfalen im 16 . und 17 . Jahrhundert, Phil . Diss Münster, Hildesheim 1917, S . 8 . 161 Wevelinghoven (1851), S . 49 . 162 Hierzu insbesondere Bulst (1996), S . 63–97 .
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Das Große Sterben an der Weser Wie in Dortmund, Münster und Paderborn so zeigte sich der Schwarze Tod in den Sommermonaten des Jahres 1350 auch in Minden .163 Der Dominikaner Heinrich von Herford, der Zeuge der Ereignisse wurde, berichtet in seiner Weltchronik ausführlich über das Geschehen . Dabei geht er allerdings weniger auf die Wirkung der Seuche in der Stadt an der Weser ein als auf die Lage in Italien und Südfrankreich . Dennoch steht außer Frage, dass sich in seiner Schilderung Facetten der eigenen Erfahrungswelt widerspiegeln . So beginnt der Geschichtsschreiber seine Darstellung mit dem Vermerk, im Jahre 1350 sei der Schwarze Tod in Theutoniam et plures ejus provincias und auch nach Westfalen gekommen .164 Im Weiteren erzählt er, dass die Menschen aus Angst vor der Seuche aus den Städten geflohen seien und sich nicht einmal mehr um ein Begräbnis ihrer verstorbenen Familienmitglieder kümmerten . Die allgemeine Trostlosigkeit malt er in dunklen Farben aus . Er spricht von verlassenen Häusern, totenstillen Straßen und Gassen und Vieh, das man auf der Weise zurückgelassen hatte und um das sich Niemand mehr kümmerte . Über dieser Szenerie des Grauens flogen krächzend die Raben, die sich nach der Wahrnehmung Heinrichs vermehrt zu haben schienen . Will man seinen weiteren Ausführungen glauben, forderte die Seuche so zahlreiche Opfer, dass der Platz auf den innerstädtischen Friedhöfen schon bald nicht mehr ausreichte und neue Begräbnisplätze außerhalb der Stadtmauern genutzt werden mussten . Kaum der dritte Teil der Menschen, so heißt es an anderer Stelle, sei nach der Seuche übriggeblieben .165 Im Unterschied zu den übrigen Chronisten wusste der gelehrte Dominikaner, dass sich ein ähnliches Massensterben vor langer Zeit schon einmal ereignet hatte . Zur Mitte des 14 . Jahrhunderts erinnerte sich allerdings kaum noch ein Zeitgenosse an die sogenannte Justinianische Pest, die das frühmittelalterliche Europa zwischen der Mitte des 6 . und des 8 . Jahrhunderts in mehreren Schüben heimgesucht hatte . Heinrich von Herford hingegen vermerkte hierzu, man berichte, dass sich zur Zeit des Kaisers Justinian ebenfalls eine solche Sterbensläufte zugetragen habe .166 Offenbar hatte sich der Dominikaner bemüht, dem Grund für den Schwarzen Tod durch die Lektüre alter Schriften nachzugehen . So nimmt er Bezug auf Passagen aus Ovids Metamorphosen, in denen der klassische Autor über einen Seuchenausbruch berichtet .167 Dazu bemerkt Heinrich von Herford, in den Zeiten Ovids seien multa similia pestilentie aufgetreten . In seinen Ausführungen nimmt der Geschichtsschreiber auch Bezug auf die Judenpogrome .168 Zwar schweigt er zum konkreten Verlauf der antijüdischen Gewalttaten in Minden, fällt aber ein eindeutiges Urteil zu den Motiven der Massaker . Dabei betont er unmissverständlich, es sei ein allgemeines Ge163 164 165 166 167 168
Bereits JankriFt (2003), S . 191–196 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 274 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 284 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 274 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 285 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 280 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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rücht – fama communis est –, dass die Juden das Wasser vergiftet hätten . Dem dürfe man keinen Glauben schenken . Der wahre Grund für das erbarmungslose Gemetzel an der jüdischen Bevölkerung sei vielmehr die Habgier von deren Schuldnern . Singend und tanzend seien die Juden in den Tod gegangen, die in quibusdam etiam locis per alios comburebantur, in quibusdam trucidabantur, vel etiam ut porci sevissime barbarisque mactabantur. In einiger Ausführlichkeit schildert der Chronist das Auftreten der Geißler, das nach seiner Vorstellung auf die baldige Ankunft des Antichristen hindeute . Bei seiner Beschreibung der Flagellanten schöpfte er großzügig aus dem Werk des Gerhard von Coesfeld .169 Dabei erörtert der Mindener Dominikaner die zeitgenössischen Theorien über den Zusammenhang zwischen einer ungünstigen Konstellation der Gestirne und dem Erscheinen der Geißler .170 Im Unterschied zu Gentile da Folignos Pesthauchmodell, in dem die Planentenkonstellation eine wichtige Rolle für den Ausbruch des Schwarzen Todes spielt, stellt Heinrich von Herford diese Verbindung nicht her . Der düstere Bericht Heinrichs von Herford vermittelt lebensnahe Eindrücke der allgemeinen Stimmungslage angesichts des Schwarzen Todes . Seine Ausführungen verstellen indes den Blick auf die Vorgänge in Minden . Eine genaue Rekonstruktion der Abläufe im Umfeld des Seuchengeschehens erlaubt die beredte Darstellung nicht . Mit keiner Silbe erwähnt der Geistliche die Reaktionen der städtischen Obrigkeiten oder gar Versuche, den massenhaften Erkrankungen mit medizinischer Hilfe zu begegnen . Die sogenannte jüngere Bischofschronik aus der Feder des Heinrich Tribbe, die während der zweiten Hälfte des 15 . Jahrhunderts entstand, trägt nichts zur weiteren Erhellung dieser Fragen bei . Allerdings ermöglicht Tribbes Schilderung, welche die Chronik des Heinrich von Herford als maßgebliche Vorlage nutzte, einen genaueren Blick auf die Chronologie der Ereignisse .171 Der Geschichtsschreiber gibt an, dass Minden 24 Wochen unter dem Schwarzen Tod litt . Demnach dürfte das Massensterben – unter Berücksichtigung der aus den anderen westfälischen Städten vorliegenden Informationen – im Sommer 1350 eingesetzt und sich bis zum Beginn des Jahres 1351 hingezogen haben . Ein Epitaph des Edelvogts Wedekind IV . vom Berge und seiner Gemahlin Lysa im Dom zu Minden legt die Vermutung nahe, dass der Schwarze Tod sich zumindest auf endemischem Niveau noch länger in der Stadt gehalten haben könnte .172 Die Grabplatte nennt als Todestage der Eheleute zwei aufeinander folgende Tage: den 3 . und 4 . Juli 1351 . Da die Inschrift nicht mehr erhalten und nur aus der älteren Literatur bekannt ist, kann indes nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Beschreibung des Epitaphs ein Irrtum unterlief und das eigentliche Sterbe169 170 171 172
Hierzu scHumann (1996), S . 184–208 . Chronicon Henrici de Hervordia (1859), S . 282–284 . Jüngere Bischofschronik (1917), S . 202 . Jüngere Bischofschronik (1917), S . 202 Anm . 4 . Stadt Minden, Altstadt 1, Der Dombezirk, Teilband 1 (= Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen 50,21) Bearb . Roland pieper / Anna Beatrix cHadour-sampson unter Mitarbeit von Elke treude, Minden 1998, S . 710 . Die Grabplatte ist nicht mehr erhalten und nur durch ältere Schriftzeugnisse bekannt .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
jahr 1350 lauten müsste . In diesem Fall läge ein Indiz für den Beginn des großen Sterbens spätestens Anfang Juli 1350 vor . Beide Möglichkeiten kommen in Betracht . So betont etwa die Limburger Chronik, dass die Seuche mancherorts über ein Jahr spürbar blieb173 Der Historiker und Genealoge Leopold von Ledebur (1799–1877), der die Inschrift 1825 erfasste, hegte keinerlei Zweifel daran, dass Wedekind und seine Ehefrau der Seuche zum Opfer gefallen waren .174 Wenngleich Heinrich Tribbe in seinen Ausführungen den Tod der beiden Edelleute erwähnt, bleibt er dennoch einen Hinweis auf die Ursache des plötzlichen Ablebens schuldig .175 Allerdings erlaubt sein Bericht das Judenpogrom, das sich auch in Minden im Umfeld des Seuchenausbruchs abspielte, zeitlich genauer einzuordnen . Demzufolge fand das Massaker an der jüdischen Bevölkerung am 21 . Juli 1350 statt . Auch in Osnabrück und Lübbecke, so weiß der Chronist zu berichten, blieben die Juden nicht von den Gewaltexzessen verschont . Dabei betont er zwar, dass man die Juden für das Hereinbrechen des Schwarzen Todes verantwortlich machte, nennt in diesem Zusammenhang aber nicht das Gerücht der Brunnenvergiftung . Wie Vieh (more peccorum) habe man die Unglückseligen in Minden und anderswo abgeschlachtet . In seinem Urteil über den barbarischen Akt stimmt der Domherr Tribbe mit dem Geschichtsschreiber Heinrich von Herford überein . Hierzu stützt er sich auf die deutliche Aufforderung in Psalm 59, selbst seinen Feinden kein Leid zu tun: Inimicos meos, ne occidas eos, ne obliviscantur populi mei.176 Wie viele seiner geistlichen Zeitgenossen war augenscheinlich auch Heinrich Tribbe überzeugt davon, dass den Juden eine bedeutende Rolle für das christliche Heilskonzept wie auch die ewige Erinnerung an die Leiden Christi zufiel . An der Nordseite der St . Andreaskirche im nahegelegenen Lübbecke findet sich bis heute eine Inschrift, die auf die Ereignisse während des Schwarzen Todes verweist . Darin heißt es, man habe das Gotteshaus im Jahre 1350 erweitert, als man die Juden tötete, die Geißler zogen und der Schwarze Tod auftrat .177 Gedächtnisbücher, sogenannte Maskirbücher, in denen seit dem 15 . Jahrhundert die Namen der Opfer vergangener Pogrome und der zerstörten jüdischen Gemeinden zur Erinnerung wie zum Gebet für die Seelen der Ermordeten aufgezeichnet wurden, erwähnen mitunter auch Minden . Das Mindener Maskirbuch aus dem Jahre 1615 gilt als das älteste erhaltene Zeugnis dieser Art in Westfalen . Münster, Dortmund und „Westfalen“ werden darin als Orte des jüdischen Martyriums zur Zeit des Schwarzen Todes genannt .178
173 174 175 176 177
Limburger Chronik (1922), S . 8 . Dombezirk (1998), S . 710 . Jüngere Bischofschronik (1917), S . 202 . Psalm 59 (58),12 . Westfalia Judaica . Urkunden und Regesten zur Geschichte der Juden in Westfalen und Lippe, Bd . 1: 1005–1350, Hrsg . Bernhard Brilling / Helmut ricHtering, Stuttgart 1967, Nr . 210 . 178 Westfalia Judaica (1967), Nr . 213 . Westfalia Judaica (1967), Nr . 213 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
181
Wenngleich sich durch die jüngere Bischofschronik bestimmen lässt, wann die Juden in der Stadt ermordet wurden, bleibt ihr Verfasser doch nähere zeitliche Angaben zum Erscheinen der Geißler schuldig . Vielmehr heißt es hierzu lakonisch: circa idem tempus. Einen Eindruck vom Ausmaß des großen Sterbens vermittelt das Chronicon Domesticum et Gentile des Heinrich Piel .179 Das in der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts und somit in einigem Zeitabstand zum Berichtsgeschehen entstandene Werk verweist darauf, dass die Stadtväter um das Jahr 1350 eine Erweiterung der Simeonsvorstadt in Angriff genommen hätten . Die hohe Sterblichkeit führte seinen Worten zufolge dazu, dass das Vorhaben nicht weiter umgesetzt werden konnte: Aber dieser sterf hat solches vor schaffet, daß solches vorpleiben mußte. Die Verluste an Menschleben in den rheinisch-westfälischen Städten waren hoch . Ebenso unvermittelt wie er hereingebrochen war, verschwand der Schwarze Tod . Doch wenngleich diese verheerendste Pandemie des Mittelalters nicht wie von vielen Zeitgenossen befürchtet mit dem Weltuntergang endete, so hatte sie doch die Pforten für weitere Seuchenausbrüche weit aufgestoßen . 4.3.2
Ein spätmittelalterlich-frühneuzeitliches Seuchenproblem in der Etablierungsphase: Die Pest in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts
Der großen pestelencien han ich vir gesehen unde erliebet, notierte der Limburger Stadtschreiber Tileman Elhen von Wolfhagen am Ausgang des 14 . Jahrhunderts .180 Im Jahre 1347 geboren, rechnete er seiner Aufzählung zufolge den Schwarzen Tod offenbar noch nicht zu den von ihm bewusst erlebten Ereignissen .181 Die verheerenden Epidemien, die während der Folgezeit in seiner Heimatstadt an der Lahn ihren Blutzoll forderten, hatten bei dem Chronisten indes tiefe Eindrücke hinterlassen . Gemäß seinen Worten stellte sich das zweite groß sterben 1356 ein, gefolgt von drei weiteren in den Jahren 1365, 1383 und 1395 . Die Schilderungen Tilemann Elhens von Wolfhagen spiegeln höchst aufschlussreich dessen individuelle Wahrnehmung von Art und Qualität des Limburger Seuchengeschehens in der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts wider . Sie lassen erkennen, dass sich das von ihm jeweils als großes Sterben charakterisierte Krankheitsphänomen hinsichtlich seiner Vehemenz von anderen Massenerkrankungen mit geringeren Opferzahlen und möglicherweise eingeschränkterem Wirkungskreis spürbar unterschied . Ein Auftreten des großen Sterbens, das beängstigend schnell viele Menschen dahinraffte, erschien fürchterlicher und furchterregender als die ungenannten, in ihrer Häufigkeit nicht 179 Chronicon Domesticum et Gentile (1981), S . 63 . 180 Limburger Chronik (1883), S . 90 . 181 Zu dieser Einschätzung vgl . schon die Ausführungen von Arthur Wyss in der Einleitung zur Limburger Chronik (1883), S . 14 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
feststellbaren Ausbrüche anderer Infektionskrankheiten . Der Chronist unterstreicht, während des zweiten groß sterbens im Jahre 1356 seien die Menschen in großen häufen an der selben suchte gestorben, wie beim ersten Mal .182 Das große Sterben steht in der Limburger Chronik demnach synonym für die Pest . Sofern man die Beobachtungen des Historiografen als zuverlässig einstufen will, wird zugleich sichtbar, dass sich die Wirkung der Seuche bei ihrem neuerlichen Erscheinen im Vergleich zur Katastrophe des Schwarzen Todes allmählich abschwächte . Der von Tilemann Elhen von Wolfhagen als das große drette sterben vermerkte Ausbruch im Jahre 1365 fiel der Wahrnehmung des Geschichtsschreibers zufolge meßlicher da di ersten sterben aus .183 Auch die folgende Epidemie des Jahres 1383 bezeichnet er als meßlicher als die vorangegangenen .184 In dieser Entwicklung zeigen sich langfristig die ersten Schritte eines klassischen Weges in die endemische Präsenz einer Seuche .185 Die nach dem Schwarzen Tod in unregelmäßigen Abständen wiederkehrende Pest, so bezeugt die Limburger Chronik auf besondere Weise, etablierte sich während der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts zu einer unberechenbaren Bedrohung für die Bevölkerung der Städte und – noch dazu im Konglomerat mit weniger massiv wirkenden Infektionskrankheiten – gleichsam zu einer ständigen Herausforderung für die Obrigkeiten . Fehlen den westfälischen und rheinischen Zeugnissen zumeist die individuellen Einschätzungen des Limburger Chronisten zur Intensität des Seuchengeschehens, so bestätigen sie dennoch dessen ungefähre Chronologie .186 Spuren aller der von Tilemann Elhen von Wolfhagen verzeichneten Epidemien finden sich in ihnen wieder und verdeutlichen zugleich deren weitreichende Wirkung . In ihrer Gesamtheit sind die vier Ausbrüche des großen Sterbens während der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts allerdings nicht für jede einzelne Stadt Westfalens und des nördlichen Rheingebiets durch die lokale Überlieferung zu belegen . Diese beschränkt sich vorrangig auf historiografische Quellen . Das zur Erhellung und Ergänzung chronikalischer Angaben möglicherweise aufschlussreiche Ratsschriftgut ist in den meisten Städten für den nämlichen Zeitraum nicht mehr oder nur noch fragmentarisch vorhanden . Klerus und Rat im Konflikt. Der Umgang mit der Pest in Paderborn während der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Unter den westfälischen Geschichtsschreibern vermittelt der Paderborner Kleriker Gobelinus Person, ein Zeitgenosse Tilemann Elhens, die umfassendsten Eindrücke von der Chronologie eines lokalen Seuchengeschehens im Gefolge des Schwarzen Todes . In seiner Chronik betont er, von der Mitte des 14 . Jahr182 183 184 185 186
Limburger Chronik (1883), S . 46 . Limburger Chronik (1883), S . 54 Limburger Chronik (1883), S . 76 . padBerg (1996), S . 71 . Zu einigen Ungenauigkeiten in den Zeitangaben Tilemann Elhens von Wolfhagen Arthur Wyss in der Einführung der Limburger Chronik (1883), S . 13 f .
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hunderts bis zum Seuchenjahr 1383 habe die Pestilenz in jedem siebten Jahr grassiert .187 Bei der Betonung der Siebenzahl überwiegt zweifelsohne die mit dieser verbundene religiös motivierte Symbolik gegenüber dem Anliegen exakter chronologischer Ereigniswiedergabe . Zwar trat das große Sterben während der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts verschiedenen Quellen zufolge in westfälischen und rheinischen Städten mindestens zweimal tatsächlich in einem Zeitabstand von etwa sieben Jahren auf, doch liegen in den beiden anderen Fällen bis zu zehn Jahre und mehr zwischen einem neuerlichen Ausbruch . Möglicherweise ereigneten sich zwischen solchen Phasen einer besonders hohen Peststerblichkeit noch weitere infektionsbedingte Häufungen von Todesfällen geringeren Ausmaßes . Der Paderborner Chronist empfand das Auftreten von Seuchen in seinem Lebensumfeld jedenfalls als häufig, wenn er betont, zwischen dem Schwarzen Tod und der Niederschrift seines Werkes am Beginn des 15 . Jahrhunderts seien multe pestilencie vorgekommen .188 Seine Aussagen lassen keine Zweifel daran, dass diese Pestilenzen geringer wirkten als der zur Unterscheidung als mortalitas magna gekennzeichnete Schwarze Tod . Doch sagt Person im Gegensatz zu dem Limburger Chronisten nicht, es habe sich bei der Wiederkehr des Sterbens stets um die gleiche Seuche gehandelt wie zuvor . Ob sich hinter den vielen Pestilenzen nach Wahrnehmung des Paderborner Klerikers ausschließlich die in unbestimmten Abständen wiederkehrende Pest oder zugleich andere seuchenartige Erscheinungen verbergen, bleibt dadurch unklar . Deutlich wird hingegen, dass sich das Seuchengeschehen in Paderborn und im Umland bis in die ersten Dekaden des 15 . Jahrhunderts hinein dicht gestaltete . Et deinde pestilencie in ulteriores annos in civitate Paderburnensi et locis circumvicis dilate nondum ad presens [d . h . um 1415] cessaverunt, heißt es an gleicher Stelle im Cosmidromius. Welchen Anteil die Pest hieran hatte, lässt sich abermals nicht ermitteln . Sofern sie es aber war, die sich derart häufig und anscheinend abgeschwächt geäußert haben sollte, spräche dies für die schon im Bericht Tilemann Elhens von Wolfhagen angedeutete Entwicklung zu einer allmählichen endemischen Präsenz der Seuche . Vorausgesetzt, die Pest suchte Paderborn tatsächlich sieben Jahre nach dem Schwarzen Tod zum zweiten Mal heim, so fiel ihr neuerliches Auftreten abhängig von der zugrunde gelegten Zählweise in das Jahr 1356 oder 1357 . Eine solche Datierung deckt sich mit den Angaben der Limburger Chronik, zumal diese im Hinblick auf die Ausbreitung der Sterbensläufte betont: Unde war ez nit enqwam in disem jare, dar qwam ez in dem andern jare, unde ging al umb.189 Auch eine nach Persons Bericht anzunehmende dritte Epidemie in Paderborn während der 1360er Jahre fände ihre Entsprechung in den Ausführungen Tilemann Elhens und Schilderungen aus anderen westfälischen und 187 Cosmidromius Gobelini Person (1900), S . 58: Et post hunc annum [1350] rarum cessaverunt pestilencie particulares per Germaniam, et maxime quolibet anno septimo post anno predictum usque ad annum 1383 inclusive, in quo magna pestilencia per Alemanniam et Italiam invaluit. Vgl . hierzu auch JankriFt (1999B). 188 Cosmidromius Gobelini Person (1900), S . 58 189 Limburger Chronik (1883), S . 46 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
rheinischen Städten . Während sich für die folgende Dekade kein Pestausbruch nachweisen lässt, liefert Gobelin Person in abermaliger Deckung mit den Angaben der Limburger Chronik für das nächste große Seuchengeschehen eine exakte Jahreszahl: 1383 . Aus dem Verweis des Paderborner Geschichtsschreibers auf das weitere häufige Wüten von Pestilenzen bis zum Ende seines Berichtstätigkeit in der ersten Hälfte des 15 . Jahrhunderts geht hervor, dass die Pest auch in den folgenden Jahrzehnten verschiedentlich wiederkehrte . Lassen sich demnach wie im Falle Limburgs mindestens vier größere Seuchenausbrüche für die Zeit zwischen dem Schwarzen Tod und dem Ende des 14 . Jahrhunderts in Paderborn annehmen, so verwehrt die schlechte lokale Überlieferungssituation weitgehend Einblicke in den gesellschaftlichen und obrigkeitlichen Umgang mit den einzelnen Pestepidemien . Reaktionen sind höchstens vor dem Hintergrund des epidemischen Gesamtgeschehens in groben Zügen erkennbar . Abermals wird dabei vor allem die Bedeutung der religiösen Bewältigung des Seuchensterbens manifest, die sich bereits für das Auftreten des Schwarzen Todes konstatieren ließ . Ausschnitthaft zeigt sich am Beispiel Paderborns zugleich, in welcher Weise die Sorge um das individuelle Seelenheil im Angesicht der stetigen Pestgefahr weiter an Bedeutung zunahm .190 So kam es während der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts in Paderborn zu einer auffälligen Häufung von Altar- und Messstiftungen, die zwar nicht ausschließlich, aber doch maßgeblich von den Eindrücken der zahlreichen Seuchenausbrüche geprägt scheint .191 Unter anderem taucht etwa die schon 1350 von dem Stifter Konrad Vonderbeke gewählte Kombination der im Schutz vor der Pest als besonders segensreich erachteten Patrone Antonius und Sebastian anlässlich einer weiteren Altarstiftung im Kloster Abdinghof im Jahre 1362 erneut auf . Weitgehend im Dunkeln bleibt hingegen die Rolle der weltlichen Obrigkeiten . Die Funktionsfähigkeit des Rates wurde in den Zeiten des Seuchensterbens zweifelsohne stark beeinträchtigt . Heinrich Schoppmeyer hat hinsichtlich der Auswirkungen epidemischer Erkrankungen auf die demografischen Strukturen Paderborns in der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts unlängst auf die hohe Todesrate innerhalb der ratsfähigen Familien verwiesen .192 Die Familie von Scherfe etwa, deren Mitglieder zwischen 1287 und dem plötzlichen Ausscheiden des Bürgermeisters Eberhard von Scherfe im Mai 1368 nicht weniger als zwanzigmal das städtische Spitzenamt besetzten, taucht nach diesem Einschnitt nicht mehr in der Überlieferung auf . Ähnlich verhält es sich mit anderen Familien der Paderborner Oberschicht . Sie lassen sich im ausgehenden 14 . und beginnenden 15 . Jahrhundert nicht mehr in den Quellen nachweisen . Wenngleich Eberhard von Scherfe nicht der Pest erlegen sein mag, – 1368 wird weder in Paderborner Quellen noch in denen anderer westfälischer oder rheinischer Städte als Seuchenjahr genannt – so sind doch während des 14 . Jahrhunderts in anderen Fällen Zusammenhänge zwischen dem plötzli-
190 Hierzu allgemein die Beobachtungen von WollascH (1990) und dormeier (1996). 191 Mit zahlreichen Beispielen scHoFpmeyer (1999), S . 297 . 192 scHoppmeyer (1999), S . 300 ff .
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chen Ableben amtierender Paderborner Bürgermeister, Kämmerer oder Ratsherren und dem Ausbruch einer Epidemie offensichtlich .193 Unbekannt bleibt, wie viele Ratsmitglieder darüber hinaus die verseuchte Stadt verließen . Tod und Flucht einer mehr oder minder großen Zahl von Ratsvertretern muss zwangsläufig zu einer Lähmung obrigkeitlicher Entscheidungs- und Handlungsabläufe geführt haben . Angesichts dessen nimmt es nicht Wunder, dass sich kaum Zeugnisse für obrigkeitliche Maßnahmen zur Abwehr und Eindämmung der Pest finden .194 Ein fragmentarischer Eindruck vom Verhalten des Paderborner Stadtväter während der Epidemien des 14 . Jahrhunderts lässt sich einzig für das Seuchenjahr 1383 gewinnen . Darin wird insbesondere deutlich, wie weit die Interessen der weltlichen und der geistlichen Autoritäten beim Umgang mit dem Pestproblem auseinanderklafften . In Anbetracht der zahlreichen Opfer verfügte der Rat bei Androhung einer Strafe von einer Mark, dass entgegen der bisherigen Gewohnheit für jeden Verstorbenen nicht mehr als eine Seelenmesse gelesen werden durfte .195 Der Erlass, der dem Kleriker und Geschichtsschreiber Gobelin Person zur Klage darüber gereichte, dass nunmehr jeder Verblichene mit zwei Totenmessen weniger zur letzten Ruhe gebettet würde, wirkte konfliktreich bis in das 15 . Jahrhundert nach . In der Folgezeit sollte der Rat die strittige Verordnung mit weiteren Beschränkungen religiöser Trauer- und Gedächtnisbezeigungen flankieren . Die Paderborner Obrigkeiten bezweckten mit solchen Maßnahmen, die Dimensionen des Seuchensterbens nicht allzu offensichtlich werden zu lassen .196 Jedes Begräbnis und gerade ein solches von Trägern öffentlicher Ämter und Angehörigen angesehener Familien, das von einer großen Trauergemeinde begleitet wurde, offenbarte beim Blick auf den Teilnehmerkreis, wie weit sich die Reihen der städtischen Obrigkeiten durch Flucht, Krankheit oder Tod bereits gelichtet hatten . Das Fehlen von Ratsmitgliedern bei Anlässen, deren Öffentlichkeitswirkung kaum zu unterschätzen ist, konnte zweifelsohne Gerüchte nähren, die Stimmung der Einwohnerschaft zusätzlich negativ beeinflussen und die gesellschaftliche Ordnung in der verseuchten Stadt gefährden . Es liegt jedoch auf der Hand, dass das Verhältnis von Paderborner Rat und Geistlichkeit durch Verordnungen, welche die religiöse Sepulchralkultur betrafen, empfindlich getrübt wurde . Immerhin bedeuteten solche Eingriffe aus Sicht des Klerus neben einer städtischen Einmischung in die von Kaiser und Papst verbrieften Freiheiten zugleich beachtliche finanzielle Einbußen . Ungeachtet der andauernden Proteste geistlicher Würdenträger gegen jegliche Beschneidung ihrer althergebrachte Gewohnheiten, erfolgten auf solche Weise wahrscheinlich nicht allein in Paderborn während der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts die ersten Schritte zu einer auf mehr oder weniger systemati-
193 scHoppmeyer (1999), S . 300 . 194 Eindeutig lässt sich dies anhand der Überlieferung italienischer Städte nachweisen . Vgl . Bergdolt (2017), S . 51 ff . 195 scHoppmeyer (1999), S . 298 . 196 scHoppmeyer (1999), S . 298 .
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sche Informationsbeschränkung und Verschleierung der Opferzahlen ausgerichteten Ratspolitik in Seuchenzeiten . Zeichnet sich die Auseinandersetzung zwischen Rat und Geistlichkeit um die Gestaltung von Trauerriten während der Pestepidemien des ausgehenden 14 . Jahrhunderts im Spiegel der Quellen deutlich ab, so fehlt noch jeglicher Hinweis auf die Rolle von Medizinalpersonen . Kein zeitgenössisches Zeugnis berichtet vom Verhalten lokal ansässiger Ärzte und Wundärzte . Es lässt sich anhand der erhaltenen Dokumente weder feststellen, ob Paderborn während dieser Zeit über einen Stadtarzt verfügte, noch ob der Rat einen solchen als Reaktion auf das Seuchengeschehen in Dienst nahm, geschweige denn, ob irgendwelche therapeutischen Versuche zur Bekämpfung der Pest unternommen wurden . Eben so wenig finden sich Spuren einer auf die Eindämmung pestilenzartiger Erscheinungen gerichteten, spezialisierten hospitalischen Institutionalisierung . Ein Mosaik mit fehlenden Steinen. Die Pest in westfälischen und rheinischen Städten in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Während sich im Falle Paderborns vor allem auf Grundlage der Chronik Gobelin Persons in der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts verschiedene Pestjahre mehr oder weniger eindeutig bestimmen lassen und Auswirkungen der Seuche schemenhaft erkennbar werden, bietet die Überlieferung der übrigen westfälischen und rheinischen Städte für den fraglichen Zeitraum nur verstreute Nachrichten über den ein oder anderen Ausbruch einer Epidemie . Nicht zuletzt dadurch lassen sich im Gegensatz zum Schwarzen Tod weder Ausbreitungswege noch -geschwindigkeit oder eine genauere Chronologie der einzelnen Seuchenzüge in Rheinland-Westfalen nachvollziehen, die Tilemann Elhen von Wolfhagen und Gobelin Person in ihren Werken anführen . Fegte der Schwarze Tod nahezu flächendeckend über ganz Europa hinweg, so ist die geografische Wirkweite von Pestausbrüchen der unmittelbaren Folgezeit aufgrund der unzureichenden Quellenlage nicht in allen Fällen zu ermitteln . Ein lokal isoliertes Aufflammen der Pest scheint mit Blick auf die überlieferten chronologischen Angaben demnach vereinzelt möglich . Die nur wenige Jahre auf den Schwarzen Tod folgende Pestwelle, das von Tilemann Elhen von Wolfhagen auf 1356 datierte zweite große Sterben, erfasste offenbar zahlreiche Städte Westfalens und des Rheinlands . Hierfür sprechen nicht allein die Ausführungen Gobelin Persons über die Ereignisse in Paderborn . Insgesamt sind die Quellenbelege jedoch eher spärlich . Dennoch wird schon durch die Darstellung des Limburger Chronisten deutlich, dass es sich bei dem an unterschiedlichen Orten zwischen 1356 und 1358 bezeugten Pestgeschehen tatsächlich um ein zusammenhängendes Ereignis handelte . Dabei hielt sich die Seuche mancherorts mit bemerkenswerten Mortalitätsspitzen über mehrere Monate . Die Pest bahnte sich ihren Weg demzufolge sehr viel langsamer als beim Auftreten des Schwarzen Todes . So erreichte sie der Chronik des Jacob Twinger von Königshofen zufolge das oberrheinische Straßburg erst im Jahre
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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1358 .197 Der Geschichtsschreiber betont, die Seuche sei von Nyderlant heruf gekommen, während sich das erste Sterben von Oberlant herabe ausgebreitet habe . Es sind die Kölner Annalen, die ein erneutes Auftreten der Pest in der Domstadt ebenfalls dem Jahr 1358 zuschreiben: In den jaren uns heren 1358, do was eine groisse sterfte van den drosen.198 Den kurzen Ausführungen zufolge brach die Seuche im August aus und währte bis zum Weihnachtsfest . Reaktionen auf dieses neuerliche Massensterben spiegeln sich in der knappen Nachricht allerdings nicht wider . Darüber hinaus taucht eine schwache Spur des zweiten großen Sterbens in Rheinland-Westfalen nur noch in der Dortmunder Überlieferung auf . So berichtet Dietrich Westhoff in lakonischer Kürze, im Jahre 1358 sei to Dortmunde und meer platzen ein […]pestilenz gewesen, der viele Menschen zum Opfer gefallen seien .199 Als sicherer Beweis für ein Wirken der zweiten Pestwelle in der westfälischen Reichsstadt können die Angaben des Chronisten jedoch nicht gelten . Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass Westhoff, der seine Kompilation in erheblichem Zeitabstand zum berichteten Geschehen fertigte, die Aussagen seiner Kölner Vorlagen auf einen lokalen Blickwinkel zuschnitt .200 Unter der überschaubaren Zahl überlieferter zeitgenössischer Dortmunder Schriftstücke enthält kein weiteres Hinweise auf den Ausbruch einer Seuche in der Stadt im Jahre 1358 . Noch dürftiger sind Nachrichten über die dritte große Pestepidemie des Jahres 1365 . Zwar betont Tilemann Elhen von Wolfhagen, das Sterben habe in anderen, Limburg vergleichbaren Städten in ähnlicher Weise Menschen dahingerafft, doch verstellt die schlechte Überlieferungssituation erneut den Blick auf die Größe des Verbreitungsraumes der Seuche . Sicher belegt ist das Auftreten dieser Pest im nördlichen Rheinland und in Westfalen neben Paderborn einzig noch in Köln . Den Kölner Annalen zufolge herrschte in dem nämlichen Jahr ein derart kalter Winter, dass der Rhein ein Vierteljahr zugefroren blieb, man zu Niehl den Fluss zu Fuß überqueren konnte und in Mainz gar Markt auf dem in Eis erstarrten Strom gehalten wurde .201 An diese Nachricht schließt die knappe Notiz an: In deim selve iare do was eine grose sterfde. Der Dort197 Chronik des Jacob Twinger von Königshofen 1400 (1415), in: Die Chroniken der deutschen Städte, Bd . 9 . Die Chroniken der oberrheinischen Städte, Bd . 2: Straßburg, Hrsg . Carl Hegel, Leipzig 1871 [Neudruck: Göttingen 1961], S . 771: Do man zalte 1358, do was ein gros sterbotte zu Strosburg … 198 Jahrbücher, B (1876), S . 37 . Vgl . auch Jahrbücher, D (1876), S . 132 und Koelhoffsche Chronik (1877), S . 690 . 199 Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 218 . scHmitZ-clever (1954/55), S . 126 bemerkt ohne, dass sich ein Quellenbeleg für ein entsprechendes Pestgeschehen in Aachen finden ließe : „Schon im Jahre 1356 hielt der schwarze Tod zum zweiten Male seinen Einzug in Aachen, und zwar im Rahmen der zweiten großen Weltpandemie .“ 200 Eine noch weiter ausgeschmückte Version dieser Nachricht liefert Johan Christoph Beurhaus, Stadtarchiv Dortmund, Best .448 Nr . 15, 12 . Cap . 1 . Ab . § 6: ao 1358 hat die Pest hieselbst und in hiesiger Gegend ganz gewaltig gewütet, daß viele 1000 Menschen daran gestorben. 201 Jahrbücher, B (1876), S . 38: In den jaren uns heren 1365, do was ein kalt winter, dat der Rin ein gans virdel jair bestanden was, dat man zo Nele over den Rin gienk ind zo Mainze was grois mart upme Rine. In deim selven jare do was eine grose sterfde. Vgl . auch Jahrbücher, D (1876), S . 132 sowie Cölner Chronik (1871), S . 53 und Koelhoffsche Chronik (1877), S . 695 .
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munder Chronist Dietrich Westhoff, der seine Information abermals aus der Kölner Überlieferung bezieht, berichtet ebenso von einem außergewöhnlich strengen Winter und der groten sterfde.202 Es müssen hier jedoch die gleichen Vorbehalte hinsichtlich des Quellenwerts gelten wie schon im Falle von Westhoffs Schilderung eines vermeintlichen Dortmunder Seuchengeschehens im Jahre 1358 . In keinem der Zeugnisse werden wie auch immer geartete Reaktionen auf das Auftreten der Pest von 1365 erwähnt . Die Pest des Jahres 1383 in Wesel Erst beim Auftreten der nächsten Pest im Jahre 1383 fällt – wie schon für Paderborn zu konstatieren – ein wenig Licht auf das Verhalten der Obrigkeiten im Umgang mit der bedrohlichen Situation . Ausbreitungsweg und -raum lassen sich jedoch abermals nicht sicher rekonstruieren .203 Im Sommer 1383 grassierte die Seuche nachweislich am Niederrhein . Die Weseler Stadtrechnung des nämlichen Jahres weist unter dem Datum vom 25 . August eine Zahlung an einen städtischen Boten namens Jacob aus, der in tempore epidemie nach Duisburg geritten war .204 Er hatte Weseler Bürgern, die sich zu diesem Zeitpunkt in Duisburg befanden, eine Aufforderung zur Rückkehr in ihre Heimatstadt überbracht . Zwar geht aus der Wendung nicht eindeutig hervor, welche der beiden Städte von der Seuche heimgesucht wurde, doch spricht nicht nur beim vergleichenden Blick auf ähnliche Nennungen in den Weseler Stadtrechnungen späterer Jahre mit eindeutig belegbarem Seuchengeschehen einiges dafür, dass die Pest in Wesel ausgebrochen war . So deutet ein weiterer Ausgabeposten für einen Boten nach Essen unter dem gleichen Datum auf den kurz zuvor im Amt erfolgten Tod des städtischen Rentmeisters Rutger Boterman hin .205 Ein Zusammenhang zwischen dem plötzlichen Ableben Botermans, der 1377 und 1379 das Burmeisteramt bekleidete, und dem Pestausbruch scheint nahezuliegen . Als Grund für einen Aufenthalt von Weselern in Duisburg kommen von Handelsaktivitäten über politische Angelegenheiten bis hin zur Flucht vor der Seuche verschiedene Möglichkeiten in Betracht . In jedem Fall stellt sich die Frage nach dem Zweck des Rückrufs . Der Schlüssel zu ihrer Beantwortung liegt in der Identifizierung der vage opidanos genannten Personen . Die Entsendung eines städtischen Boten deutet darauf hin, dass es sich bei diesen wahrscheinlich nicht um gewöhnliche Bürger handelte . Der Rat dürfte sich angesichts der drängenden Probleme, die mit einem Seuchen202 Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 218 . 203 Die Straßburger Chronik des Jacob Twinger von Königshofen berichtet von einer Pestepidemie bereits im Sommer 1381 . Königshofen, Bd . 2 (1871), S . 772: Do men zalte noch gotz gebürte 1381 jor, do was ein grosser sterbotte in dem summer zu Strosburg: den schetzte man also gros und langewerende, also ie keinre vor was zu Strosburg gewesen. 204 gorissen, Bd . 2 (1963), S . 133: Item Jacobus missus Dusborch tempore epidemie ad opidanos ut venirent domi [sic!] . Vgl . hierzu auch HoFius (1971), S . 183 . 205 gorissen, Bd . 2 (1963), S . 16 u . S . 133: Essen, ad d. Wesselum post obitum Rutgeri Boterman rogans dilacionem silucionis viteductus.
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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ausbruch stets verbunden sind, kaum die Mühe gemacht haben, gewöhnlichen Pestflüchtlingen nachzustellen . Wahrscheinlicher ist, dass die zur Rückkehr gedrängten Bürger eine öffentliche Funktion in ihrer Heimatstadt ausübten, möglicherweise dem Rat angehörten und damit zur Bewältigung der für die Stadt bedrohlichen Situation in Wesel gebraucht wurden . Die zeitliche Nähe der Botenentlohnung zu einem am 29 . August beginnenden Duisburger Jahrmarkt legt die Vermutung nahe, dass vor allem geschäftliche Interessen die erwähnten Weseler Bürger einige Tage vor Beginn des Markttreibens in die Stadt geführt haben dürften .206 In dieses Gesamtbild fügt sich ein, dass der Weseler Rat mehrheitlich aus Angehörigen der Kaufmannschaft bestand .207 Einwandfrei lässt sich indes kaum klären, ob die angesprochenen, namentlich ungenannten Personen nicht etwa doch geflohen waren und nun zur Wahrnehmung ihrer Pflichten gemahnt werden sollten oder ob die unlängst in Wesel eingetretene Situation den auswärts Weilenden lediglich kenntlich gemacht werden sollte . Wie auch immer die Antwort ausfällt, zeigt die Begebenheit immerhin, dass die Weseler Obrigkeiten in der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts dem Ausbruch der Pest nicht untätig gegenüberstanden, sondern gewisse Anstrengungen zur Handhabung der Situation unternahmen . Die Epidemie scheint mehrere Monate angedauert zu haben . Noch am 6 . Dezember nimmt ein weiterer Ausgabeposten der Weseler Stadtrechnung Bezug auf die Seuche .208 Obgleich die Stadt demnach beinahe ein halbes Jahr unter dem Eindruck der Pest stand, berichtet kein Zeugnis über den Seuchenalltag in Wesel oder die möglicherweise von den Obrigkeiten ergriffenen Maßnahmen . Magna pestilencia in Monasterio et circumquaque … Weder in Köln noch in Duisburg, wo die Stadtrechnung für das betreffende Jahr fehlt, in Essen, Xanten oder Aachen lässt sich aus den überlieferten Zeugnissen zwingend auf den Ausbruch einer Seuche um das Jahr 1383 schließen .209 Die kurze Notiz in der Kölner Bischofschronik des Jacob von Soest, 1384 habe überall die Pestilenz geherrscht, erscheint zu unspezifisch, um zweifelsfrei auf ein Auftreten einer Epidemie in der Domstadt zu schließen .210 Auch in den westfälischen Städten finden sich neben den Schilderun206 Günter von roden, Geschichte der Stadt Duisburg, Bd . 1: Das alte Duisburg von seinen Anfängen bis 1905, Duisburg 1980, S . 153 . 207 gorissen, Bd . 2 (1963), S . 16–18 . 208 gorissen, Bd . 2 (1963), S . 135: tempore epidemie in do. Goss, de Lembeke pro officiate et sociis suis. 209 Das Stadtbuch von Gangelt deutet als ein sehr spätes Zeugnis darauf hin, dass im Rheinland weitere Städte von der Geißel getroffen worden sein könnten . Ohne den Zeitpunkt des Pestausbruchs genauer zu spezifizieren heißt es dort: 1382 ein gross erdbieben umbhero, darauff grosse pest. Chronik von Gangelt (1891), S . 188 . Vgl . hierzu auch Heimann (1987), S . 37 . 210 Jacobi de Susato al . de Swewe Chronicon Episcoporum Coloniensium, in: Hrsg . Johann Suibert seiBertZ, Quellen der westfälischen Geschichte, Bd . 1, Arnsberg 1857, S . 161– 215, hier S . 211 .
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gen Gobelin Persons zu den Ereignissen in Paderborn nur selten Indizien für ein Auftreten der Pest im Jahre 1383 . In der Überlieferung für Dortmund, Minden und Soest hat sich das Seuchengeschehen nicht niedergeschlagen . Von einer magna pestilencia in Monasterio et circumquaque zur Zeit des Bischofs Heidenreich weiß indes die Fortsetzung der Chronik des Florenz von Wevelinghoven zu berichten .211 Heidenreich Wolf von Lüdinghausen wirkte zwischen 1381 und 1392 als Oberhirte von Münster . Seine Amtszeit schließt somit den Zeitraum ein, während dessen in Paderborn und an verschiedenen Plätzen des Niederrheingebiets das Auftreten einer Epidemie bezeugt ist . Es liegt vor diesem Hintergrund nahe, das Massensterben in Münster ebenfalls für 1382 oder 1383 anzunehmen . Die Einrichtung der Großen Prozession, die ihren Ursprung auf einen Stadtbrand und eine Epidemie während der 80er Jahre des 14 . Jahrhunderts zurückführt, unterstützt diese Vermutung . Dem Bericht des Chronisten zufolge raffte die Seuche innerhalb kurzer Zeit Tausende in der Stadt hin . Aus Angst vor Ansteckung verließen viele Einwohner das verseuchte Münster . In der Hoffnung der Pest zu entkommen, heißt es, hätten sich die einen nach Köln, die anderen an andere Orte begeben . Die Erwähnung Kölns als Zufluchtsort deutet an, dass die Stadt zumindest zum fraglichen Zeitpunkt (wieder) pestfrei war und möglicherweise sogar gänzlich von der Seuche verschont blieb . Erhärtet wird diese Annahme durch das Fehlen jeglicher Nachricht über ein lokales Seuchengeschehen am Beginn der 1380er Jahre in der Kölner Historiografie, die immerhin jede andere der durch Tilemann Elhen von Wolfhagen verzeichneten Sterbensläufte des 14 . Jahrhunderts auch für die Domstadt bezeugt .212 Die Epidemie in Münster scheint sich über einen längeren Zeitraum gehalten zu haben . Die Bischofschronik führt aus, dass viele der Geflohenen nach ihrer Rückkehr erkrankten und starben .213 Andere, so gibt der Chronist unbewusst einen Hinweis auf die Gefahren einer Ausbreitung der Seuche über die Stadtgrenzen hinaus, hätten sich bereits vor dem Verlassen der Stadt infiziert . Beleuchtet der Bericht ausschnitthaft das Verhalten der vom Seuchentod bedrohten Einwohnerschaft Münsters, so spart er Bemerkungen über die Reaktionen der städtischen Obrigkeiten völlig aus . Die jüngere niederdeutsche Bearbei211 Chronik des Florenz von Wevelinghoven (1851), S . 75: Demum tempore suo, sicut dictum est prius, fuit magna pestilencia in Monasterio et circumquaque, ita ut multa milia hominum in brevi cursu temporis in civitate Monasteriensi moriebantur et multi locum mutabant, alii visitando Coloniam, alii alia loca, sperantes dictam pestilenciam evadere. Sed in hoc multi erraverunt, qui in reversione moriebantur, eo quod non infecti fuerant, antequam locum mutaverunt. Et pro maiore parte iuvenis decedebant et ipse auditorio dei preservatur. 212 Die Koelhoffsche Chronik (1877), S . 724 f . berichtet für das Jahr 1381 von einem Seuchensterben in Böhmen und Ungarn . 213 Das Motiv der nach ihrer Rückkehr Verstorbenen oder bereits vor dem Verlassen der Stadt Infizierten findet sich in nahezu gleichem Wortlaut im Werk des Dortmunder Chronisten Dietrich Westhoff für die Pest des Jahres 1494 . Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 361 . Hierzu auch Jütte (1991), S . 74 . Dort auch die Abbildung eines Holzschnitts aus einem englischen Flugblatt von 1630, das die Verbreitung der Seuche durch bereits angesteckte Flüchtlinge thematisiert .
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tung der Chronik verkürzt zwar ihre lateinische Vorlage, macht jedoch eigene Angaben zur Dauer der Epidemie sowie zu den vermeintlichen Opferzahlen .214 Ein halbes Jahr lang, heißt es, habe eyn groet stervynge in der Stadt gewütet und über achttausend Menschen das Leben gekostet . Besonders junge Menschen beiderlei Geschlechts seien der Seuche erlegen . Die angeführte halbjährige Dauer der Sterbensläufte findet eine Entsprechung in den für Wesel ermittelten Befunden . Wenngleich die in der münsterischen Chronik angeführten Opferzahlen wiederum fraglos zu hoch gegriffen scheinen, so bezeugen sie dennoch – ebenso wie der Verweis auf die besonders hohe Sterblichkeit unter den jungen Stadtbewohnern – das Ausmaß des Seuchensterbens in der Wahrnehmung des Historiografen . Demgegenüber fehlen auch in seinem Bericht Hinweise auf das Verhalten von Stadtvätern und Geistlichkeit, ganz zu schweigen von Nachrichten über das Wirken von Heilkundigen . Einzig durch die bereits erwähnte, noch heute angeblich in Erinnerung an die Pest von 1382 oder 1383 alljährlich am 13 . Juli abgehaltene Große Prozession – vorausgesetzt ihre Ursprünge gehen tatsächlich auf die Seuche zur Zeit Bischof Heidenreichs zurück – wird die besondere Rolle des Klerus für die Bewältigung der bedrohlichen Situation in ähnlicher Weise sichtbar, wie schon für Paderborn festzustellen . Epidemien am Ende des 14. Jahrhunderts Auch in der letzten Dekade des 14 . Jahrhunderts blieben westfälische und rheinische Städte nicht von den Attacken des apokalyptischen Reiters verschont . Im Jahre 1395 wurde Tilemann Elhen von Wolfhagen nach eigener Aussage abermals Augenzeuge einer großen Pest in Duschen landen.215 Mag die Epidemie im nämlichen Jahr in Limburg grassiert haben, so fehlen hinreichende Belege für ihr Auftreten zu dieser Zeit in einer der untersuchten Städte RheinlandWestfalens . Sporadische Hinweise auf ein Seuchengeschehen finden sich dort vielmehr auf die letzten sieben Jahre des 14 . Jahrhunderts verstreut . In Köln, Dortmund und Paderborn bezeugen Chroniken für 1394 das Auftreten einer Seuche, die von den Historiografen jedoch nicht einheitlich als Pest beschrieben wird .216 Aus einem Aachener Dokument geht hervor, dass 1396 in der Stadt Prozessionen propter magnam pestilenciam durchgeführt wurden .217 Weiterer Aufschluss über die Wirkung der Seuche, ihren Beginn und ihr Ende oder gar das Verhalten der städtischen Obrigkeiten lässt sich in Anbetracht der spärlichen Überlieferung nicht gewinnen . Creutz nimmt für 1396 ebenfalls eine 214 Chronik der Bischöfe von Münster (1851), S . 143: By synen tyden was eyn groet stervynge, so dat yn eynen haluen iaer storven yn der stadt mer dan achte dusent lüde, sunderlichs ionge und versehe lüde van beyden kunnen. 215 Limburger Chronik (1883), S . 90 . 216 Jahrbücher, C (1876), S . 82 . Koelhoffsche Chronik (1877), S . 730 . Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 288 . Cosmidromius (1900), S . 138 . Jacob von Soest (1857), S . 212 bezeichnet die Seuche indes als magna pestilentia. 217 Huttmann (1987), S . 38 .
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Pestepidemie in Köln an, bleibt den Beleg jedoch schuldig .218 Indes führt er ein zum Ende des 14 . Jahrhunderts entstandenes Zeugnis an, das erstmals ein Schlaglicht auf die Rolle Kölner Ärzte im Kampf gegen die Pest wirft und zugleich schemenhafte Konturen eines überregionalen medizinischen Erfahrungsaustausches für diese Zeit sichtbar macht .219 Das Regimen contra febrem pestilentiae betitelte, dem Lütticher Arzt Jean de Bourgogne220 zugeschriebene Pestregimen enthält neben den für solche Schriften üblichen Verhaltensempfehlungen zur Pestprophylaxe einen Verweis auf die Versuche kölnischer Meister – vielleicht Angehörigen der neuen Medizinischen Fakultät der Universität – der Seuche mit medizinischen Mitteln entgegenzutreten .221 Darin heißt es: Vidi quandam receptam a Magistris Coloniensibus prodeuntem et pro epydimia Leodiy missam, ut fieret confectio de ruca, nucibus, ficubus et sale et melle ad preservationem epydimiae. Zwar sei die Arznei, so Jean de Bourgogne, wirkungslos zur Behandlung der Krankheit (… tamen nullum habet effectum), doch eigne sie sich zur Vorbeugung der „Vergiftung“ .222 Wenngleich nicht überliefert ist, ob und in welcher Form man sich aus dem verseuchten Lüttich mit der Bitte um Hilfe an Vertreter der Kölner Ärzteschaft wandte, so deutet der Eintrag zumindest darauf hin, dass deren Renommee über die Grenzen der Domstadt hinausreichte . Gleichzeitig gilt es aber zu bedenken, dass die Schrift möglicherweise nicht unter dem Eindruck eigener Bedrohung durch eine heimische Epidemie entstand, sondern in sicherer Entfernung vom Seuchengeschehen verfasst wurde . Entsprechend lässt das Dokument keine Rückschlüsse auf das Verhalten Kölner Ärzte im Falle einer direkten Konfrontation mit der Pest in ihrer Heimatstadt zu . Auch andernorts bleiben Einblicke in das seuchenbedingte Reaktionsspektrum von Ärzteschaft, Obrigkeiten und Stadtbevölkerung während des ausgehenden 14 . Jahrhunderts äußerst beschränkt . Dies trifft ebenso für die Stadt Xanten zu, welche die Pest im Herbst 1399 im Griff hielt . Die Rechnung der Domburse für dieses Jahr verzeichnet am 7 . Oktober eine Bezahlung von 16 Kanonikern, die in der Prozession zugegen waren, quando sacramentum portabatur extraordinarie contra pestilenciam, und der Messe beigewohnt hatten .223 Im 218 creutZ (1933), S . 88 . 219 creutZ (1933), S . 89 . Das Schriftstück stammt aus dem Kodex Q192 der Amplonianischen Sammlung, deren Bestände heute von der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt verwaltet werden . Mit Blick auf die von den Chronisten überlieferte Abfolge von Seuchenausbrüchen in Lüttich könnte das Rezept der Kölner Ärzte möglicherweise auf das Jahr 1401 zu datieren sein . Vgl . hierzu etwa die aus älteren Lütticher Quellen schöpfende Chronik von Gangelt (1891), S . 188 . 220 Zur Person des Jean de Bourgogne und seine Rolle für den fiktiven Reisebericht des Jean de Mandeville siehe Susanne röHl, Der live de Mandeville im 14 . und 15 . Jahrhundert . Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung der kontinentalfranzösischen Version, München 2004, S . 17 . 221 Zu den Pestregimina Bergdolt (2017), S . 27 ff . 222 Sed in praeservatione intoxicationis,cum quis timet impocionari, valet ad incipiendum transitum veneni, quousque alia remedia juerint ordinata, sed contra epydimiam non habet appetitum, nec quisquam in hoc casu fiduciam habeat in ea. 223 Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des Archidiakonats und Stifts Xanten, Bd . 1, bearbeitet von Carl Wilkes (= Veröffentlichungen des Vereins zur Erhaltung des
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Jahre 1400 erfasste die Seuche Dortmund . Der Chronist Dietrich Westhoff berichtet davon, dass die grote sterfte in der westfälischen Reichsstadt und an zahlreichen anderen Orten wütete .224 Die Dortmunder Pestopfer wurden Westhoffs Ausführungen zufolge in Massengräbern beigesetzt, die man auf den Kirchhöfen ausgehoben hatte . Es scheint, als habe dieser Seuchenausbruch an der Wende zum 15 . Jahrhundert ein neuerliches Aufleben der Geißlerbewegung zur Folge gehabt .225 Der Dortmunder Geschichtsschreiber fügt seiner knappen Schilderung von der Wirkung des Pestgeschehens hinzu: Disses jaers toeg ein geselschaft durch alle lande und nompten sich de geiselbroder226 Ein Auftreten von Flagellanten in Westfalen und am Niederrhein im Juni 1400 erwähnt auch die geldrische Chronik des Willem von Berchen (1415/1420–1481) .227 Die Kölner Jahrbücher, die Westhoff häufig als Vorlagen für sein Werk heranzog, vermerken ebenfalls, dass Geißler am 15 . Mai 1400 Einlass in die Stadt begehrten, der ihnen jedoch verwehrt wurde .228 Hingegen lässt sich der Ausbruch einer Epidemie in diesem Jahr weder in der Kölner Überlieferung noch in Dokumenten der übrigen westfälischen oder rheinischen Untersuchungsstädte stichhaltig nachweisen . Unter den historiografischen Zeugnissen der Domstadt weiß einzig die Koelhoffsche Chronik in Form der in Köln noch heute bekannten, dem Jahr 1400 zugeordneten Legende von der aus dem Grab auferstandenen Frau über jene Pest zu berichten .229 Der Verfasser erwähnt in diesem Zusammen-
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Xantener Domes), Bonn 1937, S . 298: Item fer. vi. post Remigii cuilibet canonico presenti in processione quando sacramentum portabatur, et etiam in missa per toti presenti volucratum, et fuerunt presentes 16 canonici 12 sol. 4 den. Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 292 Vgl . hierzu Neithard Bulst, Flagellanten, in: LMA Bd . IV, München/Zürich 1989, Sp . 509–512, hier: Sp . 512 . Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 293 . Willem von Berchen, De nobili principatu Gelrie et eius origine . E codice archetypo, qui Noviomagi servartur, descripsit, vulgavit breviterque annotavit Ludolf Anne Jan Wilt sloet van de Beele, Den Haag 1870, S . 126 . Jahrbücher, B (1876), S . 49: In den jaren uns heren 1400, des sasterdachs na sent Servals dach, do waren de geisselbroeder zo Wier vur Colne ind dorften neit in Colne komen, want id in verboden was. Jahrbücher, D (1876), S . 138: Datum anno domini 1400 des sasterdachs na sente Servaisdach do waren die geisselbroider zo Wier ind gesunten van dem rade Coelne ere genaden, in de stat zo komen. dat wart in versacht: man inwulde ere vesten neit liden. Vgl . ferner die Koelhoffsche Chronik (1877), S . 737 . Koelhoffsche Chronik (1877), S . 736 f . Der Legende zufolge war die in der Koelhoffschen Chronik nie namentlich nicht genannte Frau im Haus zum Papagei auf dem Neumarkt der Pest erlegen und in St . Aposteln bestattet worden . Der gramgebeugte Gatte ließ den Ehering an ihrem Finger und in der Nacht kehrten die Totengräber zurück, um das Schmuckstück zu rauben . Die so in ihrer Ruhe gestörte (vermeintlich) Verstorbene, erwachte zum Schrecken der Diebe zu neuem Leben und begab sich zu ihrem früheren Wohnhaus, wo sie mehrfach Einlass begehrte, bis ihr Ehemann sie schließlich erkannte . Sie erlangte ihre Gesundheit völlig zurück und gebar noch drei Kinder, bis sie viele Jahre später wieder in St . Aposteln beigesetzt wurde . Andere Versionen setzen das Ereignis in das Jahr 1357 . Im Kölner Straßenbild ist die Legende noch heute vor allem durch die weißen Pferde am später als angeblicher Ort des Geschehnisses angeführten Hackeneyschen Haus präsent, die in einer Erzählvariante mit der Begebenheit in Verbindung gebracht werden .
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hang unter anderem die Anlage von Massengräbern, die sich in den jüngeren Ausführungen Westhoffs wiederfindet . Das stark in der Kölner Tradition verhaftete Motiv der in späteren Erzählvarianten Richmodis von der Aducht genannten Scheintoten verwertete der Dortmunder Chronist indes nicht .230 Trotz der eher kärglichen Hinweise, welche die Quellen im Hinblick auf das Verhalten von weltlichen Obrigkeiten, Klerus, Ärzteschaft und Stadtbevölkerung während des Pestgeschehens zur zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts preisgeben, lassen sich Tendenzen und grobe Umrisse des seuchenbezogenen Reaktionsspektrums durchaus erkennen . So weist der klerikale, auf eine religiöse Bewältigung des Massensterbens zielende Umgang mit der Pest bereits ausgeprägte Formen auf . Bittprozessionen und -messen zur Abwendung des Übels scheinen nahezu allerorts eine herausragende Rolle in der Begegnung mit der Seuche gespielt zu haben . Zugleich beeinflusste die Pest nachhaltig das Stiftungsgeschehen und förderte die Verehrung bestimmter Schutzheiliger .231 Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass eine solche Akzentuierung religiöser Aspekte bisweilen durch die Natur der Quellen vorgegeben wird . So stehen beispielsweise für den Kleriker Gobelin Person geistliche Belange im Vordergrund des Berichtshorizonts . Dies gilt naturgemäß auch für die münsterischen Bischofschroniken . Die weltlichen Entscheidungsträger blieben offenbar nicht überall so passiv wie der erste Blick auf die historiografische Überlieferung glauben macht . Inwieweit einheitliche Grundmuster dem Verhalten der weltlichen Obrigkeiten in den Seuchenzeiten der zweiten Hälfte des 14 . Jahrhunderts zugrunde liegen, lässt sich aufgrund der nur wenigen, in ihrer Art disparaten Beispiele nicht beurteilen . Gemeinsamkeiten ergeben sich möglicherweise im Hinblick auf Auseinandersetzungen mit dem lokalen Klerus über dessen Verhalten, Rechte und Pflichten gegenüber den Kranken und besonders gegenüber den Verstorbenen . Das Kölner Beispiel zeigt, dass sich Ärzte im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemühten, medizinische Mittel gegen die Pest zu finden . Die Suche nach einem Heilmittel zu einer Zeit, da die Domstadt vielleicht nicht selbst unter einer Seuche litt, zeigt, dass die Hoffnung, der Schwarze Tod möge in ähnlicher Form nie wiederkehren, inzwischen der Erkenntnis gewichen war, dass die Pest in unterschiedlicher Intensität immer wieder auftauchte . Kaum abschätzen lässt sich indes, ob das ärztliche Engagement sich allein auf die renommierten Heilkundigen der Metropole Köln beschränkte oder ob Ärzte zu dieser Zeit auch andernorts in Rheinland-Westfalen mit der Suche nach Pestarzneien befasst waren . Insgesamt legt der Blick auf das Pestgeschehen während der letzten Dekade des 14 . Jahrhunderts die Vermutung nahe, dass verschiedene, engräumige Infektionsherde schwelten und nicht nur eine einzige Seuchenwelle das Land zwischen Maas, Rhein und Weser überrollte . Neben der in zeitgenössischen Zeugnissen beschriebenen Abschwächung der Pest gegenüber ihren vo230 Hierzu Kay Peter JankriFt, Lazarus und das mittelalterlich-frühneuzeitliche Bild der „lebenden Toten“ in christlicher und jüdischer Sicht, in: Hrsg . Ursula HennigFeld, LazarusPhänomene . Kulturgeschichte einer Metapher, Heidelberg 2016, S . 41–56 . 231 Hierzu insbesondere Bulst (1996) .
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rangegangenen Ausbrüchen ist dies ein weiteres nicht zu verkennendes Indiz für eine dauernde endemische Etablierung der Krankheit in spätmittelalterlichen Städten . In unregelmäßigen Abständen trat das große Sterben jedoch weiterhin weiträumig auf und forderte eine besonders hohe Zahl an Opfern . Während des 15 . Jahrhunderts sollten die westfälischen und rheinischen Städte dies immer häufiger erleben . 4.3.3
Up dat god aver uns verbarmen wolde … Konfrontation mit einem Dauerproblem: Die Pest im 15. Jahrhundert
Schwache Spuren. Das erste Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts Das neue Jahrhundert begann, wie das alte ausgeklungen war . In Köln dauerte die Pest zwischen 1401 und 1402 möglicherweise auf endemischen Niveau an und flammte mit gelegentlich gesteigerten Mortalitätsraten wieder auf, hinterließ in lokalen Quellenzeugnissen aber kaum Spuren .232 Darüber hinaus entzieht sich der Betrachtung, inwieweit die Auswirkungen der Pest im städtischen Alltag spürbar waren und wie die Obrigkeiten auf die Situation reagierten . Diese Feststellung gilt in noch stärkerem Maß für die anderen Städte Rheinland-Westfalens, in denen selbst das Auftreten einer Seuche für den fraglichen Zeitraum mitunter kaum belegbar ist .233 Keiner der westfälischen oder rheinischen Historiografen berichtet darüber .234 Für ein solches Schweigen der Quellen bieten sich zwei Erklärungsmöglichkeiten an . So könnte die Pest zum einen zwar Köln getroffen, andere Städte Rheinland-Westfalens jedoch verschont haben . Andererseits ist genauso denkbar, dass die andauernde, sich dabei aber nur in schwächerer Form äußernde Krankheit für die Chronisten keine berichtenswerte Begebenheit mehr darstellte, sondern in solch eingeschränkter Wirkweise bereits Teil städtischer Normalität geworden war . Ein Ausnahmeereignis blieb demgegenüber naturgemäß auch weiterhin jegliches pestbedingte Massensterben . Möglicherweise ist in diesem Sinne die als merckliche [!] pestilenz bezeichnete Seuche zu verstehen, die Dietrich Westhoff im 232 creutZ (1933), S . 91 . Bei Hermann keussen (Hrsg .), Regesten und Auszüge zur Geschichte der Universität Köln 1388–1559 (= Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 36/37), Köln 1918, findet sich entgegen des Verweises von Creutz kein Hinweis auf eine Beeinträchtigung des Lehrbetriebs an der Kölner Universität . 233 In der Sekundärliteratur finden sich ohne eindeutigen Quellenbeleg noch Angaben für Aachen, Essen, Dortmund und Münster vor . Huitmann (1987), S . 39 . Franz Wagner, Zur Geschichte des Essener Medizinalwesens vom Mittelalter bis zur Neuzeit, in: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 40 (1922), S . 28 gibt 1401 mit nicht näher spezifiziertem Verweis auf die lokale Urkundenüberlieferung als Pestjahr in Essen an . Ebenso keyser (1956), S . 157 . Für Dortmund werden im Westfälischen Städtebuch die Jahre „1400 ff .“ als Pestjahre geführt . Vgl . keyser (1954), S .110 . Bulst (1989), S . 44 verzeichnet die Pest 1402 in Münster . 234 Wertlos erscheint die erst im 17 . Jahrhundert nach älteren Lütticher Vorlagen umgestaltete Angabe der Chronik von Gangelt (1891), S .188: 1401 ein sehr grosse pest umbhero und im gantzen Teutschland.
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Sommer 1407 für Dortmund erwähnt .235 Die lakonische Kürze der Notiz erlaubt abermals keine Rückschlüsse auf ein Vorgehen der Obrigkeiten . Ebenso bleibt ungewiss, ob die sonst nirgendwo in Rheinland-Westfalen für dieses Jahr beschriebene Pestilenz ausschließlich in der westfälischen Reichsstadt auftrat, ob sie ebenso andernorts wirkte oder lediglich chronologisch ungenau zugeordnet wurde .236 Für letztere Vermutung und den Zusammenhang der Pest in Dortmunder mit einem überlokalen Seuchengeschehen spricht, dass sich die Präsenz einer Seuche im administrativen Schriftgut rheinischer Städte kaum zwei Jahre später nachweisen lässt . So verlängerte etwa die Universität Köln mit Verweis auf die Pest die zur Meldung für den Rotulus zunächst auf den 24 . Juni 1409 festgesetzte Frist bis zum 13 . Januar 1410 .237 Die Wirkung der Seuche, deren Ausbruch die Kölner Chronistik nicht verzeichnet, beeinträchtigte das innerstädtische Geschehen zweifelsohne darüber hinaus . Wie schwierig sich etwa die Aufrechterhaltung von Außenkontakten gestaltete, wird ebenfalls anhand universitärer Dokumente deutlich . Am 3 . November 1409 entsandte die Alma Mater Heinrich de Piro, Vikar von St . Aposteln, zum neugewählten Papst Alexander V ., um diesem ihre Obödienz zu bekunden, nachdem das Konzil von Pisa die beiden rivalisierenden Päpste Urban VI . und Klemens VII . für abgesetzt erklärt hatte .238 In ihrem Gutachten, das die Universität auf Ersuchen des Kölner Erzbischöfe Friedrich von Saarwerden (1370–1414) abgegeben hatte, sprachen sich die Gelehrten zugunsten des Konzils aus und verwiesen in ihrem nunmehrigen Sendschreiben ausdrücklich darauf, dass die in Köln und dem Umland wütende Pest eine frühere Obödienzbekundung sowie die Überbringung eines Rotulus verhindert habe . Die Universität, so heißt es zur Entschuldigung, habe sich aufgrund der Seuche überallhin zerstreut . In Wesel grassierte die Pest im darauffolgenden Frühjahr . Aus der städtischen Ausgabenrechnung geht hervor, dass wegen der anhaltenden Seuche um den 14 . April eine Sakramentstracht durchgeführt wurde .239 Während die Quellen ansonsten über die Vorgänge in der niederrheinischen Stadt zu dieser Zeit schweigen, wird in der Aufstellung de propinatis et solutis städtischer Finanzdokumente ein Streiflicht auf die Auswirkungen der Seuche geworfen . Aus dem Rechnungseintrag lässt sich entnehmen, dass der Droste Goswin Stecke erkrankt war, sich der Meldung seines Boten an den Weseler Rat zufolge am 6 . Mai 1410 aber wieder auf dem Wege der Genesung befand .240 Stecke 235 Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 294 . 236 Außerhalb Westfalens und des Rheinlands ergeben sich Hinweise auf ein Auftreten der Pest im Jahre 1407, so beispielsweise in Augsburg . Hierzu Christa petscHko, Galgen und Schlachtfelder . Der gewaltsame Tod in Chroniken der Stadt Augsburg 1368–1468, in: Medium Aevum Quotidianum 42 (2000), S . 57 . 237 keussen (1918), S . 21 . 238 keussen (1918), S . 22 . Dort auch Bezug auf ein Schreiben der Stadt Köln an Papst Alexander V . unter dem gleichen Datum . 239 gorissen, Bd . 3 (1963), S . 122 . 240 gorissen, Bd . 3 (1963), S . 120: do Petri Vernudeken: n. Goessen Stecken, dicens Goeswinum convalescere de infirmitate sua.
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erholte sich in der Folge gänzlich . Bis 1437 taucht sein Name regelmäßig in der Liste der Empfänger städtischer Zuwendungen auf, letztmalig am 4 . Juli des Jahres .241 In diesen wenigen Hinweisen erschöpfen sich leider die Belege für das regionale Seuchengeschehen um 1410 . Eine solche Überlieferungssituation macht es weitgehend unmöglich, detaillierte Erkenntnisse über die Wirkung dieser Pestwelle auf das Leben in westfälischen und rheinischen Städten zu gewinnen . Immerhin lassen aber chronikalische Zeugnisse aus anderen Teilen des Reichsgebiets, die für das nämliche Jahr ebenfalls vom Ausbruch der Pest berichten, den Schluss zu, dass die Seuche nicht nur lokal begrenzt oder zufällig nahezu zeitgleich an verschiedenen Orten des Untersuchungsraumes auftrat, sondern sich weiträumig ausbreitete .242 Die kurze Ruhe vor dem Sturm. Reaktionen auf das Pestproblem in pestfreier Zeit Während der folgenden Dekade scheint Rheinland-Westfalen von der Pest verschont geblieben zu sein, bevor sich die Seuche 1420 abermals vehement äußerte . In dieser pestfreien Spanne wird erstmals deutlich, dass die Zeitgenossen die Pest inzwischen tatsächlich als ein dauerhaftes Problem begriffen, das in all seiner Unberechenbarkeit jederzeit erneut hereinbrechen konnte . Dies zeigt sich zum einen auf normativer Ebene in der Beibehaltung mancher während einer Epidemie erlassenen Statuten über das Abklingen des Seuchengeschehens hinaus, zum anderen in der weiteren Entwicklung institutioneller Formen, die speziell auf einen Umgang Seuchen und infektiösen Kranken ausgerichtet waren . Als besonders aufschlussreich erweist sich in diesem Zusammenhang die Betrachtung der Verhältnisse in Paderborn . Dort zeigt sich beispielhaft, dass es nicht nur allgemeine Hygienevorschriften waren, die das Ende einer Seuche überdauern konnten . So nährte die kontinuierliche Gültigkeit der vom Paderborner Rat während der Pest von 1383 gesetzten und 1405 weiter verschärften Vorschriften zur Sepultur einen Dauerkonflikt zwischen Stadtvätern und Klerus .243 Am 25 . September 1405 hatten die Ratsherren angeordnet, die bereits 1383 reduzierte Zahl der Seelenmessen für jeden Verstorbenen künftig nur noch an Sonntagen zu lesen und das entsprechende Totengeläut auf den vorhergehenden Samstag zu beschränken . Wie im Jahre 1412 aus der Forderung Bischof Wilhelms von Berg an den Rat hervorgeht, waren die Beschränkungen auch in dieser pestfreien Zeit unverändert in Kraft geblieben .244 Der Paderborner Oberhirte verlangte mit Nachdruck die Wiederherstellung der ursprünglichen Praxis und beklagte sich über die beträchtlichen finanziellen Einbußen, die den vier Pfarrkirchen aus den Änderungen erwachsen waren . 241 gorissen, Bd . 4 (1963), S . 166 . 242 Z. B. Königshofen, Bd . 2 (1871), S . 774: Do men zalte noch gotz gebürte 1410, do geschach ouch ein semelich crüzegang fiir den sterbotte der dorzümole zü Strosburg was. 243 scHoppmeyer (1999), S . 298 f . 244 Hierzu ausführlich Rainer decker, Bischof Wilhelm von Berg und die Stadt Paderborn, in: Westfälische Zeitschrift 122 (1972), S . 75–101 .
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Zwar suchte der Rat den erzürnten Bischof mit der Versicherung zu beschwichtigen, die Verordnungen seien nicht gegen die Kirche gerichtet, sondern als zwingende Konsequenz aus der pestbedingten Massensterblichkeit verfügt worden, doch war trotz dieses eindeutigen Verweises von einer Rücknahme der Statuten keine Rede . Für die konkreten Auswirkungen der anhaltenden Spannungen zwischen Klerus und Rat steht beispielhaft der Chronist Gobelin Person . Als Pfarrer der Marktkirche von den weiteren Restriktionen des Jahres 1405 unmittelbar betroffen, griff er in seinen Predigten das Vorgehen der Stadtväter an .245 Der Rat reagierte prompt und bezichtigte Person, Aufruhr gegen die städtischen Obrigkeiten zu schüren . Am Ende sah sich der Pfarrer zur Aufgabe seines Amtes gezwungen . Um 1410, Person wirkte inzwischen als Offizial und Generalvikar, unterlag er in seinem Bestreben zur Reformation des Klosters Abdinghof erneut in einer Auseinandersetzung mit Stadt und Kloster .246 Der Elekt Wilhelm von Berg enthob ihn des Offizialats und stattete ihn mit einem Kanonikat an St . Marien in Bielefeld aus . Die Vorgänge im Paderborn des frühen 15 . Jahrhunderts veranschaulichen exemplarisch, wie der dortige Rat zur Konsolidierung seiner Machtposition die stetige Pestgefahr durch eine gezielte Überführung bestimmter, im Hinblick auf die spezifische Krisensituation verfügter Normen in den städtischen Alltag zu instrumentalisieren versuchte . Vor dem Hintergrund des Seuchengeschehens sollte der gegenüber dem Klerus, vor allem aber gegenüber dem bischöflichen Landesherrn des Hochstifts gewonnene Spielraum nach Überwindung der konkreten Bedrohung nicht wieder preisgegeben werden . Dies ist nicht der geeignete Ort, die komplexen innerstädtischen Auseinandersetzungen des 15 . Jahrhunderts im Detail zu verfolgen . Angemerkt sei aber noch, dass sich das Vorgehen des Rates angesichts der Frage nach der Pflege des Seelenheils auf die städtische Gesellschaft insgesamt auswirkte . In diesem Zusammenhang ist der Feststellung Heinrich Schoppmeyers zuzustimmen, dass „die obrigkeitliche Verweigerung von Gnadenmitteln“ allseits erschwinglicher Art wie etwa mehrerer Seelenmessen – ewige Mess- oder gar Altarstiftungen erforderten immerhin größere Finanzmittel – das soziale Gefälle vergrößerte und bei entsprechender Konstellation auch für die sogenannten Bürgerkämpfe des ausgehenden Mittelalters eine Rolle spielte .247 Die zentrale Bedeutung von Bestattungsritus, Totengedenken und Vorsorge für das Seelenheil wird auch im Spiegel solcher Institutionsentwicklungen deutlich, die unverkennbar durch das stets wiederkehrende Seuchensterben beeinflusst wurden . Grundlegende, bisweilen gruppenspezifische Verhaltensmuster im Angesicht seuchenbedingter Massensterblichkeit hatten sich unter dem Eindruck des Schwarzen Todes und der nächstfolgenden Pestwellen rasch ausgeprägt . Seitdem bildeten Bittmessen und -prozessionen, Flucht von Obrigkeiten und Stadtbewohnern, die Suche von Heilkundigen nach Mit245 scHoppmeyer (1999), S . 298 . 246 Katharina colBerg, Person, Gobelinus, in: Hrsg . Kurt ruH, Die deutsche Literatur des Mittelalters . Verfasserlexikon, Bd . 7, Berlin/New York 1989, Sp .411–416 . 247 scHoppmeyer (1999), S . 299 .
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teln zur Prophylaxe und Behandlung oder die strengere Aufsicht über die Einhaltung von Hygienevorschriften in allen Städten Rheinland-Westfalens nahezu statische Bestandteile des Reaktionsspektrums . Während des 15 . Jahrhunderts wurde der Umgang mit der Pest in westfälischen und rheinischen Städten allmählich weiter ausgeformt und institutionalisiert . Art, Intensität und Dichte solcher Institutionalisierungsprozesse gestalteten sich lokal ebenso unterschiedlich wie die Rezeption von deren Produkten auf regionaler Ebene . Dabei waren die institutionellen Formen an sich kaum neu, doch orientierten sich Inhalte und Zweckbestimmungen bisweilen an den durch die häufige Massensterblichkeit veränderten Erfordernissen .248 So entstand in Paderborn in pestfreier Zeit eine 1414 erstmals belegte Elenden-Bruderschaft, die Fremden fern der Sicherheit ihrer gewohnten sozialen Bindungen tröstenden Beistand in ihrer letzten Stunde bot und ihr Begräbnis garantierte .249 Es ist kaum von der Hand zu weisen, dass die stets unvermittelt hereinbrechende Pest den Bedarf an solcher Fürsorge gesteigert und eine Rolle bei der Entstehung der Elenden-Bruderschaft gespielt haben mag .250 Paderborn blieb dem Quellenbefund zufolge, die einzige der westfälischen und niederrheinischen Städten, in der sich eine Bruderschaft dieses Typs im 15 . Jahrhundert herausbildete . Es ist jedoch kaum zu übersehen, dass das häufige Massensterben ein allgemeines Verlangen nach angemessener Jenseitsvorsorge dauerhaft erhöhte und sich damit auf die Entwicklung des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Bruderschaftswesens insgesamt auswirkte .251 Neben Rochus- oder Sebastiansbruderschaften, deren Wirken sich gezielt auf die Pestkranken und -toten richtete, begründet auch die Überlieferung anderer Gemeinschaften die Notwendigkeit zum Zusammenschluss bis248 Zu den Parametern von Institutionalisierungsprozessen und institutionellem Gestaltwandel vgl . exemplarisch Gert melville, Institutionen als geschichtswissenschaftliches Thema . Eine Einleitung, in: Hrsg . Gert melville, Institutionen und Geschichte . Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde (= Norm und Struktur . Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und Früher Neuzeit 1), Köln/Weimar/Wien 1992, S . 1–24 . Karl acHam, Struktur, Funktion und Genese von Institutionen aus sozialwissenschaftlicher Sicht, in: Hrsg . Gert melville, Institutionen und Geschichte . Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde (= Norm und Struktur . Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und Früher Neuzeit 1), Köln/Weimar/Wien 1992, S . 25–72 . Wolfgang BalZer, Kriterien für Entstehung und Wandel sozialer Institutionen . Implikationen eines axiomatischen Modells, in: Hrsg . Gert melville, Institutionen und Geschichte . Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde (= Norm und Struktur . Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und Früher Neuzeit 1), Köln/Weimar/Wien 1992, S . 73–96 . 249 Friedrich Gerhard HoHmann, Die Elenden-Bruderschaft zu Paderborn, in: Hrsg . Hans Jürgen Brandt / Karl Hengst, Die Gaukirche St . Ulrich in Paderborn 1183–1983 . Zur Geschichte von Kirche, Kloster und Pfarrgemeinde bei der Feier des 800jährigen Jubiläums, Paderborn 1983, S . 170–190 . Ernst von moeller, Die Elendenbrüderschaften . Ein Beitrag zur Geschichte der Fremdenfürsorge im Mittelalter, Leipzig 1906 [Neudruck: Leipzig 1972], S . 80 f . Kay Peter JankriFt, Elendenbruderschaften . Barmherzigkeit in der Fremde, in; Michel Pauly (Hrsg .), Einrichtungen der sozialen Sicherung im mittelalterlichen Lotharingien (= Publications du Cludem 19), Luxembourg 2008, S . 341–354 . 250 scHoppmeyer (1999), S . 297 . 251 Ernst von moeller (1906), S . 80, löFFler (1975) .
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weilen mit dem Pestgeschehen . Besonders deutlich wird dies noch während des ausgehenden 16 . Jahrhunderts im Spiegel eines Gesuchs der Spielleute von Münster um Zulassung ihrer Bruderschaft .252 Im entsprechenden Schreiben an den Rat, datiert auf den 9 . Januar 1598, heißt es: … mögen wir unthertaniglich ene vurhalten, wie des hiebefür an Anno 87 in zaith gruißer sterbte und gefahr die spilleute dieser stadtt Münster umb ehrlicher begreftnuß Ihrer selbst weiber und kinderen auch anderen noth wendigen streben […] umb vergunstigungh und Zulassung broderschafft dienstlich anzulangen verursacht. Aus dem Text spricht deutlich die Sorge einer gesellschaftlich randständigen Gruppe um die Gewährleistung von Begräbnis und Memoria in Seuchenzeiten,253 die nach ihrer Auffassung nur durch bruderschaftliche Organisation gegeben schien . Trotzdem verwehrte der Rat seine Zustimmung auf die flehentliche pitt. Die Bruderschaft, deren Patronin nach dem Willen der Spielleute bezeichnenderweise die heilige Cäcilia sein sollte, wurde von den städtischen Obrigkeiten nie konfirmiert . Neben einer sich weiter institutionalisierenden Jenseitsvorsorge, für die Bruderschaften eine wichtige Rolle spielten, lässt die Überlieferung verschiedener rheinisch-westfälischer Städte zu Beginn des 15 . Jahrhunderts eine Verdichtung medizinischer Strukturen erkennen . Inwieweit dieses Gesamtbild durch die unterschiedliche Quellenlage verzerrt sein mag, ist kaum abschließend zu beurteilen . Fest steht, dass in den Zeugnissen mit Voranschreiten des 15 . Jahrhunderts zusehends mehr Namen von Ärzten, Wundärzten und Heilkundigen im weitesten Sinne auftauchen . Ein Befund, der sich mit allgemeinen Entwicklungstendenzen des spätmittelalterlichen Medizinalwesens deckt .254 Belegen Dokumente einiger der rheinischen Städte, so in Köln, Aachen, Duisburg und Wesel,255 eine Anstellung von Stadtärzten bereits im 252 Stadtarchiv Münster, A XI Nr . 278 . 253 Zu den Nuancen der gesellschaftlichen Stellung mittelalterlicher Spielleute vgl . u . a . Wolfgang Hartung, Die Spielleute im Mittelalter . Gaukler, Dichter, Musikanten, Düsseldorf 2003 . Jürgen BrandHorst, Spielleute . Vaganten und Künstler, in: Hrsg . Bernd-Ulrich Hergemöller, Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, Warendorf 21994, S . 157–180 . Wolfgang Hartung, Die Spielleute . Eine Randgruppe in der Gesellschaft des Mittelalters, Wiesbaden 1982 . ders., Spielmannsleben und Randexistenz, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 35 (1983), S . 309–322 . 254 Jana Madlen scHütte, Medizin im Konflikt . Fakultäten, Märkte und Experten in deutschen Universitätsstädten des 14 . bis 16 . Jahrhunderts, Leiden/Boston 2017 . Kay Peter JankriFt, Mit Gott und Schwarzer Magie . Medizin im Mittelalter, Darmstadt 2005 . Nancy G . siraisi, Medieval and Early Renaissance Medicine . An Introduction to Knowledge and Practice, Chicago/London 1990, S . 63 f . verweist darauf, dass die Zahl der an Universitäten graduierten Ärzte trotz steigender Tendenz noch immer verhältnismäßig gering war . Die berühmte Universität von Bologna beispielsweise verlieh zwischen 1419 und 1434 nicht mehr als 65 Diplome in der Medizin, eines in der Chirurgie . In Padua sah die Situation kaum besser aus (1407 4; 1434 8; 1450 9 Diplome) . Vgl . hierzu auch die Studien von Danielle JacQuart, Le milieu médical en France du XIIe au XVe siècle, Genf/Paris 1981 . Faye getZ, Medicine in the English Middle Ages, Princeton 1998 . Joseph sHatZmiller, Jews, Medicine, and Medieval Society, Berkeley 1994, S . 6 ff . Für den deutschsprachigen Raum fehlt bislang ein solches Übersichtswerk . 255 HoFius (1971), S . 179 . BüscHer (1922), S . 11 u . S . 15 . laurent (1866), S . 187 .
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14 . Jahrhundert, so sind in Westfalen Heilkundige im Dienste städtischer Obrigkeiten erst mit Beginn des 15 . Jahrhunderts eindeutig nachweisbar .256 In Münster ist für 1412 ein Meister Jacob bezeugt, wahrscheinlich ein Wundarzt, der erstmals mit dem Zusatz des stades arste bezeichnet wird und beim Konflikt zwischen Rat und Gilden eine aktive Rolle spielte .257 Jahre bevor König Sigismund 1426 verfügte, jede Reichsstadt möge einen Arzt verpflichten,258 findet sich diese Forderung nicht allein in den reichsunmittelbaren Städten Westfalens und des Rheinlands bereits umgesetzt . Ob das häufige Auftreten von Seuchen unabhängig von der königlichen Verordnung die Entscheidung der Ratsobrigkeiten zur Bestallung von Stadtärzten maßgeblich beeinflusste, lässt sich zwar kaum mit Sicherheit feststellen, wohl aber vermuten .259 Über die medizinische Praxis im Allgemeinen und im Umgang mit Seuchen im Besonderen hüllen sich die Quellen allerdings auch weiterhin in Schweigen . Einen fragmentarischen Eindruck vom Tätigkeitsfeld eines Wundarztes in städtischen Diensten liefert exemplarisch ein Soester Ratsprotokoll vom Oktober 1419 .260 Das Schriftstück ist für eine westfälische Stadt zugleich ein früher Beleg für die Hinzuziehung eines Chirurgen bei einer obrigkeitlich angeordneten Leichenschau . In ihrem Hause achter dem prediker stol war die Frau des Johann Sure tot aufgefunden worden . Um Gewissheit über die Ursache ihres plötzlichen Todes zu erlangen, ordnete der Rat die Untersuchung der Leiche durch den städtischen Wundarzt an . Er unterzog die Tote der cirologen examen und kam zu dem Befund, dass die Frau einer Gewalttat zum Opfer gefallen war . Wie der Heilkundige zu diesem Schluss gelangte, lässt sich aus der Schilderung nicht mehr entnehmen . Wahrscheinlich beschränkte sich das erwähnte cirologen examen auf die äußere Wundbesichtigung .261 Leichenöffnun256 Vereinzelte Namen von Heilkundigen tauchen in Soest, Dortmund und Münster bereits seit dem 13 . Jahrhundert auf, doch lässt sich ihre Stellung – insbesondere ihr Verhältnis zu den städtischen Obrigkeiten – in keinem Fall eindeutig klären . Hierzu Hecker (1940), S . 12 f . scHulte (1936), S . 8 ff . gördes (1917), S . 8 . JankriFt (1998), S . 104 . Einen offenbar als geschworenen Wundarzt mit öffentlichen Aufgaben wie der Lepra-Schau befassten Meister namens Konrad nennt für Paderborn das während der zweiten Hälfte des 15 . Jahrhunderts entstandene Abdinghofer Arzneibuch . Mareike temmen / Gundolf keil, Abdinghofer Arzneibuch, in: Hrsg . Burghart WacHinger u . a ., Die deutsche Literatur des Mittelalters . Verfasserlexikon, Bd . 11, Berlin/New York 22000, Sp .2 . 257 Leben Ottos von der Hoya (1851), S . 167 ff . Huyskens (1901), S . 22 . gördes (1917), S . 29 . Bulst (1989), S . 44 . eHBrecHt (1994), S . 129 f . 258 Hierzu Martin kintZinger, Status medicorum . Mediziner in der städtischen Gesellschaft des 14 . bis 16 . Jahrhunderts, in: Hrsg . Peter JoHanek, Städtisches Gesundheits- und Fürsorgewesen vor 1800 (= Städteforschung A/50), Köln/Weimar/Wien 2000, S . 63–91 . Rudolf scHmitZ, Stadtarzt-Stadtapotheker im Mittelalter, in: Hrsg . Bernhard kircHgässner / Jürgen sydoW, Stadt und Gesundheitspflege (= Stadt in der Geschichte . Veröffentlichungen des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung 9), Sigmaringen 1982, S . 9–25 . 259 scHmitZ (1982), S . 25 . Bulst (1989), S . 44 verzeichnet in seiner Übersicht etwa die Anstellung eines Stadtarztes in Münster 1412 als unmittelbare Reaktion auf die Pest . 260 Stadtarchiv Soest, A3086 fol .6v . JankriFt (2010). 261 In Köln erhielt die Ärzteschaft am 4 . Juni 1478 die Erlaubnis des Rates zur Obduktion hingerichteter Gewaltverbrecher zum Zwecke anatomischer Studien: … dat id ouch gut
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gen zu gerichtsmedizinischen Zwecken blieben mindestens bis zum Erlass der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V ., der sogenannten Carolina, im Jahre 1532 und möglicherweise gar noch länger die Ausnahme .262 Das Verhältnis von Rat und Stadtarzt gestaltete sich, soweit dies aus den wenigen Zeugnissen zu entnehmen ist, allerorts unterschiedlich .263 Nur selten blieb ein Mediziner so lange im Amt, wie der 1419 erstmals in den Weseler Rechnungen genannte Meister Ruloff Engelbertsson .264 Engelbertsson, der zugleich die Apotheke führte und ein jährliches Grundsalär von 34 Rheinischen Gulden erhielt, diente der Stadt fünfzehn Jahre bis 1434 . Oftmals wurden Stadtärzte nur befristet angestellt oder blieben aus eigener Entscheidung nur kurze Zeit .265 Selbst im bevölkerungsreichen und vermögenden Soest, wo noch im 15 . Jahrhundert nur wenige Heilkundige überhaupt nachweisbar sind, fand anscheinend ein rascher Wechsel im Amt des Stadtarztes statt .266 Die wohl mit Ausnahme der Metropole Köln offenbar geringe Zahl von Heilkundigen in Rheinland-Westfalen führte mitunter zu deren gezielter Abwerbung in eine andere Stadt .267 So bemühte sich 1461 beispielsweise der Dortmunder Rat um einen Soester Wundarzt namens Meister Matheus .268 Die Verhandlungen scheinen sich in die Länge gezogen zu haben . Der Dortmunder Stadtrechnung des nämlichen Jahres ist zu entnehmen, dass die ungedul-
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were, wanne yemantz gerichte were myt dem swerde off sust gheelich sturve, den inwendich besten zo laissen van den doctoiren ind wontartzitteren, dabij sij sich gerne vuegen weulden, die inwendige gebreche daruyss zo leren indzo kennen. stein, Bd . 2 (1895), Nr . 408 . keussen (1918), S . 224 . Gerhard Baader, Anatomie, in: Lexikon des Mittelalters, Bd . 1, München/Zürich 1980, Sp .575 f . Mit grundlegenden Anmerkungen zur Sektion in Mittelalter und früher Neuzeit . Klaus Bergdolt, Die Präsentation des toten Körpers . Zwischen Wissenschaft und Kunst, in: Jahrbuch des Deutschen Medizinhistorischen Museums 10 (2000), S . 47–69 . G . WolFF, Leichenbesichtigung und – Untersuchung bis zur Carolina als Vorstufe gerichtlicher Sektion, in: Janus 42 (1938), S . 225–286 . Zur Diskussion der unterschiedlichen Auffassungen über die Wirkung der Carolina Dieter emricH, Rechtsmedizinische Sachverständigentätigkeit in der freien Reichsstadt Frankfurt am Main im 16 . Jahrhundert, Med . Diss ., Frankfurt am Main 1990 (Masch .), S . 51 ff . Zu Beispielen außerhalb Rheinland-Westfalens kintZinger (2000), S . 65 ff . Der Vertrag zwischen Engelbertsson und dem Rat der Stadt Wesel bezüglich der Führung der Apotheke ist erhalten unter Stadtarchiv Wesel, Al, Caps . 345/347 Nr . 7, fol .20r . roelen, Bd . 1 (1989), S . 123 Anm . 6 . Zum raschen Wechsel von Stadtärzten exemplarisch Martin kintZinger, Heimat auf Zeit . Medizinisches Fachpersonal in mittelalterlichen Städten, in: Hrsg . Andreas gestricH e . a ., Historische Wanderungsbewegungen . Migration in Antike, Mittelalter und Neuzeit (= Stuttgarter Beiträge zur Historischen Migrationsforschung 1), Münster/Hamburg 1991, S . 79–99 . Hecker (1940), S . 12 . Eine übergreifende Untersuchung dieses Gegenstands fehlt bislang . Die für die Provence, Teile Italiens und der Iberischen Halbinsel ermittelten Zahlen an medizinischen Praktikern eignen sich nicht für Rückschlüsse auf die grundlegend unterschiedlichen Verhältnisse in Westfalen und im Rheinland . Vgl . u . a . JacQuart (1981) . Antoni cardoner I planas, História de la medicina a la corona d’Aragó (1162–1479), Barcelona 1973 . Luis garcia-Ballester La medicina a la València medieval . Medicina i sociedad en un país medieval mediterrani, Valencia 1988 . Stadtarchiv Dortmund, Best . 202 Nr .VI 7, fol .14v .
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digen Obrigkeiten ihren Boten Rotger Soest in die Bördestadt entsandten, um mester matheus den arsten zu fragen, off heij ok hijr wolde kommen als heij uns here hadde gelouet. Eine förmliche Zusage von Seiten des Meister Matheus war demnach bereits erfolgt . Der begehrte Heilkundige ließ indes auf sich warten . Ob er jemals seinen Dienst in Dortmund antrat, ist nicht überliefert . Verdichtung der Medizinalstrukturen und fortschreitende Institutionalisierung der Jenseitsvorsorge trugen auf ihre Weise zur weiteren Ausformung des pestbedingten Reaktionsspektrums am Beginn des 15 . Jahrhunderts bei . Ein wichtiger Schritt, die Einrichtung spezialisierter Häuser zur Aufnahme und Versorgung Seuchenkranker, war in Rheinland-Westfalen jedoch noch nicht vollzogen . Bis zur Stiftung des ersten „Pesthauses“ in diesem Raum sollte die gefürchtete Geißel noch mehrfach die Bevölkerung der Städte heimsuchen . Das Ende der Atempause. Die Epidemien von 1420 und 1428/1429 Nach einem Jahrzehnt der Entspannung brach die Pest 1420 in Westfalen erneut aus . In Münster und Soest forderte sie nachweislich ihre Opfer . In einem Soester Ratsprotokoll heißt es hierzu: Anno domini 1420 do was eyn groet sterff in allen landen.269 Den weiteren Ausführungen zufolge war das Sterben, das Mitte August um sich griff, außerordentlich groß . In der genannten Zahl von etwa „6000 Menschen“ spiegelt sich allerdings einmal mehr eher Fiktion denn Realität wider . Angesichts des Todes besannen sich die Ratsherren auf ein bereits altbewährtes Mittel – die Flucht aus der verseuchten Stadt . Der Protokolleintrag besagt, dass die Obrigkeitsvertreter in das Soester Umland auswichen . Einige hätten sich nach Thöningsen, und Hattrop oder an andere Orte begeben . Was in Soest während der Abwesenheit des Rates vor sich ging, entzieht sich dem Blick . Auch über die Ereignisse in Münster existieren kaum Nachrichten . Die Bischofschroniken begnügen sich mit der bloßen Erwähnung einer pestilencie vier Jahre vor dem Tod Bischof Ottos IV . von Hoya .270 Welches Ausmaß die Pest 1420 in Westfalen annahm, lässt sich eben so wenig ermitteln wie der Umfang ihrer Ausbreitung in das benachbarte Rheinland . Im darauffolgenden Jahr erfasste die Epidemie offenbar Köln, wo sie historiografischen Zeugnissen zufolge bis zum Weihnachtsfest des Jahres 1421 zahlreiche Opfer forderte .271 Aus anderen Städten hingegen fehlt für diese Zeit jegliche Nachricht über das Auftreten einer Seuche . Den von der Pest betroffenen Gemeinwesen blieb nur eine kurze Zeit der Erholung . Bereits für die Jahre 1428 und 1429 berichten die Quellen verschiedener westfälischer wie rheinischer Städte wieder von einer Epidemie . Darunter in Wesel . Am 25 . Juni 1428, so verzeichnet die städtische Rechnung, wurde dat billige sacrament […] vor die pestilencie durch die Stadt getragen .272 Wann das Sterben begann und wann es endete, geht aus der Überlieferung nicht hervor . Im 269 270 271 272
Stadtarchiv Soest, A3086, fol .9v . Chronik der Bischöfe von Münster (1851), S . 153 . Huttmann (1987), S . 39 . Stadtarchiv Wesel A7 1428, fol .346v .
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Spiegel der Stadtrechnung scheint der Seuchenausbruch die Geschäfte des Weseler Rates jedoch nicht spürbar beeinträchtigt zu haben . Die Einträge zwischen Mai und Juli – der Monate, während derer sich im Hinblick auf den Zeitpunkt der Sakramentstracht die Wirkung der Krankheit wahrscheinlich manifestierte – zeigen, dass die Stadtväter in nicht minderem Umfang als zu seuchenfreien Zeiten in diversen Angelegenheiten tätig wurden, eigene Boten entsandten und auswärtige empfingen . Außer der von den weltlichen Obrigkeiten befürworteten Sakramentstracht lassen sich in den Handlungen des Rates jedoch keine unmittelbaren Bezüge zum Seuchengeschehen erkennen . Angesichts dessen liegt die Vermutung nahe, dass die Weseler pestilencie kein von den städtischen Vertretern für ihre Person als bedrohlich empfundenes Ausmaß annahm, das zur Flucht oder zur Einschränkung auswärtiger Kontakte Anlass gegeben hätte . Kaum auszuschließen ist in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, dass sich die 1428 in Wesel äußernde Krankheit nicht in die Kette der von den Zeitgenossen als „großes Sterben“ wahrgenommenen Phänomene einreiht . Jedenfalls deutet der Hinweis auf den nunmehrigen Wiederverkauf des während einer Teuerung zur Unterstützung der Armen angelegten Getreidevorrats am Beginn der Stadtrechnung des Folgejahres in diese Richtung .273 Die Krankheit könnte demzufolge in Verbindung mit einer Hungersnot aufgetreten sein und ihre Opfer vornehmlich unter der ärmeren Bevölkerung gefordert haben . Erhärtet wird diese Annahme durch einen Bericht in den Kölner Annalen .274 Darin heißt es, 1428 sei eine groisse sterfde in dem lande ind in Coelne ind umb Aiche gewesen . Auffällig ist die Betonung der starken Betroffenheit des Landes . Seitens des Historiografen erfolgte diese Akzentuierung keineswegs unbewusst . Vielmehr ist seinen anschließenden Ausführungen zu entnehmen, dass die Landbevölkerung mit iren hilgen zo Collen quam und die Heiligen Drei Könige, den Heiligen Antonius sowie den Heiligen Sebastian um Beistand anflehte . Der Sommer wird als so regnerisch beschrieben, dass es zu Überschwemmungen kam . Vor diesem Gesamthintergrund scheint als Ursache der ungewöhnlich hohen Sterblichkeit eine Hungersnot infolge einer Missernte wahrscheinlicher als ein weitreichendes Auftreten des gemeinhin von den Zeitgenossen als Pest wahrgenommenen, sehr viel vehementer wirkenden Krankheitsphänomens .275 Möglicherweise ging der Hunger mit schweren gastrointestinalen Infektionskrankheiten einher, die häufig als Begleiterscheinungen auftreten . Am 10 . Oktober 1428, dem Tag des Heiligen Gereon und damit in zeitlicher Nähe zum alljährlichen Erntedank, droich men in allen kirspelen in Collen dat hilge sacrament, fahren die Kölner Annalen fort . Mit brennenden Kerzen in den Händen bemühten sich die Menschen, von denen sich ein Teil in härenes Gewand gehüllt hatte und barfuß die Umtracht begleitete, den Zorn Gottes abzuwenden und Gnade zu erwirken . Der Zeitpunkt der Sakramentstracht fügt sich nahtlos in das Bild ein . Der Winter stand bevor, die Getreidespeicher 273 gorissen, Bd . 4 (1963), S . 71 . 274 Jahrbücher D (1876), S . 160 . 275 padBerg (1996), S . 69 ff .
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waren ob der schlechten Ernte nicht ausreichend gefüllt und die Gefahr einer Verschärfung der Hungersituation bestand . Dies zeigt schon der bereits erwähnte, in Wesel belegte Ankauf von Getreide durch den Rat . Treffen die vorangegangenen Vermutungen zu, dann handelte es sich bei der 1428 für Wesel, Köln, Aachen und vor allem das Umland bezeugten Sterblichkeit um eine Erscheinung, die in keiner Verbindung zu der in verschiedenen Städten Rheinland-Westfalens deutlich vehementer auftretenden Seuche des Jahres 1429 stand . Der milde Winter 1428 verhinderte offenbar eine Zuspitzung der Hungersnot . Den Soester Ratsprotokollen zufolge herrschte für diese Jahreszeit eine so ungewöhnliche Wärme, dass am Nikolaustag Büsche und Bäume zu blühen begannen .276 Die klimatischen Bedingungen mögen dazu beigetragen haben, dass unter wärmeren Temperaturverhältnissen begünstigte Infektionserreger gute Voraussetzungen zur Verbreitung fanden . In wenigstens zwei Städten Westfalens – für die anderen schweigen zumindest die Quellen – grassierte im darauffolgenden Jahr eine Seuche . Im Frühsommer 1429 setzte die Pestilenz in Soest ein und forderte dort zahlreiche Opfer . Während weder die Geschehnisse in der Stadt noch die Reaktionen der betroffenen Obrigkeiten, des Klerus oder der übrigen Einwohnerschaft deutlich werden und einmal mehr Nachrichten über Versuche zu einer organisierten Eindämmung der Bedrohung fehlen, so erscheinen die unmittelbaren ökonomischen Folgen der Epidemie überaus deutlich .277 Der plötzliche Einwohnerschwund riss ein tiefes Loch in den städtischen Haushalt . Anno domini 1430, so heißt es im Ratsprotokollbuch, waren de van Soest in groteme schaden und en hadden neyne opborynge.278 In ähnlichem Ausmaß wie in Soest wütete die Seuche etwa zeitgleich in Dortmund, ohne dass sich aus der lokalen Überlieferung jedoch tiefere Einblicke in die Situation der Reichsstadt während der Sterbensläufte gewinnen ließen .279 Die Pestwellen der 1430er Jahre Der Totentanz risss während der folgenden Jahrzehnte nie für längere Zeit ab . Gelegentlich aufflammende Seuchenherde, die mitunter endemisch an einem Ort schwelten und bisweilen auf andere Gemeinwesen übersprangen oder gar einen regionalen Flächenbrand auslösten, forderten immer wieder Opfer . Doch die Quellen liefern nur wenige Informationen über die inneren Verhältnisse westfälischer und rheinischer Kommunen angesichts dieser Situation . Für jeden Versuch sich der Gestalt des Seuchengeschehens anzunähern, ist jedoch zu berücksichtigen, dass die nicht immer zuverlässige, in Ermangelung 276 Stadtarchiv Soest, A Hs 82, Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 329 . 277 Zu den ökonomischen Folgen von Pestepidemien, aufgezeigt am besonderen Beispiel des Schwarzen Todes grundlegend Bulst (1979) . 278 Soester Stadtbücher (1895), S . 38 . 279 Chronicon Johannis Kerckhoerde (1887), S . 36 .
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weiterer Zeugnisse nur selten verifizierbare zeitliche Einordnung einzelner Epidemien, das Bild erheblich verzerren kann . Was im Spiegel der Überlieferung wie ein lokaler oder geografisch eng beschränkter Pestausbruch anmutet, könnte ebenso aus einer chronologischen Ungenauigkeit resultieren . Die bisweilen engen Textabhängigkeiten innerhalb der rheinisch-westfälischen Chronistik – beispielsweise zwischen dem Werk des Dortmunders Dietrich Westhoff und Zeugnissen der Kölner Historiografie – erschweren in dieser Hinsicht ein kritisches Urteil . Im zeitlichen Umfeld des Schwarzen Todes entstandene Berichte als Sonderfall ausklammernd, gilt es zudem festzuhalten, dass Inhalte, Strukturen und Umfang von Schilderungen über das mittelalterliche Seuchengeschehen in Rheinland-Westfalen bis etwa zur Mitte des 15 . Jahrhunderts in erzählenden Quellen nahezu Uniformität aufweisen . Erst eine dichtere Quellenüberlieferung, die für die meisten Städte kurz vor 1450 einsetzt, gibt in Einzelfällen detaillierter Aufschluss über das Verhalten von Landesherren, Stadtvätern, städtischem Klerus und Bevölkerung in Seuchenzeiten . Nachdem eine offenbar lokal auftretende weldige sterffte vielleicht schon im Winter des Jahres 1436 die Einwohnerschaft Dortmunds dezimiert hatte, griff die Pest 1439 nicht nur in der Reichsstadt, sondern in weiten Teilen Rheinland-Westfalens um sich .280 Während sich in der Überlieferung für Münster, Duisburg und Xanten keine Spuren der Epidemie finden, ist der Seuchenausbruch in den anderen untersuchten Städte bezeugt .281 Insbesondere Dokumente aus Wesel und Soest gewähren erstmals umfassendere Einblicke in das Handlungsspektrum städtischer Obrigkeiten im Umgang mit dem bedrohlichen Ereignis und in die seuchenbedingten Veränderungen des Alltagslebens . Eine Stadt im Ausnahmezustand. Wesel 1439 Im Frühjahr 1439 erreichte die Pest das niederrheinische Wesel .282 Kaum drei Wochen nach ihrer Wahl am 2 . März waren der neue Bürgermeister Johan Vernudeken und der Rat gefordert, Maßnahmen gegen die Seuchengefahr zu 280 Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 311: Dieses vurß jaer was to Dortmunde ein so weldigen sterffte, dat man alleine van der Linemeesterstraten, de Kockelke gnand, up Mitwinter avent 24 doden io kerken brachte. Zum Jahr 1439 heißt es dort: Was dus jaer ouch sterfte to Dortmunde und in allen landen und was ouch die meiste tijt during in allen dingen, wes ein mensche to seiner nottruft bedorfte. Bulst (1989), S . 38 führt 1436 auch eine Epidemie in Wesel an . 281 Lateinische Chronikenfragmente 1332–1488, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert Bd . 13 . Die Chroniken der niederrheinischen Städte Bd . 2: Köln, Bearb . Hermann cardauns, Leipzig 1876 [Göttingen 1968], S . 199: magna extitit pestilentia usque per totam fere Almaniam. Jahrbücher D (1876), S . 182 . Koelhoffsche Chronik (1877), S . 782 . krieg (1951), S . 141 . Dietrich von Engelsheym, Liber dissencionum archiepiscopi Coloniensis et capituli Paderbomensis . Manuscript des Paderbomer Domscholasters Dietrich von Engelsheym, Hrsg . Bernhard stolte (= Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Erg . Heft 1), Münster 1893, S . 8 ff . Wilhelm ricHter, Geschichte der Stadt Paderborn, Bd . 1 (1899), S . 113 . scHoppmeyer (1999), S . 300 . Wagner(1922), S . 28 . 282 Hierzu näher auch JankriFt (2003), S . 204 ff .
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treffen .283 Einem Eintrag der Stadtrechnung zufolge setzten die Obrigkeiten in Abstimmung mit der Geistlichkeit am 27 . März 1439 zunächst auf den Versuch, mit einer Prozession den göttlichen Zorn zu beschwichtigen284 Die kurze Notiz ist der erste Beleg eines neuerlichen Pestausbruchs in der Stadt . In den Folgewochen intensivierten sich die die religiöse Auseinandersetzung mit der Seuche, wie Ausgaben für zwei weitere feierliche Umzüge mit Monstranzen und den Gebeinen der Heiligen am 10 . und am 17 . April belegen .285 Der Vermerk in der Stadtrechnung up dat god aver uns verbarmen wolde lässt keine Zweifel daran aufkommen, welchem Zweck die Prozessionen dienten . Doch die Pest hielt offenbar weiter an . Angesichts dessen veranlassten die Obrigkeiten am 3 . Mai die nächste Kreuzestracht und Bittprozession, zu der die Stadtpfeiffer und ein Trompeter aufspielten . Die Reue ob des allgemein für sündhaft befundenen Lebenswandels der Bürgerschaft fand ihren Ausdruck zudem in der Verteilung von Almosen, die während der Prozessionen an die Armen ausgegeben wurden . Mit den Zuwendungen an die Bedürftigen versuchten die Stadtväter zugleich, deren Grundversorgung angesichts der hohen Sterblichkeit sicherzustellen . Diese währte offenbar ungewöhnlich lange . Am 6 . November taucht erneut ein Posten in der Stadtrechnung auf, der eine Zuteilung von Brot und Hering an die Armen aufgrund der anhaltenden Pestilenz belegt: broet ende herynch vor dye pestilencie. Der Rat kümmerte sich indes nicht nur darum, die Bedürftigen mit Nahrung zu versorgen . Vielmehr weist die Stadtrechnung am 17 . November Ausgaben für die Herstellung von Arzneimitteln aus, die eigens für die Behandlung armer Pestkranker zubereitet wurde . Dem Rechnungsvermerk zufolge hatte Herzog Adolf IV . von Kleve dem Magistrat ein Rezept zukommen lassen, nach dessen Angaben das Medikament vor arme lüde vor die pestilencie hergestellt werden sollte .286 Welche Bestandteile dieses Heilmittel enthielt, bleibt im Dunkeln . Da keine Abschrift des genannten Rezepts erhalten geblieben ist, lässt sich nicht sagen, ob der Landesherr schlichtweg ein bereits bekanntes Medikament empfahl oder aber einen Arzt mit der Suche nach einem neuen Mittel betraut hatte . Jedenfalls instruierten die Ratsherren den städtischen Apotheker Johannes, die Arznei nach der vorgegebenen Rezeptur anzufertigen und bezahlten ihn für diese Tätigkeit . 283 roelen, Bd . 1 (1989), S . 49 ff . Ein Abdruck des Schöffenwahlprivilegs vom 24 . September 1359 bei roelen, Bd . 2 (1990), S . 213 . Ferner auch Ferdinand reinHold, Verfassungs-Geschichte Wesels im Mittelalter (= Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte 23), Breslau 1888 . 284 gorissen, Bd . 4 (1963), S . 185 . Die Kirchenrechnungen von St . Willibrordi deuten darauf hin, dass das Sterben schon vor dem Jahreswechsel eingesetzt haben könnte . So belegt bereits die Rechnung des Jahres 1438 im Vergleich zu anderen Jahren eine 30– 40%ige Steigerung von Todesfällen, aufgrund welcher die obligate Taxe an die Kirche zu entrichten war . Vgl . Kirchenrechnungen der Weseler Stadtkirche St . Wilibrordi, Bd . 1: Die Kirchenrechnungen der Jahre 1401–1484, Bearb . Herbert soWade, mit Verzeichnissen von Martin Wilhelm roelen, Wesel 1993, Sp .254–280 . 285 gorissen, Bd . 4 (1963), S . 186 . 286 gorissen, Bd . 4 (1963), S . 186 . Erwähnt auch bei HoFius (1971), S . 184 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Überhaupt scheint der Rat einige Anstrengungen darauf verwendet zu haben, gerade in Seuchenzeiten einen fähigen Heilkundigen in Dienst zu stellen . Johann von Merinchaven, der 1438 seine Tätigkeit als Stadtarzt aufgenommen hatte, floh unmittelbar nach dem Ausbruch der Pest aus der verseuchten Stadt .287 Deshalb bemühten sich die Stadtväter, die vakante Stelle so schnell wie möglich wieder zu besetzen . Das Sterben war bereits auf einem Höhepunkt angelangt, als der Magistrat am 15 . April 1439 einen Boten zu Meister Johan Witink nach Löwen entsandte . Dieser war nicht nur ein Sohn des Ratsherrn Evert Witink, sondern ein gelehrter Arzt . Der Magistrat seiner ehemaligen Heimatstadt bat Johan Witinik eindringlich um Fürsprache bei seinem Standeskollegen Lodewig van Diest .288 Trotz der grassierenden Seuche willigte Lodewig nach längeren Verhandlungen ein, als Stadtarzt nach Wesel zu kommen . Die Anwerbung verlief erfolgreich, doch nahmen die Verhandlungen einige Zeit in Anspruch . Am 1 . August 1439 machte sich eine Abordnung des Weseler Rates auf den Weg, um den neuen Medicus in Sonsbeck zu empfangen . Ob Lodewig van Diest inzwischen Bedenken hatte, sich allzu rasch in das verseuchte Wesel zu begeben, sei dahingestellt . Fest steht, dass die Delegation offenbar umsonst nach Sonsbeck gereist war . Schließlich traf der angeworbene Heilkundige erst in der zweiten Novemberhälfte in Begleitung eines größeren Gefolges in Wesel ein, zu dem auch der Ratsherr Evert Witink gehörte .289 Beispielhaft wird mit Blick auf die Rekrutierung Lodewig van Diests deutlich, dass in der Region zu dieser Zeit offenbar nur wenige gelehrte Ärzte zur Verfügung standen . Gerade in Zeiten der Pest dürfte sich eine Anwerbung schwierig gestaltet haben, zumal den Heilkundigen kein wirksames Mittel gegen die Krankheit zur Verfügung stand und das Risiko einer Ansteckung bei der Krankenbehandlung beträchtlich war . Die Schriftzeugnisse belegen, dass die Mehrheit der Ratsherren in der verseuchten Stadt ausharrte . In der zweiten Novemberhälfte lud der Bürgermeister im Gasthaus des Weinwirts Albert Monycks zu einem großen Festessen .290 Zu den Gästen zählten gemäß dem Vermerk der Rechnung neben dem Drosten und seinem Gefolge, die Schöffen, Ratsherren und voil ander gude man . Das große Bankett markiert möglicherweise das Ende des Seuchensterbens . Da in der Rechnungsnotiz stets von einem „Teil“ (een deel) der städtischen Würdenträger die Rede ist, liegt die Vermutung nahe, dass die übrigen sich entweder zur Flucht aus Wesel entschlossen hatten oder der Pest erlegen waren . Dass die Seuche auch unter den Ratsvertretern Opfer forderte, belegt das Schicksal des Bernt van Harssum, der bereits kurz nach der Ratswahl im März ver-
287 Stadtarchiv Wesel, A7 1439 . Von den vereinbarten 50 Rheinischen Gulden Jahressalär erhielt Merinchaven 1439 nur 30 . Für die zahlreichen Hinweise zu den Weseler Stadtärzten danke ich herzlich Herrn Dr . Martin Wilhelm Roelen, Stadtarchiv Wesel . 288 gorissen, Bd . 4 (1963), S . 180: toe Loeven an mr. Johan Witinch, omme to werven ende her to schicken mr. Ladewigh van Diest tot der stad medicum. 289 gorissen, Bd . 4 (1963), S . 186 . 290 roelen, Bd . 2 (1990), S . 373 u . S . 484 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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starb .291 Dass die Stadtväter eine Flucht vor der Pest missbilligten, wird in einem Eintrag der Stadtrechnung für das Jahr 1440 offenkundig . Mit der Begründung, dass seine Eltern angesichts der Seuche im Vorjahr mit ihm nach Hamm geflohen seien, verweigerten die Stadtväter einem gewissen Bernt Wijrick, am 12 . April 1440 die Aufnahme in die Bürgerschaft .292 Pfarrer Rudolf von Borgeln, der Soester Rat und die Pest des Jahres 1439 Hinweise auf ein Wüten der Pest im westfälischen Soest während des Jahres 1439 ergeben sich vor allem vor dem Hintergrund eines Konflikts zwischen dem Rat und dem Pfarrer der Petrikirche, Rudolf von Borgeln .293 Dieser beschwerte sich am 9 . August 1439 in einem Brief an die Soester Stadtväter über deren Verordnung, die Zahl der Teilnehmer an den Beerdigungen in den Kirchspielen der Stadt auf insgesamt zwölf – sechs Männer und sechs Frauen – zu begrenzen .294 Mit Blick auf das Seuchengeschehen im niederrheinischen Wesel lässt sich vermuten, dass die Pest in der Bördestadt Anfang August ihren Höhepunkt erreicht haben könnte . Der Brief belegt, dass sich der Pfarrer zu dieser Zeit nicht in der Stadt aufhielt . Vielmehr wurde das Schreiben in Köln aufgesetzt . Die Verfügung der Stadtväter zielte wohl darauf ab, größere Menschenansammlungen zu verhindern und so eine weitere Ausbreitung der Seuche zu unterbinden . Zugleich waren derlei Maßnahmen stets dazu geeignet, das Ausmaß der Sterblichkeit zu verschleiern . Immerhin wurden die wenigen Begräbnisteilnehmer nicht gewahr, wie weit sich die Reihen von Freunden und Nachbarn bereits gelichtet hatten . Der Kölner Erzbischof Dietrich von Moers teilte diesen Pragmatismus nicht und ergriff naturgemäß Partei für Rudolf von Borgeln . In seinem Schreiben an die Stadtväter unterstreicht der Oberhirte, dass die Einschränkung nicht nur der althergebrachten Gewohnheit zuwider, sondern zudem ohne Einverständnis der Geistlichkeit verfügt worden sei .295 Damit lief der Magistrat Gefahr, dass der Kirchenfürst ein Interdikt über die Stadt verhängte . Obwohl Rudolf von Borgeln offen mit dieser Möglichkeit drohte, blieb der Rat stur . Nach dem Abklingen der Seuche behielt der Magistrat die Verfügung unverändert bei . Der Konflikt schwelte mithin noch immer, so dass der Kölner Erzbischof die Streitparteien am 17 . Dezember 1440 zu weiteren Verhandlungen nach Arnsberg einbestellte .296 Wie die Auseinandersetzung schließlich beigelegt wurde, bleibt in Ermangelung entsprechender Zeugnisse offen .
291 292 293 294 295 296
gorissen, Bd . 4 (1963), S . 14 . gorissen, Bd . 4 (1963), S . 187 . Hierzu bereits JankriFt (2003), S . 207 ff . Stadtarchiv Soest, A Nr . 6769 . Stadtarchiv Soest, A Nr . 6768 . Stadtarchiv Soest, A Nr . 6770 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Die Pestwelle von 1450–1453 Zwischen 1450 und 1453 überrollte die nächste Pestwelle Westfalen und das Rheinland . Die Quellen bezeugen ihr Auftreten in Dortmund297 und Soest298 sowie in Köln, Essen299 und Wesel .300 Tiefergehende Einblicke in die spezifische Situation der einzelnen Städte und die Reaktionsmuster der Betroffenen gewähren jedoch ausschließlich Kölner und abermals Weseler Zeugnisse . Chronikfragmente aus Köln legen die Vermutung nahe, dass die große Romwallfahrt des Jahres 1450 wesentlich zur Verbreitung der Seuche beitrug .301 Anno domini 1450, so heißt es darin, magna fuit peregrinatio Romana, quoniam multi utriusque sexus accesserunt iliac pro indulgentiis, et aliqualiter in via regnavit pestilentia .302 Im Folgejahr manifestierte sich die Pest in der Rheinmetropole . Möglicherweise war die Seuche durch rückkehrende Wallfahrer oder durch Teilnehmer des Kapitels eingeschleppt worden, das Nikolaus von Kues in die Domstadt einberufen hatte . Der Kardinal hatte verfügt, dass während seines Aufenthaltes in Köln zwischen Ostern und Pfingsten alle paffschaft in dem stifte moisten kömen zo capittel aldae.303 Nach den Ausführungen der Koelhoffschen Chronik brach die Seuche zum Pfingstfest, am 13 . Juni 1451, aus und äußerte sich massiver als die vorangegangene Epidemie . Der Tod der zahllosen Erkrankten erfolgte derart schnell, dass nicht einmal Zeit zum Ausheben von Gräbern blieb.304 Stattdessen trug man die Särge an einem nicht genannten Ort zu einem groissen houfen zusammen . Demzufolge blieb man offenbar in Köln bei den üblichen Gepflogenheiten individueller Bestattungen . Andernorts wich man angesichts der hohen Sterblichkeit von Einzelbegräbnissen ab und ging aus Not dazu über, die Toten ohne Särge in Massengräbern beizusetzen . Zahlreiche Bewohner Kölns waren dem chronikalischen Bericht zufolge aus der verseuchten Stadt geflohen . Der Rat bediente sich abermals der bereits erprobten Formen religiöser Katastrophenbewältigung . Er verständigte sich mit dem Klerus auf die Durchführung von Buß- und Bittprozessi297 Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 323 . 298 Stadtarchiv Soest, A Hs 82 Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 329 . 299 Wagner (1922), S . 28 . 300 In Münster lässt sich ein Ausbruch der Seuche zwischen 1450 und 1453 nicht in den Quellen belegen . Ein Kausalzusammenhang zwischen der Anwesenheit von Ärzten in Münster und dem lokalen Pestgeschehen, den Bulst (1989), S . 44 f . zieht, ist in der Überlieferung nicht erkennbar . Zur Erwähnung der Ärzte vgl . Arnd Bevergern’s münsterische Chronik (1851), S . 267: mester Johann, 301 Kay Peter JankriFt, Schwarzer Tod und „Großes Sterben“ . Seuchen im spätmittelalterlichen Köln, in: Geschichte in Köln 51 (2004), S . 9–22 . 302 Lateinische Chroniken Fragmente 1332–1488, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins16 . Jahrhundert Bd . 13 . Die Chroniken der niederrheinischen Städte Bd . 2: Köln, Bearb . Hermann cardauns, Leipzig 1876 [Göttingen 1968], S . 200 . 303 Koelhoffsche Chronik (1877), S . 795 . creutZ (1933), S . 91 . Die Münstereifeler Chronik (1864), S . 202 verlegt den Ausbruch der Pest in Köln auf die Monate zwischen März und November 1450 . 304 Koelhoffsche Chronik (1877), S . 795 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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onen am 9 . August sowie am 29 . September, dem Michaelistag . Das Sterben hatte zu dieser Zeit seinen Höhepunkt erreicht . Die Angaben des Geschichtsschreibers zum Verlauf der Seuche werden durch einen Brief vom 22 . September 1451 bestätigt . Mit dem Schreiben bat der Pfarrer von St, Alban den Kölner Magistrat um die Erlaubnis, den Kirchhof zu erweitern .305 Erst um das Weihnachtsfest ließ das Seuchensterben spürbar nach . Offenbar hatten viele Kölnerinnen und Kölner ihre Ehepartner verloren . Jedenfalls verzeichnen die Chronisten für das Folgejahr der Epidemie eine ungewöhnlich hohe Zahl von Eheschließungen, zomail vil wedeman und wedewen van dem sterven kömnen .306 In den Kölner Quellen werden erstmals Auswirkungen des Seuchengeschehens auf die innerstädtische Ordnung und Moral greifbar . Während die Pest in der Stadt tobte, erhöhte sich offenbar die Zahl der Gewaltdelikte .307 Über 24 oder 26 Menschen seien zu dieser Zeit in Köln erstochen worden, notierte der Verfasser der Koelhoffschen Chronik .308 Ein Fuhrmann wurde beim Eigelstein ermordet . Zu den Mordopfern, die der Geschichtsschreiber eigens erwähnt, zählte auch ein Gelehrter . Dessen Mörder wurde gefasst und mit dem Schwert enthauptet . Ein Beispiel aus Dortmund veranschaulicht, in welcher Weise sich der Ausbruch einer Seuche auf die Stimmungslage der Stadtbevölkerung auswirken konnte . Der Glaube an die Existenz unheilvoller magischer Kräfte hatte angesichts des Massensterbens Konjunktur und gipfelte in der Verfolgung vermeintlicher Hexen .309 Dem Bericht des Dietrich Westhoff zufolge, wurde in der westfälischen Reichsstadt 1451 eine Frau der Zauberei beschuldigt und nach dem Urteilsspruch lebendig unter dem Galgen begraben .310 Hinweise auf ein neuerliches Aufflammen der Pest am Niederrhein oder deren endemischer Fortdauer ergeben sich für die Jahre 1451 und 1453 in Wesel .311 Wie schon während der Epidemie von 1439 verzeichnet die Stadtrechnung im Sommer 1453 Ausgaben für eine Sakramentstracht wegen der Pest . Diese war zugleich mit einer Verteilung von Almosen an die Armen verbunden .312 Weitere Ausgabeposten sprechen dafür, dass sich die Weseler 305 Koelhoffsche Chronik (1877), S . 796 Anm . 2 . 306 Koelhoffsche Chronik (1877), S . 796 . Lateinische Chronikenfragmente (1876), S . 200 . Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 323 . 307 Eine Betrachtung der Strukturen dieses Phänomens, wenngleich mit Bezug auf spätere Jahrhunderte liefert Alessandro pastore, Crimine e Guistizia in tempore di Peste nell’Europa Moderna, Rom 1991 . 308 Koelhoffsche Chronik (1877), S . 792 . 309 Für Beispiele aus anderen Regionen vgl . Joseph Hansen (Hrsg .), Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter . Mit einer Untersuchung zur Geschichte des Wortes Hexe von Johannes Franck, Bonn 1901 [Neudruck: Hildesheim 1963] . Besonders Nr . 74, S . 559 ff . zum Fall von fünf Frauen, die nach der Beschuldigung, durch Hexerei eine Epidemie in der Stadt ausgelöst zu haben, im südwestfranzösischen Marmande an der Garonne 1453 auf Drängen der Bevölkerung verbrannt wurden . 310 Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 323 . 311 Stadtarchiv Wesel, A7 1451, fol .34r . 312 Stadtarchiv Wesel, A7 1453, fol .37r .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Stadtväter aktiv um eine Eindämmung der Seuche bemühten . Teil dieser Bemühungen war der Versuch, die nach zeitgenössischen Vorstellungen gesundheitsgefährdenden Miasmen zu verringern . Entsprechend ließ der Magistrat im September 1453 umfangreiche Reinigungsarbeiten am Klostertor durchführen .313 Darüber hinaus weist die Stadtrechnung mehrere Zahlungen an den Wundarzt Meister Diedrich für die Behandlung eines Kranken im Hause des Henrich Oppen aus .314 Im nämlichen Jahr stand zudem ein Stadtarzt namens Johann Stueck in den Diensten des Rates, der einen Grundlohn von 20 Rheinischen Gulden erhielt .315 Die Apotheke wurde noch immer von demselben Meister Johannes geführt, der bereits während der Epidemie des Jahres 1439 Arzneien für die Armen gemäß dem herzoglichen Pestrezept zubereitet hatte .316 Insgesamt zeugen die obrigkeitlichen Maßnahmen davon, dass der Weseler Rat während der ersten Hälfte des 15 . Jahrhunderts seine Anstrengungen zur Seuchenprophylaxe und -bekämpfung verstärkte . Dabei wurden die bereits traditionellen religiös fundierten Bewältigungsstrategien durch pragmatisches Handeln ergänzt . Schwelbrand Die Überlieferung vermittelt den Eindruck, dass es während der 1460er Jahre in einigen westfälischen und rheinischen Städten vor allem zu lokalen Seuchenausbrüchen kam . Stichhaltige Belege für eine zusammenhängende, über Westfalen und das Rheinland hinwegbrandende Pestwelle finden sich für dieses Jahrzehnt in den Quellen nicht . Im Jahre 1463 grassierte das „Große Sterben“ in Paderborn und forderte unter der Ritterschaft des Hochstifts erneut Opfer .317 Auch in Soest flammte die endemisch schwelende Pest mit Mortalitätsspitzen zwischen 1463 und 1468 abermals auf . Das Ratsprotokollbuch vermerkt hierzu im November 1468, dass sich das sterven der pestilencie bynnen Soist über mehr als fünf Jahre hinzog, bevor die Pest nach dem Martinstag endlich abebbte .318 Möglicherweise leistete während des Zeitraumes von 1463 bis 1468 Auszehrung durch Hunger unter der ärmeren Bevölkerung der Bördestadt in besonderer Weise Vorschub für die Verbreitung von Infektionskrankheiten . Immerhin bezeugen die Ratsprotokolle mindestens zwei Missernten 1464 und 1468 in Folge von langanhaltender Trockenheit oder Dauerregen .319
313 Stadtarchiv Wesel, A7 1453, fol .32v . 314 Stadtarchiv Wesel, A7 1453, fol .31r . Am 10 . November 1461 befreite der Weseler Rat Meister Diedrich und den Stadtphysicus Gerit von Rittersbeeck vom Stadtdienst . Stadtarchiv Wesel Al, Caps . 345/347 Nr . 7, fol .12r . 315 Stadtarchiv Wesel, A7 1453, fol .42r . 316 Stadtarchiv Wesel, A7 1453, fol .43r . 317 Dietrich von Engelsheym, Liber dissencionum (1893), S . 8 ff . scHoppmeyer (1999), S . 300 . JankrtFt (1998A), S . 95 . ricHter, Bd . 1 (1899), S . 113 . 318 Soester Stadtbücher (1895), S . 56 . 319 Soester Stadtbücher (1895), S . 51 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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Köln wurde 1464 von der Pest heimgesucht . Lässt sich der genaue Zeitpunkt des Ausbruchs in der rheinischen Großstadt nicht ermitteln, so steht doch fest, dass das Seuchengeschehen dort nicht so lange andauerte wie in Soest . Um den Jahreswechsel scheint die Gefahr vorüber gewesen zu sein . Am 22 . Januar 1465 forderte die Universität zwei ihrer Dozenten, den Angehörigen der Medizinischen Fakultät Heinrich von Tegelen und den Theologen Laurentius de Groningen, zur unverzüglichen Rückkehr nach Köln auf .320 Andernfalls werde man ihren Studenten keine Zeiten oder Formalien in Anrechnung bringen und ihnen selbst ihr Stimmrecht in der Fakultät oder Universität für die Dauer eines Jahres entziehen . Aus dem Dokument geht hervor, dass die Alma Mater mit ihrer unmissverständlichen Anordnung auf die Klage der übrigen Bursen reagierte, die den wiederholten Aufforderungen der Artistenfakultät Folge geleistet hatten und zurückgekehrt waren . Das weitere Ausbleiben von Mitgliedern des universitären Lehrkörpers, so hatten diese vorgebracht, nähre den Verdacht, dass die Pest noch immer in Köln grassiere . Wie folgenreich sich allein ein Pestverdacht oder -gerücht angesichts der Furcht vor Ansteckung mit der tödlichen Krankheit vor allem in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht auf ein Gemeinwesen auswirken konnte, deutet sich in diesen Ausführungen bereits an . Obwohl fragmentarische Ausschnitte aus dem Schriftverkehr der Kölner Universität vorliegen, bleibt das Ausmaß des Sterbens in der Stadt unbekannt . Die lokale Historiografie nahm von diesen Ereignissen abermals keine Notiz . Ein Resultat des neuerlichen Pestgeschehens zeigte sich im Sommer des Jahres 1466 . Am 31 . Juli beschloss die Artistenfakultät die Einrichtung eines Hauses, in dem infecti scolares in Seuchenzeiten untergebracht werden konnten .321 Elf Betten sollten darin für die Versorgung pestkranker Studenten zur Verfügung stehen . Ferner war vorgesehen, eine dauerhaft im Haus wohnende Frau mit der Pflege der Infizierten zu betrauen . Erfuhr der Plan zunächst keine Umsetzung in die Praxis, so nahm die Fakultät den Gedanken einer eigenen Institution zur Unterbringung ihrer seuchenkranken Angehörigen vor dem Hintergrund der in zusehends dichter Folge auftretenden Epidemien zum Ende des 15 . Jahrhunderts erneut auf . In Duisburg äußerte sich die Pest den Ausführungen des Johanniters Johann Wassenberch zufolge 1467 .322 Wassenberch, Augenzeuge des Geschehens, bemerkt, dass sämtliche Vertreter der Obrigkeiten die verseuchte Stadt verließen . Im gleichen Jahr trat die Seuche vielleicht auch in Aachen auf . In der städtischen Ausgabenrechnung für 1467/1468 wird der Jahreslohn für einen namentlich nicht genannten Barbier erwähnt, ohne jedoch dessen Dienste zu spezifizieren .323 Da sich die Reichsstadt bereits mehr als ein Jahrhundert 320 keussen (1918), S . 175 . Hierzu creutZ (1933), S . 91 . 321 creutZ (1933), S . 112 . 322 Hierzu ausführlich mit einer Diskussion zur Überlieferungstradition der Nachrichten über den Duisburger Seuchenausbruch des Jahres 1467 HoFius (1971), S . 184, besonders Anm . 32 . 323 Stadtarchiv Aachen, RA I J .45, fol .24v: dem bartscherer vur synen Jair loen xii m.
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
zuvor einen Stadtarzt und zeitweise zusätzlich noch einen als chirurgicus bezeichneten städtischen Wundarzt leistete, könnte die Anstellung eines Barbiers in Zusammenhang mit einem Auftreten der Pest stehen . Die gezielte Rekrutierung von Angehörigen der sogenannten niederen Heilberufe324 zur Betreuung Pestkranker ist auch in anderen Städten während der zweiten Hälfte des 15 . Jahrhunderts nachweisbar . Schließlich scheint die Seuche 1469 in Wesel spürbar gewesen zu sein, wie aus einem entsprechenden Eintrag in der Stadtrechnung hervorgeht .325 In unveränderter Weise setzte sich das Pestgeschehen nach 1470 fort . Im Sommer 1472 brach die Seuche abermals in Köln aus, ohne jedoch Spuren in der lokalen Geschichtsschreibung zu hinterlassen . Das universitäre Schriftgut erlaubt den Schluss, dass es infolge der Pest einmal mehr zu einer großen Fluchtbewegung aus der Stadt kam . So waren beispielsweise in der Kronenburse über die Sommermonate nur vier bis sechs Personen verblieben .326 Daneben lassen sich jedoch während des 15 . Jahrhunderts in Köln durchgängig Bemühungen zu einer medizinischen Auseinandersetzung mit der Pest erkennen . Dies dokumentieren diverse Traktate und Rezepte in zeitgenössischem lokalem Gebrauch,327 von denen zumindest einige auch in Rheinland-Westfalen entstanden sind . Zu diesen zählt etwa der Modus praeseruandi a peste aus der Feder des Theodericus von Meschede .328 Neben ärztlichen Verhaltensempfehlungen und Anleitungen zur Herstellung von Arzneien gegen die Pest, beschäftigte man sich weiterhin damit, die Ursachen zur Entstehung der Seuche zu erklären . In einem Traktat unter dem Titel Ad evidendam miseram et timorosam pestilentiam, der sich in einem medizinischen Sammelwerk aus dem Minoritenkloster erhalten hat, wird diesbezüglich auf die etablierte Miasmentheorie zurückgegriffen .329 Der Blick des anonymen Verfassers scheint durch den Eindruck der häufig wiederkehrenden Massensterblichkeit zusätzlich beeinflusst gewesen zu sein . Er habe gesehen, so betont er, dass die Verderbnis der Luft aus den Leichen von Mensch und Tier herrühre . Daraus schließt er: Ex quibus fit pestilentia. Inwieweit die im Rahmen solcher theoretischen Schriften gegebenen Anweisungen eine praktische Umsetzung in Köln erfuhren, bleibt allerdings gänzlich im Verborgenen . In anderen Städten des Rheingebiets wütete die Seuche 1472 ebenfalls . So schrieb Herzog Gerhard I . von Jülich-Berg am 8 . Juni des nämlichen Jahres aus Bensberg an den Kölner Erzbischof Ruprecht von der Pfalz, dass die Bera324 Zu deren gesellschaftlicher und sozialer Stellung Robert Jütte, Bader, Barbiere und Hebammen . Heilkundige als Randgruppen, in: Hrsg . Bernd-Ulrich Hergemöller, Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, Warendorf 21994, S . 89–120 (mit umfangreichen Literaturangaben) . Hans-Peter Baum, Barbier, in: LexMA, Bd . 1, München/Zürich 1980, Sp .1444–1445 . Vgl . ferner Sabine sander, Handwerkschirurgen . Sozialgeschichte einer verdrängten Berufsgruppe (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 83), Göttingen 1989 . 325 Stadtarchiv Wesel, A7 1469, fol .26r . 326 keussen (1918), S . 205 . 327 Etwa Historisches Archiv der Stadt Köln, Hs W 279 und Hs GB 4° 27, fol .31r–34v . 328 Historisches Archiv der Stadt Köln, Hs GB 4° 27, fol .32r . 329 Historisches Archiv der Stadt Köln, Hs GB 4° 84, fol .49r .
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tungen mit den Prälaten und Ständen nicht wie vorgesehen in der Stadt Jülich stattfinden könnten, da dort wie auch zo Düren und vort gemeynlich in unser lande van Guylich die pestilentie leyder regiert.330 Im Frühjahr 1473 traf die Pest das westfälische Soest . Abermals haben sich in der Stadt mit Ausnahme der lakonischen Notiz des Ratsprotokolls, dass das Massensterben zum Martinstag abflaute, keine Nachrichten über den Seuchenalltag oder Reaktionen von Obrigkeiten und Einwohnerschaft erhalten .331 Nicht besser steht es um die Überlieferung in Minden, das 1473 ebenfalls von der Seuche heimgesucht wurde . Die einzige Mitteilung über das Auftreten der Pest in der Stadt an der Weser liefert die Chronik des Mauritiusklosters .332 Einer ihrer Verfasser, der Abt Bernhard, berichtet darin, dass auch er von der Krankheit befallen wurde . Das wohl früheste Selbstzeugnis einer überstandenen Pesterkrankung in Westfalen geizt allerdings mit Details . Verlauf und Auswirkungen der Seuche in der Stadt bleiben ebenso unerwähnt wie die Situation im Kloster selbst oder das Verhalten des Konvents während der Erkrankung ihres Oberhaupts . Ob und in welcher Weise dem Abt die Pflege seiner Mitbrüder oder gar medizinische Versorgung zuteilwurde, verschweigt der Chronist, Der Ausbruch der Pest in Köln und im Jülichschen sowie ihr nahezu gleichzeitiges Wüten in Minden und Soest im darauffolgenden Jahr geben zwar Anlass zu der Vermutung, dass sich die Seuche zwischen 1472 und 1473 in weiteren westfälischen oder auch rheinischen Städten äußerte . Jedoch macht die Quellenlage zuverlässige Aussagen über die regionale Verbreitung der Seuche einmal mehr unmöglich .333 Deutlich wird indes, wie das stetige Pestgeschehen seit den 1470er Jahren auf lokaler Ebene zu einer weiteren Institutionalisierung innerhalb des seuchenbedingten Reaktionsspektrums führte .334 Die Gründung der Aegidii-Elende in Münster Am 11 . Januar 1474 verkauften Johan van Lubbeke und seine Ehefrau Femme vor dem Stadtrichter Bertold Bischopinck den als hantgetruwe des verstorbenen Machorius Veghesack wirkenden Conrad Polman, Berndt Ha330 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf Jülich-Berg, Akten I, Nr . 455 . 331 Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 329 . Soester Stadtbücher (1895), S . 51 . 332 Chronicon Monasterii SS . Mauritii et Simeonis Mindensis . Die Chronik des Stiftes ss . Mauritii et Simeonis zu Minden, Hrsg . Carl Ludwig groteFend, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen Jg .1873 (1874), S . 145–178 . Leopold scHütte, MindenBenediktiner, in: Hrsg . Karl Hengst, Westfälisches Klosterbuch . Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung, Teil 1, Münster 1992 . S . 613–619 . 333 Zwar lassen etwa die während des fraglichen Zeitraums in Essen im Rahmen städtischer Statuten formulierten Anordnungen zur Straßenreinigung und Abwasserbeseitigung einen Zusammenhang mit einem vorausgegangenen, aktuellen oder befürchteten epidemischen Geschehen in der Stadt vermuten, doch fällt hierfür jeder zwingende Beleg . BüscHer (1926), S . 219 . reicHert (1992), S . 143 . 334 Die Ausführungen von Bulst (1985), S . 261 zur Entstehungszeit von Institutionen zur Aufnahme Pestkranker in niedersächsischen Städten untermauern diese Feststellung .
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gedorn, Johan Plönies und Johann Totter ein im Aegidii-Kirchspiel zwischen den Häusern der Else tor Helle und des Willebrant Voghet gelegenes, vormals dem Johann Koepman gehöriges Haus .335 Gemäß dem letzten Willen Veghesacks, der als Amtmann des Magdalenenhospitals bezeugt ist,336 sollten die vier Testamentsvollstrecker für die Einrichtung einer Institution to troeste armer ellendiger, verlaten lüde de in pestilencie befallen und nyne eighen husynge en heb[e]n, dan dar Inn kranck to bedde to liggen Sorge tragen . Das Testament Veghesacks, das möglicherweise Aufschluss über die Umstände seines Ablebens gegeben hätte,337 ist nicht erhalten . Ebenfalls unbekannt bleibt der genaue Zeitpunkt seines Todes, doch ist es mit Blick auf das Ausstellungsdatum der kurz nach dem Jahreswechsel 1474 aufgesetzten Kaufurkunde wahrscheinlich, dass der Testator irgendwann im Laufe des Jahres 1473 starb . Die Umsetzung der testamentarischen Verfügungen dürfte eine gewisse Zeit in Anspruch genommen haben . Immerhin mussten Veghesacks hantgetruwe zunächst ein Grundstück finden und erwerben, das zur Einrichtung eines Pesthauses geeignet schien . Dieser Prozess nahm mindestens einige Wochen, wenn nicht gar Monate in Anspruch . Kaum beantworten lässt sich die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Testamentsvollstrecker angesichts der späteren Zweckbestimmung des Hauses bei der Auswahl eines Kaufobjekts auf den Widerstand besorgter Nachbarn stießen .338 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das Münsteraner Pesthaus trotz des durch den Transport von Kranken und Leichen automatisch gegebenen Gefahrenpotentials innerhalb der Stadtmauern entstand . Eine Quarantänefunktion kam der Institution mithin nicht zu .339 Die Errichtung des Hauses im Aegidii-Kirchspiel scheint eher zufällig erfolgt zu sein und nicht auf einer Testamentsklausel zu beruhen, zumal sich keinerlei Verbindungen zwischen Veghesack und dieser Lokalität ergeben .340 Über die Hintergründe der Stiftung, die auf private Initiative und nicht als Maßnahme der städtischen Obrigkeiten erfolgte, sind unterschiedliche Vermutungen geäußert worden . So hat Ulrich Winzer betont, zwischen der Grün335 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Aegidii-Elende, Urk .3 . 336 Paul gärtner, Das Magdalenenhospital zu Münster i . W . im Mittelalter . Ein Beitrag zur Geschichte des Armenwesens, Phil . Diss ., Münster 1922, Anhang . WinZer (1996), S . 244 . Zu den Amtmännern des Magdalenenhospitals auch Barbara krug-ricHter, Zwischen Fasten und Festmahl . Hospitalverpflegung in Münster 1540 bis 1650 (= Studien zur Geschichte des Alltags 11), Münster 1994, S . 45 . 337 Vgl . hierzu beispielsweise Historisches Archiv der Stadt Köln, Testamente 3/B 1066; Testamente 3/D 230; Testamente 3/A 195; Testamente 3/B 280; Testamente 3/D 54; Testamente 3/H 522 . 338 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Elende Aegidii, Urk .3 belegt, dass man sich der Gefahren des Transports Pestkranker zu den Elenden durchaus bewusst war, der unter der Einwohnerschaft vom Durchzug betroffener Kirchspiele Angst auslöste . Druck bei Huyskens (1905), Nr . 3 . 339 Beispiele für Planung und Einrichtung von Pesthäusern außerhalb der Stadtmauern (zumeist aus späterer Zeit) liefert mit Abbildungen etwa Wilderotter (1995), S . 39–45 . 340 WinZer (1996), S . 244 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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dung der sogenannten Aegidii-Elende341 und dem Ausbruch einer Epidemie bestehe kein erkennbarer Zusammenhang .342 Gestützt auf die Ausführungen Heinrich Dormeiers argumentiert er, dass „man sich der Bedrohung durch die Pest ständig bewusst war“, was selbst ohne konkreten Anlass initiativ auf die Errichtung eines Pesthauses gewirkt haben könne .343 Weyand und Hövel nehmen hingegen ohne Beleg und ohne Berücksichtigung der zur Ausführung der Testamentsbestimmungen nötigen Zeit ein Auftreten der Pest in Münster während der Jahre 1474 oder 1475 an .344 Indes wirft das sowohl in anderen westfälischen und rheinischen Städten als auch in Gemeinwesen benachbarter Regionen345 für 1473 nachweisbare Auftreten der Seuche neues Licht auf den Entstehungsprozess dieser ersten Münsteraner Elende . Die Stiftung der Einrichtung war weder eine Spontanreaktion auf ein 1474 oder 1475346 aufgetretenes Seuchenproblem noch ein gänzlich von der aktuellen Situation losgelöster Akt, sondern unmittelbare Folge des vorangegangenen Pestgeschehens von 1473 . Der vergleichende Blick über die Grenzen Westfalens hinaus belegt, dass die Entstehung eines solchen Hauses im nördlichen Reichsgebiet während der letzten Dekaden des 15 . Jahrhunderts keineswegs als singuläres Phänomen gelten kann . In Braunschweig beispielsweise, wo die Seuche im Spiegel der Überlieferung gut dokumentiert ist, wurde mit dem sogenannten St .-Alexius-Haus noch im gleichen Jahr eine ähnliche Einrichtung ins Leben gerufen .347 Die in Minden und Soest zweifelsfrei belegte Pest erfasste im Laufe des Jahres 1473 angesichts der intensiven interkommunalen Kontakte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Münster . Als Amtmann des Magdalenenhospitals war Veghesack mit den Problemen institutioneller Fürsorge vertraut . Vielleicht war ihm die Notwendigkeit zur Schaffung einer speziellen Einrichtung zur Versorgung Seuchenkranker, die sich im Jahr seines Todes in Münster erneut manifestierte, dadurch in besonderer Weise bewusst . Ob er gar selbst ein Opfer der Pest 341 Die in Münster „Elenden“ genannten Hauser zur Aufnahme Seuchenkranker sind nicht zu verwechseln mit den gleichnamigen Einrichtungen zur Beherbergung bedürftiger Fremder, die in zahlreichen Städten belegt sind! Hierzu moeller (1906), S . 146 ff . 342 WinZer (1996), S . 243 Anm . 6 . 343 Heinrich dormeier, St . Rochus, die Pest und die Imhoffs in Nürnberg vor und nach der Reformation . Ein spätgotischer Altar in seinem religiös-liturgischen, wirtschaftlich-rechtlichen und sozialen Umfeld, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1985, S . 33 . 344 Weyand (1983), S . 28 . Ernst Hövel, Zur Bevölkerungsgeschichte Münsters im 16 . und 17 . Jahrhundert, Hrsg . Wilhelm tack, Festgabe für Alois Fuchs zum 70 . Geburtstage am 19 . Juni 1947, Paderborn 1950, S . 480 . 345 Bulst (1985), S . 260 . BiraBen (1975), S . 410 . Eine detailreiche Schilderung des Pestgeschehens von 1473 liegt etwa für das bei Zwolle gelegene Kloster Sint-Agnietenberg vor . Vgl . De Kroniek van Thomas van Kempen, in: Hrsg . Udo de krudt, Jeroen kummer, Freek pereBoom, Een klooster ontsloten . De kroniek van Sint-Agnietenberg bij Zwolle door Thomas van Kempen in vertaling en met commentaar, Kämpen 2000, S . 196 f . 346 Für diese Jahre ließ sich nirgends in Westfalen oder dem Rheinland ein Auftreten der Pest nachweisen! 347 Bulst (1985), S . 261 .
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wurde, was im Hinblick auf den vermuteten Zeitpunkt seines Ablebens und den Inhalt seines Testaments nicht ausgeschlossen werden kann, muss in Ermangelung geeigneter Dokumente allerdings Spekulation bleiben . Die endgültige Umsetzung von Veghesacks letztem Willen war jedenfalls – wie auch Winzer hervorhebt – ein längerer Prozess, der in seiner Entwicklung zwar nicht vor dem 11 . Januar 1474 fassbar wird,348 der jedoch bereits 1473 begann . Am 6 . März 1475, mehr als ein Jahr nach dem Ankauf des Grundstücks im Aegidii- Kirchspiel, fand der Stiftungsakt der neuen Institution in der Bestätigung durch Bürgermeister und Rat seinen jurisdiktionellen Abschluss .349 Die Klauseln der Urkunde lieferten die normativen und administrativen Grundlagen zur Inbetriebnahme der Einrichtung . Sie spezifizierten zuvorderst die Zweckbestimmung der Institution und weichen darin von den allgemeineren Formulierungen des Schriftstücks ab, welches anlässlich des Grunderwerbs ausgefertigt wurde . War darin ohne nähere Erläuterung von bedürftigen Pestkranken die Rede, so erscheint die Gruppe der Versorgungsberechtigten in der obrigkeitlichen Bestätigung auf die armen ellenden knechte und meghde in der Stadt eingegrenzt, die von der pestilencien off ander beklyveden zuken befallen werden. Nicht nur Pestkranke, sondern auch solche, die an anderen tatsächlich oder vermeintlich ansteckenden Krankheiten litten, sollten demnach Aufnahme in der Aegidii-Elende finden . Welche Überlegungen die Beschränkung des Versorgungsangebots auf eine bestimmte Personengruppe leiteten, geht aus keinem der im Zusammenhang mit der Gründung des Hauses aufgesetzten Schriftstücke hervor und lässt sich mithin nur vermuten . Da die Einrichtung der Aegidii-Elende nach einem für diese Zeit in nordwestdeutschen Städten gewöhnlichen Stiftungsmuster erfolgte,350 dürfte der traditionelle karitative Gedanke grundlegend gewesen sein, dass mildtätige Gaben den Armen, nicht aber den Vermögenden zufließen sollten . Dem Umstand, dass Wohlhabende im Falle einer Pesterkrankung nicht unbedingt auf die Hilfe von Dienerschaft, Angehörigen oder gar Ärzten zählen konnten, genauso sich selbst überlassen blieben und die Krankheit weitergaben, wird offenbar keine Rechnung getragen . Die Einrichtung der Elende zielte demnach weniger auf den seucheneindämmenden Effekt der Zusammenlegung Kranker an einem Ort ab . Vielmehr diente sie dazu, den Rahmen für ein nach zeitgenössischen religiösen Vorstellungen angemessenes Sterben zu schaffen . Dennoch wird auch 348 WinZer (1996), S . 243 . 349 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Elende Aegidii, Urk . 3a . Druck bei Huyskens (1905), Nr . 1 . 350 Vgl . beispielsweise die Beiträge bei Thomas scHilp (Hrsg .), Himmel, Hölle, Fegefeuer . Jenseitsvorstellungen und Sozialgeschichte im spätmittelalterlichen Dortmund (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Dortmund 12), Essen 1996 . Franz-Josef JakoBi, Hannes lamBacHer u . a . (Hrsg .), Stiftungen und Armenfürsorge in Münster vor 1800 (= Studien zur Geschichte der Armenfürsorge und der Sozialpolitik in Münster 1 . Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, N . F . 17/1), Münster 1996 . Den Rechtsrahmen verdeutlicht grundlegend Siegfried reicke, Stiftungsbegriff und Stiftungsrecht im Mittelalter, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 53 (1933), S . 247–276 .
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eine Reihe pragmatischer Erwägungen die Festlegung auf den gewählten Kreis der Versorgungsberechtigten beeinflusst haben . Die Erkrankung eines Knechts oder einer Magd gefährdete den gesamten Haushalt zwar nicht mehr als die des Hausherrn, doch gestaltete sich die Bewältigung des Problems grundlegend unterschiedlich . Oftmals verweigerten weltliche wie geistliche Herren aus Angst vor Ansteckung eine häusliche Versorgung ihrer kranken Dienerschaft . Selbst wenn manche Herrschaften mitsamt Familienangehörigen und Gesinde aus der verseuchten Stadt flohen,351 war ihnen zweifelsohne daran gelegen, dass in ihren Häusern kein sterbendes Dienstpersonal zurückblieb . Immerhin konnte das zur Prophylaxe übliche Räuchern der Wohnräume352 nur auf diese Weise ohne Beeinträchtigung bis zur Rückkehr der Hausherren geschehen . Während ein Hausbesitzer oder seine Angehörigen im schlimmsten Fall alleingelassen, aber nicht ohne Obdach starben, zog die Infizierung mit einer gefährlichen Krankheit für einen Knecht oder eine Magd häufig die Verstoßung durch den Dienstherrn nach sich .353 Verschiedene Formulierungen in den Urkunden, die das Stiftungsgeschehen der Aegidii-Elende dokumentieren, deuten auf diesen Zusammenhang hin .354 Obdachlose, gewissermaßen auf der Straße sterbende Pestkranke bedeuteten für die Allgemeinheit aber in jedem Fall eine nicht zu unterschätzendes Ansteckungsgefahr, der die Gründung des Hauses schon angesichts seiner beschränkten Versorgungsmöglichkeiten wahrscheinlich nur punktuell begegnen konnte . Im Gegensatz zu den drei weiteren, später entstandenen Elenden Münsters erstreckte sich das Einzugsgebiet dieses ersten Seuchenspitals zunächst nicht nur auf das Aegidii-Kirchspiel, sondern auf das gesamte Stadtgebiet .355 Dieser Umstand liefert die Erklärung für die im Vergleich mit den übrigen Institutionen entsprechenden Typs in Münster größere Aufnahmekapazität .356 Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass der Testator in seinem letzten Willen genaue Versorgungszahlen festlegte . Über wie viele Betten die Aegidii-Elende bei ihrer Einrichtung verfügte und wie viele Kranke in einer Bettstatt Platz fanden, geht aus der Fundationsurkunde dementsprechend nicht hervor . Anhand eines am 29 . Juli 1523 in obrigkeitlichem Auftrag durch den Notar Albert Lepeler erstellten Inventars aller Klenode und allerleye Hussgereit wird er351 Die ausführliche Darstellung im Kölner Buch Weinsberg belegt für den Beginn des 16 . Jahrhunderts, dass Herren ihr Gesinde auf der Flucht durchaus mitnahmen . Inwieweit die geschilderten Verhältnisse eine Ausnahme oder den Regelfall darstellen bleibt jedoch unklar . Das Buch Weinsberg . Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16 . Jahrhundert, Bd . 1, Hrsg . Konstantin HöHlBaum (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 3), Leipzig 1886, S . 63 . 352 Bergdolt (2017), S . 27 f . Ein Praxisbeispiel aus dem Köln des 16 . Jahrhunderte liefert das Selbstzeugnis des Hermann Weinsberg . Vgl . Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 156 . 353 Bulst (1985), S . 261 . 354 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Elende Aegidii, Urk .3: nyne eighen Husynge. Huyskens (1905), Nr . 1: dat men eyn herberghe, tovlucht und waringe mochte hebn vor soliche krancken. 355 WinZer (1996), S . 244 f . 356 Ausführlich WinZer (1996), S . 281 ff .
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sichtlich, dass das Haus zu diesem Zeitpunkt über insgesamt 28 Bettstätten unterschiedlicher Größe verfügte .357 Trotz des für Pestkranke – von Ausnahmen abgesehen – vorauszusetzenden schnellen Todes und des daraus resultierenden raschen Wechsels der Belegung sowie vielleicht der Nutzung einer Bettstelle durch mehrere Infizierte, dürfte der Versorgungsbedarf die zur Verfügung stehenden Kapazitäten zumeist übertroffen haben .358 Traten Bürgermeister und Rat bei Ankauf und Einrichtung des Hauses noch nicht in offizieller Funktion in Erscheinung, so garantierten sie in der umfangreichen Gründungsurkunde als dauerhafte Institutionen mit ihrer Bestätigung des Stiftungsakts unter gleichzeitiger Befreiung von allen städtischen Diensten und Lasten – ghelick hospitalen van solchen armen, ellendigen krancken gebort – das vom Stifter auf ewige Zeiten gewünschte, ordnungsgemäße Fortbestehen der Elende über das Ableben der hantgetruwen hinaus .359 Inwieweit sich einzelne Mitglieder des Rates bereits davor als Privatpersonen im Kreis der guden lüde, gheistlick und weltlick, engagierten, durch deren Gaben die notwendigen baulichen Maßnahmen finanziert wurden, lässt sich nicht feststellen . Mit der obrigkeitlichen Bestätigung der Aegidii-Elende endete das Wirken der Testamentsvollstrecker Polman, Hagedorn, Plönies und Totter keineswegs . Vielmehr spielten sie eine gewichtige Rolle für die Aufstellung der im Rahmen der Gründungsurkunde festgesetzten ersten Statuten und die anfängliche Verwaltung des Seuchenspitals, das nach dem Bekunden der Urkundenaussteller künftig den Namen hus der barmherticheit tragen sollte . Bis zu ihrem Tode genossen diese vier, die in dem Schriftstück auch die eirsten hueshodere genannt werden, neben dem Rat Entscheidungsrecht bei der Einsetzung der zwei Provisoren, die künftig die administrativen Geschicke der Elende lenkten . Die Provisoren kontrollierten den rechtmäßigen Betrieb der Einrichtung . Wie in anderen karitativen Institutionen bestand ihre Hauptaufgabe in der Regelung aller finanziellen Belange des Hauses . Im Falle der Aegidii-Elende erwuchs daraus unter anderem die Verpflichtung zur Aufstellung von Inventaren als Grundlage einer jährlichen Kontrolle der institutionseigenen Klein357 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Elende Aegidii, Urk .6 . 358 Neben bildlichen Darstellungen spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Hospitäler, die mehrere Kranke in einem Bett zeigen, existieren auch Zeugnisse für Einzelbelegungen . Hierzu mit einem Kölner Beispiel Jütte (1991), S . 64 . Abbildungen bei Dieter Jetter, Das europäische Hospital . Von der Spätantike bis 1800, Köln 1986, S . 50 f ., S . 193 u . S . 195 und Hans Peter duerr, Nacktheit und Scham . Der Mythos vom Zivilisationsprozeß, Frankfurt am Main 1988, Nr . 121, Nr . 123 u . Nr . 124 . Das sogenannte Statutenbuch der Lazariterniederlassung im schweizerischen Seedorf legte im Rahmen seiner am Beginn des 14 . Jahrhunderts durch den Komtur Siegfried von Schlatt gesetzten Ordnung für das Haus fest, dass jedem Kranken sogar ein zweites Bett samt Zubehör zur Verfügung stehen sollte . Hierin deutet sich an, dass im Umgang mit (bestimmten) Infektionskranken – in diesem Falle Leprakranken – zumindest bisweilen andere Maßstäbe galten, als bei der Versorgung nichtinfektiöser Patienten . Vgl . Die ältesten Statuten für die Lazariterklöster Seedorf, in Gfenn und in Slatte, in: Der Geschichtsfreund . Mittheilungen des historischen Vereins der fünf Orte Lucern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug 4 (1847), S . 139 . 359 Huyskens (1905), Nr . 1 .
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odien und Haushaltsgegenstände .360 Ferner oblag den Provisoren die alljährliche Rechungslegung, die auf die Wochen zwischen dem 25 . November und dem Weihnachtstag, tuschen Katherinen und Mydwinters, festgelegt war .361 Für die physische und spirituelle Versorgung der Kranken war ein in der Urkunde als inwoner bezeichneter Elender zuständig, der sich eines untadeligen, gottesfürchtigen Lebenswandels befleißigen sollte und der den Provisoren zu Gehorsam verpflichtet war .362 Neben seiner Tätigkeit in der Einrichtung, sollte er im Bedarfsfall bedürftige Seuchenkranke außerhalb der Elende umme syn loen und kost pflegen und ihnen Trost spenden . Erhöhte diese Bestimmung in der Theorie die allgemeinen, durch das Platzangebot beschränkten Versorgungskapazitäten, so war der Elender zu deren praktischer Umsetzung in Seuchenzeiten kaum in der Lage . Wiesen schon die Statuten darauf hin, dass der Dienst an den in der Elende untergebrachten Kranken durch die auswärtigen Pflegeleistungen nicht vernachlässigt werden dürfe, so belegen die aus späterer Zeit erhaltenen Rechnungsbücher der Münsteraner Seuchenspitäler, dass auf dem Höhepunkt des epidemischen Geschehens zusätzlich angeworbene Kräfte die Arbeit der Elender unterstützen mussten .363 Sofern der inwoner den Stiftungsverfügungen zuwider handelte, konnten ihn die Provisoren jederzeit aus seiner Stellung entlassen und ihre Entscheidung nötigenfalls mit Zwang durchsetzen . Es zählte zu den statuarisch festgesetzten Pflichten des Elenders stets Obacht darauf zu geben, dass keinerlei Hausrat abhanden ging . Nicht zuletzt zu diesem Zwecke erhielt er eine Abschrift des von den Provisoren anzufertigenden Inventars . Ein stetiger Zufluss an Gut und Geld ergab sich in Seuchenzeiten vor allem daraus, dass die Habe der in der Elende Verstorbenen dem Haus zu dessen weiterer materieller Absicherung zufiel . Dem Elender und der als huesfrouwe bezeichneten Elenderin stand ein von den Provisoren festgesetzter Teil aus diesen Einkünften zu . Die Höhe der Bezahlung für geleistete Pflegedienste legten die Statuten indes an keiner Stelle fest . Verfügt wurde lediglich, dass diejenigen Kranken, die finanziell hierzu in der Lage waren, den Elender aus eigener Tasche entlohnen sollten . Kosten für Mittellose wurden aus dem institutionseigenen Vermögen bestritten . Darüber hinaus galten für den Elender und seine Frau die gleiche dauerhafte Befreiung von allen städtischen Diensten und Lasten wie für die Institution selbst sowie kostenfreies Wohnrecht auch außerhalb von Seuchenzeiten .364 Im Gegensatz zu den Statuten eines gewöhnlichen Hospitals oder eines Leprosoriums enthält die Ordnung der Aegidii-Elende keine Verhaltensvorschriften für die Spitalinsassen . Angesichts ihres physischen Zustands erübrig360 Die praktische Umsetzung dieser Verfügung zeigt das Inventar von 1523 . Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Elende Aegidii, Urk .6 . 361 Das älteste erhaltene Zeugnis für die Rechnungslegung der Aegidii-Elende stammt aus dem Jahr 1558 . Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Elende Aegidii, Akten 1 . 362 WinZer (1996), S . 266 ff . 363 So etwa die Ausführungen im Rechnungsbuch des Jahres 1583 der Lamberti-Elende Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Elende Lamberti, Akten 3 . Ausführungen mit weiteren Beispielen bei WinZer (1996), S . 268 Anm . 181 . 364 Hierzu WinZer (1996), S . 267 .
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ten sich derlei Bestimmungen . Aus dem gleichen Grund übertrugen die Statutengeber selbst eine der zentralen Verpflichtungen auf den Elender, die ansonsten den Armen und Kranken in allen karitativen Einrichtungen zukam: Gebete für das Seelenheil der Stifter und Wohltäter .365 Anstelle der Seuchenkranken, deren Gesundheitszustand dies nicht mehr erlaubte, sollte er truwelich umme de barmherticheit Godes all den ghenen, de dyt hus ghestichtet, beghifftet und myt er hulpe und gunst gefordert haben beten . Das Pestgeschehen zwischen 1480 und 1490 Nur wenige Jahre nach ihrer Gründung sah sich die neue Einrichtung möglicherweise vor ihre erste Bewährungsprobe gestellt . Zu Beginn der 1480er Jahre wurden zahlreiche westfälische und rheinische Städte ein weiteres Mal von der Pest erfasst .366 Der Missernte des Jahres 1480 und langanhaltenden Regenfällen,367 die vielerorts zu Überschwemmungen führten, folgte im Rhein-Maas-Gebiet der Tod auf dem Fuße . In Aachen setzte das Sterben dem Bericht einer zeitgenössischen Chronik zufolge am 7 . April 1481 ein und dauerte den Sommer über an .368 In den knappen Ausführungen zum Seuchengeschehen wird in gewohnter Weise das Zusammenspiel von Seuche, schlechter Witterung und großer Teuerung betont, ohne jedoch auf den Begriff pestilencia zurückzugreifen . Hingegen spricht der Dominikaner Dominicus von Geldern, ein Augenzeuge der Ereignisse, in seinen Aufzeichnungen zur Geschichte seines Aachener Konvents von einer magna pestis369 Darüber hinaus schreibt er das Seuchengeschehen dem Jahr 1482 zu, dem Wahljahr des Priors Nikolaus von Trier . Die chronologische Dis365 Aus der umfangreichen Literatur zur Rolle karitativer Einrichtungen und Stiftungen für die spätmittelalterliche Memorialkultur seien hier unter den neueren Arbeiten stellvertretend genannt Brigitte poHl-resl, Rechnen mit der Ewigkeit . Das Wiener Bürgerspital im Mittelalter (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 33), Wien 1996 . Hermann Queckenstedt, Die Armen und die Toten . Sozialfürsorge und Totengedenken im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Osnabrück (= Kulturregion Osnabrück 8), Osnabrück 1997 . Brigitte klosterBerg, Zur Ehre Gottes und zum Wohl der Familie – Kölner Testamente von Laien und Klerikern im Spätmittelalter (= Kölner Schriften zur Geschichte und Kultur 22), Köln 1995 . Dieter geuenicH / Otto Gerhard oexle (Hrsg .), Memoria in der Gesellschaft des Mittelalters (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 111), Göttingen 1994 . Dietrich poeck, Totengedenken in Hansestädten, in: Hrsg . Franz neiske u . a ., Vinculum Societatis . Joachim Wollasch zum 60 . Geburtstag, Sigmaringen 1991, S . 175–232 . 366 scHoppmeyer (1999), S . 295 führt ohne weitere Erläuterungen noch einen vorangehenden Pestausbruch 1476 in Paderborn auf . 367 Rüdiger glaser, Klimageschichte Mitteleuropas . 1000 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen, Darmstadt 2001, S . 70 . 368 Aachener Chronik (1866), S . 19 . Vgl . hierzu auch Aachensche Geschichten (1781), S . 401 . kessel (1881), S . 269 . scHmttZ-cliever (1954/55), S . 132 f ., der die Seuche als Fleckfieber deutet . Zurückhaltender Huttmann (1987), S . 40 f . 369 Albert Huyskens, Chronikalische Aufzeichnungen des Frater Dominicus von Geldern zur Geschichte des Aachener Dominikanerklosters von 1470 bis 1487, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 54 (1932), S . 100 .
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krepanz zwischen beiden Quellen und ihre offenbar unterschiedliche Wahrnehmung der Seuche werfen eine Reihe von Fragen auf . Aufgrund der für das spätmittelalterliche Aachen ungünstigen Überlieferungssituation lässt sich die Zuverlässigkeit der Zeitangaben zum Massensterben nicht anhand weiterer Lokalzeugnisse überprüfen . Daher bleibt unklar, ob einer der Chronisten die Ereignisse falsch datierte, ob die Epidemie gar bis ins Jahr 1482 andauerte oder ob die Chronisten nicht gar zwei aufeinander folgende, voneinander unabhängige Krankheitsphänomene schilderten . Selbst beim vergleichenden Blick auf Quellen aus anderen Städten des Untersuchungsraumes ergibt sich kein Bild, das zur Klärung des Sachverhalts beitragen könnte . Vielmehr liefern die teilweise widersprüchlichen Ausführungen für jede der aufgezeigten Möglichkeiten weitere Argumente . In ihrer Bewertung des epidemischen Geschehens sind sich die Aachener Chronisten indes einig . Beide empfanden die Sterblichkeit gleichermaßen als groß . Bei der Beseitigung der Seuchenopfer taten sich die Alexianer ihrer selbstgewählten Bestimmung entsprechend offenbar in besonderer Weise hervor, wie das seitens des Reiner von Schoenrode, Erzpriester des Münsters, für ihre Leistungen gezollte Lob belegt .370 Einzelheiten über die Organisation und mögliche Schwierigkeiten ihrer Tätigkeit bleiben jedoch im Dunkeln . Während aus den Regionen westlich und südlich von Aachen schon für 1481 Nachrichten über den Ausbruch einer Epidemie vorliegen, lässt sich ein erneutes Seuchengeschehen in den nordöstlicher gelegenen Städten Rheinland-Westfalens nicht vor dem Jahr 1482 sicher nachweisen .371 Der vereinzelte Hinweis einer Meißener Chronik auf ein Auftreten der Pest in Köln 1481, das täglich angeblich 400 Opfer gefordert haben soll, hält der kritischen Betrachtung nicht stand .372 Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Ausführungen werden nicht zuletzt dadurch genährt, dass kein kölnisches oder rheinisches Schriftzeugnis die Angaben der in Sachsen weit vom Ort des Berichtsgeschehens entstandenen Quelle stützt . Damit liegt zugleich die Vermutung nahe, dass Köln aufgrund seiner Größe und herausragenden Bedeutung prädestiniert war, in einer Aufzählung von Orten zu erscheinen, die das weite Ausgreifen des großen Sterbens im Rahmen mehr oder minder toposbeladener Schilderungen unterstreichen sollten . Die Chronik Dietrich Westhoffs bestätigt die Aussage des Dominicus von Geldern in Bezug auf den Zeitpunkt eines Seuchenausbruchs in RheinlandWestfalen im Jahre 1482 .373 Durch die Beschreibung des Krankheitsbildes und die Betonung des Zusammenhangs mit einer Hungersnot liefert das Zeugnis jedoch zugleich wichtige Indizien dafür, dass sich die Wahrnehmung des geschilderten Phänomens deutlich von der der Pest unterschied . Charakteris370 Albert Huyskens, Die Anfänge der Aachener Alexianer im Zusammenhang mit der Ordens- und Ortsgeschichte, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 48/49 (1926/1927), S . 247 . 371 scHmitZ-cliever (1954/55), S . 133 . lerscH (1896), S . 195 . Huitmann (1987), S . 40 . 372 creutZ (1933), S . 91 . Huitmann (1987), S . 40 . 373 Chronik des Dietrich Westhoff (1877), S . 346 f .
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tisch scheinen demzufolge Wahn- und Rasereizustände gepaart mit starkem Kopfschmerz gewesen zu sein . So heißt es: Ist ein grote pestilenz, daran die lüde unsinnig geworden, neben dem groten hunger gewesen, und sin den menschen worme im hovet gewesen und vil umbkommen. Aus Westhoffs Darstellung von Würmern im oder am Haupt darf nicht zwangsläufig auf einen tatsächlichen parasitären Befall – etwa als Voraussetzung für Fleckfieber – geschlossen werden .374 Vielmehr könnte hinter diesem Bild ebenso die weitverbreitete zeitgenössische Vorstellung stehen, wonach eingedrungene Würmer als Verursacher von Kopf-, Zahn oder Ohrenschmerzen galten .375 Zum anderen projizierte der Chronist für seine Schilderung ihm vertraute Bilder des Zusammenspiels von Hunger und Krankheit möglicherweise anachronistisch zurück, das sich während der Schaffenszeit Westhoffs in der beschriebenen Weise erneut zu verstärken schien .376 Die von dem Chronisten angeführten Getreidepreise lassen das Ausmaß des Hungers und damit indirekt des daran anknüpfenden Seuchenproblems erahnen . Wenn man dem Bericht Westhoffs Glauben schenken will, hatte sich in Dortmund 1482 im Vergleich zum Vorjahr etwa der Preis für einen Scheffel Roggen verdoppelt, der für Hafer gar verneunfacht .377 Ob und wie die städtischen Obrigkeiten sich bemühten, die Not unter der Einwohnerschaft zu lindem und der weiteren Ausbreitung der Erkrankungen zu begegnen, lässt sich aufgrund der Überlieferungssituation nicht klären . In Köln und Wesel, wo die gute Quellenlage tiefere Einblicke in die Handlungen des Rates erlaubt und dadurch vielleicht in Bestätigung oder Widerlegung von Westhoffe Ausführungen eine Annäherung an die tatsächliche Wirkungsweise der Seuche ermöglicht hätte, findet sich kein Hinweis, dass diese Städte zu Beginn der 1480er Jahre überhaupt von einer Epidemie heimgesucht wurden . Eben so wenig lässt sich ein Seuchenausbruch anhand lokaler Zeugnisse in Essen und Xanten belegen, die beide im Rahmen moderner Untersuchungen bisweilen im Kreis der betroffenen Städte genannt werden .378 Die Chronik des Zisterzienserklosters Kamp betont hingegen: Anno domini 1483 fuit magna pestilencia in Colonia et Nussya ac Bercka et circumvicinis locis ac civitatibus.379 In der nämlichen Pestilenz, so fährt ihr Schreiber fort, hätten auch zahlreiche Mönche und Familiaren des Konvents den Tod gefunden . Die späte Chronik von Gangelt weiß für das Jahr 1483 ebenfalls von einer starken pest zu berichten, die vielerorts am Niederrhein und in Westfalen wütete .380 374 scHmitscHek/Werner (1985), S . 77 f . unterstreicht die Unsicherheit retrospektiver Fleckfieberdiagnosen anhand zeitgenössischer Quellen . 375 scHipperges (1993), S . 87 . Ein exemplarisches Beispiel für die Verbreitung solcher Vorstellungen liefern tradierte Rezepte zur Beseitigung schmerzverursachender Würmer . Hierzu Josef kirmeier, Jakob von Landshut, ein jüdischer Arzt des 14 . Jahrhunderts, in: Hrsg . Manfred treml / Wolf Weigand, Geschichte und Kultur der Juden in Bayern (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 18), München 1988, S . 25 . 376 scHimitscHek/Werner (1985), S . 78 f . scHmttZ-cliever(1954/55), S . 134 ff . 377 Allgemein zu den Hungersnöten des 15 . Jahrhunderts im Reich Jörg (2008) . 378 HoFius (1971), S . 185 . Huttmann (1987), S . 41 . 379 Chronicon moasterii Campensis (1869), S . 340 . 380 Chronik von Gangelt (1891), S . 190 .
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Einen Eindruck von der Wirkung dieser Pest vermittelt der Bericht des Dortmunder Chronisten Dietrich Westhoff . Obrigkeiten und Bevölkerung der westfälischen Reichsstadt sahen sich demzufolge nach nur kurzer Atempause im nämlichen Jahr schon wieder Massenerkrankungen mit rasch tödlichem Verlauf ausgesetzt . Nach der Darstellung Westhoffs herrschte in der Stadt so daffern und groten sterfnisse der pestilenz halven, dass auf dem Kirchhof von Sankt Reinoldi hinter dem Turm ein Massengrab ausgehoben werden musste, in dem die Seuchenopfer ohne Särge beigesetzt wurden .381 Neben seinem Hinweis auf das Bestattungsproblem bleibt der Chronist Erläuterungen zum Verhalten des Rates und der Einwohnerschaft in der verseuchten Stadt abermals schuldig . Darüber hinaus bereitete ihm die chronologische Zuordnung des Ereignisses Probleme . Er entschloss sich ohne nähere Begründung dafür, das Massensterben dem Jahre 1485 zuzuordnen . Gleichwohl bemerkte er dabei: Etliche bocher hebn, 1483 sie dusse pestilenz gewesen. Sicherer als in der Frage der Chronologie gibt sich Westhoff in seiner Bewertung der Geschehnisse . Ein solch großes Sterben, betont er, sei seit Menschengedenken in der Stadt nicht vorgekommen . Weitere kurze Meldungen über das Seuchengeschehen in Westfalen während der 1480er Jahre stammen aus Paderborn und Minden .382 Die zeitgenössische Chronik des Mindener Moritzklosters berichtet, dass die 1484 in der Stadt grassierende Pest auch im Kloster ihre Opfer forderte .383 So starben innerhalb kurzer Zeit zwei Äbte und sechs Brüder des Konvents . An anderer Stelle taucht der Vermerk auf, der Mindener Domdechant sei ebenfalls der Seuche erlegen . Der weitgehend auf institutionelle Belange eingeschränkte Blickwinkel der Quelle erlaubt keine Rückschlüsse auf den Seuchenalltag in der Stadt . Das Fehlen ergänzenden administrativen Schriftgutes macht eine Rekonstruktion obrigkeitlichen Verhaltens gegenüber dem Massensterben einmal mehr unmöglich . Aus der vergleichenden Betrachtung der unterschiedlichen Berichte über das epidemische Geschehen der Jahre zwischen 1481 und 1485 ergibt sich kein klares Gesamtbild . Nicht zuletzt die offensichtliche Konfusion im Hinblick auf die chronologische Zuordnung der Ereignisse und Krankheitsbilder in den nur rund sechzig Jahre später entstandenen Ausführungen des Dietrich Westhoff sowie die abweichenden Darstellungen der zeitgenössischen Aachener Chroniken geben letztendlich zu der Vermutung Anlass, dass in mehreren rheinischen und westfälischen Städten in dichter Zeitfolge zwei verschiedene Seuchen auftraten .
381 Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 348 . Der archäologische Befund deckt sich nicht mit den Angaben des Schriftzeugnisses . Für diese Auskunft danke ich Dr . Gabriele Isenberg, Münster . 382 Staatsarchiv Münster, Fürstbistum Paderborn, Domkapitel Paderborn, Nr . 2090 . 383 Chronicon Monasterii SS . Mauritii et Simeonis Mindensis (1874), S . 145–178 . Hierzu krieg (1951), S . 141 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Pestwellen zum Ausklang des 15. Jahrhunderts Unvergleichlich deutlicher gestalten sich die Eindrücke von der rund ein Jahrzehnt später erneut wütenden Pest, die sich 1494 in weiten Teilen Westfalens und des Rheinlands außergewöhnlich vehement manifestierte . Bereits vier Jahre zuvor hatte das Erzstift Köln ein weiteres Mal unter der Seuche zu leiden .384 Am 27 . Juli 1490 sandte der Kölner Erzbischof Hermann IV . von Hessen ein Schreiben an Herzog Wilhelm von Jülich-Berg, worin er diesen über die Zustände in seinem Territorium unterrichtete .385 Darin heißt es, durch die pestilentz, die sich vielerorts im Erzstift zeige, seien bereits zahlreiche Angehörige der erzbischöflichen Dienerschaft und des Hofgesindes mit tode abgegangen. Täglich, so fährt er fort, kämen zahlreiche Menschen aus verseuchten Ortschaften nach Köln . Das Sterben in seinem persönlichen Umfeld und die Gefahr einer weiteren Ausbreitung der Krankheit, angefacht durch den Zustrom Auswärtiger, die auf den geistlichen Beistand ihres Oberhirten hofften oder eine sichere Zuflucht suchten, erschienen dem Erzbischof so bedrohlich, dass er um sein eigenes Leben fürchtete . Der Empfehlung seiner Berater folgend, das verseuchte Territorium vorrübergehend zu verlassen und in unnser lantschaft zu Westfalen zu rieten, ersuchte Hermann IV . nun Wilhelm von Jülich-Berg zwecks Geleits am 1 . August zu ihm nach Poppelsdorf zu kommen . Zugleich bat er den Herzog, das Erzstift während seiner Abwesenheit zu beschirmen . Welchen Anteil die Vertrauten des Erzbischofs an dessen Entscheidung zum Verlassen seines Territoriums tatsächlich hatten oder ob nicht gar die persönliche Angst des Oberhirten vor einer Ansteckung hierfür ausschlaggebend waren, lässt sich nicht ermitteln . Die weitere Zuspitzung der Situation noch vor Aussendung des Schreibens veranschaulicht, dass die Befürchtungen durchaus berechtigt waren . Eine Nachschrift zeigt, dass die Seuche an der erzbischöflichen Residenz rasch um sich griff und inzwischen noch weitere Opfer gefordert hatte . Besonders erschreckt zeigte sich der Erzbischof aber über die neu eingetroffene Nachricht, dass unnser treue andechtige Johannes Finckell doictor bie uns gewest und der krenckte gestern gestoruen is. Trotz der Eindringlichkeit des Gesuchs ließ die Antwort des Herzogs ein wenig länger auf sich warten, als vorgesehen . Am 1 . August, dem geplanten Aufbruchstag, versicherte Wilhelm von Jülich-Berg den Kölner Oberhirten seiner Unterstützung und versprach, während dessen Aufenthalt in Westfalen stifft ind lande lüde ind undersaissen in beuell ind schyrm zu haben .386 Zugleich teilte er mit, einer seiner Gefolgsleute werde in zwei Tagen beim Erzbischof eintreffen, um diesem das gewünschte Geleit zu geben . Noch am selben Tag scheint der Brief seinen Empfänger erreicht zu haben und Hermann IV . beeilte sich, dem Herzog seinen Dank zu übermitteln .387 Rund drei Monate hielt 384 Harless (1865), S . 367–371 mit einer Edition des diesbezüglichen Briefwechsels zwischen dem Kölner Erzbischof und dem Herzog von Jülich-Berg, Grafen von Ravensberg . 385 Harless (1865), Nr . I . 386 Harless (1865), Nr . II . 387 Harless (1865), Nr . III .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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sich der hochrangige Pestflüchtling vom Erzstift fern, bis sich Anfang November 1490 das Sterben wieder gelegt hatte . Lässt sich anhand des Schriftwechsels zwischen dem Erzbischof und Wilhelm von Jülich-Berg ein seltener Eindruck von individueller Seuchenwahrnehmung und Handlungsmotivation gewinnen, so erstaunt es vor diesem Hintergrund umso mehr, dass sich in keinem weiteren Kölner Zeugnis Hinweise auf den Ausbruch einer Pest im nämlichen Jahr finden . Eben so wenig erwähnen Quellen anderer rheinischer Städte 1490 als Seuchenjahr . Entgegen der erzbischöflichen Darstellung, die eine weite Verbreitung der Krankheit suggeriert, scheint es sich demnach im Gegensatz zu der 1494 folgenden Epidemie eher um ein geografisch eng begrenztes Auftreten der Krankheit gehandelt zu haben . Tödlicher Winter. Die Pest 1493/1494 in Wesel und am Niederrhein Im Winter 1493 zeigte sich die Pest erneut am Niederrhein .388 Bis zum Frühjahr 1494 bahnte sich die Seuche ihren Weg nach Osten . Mitte Dezember begann das große Sterben in Wesel und dem benachbarten Umland . Die Aussendung städtischer Boten erwies sich vor diesem Hintergrund zusehends als schwierig . Am 13 . Dezember 1493 vermerkt das Weseler Ratsprotokoll, dass die beiden Kuriere, die der Stadtarzt Meister Herman ausgesandt hatte, wegen der grassierenden Pest weite Umwege in Kauf nehmen mussten, um verseuchten Ortschaften auszuweichen .389 Wie schon während der vorangegangenen Seuchenausbrüche zu beobachten, verwendete der Magistrat einige Mühen auf die Eindämmung des Übels . Nachdem der Jahreswechsel von einem Anstieg der Erkrankungen begleitet wurde, entschieden die Stadtväter, den Wundarzt Meister Thys zu Rate zu ziehen und diesen mit der Behandlung der Pestkranken zu betrauen .390 Dem Apotheker oblag es derweil, Meister Thys durch Zubereitung von Medikamenten bei dessen Tätigkeit zu unterstützen . Ob auch der Stadtarzt Meister Herman seinen Anteil bei der Versorgung der Infizierten leistete, lässt sich im Spiegel der Überlieferung nicht feststellen . Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass der Heilkundige selbst der Pest zum Opfer fiel .391 Möglicherweise infizierte er sich in Ausübung seiner ärztlichen Pflichten . Die Stadtrechnung liefert keine genauen Angaben darüber, wie Meister Thys die Kranken zu behandeln versuchte . Der Verweis auf ein „Verbinden“ der Patienten erscheint eher als Synonym pars pro toto und beschreibt kaum das tatsächliche Betätigungsfeld des Wundarztes .392 Das Ratsprotokoll belegt allerdings, dass Thys pestkranke Arme zur Behandlung in ihren Häusern aufsuchen sollte .393 388 389 390 391 392 393
Vgl . auch JankriFt (2012), s. 101. Stadtarchiv Wesel, A3 Nr . 6: 1493–1496, fol .36r . Stadtarchiv Wesel, A3 Nr . 6: 1493–1496, fol .37r . Stadtarchiv Wesel, A3 Nr . 6: 1493–1496, fol .73r . Stadtarchiv Wesel, A7 1494, fol .618r . Stadtarchiv Wesel, A3 Nr . 6: 1493–1496, fol .59v .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Der Heilkundige scheint seinen Aufgaben mit Umsicht und zur Zufriedenheit des Rates nachgekommen zu sein . Dafür spricht die gute Entlohnung mit 10 Rheinischen Goldgulden, die der Magistrat dem Wundarzt am 24 . September 1494 zukommen ließ . Die Stadtrechnung belegt die entsprechende Auszahlung: Item soe thijs die bartschere in die pestilentz ginck ind tijt die arme lüde dorch beuell des raitz ind vort verbonden hat.394 Der Eintrag legt zugleich die Vermutung nahe, dass das Seuchensterben zu dieser Zeit sein Ende gefunden hatte . Einige Monate später als in Wesel ist ein Auftreten der Pest auch in anderen rheinischen Städten wie etwa in Köln und Essen nachzuweisen, wenngleich sich das Verhalten von Obrigkeiten und Einwohnerschaft dort nicht im Detail rekonstruieren lässt .395 In Köln griffen die Senioren der Artistenfakultät den bereits 1466 erstmals geäußerten Gedanken wieder auf, eine eigene Einrichtung zur Versorgung pestkranker Fakultätsmitglieder zu schaffen .396 Ein zweiter Versuch, den Plan in die Tat umzusetzen war 1487 erneut gescheitert .397 Am 13 . Mai 1494 verständigte man sich darauf, dass jede Burse ein Haus zur Unterbringung erkrankter Scholaren bereitstellen sollte . Dabei wurde den Kranken das Recht gewährt, den Ort ihrer Unterbringung selbst zu wählen . Dieses Mal kam das Vorhaben zur Ausführung . Am 24 . März 1495 beschlossen die Fakultätsvertreter, weiterhin Häuser zur Beherbergung Seuchenkranker anzumieten . Zuggleich wurden jene Bursen, die der Verpflichtung noch nicht nachgekommen waren, zur umgehenden Ausführung des Erlasses angehalten . Am 17 . November 1496 kam die Fakultätsversammlung überein, eine zentrale Versorgungseinrichtung zu schaffen und zu diesem Zwecke eigene Häuser zu erwerben . Die Kaufverhandlungen, welche von den Ärzten Dietrich Adrians von Dordrecht und Adrian von Breda geführt wurden,398 nahmen viel Zeit in Anspruch . Zweimal scheiterten die Bemühungen zum Erwerb der in Frage kommenden Anwesen . Am 6 . Februar 1500 unterzeichnete man schließlich den Kaufvertrag für ein Haus in der Gereonstraße, genannt Rubea porta oder roeden Portzen. Bis dort jedoch die ersten Pestkranken versorgt werden konnten, vergingen aufgrund der bestehenden Wohnrechtsverhältnisse weitere Jahre .399 Exemplarische Einblicke in den Umgang einer Stadtbevölkerung mit der Entwicklung des lokalen Seuchengeschehens im Jahre 1494 veranschaulicht ein Briefwechsel des Heinrich von Friemersheim mit Herzog Wilhelm von Jülich-Berg . Dieser erstattete am 8 . Juli auf Geheiss seines Landesherrn Bericht van der gelegenheit sterunis haluer hir zo Duysseldorp .400 So viel er davon wisse und erfahren könne, versicherte Heinrich, wolle er dem Herzog übermitteln . Die anschließende Schilderung verschiedener Krankheits- und Todesfälle fügt sich 394 395 396 397 398 399 400
Stadtarchiv Wesel, A7 1494, fol .618r . creutZ (1933), S . 91 . Wagner (1922), S . 28 . creutZ (1933), S . 112 ff . JankriFt (2012), S . 99–100 . Zu Adrian von Breda vgl . keussen (1913), S . 100 . creutZ (1933), S . 113 f . Hauptstaatsarchiv Düsseldorf Jülich-Berg, Akten I, Nr . 1443, fol .11 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
229
nicht in das zu erwartende Bild eines seuchenbedingten Massensterbens . Den Ausführungen des Berichterstatters zufolge war vor etwa zehn Tagen ein Kind der Tryntgen Birten in deren Haus am Markt gestorben . Zur Todesursache könne er nichts sagen, fährt er fort, da die Leute die Wahrheit verschwiegen. Am 2 . Juli sei ein Mann namens Kopgyn Derscher begraben wollen, der wegen seiner Geisteskrankheit einige Zeit in Ketten gelegen habe . Ob der Verstorbene zudem an einer weiteren Krankheit gelitten habe, wisse er nicht . Am Abend vor Abfassung des Schreibens sei darüber hinaus ein am Rheintor wohnhaftes Kind an der nuwen krencken gestorben . Auch der Torwächter des Rheintores sei verstorben, was jedoch – wie man erzähle – nyet an der pestilentz gelegen habe . Vielmehr sei der Pförtner bereits ein alter, gebrechlicher Mann gewesen . Weitere Krankheitsfälle seien ihm gegenwärtig nicht bekannt . Zwei Personen, die offenbar an der konstatierten Pestilenz erkrankten, waren inzwischen wieder genesen . So Meister Tilman Schröders Tochter, die acht oder neun Tage lang krankgelegen hatte und ein von außerhalb in die Stadt gebrachtes Mädchen, bei der die Krankheit den gleichen Verlauf genommen habe . Insgesamt berichtet der Vertraute des Herzogs demzufolge von nicht mehr als vier Verstorbenen und zwei weiteren Erkrankungen innerhalb von zehn Tagen . Ist in keinem einzigen Fall die Identifizierung als Pestopfer gewiss, so wird anhand des Berichts dennoch unter Berücksichtigung der jeweiligen Bevölkerungszahlen des betroffenen Gemeinwesens möglicherweise ein zeitspezifisches Wahrnehmungsraster für eine als erhöht empfundene Sterblichkeit deutlich . In einer kleineren Stadt wie Düsseldorf, in der nach Schätzungen am Ende des 15 . Jahrhunderts möglicherweise nur 1500 Einwohnern gelebt haben dürften,401 bedeuteten die geschilderten Todes- und Krankheitsfälle offensichtlich eine Steigerung über das gewöhnliche Maß hinaus . Die Zuverlässigkeit des Berichts wird allerdings erheblich durch die kaum zu beantwortende Frage eingeschränkt, wie intensiv Heinrich von Friemersheim seine Nachforschungen angestellt haben mag . Möglicherweise fürchtete er Gefahr für die eigene Gesundheit . Zudem, so hebt der Berichterstatter deutlich hervor, ließ die Auskunftsfreudigkeit der Einwohnerschaft über die Todesumstände einiger Verblichener ohnehin zu wünschen übrig . Hinter diesem Verhalten stand vielleicht die Sorge der Angehörigen, ihre verstorbenen Familienmitglieder könnten nicht in der üblichen Weise beigesetzt werden, während sie selbst aus Angst vor Ansteckung von Freunden und Nachbarn gemieden würden oder möglicherweise gar ihre Bewegungsfreiheit in der Öffentlichkeit einbüßten .402 Zum anderen könnte ein gewichtiger Teil der Einwohnerschaft in einer Phase, da das Sterben noch nicht oder nicht mehr allseits offensichtlich war, an einer Bagatellisierung der Vorkommnisse interessiert gewesen sein, um eine vorrübergehende, insbesondere das Wirtschaftsleben gefährdende Isolation zu vermeiden . Ob und in welcher Form der Landesherr, der durch die Anforderung des Berichts sein Interesse an den 401 keyser (1956), S . 106 402 Hierzu Jütte (1991), S . 172 f ., der solche Reaktionen treffend als „Stigma-Management“ bezeichnet .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Vorkommnissen demonstrierte, auf die geschilderte Lage reagierte, lässt sich anhand der verfügbaren Dokumente nicht erschließen . Die Auswirkungen der Epidemie in Soest und Dortmund Ungleich intensiver als im kleinen Düsseldorf wirkte die Seuche den Aussagen der Quellen zufolge in den großen westfälischen Städten Dortmund und Soest . Im Gegensatz zum niederrheinischen Wesel kennzeichnet dort noch immer die weitgehende Lähmung obrigkeitlichen Handelns angesichts der Pest das Bild . Den Ausführungen der Ratsprotokolle zufolge begann das Sterben in Soest etwa zum Osterfest, dem 30 . März 1494, und hielt bis Allerheiligen an .403 Während dieser Zeit seien laut Protokolleintrag ungefähr 1450 Menschen der Seuche erlegen . Ungeachtet aller berechtigten Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Zahlenangabe wird in den Schilderungen des Ratsprotokolls die paralysierende Wirkung seuchenbedingter Sterblichkeit auf obrigkeitliche Entscheidungsfindungsprozesse an anderer Stelle unmissverständlich deutlich: Drei Ratsherren, nemptlich Reynolt Ortenberch, Nolte Botter, Johann Wousthoyff wurden Opfer der Pest .404 Sollten zudem, was die Quellen nicht erwähnen, weitere Ratsvertreter ihr Heil in der Flucht gesucht haben, so dürfte je nach Verlauf der Epidemie eine gezielte Koordination von Maßnahmen zur Eindämmung der Gefahr phasenweise unmöglich gewesen sein . Die Unterschiede im Vorgehen der städtischen Obrigkeiten in Wesel und Soest könnten vor diesem Hintergrund unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass der Rat der niederrheinischen Stadt aufgrund glücklicher Umstände weniger Verluste in seinen Reihen zu beklagen hatte . Die einzigen erkennbaren Reaktionen auf das Seuchengeschehen in Soest erschöpften sich erneut in einer spirituellen Auseinandersetzung mit dem Problem . Im Patroklimünster sowie in allen anderen Kirchen und Klöstern der Stadt wurden zahlreiche Bittmessen abgehalten . In den Worten des Ratsschreibers spiegelt sich die wohl nicht nur individuelle Überzeugung wider, allein die Hinwendung zu Gott verspreche eine Hoffnung auf Abwendung des drohenden Schicksals . Wer überlebte und wer starb, beruhte allein auf der Entscheidung des Allmächtigen . So hefft doich got almechtich uns myt synen ogen der barmhertichkeit gnetliken overseyn amen, unterstreicht der Verfasser des Ratsprotokolls in sichtlicher Erleichterung .405 Die besondere Bedeutung, die dem himmlischen Beistand im Angesicht des Seuchensterbens zukam, manifestierte sich in Soest zudem durch die Einführung eines neuen Festtages zu Ehren Mariens . Am 14 . November, nur wenige Tage nach dem Abklingen der Seuche einigten sich Münsterkapitel, Rat, Ämter und Gemeinheit darauf, künftig ein fest Unser leven Vrauwen gen. Presentacionis festum to haldene ind to vijren, to vasten hoichtlichen gelick der anderen fest eyn Unser leven Vrauwen. In Dortmund, wo die Pest wie in Soest zu Allerheiligen 403 Soester Stadtbücher (1895), S . 85 . 404 JankriFt (1999), S . 39 . 405 Soester Stadtbücher (1895), S . 85 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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abflaute, kam es ebenfalls zur Einsetzung des neuen Festtages . Bevor die Obrigkeitsvertreter in der Reichsstadt darin übereinkommen konnten, in geeigneter Form ihre Dankbarkeit für das Ende der Pest auszudrücken, erlebten sie ein rund sieben Monate währendes Massensterben . Zeitgleich wie in Soest begann die Epidemie in Dortmund . In der Chronik des Dietrich Westhoff heißt es hierzu: Aber it erhoef sich in der werte binnen Dortmunde ein so weldige und wegnemende pestilenz, dat tussen gedachten monat bis uf Sanct Mertin mitlerwijl meer dan 2000 menschen den weg alles vleis gangen und gestorven.406 Wie der Soester Ratsschreiber, empfand auch der Dortmunder Chronist das Ausmaß der Sterblichkeit als überaus groß . Derartig beeindruckt von der vehementen Wirkung der Seuche, missverstand er ein nicht unerhebliches Detail eines von ihm als motivische Vorlage für seine Schilderung herangezogenen Berichts des Dortmunder Ratsherrn und zeitweiligen Vertreters der sechs Gilden, Johann von Kerkhörde, zu einer früheren Epidemie .407 Infolge des Pestausbruchs setzte abermals eine große Fluchtbewegung aus der Stadt ein . Kerkhörde hatte seinerzeit betont, dass bis auf vier oder fünf alle Flüchtlinge am Leben blieben . Westhoff hingegen nahm nun eine entscheidende Erweiterung der Passage vor . Nach seiner Darstellung blieben 1494 nur vier oder fünf der Flüchtigen nach ihrer Rückkehr in die Stadt am Leben . In einer Anekdote führt der Chronist symbolisch aus, dass selbst die kräftigsten Männer der Wirkung der Krankheit nichts entgegen zu setzen vermochten . Dem sterbenden Lose Becker, einem Dortmunder Bürger, der angeblich so stark war, dass er ein ganzes Malter Weizen ungebeugt um die Stadt tragen konnte, legte Westhoff den bezeichnenden Ausspruch in den Mund: O wat is ein mensche; wie stark ich was, hefft mi dannoch ein kleen pockeschen ader sweerken der neder worpen und al miner macht berovet und henweg genomen. Die Hilflosigkeit und Verzweiflung, die aus diesen Worten spricht, charakterisierten am Ende des 15 . Jahrhunderts unverändert die psychologische Dimension zeitgenössischer Auseinandersetzung mit einem übermächtigen Gegner . 4.3.4
Totentanz ohne Ende. Die Pest im 16. Jahrhundert
Lässt sich bereits für das 15 . Jahrhundert eine deutliche Steigerung der Pesthäufigkeit in westfälischen und rheinischen Städten feststellen, so erwecken die für die Folgezeit in zunehmend größerer Zahl vorliegenden Quellenzeugnisse den Eindruck, als habe sich die Frequenz des Seuchengeschehens noch weiter erhöht .408 Inwieweit die umfassendere Überlieferungslage das Bild verzerrt ha-
406 Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 361 . 407 Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 361 Anm . 2 . Hubert Herkommer, Kerkhörde, Johann, in: Hrsg . Kurt ruH e . a ., Die deutsche Literatur des Mittelalters . Verfasserlexikon, Bd . 4, Berlin/New York 21983, Sp .1132–1134 . 408 Hierzu Bulst (1989), S . 29 mit einer Interpretation des schon von ihm konstatierten Phänomens .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
ben mag, bleibt indes fraglich .409 Fest steht hingegen zum einen, dass das als Pest wahrgenommene Krankheitsphänomen direkt oder in seinen Folgen inzwischen nahezu ständig auf den städtischen Alltag eingewirkt haben dürfte . Insbesondere während der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts verging kaum ein Jahr, in dem sich die Seuche nicht in zumindest einer der westfälischen oder rheinischen Städte äußerte . Dabei blieben die qualitativen Strukturen des Pestgeschehens von den scheinbaren oder tatsächlichen Veränderungen seiner Quantität unberührt: Neben einer bisweilen lang andauernden Sterblichkeit auf offenbar moderatem Niveau kam es rund alle zehn Jahre zu einem deutlich intensiveren Auftreten der Krankheit mit hohen Opferzahlen .410 Zum anderen erlaubt die Quellensituation für das 16 . Jahrhundert detailliertere Einblicke in Art, Umsetzung und Entwicklung obrigkeitlichen Handelns im Umgang mit der Pest sowie in die Reaktionen von Geistlichkeit und Stadtbevölkerung . Sogar individuelle Befindlichkeiten angesichts der Seuchengefahr, die besonders im autobiografischen Bericht des Kölner Ratsherrn Hermann von Weinsberg zutage treten,411 werden vereinzelt rekonstruierbar . Insgesamt bestätigt sich dabei erwartungsgemäß, dass kein linearer Lernprozess im Hinblick auf die Maßnahmen zu erkennen ist, die im Angesicht der von den Zeitgenossen meistgefürchteten Krankheit getroffenen wurden .412 Doch auch Aspekte eines selektiven Lernens – etwa durch die Übernahme andernorts bereits applizierter Praktiken, die Verwerfung untauglich erscheinender Vorgehensweisen oder gar Innovationen im örtlichen wie regionalen Rahmen – scheinen für die Ausgestaltung von Verhaltensmustern nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben . Vielmehr manifestierte sich allerorts eine starke Tendenz zur Intensivierung spezifischer Lokalstrategien in der Auseinandersetzung mit der Pest . Finden sich einzelne Elemente dieser Strategien allerorts wieder, so gestaltete sich deren Mischung und Gewichtung stets variabel . Während des 16 . Jahrhunderts hinzutretende Neuerungen ergänzten jedoch nicht einfach das bereits etablierte Vorgehensspektrum . Vielmehr trugen sie dazu bei, die strategische Ausrichtung in ihrer Gesamtheit allmählich zu verändern . Die im Spiegel der Überlieferung erkennbaren Maßnahmen zielten neben der stets bewährten Flucht bisher vorrangig darauf ab, etwa durch Frömmigkeitsbezeigungen ein Ende der Pest gewissermaßen „herbeizubeten“ oder sich – wie beispielsweise in Wesel und Münster – mit dem Ziel der Seucheneindämmung der Pestkranken anzunehmen . 409 Immerhin haben sich mancherorts – etwa in Wesel – so aussagekräftige Quellen wie Stadtrechnungen seit dem Schwarzen Tod annähernd lückenlos erhalten und ermöglichen damit zumindest die Präsenz einer Epidemie festzustellen, auch wenn sich Details dem Blick entziehen mögen . Durch die vergleichende Untersuchung wird dieser Effekt verstärkt, wobei die Befunde zugleich auf eine breitere Grundlage gestellt werden können . 410 Die exemplarische Schilderung eines solchen Verlaufs zeigt JankriFt (1999), S . 45 ff . 411 Das Buch Weinsberg . Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16 . Jahrhundert, 5 Bde . (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 2, 3 u . 16), Bearb . Konstantin HöHlBaum [Bd . 1 u . 2], Friedrich lau Bd . 3 u . 4], Josef stein Bd . 5], Leipzig/Bonn 1886–1926 [Neudruck: Düsseldorf 2000] . 412 dinges (1995A), S . 83 . Jütte (1991), S . 30 f .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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Ein Resultat der möglicherweise gewonnenen Erkenntnis, dass sich die Pest trotz aller Anstrengungen nicht effektiv bekämpfen, sondern höchstens in ihrer lokalen Ausbreitung in einem gewissen Rahmen beeinflussen ließ, äußerte sich unter gleichzeitiger Beibehaltung des erprobten Maßnahmenkanons nunmehr in Versuchen, der Seuche verstärkt auf normativem Weg zu begegnen . Mit Erlassen und Verordnungen als Instrumenten zur Kontrolle der Einwohnerschaft bemühten sich städtische Obrigkeiten in zunehmendem Maße,413 auf den Verlauf und die Auswirkungen des Pestgeschehens einzuwirken . Ein Eindruck aus dem Seuchenalltag. Köln 1502 Nur eine knappe Dekade nach dem Massensterben von 1494 forderte die Pest in verschiedenen Städten Westfalens und des Rheinlands zum ersten Mal während des 16 . Jahrhunderts wieder zahllose Opfer . Am 8 . Juli 1502 brach die Seuche in Köln aus .414 Für die rasche Ausbreitung der Pest inner- und außerhalb der Stadt sorgte möglicherweise ein Großereignis, dass die Obrigkeiten trotz des bereits einsetzenden Seuchengeschehens stattfinden ließen . Am 24 . August begann in Köln ein großes Schützenfest, zu dem Büchsen- und Armbrustschützen aus vielen Städten anreisten . Im Rahmen des Fests wurden dem Publikum neben den Wettspielen noch allerlei Unterhaltungsmöglichkeiten wie etwa eine Kegelbahn geboten .415 Wenngleich man anfangs noch guit geselschaft hielt, so entfaltete sich die Pest schon bald in ihrer vollen Kraft . Einen plastischen Eindruck von Verlauf und Auswirkungen der Epidemie vermittelt der Augenzeugenbericht des Kölner Bürgers Hilbrant Sudermann, der in seltener Deutlichkeit zugleich die individuellen Folgen eines seuchenbedingten Massensterbens aufzeigt .416 Unter Sudermanns Familienangehörigen hielt der Tod reiche Ernte . Bis die Pest zum Weihnachtsfest allmählich abflaute, hatte er den Verlust seiner Ehefrau Neisgin, Tochter des Christian Koch, zu beklagen, die in der Mühlengasse im Overstolzenhaus der Krankheit erlag . Leider verschweigt der Berichterstatter, inwiefern sich die Erkrankung Neisgins auf das Zusammenleben im Haus auswirkte und welche Pflege man ihr angedeihen ließ .
413 Diese Zunahme lässt sich deutlich in den bei Bulst (1989), S . 38–47 gezeigten Tabellen erkennen . Für eine theoretische Diskussion des Phänomens Martin dinges, Normsetzung als Praxis? Oder: Warum werden die Normen zur Sachkultur und zum Verhalten so häufig wiederholt und was bedeutet dies für den Prozess der „Sozialdisziplinierung“?, in: Norm und Praxis im Alltag des Mittelalters und der frühen Neuzeit . Internationales Round-Table-Gespräch Krems an der Donau 7 . Oktober 1996 (= Forschungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit . Diskussionen und Materialien 2), Wien 1997, S . 39–53 . Für Beispiele aus Soest ferner JankriFt (1999), S . 42 ff . 414 creutZ (1933), S . 94 . 415 Hermann cardauns, Aufzeichnungen des Kölner Bürgers Hilbrant Sudermann (1489– 1504), in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 33 (1879), S . 48 . 416 Ebenda, S . 48 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Wie folgenreich sich enger Kontakt unter einem Dach in Pestzeiten auswirken konnte, zeigt der zweite Todesfall in der Familie . In St . Margarethen, wo Sudermanns Schwester als Begine weilte, verstarben nach seinen Ausführungen außer dieser noch me dan 30 oder 37 jufferen. In gleicher Weise, so bemerkt er, ging der Tod unter den Augustinerherren und Liebfrauenbrüdern um . Zwei weitere Angehörige Sudermanns, die von der Pest hingerafft wurden, waren die Frau seines Bruders Johann und seine Halbschwester Tringin, Konventualin zo den wissen frauwen. Die Erfahrungen Hilbrant Sudermanns waren in westfälischen und rheinischen Städten während des 16 . Jahrhunderts keine Ausnahme . In welcher Dimension sich das Wirken der Pest während des 16 . Jahrhunderts im familiären Rahmen manifestierte, veranschaulichen beispielhaft die Aufzeichnungen des Hermann von Weinsberg . Im Laufe einer Generation verlor der Kölner Ratsherr nahezu ein Viertel seiner näheren und weiteren Verwandtschaft durch die Pest .417 Die konkreten Fallbeispiele illustrieren, warum die vormoderne Gesellschaft gerade diese Seuche über alle Maßen fürchtete . Zugleich lassen sie die psychologischen Auswirkungen solch traumatischer Erlebnisses jenseits jeder Opferstatistik erahnen .418 Der Kölner Rat bemühte sich im Zusammenwirken mit der Medizinischen Fakultät der Universität offenbar nach Kräften, eine ärztliche Versorgung der Kranken zu gewährleisten, wie beispielhaft aus dem Schriftwechsel um Professor Dietrich Adrians von Dordrecht hervorgeht . Der erfahrene Arzt und Dekan der Medizinischen Fakultät, deren Lehrkörper er seit 1476 angehörte, weilte nicht zuletzt als Leibarzt des Trierer Erzbischofs Johann II . von Baden des Öfteren außerhalb Kölns .419 Im August, zeitgleich mit der epidemischen Entfaltung der Pest in der Stadt, hatte sich Dietrich von Dordrecht vom Provisor der Universität, Gierat von Wasservaase, für sechs bis sieben Tage beurlauben lassen .420 Es lässt sich nicht ergründen, ob der Professor Köln aus Furcht vor der Seuche verließ oder einzig einer der üblichen auswärtigen Termine den Ausschlag zum Verlassen der Stadt gab . Fest steht, dass Dietrich von Dordrecht seinen Urlaub beträchtlich überzog . Als er am 30 . August noch immer nicht in die seuchengeplagte Rheinmetropole zurückgekehrt war, entsandte der Rat ein Schreiben, in welchem er den Arzt aufforderte, sich zur Betreuung der erkrankten Bürger unverzüglich wieder in Köln einzufinden . Dietrich leistete dem drängenden Gesuch der Stadtväter folge . Was er mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, gegen die Pest tatsächlich ausrichten konnte, bleibt fraglich . Der Rat jedenfalls hielt seine Dienste für unverzichtbar . Als der lebensbedrohlich erkrankte Erzbischof von Trier in Köln darum ersuchte, man möge seinen Leibarzt zu ihm kommen 417 Jütte (1991), S . 41 . Zur Familie Hermann von Weinsbergs ferner Robert Jütte, Household and Family Life in late Sixteenth-Century Cologne . The Weinsberg Family, in: Sixteenth Century Journal 17 (1986), S . 163–182 . 418 Zum Komplex psychischer Bewältigung von Krankheit Jütte (1991), S . 204 ff . 419 Hermann keussen, Beiträge zur Geschichte der Kölner Lepra-Untersuchungen, in: Lepra . Bibliotheca Internationalis 14,2 (1913), S . 101 . 420 creutZ (1933), S . 94 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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lassen, antworteten die städtischen Vertreter am 5 . Oktober 1502 zögerlich, man könne Dietrich von Dordrecht aufgrund des Seuchensterbens nicht länger als höchstens 14 Tage fortlassen . Eine wichtige Rolle für die Pflege der Pestkranken und ihren tröstenden Beistand spielten die Beginen . Nicht zuletzt aufgrund dieser Aufgaben forderte der Tod unter den Schwestern, wie Hilbrant Sudermanns Bericht für St . Margarethen zeigt, eine besonders hohe Zahl an Opfern . Zu Allerheiligen verbot der Kölner Rat den Beginen entgegen den sonstigen Gewohnheiten bezüglich des Totengedächtnisses, sich auf die Gräber zu legen .421 Der Rat begründete seine Anordnung damit, dass die frommen Frauen angesichts der noch immer grassierenden Seuche bi den seigen und kranken sin moisten, dabi bleifen ind si zo warden. Der Ausgriff der Seuche nach Westfalen Im darauffolgenden Jahr wurden weitere Städte in Westfalen und dem Rheinland von der Pest getroffen . Trotz der in Dortmunder und Soester Zeugnissen unterstrichenen Intensität des Seuchengeschehens, erlaubt die allgemeine Quellenlage keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Ausbreitung der Pest .422 Der Chronist Dietrich Westhoff betont, 1503 habe in duetsche nation die pestilenz regeert und auch seine Heimatstadt Dortmund nicht verschont .423 Welche Maßnahmen die Dortmunder Obrigkeiten gegen das neuerliche Auftreten der Seuche ergriffen, bleibt in Anbetracht der ungünstigen Überlieferungssituation unbekannt . Nicht einmal der Name des Stadtarztes ist aus den erhaltenen Zeugnissen zu ermitteln . Kaum mehr lässt sich über die Verhältnisse in Soest sagen, wo sich die Pest zur gleichen Zeit ebenfalls bemerkbar machte .424 Immerhin deutet sich in der Stadtrechnung an, dass sich der Rat im Gegensatz zu seinem bisherigen Verhalten nunmehr um eine Versorgung der Erkrankten bemühte . So weist das Dokument erstmals die Bezahlung einer namentlich nicht genannten Siechenfrau aus .425 Über ihre Aufgaben wird nichts erwähnt, doch lässt sich vermuten, dass diese vorrangig dafür zuständig war, den Pestkranken Trost zuzusprechen und sich um deren alltägliche Bedürfnisse zu kümmern .426 Eben so wenig werden die persönlichen Konsequenzen deutlich, welche für die Pflegerin aus dem direkten Umgang mit Infizierten erwuchsen . Der persönliche Kontakt mit Pestkranken konnte für Siechenfrauen oder das Pflegepersonal von Pesthäusern zu einem Stigma werden . In exemplarischer Weise zeigt dies der 421 Hilbrant Sudermann (1879), S . 48 . 422 Zum möglichen Auftreten der Pest 1503 in Aachen, jedoch ohne zwingenden Beleg Huttmann (1987), S . 42 . 423 Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 374 . 424 Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 331 . 425 Stadtarchiv Soest, A Nr . 4538, fol .38r . 426 Stadtarchiv Wesel, A7 1519, fol .548r .; A7 1524, fol .272v .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
viel spätere Fall des Peter von Merrem, der während der großen Epidemie von 1666 in Köln mehrere Monate lang die Kranken im Pesthaus gepflegt hatte und sich beim Rat beklagte, er werde deswegen von seinen Mitmenschen gemieden .427 Aus der Soester Rechnung des Jahres 1503 geht ferner hervor, dass der Stadtarzt entgegen der sonst zu beobachtenden Praxis an drei Terminen Zuwendungen erhielt .428 Besonders ins Auge fällt der Zusatz op gonste im Zusammenhang mit der nach Johanni Enthauptung am 29 . August getätigten Auszahlung . Dies deutet nicht zuletzt aufgrund der durchgängig festzustellenden Sparsamkeit des Soester Rates bei der Entlohnung seiner Stadtärzte darauf hin, dass sich der Heilkundige in irgendeiner Form, möglicherweise der Betreuung der Kranken, während der Seuche bewährt haben könnte .429 Der Name des Arztes taucht in der Quelle nicht auf . Daher lässt sich nur vermuten, dass der 1499 in der Ausgabenrechnung als Stadtarzt genannte Meister Godert vielleicht noch immer diesen Dienst versah .430 Eine kurze Atempause In einigen der vom Pestausbruch des Jahres 1502 oder 1503 betroffenen Städte fiel die Atempause bis zum nächsten Massensterben offenbar kürzer aus als gemeinhin zu beobachten . Soweit lokale Überlieferungen erkennen lassen, forderte die Seuche zwischen 1506 und 1508 in Köln, Duisburg und Wesel sowie in Dortmund, Münster und Paderborn bereits wieder zahllose Menschenleben .431 Im Frühling des Jahres 1507 setzte das epidemische Geschehen in den niederrheinischen Städten ein . Ende April wurde die Pest in Duisburg
427 428 429 430
Jütte (1991), S . 169 f . Stadtarchiv Soest, A Nr . 4538, fol .31r . Zum Verhältnis zwischen Rat und Stadtärzten in Soest JankriFt (2010) . Stadtarchiv Soest, A Nr . 4534, fol .43r: Mester godert‘, Mester godart. Dieser ist vielleicht identisch mit dem bis 1517 mehrfach in den Quellen auftauchenden und in den Rechnungen als Stadtarzt genannten Meister Gort . Vgl . Stadtarchiv Soest, A Nr . 4545, fol .41r . In einem auf den 6 . April 1510 datierten Schreiben der Soester Stadtväter an den Rat in Neheim bezüglich der ausstehenden Entlohnung für eine Wundbehandlung wird Gort als wise stadt wuntartzede bezeichnet . Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 331 . Stadtarchiv Soest, A Nr . 3051 . Zumindest zeitweilig stand dem städtischen Wundarzt Gort ein weiterer Stadtarzt zur Seite . So lässt sich 1510 der jüdische Heilkundige Meister Salomon belegen, 1513 scheiterte die Anwerbung des Paul van der Veit, doctoir in medicinam, am zu niedrigen finanziellen Gebot des Soester Rates . Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 332 . 431 creutZ (1933), S . 91 f . u . S . 94 . Chronik des Johann Wassenberch (1895), S . 210 . Stadtarchiv Wesel, A7 1507 fol .627r . Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 390 . Staatsarchiv Münster, Fürstbistum Paderborn, Domkapitel Paderborn, Nr . 2253a . Huyskens, Bd . 1 (1901), S . 2 mit Verweis auf einen Eintrag in der Chronik des Schwesternhauses Niesink: Int iar 1506 quam hir ene grote sterfte der pestilentie de hir erst quam up sunte Augustinus dach, so dat binnen iartids storven 19 susteren.
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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spürbar .432 Die Ausführungen des Johann Wassenberch geben zwar keinerlei Aufschluss über das Verhalten von Rat und Geistlichkeit angesichts der Seuche, weisen aber im Hinblick auf Rheinland-Westfalen erstmals explizit auf die Erkenntnis hin, dass die Krankheit durch eine Weiterverwendung der Bekleidung von Pestopfern übertragbar war .433 Der Chronist erläutert, ein Familienvater habe für seine Kinder Kleidungsstücke Verstorbener gekauft . Kurz darauf seien in nur einer Nacht drei Kinder der Seuche erlegen . Besonderes Augenmerk verdient daneben die Darstellung des Dortmunders Dietrich Westhoff vom Charakter der Seuche . Dieser Bericht stützt nachhaltig die Beobachtung, dass die Pest auf endemischem Niveau andauerte und in mehr oder weniger großen Abständen epidemische Auswüchse zeigte . So beschreibt der Chronist seine Wahrnehmung folgendermaßen: … duerde ungeverlich 20 jaer, eer die sukte und pestilenz weder sich stillede und Dortmund verleit.434 Die wenigen erhaltenen Zeugnisse aus der freien Reichsstadt vermitteln den Eindruck, als sei das Verhalten der Obrigkeiten gegenüber dem Sterben noch immer weitgehend von Ohnmacht geprägt gewesen . Erneut verließ ein Großteil der Entscheidungsträger die verseuchte Stadt, wo der Tod von Pfingsten bis zum Sankt Martinstag des Jahres 1508 Einwohnerschaft und Geistlichkeit dezimierte .435 Nach Schilderung Westhoffs war besonders die zentral gelegene, große Brückstraße von der Sterblichkeit betroffen, wo viele Menschen auf engem Raum zusammenlebten . Ein glücklicheres Schicksal war dem Dominikanerkonvent beschieden, der bis auf den Tod des Bruders Nikolaus Dietmar von Neuß von der Wirkung der Seuche verschont blieb .436 Wie von Westhoff treffend beschrieben, ebbte das epidemische Geschehen in der Stadt nur für wenige Jahre ab . Seiner Schilderung zufolge verursachte die Pest bereits 1513 abermals ein Massensterben in Dortmund .437 In nur zwei Straßen, der bereits bei der letzten Epidemie hart getroffenen Brück- und der ebenfalls zentralen, dicht bewohnten Kampstraße, habe die Krankheit 1500 Opfer gefordert . Zudem sei der Stadtrichter Herman Berswort am 6 . Juli der Pest erlegen . In anderen westfälischen oder rheinischen Städten lässt sich die nächste Mortalitätsspitze hingegen erst zwischen 1517 und 1519 feststellen . Für diesen Zeitraum vermeldet der Dortmunder Chronist allerdings keine Epidemie .438 Das Fehlen zeitgenössischer lokaler Vergleichszeugnisse macht ein endgültiges Urteil über die Zuverlässigkeit von Westhoffs chronologischer Angabe unmöglich . Es ist zwar nicht auszuschließen, dass es 1513 in der westfälischen Reichs432 433 434 435
HoFius (1971), S . 185 f . Chronik des Johann Wassenberch (1895), S . 21 . Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 390 . Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 390 Anm . 2 . In Zusammenfassung der ihm vorliegenden chronikalischen Berichte auch die Aufzeichnungen von Beurhaus, Stadtarchiv Dortmund, Best .448 Nr . 15,1 . Buch 12 . Kap . § 2 . 436 JankriFt (1998), S . 113 . 437 Chronik des Dietrich Westhoff (1882), S . 397 . 438 Ein wenig informativer und später Hinweis auf ein mögliches Pestgeschehen in Dortmund im Jahre 1519 findet sich nur bei Beurhaus . Stadtarchiv Dortmund, Best .448, Nf .15, 1 . Buch 12 .Kap . § 5 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
stadt zu einem isolierten Auflodern der Seuche kam . Doch könnte die chronologische Diskrepanz zur Entwicklung des Pestgeschehens in den übrigen Städten ebenso auf einem Irrtum oder auf einer Verlesung bzw . Verschreibung einer in lateinischen Ziffern gehaltenen Jahresangabe – statt xvii also xiii – beruhen . Vor dem Hintergrund des regionalen Seuchengeschehens, in dessen Verlauf zudem nachweislich Pestflüchtlinge aus verseuchten Städten nach Dortmund zogen, scheint letztere Möglichkeit die wahrscheinlichere .439 Die Pestwelle von 1517 bis 1519 Im Sommer 1517 flammte die Pest zunächst in Westfalen wieder auf .440 Unter Datum vom 4 . Juli vermerkt ein Soester Ratsprotokoll, dass eyn groit sterff pestilencie halven über die Stadt gekommen sei . Im Oktober erreichte die Sterblichkeit ihren Höhepunkt . Bis zum Osterfest des Folgejahres hielt sich die Seuche in Soest . Der Wahrnehmung des Ratsschreibers zufolge raffte die Pest um den 21 . Oktober herum im Laufe von nur zwölf Tagen 600 Menschen hin . Wenngleich die Zuverlässigkeit der angeführten Opferzahlen von etwa 3000 Toten für die gesamte Dauer der Epidemie – einmal mehr in Frage zu stellen ist, so lässt sich doch aus der Schilderung auf den Verlauf des Seuchengeschehens schließen . In Verbindung mit weiteren zeitgenössischen Zeugnissen lassen sich nun erstmals auch detailliertere Erkenntnisse über das Verhalten der Soester Obrigkeiten und die lokalen Auswirkungen der Pest gewinnen . Den Ausführungen des Ratsprotokolls zufolge bevorzugten die Ratsherren weiterhin mehrheitlich, sich durch Flucht der Ansteckungsgefahr zu entziehen und viele Stadtbewohner taten es ihnen darin gleich . Zufluchtsorte, die das Schriftstück nennt, waren neben Köln und Dortmund vor allem die näher gelegenen Städte Hamm und Lippstadt . Nicht alle Flüchtlinge hatten Soest rechtzeitig verlassen . So erlag am 9 . August der Zisemeister Hermann Gresemunth in Köln der Krankheit . Sein Leichnam wurde vom Rhein in das heimatliche Soest überführt und in der Petrikirche beigesetzt . Das Ratsprotokoll gibt keinerlei Auskunft über die Organisation des Transports, der für die Begleiter des toten Zisemeisters ein gewisses Infektionsrisiko bedeutete . Wie lange die übrigen städtischen Vertreter Soest fernblieben, geht aus dem Zeugnis nicht hervor . Möglicherweise kehrten einige von ihnen zurück, während das Seuchengeschehen noch andauerte . Vielleicht reichte aber auch der verbleibende Teil der Ratsvertreter aus, um die Amtsgeschäfte weiterzuführen . Im Gegensatz zum Bild eines in seiner Entscheidungsfindung weitgehend gelähmten Soester Rates, welches die Quellen für frühere Epidemien entwerfen, zeigt das Proto439 Darüber täuscht auch der Umstand nicht hinweg, dass die späteren Schilderungen von Beurhaus auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, als habe der Verfasser Einsicht in zeitgenössische Kirchenbücher gehabt . Doch deckt sich die glatte Zahl von angeblich 1500 Opfern so exakt mit den Angaben bei Westhoff, dass Zweifel an der Zuverlässigkeit berechtigt erscheinen . Stadtarchiv Dortmund, Best .448, Nr . 15,1 . Buch 12 .Kap . § 3 . 440 Soester Stadtbücher (1895), S . 105 .
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koll, dass die städtischen Obrigkeiten dieses Mal zumindest zeitweise handlungsfähig blieben . Als sich am Hellweg zwischen Soest und Sassendorf im Herbst 1517 eine Schar von Nonnen zum gemeinschaftlichen Gebet versammelte, schritt der Rat umgehend ein . Die frommen Damen, die vermutlich göttlichen Beistand und ein baldiges Ende des großen Sterbens erflehen wollten, mosten vort upbrecken ind rumen de stede. Den Grund für diesen Beschluss des Rates nennt das Dokument nicht . Vielleicht befürchteten die Obrigkeiten eine weitere Ausbreitung der Seuche in das Umland . Diese Gefahr bestand nicht zuletzt deshalb, weil die Zusammenkunft wahrscheinlich weitere Hoffnungssuchende aus der Stadt und den Nachbargemeinden angezogen hätte . Ob die städtischen Autoritäten darüber hinaus gezielte Anstrengungen zur Eindämmung der Ansteckungsgefahr unternahmen, etwa durch Vorschriften für die Einwohnerschaft oder eigenes Engagement zur Verbesserung der hygienischen Situation, lässt die Überlieferung nicht erkennen . Hingegen sorgte sich der Rat wie schon für die vorangegangene Epidemie des Jahres 1503 zu beobachten abermals um eine Versorgung der Kranken . Die Stadtrechnung von 1517 belegt erneut eine Zahlung von neun Mark an eine namentlich ungenannte Siechenfrau.441 Deren fortlaufende Entlohnung während des folgenden Jahres und die Anstellung einer weiteren Frau, der reysegerschen, zu ihrer Unterstützung bestätigen die Aussagen des Ratsprotokolls über Dauer und Intensivierung des Seuchengeschehens .442 Daneben wirkte zu Beginn der Epidemie noch immer der städtische Wundarzt Meister Gort .443 Welche Rolle dieser für Betreuung und Pflege der Erkrankten spielte, bleibt unklar . Um den Jahreswechsel wurde Meister Gort möglicherweise selbst ein Opfer der Pest . Unter der Überschrift unser staet arsten findet sich in der Ausgabenrechnung für 1518 keinerlei Eintrag, was auf eine vorübergehende Vakanz der Stadtarztstelle hindeutet .444 Bis zum Ende der Epidemie musste der Rat offenbar ohne einen Heilkundigen auskommen . Erst nach dem Ende des Seuchensterbens konnten die städtischen Vertreter einen neuen Arzt anwerben . Den Ausführungen des Ratsprotokolls zufolge trat am 2 . September 1518 der Physicus Dr . Johannes Portfleyth zunächst auf ein Jahr befristet in städtische Dienste .445 Portfleyth, der in den 1480er Jahren an der Medizinischen Fakultät der Universität Köln studiert und seinen Doktortitel erworben hatte, leistete vor dem Rat seinen Eid . Durch diesen verpflichtete sich ein Stadtarzt üblicherweise, myt vlyte und na alle synen vormogen ryke ind arme, de syner in kranckheyten behoven, behulplick in der medicine zu sein .446 Zugleich sollte Portfleyth die 441 442 443 444 445 446
Stadtarchiv Soest, A Nr . 4545, fol .54r . Stadtarchiv Soest, A Nr . 4546, fol .41r . Stadtarchiv Soest, A Nr . 4545, fol .41r . Stadtarchiv Soest, A Nr . 4546, fol .28r . Soester Stadtbücher (1895), S . 107 . Portflyths Studium in Köln belegt ein an den Rat der rheinischen Stadt gerichtetes Schreiben der Soester Obrigkeiten aus dem Jahre 1528 . Darin versicherten die Dienstherren Portfleyths, dieser werde nun die noch immer ausstehende Rückzahlung des während seiner Kölner Studienzeit 1484 [!] von dem Apotheker Andries von Sittard geliehenen Geldes zur Hälfte up negst kommen kristmeysse und de andere up mid fasten leisten . Den Zeitan-
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Aufsicht über die Apotheke und die Tätigkeit des Apothekers übernehmen .447 Für seine Tätigkeit wurde ihm ein Salär geboten, das mit einer Summe von 40 Goldgulden zuzüglich diverser Getreidezuteilungen deutlich höher ausfiel als das seines nicht universitär gebildeten Vorgängers Meister Gort . Mussten Rat und Bevölkerung während der Epidemie zeitweise auf ärztlichen Beistand verzichten, so wurde auch die geistliche Versorgung durch die Pest stark beeinträchtigt . Für Kleriker, die während der Epidemie weiterhin ihren Dienst versahen, Bittprozessionen und -messen koordinierten sowie die Verstorbenen zur letzten Ruhe geleiteten, war das Infektionsrisiko stets besonders hoch .448 Das Ratsprotokoll zählt auf: Ock storven to der Hone cappelain, bede loinheren, koster, tho der Wese de cappelain, tho sunte Pauwel eyn loinhere. Darüber hinaus hatten die Soester Kirchspiele den Tod von zehn Priestern zu beklagen . Die hohen Verluste unter den Klerikern lassen vermuten, dass die Geistlichkeit ihre Rolle in der religiösen Pestbewältigung, die in Soest stets zu den maßgeblichen Reaktionen auf das Seuchengeschehen zählte, erneut gewissenhaft wahrnahm . In welchem Maß Flüchtlinge aus dem verseuchten Soest zur Verbreitung der Infektionskrankheit in weitere Städte Westfalens und des Rheinlands beigetragen haben mögen, lässt sich nicht ergründen . Fest steht, dass sich die Wirkung der Seuche in Köln etwa zu dem Zeitpunkt bemerkbar machte, als das Sterben in Soest abebbte . Der autobiografische Bericht des langjährigen Kölner Ratsherren Hermann von Weinsberg vermittelt plastische Eindrücke von den Auswirkungen des Seuchengeschehens in der rheinischen Großstadt .449 Musste Weinsberg, der zu Beginn des Jahres 1518 geboren wurde und naturgemäß diese Epidemie noch nicht bewusst erlebte, für seine Darstellung gaben zufolge dürfte Dr . Portfleyth also bereits das 50 . Lebensjahr überschritten haben, als er seine Tätigkeit in Soest aufnahm . Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 333 . Der in dem Brief als aptiker bezeichnete Andries von Sittard war vielleicht ein Angehöriger der Medizinischen Fakultät . Immerhin lässt sich dort zur fraglichen Zeit ein namensgleicher, bekanntermaßen vermögender und in Geldgeschäften tätiger Arzt nachweisen . Vgl . keussen (1913), S . 107 . Zum Wortlaut stadtärztlicher Eidesformeln vgl . auch die etwa zeitgleichen Beispiele aus Köln: Historisches Archiv der Stadt Köln, Verfassung und Verwaltung Nachtrag 1017 . Beispiele für das 15 . Jahrhundert bieten verschiedene Dienstverträge . Vgl . Historisches Archiv der Stadt Köln, HUA 1/12644 u . 1/12683 sowie HUA-Kap .3, fol .110v . u . fol .1188v . Stadtarchiv Wesel, A1/Caps .345/347 Nr . 7, fol .74r . JankriFt (2010) . 447 Schon die im 13 . Jahrhundert auf Geheiß Kaiser Friederichs II . für das Königreich Sizilien erstellte Medizinalordnung sah eine Inspektion der Apotheken durch Ärzte ausdrücklich vor . Darüber hinaus verbot sie, dass Ärzte sich gleichzeitig als Apotheker betätigten . Vgl . Hermann dilcHer, Die sizilische Gesetzgebung Kaiser Friederichs n . Quellen der Konstitutionen von Melfi und ihrer Novellen, Köln/Wien 1975, S . 685 . Entgegen dieser Bestimmungen findet sich in Soest während des 16 . Jahrhunderts gelegentlich die Personalunion von Arzt und Apotheker . JankriFt (1999), S . 41 . Gerd Hinrich BeHlmer, Geschichte der Apotheken und Apotheker im alten Soest, in: Soester Zeitschrift 46 (1931), S . 20 . 448 Hierzu exemplarisch die auf den Schwarzen Tod bezogene Studie von ZaddacH (1971) . Ferner William doHar, The Black Death and Pastoral Leadership . The Diocese of Hereford in the fourteenth century, Philadelphia 1995 . 449 Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 25 .
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der Ereignisse aus Erzählungen von Familienangehörigen und anderen Augenzeugen schöpfen, so fehlt dem Bericht dennoch nicht die sein gesamtes Werk prägende persönliche Note . Zwischen Ostern und Pfingsten, dem 4 . April und dem 22 . Mai, setzte das Sterben seiner Schilderung zufolge in Köln ein . Das öffentliche Leben kam durch das Seuchengeschehen weitgehend zum Erliegen . Gerichte und Schulen, so betont Weinsberg, wurden geschlossen . Der Rat griff in Abstimmung mit dem Klerus erneut auf die bereits vielbemühte Strategie zurück, durch eine Reliquienprozession den Allerhöchsten um gnädige Abwendung des Übels zu bitten und der Einwohnerschaft Trost zu spenden . Unbeeinträchtigt davon nahm die Pest an Vehemenz weiter zu, so dass zahlreiche heuser gans uisstorben, wie der Berichterstatter am Beispiel der Familie Hermann Windecks detailliert aufzeigt . Der Hausherr selbst, seine Frau, sein einziger Sohn und ein Teil ihrer Dienstboten verloren während der Epidemie ihr Leben . Über das Seuchensterben hinaus kam es in der Stadt, die auf eine ständige Versorgung aus dem Umland angewiesen war, aufgrund der situationsbedingt ausbleibenden Zufuhr offenbar rasch zu einer Nahrungsmittelknappheit . Zugleich setzte eine Massenflucht ein . Auch Weinsbergs Eltern verließen mit dem Säugling ihre verseuchte Heimatstadt und begaben sich zu Verwandten nach Dormagen, wo sie sich einige Monate aufhielten . Die um die Mitte des 17 . Jahrhunderts möglicherweise von einem Jesuiten verfassten Annales Colonienses bestätigen die Aussagen Weinsbergs über die Heftigkeit des Sterbens, Lähmung des öffentlichen Lebens und Massenflucht .450 Darüber hinaus unterstreicht ihr Verfasser die zentrale Bedeutung der religiösen Auseinandersetzung mit der Seuche: placuit religiosissima civitati, quod saepe alias aluti fuisse experta fuerat, publica supplications placare divinam iram. Nach einer Prozession mit den Gebeinen des Heiligen Antonius zu Beginn der Peststerblichkeit folgte im Oktober eine aufwendige Sakramentstracht durch die ganze Stadt . Inwieweit der Rat sich darüber hinaus bemühte, die Epidemie mit irdischen Mitteln einzudämmen, wird in der Überlieferung nur schemenhaft deutlich . Am 25 . Oktober 1518 verfügten die städtischen Obrigkeiten in gleicher Manier wie schon während der Pest von 1502 zu beobachten, dass sich keine Beginen auf die Gräber legen dürften .451 Die Kirchenmeister aller Pfarreien waren gehalten, die Offerleute entsprechend anzuweisen . Fiel den frommen Frauen augenscheinlich abermals eine wichtige Rolle in der Krankenpflege zu, bleiben Aspekte einer (wund)ärztlichen Betreuung der Infizierten im Dunkeln . Weder in den Ratsbeschlüssen noch im universitären Schriftgut lässt sich ein entsprechendes Engagement städtischer Ärzte oder Angehöriger der Medizinischen Fakultät nachweisen . Fest steht, dass das von der Artistenfakultät zur Versorgung ihrer Pestkranken erworbene Haus in der Gereonstraße inzwischen funktionstüchtig war .452 Die Einrichtung verfügte zunächst über fünf, später über sieben Betten . Ein Hausverwalter, der dauerhaftes Wohnrecht genoss, sorgte sich gemeinsam mit seiner Frau um die Kranken . 450 Historisches Archiv der Stadt Köln, Chroniken und Darstellungen 72, fol .33r . 451 Beschlüsse des Rates der Stadt Köln, Bd . 2 (1989), S . 450 . 452 creutZ (1933), S . 114 .
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Der Pflegealltag bleibt in Ermangelung geeigneter Zeugnisse weitgehend im Dunkeln, doch belegen die Quellen wiederholt, dass Studenten und Magistri in der Roten Pforte an der Pest verstarben . Eine Intensivierung obrigkeitlicher Maßnahmen zur Vermeidung von Miasmen im Umfeld der Seuche lässt sich nicht erkennen . Vielmehr scheint sich der Rat kontinuierlich, wenngleich offenbar ohne ersichtlichen Erfolg, um eine Verbesserung der hygienischen Verhältnisse in der Großstadt Köln bemüht zu haben . So erließ er einige Monate vor dem Ausbruch der Seuche die häufig wiederholte Verordnung, wonach Schweine nicht frei auf den Straßen herumlaufen sollten .453 Zeigen sich in den Ratsprotokollen kaum obrigkeitliche Reaktionen auf das unmittelbare Seuchengeschehen, so treten in ihnen dessen Auswirkungen für das Gemeinwesen vereinzelt deutlich zutage . Durch Massensterben und -flucht war beispielsweise die Verteidigungsbereitschaft der Stadt erheblich gemindert . Als sich die Kölner Anfang Oktober für eine kriegerische Auseinandersetzung rüsteten, verordneten die Stadtväter zwei Ratsherren dazu, die Bürger anzuhalten, auch jene Befestigungsabschnitte wehrhaft zu besetzen, die aufgrund der zahlreichen Todesfälle vakant blieben .454 Deutet Hermann von Weinsberg in seinen Ausführungen darauf hin, dass die Pest zur gleichen Zeit auch andernorts wütete und bestätigen beispielsweise die Essener Ratsprotokolle455 die Zuverlässigkeit dieser Aussage, werden die Ausläufer der Epidemie in manchen westfälischen und rheinischen Städten erst während des folgenden Jahres sichtbar .456 Ende Mai 1519 war das Seuchengeschehen in Wesel bereits in vollem Gange . Wann genau das große Sterben in der niederrheinischen Stadt Einzug hielt, lässt sich aus der lokalen Überlieferung nicht rekonstruieren . Allerdings wird im Spiegel der Stadtrechnung abermals offensichtlich, dass der Weseler Rat weiterhin an seiner Strategie einer aktiven Auseinandersetzung mit der Seuche festhielt und darüber hinaus einen weiteren Schritt zur geordneten Betreuung Pestkranker tat . Wie einige Jahre zuvor in Soest, taucht nun auch in Wesel erstmals der Beleg für das Wirken einer aus der Stadtkasse entlohnten Siechenfrau auf . Am Dienstag nach Jubilate, dem 17 . Mai, beschlossen Bürgermeister, Schöffen und Rat Trintgen Vlijck in ihre Dienste zu nehmen, omb dat sy by die krancken sall troisten.457 Aus dem Zeitpunkt ihrer Anstellung folgt, dass in der Stadt bereits ein entsprechender Versorgungsbedarf eingetreten war . Der Eintrag ist zugleich der früheste Hinweis auf den Pestausbruch . Je nach Entscheidungsgeschwindigkeit der städtischen Vertreter hatte das Seuchenge453 Beschlüsse des Rates der Stadt Köln, Bd . 2 (1989), S . 364 . 454 Beschlüsse des Rates der Stadt Köln, Bd . 2 (1989), S . 446 . 455 Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 283, fol .44v . Der Verfasser dieses sogenannten . Gruntliken Protokolls, das Auszüge der Ratsprotokolle der Jahre 1467 bis 1540 bietet begnügt sich allerdings mit der knappen Bemerkung: In dem sehten Jar [Anm .: 1518] dey pestilenz regeerde. Unter dem Eindruck der Pest erließen die Essener Obrigkeiten 1517 umfangreiche Hygieneverordnungen . Hierzu BüscHer (1922), S . 30 . 456 Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 25 . 457 Stadtarchiv Wesel, A7 1519, fol .545r .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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schehen mithin Tage, wenn nicht Wochen zuvor eingesetzt . Darüber hinaus bemühte sich der Rat in gewohnter Weise, es nicht allein beim tröstenden Zuspruch und der wie auch immer gearteten weiteren Leistungen der Trintgen Vlijcks für die Kranken bewenden zu lassen . Vielmehr spielten der städtische Wundarzt und der Apotheker anscheinend erneut eine Rolle für deren Versorgung . Der bewährte Meister Thys war zumindest zu dieser Zeit noch immer im Auftrag des Rates tätig . Am 7 . Juni wurde er für die erfolgreiche Behandlung einer Beinverletzung des Bernt Plancken entlohnt .458 Ob und in welcher Weise Meister Thys wie schon 1493 in eine wundärztliche Betreuung Pestkranker eingebunden war, geht aus dem Dokument nicht hervor . Vielmehr verpflichtete die Stadt einen anderen Wundarzt, dessen Bezahlung in Höhe von 20 Gulden die Ausgabenrechnung verzeichnet, ohne jedoch die Tätigkeiten dieses Meister Heinrich Tronntes genauer zu spezifizieren .459 Die Spur des Meister Thys verliert sich jedoch mit dem Eintrag vom 7 . Juni . Möglicherweise fand er in der Epidemie ebenso den Tod wie Baithe Pouwels, eine der zwei städtischen Hebammen .460 Die Ausgabenrechnung vermerkt den Tod der Geburtshelferin, die neben Neesken Telen aus Dinslaken seit drei Jahren in Diensten des Rates gestanden hatte . Hebammen zählten zweifelsohne zu jenen Personengruppen, die aufgrund ihrer Tätigkeit in besonderer Weise einer Ansteckung ausgesetzt waren .461 Nur ausnahmsweise jedoch werden solche Zusammenhänge in den Quellen deutlich, da die Überlieferung rheinischer und westfälischer Städte für das 16 . Jahrhundert noch immer wenig Einblick in die alltägliche Praxis der Hebammen gewährt . Aus der Höhe des bis zu ihrem Ableben ausgezahlten Jahreslohnanteils ergibt sich, dass Baithe Pouwels wahrscheinlich Anfang Juli starb . Am 24 . September 1519 besetzten die städtischen Vertreter die vakante Stelle mit Mechtelt van Wisschell, die bis 1542 regelmäßig in den Rechnungen auftaucht .462 Zu vermuten, aber nicht nachzuweisen ist, dass der Rat erst nach dem Abflauen des Seuchensterbens die Rekrutierung einer neuen Hebamme vornehmen konnte . Demnach könnte das epidemische Geschehen zum Beginn des Herbstes an Kraft verloren haben . Gänzlich zum Stillstand gekommen war die Pest jedoch noch nicht . Ein Eintrag im Rechnungsbuch des Folgejahres, demzufolge huigerer van goir myt der jamerlicken plaigen der pestilencie befallen war, belegt, dass die Seuche weiter andauerte .463 Neben wundärztlichen und pflegerischen Leistungen im weitesten Sinne nahmen die Stadtväter ebenso die spezifischen Dienste ihres Apothekers in der bereits üblichen Weise in Anspruch . Als die Pest während der Sommermonate ihren Höhepunkt erreichte und Meister Joern sich außerhalb der Stadt im nahegelegenen Ossenberg aufhielt, entsandte der Rat seinen Boten Johan 458 459 460 461 462 463
Stadtarchiv Wesel, A7 1519, fol .515v . Stadtarchiv Wesel, A7 1519, fol .548r . Stadtarchiv Wesel, A7 1519, fol .548r . Hierzu knapp scHmitZ-cliever (1954/1955), S . 125 f . Z. B. Stadtarchiv Wesel, A7 1524, fol .272v . Stadtarchiv Wesel, A7 1520, fol .656r .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Rodenberg zu dem dringend benötigen Apotheker.464 Ein späterer Eintrag im städtischen Rechnungsbuch weist Zahlungen an Meister Joern für den Kauf gueder materialia zur Zubereitung von Arzneien aus .465 Darüber hinaus sorgten sich die Stadtväter intensiv um die Straßenreinigung, die nicht zuletzt der Eindämmung der nach zeitgenössischem Verständnis gefährlichen Miasmen dienen sollte . Im Juni wurde der für alle unangenehmen Aufgaben vom Hundeschlagen bis zum Kloakenreinigen herangezogene Meister Terll vom Rat angewiesen, den dreck achter der muyren zu verteilen .466 Trotz der erheblichen Beeinträchtigung des öffentlichen Lebens in Wesel, die der Seuchenausbruch zwangsläufig bedeutete, widmeten sich die städtischen Vertreter nicht ausschließlich der Eindämmung der Krankheit in ihren Mauern, sondern hielten informativen Kontakt zu Nachbarstädten . So schickte der Rat etwa am 23 . Juli Boten nach Xanten und Orsoy aus, die die dortigen Obrigkeiten über die Situation in Wesel unterrichten sollten . So detailliert wie in Wesel lassen sich die Reaktionen auf das Pestgeschehen trotz einer allgemein dichter werdenden Überlieferung nicht überall nachvollziehen . Zu groß sind die Quellenverluste in Dortmund, Minden und Münster, als dass sich über fragmentarische Informationen zum Auftreten der Seuche ein umfassenderes Bild der diesbezüglichen Ereignisse rekonstruieren ließe . Die einzige Nachricht über das Erscheinen der Pest in Minden liefert das Chronicon Domesticum et Gentile des Mindener Ratsherren Heinrich Piel . Für die Darstellung der Geschehnisse von 1519 war der Chronist, der als Augenzeuge späterer Seuchenphänomene ausführlicher über deren Verlauf und Auswirkungen berichtet, noch auf die Erzählung älterer Zeitgenossen angewiesen . Dies mag die Kürze seiner Notiz erklären . Nach Piels Worten folgte der Ernte eine große pest […], daß viele gute leute darinne gesturben.467 Der einzig fruchtbare Hinweis, der sich für die vergleichende Betrachtung des rheinisch-westfälischen Seuchengeschehens aus dieser Nachricht entnehmen lässt, ist chronologischer Natur . Trifft die Angabe Piels über den Zeitpunkt des Pestausbruchs zu, dann setzte das Sterben an der Weser ein, als es im niederrheinischen Wesel bereits im Abklingen begriffen war . Keine weiterführende Information ist demgegenüber aus der knappen und allgemeingehaltenen Erwähnung über das Wüten einer Epidemie im Werk des Dortmunders Beurhaus zu gewinnen, zumal eindeutige Bezüge zur Situation in der freien Reichsstadt fehlen .468 Münsters zweites Pesthaus. Die Überwasser-Elende Keinerlei direkte Nachricht hat sich über das Seuchengeschehen 1519 in Münster erhalten . Aus diesem Grund kann ein Wüten der Pest in der Stadt für 464 465 466 467 468
Stadtarchiv Wesel, A 7 1519, fol .478v . Stadtarchiv Wesel, A7 1519, fol .548r . Stadtarchiv Wesel, A7 1519, fol .516v . Chronicon Domesticum et Gentile (1981), S . 102 . Stadtarchiv Dortmund, Best .448 Nr . 15, l . Buch 12 .Cap . § 5: ao 1519 starben ganze Plätze an der Pest aus. Westhoff erwähnt 1519 keinen Pestausbruch in Dortmund .
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dieses Jahr nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden . Sichtbar werden 1519 jedoch gleich mehrfach Reaktionen von Obrigkeiten und Einwohnerschaft, den mit Einrichtung des ersten Pesthauses eingeschlagenen Weg im Umgang mit Seuchen weiter zu beschreiten . Am 2 . Mai 1519 bestätigten Bürgermeister und Rat die Gründung einer zweiten, im Kirchspiel Überwasser gelegenen Elende .469 Die Inbetriebnahme eines weiteren Hauses zur Betreuung Infektionskranker legt die Vermutung nahe, dass die beinahe 50 Jahre zuvor gegründete Aegidii-Elende ihren Zweck in der gedachten Weise erfüllte . Zugleich bestätigt sich die Annahme, dass die Versorgungskapazitäten des Hauses während der Höhepunkte der Sterblichkeit nicht ausreichten . Die mit dem Bau der zweiten Elende verknüpfte Ausweitung des anspruchsberechtigten Personenkreises bei gleichzeitiger Beschränkung des Einzugsgebietes auf die Grenzen des Kirchspiels bedingte längerfristig eine Umstrukturierung der institutionellen Versorgung Pestkranker . Im Gegensatz zu den Aufnahmekriterien der Aegidii-Elende, die ausschließlich seuchenkranken Knechten und Mägden aus der gesamten Stadt Einlass gewährten, sollten in der neuen Elende des Troistes der gebenedieden Moder Godes Marien, edder Marien der Barmhertigkeit alle geistlichen wie weltlichen gemeinen Einwohner des Kirchspiels Überwasser mitsamt ihrem Hausgesinde sowie Schüler, Kleriker und sonstige Mitbewohner Anspruch auf die Leistungen der Institution genießen .470 Darüber hinaus wurden Bediensteten des Klosters Überwasser sowie der Domherren aufgenommen, sofern der Dekan oder sein Stellvertreter zustimmten . Möglicherweise resultierte die veränderte Ausrichtung aus der in eigener Beobachtung gewonnenen Erfahrung, dass nicht nur die vom Wohlwollen ihrer Dienstherren abhängigen Knechte und Mägde mit dem Problem konfrontiert waren, im Falle einer Pesterkrankung allein ihrem Schicksal überlassen zu werden . Vermögen und sozialer Status gewährten angesichts der Furcht vor Ansteckung zu keiner Zeit die Betreuung Infizierter durch Angehörige oder Freunde . Entscheidend für die Ausweitung des versorgungsberechtigten Personenkreises war mithin eine Neubewertung des zentralen Aufnahmekriteriums „Verlassenheit“ . Entsprechend manifestiert sich in der Bestätigungsurkunde für die Überwasser-Elende im Unterschied zu der für das Haus im Kirchspiel Aegidii deutlich ein kollektives Verständnis der verlaten Krancken. Die Einrichtung der Überwasser-Elende war keinesfalls gekoppelt an einen Pestausbruch in der Stadt im Jahre 1519 . Sofern sich die Seuche zu dieser Zeit in Münster äußerte, was vor dem Hintergrund ihrer nachweisbaren Ausbreitung zumindest wahrscheinlich ist, dürfte das Haus umgehend vor seine Bewährungsprobe gestellt worden sein . Der Gründungsprozess der Überwasser-Elende, der mit der Bestätigung durch die städtischen Obrigkeiten nunmehr seinen formellen Abschluss fand, hatte jedoch bereits einige Jahre zuvor 469 Das Original der Gründungsurkunde ist nicht erhalten . Eine Abschrift aus dem 18 . Jahrhundert findet sich im Bistumsarchiv Münster, GV Hs 175: Spicilegii Ecclesiastici Civitatis et Diocesis Monasteriensis, Tomus XIV, Münster 1771, fol .149r–163r . Eine Edition dieses Dokuments jetzt bei WinZer (1996), S . 289–294 470 WinZer (1996), S . 246 .
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seinen Anfang genommen . Den Anstoß gab erneut eine private Initiative . Im Gegensatz zum Stifter der Aegidii-Elende, der die Errichtung der Institution testamentarisch verfügte und die Ausführung seiner Bestimmung Handgetreuen übertrug, sorgten sich die Wohltäter der Überwasser-Elende zu Lebzeiten um die Inbetriebnahme des Hauses . Eindrücke lokaler Pestausbrüche am Beginn des 16 . Jahrhunderts, die sich aufgrund der Quellenverluste nicht fassen lassen, scheinen ihre Initiative maßgeblich beeinflusst zu haben . So verrät die Gründungsurkunde deutlich eine zeitspezifische Wahrnehmung des Seuchengeschehens, wenn in ihr die Rede ist von der bedrovenden, anfallende, beklieflicken Suicken der Pestilencie und anderen beklieflicken, schuwenden Kranckheiden, die man in der Stadt schon während einiger Jahre gehabt habe und täglich erleiden müsse . Aus dem Kreis der Stifter hebt das Schriftstück besonders Johan von Herford genannt Stevermann hervor, der eine entscheidende Rolle für die Finanzierung der neuen Elende spielte . Ihm standen Johan Prüssen, Olderman der Gesamtgilde, sowie Johann tor Möllen, Archdiakon und Dekan von Überwasser, in der Ausführung des Vorhabens zur Seite . Zur Umsetzung ihrer Pläne mussten die Stifter wie im Falle der AegidiiElende zunächst ein Grundstück erwerben, wobei allerdings der Rat als Vermittler in Erscheinung trat .466 Der gekaufte, dem Magdalenenhospital gehörige Besitz lag den Angaben der Urkunden zufolge an der Stadtmauer zwischen dem Liebfrauen- und dem Jüdefelder Tor, genauer by den Lappenbrinkschen huse tobehorich Frederich van Beveren up de ene syd und huse und hove tobehorich Herman Focken den Schröder up den anderen syden.471 Das genaue Kaufdatum lässt sich in Ermangelung der entsprechenden Schriftstücke nicht ermitteln . Der Grunderwerb muss jedoch vor dem Winter 1516 erfolgt sein, da das neue Gebäude zur Unterbringung der Kranken planmäßig zwischen Dezember und Anfang März des Folgejahres entstehen sollte .472 Die Kosten für den Bau und die Ausstattung der Überwasser-Elende wurden von einem größeren Kreis von Privatpersonen, dem Rat und nicht zuletzt der Pfarrgemeinde übernommen . Einige dieser Wohltäter werden in der Gründungsurkunde namentlich genannt . Den größten Beitrag leistete mit 100 Gulden abermals Johan Steverman, der durch den Verkauf einer jährlichen Rente seitens der Kirchspielvertreter am 22 . Mai 1518 die Hälfte dieser investierten Summe zurückerhielt .473 Das bereits vorhandene kleinere Haus wurde den urkundlichen Bestimmungen zufolge wieder hergerichtet und sollte fortan als Wasch- und Lagerhaus dienen . Zumindest zeitweise fungierte dieses Nebengebäude vielleicht ebenfalls als Krankenstube . Ein Eintrag im Rechnungsbuch des Almosenkorbs Überwasser aus dem Jahre 1546 weist die Unterstützung einer kranken Frau aus, die in der lutken Eilende cranck lach.474 Demzufolge könnte man bei Auslas471 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Überwasser-Elende, Urk . 2 . Hierzu detHleFFs (1989), S . 10 . 472 WinZer (1996), S . 245 . 473 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Überwasser-Elende, Urk .2 474 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Almosenkorb Überwasser, Akten 1, 1546 .
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tung der Elende für eine weitere Belegung auf das Lagerhaus zurückgegriffen haben . Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass das Nebengebäude zur Separierung von Kranken genutzt wurde, die an einer anderen Infektionskrankheit litten, als die zur selben Zeit im Haupthaus versorgten . Vielleicht wurde die Bezeichnung „lutke Eilende“ aber auch ursprünglich zur Unterscheidung des Hauses in Überwasser von der erheblich größeren Einrichtung im Aegidii Kirchspiel verwendet und blieb trotz der zwischenzeitlich erfolgten Gründung einer dritten Elende in Lamberti 1546 noch immer gebräuchlich . Für diese Vermutung spricht insbesondere, dass sich weder in diesem noch dem vorangegangenen Jahr eine auffällige Sterblichkeit in Münster nachweisen lässt, die zu einer Überbeanspruchung der Aufnahmekapazitäten geführt oder eine Trennung von Kranken mit verschiedenen ansteckenden Leiden erforderlich gemacht haben könnte . Wie viele Personen in der Überwasser-Elende im Bedarfsfall versorgt wurden, geht aus der Gründungsurkunde nicht hervor . Wahrscheinlich unterschied sich das Platzangebot nicht wesentlich von dem der später in den Kirchspielen Lamberti und Martini eingerichteten Häuser . Diese verfügten über acht bis vierzehn Bettstellen . Die Zahl der Kranken, die sich eine Liegefläche teilen mussten, bleibt aber wiederum offen, so dass sich über die absoluten Kapazitäten keine zuverlässigen Aussagen treffen lassen .475 Die Verwaltung der Überwasser-Elende war ähnlich strukturiert wie die der Einrichtung in Aegidii, wenngleich ihre institutionelle Orientierung auf das Kirchspiel sich in einigen Details niederschlug . An ihrer Spitze standen drei Provisoren, die jedoch nicht vom Rat, sondern laut der Gründungsurkunde durch die Scheppen und gemeinen Vorstenders und Amtluide des Kirchspiels Überwasser ausgewählt werden und der Pfarrei zugehören sollten . Daneben wurde festgesetzt, dass je einer der Provisoren aus den Reihen der Schöffen, der Gilden und der Gemeinheit stammen musste . Als erste Amtsinhaber nennt das Dokument Rickquin Meinershagen, den Oldermann Johann Prüssen sowie Johann Steverman . Wie die Provisoren der Aegidii-Elende waren sie gehalten, die Oberaufsicht über den Besitzstand des Hauses zu fuhren, Inventare zu erstellen und jährlich die Rechnungen zu präsentieren . Im Gegensatz zur Praxis in den übrigen Münsteraner Elenden geschah dies jedoch zu keiner Zeit vor dem Rat . Vielmehr legten die Provisoren der ÜberwasserElende Rechenschaft über ihre Amtsführung vor den Schöffen ihres Kirchspiels, der Äbtissin und dem Dekan ab . Die in der Gründungsurkunde bezüglich des Hausvorstehers und der Insassen getroffenen Bestimmungen unterscheiden sich in ihrer Mehrheit nicht von denen der Aegidii-Elende . Auch in Überwasser waren die gleichfalls als Inwoner oder Elender bezeichneten Hausvorsteher gehalten, neben der leiblichen für die nötige geistliche Pflege zu sorgen sowie gewissermaßen stellvertretend für die hierzu unvermögenden Kranken Gebete für das Seelenheil der Wohltäter zu verrichten . Ausdrücklich ermahnten die Bestimmungen, besonders auf die aus475 WinZer (1996), S . 281 ff .
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reichende Zuteilung von Bier zu achten, da die Kranken naturgemäß durstig seien .476 Als Entlohnung für seine Dienste, sollte der Elender von Überwasser an den Nahrungsmitteln teilhaben, welche die Kranken bei ihrer Aufnahme in das Haus mitbrachten oder die ihnen nachgesandt wurden . Von einer darüber hinausgehenden Bezahlung ist in der Gründungsurkunde nicht die Rede, wenngleich sich eine solche für die Hausvorsteher der übrigen Münsteraner Elenden nachweisen lässt .477 Angesichts dessen ist wahrscheinlich, dass die Elender in Überwasser ebenfalls weitere Einkünfte neben dem Bezug von Naturalien hatten . Der heterogene Charakter des aufgenommenen Personenkreises spiegelt sich in einer grundlegenden Verfügung wider, die die Versorgung der Insassen betrifft und dabei zwischen Vermögenden und Bedürftigen unterscheiden . Während die Vermögenden Bettlaken und Kost in das Haus mitbringen oder dafür bezahlen sollten, wurden die Armen nach Kräften aus den Mitteln der Elende unterhalten . Mit der Bestätigungsurkunde des Rates waren die normativen Grundlagen zum Funktionieren der Überwasser-Elende geschaffen . Wie sich jedoch die Krankenversorgung der Einrichtung während des 16 . Jahrhunderts in der Praxis gestaltete, lässt sich insbesondere aufgrund des Fehlens der entsprechenden Rechnungsbücher nicht nachvollziehen .478 Im Gegensatz zur zufälligerweise in das Jahr 1519 fallenden Inbetriebnahme der Überwasser-Elende könnte der Entschluss zur Einrichtung des dritten Seuchenspitals in Münster durchaus von einem aktuellen epidemischen Geschehen beeinflusst gewesen sein . Am Vorabend des Festes der Heiligen Margarete, dem 13 . Juli, kauften Willem Holtappel und Burchard Heerde für eine Summe von 155 Goldgulden Grundstück und Haus des Bernd Kranebroch, gelegen an der Winkelgasse zwischen dem Servatii- und dem Mauritztor mit dem Zweck, an dieser Stelle ein Pesthaus für das Lamberti-Kirchspiel zu errichten .479 Der Kauftermin war möglicherweise bewusst gewählt, gedachte man doch mit der Großen Prozession am Tag der Heiligen Margarete alljährlich dem Ende einer Epidemie . Die Mittel für den Grunderwerb hatten die Initiatoren nach eigenem Zeugnis vom Leprosorium Kinderhaus geliehen, dem dafür von nun an eine ewige Rente in Höhe von jährlich acht Schillingen zufiel .480 Während dieser Gründungsphase spielte der Rat eine deutlich größere Rolle als bei der Einrichtung der Überwasser-Elende . So verweist Burchard 476 Bistumsarchiv Münster, GV Hs 175: Spicilegii Ecclesiastici Civitatis et Diocesis Monasteriensis, Tomus XIV, Münster 1771, fol .158v: … sollen sie [Anm .: die Hausvorsteher] nah der Möge des Hueßes umme die Leiffe Goddes Kost, Etten und Drincken vlytlicken besorgen, Sonderlings mit redelicken, guiden Conventz Beer, wante Natur der Kranken Drinken baven alle begert. 477 WinZer (1996), S . 268 . 478 Im Unterschied zu den übrigen Münsteraner Elenden liegen für die Überwasser-Elende Rechnungsbücher erst seit der zweiten Hälfte des 17 . Jahrhunderts vor . Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Überwasser-Elende, Akten 1 . 479 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Lamberti-Elende, Akten 1, fol .lr . WinZer (1996), S . 246 . 480 Die seit 1539 erhaltenen Ausgabenrechnungen der Lamberti-Elende weisen diesen Posten alljährlich und bisweilen unter Hinweis auf den Zahlungsgrund aus . Hierzu auch WinZer (1996), S . 246 Anm . 42 .
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Heerde in einem kurz nach der Wiedertäuferherrschaft entstandenen Bericht über die anfänglichen Geschicke des Hauses darauf, dass die Stadtväter sein Vorhaben zur Gründung der dritten Elende sehr begrüßten . So stellten sie ihm den langjährigen Ratsherrn Willem Holtappel unterstützend zur Seite, damit die beyden eyn huess und hoff bynnen Munster in Sunte Lambertz kerspel gelegen to behojf des kerspels kopen solden vor arme eilende lüde in den kerspele wonaftich.481 Aus der Schilderung Heerdes geht hervor, dass das auf dem gekauften Grund stehende Haus abgebrochen und an dessen Stelle durch Almosen ein neues Gebäude errichtet wurde . Bis die voll funktionsfähige Lamberti-Elende für eine Versorgung Seuchenkranker zur Verfügung stand, vergingen indes noch Jahre . Eben so wenig wie in Münster liegen in Aachen direkte oder detaillierte Zeugnisse über das Auftreten einer Epidemie im Jahre 1519 vor . Die Überlieferung der Reichsstadt liefert allerdings eindeutige Hinweise auf einen Pestausbruch während des nämlichen Jahres .482 Wenngleich sich weder der genaue Beginn der Seuche noch deren Intensität ermitteln lassen, legen die Quellen immerhin die Vermutung nahe, dass das Sterben spätestens bis zum Herbst des folgenden Jahres beendet war . Doch hatten die Aachener nicht allein mit dem realen Seuchengeschehen zu kämpfen . Krönung mit Hindernissen. Karl V. und die Gerüchte über die Pest in Aachen Verschiedentlich ist im Rahmen der Untersuchung bereits angeklungen, welche Konsequenzen eine Stadt für ihre Außenkontakte zu fürchten hatte, wenn in ihren Mauern vermeintlich die Pest grassierte . Die politische Dimension, die ein solches Gerücht einnehmen konnte, zeigen in herausragender Weise die Ereignisse im Vorfeld der Krönung Karls V . im Oktober 1520 . Kurz vor dem anberaumten Krönungstermin kursierte die Nachricht, die wie ein gewälzter Schneeball, sich täglich vergrößerte, dass in Aachen die Pest wüte und viele Menschen von diesem Uebel weggerafft würden .483 Die Kurfürsten, die Ende September in Köln das Eintreffen Karls erwarteten und vom angeblichen Ausbruch der Seuche erfuhren, ersuchten den Monarchen zunächst in einem Sendschreiben, von Aachen als Krönungsort abzusehen .484 Es besteht kein Zweifel daran, dass sie den Pestgerüchten Glauben schenkten und sich vor einer Ansteckung fürchteten . Angst um die eigene Gesundheit zeigt sich besonders im späteren Verhalten des sächsischen Herzogs Friedrich, der mit
481 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Lamberti-Elende, Akten 1, fol .1 f . Zu den Ratsämtern Holtappels mit zahlreichen Belegen WinZer (1996), S . 246 Anm . 43 . 482 Friederich classen, Beiträge zur Geschichte der Reichsstadt Aachen unter Karl V ., in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 36 (1915), S . 15 ff . 483 Karl Franz Meyer, (des hohen Stadt-Raths Archivarius) Aachensche Geschichten überhaupt Beytraege zur Reichsallgemeinen insbesondere aber zur Anlage einer vollständigen Historie über den königlichen Stuhl und des heiligen Römischen Reichs freye Haupt- Krön- und Cur-Stadt Aachen von ihrem Ursprung bis auf gegenwärtige Zeiten, Aachen 1781, S . 428 . 484 Historisches Archiv der Stadt Köln, Chroniken und Darstellungen 72, fol .38r .
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einem Gichtanfall sein Fernbleiben vom schließlich doch in Aachen stattfindenden Zeremoniell entschuldigte .485 Die Antwort Karls V . ließ auf sich warten . Am 2 . Oktober trafen die Kurfürsten in Rodenkirchen erneut zusammen und beschlossen, ihrem Gesuch durch Entsendung einer Gesandtschaft Nachdruck zu verleihen . Der Aachener Chronist und Ratsherr Johannes Noppius betont in seinem um 1630 entstandenen Bericht, die Kurfürsten hätten Karl V . gebeten, nach Köln zu kommen, daselbst die keyserliche Krön zu empfahen.486 Nur einen Tag später traf die Mitteilung Karls ein, er sei mit einer Verlegung der Krönung nach Köln einverstanden .487 Vizekanzler Ziegler, der am 7 . Oktober am Rhein eintraf, bekräftigte diese Absicht und bemühte sich vor diesem Hintergrund um eine Aussöhnung zwischen Erzbischof Hermann von Wied und der Stadt Köln . Der Kölner Oberhirte lag mit dem Rat im Streit über verschiedene Hoheitsrechte . Er weigerte sich strikt, die Stadt zu betreten und zog trotz der Seuchengefahr eine Krönung in Aachen vor .488 Im Gegensatz zu Hermann von Wied dürfte den städtischen Vertretern Kölns die Möglichkeit zur reputierlichen Ausrichtung der Krönungsfeierlichkeiten, welche die Stellung ihrer Stadt im Reich noch weiter aufgewertet hätte, durchaus willkommen gewesen sein . Allerdings nicht um jeden Preis . Der Rat war unter keinen Umständen bereit, die durch Hermann von Wied an die Übernahme der Krönungsfeiern geknüpften Bedingungen bezüglich des Einreitens und der Eidesleistung zu erfüllen . Die Vertreter Aachens versuchten derweil, den Pestgerüchten und den daraus resultierenden Bestrebungen aktiv entgegenzutreten . Der von den Aachenern zur Verteidigung ihrer Interessen auserkorene Marschall Florenz von Isselstein beeilte sich, noch vor der kurfürstlichen Gesandtschaft bei Karl V . einzutreffen und diesen von der Unbedenklichkeit einer Krönung in der Stadt zu überzeugen .489 Am 8 . Oktober sprachen die Gesandten der Kurfürsten in Löwen bei Hofe vor .490 Sebastian von Rotenhan trug in deutscher Sprache die Position der Kurfürsten vor . Diese seien besorgt über die Gefahr, die Karl dadurch drohe, dass die Pest in Aachen von Tag zu Tag überhand nähme. Abermals folgte die Empfehlung, zur Krönung an einen anderen Ort auszuweichen . Die kurkölnischen Gesandten, Graf Wilhelm von Neuenahr und Hartmann Maurus, unterstrichen den Ausführungen des Chronisten zufolge die Ausführungen Rotenhans und drängten ebenfalls auf eine Verlegung des Zeremoniells . Florenz von Isselstein, der die Aachener Interessen nicht zuletzt aufgrund seiner 485 Deutsche Reichstagsakten unter Karl V ., Bd . 2, bearbeitet von Adolf Wrede, Gotha 1896, S . 86 weist darauf hin, dass Karl V . durch einen Boten sogar seinen eigenen Leibarzt anbieten ließ, um die Gesundheit des Herzogs von Sachsen wiederherzustellen . 486 Joannes Noppius, Aacher Chronick . Das ist eine kurtze historische Beschreibung aller gedenckwürdigen Antiquitäten und Geschichten sampt zugefügter Privilegien und Statuten deß königlichen Stuls und h . Römischen Reichs Statt Aach, Köln 1632, S . 51 . Eine zweite Auflage des Werkes erschien 1643 ebenfalls in Köln . 487 classen (1914), S . 18 f . 488 Deutsche Reichstagsakten (1896), S . 79 f . 489 classen (1915), S . 19 . 490 Deutsche Reichstagsakten (1896), S . 78 u . S . 82 .
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eigenen Involvierung in die Krönungsvorbereitungen vertrat, verwies zunächst auf die großen Vorräte, die man für die Ausrichtung der Feierlichkeiten eigens angelegt habe . Die kaiserliche Herberge sei ebenfalls bereits hergerichtet . Eine Kölner Chronik bestätigt, dass die Krönungsvorbereitungen zu diesem Zeitpunkt schon hohe Kosten verursacht hatten .491 Schließlich ging Isselstein zum verbalen Angriff über und erklärte, daß es mit der Pest in Aachen bey weitem nicht so arg wäre, als es von jenen ausposaunt würde, die nur durch Vergrößerungs-Gläser zu gucken und einen Floh für ein Panterthier oder Nashorn anzusehen pflegten.492 Der Ausspruch, den der Verfasser dem Marschall in den Mund legt, deutet darauf hin, dass die Reichsstadt von der Krankheit nicht gänzlich unberührt war . Sofern der Aachener Gesandte die Lage nicht bewusst herunterzuspielen versuchte, hielt sich die Sterblichkeit jedoch offenbar im Rahmen . Vielleicht waren in der Stadt noch einzelne Reste der Vorjahresepidemie spürbar . Ob Karl V . die Versicherungen Florenz von Isselsteins nachhaltig überzeugten, sei dahingestellt . Die starre Haltung des Erzbischöfe Hermann von Wied, die den Plänen zu einer Krönung in Köln die Grundlagen entzogen hatte, wie auch die Einsicht, dass eine Verlegung der Feierlichkeiten für die Stadt Aachen zu immensen finanziellen Einbußen geführt hätte, dürften eher die endgültige Entscheidung des Herrschers beeinflusst haben . Letztlich spielte vielleicht auch die Überlegung eine Rolle, Herrscherqualitäten und Erwähltheit nicht durch ein Zurückschrecken vor der Gefahr in Frage stellen zu lassen . Dies zeigt sich in Karls Antwort gegenüber den kurfürstlichen Gesandten . Der Kaiser ließ ihnen mitteilen, er respektiere die alten Gesaetze der Goldenen Bulle und gedächte nicht, von diesen umb ein geringe Ursach abzufallen.493 Er habe keine Zweifel daran, dass man nach Aachen ziehen müsse und verlangte, dass ihm die Kurfürsten dorthin folgten . Am 21 . Oktober erfolgte Karls feierlicher Einzug in die Stadt, die er wenige Tage später wieder verließ . Schon am 27 . Oktober kehrte der Gekrönte, der offenbar doch um seine Gesundheit besorgt war, Aachen den Rücken und begab sich auf den Weg nach Köln .494 Lokale Seuchenherde und Mortalitätsspitzen. Die Pest in westfälischen und rheinischen Städten zwischen 1520 und 1540 Nach der 1517 einsetzenden und 1520 abebbenden Pestwelle scheinen die meisten westfälischen und rheinischen Städte von großen wie allerorts spürbaren Ausbrüchen der gefürchteten Krankheit bis in die 1550er Jahre hinein weitgehend verschont geblieben zu sein . Lokal begrenzt kam es in der Zwischenzeit jedoch immer wieder zu einem mitunter kräftigen Aufflammen der schwelenden Seuchenherde . 491 Historisches Archiv der Stadt Köln, Chroniken und Darstellungen 72, fol .38r . 492 Meyer (1781), S . 429 . 493 Aacher Chronick (1632), S . 51 . Aachensche Geschichten (1781), S . 429 . Historisches Archiv der Stadt Köln, Chroniken und Darstellungen 72, fol .38r . 494 classen (1914), S . 39 .
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In Wesel nahm die Pest 1524 ein Ausmaß an, das die Stadtväter veranlasste, erneut die Dienste einer Siechenfrau in Anspruch zu nehmen . Die Stadtrechnung von 1524 verzeichnet die Bezahlung von sechs Gulden an die schon fünf Jahre zuvor während der Epidemie tätige Tryntgen Vlijck, omb toveresicht theben totten krancken die myt dere Jamerlicken plaigen dere pestilencien befangen synt.495 Dennoch lag die Sterblichkeit hinter der von 1519 offenbar weit zurück . Über die Beschäftigung der Siechenfrau hinaus, lässt das Ratsschriftgut jedenfalls keine der bei großen Pestausbrüchen in Wesel inzwischen üblichen Maßnahmen der Obrigkeiten erkennen . Im nahegelegenen Xanten, dessen Überlieferung nur selten Informationen über das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Seuchengeschehen preisgibt, äußerte sich die Pest 1524 möglicherweise ebenfalls . Zwingende Belege für diese Vermutung fehlen . Jedoch scheint die Einrichtung eines speziellen Hauses zur Versorgung Seuchenkranker im Frühling des nächsten Jahres unter dem Eindruck einer vorangegangenen Epidemie erfolgt zu sein . Dem Kapitelprotokoll des St . Viktor-Stifts vom 29 . März 1525 zufolge überließ man einer Frau namens Hilliken, Schwester des Dietrich von Grieth, ein kleines Haus bei der Rossmühle an der Kirchstege unter der Bedingung, im Bedarfsfall mit der Pest oder anderen Seuchen infizierte Angehörige der Stiftsfamilie darin aufzunehmen und zu pflegen .496 Das Haus unterschied sich demnach in seinem Charakter deutlich von den Münsteraner Elenden . Es diente vornehmlich als Wohnhaus und wandelte sich nur gelegentlich in eine mehr oder weniger improvisierte Pflegeherberge . Der Kreis der Aufnahmeberechtigten in Xanten war auf eine kleine Gruppe eingegrenzt . Entsprechend gering dürften die Beherbergungskapazitäten der Einrichtung gewesen sein . Vor diesem Hintergrund bedurfte es keiner aufwändig geregelten Verwaltungsstrukturen oder einer alljährlichen Rechnungslegung . Als das Haus knapp sechs Jahre später Johann van Keeken und seiner Ehefrau auf Lebenszeit als Wohnung zur Verfügung gestellt wurde, sollten für sie die gleichen Auflagen gelten wie für Hilliken . Zusätzlich hält das Kapitelprotokoll vom 25 . Januar 1531 jedoch fest, keine inhonestam societatem im Haus zu unterhalten .497 Zwischen 1530 und 1531 trat die Seuche wieder in mehreren Städten Westfalens und des Rheinlands auf . Die Quellen belegen ein Auftreten der Pest in Köln, Essen, Soest und Münster . Nirgends scheint das Ereignis jedoch auffällige Reaktionen von Bevölkerung und Obrigkeiten hervorgerufen zu haben . Angesichts der für diese Zeit bereits dichten Überlieferung in den übrigen Städten spricht das Fehlen entsprechender Nachrichten dafür, dass das Sterben keine Dimension annahm, die das Gemeinwesen ebenso grundlegend wie anhaltend beeinträchtigte . Vereinzelte Spuren des Seuchengeschehens finden sich zuerst in Westfalen . So entschuldigte der Soester Rat 1530 in einem Schreiben an die wendischen Städte das Fehlen seiner Vertreter auf dem Hansetag mit der Begründung, dass aufgrund der noch immer in der Bördestadt 495 Stadtarchiv Wesel (1914), S . 39 . 496 körner (1977), S . 40 . 497 körner (1977), S . 40 .
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grassierenden Pest niemand die Reise auf sich nehmen wolle .498 Weitere Nachrichten über die Wirkung der Seuche in Soest finden sich nicht .499 Anfang Oktober 1530 äußerte sich die Pest einer chronikalischen Notiz zufolge in Münster .500 In der Zwischenzeit hatte auch die dritte Elende der Stadt im Lamberti Kirchspiel die Krankenversorgung aufgenommen . Am 4 . Oktober 1529 war die Gründung des neuen Hauses, das auf dem zehn Jahre zuvor angekauften Areal entstanden war, vom Rat bestätigt worden .501 Wie im Falle der Überwasser-Elende erstreckte sich das Einzugsgebiet der Einrichtung nur auf das Kirchspiel, wobei jedoch zusätzlich der Kreis der Versorgungsberechtigten ähnlich der Aegidii-Elende auf bestimmte soziale Gruppen beschränkt wurde . Nach dem Willen der Gründungsurkunde diente die Lamberti-Elende zur Aufnahme der armen, elenden knechte und megede, scholere unnd andere frombde, arme, elende lüde in dem vorgeorten kerspel, die durch die pestilentzien unnd andere beclyvende suyke bevallen waren . Die Versorgungskapazitäten waren gering . Bei ihrer Gründung verfügte die Lamberti-Elende über elf Betten, deren Zahl sich in der Folgezeit durch Zukauf geringfügig erhöhte, zeitweise aber auch bis auf acht Liegeplätze absank .502 Da Angaben über die Bettenbelegung abermals fehlen, sind jedoch zuverlässige Aussagen über die absoluten Versorgungszahlen nicht möglich . In Köln äußerte sich die Seuche, ohne Gegenstand einschlägiger Ratsbeschlüsse zu ihrer Eindämmung oder zum Verhalten in der Gefahrensituation zu werden .503 Das universitäre Schriftgut bietet ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine ungewöhnliche Häufung von Todesfällen während der fraglichen Zeit .504 Selbst Hermann von Weinsberg erwähnt für 1530 oder das Folgejahr keine erhöhte Sterblichkeit in seiner Heimatstadt, die dem sonst so auskunftsfreudigen Berichterstatter kaum entgangen wäre . Das am Nachmittag des 29 . März 1531 aufgesetzte Testament der Belgin Buchels hingegen zeugt exemplarisch davon, dass die Pest in der Stadt dennoch Opfer forderte .505 Dem Wortlaut des Dokuments zufolge war die Testatorin, die eine Bestattung auf dem Kirchhhof von St . Laurenz wünschte, myt der swelligen und gruwelichen krenckde der pestilencien, as sy sachte und ouch anzosien und zu myrken was, belaiden. Nach dem Umfang ihres vermachten Besitzes zu urteilen, zählte die 498 Ludwig Eberhard Rademacher, Annales oder Jahr-Bücher der uhralten und weitberühmten Stadt Soest, Bd . 1, Soest 1999, S . 213, Nr . 575 . 499 Die Soester Stadtrechnung des Jahres 1529 weist unter dem seken frouwen überschriebenen Posten keine Zahlungen auf Stadtarchiv Soest, A Nr . 4549, fol .57r . Die Rechnung des Pestjahres 1530 fehlt, die des Folgejahres enthält keine Hinweise auf das zurückliegende Ereignis . Stadtarchiv Soest, A Nr . 4550 . 500 Zitiert bei Huyskes (1901), S . 2, 501 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Lamberti-Elende, Urk .1 . Abdruck bei Huyskes (1905), S . 4 ff . 502 WinZer (1996), S . 281 f . 503 creutZ (1933), S . 95 . 504 Der Schriftwechsel belegt hingegen eine Seuche in Herford zum Jahresende 1528 . keussen (1918), S . 389 . 505 Historisches Archiv der Stadt Köln, Testamente 3/B 1066 .
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Erblasserin, Tochter des Johann Buchels und seiner Frau Aillgen aus Kempen, zum Kreis der wohlhabenderen Kölner Bürger . Daneben gibt das Testament Aufschluss über die Versorgung sterbender Pestkranken . Ihre individuelle Pflege war von einer Frau übernommen worden, die in Belgin Buchels letztem Willen Suyster Tringin genannt und ebenfalls bedacht wird . Zur Belohnung für ihre Dienste sollte Tringin – nach der Anrede zu schließen vermutlich eine Begine – einen halben Gulden und einige Leinentuche erhalten . Noch im Oktober scheint die Pest in Köln latent spürbar gewesen zu sein, wie ein Schreiben des Domkapitels bezüglich der Vergabe einer aufgrund der tödlichen Erkrankung des bisherigen Inhabers freigewordenen Präbende andeutet .506 Im Frühjahr 1531 zeigte sich die Pest in gleicher Weise in Essen . Haben sich über den Ausbruch der Seuche keine direkten Nachrichten erhalten, so deutet die Häufung plötzlicher Todesfälle unter den Ratsmitgliedern auf ihre Wirkung in der Stadt hin . Die Ratsliste belegt, dass unter den städtischen Vertretern zwischen dem Osterfest und Christi Himmelfahrt der Tod umging .507 Am 8 . April verstarb Bürgermeister Borchard Kersten . Im Mai folgten ihm die Ratsherren Johann Segebode und Johann Vißmann ins Grab nach . Das neuerliche Aufflammen der Pest in einigen westfälischen und rheinischen Städten seit dem Herbst 1530 führte offenbar dazu, dass sich die Aachener Obrigkeiten abermals gegen das folgenschwere Gerücht wehren mussten, in ihren Mauern grassiere die Seuche . Hatten die Nachrichten über das Seuchensterben zehn Jahre zuvor die Krönungsvorbereitungen Karls V . empfindlich gestört, sah sich die Stadt im Vorfeld der Krönung seines Bruders Ferdinand zum römisch-deutschen König wiederum dem Pestverdacht ausgesetzt . Schon am 9 . Dezember 1530, rund einen Monat vor der Wahl Ferdinands,508 wandten sich Bürgermeister, Schöffen und Rat der Stadt Aachen in diesem Zusammenhang in enem Schreiben an Johan van Vlatten, probsten zu Cranenberg unnd unser Frauwen Styffts bynnen unser Statt Ach canonichen unnd scholaster.509 Darin empörten sich die städtischen Vertreter über den Kanoniker Theobalt van Eynatten, der in einem Brief an den kaiserlichen Hof behauptet hatte, dat bynnen unser Statt eyn sunder groiss steruen an der pestilentzen herrsche . Das Gerücht sei in der Absicht ausgestreut worden, die bevorstehende Krönung in Aachen zu verhindern . Die Ratsvertreter verwahrten sich in aller Schärfe gegen die falsche Behauptung, die lauterlich von denen so cleyn gunst zo unns dragen erdicht worden sei . Gleichzeitig verwiesen sie darauf, dass derlei Lügen nicht nur der Stadt, sondern auch der Kirche zum Nachteil gereichten . Deswegen wolle man nachdrücklich darauf hinweisen, dass überall gheyn steruen, sondern (got hab loff) eyn gude unnd gesunde tzit ist. Abschließend kündigten die städtischen Obrigkeiten an, sich im Bedarfsfall weiter gegen das Gerücht zur Wehr zu setzen . Es scheint, als habe der Rat mit seinem Vorgehen die üble Nach506 507 508 509
Historisches Archiv des Erzbistums Köln, DOM, AII 7 . Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 244 . classen (1914), S . 3 ff . Stadtarchiv Aachen, RAI W398 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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rede erfolgreich ersticken können . Unbeeinträchtigt von den Pestgerüchten, fand im Januar 1531 die Krönung Ferdinands in Aachen statt .510 „Heiliges“ Köln, reformiertes Soest und die Pest der Jahre 1540 bis 1542 Zwischen 1540 und 1542 lassen sich in einzelnen Städten Westfalens und des Rheinlands die nächsten pestbedingten Mortalitätsspitzen nachweisen . In den Sommermonaten des Jahres 1540 brach in Köln abermals die Pest aus .511 In seiner Autobiografie berichtet der Ratsherr Hermann von Weinsberg als Augenzeuge detailreich über das Seuchengeschehen in seiner Heimatstadt . Demnach wurden die Einwohner der Domstadt von einer anhaltenden Hitzewelle und Trockenheit geplagt, welche die Feldfrüchte verdorren ließ .512 Auch das Vieh litt unter der Dürre . Viele Tiere verendeten, weil die vertrockneten Weiden nicht mehr genug Futter boten . Einzig der Wein gedieh prächtig . Die Hitze habe den Kölnern derart zugesetzt, so Weinsberg, dass sich viele die Gesichter zerkratzt und beinahe Leprakranken geglichen hätten . Nicht genug damit, barg die sommerliche Witterung nach seiner Einschätzung eine tödliche Gefahr . Wie seine Zeitgenossen war auch Weinsberg vom Zusammenhang zwischen Miasmen und Seuchenausbrüchen überzeugt . Nachdrücklich unterstreicht er, dass Fäkalien und Unrat in den Gossen der Stadt aufgrund der Hitze übelsten Gestank verströmten, was zweifellos das Auftreten der Pest gefördert habe . Im Spiegel der Ratsprotokolle wird deutlich, dass der Magistrat sich darum bemühte, Gefahrenquellen für das Ausströmen solch schädlicher Ausdünstungen zu beseitigen und vermeintlichen Risiken für eine Ausbreitung der Seuche entgegen zu wirken . Als Teil dieser Maßnahmen ordneten die Stadtväter am 2 . Juli 1540 an, dass Gewaltrichterdiener und Torwächter keine Leprakranken einlassen sollten .513 Diese durften sich für gewöhnlich während der kirchlichen Hochfeste zum Betteln in der Stadt aufhalten .514 Im Unterschied zu den gut versorgten Leprakranken in den Kölner Leprosorien, waren umherziehende Opfer der chronischen Erkrankung täglich auf die Mildtätigkeit ihrer gesunden Mitmenschen angewiesen . Verstöße gegen die Bestimmung, die Domstadt nur an festgelegten Tagen zu betreten, waren deshalb eher die Regel denn die Ausnahme . Dies belegen nicht zuletzt die wohl vergeblichen Bemühungen des Rates, derlei Zuwiderhandlungen abzustellen, die schon während der Pestwelle des Jahres 1450 greifbar werden .515 Eben so wenig Erfolg war 1469 der erneuten Anweisung des Magistrats an den städtischen Schwertträger beschieden, leprakranke Vaganten fernzuhalten .516 Die 510 classen (1914), S . 4 f . 511 JankriFt (2012), S . 102–105 . JankriFt (2004) . 512 Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 150 . Zur außergewöhnlichen Witterung des Jahres 1540 glaser (2001), S . 108 . 513 Beschlüsse des Rates, Bd . 4 (1988), S . 681 . 514 irsigler/lassotta (1996), S . 81–85 . Bildliche Zeugnisse bei klövekorn (1966), S . 42, S . 47 u . S . 73 . Ferner keil (1986), S . 88 ff . 515 irsigler/lassotta (1996), S . 84 . 516 irsigler/lassotta 1996), S . 267 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Not trieb dennoch allen Verordnungen zum Trotz immer wieder solche siechen Bettler in die Domstadt, wo einige unter den Bögen der Stadtmauer ihr Lager aufschlugen . Die zeitliche Nähe solcher Ratserlasse zu Seuchenausbrüchen veranschaulicht, dass Leprakranke, die bei den Zeitgenossen stets in Verdacht standen, Gesunde anstecken zu wollen, in Zeiten erhöhter Sterblichkeit als besondere Gefahr betrachtet wurden .517 Der Ratserlass vom 2 . Juli 1540 fügt sich in dieses Bild ein . Wie bereits mehrfach zu beobachten, kam der religiösen Auseinandersetzung mit der Pest abermals große Bedeutung zu . Noch bevor sich der Magistrat schließlich hygienischen Missständen widmete, verfügten die Stadtväter am 7 . Juli, dass in den städtischen Klöstern zur Abwendung des göttlichen Zorns drei Tage lang Bittmessen gehalten und gebetet werden sollte .518 Auch die Pfarrkirchen sollten dem Erlass nachkommen . Zu dieser Zeit hatte die Pest bereits einen hohen Blutzoll in der rheinischen Metropole gefordert . Die Familien von Ratsmitgliedern waren hiervon nicht verschont geblieben . So war die Frau des Kaufmanns und neuen Bürgermeisters Arnold von Brauweiler (1448–1552) der Seuche erlegen . Mit Rücksicht auf die Trauerzeit entfiel daher der feierliche Umzug durch die Stadt, welcher der Übergabe des Amtsstabes für gewöhnlich folgte .519 Im Juli 1540 hatte Hermann von Weinsberg seine verseuchte Heimatstadt bereits verlassen und war ins nahegelegene Bonn geflohen .520 Einige Tage später entschied sich der Greve des Hochgerichts, Hilger von Spiegel, infolge der immer weiter um sich greifenden Peststerblichkeit mit seinem Amtssitz auf die Schaafenstraße auszuweichen .521 Der Magistrat stimmte seinem Gesuch am 16 . Juli zu, Gefängnis und Stock einstweilen vor die alte Mauer zu verlegen, beschränkte diese Genehmigung unter Verweis auf althergebrachte Gewohnheiten auf zwei Monate . Erst jetzt, über zwei Wochen nach dem Beginn des großen Sterbens, richteten die Ratsherrn ihr Augenmerk auf hygienische Missstände in der Stadt . Am 19 . Juli überantwortete der Magistrat dem Rentmeister Gerhart vamme Wasserfass die Aufsicht über die Reinigung der Pfuhle .522 Einige Wochen später widmete sich der Magistrat dem hygienischen Dauerproblem freilaufender Nutztiere in der Stadt . Am 6 . August wurden die Gewaltrichterdiener von den Stadtvätern ermächtigt, alle Schweine von den Straßen zu entfernen . Zum Verzehr geeignete Tiere sollten geschlachtet und das Fleisch an die Waisenkin-
517 Belker (1994), S . 253–283 . keil (1986), S . 87 . Zum Niederschlag dieser Vorstellungen in der erzählenden Literatur des Mittelalters Norbert H . ott, Miselsuht – Die Lepra als Thema erzählender Literatur des Mittelalters, in: Hrsg . Jörn Henning WolF, AussatzLepra-Hansen-Krankheit . Ein Menschheitsproblem im Wandel, Bd . 2 (= Kataloge des Deutschen Medizinhistorischen Museums, Beihefte 1), Würzburg 1986, S . 273–283 . Peter ricHards, The Medieval Leper and his Northern Heirs, Cambridge 1977, S . 6 ff . 518 Beschlüsse des Rates, Bd . 4 (1988), S . 682 . 519 Beschlüsse des Rates, Bd . 4 (1988), S . 682 . 520 Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 150 . 521 Beschlüsse des Rates, Bd . 4 (1988), S . 684 . 522 Beschlüsse des Rates, Bd . 4 (1988), S . 682 .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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der verteilt werden .523 Die übrigen Schweine wurden verkauft . Darüber hinaus nahmen sich die Ratsvertreter des Problems streunender Hunde an . Die Angelegenheit erschien den Stadtvätern wohl überaus dringlich . So wurde die brutale Aufgabe des Hundeschlagens dem Scharfrichterknecht übertragen, der zu dieser Zeit im Turn inhaftiert war und nach geschworener Urfehde wieder auf freien Fuß gesetzt wurde . Mitte August wiederholte der Rat die Verfügungen über die Schweinehaltung, die durch weitere Bestimmungen ergänzt wurden .524 Jenseits der alten Mauer sollten allerdings keine Schweine gefangen werden . Erneuert wurde die dringliche Mahnung, die Tiere nicht frei auf den Straßen und Gassen laufen zu lassen . Schließlich wurde die Schweinehaltung gänzlich verboten . Bereits vorhandene Tiere sollten bis zum Herbst geschlachtet und keine neuen Borstenviecher angeschafft werden . Wie diese Verordnungen in der Praxis wirkten, ist nicht überliefert . Vermutlich verfügte die Stadt kaum über eine ausreichende Zahl an Bediensteten, um die stringente Umsetzung solcher Verordnungen zu überwachen . Ein winziges Schlaglicht auf die verheerenden hygienischen Zustände, die zu dieser Zeit in Köln herrschten, wirft das Einschreiten des Rates bei der Reinigung des Aborts einer gewissen Grietgen von Halvern . Das Beispiel belegt, dass Hermann von Weinsberg seine schillernde Beschreibung des unsäglichen Gestanks aus Gossen, Spülrinnen und Latrinen keineswegs übertrieb . Offenbar war der Abort der Frau als miasmatische Gefahrenquelle ausgemacht worden, denn am 15 . November erging die dringliche Mahnung der Stadtväter, die Latrine umgehend zu säubern . Eine weitere Maßnahme göttlichen Zorn zu beschwichtigen und so ein Ende der Seuche herbeizuführen, sah der Kölner Magistrat in der Abwehr reformatorischer Ideen . So beauftragte der Rat die Turmmeister und Gewaltrichter am 6 . September ein Auge auf Buchhändler zu haben und darauf zu achten, dass diese keine lutherischen Schriften verkauften . Reformatorische Bücher sollten konfisziert und die Händler aus der Stadt gewiesen werden .525 Zu Beginn des Jahres 1541 setzte sich das große Sterben unvermindert fort .526 Hermann von Weinsberg notiert hierzu, die Seuche habe in Köln und anderen Städten viele Tausend Opfer gefordert . Wie gewaltig das Ausmaß der Sterblichkeit auf den Betrachter wirkte, wird an seiner Einschätzung deutlich, dass der Pest täglich bis zu 200 Menschen zum Opfer gefallen seien . Der Höhepunkt der Epidemie bedeutete zugleich eine völlige Lähmung des öffentlichen Lebens . Viele Obrigkeitsvertreter, die in der verseuchten Stadt geblieben waren, erlagen der Seuche . Hermann von Weinsberg schrieb hierzu: 1541 hat die pestilenz auch den scheffenstoil am hohengericht hart gerächt. Sechs Schöffen wurden von der Pest hingerafft . Zudem starben drei Bürgermeister .527 Aloff Rynk, Gerhart vamme Wasserfass und Jacob Rodenkirchen, die alle im Kirchspiel von St . 523 524 525 526 527
Beschlüsse des Rates, Bd . 4 (1988), S . 688 . Beschlüsse des Rates, Bd . 4 (1988), S . 690 f . Beschlüsse des Rates, Bd . 4 (1988), S . 696 . Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 156 . Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 158 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Columba wohnten, waren dem Ratsprotokolls vom 30 . September zufolge im Laufe des Monats Opfer der Pest geworden . Die Vorgänge legen die Vermutung nahe, dass der Rat angesichts der hohen Sterblichkeit unter seinen Vertretern, beträchtlich an Entscheidungsfähigkeit einbüßte . Auch die Kölner Geistlichkeit blieb von der hohen Sterblichkeit nicht verschont .528 Im Oktober verstarb Weinsbergs Schwester Agnes, Konventualin zu Maria in Bethlehem . Offenbar um Panik zu vermeiden, griffen die überlebenden Ratsvertreter auf die bewährte Strategie zurück, das Ausmaß des Sterbens zu verschleiern . Am 31 . August wurde das Sterbeläuten auf eine halbe Stunde zur Mittagszeit beschränkt .529 Im Oktober 1541 verständigten sich die städtischen Vertreter erneut mit der Geistlichkeit auf die Durchführung einer Prozession mit den Reliquien der Heiligen .530 Gerichte und Bursen waren seit Beginn des Massensterbens geschlossen . Die Universität hatte ihren Lehrbetrieb eingestellt . Hermann von Weinsberg, der zu dieser Zeit als Student der Jurisprudenz in der Kronenburse wohnte, berichtet ausführlich über seine Reaktion im Angesicht der Seuche . Zum Jahresbeginn 1541 blieb er zunächst noch in Köln . Doch schon bald obsiegte die Angst, als der junge Mann bei seinen nächtlichen Spaziergängen durch die menschenleeren Straßen sah, wie man immer mehr Tote aus den Häusern der Kranken heraustrug . Als täglich mehr und mehr Nachbarn und Freunden starben und immer mehr Menschen die Domstadt verließen, beschloss Weinsberg um die Pfingstzeit, für ein halbes Jahr aus Köln zu fliehen . Begleitet wurde er von einigen Kommilitonen aus der Kronenburse . Der Student und seine Begleiter begaben sich ins Prämonstratenserkloster Knechtsteden, westlich von Dormagen . Nachdem sie zuvor mit dem Abt vereinbart hatten, im Bedarfsfall in den Konvent zurückkehren zu dürfen, machten sie sich einige Monate später auf den Heimweg nach Köln . Dort war die Pest inzwischen abgeebbt .531 Allerdings zeigte sich die Seuche nun in Dormagen . Wahrscheinlich hatten Flüchtlinge aus Köln das Übel eingeschleppt . Mit bewegten Worten berichtet Hermann von Weinsberg vom Tod seines Onkels Johann Kort, des Schultheißen von Worringen, der sich ebenfalls mit der Pest infiziert hatte .532 Im Bewusstsein, dass seine Stunden gezählt waren, besuchte Kort den Friedhof und schaute auf das Familiengrab herab . Seine Ehefrau und mehrere ihrer gemeinsamen Kinder waren dort bereits beigesetzt worden . Anschließend veranlasste er, dass sein Sarg gezimmert wurde, für den er selbst Maß genommen hatte . Am 1 . Oktober 1541 starb der vierzigjährige Schultheiß von Worringen, nachdem er die letzte Ölung erhalten hatte . Trotz der drohenden Gefahr waren 528 529 530 531
Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 156, Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 158 Anm . 1 . Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 158 Anm . 1 . Wie das am 18 . November 1541 aufgesetzte Testament des Jasper von Herll belegt, der dem Text des Dokuments zufolge an der Pest erkrankt war, hatte das Seuchensterben in Köln zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht gänzlich aufgehört . Historisches Archiv der Stadt Köln, Testamente 3/H522 . 532 Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 2 .
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Korts Bruder Wilhelm und sein Freund Wilhelm Koppen nicht von der Seite des Sterbenden gewichen . Nach seinem Ableben trat Wilhelm Kort an den Sarg und kämmte seinem Bruder den Bart . Hermann von Weinsberg zollt seinem Verwandten für diesen Mut Respekt, besuchte indes aus Angst vor Ansteckung seinen sterbenden Onkel nicht mehr und begnügte sich damit, einen Brief zu schreiben . Weinsberg vermittelt in seinem Bericht zugleich Einblicke in die individuelle medizinische Pestprophylaxe . Der Ratsherr studierte sorgfältig die heilkundlichen Empfehlungen einschlägiger Pesttraktate .533 Seine beredten Ausführungen zeigen, dass er augenscheinlich weder Kosten noch Mühen scheute, um sich gemäß zeitgenössischen Vorstellungen vor Ansteckung zu schützen . Das probateste Mittel schien dabei der Aderlass, dem sich Weinsberg in Pestzeiten häufiger unterzog als gewöhnlich .534 Er bemerkt hierzu: In disser sterbden leis ich oft adern sclain und verfrischet also das geblode.535 Der Aderlass war eine allseits erschwingliche Leistung der Wundärzte .536 Weinsbergs Aufwendungen für Räucherwerk und Arzneien setzten indes einen gut gefüllten Geldbeutel voraus . Der Kölner führt aus, dass er seine Gemächer regelmäßig mit Wachholder und anderen intensiven Duftstoffen räuchern ließ . Zur inneren Anwendung verwendete er fil winrauschs, weis klobloich, essich, pestilenzpillen, driakel und degleichen.537 Als Kind seiner Zeit war Weinsberg indes davon überzeugt, dass alle Bemühungen vergeblich waren, wenn Gott sich nicht barmherzig zeigte . Weinsbergs Bericht veranschaulicht, auf welche Mittel ein betuchter Bürger zur Mitte des 16 . Jahrhunderts zurückgreifen konnte, um sich vermeintlich vor der Pest zu schützen . Neben einfachen Küchenzutaten wie Knoblauch, standen ihm demnach mehr oder weniger kostspielige Wundermittel wie spezielle Pestilenzpillen und der von den Zeitgenossen gewissermaßen als Universalmittel eingesetzte Theriak zur Verfügung . Angesichts der häufigen Bedrohung durch die Pest, wurden Ärzte wie Laien nicht müde, stetig mit angeblich neuen Rezepturen gegen das Übel aufzuwarten . Die darin verwendeten Ingredienzien blieben überwiegend die gleichen, während die Prozedur der Zubereitung variierte . Exemplarisch zeigt dies ein zeitgenössisches, aus Aachen stammendes Rezept für einen Drank das gebluedt zu reinigen in zeit wan die pest regiert. Nach Angabe des Verfassers konnte dieser Trank erst im Monat Mai seine Wirkung entfalten .538 Die Stadt scheint zwischen 1540 und 1542 ebenfalls von der Pest heimgesucht worden zu sein, doch verwehrt die Quel-
533 Eine Übersicht über die ersten gedruckten Pestschriften, deren Empfehlungen sich zumeist in ihrer Gesamtheit noch in späteren Traktaten wiederfinden Arnold Carl kleBs / Karl sudHoFF (1926) . Zu den im 16 . Jahrhundert in Köln gebräuchlichen Schriften Jütte (1991), S . 58 ff . 534 Hierzu besonders Jütte (1991), S . 72 f . u . S . 236 mit einer tabellarischen Aufstellung der Aderlassgewohnheiten in der Familie Weinsberg für die späteren Jahre 1550 bis 1594 . 535 Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 156 . 536 Jütte (1991), S . 73 . 537 Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 156 . 538 Domarchiv Aachen, XVIII Nr . 3 .
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lenlage tiefere Einblicke in den Gang der Ereignisse .539 Zu den Bestandteilen des Aachener Tranks zählten unter anderem Holunder- und Brombeerblätter wie auch Wacholderbeeren, die in einem Mörser zerstoßen und anschließend in eine Kanne Weißwein gegeben werden sollten .540 Nach vierundzwanzigstündiger Wartezeit war die Mixtur durch ein Tuch abzugießen und mit zwei Lot gestoßenem Ingwer zu vermengen . Neun Tage lang allmorgendlich drei Löffel des Gemischs einzunehmen, sollte vor der Pest schützen . Selbst an die Bekömmlichkeit seiner Arznei dachte der Rezeptautor . Wer Weißwein nicht vertragen könne, dürfe getrost auf Rotwein zurückgreifen, versichert er . Seine weiteren Empfehlungen zur Zubereitung eines Tranks zur Pestprophylaxe finden sich sinngemäß bereits in einer Kölner Handschrift des 15 . Jahrhunderts, die neben dem berühmten Antidotarium des Nikolaus Praepositus von Salerno auch diverse Pestrezepte enthält .541 Das Manuskript, welches aus dem Besitz eines Siechenhauses stammt, deutet somit zum einen auf die Dauerhaftigkeit in der Anwendung des in Aachen empfohlenen Heiltrankes und zum anderen auf die geografische Verbreitung des Rezepts hin . Nachdem die Epidemie in Köln offenbar zu Beginn des Winters 1541 vorüber war, brach die Pest im folgenden Jahr in Soest aus . Das Bild, das die lokalen Quellen von den Ereignissen zeichnen, bleibt ungleich vager als in der Stadt am Rhein . Das Sterben scheint den Ratsprotokollen zufolge rasch um sich gegriffen und ein großes Ausmaß angenommen zu haben .542 Im Angesicht des Todes flohen gemäß den Ausführungen wie schon so häufig zuvor viele Obrigkeitsvertreter sowohl in umliegende Ortschaften als auch in weiter entfernte Städte . Welver, Meyerich, Dortmund und Recklinghausen werden als Zufluchtsorte genannt . Inzwischen deutet sich in Soest jedoch ein Wandel im Hinblick auf die Bewertung einer Pestflucht städtischer Repräsentanten an . Offenbar hatte sich bei einer Mehrheit der Ratsherren die Auffassung durchgesetzt, dass ein Verlassen der Stadt in der Gefahrensituation nicht mit dem Amt vereinbar sei . In Schreiben mahnten die Verbliebenen ihre flüchtigen Amtskollegen unter Hinweis auf ihre Aufgaben zur sofortigen Rückkehr nach Soest . Um der Aufforderung Nachdruck zu verleihen, drohten sie den Entwichenen zugleich mit dem Verlust des Bürgerrechts . Darüber hinaus lässt sich die obrigkeitliche Auseinandersetzung mit dem Massensterben nur fragmentarisch rekonstruieren . Unklar bleibt vor allem, ob und inwieweit sich mit dem Einzug der Reformation in Soest, Formen religiöser Pestbewältigung veränderten .543 Die in der Stadt für den bisherigen Um539 Huttmann (1987), S . 44 . 540 Hierzu allgemein Heinrich scHipperges, Heilsamer Trunk . Die Geschichte des Heiltranks, Freiburg i . Breisgau 2000 . 541 Historisches Archiv der Stadt Köln, Hs W279, fol .49 . Hierzu auch William daems, Boec van medicinen in Dietsche . En Middelnederlandse compilatie van medisch-farmaceutische literatur, Leiden 1967 . 542 Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 337 . 543 Christian peters, Vom Wormser Edikt (1521) bis zum Augsburger Religionsfrieden (1555) . Der Beitrag der Prädikanten zur Soester Stadtreformation, in: Hrsg . Ellen Hrsg . Ellen
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gang mit Epidemien so zentrale Bedeutung der Geistlichkeit ist während des Seuchenausbruchs von 1542 im Spiegel der Quellen nicht zu erkennen . Eben so wenig kann die Entwicklung des Seuchengeschehens und der daran gekoppelten Reaktionen chronologisch exakt nachvollzogen werden . Während Rechnungsdokumente anderer Städte häufig den zeitlichen Ablauf der Ereignisse nachzeichnen, lässt die Stadtrechnung für das betreffende Jahr aufgrund der zu dieser Zeit in Soest gebräuchlichen Anlageform – undatiert, in häufig wiederkehrende Ausgabeposten gegliedert und ohne zusätzliche Anmerkungen – keine derartigen Erkenntnisse zu . Allerdings geht aus ihr hervor, dass der Rat wieder eine Siechenfrau beschäftigte, deren Tätigkeiten abermals nicht spezifiziert werden .544 Kaum etwas ist über die Rolle des Stadtarztes Meister Benedict zu erfahren, den die Ratsvertreter knapp zwei Jahre vor dem neuerlichen Aufflammen der Pest Ende Oktober 1540 in ihre Dienste genommen hatten .545 In seinem Bestallungsschreiben war dem jüdischen Heilkundigen zugleich die Einrichtung einer Apotheke im Werte von 100 Goldgulden in seinem eigenen Haus gestattet worden . Ob er auch während der Epidemie seiner vertraglich festgelegten Verpflichtung nachkam, den Bürgern mit seinen Fähigkeiten stets getreu zur Hilfe zu sein, lässt sich nicht ergründen .546 Fest steht hingegen, dass Benedict nach dem Ende der Pest weiterhin in Soest wirkte und sich bei seinen Dienstherren großer Beliebtheit erfreute . Als er sich im April 1545 zum vorzeitigen Abschied aus der Stadt entschloss, zeigte sich der Rat mit der geleisteten Arbeit seines Arztes äußerst zufrieden und stellte ihm ein vorzügliches Empfehlungsschreiben aus .547 Neben Soest scheint auch Essen 1542 von der Pest heimgesucht worden zu sein .548 Die lokale Überlieferung gewährt jedoch keinerlei Aufschluss über den Gang der Ereignisse und kaum Einblicke in die Reaktionen von städtischen Obrigkeiten, Klerus und Einwohnerschaft . Die Einträge in der Ratsliste deuten darauf hin, dass der Kreis der städtischen Vertreter trotz der Seuche keine Verluste in seinen Reihen zu verzeichnen hatte .549 Die einzigen schwachen Hinweise auf das Verhalten der Stadtväter während der Seuche liefert die Stadtrechnung des betreffenden Jahres . Sie zeigt, dass die Obrigkeiten, die verglichen mit denen anderer rheinischer und westfälischer Städte auch in
544 545
546 547 548 549
Widder / Wilfried eHBrecHt / Gerhard köHn, Soest . Geschichte der Stadt, Bd . 3: Zwischen Bürgerstolz und Fürstenstaat . Soest in der frühen Neuzeit, Soest 1995, S . 179–248 . Stadtarchiv Soest, A 4558, fol .85 . Kay Peter JankriFt, Aufstieg auf Zeit . Jüdische Ärzte und Heilkundige in westfälischen Städten bis zur Mitte des 16 . Jahrhunderts, in: Hrsg . Cans Petra Heidel / Albrecht Scholz, Medizinische Bildung und Judentum (= Medizin und Judentum 4), Dresden 1998, S . 16 f . JankriFt (2010) . Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 336 . Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 337 . BüscHer (1922), S . 28 . Stadtarchiv Essen, Rep . 100 Nr . 244 .
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seuchenfreien Zeiten große Sorge für hygienische Belange an den Tag legten, ihre Anstrengungen unter dem Eindruck der Pest weiter intensivierten . Fallen die Aufwendungen für Ausbesserung und Instandhaltung der Wasserleitung nicht aus dem Rahmen, bemühten sich die Ratsvertreter nach den Ausgabeposten zu urteilen insbesondere um die Pflasterung der Straßen sowie deren Reinigung zur Reduzierung der nach zeitgenössischer Auffassung seuchenerregenden Miasmen .550 Zugleich taucht der Totengräber, der in den Essener Rechnungen nicht in allen Jahren auf diese Weise genannt wird, im Kreise der städtischen Bediensteten auf .551 In Zeiten der Massensterblichkeit war der Rat auf seine Dienste in herausragendem Maße angewiesen . Zwischen Hoffen und Bangen. Formen der Auseinandersetzung mit der Pestwelle 1551–1554 in westfälischen und rheinischen Städten Nach drei Jahrzehnten kleinflächigen, vorwiegend moderaten Auftretens, brandete die Pest zwischen 1551 und 1554 wieder in einer großen Welle über Westfalen und das Rheinland hinweg . Zuerst machte sich die gefürchtete Seuche offenbar in Dortmund bemerkbar . Aus den wenigen überlieferten Nachrichten ergibt sich nicht mehr als ein äußerst flüchtiger Eindruck ihrer Wirkung . Das große Sterben begann im Frühjahr 1551 .552 Am 14 . Mai 1551, dem Donnerstag vor Pfingsten, raffte die Pest den späten Ausführungen des Johann Christoph Beurhaus zufolge den Gerichtsschreiber und Chronisten Dietrich Westhoff hin .553 Um die gleiche Zeit wurden die öffentlichen Einrichtungen der Stadt geschlossen . In welchem Ausmaß eine Fluchtbewegung aus der Stadt einsetzte, lässt sich nicht bestimmen . Das Beispiel des Archigymnasiums zeigt aber, dass ein Ausweichen vor der Gefahr wiederum das Spektrum der Reaktionen auf den Seuchenausbruch dominierte . Die höhere Schule hatte beim Beginn der Epidemie ihren Lehrbetrieb eingestellt . Der Lehrkörper begab sich mit seinen Schülern nach Schwerte, wo der Unterricht am 26. Mai 1552 wieder aufgenommen wurde .554 Liegen keine Informationen über das Verhalten der Ratsvertreter angesichts des Sterbens in der Stadt vor, so stand ihnen bekanntermaßen ein im Umgang mit der Pest erfahrener Heilkundiger zur Seite . Seit einigen Jahren wirkte in Dortmund Tarquinius Schnellenberg als Stadtarzt, der sich schon 1519 in Sachsen als Pestdoktor verdingt hatte .555 Für das Jahr 1538 lässt sich seine Tätigkeit als Physicus in Nordhausen nachweisen . An der Medizinischen 550 551 552 553 554
Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 924, fol .11v, fol,14r, fol .22r, fol .27v ., fol .32r und öfter . Stadtarchiv Essen, Rep . 100 Nr . 14r . Stadtarchiv Dortmund, Best .448 Nr . 15,1 . Buch 12 . Kap . § 10 u . 2 . Buch 3 . Kap . § 5 . Stadtarchiv Dortmund, Best .448 Nr . 15,1 . Buch 12 . Kap . § 19 . Stadtarchiv Dortmund, Best .448 Nr . 15, 2 . Buch 3 . Kap . § 5 . Siehe ferner das Fragment eines 1622 durch Andreas Wechtern in Dortmund hergestellten Einblattdrucks Stadtarchiv Dortmund, Best .203 Nr . 9: Detmar Mulher, Kurtzes Chronicon von Ankunfft, Zunahm und Fortgang der Kayserlichen Freyen Reichs- und Hanse-Stadt Dortmund: 1552 Do ward die große Schola wegen der grewlichen Pestilentz auff Schwerte transferirt. 555 scHulte (1936), S . 11 .
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Fakultät der Universität Köln erwarb er 1540 den Doktorhut . Als er um 1546 seinen Dienst in Dortmund antrat, blickte Schnellenberg demnach bereits auf rund dreißig Jahre medizinischer Tätigkeit zurück . Gleichzeitig scheint der nachweislich bereits 1529 in der Stadt wirkende Dr . Sensies oder Senhini noch immer seine ärztlichen Aufgaben im Auftrag des Rates wahrgenommen zu haben .556 Erfolgte Schnellenbergs Anstellung wahrscheinlich nicht im Zusammenhang mit einem aktuellen Pestausbruch, so hatte er nur wenige Jahre später ausreichend Gelegenheit, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen .557 Über sein praktisches Wirken während der Epidemie von 1551/1552 in der westfälischen Reichsstadt haben sich keine Nachrichten erhalten . Sein Experimenta von zwentzig Pestilentz Wurtzeln betiteltes Hauptwerk, das er noch im Jahr seiner Anstellung und damit einige Jahre vor dem neuerlichen Ausbruch der Seuche in Dortmund in einer umfassend überarbeiteten Version vorlegte, zeigt jedoch, dass er sich zumindest theoretisch mit Fragen von Pestprophylaxe und -behandlung beschäftigte und die Auseinandersetzung mit der gefürchteten Krankheit zeitlebens einen breiten Raum seiner ärztlichen Arbeit einnahm .558 Im Jahre 1553, nachdem die Seuche in Dortmund bereits abgeklungen war und in anderen Städten Rheinland-Westfalens anhob, erschien die Schrift in Frankfurt erstmals im Druck . Wie lange der 1561 in Travemünde verstorbene Schnellenberg in der westfälischen Reichsstadt praktizierte, lässt sich nicht exakt rekonstruieren . Den Ausführungen eines Gerichtsprotokolls zufolge, das den Physicus Schnellenberg van Unna nennt, weilte er dort augenscheinlich noch 1554 .559 Die Pest in Minden Während das Sterben in Dortmund andauerte, wurde die Pest 1552 auch an der Weser wieder spürbar . Nach dem Bericht des Heinrich Piel, der das Auftreten der Seuche vor dem Hintergrund der kriegerischen Ereignisse im Frühjahr 1553 aus der Retrospektive erwähnt, war Minden durch die geschwinde vorjarige pestilenz sehr geschwecht worden .560 Mit Blick auf die bevorstehende Belagerung seiner Heimatstadt durch das Heer Herzog Philipps von Braunschweig-Wolfenbüttel beklagte der Ratsherr insbesondere die große Zahl an 556 scHulte (1936), S . 10 . 557 Nur die 1616 durch Detmar Mulher und Cornelius Mewe verfasste Historische Beschreibung der Stadt und Grafschaft Dortmund bringt den Dienstantritt Schnellenbergs 1546 mit einem aktuellen Seuchengeschehen in Verbindung . Jedoch erwähnen die Chronisten nicht die Pestilenz, sondern eine wunderbare unerhörte Krankheit, was aufgrund dieser in zahlreichen zeitgenössischen Zeugnissen für den Englischen Schweiß verwendeten Terminologie auf eine falsche chronologische Einordnung des Ereignisses schließen lässt . Darüber hinaus liegen aus anderen westfälischen oder rheinischen Städten keine Nachrichten über eine krankheitsbedingte Häufung von Todesfällen vor . scHulte (1936), S . 11 Anm . 17 . 558 Abbildungen aus dem 1577 gefertigten Straßburger Druck des Werkes bei leise (1997), S . 39 . Eine kommentierte Wiedergabe der Experimenta bietet scHulte (1936), S . 12–18 . 559 scHulte (1936), S . 11 . 560 Chronicon Domesticum et Gentile (1981), S . 160 .
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wehrfähigen Männern, die der Seuche zum Opfer gefallen war . Infolge des Massensterbens war darüber hinaus eine Ausbesserung der an vielen Stellen beschädigten Wälle und Mauern unterblieben . Angesichts des Massensterbens, so bringt der Chronist seine Wahrnehmung der Seuchenwirkung auf den Punkt, habe sich Verzweiflung unter der Einwohnerschaft eingestellt . Dieses groß vorzagent scheint auch Piel überkommen zu haben . Es fällt auf, dass er als Augenzeuge und Ratsvertreter kein Wort über das Verhalten der städtischen Obrigkeiten und des lokalen Klerus während der Pest verliert . Ebenso fehlen Ausführungen zu religiösen Formen der Seuchenbewältigung, die aus der Feder des überzeugten Anhängers der lutherischen Lehre, Aufschluss über Kontinuität und Wandel lokaler Praktiken der Frömmigkeitsbezeigung unter reformatorischem Einfluss hätten geben können .561 Statt dessen reduziert sich seine Betrachtung des Pestgeschehens in Minden ausschließlich auf dessen spätere Folgen für militärische Belange . Während Piel ansonsten besonders die Ereignisse seit 1530 mit einiger Ausführlichkeit schildert, widmet er dem Jahr 1552 nur wenige Zeilen . Insgesamt legt der Quellenbefund somit die Vermutung nahe, dass der Ratsherr aufgrund seiner Flucht aus der verseuchten Stadt keine Detailangaben zum Pestgeschehen liefern konnte . Die lokale Überlieferung vermag in keiner Weise zur Schließung der dadurch entstandenen Informationslücke beizutragen . Verlauf und unmittelbare Wirkung der Pest 1552 in Minden bleiben im Dunkeln . Das Seuchengeschehen in Soest In Soest, wo die Seuche im Sommer 1553 grassierte, wird nun deutlich, was die lückenhafte Überlieferung zu den Ereignissen des Pestjahres 1542 noch verschleierte: Der Geistlichkeit kam unabhängig von konfessionellen Fragen weiterhin eine zentrale Rolle in der Auseinandersetzung mit dem Massensterben zu . Als der erst im Jahr zuvor berufene Pastor der Paulikirche, Walter von Stolwyck, am 1 . September der Krankheit erlag, ersuchte der Rat Herzog Wilhelm den Reichen um rasche Entsendung eines neuen Predigers .562 Angesichts der fortwährend herrschenden und heftigen Krankheit, so heißt es in dem Schreiben an den Landesherren, benötige man dringend eines Geistlichen, der den Kranken das Abendmahl reichen könne und wolle . Möglicherweise hatte sich Walter von Stolywck bei der pflichtbewussten Wahrnehmung dieser gefährlichen Aufgabe infiziert . Die Ratsprotokolle lassen deutlich werden, dass sich aus Angst vor Ansteckung niemand bereitfand, die Geistlichen
561 Chronicon Domesticum et Gentile (1981), S .XIX: 562 Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 337 . Zu Walter von Stolwyck vgl . auch Gerhard köHn, Soest und die Soester Börde in den kriegerischen Auseinandersetzungen 1543– 1648, in: Hrsg . Ellen Widder / Wilfried eHBrecHt / Gerhard köHn, Soest . Geschichte der Stadt, Bd . 3: Zwischen Bürgerstolz und Fürstenstaat . Soest in der frühen Neuzeit, Soest 1995, S . 702 f .
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bei der Austeilung des Abendmahls zu unterstützen .563 Der Bedarf an geistlichem Beistand während der noch zum Weihnachtsfest 1554 andauernden Seuche war jedoch so gewaltig, dass sich der Rat erneut an den Landesherrn wandte . Da das Ausmaß der Pest groß und die Arbeit für einen Prediger somit zu viel sei, heißt es in dem neuerlichen Schreiben, wolle man den Herzog bitten, einen weiteren Geistlichen nach Soest zu schicken .564 Leider wird in Soest nicht offenbar, welchen Einfluss die Reformation auf die inhaltliche Gestaltung von Bittmessen oder – prozessionen hatte und inwieweit beispielsweise die Anrufung traditioneller Pestheiliger durch eine christozentrische Ausrichtung von Frömmigkeitsbezeigungen abgelöst wurde . Darüber hinaus lassen sich die Reaktionen des Rates nicht detailliert nachvollziehen . Die Stadtrechnungen belegen, dass die Obrigkeiten erneut auf die Dienste einer Siechenfrau zurückgriffen .565 Ob die Ratsvertreter zudem einen Heilkundigen beschäftigten, geht aus der Überlieferung nicht hervor . Erscheint es beim vergleichenden Blick auf die Situation in anderen Städten Westfalens und des Rheinlands eher unwahrscheinlich, dass Soest zu Beginn der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts längere Zeit ohne Stadtarzt auskam, so ist diese Möglichkeit vor allem angesichts der steten Zurückhaltung des Rates bei der Festsetzung der ärztlichen Vergütung nicht gänzlich auszuschließen .566 „Ein jeder sult sich in disser gefarlicher zit bereiten …“ – Hermann von Weinsberg und die Pest in Köln In Köln hatte das Sterben schon im Frühjahr eingesetzt . Anhand der Aufzeichnungen des Hermann von Weinsberg lassen sich Verlauf und Auswirkungen der Pest in der Großstadt am Rhein ebenso detailliert verfolgen wie individuelle Reaktionen von Betroffenen und ihres sozialen Umfeldes . Weinsbergs Bericht zufolge brach die Seuche um das Osterfest, am 2 . April 1553, aus und verbreitete sich rasch in der ganzen Stadt .567 Erneut schreibt der Berichterstatter die Ausbreitung des Übels vor allem Miasmen (boisse lucht) zu .568 Zugleich verweist er jedoch darauf, dass Landsknechte aus Metz, die im vorangegangenen Winter in großer Zahl nach Köln Stadt gekommen waren, die Krankheit eingeschleppt hätten . Viele von diesen seien ebenso gestorben wie die Bewohner der Häuser, in denen sie sich einquartiert hätten . Weinsberg, der während seines Lebens Augenzeuge zahlreicher Epidemien wurde, hebt bezeichnenderweise hervor, dass die Pest dieses Mal ein besonders großes Ausmaß annahm . Schon am 28 . April hatte er einmal mehr den Verlust einer Verwandten zu be563 564 565 566
Stadtarchiv Soest, A Hs 22: Rademachers Annales, Nr . 1398 . Stadtarchiv Soest, A Hs 22: Rademachers Annales, Nr . 1528 u . Nr . 1547 . Stadtarchiv Soest, A Nr . 4562, fol .65r . Nach dem jüdischen Heilkundigen Meister Benedictus, der 1545 seinen Dienst quittierte, lässt sich erst 1564 wieder ein Stadtarzt in Soest nachweisen . Hecker (1940), S . 15 . 567 Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 27 . 568 Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 27 .
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klagen . Seine Nichte Tringin Bremgins van Wesel war in irem wonhaus uff der Herzenstraissen an der pestilens gestorben und wurde zu St . Columba begraben . Wie schon während der Epidemie des Jahres 1541 bemühte sich Weinsberg auch 1553 frühzeitig um eine individuelle Pestprophylaxe und den Schutz seines Haushaltes . Am 5 . Mai habe er uis rait der doctorn in der medicinen purgeirt und andere preservetiones gebrucht gegen die boisse lucht, betont er in seiner Schilderung . Einige Tage später unterzog er sich einem Aderlass am rechten Arm . Seine Frau sowie seine Schwester und sein Bruder mitsamt ihren Ehepartnern versuchten auf die gleiche Weise der Bedrohung durch die Krankheit entgegenzuwirken . Trotz der allgemeinen Bedrückung durch die Pest, folgte das nach solchen Eingriffen weithin übliche Tafeln im Familienkreis, bei dem es nach Ausführungen Weinsbergs sehr ausgelassen zuging .569 Um die gleiche Zeit griff das Sterben in der Stadt immer weiter um sich und forderte erste Opfer unter den städtischen Obrigkeitsvertretern . So ereilte der Tod am 31 . Mai den Rentmeister Henrich Broch, tags darauf seine Gemahlin . Auch Weinsbergs Familie blieb von der Ausweitung des Seuchengeschehens nicht verschont . Am 24 . Juni erkrankte Johan van Deutz, der Ehemann von Weinsbergs Schwester Catharina . Wie zwölf Jahre zuvor von seinem sterbenden Onkel in Dormagen, hielt sich der Berichterstatter aus Angst vor Ansteckung ebenso von seinem infizierten Schwager fern . Ich war seir sorgfeltich, dorft minen swager nit wol ansprechen, führt er hierzu aus .570 Wenngleich Weinsberg sein Verhalten zum Schutz der eigenen Person für notwendig hielt, so scheint sein Gewissen ihn dennoch geplagt zu haben . Entschuldigend bemerkt er, es sei eine elendige Zeit gewesen, in der ein Freund den anderen gescheut habe . Nachdem sein Schwager wieder genesen sei, habe dieser ihm sein Verhalten sehr übelgenommen und das pilliger weise. Vermutlich angesteckt durch ihren Mann, zeigten sich am 3 . Juli einige Pestbeulen am Körper von Hermanns Schwester Catharina . Zwei Tage zuvor, nachdem man sie vorsorglich zur Ader gelassen hatte, war sie in Ahnung ihres bevorstehenden Schicksals ins Haus ihrer Mutter gekommen und hatte im Kreis der Familie gespeist . Die Mahlzeit fand unter freiem Himmel statt, wo man die Gefahr eines Ansteckungsrisikos durch Catharina für geringer erachtete als in geschlossenen Räumen . Angesichts dessen erklärte sie den Aufzeichnungen des Chronisten verzweifelt: Nu werde ich vur [sic!] uch allen gescheut und verwirft mich unser here gott, doch, was sin gütlich will is.571 Die Pestilenzpillen, die ihr Bruder Hermann ihr überlassen hatte, zeigten naturgemäß keine Wirkung . Am folgenden Tag brach die Krankheit tatsächlich aus und Catharina erhielt die letzte Ölung . Diese Bemerkung macht deutlich, dass sich ungeachtet der Infektionsgefahr noch immer Geistliche in Köln bereitfanden, den Kranken die Sakramente zu spenden . Wenig später erkrankte auch das Gesinde . Lediglich die Kinder Catharinas und Johanns van Deutz blieben erstaunlicherweise von der Pest verschont . Darnach half got der her, fährt Hermann von Weinsberg in seinem 569 Jütte (1991), S . 73 . 570 Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 29 . 571 Ebenda .
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Bericht fort . Wie sein Schwager Johann, überstanden auch Catharina sowie die beiden Mägde ihre Pesterkrankung und niemand im Haus starb . In der Stadt jedoch war der Tod zu dieser Zeit allgegenwärtig geworden .572 Weinsbergs Nachbarn waren ebenfalls erkrankt . Nachts konnte der Ratsherr nach eigenen Worten keine Ruhe mehr finden . Aus den Nachbarhäusern am Altermarkt drangen beängstigende Geräusche in seine Schlafkammer, die keinen Zweifel daran ließen, dass die Hausbewohner mit dem Tode rangen . Besondere Sorge bereitete ihm, dass seine erkrankten Nachbarn den gleichen Abort benutzten wie er selbst. Angesichts dieser Situation entschloss er sich, das Haus am Altermarkt vorrübergehend zu verlassen und in ein anderes innerstädtisches Quartier umzusiedeln . Als die Weinsbergs feststellten, dass die umliegenden Häuser dort in gleicher Weise von der Pest betroffen waren, kehrten sie jedoch nach nur viertägiger Abwesenheit zum Altermarkt zurück . Der Schilderung lässt sich entnehmen, dass das Gros der Kölner Einwohnerschaft Pesterkrankungen in heimischer Umgebung durchmachte, wo die Kranken weitgehend auf die Pflege beherzter Angehöriger angewiesen blieben oder im ungünstigen Falle gar auf sich selbst gestellt waren .573 Die Berichte Hermanns von Weinsberg belegen mehrfach, mit wieviel Angst Familien ihren infizierten Angehörigen begegneten . Sofern Hilfe geleistet wurde, geschah dies oftmals äußerst widerwillig . Besonders deutlich wird dieses Verhaltensmuster in den Ausführungen Weinsbergs zu einem mehr als zwanzig Jahre späteren Seuchengeschehen in Köln . Die Frau seines unlängst an der Pest verstorbenen Neffen bat den Ratsherrn im Juli 1577, sie bei sich aufzunehmen .574 Weinsberg verwehrte sich diesem Ersuchen, gestatte der verzweifelten Witwe jedoch, sich in sein abgelegenes Weingartenhäuschen in der Achterstraße zurückzuziehen . Ob die Hilfesuchende mit dieser Lösung tatsächlich so froh war, wie der Chronist betont, sei dahingestellt . Sich selbst überlassen, starb sie in ihrem provisorischen Ausweichquartier nur vier Tage später an der Seuche . Welche Kapazitäten für eine institutionelle Versorgung Pestkranker zwischen der Mitte und dem Ende des 16 . Jahrhunderts in Köln zur Verfügung standen, lässt sich kaum zuverlässig ermitteln . Neben dem Haus zur Beherbergung Seuchenkranker in der Gereonstraße, welches die Universität ausschließlich für ihre Angehörigen unterhielt, existierten auch für die Stadtbewohner institutionelle Versorgungsmöglichkeiten . Aus einem wenige Jahre nach der Pestepidemie von 1553 angelegten Nachlassinventar des Hospitals Revilien geht beispielsweise hervor, dass das Haus neben getrennten Unterbringungsmöglichkeiten für gewöhnliche Bedürftige zudem über eine eigene pestilentz camer verfügte .575 Der am 5 . Juli 1561 nach dem Tod des Hospitalvorstehers Hermann van Natteln angefertigten Aufstellung zufolge befand sich diese 572 Buch Weinsberg (1887), S . 30 . 573 Hierzu besonders die Ausführungen bei Jütte (1991), 172 f . u . S . 178 ff . 574 Jütte (1991), S . 179 f . nach der Handschrift im Historischen Archiv der Stadt Köln, Chroniken und Darstellungen 49, fol .742v . 575 Historisches Archiv der Stadt Köln, Armenverwaltung, Revilien 2/1745, fol .2r .
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Pestkammer allerdings kaum in benutzbarem Zustand . Aufgeführt finden sich lediglich vern kleiner untuglicher [!] Bedtstattger mit entsprechendem Zubehör . Bestand zur gleichen Zeit möglicherweise schon eine weitere, auf die Beherbergung Seuchenkranker spezialisierte Institution, so tauchen in den Quellen konkrete Hinweise auf Bestrebungen zur Gründung eines oder mehrerer Pesthäuser nicht vor dem Ende des 16 . Jahrhunderts auf .576 Ein aus dieser Zeit stammendes, jedoch nicht exakt datiertes Schriftstück, das sich unter den Akten der Barbierzunft findet, bestätigt, dass der Rat der Stadt Köln angesichts einer neuerlichen Pestepidemie zu verhöttungh ferners Unheils und stickungh grassirender kranckheit gemeine pesthäuser einzurichten gedachte .577 In welcher Form und zu welchem Zeitpunkt dieser Plan zur Ausführung gelangte, lässt sich nicht nachvollziehen . Der erste sichere Beleg für die Existenz eines solchen, der Einwohnerschaft offenbar allgemein offenstehenden Pesthauses in Riehl findet sich jedenfalls nicht vor dem Jahr 1610 .578 Nach der Rückkehr in sein Wohnhaus am Altermarkt verstärkte Hermann von Weinsberg noch einmal Maßnahmen zur individuellen Prophylaxe . Er versorgte sich in der Apotheke mit Essig, Weihrauch sowie Pestilenzpillen und sorgte dafür, das gesamte Haus zu räuchern .579 Am 7 . Juli wurde das Gericht wegen des Seuchengeschehens geschlossen, die Universität stellte mit der Flucht des Lehrkörpers und der letzten verbleibenden Studenten ihren Betrieb vollends ein hatte und der Rat setzte seine wöchentlichen Sitzungen aus .580 Weinsbergs Bruder Christian, der am gleichen Tag nach Antwerpen aufgebrochen war und am 18 . Juli wieder nach Köln zurückkehrte, fand die Stadttore verschlossen .581 Der Rat hatte angeordnet, niemanden einzulassen . Im Fortgang von Weinsbergs Schilderung lässt sich eine zunehmende Schicksalsergebenheit des Berichterstatters und in Verbindung mit einer Akzentuierung individueller religiöser Auseinandersetzung mit dem Massensterben erkennen . So notierte er am 23 . Juli, in allen Kirchen sei verkündet worden, ein jeder sult sich in disser gefarlicher zit bereiten, bichten und hoichzit halten vur ein vursurg, das er sich einst mit got vereinigte.582 Nachdem die weltlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche nicht gefruchtet hatten, sahen Obrigkeiten und Einwohnerschaft wie schon so oft zuvor in der Hinwendung zu Gott den letzten Ausweg zur Abwendung des Übels . Wenig später bestätigte sich für Hermann von Weinsberg erneut, dass eine Vorbereitung auf das möglicherweise bevorstehende Lebensende ratsam schien . Der Tod konnte jederzeit eintreten und jedweden treffen . Am 18 . Juli hatten sich Hermann von Weinsberg und seine Frau mit zahlreichen Verwandten außerhalb der Mauern 576 creutZ (1933), S . 106 ff . schildert zugleich die weitere institutionelle Entwicklung bis zum 18 . Jahrhundert . Vgl . auch die Ausführungen bei Jüite (1991), S . 169 f . u . S . 178–180 . 577 Historisches Archiv der Stadt Köln, Zunft A381, fol .347r . 578 creutZ (1933), S . 106 . 579 Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 31 . 580 keussen (1918), S . 475 . 581 Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 33 . 582 Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 34 .
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Kölns zu einem unbeschwerten Beisammensein getroffen . Auf dem Heimweg begann plötzlich Weinsbergs Schwägerin Tringin Wolf aus der Nase zu bluten .583 Einige Tage darauf klagte sie über starke Kopfschmerzen . Man begann, an ihrem Körper nach typischen Zeichen der Pest zu suchen, konnte jedoch keine Auffälligkeiten entdecken . In der Hoffnung, die Unpässlichkeit würde vorübergehen, verzichtete man auf einen Aderlass oder die Gabe von Arzneien . Erst als sich Tringins Zustand am 24 . Juli noch immer nicht gebessert hatte, wurde ein Arzt hinzugezogen . Hermanns Frau brachte die Patientin in das Haus des Doktors Hubertus Fabri, der eine Hamschau vornahm, das Leiden jedoch nicht festzustellen vermochte . Derweil war die Untersuchte ohnmächtig geworden . Aus ihrer Ohnmacht erwacht, erreichte sie nur mit Mühe das Haus ihres Vaters, wo ihr abermals die Sinne schwanden . Auf dem Weg dorthin sah sie, wie die Menschen scharenweise die Stadt verließen und tat ihr Bedauern darüber kund, deren Beispiel nicht früher gefolgt zu sein . Sofern man der Selbstdarstellung Weinsbergs Glauben schenken kann, überwand er dieses Mal seine eigene Angst vor einer Ansteckung und harrte bei seiner Schwägerin aus .584 Am Morgen des 26 . Juli entschloss sich die Todgeweihte, ihr Testament zu machen und bat Hermann, alles nötige dafür in die Wege zu leiten . Dieser bestellte den Notar Peter Maus van Huls und zwei Zeugen ans Krankenlager, um Tringins letzten Willen festzuhalten . Nach erfolgter Niederschrift war das Testament vor zwei Schöffen zu verlesen . Personen, die aufgrund ihrer amtlichen Funktion bei der Testamentsaufstellung Seuchenkranker zugegen sein mussten, hatten zweifelsohne ein hohes Ansteckungsrisiko zu tragen . Trotz der bekannten Gefahr wurden von obrigkeitlicher Seite in Köln zu keiner Zeit besondere Regelungen für die Aufstellung von Testamenten in Seuchenzeiten verfügt, welche die Amtsvertreter von ihrer Anwesenheit am Krankenbett entbanden . Wie der bereits erwähnte, spätere Fall der pestkranken Gertrud von Bercheim zeigt, schritten Schöffen, Notar und Zeugen aber mitunter zum Selbstschutz und näherten sich Sterbenden nur auf Ruf- und Sichtweite .585 Das Kölner Pestgeschehen des Jahres 1553 blieb nicht ohne Folgen für die Aufrichtung von Testamenten in Seuchenzeiten, Nachdem das Sterben vorüber war, forderten Greve und Schöffen am 28 . Mai 1554, ihr Honorar für die Testamentssieglung zu erhöhen, wenn der Testator an einer gefährlichen Infektionskrankheit litt .586 Das Gesuch erfolgte aus gutem Grund . In der vergangen sterbt der schweren pestilentz, so ist in den Ausführungen zu lesen, habe man sowohl gesehen als auch gespürt, dass wille scheffen dadurch die kranckheit ompfangen unnd darinne verpliebenn. In seuchenfreien Zeiten hätten die Amtspersonen vielen Bürgern ihre Testamente aus Freundschaft sogar ohne Bezahlung gesiegelt . Nun aber sehe man sich aufgrund der Ansteckungsgefahr gezwun583 Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 34 f . 584 Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 35: Ich war allet bei ir in irer krankheit, ich hoite mich nirgen vur. 585 Historisches Archiv der Stadt Köln, Testamente 3/B 280 . 586 Historisches Archiv der Stadt Köln, Actus et Processus Nr . 4, fol .226r . u . v .
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gen, höhere Gebühren zu fordern, als das entsprechende Statut vorsehe, zumal dieses keiner pestilentz mention thut. Hermann von Weinsbergs äußerst detailreiche Beschreibung der letzten Lebensstunden seiner Schwägerin Tringin Wolf vermittelt vor diesem Hintergrund exemplarische Einblicke in die Praxis Kölner Testamentslegungen in der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts .587 Unmittelbar nachdem der Notar in Gegenwart der Zeugen Tringins letzten Willen aufgenommen hatte, betrat Weinsbergs Ehefrau in Begleitung einer Begine die Krankenstube .588 Neben den Alexianern oder Lungenbrüdern sorgten sich die frommen Frauen während der Epidemie von 1553 abermals um die Pflege Pestkranker sowie die Bestattung der Seuchenopfer . Viele von diesen, so ist Weinsbergs Bericht zu entnehmen, kostete die Wahrnehmung dieser risikoreichen Aufgaben das Leben .589 Die Begine, die vor Tringins Bett trat, kam aus dem Haus des Doktor Fabri und überbrachte nun dessen endgültigen Befund der Harnschau . Mit der Hand auf die Erde weisend, bedeutete sie den Umstehenden, dass das baldige Ableben der Erkrankten zu erwarten war . Daraufhin geriet Tringin, welche die Geste bemerkte, in tiefe Verzweiflung, flehte um Gottes Barmherzigkeit und drängte, eilends die Schöffen und einen Priester zu holen . Ein Kaplan war bald darauf zur Stelle, nahm ihr zunächst die Beichte ab und erteilte ihr die Absolution . Danach legte man sie von ihrem Bett auf ein am Boden bereitetes Sterbelager . Einige Stunden später erteilte der Kaplan Tringin Wolf die letzte Ölung . Angesichts solchen Pflichtbewusstseins unter Kölner Klerikern nimmt es nicht wunder, dass die Pest des Jahres 1553 erneut zahlreiche Opfer aus dem Kreis der Geistlichkeit forderte, wie etwa im Schriftverkehr zwischen der Universität und dem Kölner Erzbischof Adolf III . von Schaumburg fragmentarisch erkennbar wird .590 In einem auf den 26 . September 1553 datierten Schreiben empfahl der Erzbischof den Universitätsprovisoren dem Hermann Blankfort, Pastor von St . Columba, die Universitätspfründe zu verleihen . Ihr bisheriger Inhaber, der Priester-Kanonikus Peter Kannengießer, der im Dom sein geistliches Amt versehen hatte, war während der Seuche gestorben . Blankfort, so begründet der Erzbischof seine Empfehlung nachdrücklich, habe sich nicht allein um die Verbreitung des Wortes Gottes und der christlichen katholischen Lehre verdient gemacht, sondern vielmehr in sorglicher sterblicher Zeit seine Aufgaben pflichteifrig versehen . Länger als der Kaplan, ließen die zwei Schöffen auf sich warten, deren Gegenwart Tringin für die Aufrichtung eines rechtskräftigen Testaments unbedingt benötigte .591 Die einen hatten die verseuchte Stadt verlassen, die anderen zeigten sich nach Hermann von Weinsbergs Worten wenig willens, ihrer 587 Vgl . auch die Ausführungen zu Testamentslegungen in Köln bei klosterBerg (1995) . 588 Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 35 f . 589 Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 43 . Die Abbildung eines im 17 . Jahrhundert gefertigten Gemäldes aus dem Besitz des ehemaligen Alexianer-Klosters, das die Ordensbrüder bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben an Pestkranken zeigt, bietet Jütte (1991), S . 181 . 590 keussen (1918), S . 475 . 591 Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 36 f .
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Aufgabe unter den gegebenen Umständen nachzukommen . Nur mit Mühe gelang es Hermann von Weinsberg und seiner Ehefrau schließlich, Melchior Mommersloch und Henrich Laufstat ans Sterbebett ihrer jungen Schwägerin zu bringen . Obwohl diese ihnen versicherte, sie habe keine böse Krankheit, bedeckten die beiden Schöffen beim Betreten der Krankenstube entsprechend zeitgenössischer Vorstellungen über die Minderung des Ansteckungsrisikos Mund und Nase mit Tüchern, die in Essig getränkt und über Weihrauch geräuchert worden waren .592 Ordnungsgemäß verlas der Notar Tringins letzten Willen, nachdem diese auf entsprechende Befragung der Schöffen noch einmal bekräftigt hatte, ihr Testament aufrichten zu wollen . Im wortgetreuen Einklang mit den Kölner Statuten von 1437,593 die vom Testator ein Mindestmaß an verbleibender Leibeskraft verlangten, forderten die Schöffen Tringin anschließend auf, eigenständig sieben Fuß zu gehen . Um der Forderung Genüge zu tun, umschritt diese ihr Bett . Das Testament war nun rechtskräftig und die Schöffen verließen das Haus . Nur wenige Stunden später starb die 21jährige Tringin Wolf . Diss Sterbens heften mir uns so hastich neit versehen und erschreckte uns diss hoichlich, resümiert Hermann von Weinsberg .594 Die Beginen, die den Leichnam zur Bestattung vorbereiteten, vermuteten, dass die junge Frau die pestilenz inwendich gehatt het. Am folgenden Tag wurde Tringin hinter dem Grab ihrer Eltern im Dom beigesetzt . Angesichts dieser Erlebnisse entschied sich Weinsberg, Köln für die weitere Dauer der Seuche zu verlassen . Ordnungsgemäß ersuchte er am 27 . Juli hierfür beim städtischen Rentmeister Lomersheim um Erlaubnis, denn, so betont er in seinem Bericht, ohn urlob moist ich nit uis Coln zehen. Wurde dem Gesuch Hermanns von Weinsberg noch stattgegeben, so gingen die in der Stadt verbleibenden Ratsmitglieder sehr bald zu einer anderen Politik über . Am 11 . August versuchten sie, durch einen Beschluss, der die Pestflucht nunmehr unter Strafe stellte, eine weitere Abwanderung der Einwohnerschaft zu unterbinden .595 Die Weinsbergs bezogen unterdessen Quartier im einstigen Wohnhaus von Hermanns Großeltern in Dormagen, dessen nunmehrige Bewohner die Pestflüchtlinge unter ihrem Dach aufnahmen . Die Ruhe währte indes nicht lange . Viele Einwohner Dormagens bezahlten ihre Gastfreundschaft mit dem Leben, als Anfang September die aus Köln eingeschleppte Pest auch in ihrer Stadt ausbrach .596 Hermann von Weinsberg lässt in seinem Bericht keinen Zweifel daran, dass sich die Seuche insbesondere durch die Flucht bereits Infizierter allerorts geschwind verbreitete .597 Durch die Ausbreitung der Pest auf 592 593 594 595 596 597
Hierzu corBin (1984). Jakob grimm, Deutsche Rechtsalterthümer, Göttingen 31881, S . 96, S . 97 u . S . 483 . Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 37 . Historisches Archiv der Stadt Köln, Ratsprotokolle Bd . 17, fol .147 . Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 41 . Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 42: … da stürben auch etliche leut und kinder zu Dormagen, die es bei iren verstorbenen frunden zu Coln gefangen hatten. An anderer Stelle heißt es: Es storben auch vil gutter leut, die uis Coln geflowen waren, und worden toit in die stat bracht. Der scheffen Jude, ein jonker, starf zu Rindorf, Fridrich van Acht, ein alt ratzman, starf im lande van Geller, doctor Anholtz frau starf zu Kempen, und der glichen.
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nahegelegene Städte hatte er den Tod eines weiteren Familienmitglieds zu beklagen . Am 14 . September starb sein Schwager Ewald Ripgin in Neuß . Da Dormagen nicht länger die erhoffte Sicherheit vor der Seuche bot, kehrten die Weinsbergs in der zweiten Septemberhälfte nach Köln zurück . Am 18 . September fand sich Hermann erstmals wieder im Rathaus ein, wo seine Ratskollegen ihren Unmut darüber kundtaten, dass er erst jetzt in die Stadt zurückkehrte . Denjenigen, die auf dem Höhepunkt der Epidemie in Köln ausgeharrt hatten, waren in Anerkennung ihres Pflichtbewusstseins bereits am 11 . September je vier Ratszeichen zugeteilt worden .598 Wie die Weinsbergs kehrten zahlreiche Kölner im Laufe des Septembers nach Köln zurück, dan die sterbde war etwas gestillet.599 Dennoch dauerte das Sterben den Ausführungen des Berichterstatters zufolge noch das ganze Jahr über an . Manchen, so schildert er, sah man eine überstandene Erkrankung durch charakteristische Narben an Hals und Körper an . Von denen, die jetzt noch erkrankten, überlebten nach Wahrnehmung Weinsbergs viele . Überhaupt sei das Sterben während der vorangegangenen Epidemie von 1540 und 1541 rascher gewesen, resümiert er . Knapp zwei Wochen bevor Hermann von Weinsberg nach Köln zurückgekehrt war, hatte der Rat an die Vertreter der Universität geschrieben, sie möchten dafür Sorge tragen, den Vorlesungsbetrieb wieder aufzunehmen .600 Am 12 . September antwortete der Ordinarius Dr . Jacob Ochs den städtischen Obrigkeiten, dass noch keine der iuris studiosi in die Stadt zurückgekehrt seien . Deswegen und aufgrund der noch immer spürbaren Krankheit, schien ihm eine weitere Aussetzung der Lehrveranstaltungen angebracht . Daraufhin ließ die Stadt den Lehrkörper wissen, dass alle Vergütungen für die Zeiten der Abwesenheit ausgesetzt würden .601 Noch immer war die Furcht vor der Seuche stärker . Alle Dozenten sahen es vur nutz und pillig an, das inen van irem abwesen nichts gegeben werde.602 Die Universität blieb aber weiterhin geschlossen . Am 9 . Dezember heißt es in einem Bericht an Ignatius von Loyola, den Gründer des Jesuitenordens, alle Studenten hätten sich aufgrund der Pest zu anderen Universitäten begeben .603 Erst im Frühjahr 1554 wurde der Lehrbetrieb wieder in der gewohnten Weise aufgenommen . Die Auswirkungen des Seuchengeschehens bleiben im universitären Schriftverkehr noch weiterhin sichtbar . So bat der Rat von Lüttich die Kölner Obrigkeitsvertreter am 2 . April 1554, Georg Goesuyn in der Kronenburse aufzunehmen . Dieser besitze ein Zeugnis aus Herford und habe sein Eintreffen in der Domstadt aufgrund der Pest bisher verschieben müssen .604 Am 11 . April ersuchte der Magister Jacob Leichius von Cochem, der nach eigenen Worten zwei Jahre zuvor mit großen Kosten die neue Burse auf der Maximinenstraße 598 599 600 601 602 603 604
Historisches Archiv der Stadt Köln, Ratsprotokolle Bd . 17, fol .154 . Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 43 . keussen (1918), S . 475 . Historisches Archiv der Stadt Köln, Ratsprotokolle Bd . 17, fol .155 . Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 43 . keussen (1918), S . 476 . keussen (1918), S . 477 .
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übernommen hatte, um Unterstützung beim Kölner Rat .605 Er habe rund 100 Grammatiker und andere Dialektiker, so heißt es in dem Schreiben, könne auf eigene Kosten jedoch nur neun Praeceptores unterhalten, zumal ihm durch die Pest großer finanzieller Schaden entstanden sei . An Hermann von Weinsberg gingen die Eindrücke des Seuchensterbens ebenfalls nicht ohne Nachwirkungen vorüber . Am 31 . Oktober empfingen er und seine Ehefrau aus den Händen der Kirchenmeister von St . Jacob eine Bestätigungsurkunde über den Anspruch auf eine gemeinsame Grablege unter dem Glockenturm .606 Auf dem Höhepunkt der Epidemie habe er sich ebenso wie seine Gattin viele Gedanken über die eigene Grabstelle gemacht, in der sie wünschten, gemeinsam beigesetzt zu werden . Die Auseinandersetzung der Essener Obrigkeiten mit der Epidemie des Jahres 1553 Wie viele Städte wurde auch Essen 1553 von der Pestwelle erfasst . Zwar lässt sich das Verhalten des Rates nicht in allen Einzelheiten nachvollziehen, doch wird deutlich, dass die Obrigkeiten in der Auseinandersetzung mit der Seuche erneut eine aktive Rolle übernahmen . Weitblickend sorgten sich die Stadtväter etwa darum, für die Reinigung der Laken von Krankenbetten eigene Waschgelegenheiten zu schaffen, dar die krancken op wasschen sollen.607 Die Örtlichkeiten, auf die das Waschen beschränkt war, nennt die Stadtrechnung leider nicht . Wie nicht zuletzt die Schilderung Johann Wassenberchs von den Duisburger Pesterkrankungen des Jahres 1507 zeigt, war man sich der von Tuchen und Kleidungsstücken ausgehenden Ansteckungsgefahr durchaus bewusst . Die Maßnahme des Rates zielte demzufolge darauf ab, das Risiko einer weiteren Verbreitung der Krankheit durch Laken und Bekleidung aus verseuchten Häusern an gemeinsamen Waschplätzen möglichst auszuschließen . Abermals zeigten sich die Obrigkeiten um die hygienischen Belange bemüht . Schon 1545 hatten sie Regelungen für die Entsorgung der Abfälle privater Haushalte durch die sogenannten Mistfoerers sowie eine feste Gebührenordnung für deren Dienste erlassen .608 Während der Pestjahre 1553 und 1554 weisen die Stadtrechnungen neben den üblichen Ausgaben für Unterhaltung und Instandsetzung der Wasserleitung und der Entlohnung des Rackers, zudem Zahlungen an einen Vogelfänger namens Reckert aus .609 Ob die Anstellung Reckerts aus Sorge um das Saatgut geschah, das von einer möglicherweise überhandnehmenden Zahl an Vögeln gefressen wurde, oder darauf abzielte, das Verschleppen von Aasstücken in die Stadt, etwa durch Raben, zu unterbinden, lässt sich jedoch nicht ermitteln . Die Bestattung der Seuchenop605 606 607 608 609
keussen (1918), S . 477 f . Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 43 . Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 931, fol .25r . Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 300, fol .328r . Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 932, fol .11 v .
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fer wurde scheinbar ebenfalls durch den Rat koordiniert . Mehrfach erhielt der städtische Totengräber Hynrich Melis während des Jahres 1553 besondere Zuwendungen für seine unentbehrlichen Dienste .610 Zugleich bemühten sich die Obrigkeiten, bedürftigen Pestkranken und Hinterbliebenen materielle Unterstützung zukommen zu lassen . Am 17 . August 1553 beschlossen Bürgermeister und Rat, Almosen uth to delen na notturft den armen und huyßarmen dey bynnen Essen myt dem Jammer der pestilentz beladen sein oder werden.611 Die Namen der Bedürftigen sollten erfasst und den Obrigkeiten kenntlich gemacht werden, damit eherliche reckenschop über die Zuteilungen gegeben werden konnte . An die Verfügung schließt sich die geforderte Namensliste an, in der sich ausschnitthaft die individuelle Tragik des epidemischen Geschehens widerspiegelt . So hatte beispielsweise ein gewisser Mesmecker den Verlust seiner Frau und seiner Söhne zu beklagen, die Witwe Tryne Vutheuß den Tod von vier Kindern . Ob die Stadtväter versuchten, außer finanzieller auch medizinische Hilfe zur Verfügung zu stellen, bleibt ungewiss . Die Stadtrechnungen belegen, dass ein Wundarzt in Diensten des Rates stand .612 Dieser Meister Vincentius war bereits seit 1548 für die städtischen Obrigkeiten tätig . Im Jahr seines Dienstantritts heiratete er die Witwe seines Amtsvorgängers Meister Jorgen, der zwischen 1542 und 1546 als städtischer Wundarzt gewirkt hatte613 Über Meister Vincentinus’ praktische Tätigkeit in Essen ist indes nichts bekannt . Die Pest in Münster Die westfälische Bischofsstadt Münster wurde im Spätherbst 1553 ebenfalls ein weiteres Mal von der Pest heimgesucht .614 Wie andernorts äußerte sich die erste Reaktion auf das einsetzende Sterben in einer großen Fluchtbewegung aus der Stadt . Die Rechnungen der Domelemosine etwa zeigen, dass die obligatorische Brotausteilung am 20 . Dezember 1553, dem Vorabend des Thomastages, nicht in der gewohnten Weise erfolgen konnte .615 Die designierten Empfänger der Spende, Kleriker und Scholaren, so geht aus der Quelle hervor, hatten aufgrund der Pest die Stadt verlassen . Ersatzweise profitierten nun, wie es heißt, andere Schüler und Mädchen von den milden Gaben . Ähnliches wiederholte sich am 1 . Februar 1554, als die Brote wegen des andauernden Ausbleibens bedürftiger Kleriker und Scholaren an andere Arme verteilt wurden . Wie viele Ratsherren zu dieser Zeit ebenfalls die Stadt verlassen hatten, lässt sich nicht rekonstruieren . Fest steht hingegen, dass der Rat entscheidungsfähig blieb und einige Anstrengungen zur Eindämmung der Seuche und 610 611 612 613 614 615
Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 2408, fol .2r . Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 2408 . Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 931, fol .11r . BüscHer (1922), S . 16 . Nicht erst 1554 wie Huyskens (1901), S . 13 annimmt . klötZer (1997), S . 63 .
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zur Versorgung der Erkrankten unternahm . So intensivierten die Obrigkeiten ihre Bemühungen um eine Verbesserung der hygienischen Verhältnisse in der Stadt . Jedermann, so wurde 1554 verfügt, solle Sorge für die Reinhaltung der Straßen tragen .616 Zu diesem Zweck sollten sämtliche Schweineställe an öffentlichen Plätzen abgerissen werden . Ein Hauptaugenmerk der Obrigkeiten richtete sich vor dem Hintergrund des großen Bedarfs bei der Versorgung Pestkranker anscheinend auf eine effiziente Verwaltung der Elenden . Mit Hinrich Moderson, Berndt Bolandt und Hinrich Iserman lassen sich für 1553 und 1554 statt der sonst üblichen Zahl von zwei Provisoren drei Personen in dieser Funktion nachweisen, von denen erster dem Rat angehörte, während die beiden anderen die Gemeinheit repräsentierten .617 Selbst wenn im Einklang mit der Vermutung Winzers nicht auszuschließen ist, dass zwischen der kurz zuvor erfolgten Restitution der Ratsverfassung und der Erhöhung der Provisorenzahl ein Zusammenhang bestand, so scheint doch das Pestgeschehen ausschlaggebend für diesen Schritt gewesen zu sein .618 Dafür spricht vor allem, dass die Dreizahl offenbar nicht über das Pestjahr hinaus beibehalten wurde . Die nächste namentliche Nennung der Provisoren, die leider erst wieder für 1558 überliefert ist, zeigt, dass fortan wieder lediglich zwei Amtsinhaber an der Verwaltungsspitze der Aegidii-Elende standen .619 Welche konkreten Auswirkungen die Erhöhung der Provisorenzahl auf Verwaltungsabläufe in der Elende hatten, bleibt unklar . Vermutlich erwuchs aus der gesteigerten Inanspruchnahme der Einrichtung ein höherer Aufwand bei der Kontrolle und Abrechnung der erbrachten Leistungen, der nur durch eine temporäre personelle Aufstockung zu bewältigen war . Sofern den Obrigkeiten darüber hinaus an einer Gewährleistung medizinischer Grundversorgung für die Pestkranken in der Stadt gelegen gewesen sein sollte, wie sich zur gleichen Zeit beispielsweise in Wesel beobachten lässt, finden sich hierüber keine Zeugnisse . Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass der Rat im Dezember 1553 als das Seuchensterben bereits ein großes Ausmaß angenommen hatte, den jüdischen Brüdern Jakob und Simon auf ein Empfehlungsschreiben des Landgrafen Philipp von Hessen Geleit gewährte .620 Seit der Wiederzulassung der Gesamtgilde als politisches Organ im Mai 1553 hatte sich in Münster zunehmend eine antijüdische Grundstimmung breitgemacht, auf die der Pestausbruch einige Monate später wahrscheinlich als zusätzlicher Katalysator wirkte und die am 15 . Februar 1554 in einem Beschluss zur Ausweisung der Juden aus 616 Huyskens (1901), S . 13 . 617 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Aegidii-Elende, Urk . 8a, 9a u . 11a . Im Unterschied zu den übrigen Münsteraner Einrichtungen zur Aufnahme Seuchenkranker sahen einzig die Bestimmungen der Überwasser-Elende eine Verwaltung durch drei Provisoren vor . Die Quellenbefunde zeigen, dass diese Verfügung offenbar nur unmittelbar nach der Gründung eingehalten wurde . Vgl . die Liste bei WinZer (1996), S . 288 f . 618 WinZer (1996), S . 257 . 619 klötZer (1997), S . 343 . 620 Stadtarchiv Münster, AVI Nr . 8, fol .42, fol .45 u . fol .47 .
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der Stadt binnen der kommenden drei Wochen gipfelte .621 Angesichts dieser Umstände steht zu vermuten, dass den Brüdern vor allem aufgrund der medizinischen Fähigkeiten Jakobs der Aufenthalt in Münster gestattet wurde . Der hessische Landgraf verweist in seinem Empfehlungsschreiben mit Nachdruck darauf, dass Meister Jacobs als seiner liebten wundtarzt gute Dienste geleistet habe .622 Dabei bleibt ungewiss, ob sich der jüdische Wundarzt in Münster der Behandlung Pestkranker widmete . Gegen seine aktive Rolle bei der Pflege Seuchenkranker spricht, dass Jakob in gleicher Weise wie seine Glaubensgenossen von der Ausweisung betroffen war . Hätte er sich im Dienste der Stadt verdient gemacht, wäre ihm wahrscheinlich eine bessere Behandlung zuteil geworden .623 Seiner ärztlichen Tätigkeit kam Jakob aber zweifelsfrei nach, wie seine Gesuche um abermalige Erlaubnis des Aufenthalts in der Stadt aus den Jahren 1559 und 1560 zeigen .624 Darin verweist der jüdische Heilkundige darauf, nicht nur Arme, sondern auch Vornehme zu seinen erfolgreich behandelten Patienten zu zählen . Zu dieser Zeit hielt er sich noch immer in der Nähe Münsters – offenbar in Wolbeck – auf .625 Wesel „in tytt der sterft“ Im Sommer 1554, nachdem das Leben in anderen Städten allmählich wieder seinen geregelten Gang nahm, brach die Pest über Wesel herein . Anfang Juli finden sich in der Stadtrechnung die ersten Hinweise auf einen neuerlichen Ausbruch der Seuche .626 Sie deuten zugleich darauf hin, dass die Weseler Obrigkeiten in bewährter Manier den Informationsaustausch mit den Ratsvertretern benachbarter Gemeinwesen aufrechterhielten . So entsandten sie in tytt der pestilencie beispielsweise zwei Missiven an den Bürgermeister Künel in Hünxe . Am 8 . Juli ritt der Stadtbote Rutger abermals nach Hünxe sowie zum Bürgermeister von Spelle und am 12 . August war Jacob Snellart vom Rat nach Orsoy und Xanten geschickt worden .627 Im Unterschied zu vorangegangenen Epidemien, während derer der Rat offenbar stets mehrheitlich in Wesel verblieben war, verließen dieses Mal zahlreiche Ratsherrn auf dem Höhepunkt des Seuchensterbens für mehrere Wochen die 621 ascHoFF (1994), S . 584 f . Das Konzept des Ausweisungsbeschlusses unter Stadtarchiv Münster, A VI Nr . 8, fol .48 . 622 Stadtarchiv Münster, A VI Nr . 8, fol .42 . 623 Beispiele für eine bevorzugte Behandlung jüdischer Heilkundiger durch städtische Obrigkeiten bei Kay Peter JankriFt, Jüdische Ärzte in Westfalen bis zum Ende des 16 . Jahrhunderts, in: Pflanzenkunde im Mittelalter . Das Kräuterbuch von 1470 der Wasserburgen Anholt und Moyland, Kleve 2004, S . 91–100 . ders ., Aufstieg auf Zeit . Jüdische Ärzte und Heilkundige in westfälischen Städten bis zur Mitte des 16 . Jahrhunderts, in: Hrsg . Caris Petra Heidel / Albrecht scHolZ, Medizinische Bildung und Judentum (= Medizin und Judentum 4), Dresden 1998, S . 16 f . 624 Stadtarchiv Münster, A VI Nr . 8, fol .60 u . fol .61 . 625 ascHoFF (1979), S . 147 . 626 Stadtarchiv Wesel, A7 1554, fol .48v . 627 Stadtarchiv Wesel, A7 1554, fol .49r u . fol .52r .
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Stadt . Welche Gründe den Ausschlag für dieses Abweichen von der bisher konstatierten Weseler Praxis gaben, lässt sich nicht mit Gewissheit ermitteln . Der Blick auf die gut dokumentierten Verhältnisse in Köln legt die Vermutung nahe, dass die Seuche auch in Wesel ein großes Ausmaß angenommen haben könnte . Möglicherweise fürchtete man vor diesem Hintergrund, die Handlungsfähigkeit des Rates zu gefährden, wenn zu viele seiner Mitglieder der Seuche erliegen sollten . Vor allem dürften es jedoch individuelle Befindlichkeiten und daraus resultierende persönliche Entscheidungen gewesen sein, die den Stadtvätern bei allem möglichen Respekt vor ihren Amtspflichten einen zeitweiligen Rückzug aus den Mauern Wesels nahelegten . Von einer Flucht im herkömmlichen Sinne lässt sich jedenfalls nicht sprechen . Die Obrigkeitsvertreter scheinen sich nicht aus dem engeren Umkreis von Wesel entfernt zu haben . Die Stadtrechnung lässt erkennen, dass die Kommunikation der Ratsherren untereinander in der Zeit ihrer Abwesenheit durch Boten gewährleistet wurde .628 Die Koordination der innerstädtischen Angelegenheiten erfolgte von außerhalb der Stadt und auch Zusammenkünfte des Rates wurden weiterhin abgehalten .629 Dem Eintrag des Ratsprotokollbuches zufolge versammelten sich die städtischen Repräsentanten am 21 . September angen Berch Calvarie, einem Kalvarienberg vor der Stadt .630 Die zugehörige Rechnung weist bei dieser Gelegenheit Kosten für den Weinverzehr der Ratsherren sowie von acht Dienern auf .631 Das Ratsprotokollbuch verrät allerdings auch, dass sich die Obrigkeitsvertreter während der Sommermonate seltener zur Beratung trafen als gewöhnlich . Erstaunlicherweise scheint das Seuchengeschehen in der Stadt dabei kaum Gegenstand der Diskussion gewesen zu sein . Seit dem 8 . Oktober trat der Rat wieder bynnen Wesel zusammen, wie das Protokoll explizit vermerkt .632 Die erste Amtshandlung bestand in der Wahl eines neuen Schöffen anstelle des offensichtlich durch Tod ausgeschiedenen Johan Geyer . Nach der Rückkehr der Ratsherren in die Stadt lässt sich eine deutliche Intensivierung obrigkeitlicher Maßnahmen konstatieren, die auf eine Eindämmung der Seuche und eine Pflege der Erkrankten abzielten . Obrigkeitliche Anstrengungen zur Verbesserung der hygienischen Verhältnisse wurden in der für die Stadt üblichen Weise beibehalten . Der Racker sorgte sich um die Reinigung der Straßen und die Tötung freilaufender Hunde, wobei die Zahl der während des Pestjahres 1554 erschlagenen Vierbeiner allerdings deutlich geringer ausfiel als 1553 und 1555 .633 Vier städtische Diener – Thonis, Peter, 628 Stadtarchiv Wesel, A7 1554, fol .52v . 629 Stadtarchiv Wesel, A7 1554, ohne pagina, weist mehrfach Zahlungen an in der Stadtbedienstete auf, die mit dem expliziten Zusatz versehen sind, diese seien in der Stadt verblieben und hätten in Zeiten der Pest verschiedene Aufträge des Rates ausgeführt . 630 Stadtarchiv Wesel, A3 1554/1555, fol .23r . 631 Stadtarchiv Wesel, A7 1554, ohne pagina: Item in tytt der sterft ein ersamer Raidt auf Bergh vonn Calvarie by enander gewest uitgeleckt ann presentie xxvq und viii dienerß jeder i q. 632 Stadtarchiv Wesel, A3 1554/1555, fol .23v . 633 Stadtarchiv Wesel, A7 1553, fol .94r führt 40 erschlagene Hunde auf, Stadtarchiv Wesel, A7 1555, unpaginiert, eine Zahl von 32 . Im Pestjahr 1554 tötete der Racker nur 16 Tiere . Stadtarchiv Wesel, A7 1554, unpaginiert (Zahlung erfolgte im Oktober) .
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Rutger und Kilian – wurden damit beauftragt, in allen Herbergen die Anordnung des Rates zu verkünden, kein unbekant volks aufzunehmen .634 Kurz darauf belohnten die Obrigkeiten die in tytt der pestilentzie in der Stadt verbliebenen Diener mit einer zusätzlichen Zahlung von dreieinhalb Albus wöchentlich . Die Schöffen Johann Murseus, Thomas Deuß und Herman von Hasselt, die ebenfalls in der Stadt ausgeharrt hatten, erhielten Wein .635 Welche Aufgaben in dieser Zeit zu bewältigen waren, zeigt die Stadtrechnung ebenfalls . So erhielten Murseus und Evert to Volmerck Zuwendungen dafür, dass sie in der statt umb gegain und na den kranken geseen hatten . Leider spezifizieren weder die städtischen Rechnungsunterlagen noch die Ratsprotokolle, ob die Obrigkeitsvertreter bei ihrem Rundgang lediglich prüften, wie viele Krankheitsfälle an welchen Orten in der Stadt zu vermelden waren oder ob sie vielmehr Verantwortung für die Versorgung Seuchenkranker mit Lebensmitteln übernehmen sollten . Die Anstellung einer Siechenfrau, wie sie Stadtrechnungen aus Jahren früherer Epidemien belegen, lässt sich während des Pestausbruchs von 1554 indes nicht nachweisen . Allerdings nahmen die Ratsvertreter bald nach ihrer Rückkehr in die Stadt im Oktober den Wundarzt Henrich Borrelis von Münster in ihre Dienste, nachdem sie zu Beginn des Jahres bereits den Physicus Doktor Johan Berda erfolgreich angeworben hatten . Unter dem 22 . Januar 1554 verzeichnet die Stadtrechnung: Item auf beuell eines Erb. Raitz Doctor Berda gegeuen 1 ducait van 41 brabantsche stuuer alß der vur eynen doctor der Stadt angenommen wort .636 Ob Berda für die medizinische Versorgung der Pestkranken eine Rolle spielte, geht aus den Quellen nicht hervor . Hingegen war der aus Westfalen stammende Wundarzt eindeutig zu dem Zweck angestellt worden, sich der Infizierten anzunehmen . Eine Notiz in der Stadtrechnung zu Beginn des folgenden Jahres zeigt, dass er dieser Aufgabe gewissenhaft nachgekommen war . So belohnte der Rat Meister Henrich ob seines Fleißes by den krancken [in!] tempore pestis durch eine Zuwendung von zwei Malter Roggen .637 Ein solches Geschenk erhielten bei dieser Gelegenheit auch die hern Herman predicanten und M. Thomas predicant in Anerkennung ihres Pflichtbewusstseins während der Seuche . Der Eintrag weist zugleich abermals darauf hin, dass während der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts in der religiösen Bewältigung des Seuchengeschehens zumindest strukturell keine Unterschiede zwischen einer katholischen und einer reformierten Stadt bestanden . Überall kam dem geistlichen Beistand am Kranken- oder Sterbelager die gleiche große Bedeutung zu . Entsprechend fanden sich in Wesel ebenso Geistliche, die sich unter Gefahr 634 Stadtarchiv Wesel, A3 1554/1555, unpaginiert . Vgl . hierzu auch die Vorschriften der späteren Weseler Armenordnung unter Stadtarchiv Wesel Al/219,11 fol .63 ff . 635 Stadtarchiv Wesel, A7 1554/1555, unpaginiert: Item miter beuell eins Ersamen Raitz gegeuen den vyr Stattdieners to achten wecken tho jeder wecke iiij alb. Jedem gegeuen umb dat sy in tytt der sterffi to allen dingen desto flytiger sein soldenn … Item so Murseus, Thomas Deuß unnd herman van hasselt alhir to Wesel in tytt der pestilenzie gebleuen oenen jeder wecke gegeuen ii q. per weck. 636 Stadtarchiv Wesel, A7 1553, fol .92r . 637 Stadtarchiv Wesel, A7 1555, unpaginiert .
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für ihr eigenes Leben in die Häuser der Kranken und Sterbenden begaben . In der Weseler Überlieferung wird allerdings deutlich, dass religiöse Fragen vor dem Hintergrund der zeitgenössischen konfessionellen Auseinandersetzungen selbst während des sich ausweitenden Seuchensterbens nicht aus dem Blickfeld gerieten . So verschärfte sich unter dem Eindruck des Pestgeschehens möglicherweise das obrigkeitliche Vorgehen gegen Personen, die Zweifel an ihrer Rechtgläubigkeit aufkommen ließen . Die Stadtrechnung von 1554 belegt, dass die Schöffen Johann Murseus und Herman van Hasselt sowie drei Prediger etlicke vur sich bescheiden laiten, die eyne seltsame meynung von gotz wort kundgetan hätten .638 Wie viele Einwohner Wesels sich vor dieser Kommission verantworten mussten, in welcher Weise die geäußerten Ansichten von der allgemeinen Glaubenslehre abwichen und wie man im weiteren mit den Vorgeladenen verfuhr, bleibt im Dunkeln . Dennoch scheint ein größerer Personenkreis von den obrigkeitlichen Untersuchungen betroffen gewesen zu sein . Neben der ungenauen Angabe, etlicke seien einbestellt worden, zeigt vor allem die Abrechnung über die pro Woche für die Tätigkeit der Kommissionsmitglieder ausgeteilte Weinmenge, dass die Verhöre längere Zeit in Anspruch nahmen . Während der Wintermonate scheint das Peststerben in Wesel aufgehört zu haben . In den Quellen finden sich keine Hinweise auf ein Fortdauern der Seuche bis in das Jahr 1555 hinein . „Tho behoff armer luden, so met der pestillentzischen kranckheit behafft …“ Ausblicke auf die institutionelle Auseinandersetzung mit der Pest in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Bis zum Ende des 16 . Jahrhunderts reihten sich die Pestausbrüche in westfälischen und rheinischen Städten in unvermindert dichter Folge aneinander . Von 1564 bis 1567 überzog bereits das nächste Massensterben das Land zwischen Maas und Weser .639 Die Grundmuster der in über zweihundertjähriger Auseinandersetzung mit der Pest auf lokaler und regionaler Ebene entwickelten Reaktions- und Maßnahmenspektren erfuhren während der Folgezeit in Westfalen und dem Rheinland nur noch wenige Modifikationen .640 Besonders ins Auge fällt mit Blick auf diese Phase nahezu andauernder Konfrontation mit 638 Stadtarchiv Wesel, A7 1554, unpaginiert . 639 Zu Köln vgl . u . a . Buch Weinsberg, Bd . 2 (1887), S . 130 ff ., zu Xanten: Stadtarchiv Xanten, K11 A 4,1 Gasthausrechnungen 1565, fol .11r, zu Essen: Heinrich Kaufmanns Essener Chronik bis zum Jahre 1668, Bearb . Wilhelm rotscHeidt, in: Essener Beiträge . Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 50 (1932), S . 276, zu Duisburg mit Verweis auf die Stadtrechnungen HoFius (1971), S . 188, zu Wesel: Andreas dedericH, Annalen der Stadt Emmerich, Wesel 1867, S . 206, zu Münster: Huyskens (1901), S . 15, zu Soest: Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen, Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 346 . 640 Die Verwendung spezieller, vom Rat ausgestellter Bescheinigungen, die ihren Besitzern auf Reisen verbrieften, aus einer seuchenfreien Stadt aufgebrochen zu sein, kamen in Rheinland-Westfalen offenbar erst im 17 . Jahrhundert auf . Vgl . u . a . Historisches Archiv
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der Seuche vor allem die vermehrte Gründung von Pesthäusern . Existierten Institutionen zur Versorgung Pestkranker in westfälischen und rheinischen Städten bis in die 1560er Jahre nachweislich nur in Münster sowie – mit enger umgrenztem Funktionsbereich – in Köln und Xanten, lässt sich während der letzten vier Dekaden des 16 . Jahrhunderts eine deutliche Häufung bei der Einrichtung solcher Häuser feststellen .641 Hieran geknüpft stellt sich die kaum mit letzter Gewissheit beantwortbare Frage, warum die Gründung solch spezialisierter Institutionen in den meisten Städte angesichts der häufigen Auseinandersetzung mit Seuchen in unterschiedlicher Gestalt erst so spät und in anderen nie erfolgte . So unterblieb etwa Dortmund, Minden oder Duisburg die Einrichtung von Spitälern zur Beherbergung Pestkranker auch weiterhin .642 Man begnügte sich im Rahmen obrigkeitlicher Pestordnungen bestenfalls damit, Häuser, in denen ein Pestfall aufgetreten war, zu kennzeichnen, vorrübergehend durch die Bewohner verschließen zu lassen und die Bewegungsfreiheit Infizierter sowie ihrer Kontaktpersonen in der Öffentlichkeit einzuschränken . So sah beispielsweise die 1561 durch den Duisburger Rat erlassene und anlässlich eines neuerlichen Seuchenausbruchs 1587 erneut aufgelegte Verordnung vor, Türen und Fenster von Häusern Pestkranker sechs Wochen lang geschlossen zu halten sowie ein Strohbündel am Eingang zu befestigen .643 Beim Verlassen des Hauses war ein weißes Stöckchen in der Hand zu tragen . Der Minden Rat verfügte 1611, dass alle, so mit der pest behafftet sein, sich inheimbs halten und den Kontakt mit Gesunden so vielt müglich [!] meiden sollten .644 Ähnliches verlangte eine am 30 . Juni 1624 von den Dortmunder Stadtoberen aufgestellte Ordnung .645 In der spätmittelalterlich-hospitalischen Institutionslandschaft Rheinland-Westfalens, so scheint es, fand die Einrichtung „Pesthaus“ vor allem deshalb so lange keinen allgemeinen Platz, weil sie in den Augen der Zeitgenossen eine wesentliche Voraussetzung nicht erfüllte, um auf finanzielle Zuwendungen rechnen zu können . In diesem Zusammenhang fällt vor allem auf, dass die Seuchenspitäler im Vergleich zu anderen hospitalischen Institutionen insgesamt nur wenige Schenkungen erhielten .646 Im Gegensatz zu gewöhnlichen Hospitälern oder Leprosorien, in denen sich die Insassen durch Gebete zur Memoria ihrer
641 642 643 644 645 646
der Stadt Köln, Verfassung und Verwaltung N 348–350 . Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden AIV . Stadtarchiv Soest, A Nr . 9789 . Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus 1581–1607 . Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 2356, fol .4r–4v . Entgegen der Darstellung von leise (1997), S . 37 fehlt jeglicher Beleg dafür, dass Pestkranke in Dortmund „in einem ehemaligen Leprahaus interniert [sic!]“ wurden . Vgl . hierzu JankriFt (1998), S . 111 . HoFius, S . 190 . Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden B, Nr . 787 . Weyand (1983), S . 19 . Außer in Münster sind nur wenige Urkunden für die Soester Elende erhalten . Das Pestgasthaus in Wesel ließ 1594 eine Kiste zur Aufbewahrung der Urkunden fertigen, die jedoch allesamt nicht überliefert sind . Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .52v .
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Wohltäter mehr oder weniger langfristig erkenntlich zeigen konnten,647 waren die zumeist schnell sterbenden Seuchenkranken zu solchen Formen der Dankbarkeit nicht in der Lage . Damit lagen Gründung und Unterstützung von Pesthäusern in westfälischen und rheinischen Städten jenseits traditioneller Formen der Fürsorge . Sie erfolgten – wie etwa im Fall der Stiftung der AegidiiElende oder der Zuwendung des Johann Byschowe an das Soester Seuchenspital – aufgrund individueller Erfahrungen, vor allem aber auf dem Hintergrund einer Verdichtung kommunaler Verwaltungsstrukturen auf Betreiben der Obrigkeiten gewissermaßen als kollektiver Akt . In Münster baute man mit der Gründung einer vierten Elenden das bestehende Versorgungsnetz weiter aus .648 Im Gegensatz zu den vorangegangenen Einrichtungen, bei denen der Rat nicht initiativ gewirkt hatte, waren es dieses Mal die städtischen Obrigkeiten, die den Anstoß zum Bau eines weiteren Seuchenspitals gaben . Den Ratsherren Johan Langerman und Herman Menneman, welche die Gründungspläne in die Tat umsetzen sollten, waren mit Peter Halve, Johan Hase und Hinrich Swartarndt drei Vertreter des Kirchspiels zur Unterstützung beigeordnet worden .649 Nach den ältesten Rechnungsunterlagen dieser letztgegründeten Elende Münsters im Martini-Kirchspiel zu schließen, erfolgte der Ankauf eines Hauses zwecks Einrichtung eines weiteren Seuchenspitals im Jahre 1563650 Schon seit längerem hatten obrigkeitliche Pläne zum Bau der Martini-Elende bestanden .651 Diese sollte, wie sowohl aus dem Brief über den Hauskauf vom 9 . Juni 1566 wie aus der am 19 . Dezember 1573 vom Rat ausgestellten Urkunde zur Bestätigung der Gründung unmissverständlich hervorgeht, zum einen die Kapazitäten des Hauses im Aegidii-Kirchspiel entlasten, zum andern den häufigen Transport Erkrankter durch die dichtbewohntesten Straßen der Stadt und über den Markt vermeiden .652 In dem Schriftstück von 1566 heißt es, die Überführung der Seuchenkranken aus dem Kirchspiel Martini, in dem bislang keine eigene institutionelle Versorgungsmöglichkeit existiere, habe dazu geführt, dass menigenn tom verschreckendt geleidet und zudem die platze unnd Stratenn vergifftigett unnd inficiert synt worden. Nicht genug damit, zeigt die Bestätigungsurkunde das Bewusstsein der Obrigkeiten auf, dass durch den Rücktransport der Leichen zum Begräbnis auf dem Martini Kirchhof abermals eine Gefährdung dieser Art bestand . Die Vorbereitungen zur Errichtung der Martini-Elende reichen mindestens bis in das Jahr 1561 zurück .653 Im Rechnungsbuch der Lamberti-Elende taucht aus dieser 647 Hierzu exemplarisch poHl-resl (1996). 648 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Martini-Elende, Akten 1, Rechnungsbuch 1563– 1598, fol .3 . 649 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Martini-Elende, Akten 1, Rechnungsbuch 1563– 1598, Titelfolio . 650 klötZer (1997), S . 131 . 651 WinZer (1996), S . 247 . 652 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Martini-Elende, Urk . Nr . 2 u . Nr . 3 . Abdruck bei WinZer (1996), S . 294 f . (1566) und Huyskens (1905), Nr . 3, S . 7–10 (1573) . 653 Der städtische Auftrag zur Fertigung einer Abschrift der Gründungsurkunde der AegidiiElende an den Notar und Stadtsekretär Herman thor Floet im Jahre 1562 steht nicht
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Zeit ein Eintrag auf, der eine durch die Provisoren vorgenommene Zahlung von 70 Talern to behoeff der Timmeringe der Elende to Sunt Mertin an den Bürgermeister Herman Heerde und den Kämmerer Johan Bolandt ausweist .654 Zu Beginn des Jahres 1563 erfolgte van wegen dusses hußes Lamberti eine weitere Zahlung zugunsten der zu errichtenden Martini-Elende .655 Die Bestätigungsurkunde für das neue Haus, deutet darauf hin, dass sich die Lamberti-Elende auf diese Weise von einem weiteren Transport Seuchenkranker aus dem Martini-Kirchspiel freigekauft hatte . Ähnliches ist für die Aegidii-Elende zu beobachten, die mit einer Summe von 200 Reichstalern die ihr gegenüber bisher bestehenden Rechte des Martini-Kirchspiels ablöste .656 Die ÜberwasserElende, deren Einzugsbereich nicht von einem Durchtransport Kranker und Toter betroffen war, blieb offenbar von derlei Zahlungen zugunsten der Errichtung eines neuen Seuchenspitals verschont . Einige Monate später – der Titel des 1563 durch Hinrich Swartarndt angelegten Rechnungsbuches nennt den 8 . Mai – begann der Bau des neuen Hauses, nachdem zuvor das auf dem gekauften Grundstück bestehende Gebäude abgerissen worden war .657 Vor dem Anbruch der kalten Jahreszeit waren die Bauarbeiten offenbar abgeschlossen . Am 3 . November wurden die Zimmerleute zum letzten Mal für ihre Arbeiten entlohnt .658 Im folgenden Jahr schritt man zur Innenausstattung der Elende . Unter anderem wurden aus den Beständen des Magdalenenhospitals ein Bett, zwei Paar Laken, eine Pelzdecke und eine ältere Decke übernommen .659 Trotz dieser raschen Umsetzung der obrigkeitlichen Planungen scheint die MartiniElende noch nicht in ausreichendem Maße funktionsfähig gewesen zu sein, als die Pest im November 1566 ein weiteres Mal in Münster ausbrach .660 Der Rat ersuchte die Einwohnerschaft jedenfalls dringend um weitere finanzielle Unterstützung tho baete der Nien Elende. Am 24 . November überantworteten die Obrigkeitsvertreter dem Notar und Stadtsekretär Herman thor Floet vier
654 655 656
657 658 659 660
zwangsweise im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zur Errichtung der MartiniElende wie WinZer (1996), S . 247 dies meint . Gegen die Annahme spricht vor allem, dass das Schriftstück offensichtlich nicht als Vorlage bei der Erstellung einer Gründungsurkunde für die Martini-Elende herangezogen wurde . Die Texte unterscheiden sich deutlich voneinander . Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Lamberti-Elende, Akten 2, Ausgaben 1561, fol .1v . Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Lamberti-Elende, Akten 2, Ausgaben 1563, fol .4 . Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Martini-Elende, Urk .3: Dieweill dann wir burgermeister und radt obgemelt denn ine herentheil des geldes, darmidt diese elende gekost ist, utgedaenn und procurerdt, auch uth der elende zu Sunt Ilien .[Anm: hierbei handelt es sich um die AegidiiElende], darmidt sie der beschwerlichen gerechtigheit des kerspels Sunt Mertenn als vurgesch. enthaven, twehe hundert daler genommen, darto ut Sunt Lamberts elende anderthalff hundert, auf dat die Sunt Mertens kranken durch ihr kerspell to leiden und to tragen darmidt verschont werden. Zum Datierungsproblem klötZer (1997), S . 132 . Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Martini-Elende, Akten 1, Rechnungsbuch 1563– 1598, fol .4 . WinZer (1996), S . 248 . WinZer (1996), S . 248 f .
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Schillinge aus dem Gruethaus, die die Prediger dafür erhalten sollten, dass sie von der Kanzel zur Almosengabe für die Martini-Elende aufrufen sollten . Beschloss die Gründung dieser vierten Elende die rund einhundertjährige Aufbauphase eines spezifischen, auf die Seucheneindämmung ausgerichteten Institutionsnetzwerks in Münster, so widmeten sich die Obrigkeiten in weiterer Verfolgung ihrer lokalen Strategien zum Umgang mit Seuchen während der kommenden Jahrzehnte einer effizienten Straffung und Vereinheitlichung von dessen administrativen Strukturen . Am Beginn dieser Bemühungen stand ein Beschluss des Rates vom 9 . Januar 1589, worin für die Elender aller Häuser eine gleiche Entlohnung durch die von ihnen aufgenommenen Kranken festgelegt wurde .661 Da es, so das Dokument, in der Vergangenheit mehrfach zu Klagen über die Bezahlung der Elender gekommen sei, welche die Pflegebedürftigen nicht ubernemmen sollen, sei in dieser Angelegenheit eine Neuregelung erforderlich . Von nun an sollte jeder Kranke dem Elender bei der Aufnahme eine Mark für koest, Lohn, Arbeit und zulangk entrichten . Sofern der Infizierte nach acht Tagen noch lebte und der Dienste des Hauses weiterhin bedurfte, wurde für jede weitere Pflegewoche abermals eine Zahlung von einer Mark fällig . Erstmals differenziert die neue Gebührenordnung in der Theorie nicht mehr zwischen vermögenden und bedürftigen Kranken, doch belegen die Rechnungsbücher, dass die Versorgung materiell Minderbemittelter in der alltäglichen Praxis auch weiterhin auf Kosten des Hauses geschah .662 Diesem ersten Schritt zu einer verwaltungstechnischen Vereinheitlichung der vier Einrichtungen folgten weitere, die am 16 . Oktober 1617 in einer umfassenden Neuordnung der Münsteraner Elenden gipfelten .663 Die Ellende up der becke Existierte in keiner anderen westfälischen oder rheinischen Stadt ein derart strukturiertes System institutioneller Seuchenkrankenversorgung, wurden in Soest, Wesel und möglicherweise Essen während der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts immerhin einzelne, mehr oder weniger kleine Einrichtungen vergleichbarer Art geschaffen . Kurz nach den Seuchenjahren von 1564 bis 1567 taucht in Soest der erste Hinweis auf eine gesonderte institutionelle Versorgung Pestkranker auf .664 Dieser Ellende up der becke […] tho behoff armer luden, so met der pestillentzischen kranckheit behafft, in späteren Zeugnissen auch das „Kleine Altena“ genannt, überantwortete der Soester Bürger Cordt Lips 1568 als Testamentsvollstrecker seines dort an der Pest verstorbenen Neffen Johan Byschowe den Provisoren des Hauses, Steffan Bhemar und Thomas Knipping, eine Schenkung von zehn Talern in Form einer alljährlich am Michaelistag, dem 29 . September, zahlbaren Rente . Den Ausführungen der Urkunde zu661 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Aegidii-Elende, Akten Nr . 21 . 662 WinZer (1996), S . 270 . 663 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Vier Elendenfonds, Akten 1 . Stadtarchiv Münster, AVI 83–94 . 664 Stadtarchiv Soest, A Nr . 9789 . Als Regest bei von klocke, Bd . 3 (1953), Nr . 832 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
folge lag die Elende teggen der Plettenbergh huse und dem swarten kloster allernegyst dem Altena, einem Beginenhaus . Gründungszeit und -umstände lassen sich anhand der Überlieferung nicht genau bestimmen . Zum Zeitpunkt der Schenkung scheint die Institution jedoch bereits voll funktionsfähig gewesen zu sein . Eine Aufnahme von Pestkranken, so geht aus dem Schriftstück unmissverständlich hervor, war während der vorangegangenen Pestwelle bereits erfolgt . Das Fehlen früherer Zeugnisse und verschiedene Wendungen in der Obligation des Cordt Lips legen allerdings die Vermutung nahe, dass die Einrichtung erst seit kürzerer Zeit bestand . Insbesondere die genaue Beschreibung der topographischen Lage des Hauses und der explizite Verweis auf seine spezielle Funktion unter gleichzeitiger Auslassung des späterhin üblichen Namens Kleines Altena erhärten diese Annahme, da sich derartige Erläuterungen im Falle einer allseits bekannten, etablierten Institution wahrscheinlich erübrigt hätten . Darüber hinaus lässt sich im Zusammenhang mit der Pest der Jahre 1566/1567 im Vergleich zu früheren Seuchenausbrüchen ein deutlich gesteigertes Engagement der Ratsvertreter bei dem Versuch nachweisen, die Infektionsgefahr mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln einzudämmen . So erließen die Obrigkeiten spezielle Verhaltensvorschriften, die mehrfach von den Kanzeln verkündet wurden, ordneten eine Ausweisung oder Verhaftung fremder Bettler und herrenloser Knechte in Stadt wie Börde an und verschärften offenbar deutlich die soziale Kontrolle der Einwohnerschaft .665 So wurde etwa Grete Cubach am 21 . Juli 1567 gefencklich eingesetzt, weil sie ihren an der Pest erkrankten Mann allein liegen und sterben lassen hatte .666 Vor dem Hintergrund dieser wachsenden obrigkeitlichen Reaktionen auf das Seuchengeschehen scheinen Anstrengungen zur Gründung einer speziellen Versorgungseinrichtung für Seuchenkranke ins Bild zu passen, wenngleich ein unstrittiger Beleg schuldig bleiben muss . Wie andere hospitalische Institutionen in Soest, so geht schon aus der Obligation des Cordt Lips hervor, stand auch das Kleine Altena unter der Verwaltung zweier Provisoren aus dem Kreis der Ratsherren . Wer aber die Pflege der Seuchenkranken im Kleinen Altena übernahm, bleibt ungewiss . Die unmittelbare Nähe zum Beginenhaus Großes Altena deutet darauf hin, dass den frommen Frauen eine maßgebliche Rolle für die spirituelle und materielle Versorgung der Infizierten zugekommen sein könnte . Ebenso erscheint es möglich, dass die in den Stadtrechnungen immer wieder genannten Siechenfrauen Pflegeaufgaben im Kleinen Altena übernahmen . So erhielt etwa die Siechenfrau Elsken Coymans anstatt der in ruhigeren Zeiten üblichen Grundentlohnung von 9 Mark im Pestjahr 1566 einen Betrag in Höhe von 30 Mark für ihren Dienst an den Kranken .667 Während der Pestepidemien der 1580er
665 Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 346 . Rademacher, Bd . 2 (1999), S . 780, Nr . 2115 . 666 Rademacher, Bd . 2 (1999), S . 779, Nr . 2111 . 667 Stadtarchiv Soest, A Nr . 4569, fol .65r .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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Jahre weisen die städtischen Rechnungen gar Zahlungen an zwei Siechenfrauen aus .668 Die institutionelle Weiterentwicklung des Hauses bleibt angesichts einer spärlichen, nur wenige Urkunden umfassenden Überlieferung ebenso weitgehend im Dunkeln wie Art und Umfang der gewährten Pflegeleistungen . Fest steht, dass die innerstädtisch, im Hof des Beginenhauses Großes Altena gelegene Soester Ellende up der becke eben so wenig eine Quarantänefunktion erfüllte wie die entsprechenden Einrichtungen in Münster . Der Transport Kranker und Toter zum oder vom Kleinen Altena erfolgte auch in Soest zwangsläufig durch dichtbewohnte Straßen . Welcher Personenkreis in der Elende Aufnahme finden konnte, bleibt ebenso unklar wie die Höhe der hierfür anfallenden Kosten . Johann Byschowe, der einzige namentlich bekannte Patient des Seuchenspitals, zählte dem Umfang seiner Schenkung zufolge zweifelsohne nicht zu den Mittellosen . Vermutlich beherbergte das Haus Vermögende ebenso wie Bedürftige . Wie sich nicht zuletzt aus der Lage der Einrichtung schließen lässt, dürften die Versorgungskapazitäten gering gewesen sein . Bezeichnenderweise verfügte der Rat während späterer Pestepidemien nicht, dass sich Betroffene in das Kleine Altena begeben sollten, sondern verlangte von diesen, in ihren Häusern zu bleiben .669 Am 23 . August 1578 ordneten die Obrigkeiten ferner an, dass wohlhabende Bürger den Kranken Geld zur Unterstützung zukommen lassen sollten .670 Angesichts der häufig auftretenden Seuchen und des damit verbundenen hohen Bedarfs an institutioneller Versorgung scheint die Soester Elende nicht ausreichend ausgestattet gewesen zu sein . Noch in der ersten Hälfte des 17 . Jahrhunderts erachtete es jedenfalls der Bürgermeister Dethmar Michels bei der erneut grassierenden Pest als nutzund notwendig […], daß das Almissenhaus der Altenauw […] erhalten und etwas mehr providiret werde.671 Das Pestgasthaus in Wesel Rund eine Dekade später als in Soest lässt sich in Wesel erstmals ein spezialisiertes Haus zur Aufnahme Seuchenkranker nachweisen . Aufgrund des kompletten Verlusts der Urkunden, die dieses sogenannte Pestgasthaus betreffen, lassen sich auch in diesem Fall weder der genaue Gründungszeitpunkt noch das Gründungsgeschehen zuverlässig rekonstruieren . Das älteste erhaltene Rechnungsbuch, das mit dem 11 . November 1580 einsetzt, zeigt anhand der Ausgabeposten, dass das Seuchenspital kurz vor diesem Zeitpunkt eingerichtet worden sein muss .672 So finden sich unter anderem Zahlungen für Dach-
668 Stadtarchiv Soest, A Nr . 4577, fol,146r . 669 JankriFt (1999), S . 45 . 670 Stadtarchiv Soest, A Hs 82: Materialsanunlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 117 . 671 Stadtarchiv Soest, A Nr . 9790 . Regest bei von klocke, Bd . 3 (1953), Nr . 839 . 672 Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
pfannen und Stroh für die Bettstätten .673 Die Initiative zur Errichtung einer Institution zur Beherbergung Seuchenkranker scheint vom Rat ausgegangen zu sein, der von Beginn an auch einen Provisor als obersten Verwalter des Hauses stellte .674 Anders als in Münster oder Soest, wo die Gründung der Elenden umfangreiche Bauarbeiten erforderlich gemacht hatte, wandelten die Weseler Obrigkeiten offenbar kurzfristig ein bereits seit dem Jahr 1500 bestehendes Hospital auf der Mathena in ein Pestgasthaus um . Für die Pflege der Kranken, bei denen es sich den Einträgen der Rechnungsbücher zufolge vor allem, wenn nicht gar ausschließlich um Bedürftige handelte,675 waren ähnlich wie in Münster ein Gasthausmeister und seine Frau zuständig . Am 14 . Dezember 1580 erhielt der Gasthausmeister den Betrag von einem Taler umb allerley noettrufft für die kranken tho koepen .676 Die umfangreichen Angaben der Rechnungsbücher erlauben detaillierte Einblicke in die Funktionsweise des Hauses in seuchenfreien Zeiten wie in Seuchenjahren . Der Gasthausmeister und seine Frau scheinen mit einiger Sorgfalt auf die hygienischen Zustände in der Einrichtung geachtet zu haben . So finden sich neben alltäglichen Ausgaben für Nahrungsmitteln auch Posten für Seife und Reinigungsarbeiten am hauseigenen Brunnen .677 Wie in Münster fiel das von den Kranken bei ihrer Aufnahme eingebrachte Hab und Gut im Falle ihres Ablebens an das Haus . Grietgen upenn Steede beispielsweise, die dort 1587 der Pest erlag, hinterließ ein betgen und sunst etliche paneken ahn huißrait,678 Anhand der Ausführungen wird zugleich deutlich, dass die Patienten ihr eigenes Bett mitbringen mussten . Statuten für eine Institution, die nicht existierte? Das Essener Pestgasthaus Um die gleiche Zeit wie in Wesel kam es möglicherweise zur Einrichtung eines Pestgasthauses in Essen .679 Ein Anhang zur 1581 erlassenen, offenbar auf älteren Vorlagen basierenden Armenordnung zeigt, dass die Essener Obrigkeiten im Zuge des 16 . Jahrhunderts zumindest Ansätze zu einer institutionellen Versorgung Seuchenkranker entwickelt hatten .680 Hierin ist die Rede von den armen krancken in den gasthuseren. Da nur in der Überschrift mehrere Einrichtungen erwähnt werden, die folgenden Statuten sich jedoch stets nur auf ein „Gasthaus“ und seine Administration beziehen, dürften die Obrigkeiten kaum die Gründung verschiedener solcher Spitäler geplant haben . Das pestilentz heuiß sollte zur Aufnahme armer Kranker bestimmt sein, deren kranckheiten abscheulich und contagios sind. Die einzelnen Artikel führen detaillierte Verordnungen zum 673 Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .16r u . fol .20r . 674 BenningHoFF-lüHl (1991), S . 72 . 675 Vgl . etwa die Nennung der im November und Dezember 1580 versorgten Personen unter Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol,19r . 676 Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .16r . 677 Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .10r u . fol .24r . 678 Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .35r . 679 JankriFt (1999A) . 680 Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 2356, fol .4r .
4 .3 Der Schwarze Tod und die Pest
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inneren Regiment des Hauses an . Erkrankte sollten nicht nackt, sondern bekleidet gebracht werden . Über welche Aufnahmekapazitäten das Gasthaus verfügen sollte, wird nirgends erwähnt . Die alltäglichen Geschicke der Einrichtung sollten wie in Wesel in Händen eines Gasthausmeisters liegen, dem zur Unterstützung weitere gottesfürchtige Pflegekräfte zur Seite gestellt werden konnten . Ihm übergeordnet war laut Ordnung ein vom Rat gestellter Provisor . Die Aufnahme beschränkte sich nicht allein auf Bedürftige, die aus Mitteln des Hauses oder des Heilig-Geist-Spitals unterhalten werden sollten . Jeder Einwohner Essens konnte die Dienste des Pestgasthauses in Anspruch nehmen, musste hierfür jedoch bezahlen, sofern sein Vermögen dies erlaubte . In akuten Notfällen durfte der Provisor die Aufnahme zunächst ohne Erhebung von Gebühren veranlassen, war dann jedoch zur späteren Forderung des doppelten Betrages berechtigt . Die Toten sollten an einem besonderen, nicht näher bezeichneten Ort bestattet werden . Wanehr gein pestilenz sei, solle das Haus instandgesetzt und mit allem Nötigen aufgefüllt werden, fordert die Ordnung . Eine besondere Bedeutung kam der geistlichen Versorgung der Kranken zu . Der fünfte Artikel der Gasthausstatuten sah vor, dass ein Priester bettlägrige Patienten möglichst häufig besuchte . Diese Bestimmung fand in einer anderen Version der Ordnung im Rahmen eines Annexes eine Erweiterung . Darin heißt es, dass die predicanten die krancken etzlich mall besuchen und sich ihrer gelegenheit erkundigen sollten, um jedwedem Mangel abzuhelfen . Die ausgefeilten Statuten deuten auf eine detaillierte Planung seitens der Obrigkeiten hin . Ob diese jedoch jemals zur Ausführung gelangte, erscheint keineswegs so selbstverständlich wie bisweilen vorausgesetzt .681 Neben dem normativen Grundgerüst der Statuten fehlt jeder weitere Hinweis auf die Existenz diese Pestgasthauses in Essener Urkunden und Akten . Nirgends finden sich Spuren einer entsprechenden Stiftung oder von Zuwendungen zugunsten der Einrichtung . In Xanten, wo bereits eine kleinere Institution zur Beherbergung eines eng eingegrenzten Personenkreises zur Verfügung stand, erfolgte eine Erweiterung der Aufnahmekapazitäten .682 Erst nach der Wende zum 17 . Jahrhundert wurde auch in Aachen das erste von später insgesamt drei Seuchenspitälern eingerichtet, nachdem unter dem Eindruck anhaltender epidemischer Sterblichkeit zwischen 1576 und 1579 am 24 . August 1578 eine Rochus-Bruderschaft gegründet worden war, die sich des Gebets für die Pestkranken und deren Bestattung annahm .683 Der alltägliche Tod Kaum eine spätmittelalterliche oder frühneuzeitliche Quelle zeigt jedoch in solcher Deutlichkeit Verlauf und Auswirkungen des städtischen Seuchengeschehens wie die Rechnungsbücher des Weseler Pestgasthauses . Der Tod bestimmte 681 Etwa bei reicHart (1992), S . 321 ff . 682 körner (1977), S . 40 . 683 Stadtarchiv Aachen, Handschrift 87: Rochusbruderschaft, Namensverzeichnis, fol .13r . Brans (1995), S . 168 ff .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
dort den Alltag . Verzeichnen die Dokumente in seuchenfreien Jahren lediglich vereinzelte Aufnahmen vermeintlich oder tatsächlich Infektionskranker, so bezeugen sie nach Ausbruch einer Epidemie stets eine massive und rasche Sterblichkeit unter den Eingelieferten . Dies veranschaulicht beispielhaft der Blick auf die Vorkommnisse im Pestgasthaus während der Epidemie von 1598/1599 . Im September des Jahres 1598 stiegen plötzlich die Aufnahmezahlen im Seuchenspital drastisch an . Waren bereits zuvor täglich ein bis zwei neue Kranke hinzugekommen, die oftmals noch am selben Tag starben, verzeichnet das Rechnungsbuch, am 13 . September seindt im Gasthaus einbracht Tien pestkrancken .684 Tags darauf waren von diesen Personen bereits acht der Krankheit erlegen .685 Als der Strom der Hilfesuchenden nicht abriss und immer mehr Kranke das Pestgasthaus aufsuchten, sahen sich der Gasthausmeister und seine Frau nicht mehr in der Lage, die Versorgung allein aufrecht zu erhalten . So rekrutierten die Obrigkeiten einige Tage später zunächst für die Dauer von fünf Wochen eine nicht näher genannte Frau und eine Magd, die die Pflegetätigkeiten in der Einrichtung unterstützen sollten .686 Die aus der befristeten Anstellung sprechende Hoffnung, die Epidemie sei innerhalb weniger Wochen überstanden, erwies sich indes als trügerisch . Auch im Oktober wurden an manchen Tagen bis zu 12 Kranke in das Haus gebracht .687 Inzwischen grassierte offenbar nicht mehr nur die Pest . Hinzu kamen zahlreiche Fälle von Dysenterie . So notierte der Provisor Johan Rothuis: Van den 28. Novembris bis up den 21. Decembris dat Pest gasthuis vol krancken gehat, di so wol am Blutganck als an der Pest kranck gelegen.688 Die Höhe der anschließend aufgeführten Ausgaben für Särge lässt unmissverständlich erkennen, dass die meisten dieser Kranken den Seuchen zum Opfer gefallen waren . Über den Jahreswechsel beruhigte sich die Lage ein wenig, doch ging das Sterben weiter .689 Soweit sich den Rechnungsunterlagen entnehmen lässt, lag die Sterblichkeit der in das Haus Eingelieferten zwischen 50 und 70 % . Ende Juni 1599 stiegen die Aufnahmezahlen wieder sprunghaft an . Am 24 . Juni war ein Zuwachs um fünf Kranke zu verzeichnen, von denen zwei umgehend starben .690 Die gleiche Szene wiederholte sich bis Ende Juli nahezu täglich . Am 27 . Juli schließlich erreichte die Auslastung des Hauses die Spitze . Am selben Tag is dat Gasthuis von vielen krancken Soldaten verfullt worden, also dat alle bedden belegt gewesen, heißt es hierzu im Rechnungsbuch .691 Zwei dieser Neuzugänge starben bereits am Folgetag, sechs am 7 . und 8 . sowie weitere vier am 9 . August .692 Bis die Seuche im Dezember schließlich abflaute, weist das Zeugnis nahezu täglich Todesfälle aus .693 Wegen des anhaltenden Sterbens sei 684 685 686 687 688 689 690 691 692 693
Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .114r . Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .115r . Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .117v . Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .120v . Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .124r . Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .126r–127r . Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .128r . Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .128v . Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .129r . Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .129v–132r .
4 .4 Quellenbefunde jenseits der Pest
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das Haus während des ganzen Jahres mit krancken immerda verfullet gewesen, schließt der Provisor Johan Rothuis seine Abrechnung für das Jahr 1599 .694 Sein Zeugnis macht auf einmalige Weise deutlich, dass die Auseinandersetzung spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Stadtbevölkerungen mit der Pest trotz der voranschreitenden institutionellen Verdichtung und Normsetzung, trotz eines zumeist gesteigerten Pflichtbewusstseins der weltlichen wie der geistlichen Obrigkeiten und trotz aller medizinisch-therapeutischen Bemühungen auch 250 Jahre nach dem Schwarzen Tod noch immer ein Kampf zwischen ungleichen Gegnern geblieben war . 4.4
Quellenbefunde jenseits der Pest
4.4.1
Zwischen blutgangk, pockeden und dullen sukede
4.4 Quellenbefunde jenseits der Pest
Die Einträge im Rechnungsbuch des Weseler Pestgasthauses lassen nachhaltig deutlich werden, dass die Pest, wenn auch den Quellenbefunden zufolge mit Abstand die gefürchtetste, so doch nicht die einzige Seuche war, mit der sich spätmittelalterliche Stadtbevölkerungen in Westfalen und dem Rheinland konfrontiert sahen . Mit dem Erscheinen des Schwarzen Todes und der nachfolgenden Pestwellen hatte sich das epidemische Spektrum seit der Mitte des 14 . Jahrhunderts lediglich um eine Geißel erweitert, die noch verheerender wirkte, als die zu dieser Zeit bereits altbekannten und weiterhin auftretenden Plagen . So ist etwa den detaillierten Ausführungen des Weseler Gasthaus-Provisors Johann Rothuis zu entnehmen, dass 1598 in der niederrheinischen Stadt zeitgleich mit der Pest eine Form von Dysenterie auftrat, die in dem Dokument als Blutgangk bezeichnet wird .695 Die mit dem Blutgang Infizierten fanden wie die Pestkranken Aufnahme im Pestgasthaus, wobei unklar bleibt, ob die Patienten räumlich voneinander getrennt wurden . Das gleichzeitige oder dicht aufeinander folgende Auftreten unterschiedlicher gefährlicher Infektionskrankheiten ist auch in der Überlieferung anderer Städte bezeugt . Im Herbst 1473 beispielsweise notierte das Soester Ratsprotokoll, dass der vorangegangenen Pestilenz der Blutgang gefolgt sei .696 In Köln erwähnt Hermann von Weinsberg ein Auftreten des Roit bouch, woran auch seine Mutter erkrankte, wenige Monate vor dem Ausbruch der Pest im Jahre 1540 .697 Ein weiteres Soester Schriftstück führt 1548 an, der Prediger Hermann sei nun ein alter, kränklicher Mann, der der Bürgerschaft in drei Pestepidemien und während der Roten Ruhr treu zur Seite gestanden habe .698 Im Unterschied zu Nachrichten über die von den Zeitgenossen als Pest wahrgenommene Phänomene sind Hinweise auf die Wirkung weiterer Seu694 695 696 697 698
Stadtarchiv Wesel, A11 Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607, fol .132v . Stadtarchiv Wesel, A11 Leprosen-Stiftung Rechnungen 1598, fol .124v . Stadtarchiv Soest, A3086, fol .84v . Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 140 . Stadtarchiv Soest, Hs 22: Rademachers Annales, Nr . 1077 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
chen sowie auf den zeitgenössischen Umgang mit diesen vergleichsweise spärlich . Äußerst selten kennzeichnen die Schriftzeugnisse westfälischer und rheinischer Städte bis zum Ende des 16 . Jahrhunderts gefährliche infektionsbedingte Massenerkrankungen ausdrücklich nicht als „Pestilenz“ .699 Die wenigen eindeutigen Belege sind rasch aufzuzählen . Neben den eingangs angeführten Erwähnungen des Blutganges, entstammen weitere Zeugnisse für das Auftreten anderer Seuchen als der Pestilenz ausschließlich der Dortmunder und Kölner Überlieferung . Für das Jahr 1367 berichtet der Dortmunder Chronist Dietrich Westhoff von einem strengen hoesten, an dem viele Einwohner gestorben seien .700 In der älteren Koelhoffschen Chronik findet sich bezogen auf Köln in nahezu identischem Wortlaut die gleiche Schilderung .701 Ob die Seuche tatsächlich in Westfalen wütete oder von dem Dortmunder Gerichtsschreiber ungeachtet der tatsächlichen Ereignisse in sein Werk integriert wurde, lässt sich nicht nachvollziehen . Nahezu dreißig Jahre später, 1394, liefert Westhoff in Anlehnung an die älteren Ausführungen der Kölner Chroniken erneut einen möglichen Hinweis auf die Präsenz einer weiteren Seuche in seiner Heimatstadt, für den allerdings die gleichen Vorbehalte gelten müssen .702 Die pockeden, so Westhoff hätten Junge wie Alte hinweggerafft und dabei am schlimmsten zwischen Juni und August gewütet . Leider verrät die Quelle auch in diesem Fall nicht über Symptome und Krankheitsverlauf . Die Auswahl an epidemischen Erkrankungen, die Pusteln hervorrufen können, ist zu groß, um Westhoffs Nennung als einen über alle Zweifel erhabenen Beleg für den Ausbruch einer Pockenepidemie zu betrachten . Fest steht hingegen, dass die Krankheit zu einer massiv erhöhten Sterblichkeit in der westfälischen Reichsstadt führte . Eine weitere, ebenfalls aus der Dortmunder Chronik stammende Seuchenschilderung, die die Massenerkrankungen des Jahres 1482 in Zusammenhang mit einer zeitgleichen Hungersnot stellt, ist an anderen Stelle bereits ausführlicher erörtert worden .703 Schließlich verweist Westhoff noch ein weiteres Mal auf eine Epidemie, die sich aus dem Kreis der gewöhnlichen PestilenzBeschreibungen abhebt . Im Jahre 1493, so der Chronist, habe eine Krankheit geherrscht, die man nomet die dullen sukede, daer nicht alleine to Dortmunde, mer auch to Wesel, Deventer und vil umbligenden steden vil lüde junk und alt gestorven.704 Wiederum lässt sich aus der knappen Darstellung nicht ergründen, welcher 699 Erst im 17 . und vor allem im 18 . Jahrhundert häufen sich Hinweise auf den Ausbruch solcher Seuchen, die in den Quellen nicht als Pestilenz bezeichnet werden . Vgl . etwa Stadtarchiv Soest, Stadtarchiv Soest, A Hs 74: Materialsammlung Vorwercks zu Wohlfahrtsanstalten, Jahrmärkten etc . fol .38 erwähnt 1727 epidemisch auftretende Fiebererkrankungen . Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Überwasser-Elende, Akten 14 spricht 1691 von einem Ausbruch der Roten Ruhr. Stadtarchiv Duisburg, Minoritenkloster, Best . 94 Akten Nr . 596 verzeichnet ein Vorkommen der Ruhr 1794 . 700 Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 220 . 701 Koelhoffsche Chronik (1877), S . 696 . 702 Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 288 . 703 Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 347 . 704 Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 362 .
4 .4 Quellenbefunde jenseits der Pest
291
Natur die dullen, die Beulen, gewesen sind . Ein sicheres Indiz dafür, dass der Verfasser auf ein augenfälliges Symptom der Beulenpest abhebt, fehlt . Der vergleichende Blick auf die Weseler Überlieferung zeigt allerdings, dass sowohl das Ratsprotokoll als auch die städtischen Rechnungsunterlagen mehrfach das Auftreten einer pestilentz erwähnen, sich jedoch keinerlei Hinweise für den Ausbruch einer weiteren Seuche ergeben . Möglicherweise lässt sich die Diskrepanz zwischen diesen beiden Befunden auf die unterschiedliche Wahrnehmung des Seuchenphänomens zurückführen . In diesem Zusammenhang wird zugleich offensichtlich, dass vor allem die zumeist uniforme Bezeichnung infektionsbedingter Massenerkrankungen ihren Teil dazu beigetragen hat, Spuren anderer Seuchen zu verwischen oder vollständig zu überdecken . Darüber hinaus ist nicht mit letzter Gewissheit auszuschließen, dass unter dem Eindruck der Pest infektionsbedingte Massenerkrankungen mit weniger dramatischen Auswirkungen bisweilen vielleicht gar keine Erwähnung mehr fanden . Ob und inwieweit sich die Auseinandersetzung der Zeitgenossen mit anderen, ebenfalls nicht nach gegenwärtigen Definitionen bestimmter Krankheitseinheiten zu identifizierenden Seuchen von der mit der Pest unterschied, lässt sich vor dem Hintergrund der wenigen Belege leider in keinem Fall nachvollziehen . 4.4.2
„Nuwe krenckde“. Die „Franzosenkrankheit“ und ihre Wirkung auf die Bevölkerung westfälischer und rheinischer Städte
Die Koelhoffsche Chronik notiert unter den Ereignissen des Jahres 1496: In dem selven jair was in allen desen landen eine vremde krenkde, der in dissen landen niet vil gesien gewest is, ind heisch sent Jobs krenckde.705 Aus dem Bericht geht hervor, dass die neue Krankheit zwar viele Menschen befiel, doch nur selten tödlich verlief . Auf der Grundlage dieser Kölner Vorlage kommt der Dortmunder Chronist Dietrich Westhoff zwar zu einem gleichen Urteil über das neue Phänomen .706 Allerdings führt er hierfür bereits die Bezeichnung auf, welche sich im deutschsprachigen Reichsgebiet bald durchsetzen sollte: der Franzosen krenckde.707 Die „Franzosenkrankheit“ die ungeachtet möglicher Unterschiede in ihrem Erscheinungsbild später eingedenk des Protagonisten Syphilos in den warnenden Versen des Veroneser Arztes und Humanisten Girolamo Fracastoro (ca . 1478–1553) auch Syphilis genannt wurde, erreichte Europa nach vorherrschender Überzeugung wohl durch Einschleppung aus der Neuen Welt . Dort noch unbekannt, verbreitete sie sich äußerst rasch innerhalb der von Resistenzen noch gänzlich freien Population .708 705 706 707 708
Koelhoffsche Chronik (1877), S . 900 . Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 362 . Hierzu exemplarisch stein (2003) . leven (1997), S . 53 f . schildert zugleich die Diskussion um die weiterhin nicht überzeugend geklärte Frage, ob die Syphilis erst aus der Neuen Welt nach Europa gelangte oder dort bereits zuvor in einer Erscheinungsform präsent war .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Ihren Weg ins Gebiet des Alten Reiches fand die Geschlechtskrankheit wahrscheinlich mit dem Söldnerheer, das den französischen Königs Karl VIII . auf seinem Feldzug gegen das Königreich Neapel begleitet und sich dort mit der „Franzosenkrankheit“ angesteckt hatten . Dementsprechend bezeichneten sie das Übel als Mal de Naples . Möglicherweise trugen die zahlreichen Teilnehmer der großen Wallfahrt nach Aachen, die sich zuvor in Dortmund gesammelt hatten, zur Ausbreitung der Franzosenkrankheit in Rheinland-Westfalen bei . Die Schriftzeugnisse schweigen über etwaige Reaktionen der Obrigkeiten auf die neue Bedrohung . Während in Süddeutschland, so etwa in Nürnberg, nach dem Ende des ersten Seuchenzuges 1499 durchaus Maßnahmen zur Prophylaxe gegen weitere Erkrankungen getroffen wurden, so finden sich hierfür in westfälischen oder rheinischen Städten keine Belege .709 Nichts deutet darauf hin, dass im Umfeld des Krankheitsgeschehens Badestuben oder städtischer Bordelle geschlossen wurden . Eine Erklärung für diese Zurückhaltung mag sein, dass die Zeitgenossen die Übertragbarkeit der „Franzosenkrankheit“ auf geschlechtlichem Wege zwar bereits vermuteten, diese Tatsache aber noch nicht allgemein bekannt war .710 Nach Einschätzung Ulrich Knefelkamps setzte sich dieses Wissen sogar erst nach der Mitte des 16 . Jahrhunderts durch .711 Ein an anderer Stelle bereits erwähntes Beispiel aus Köln zeigt, dass zumindest in den ersten Jahren nach dem Auftreten der Seuche innerhalb der städtischen Einwohnerschaft tatsächlich weitgehende Unkenntnis über die Art der Ansteckung herrschte . Guetgin Pryss, die am 3 . Januar 1505 verhaftet werden sollte, erklärte in der Hoffnung, der Gerichtsbote möge sich vor einer Infizierung furchten, sie leide an der St . Jobs Krankheit .712 Hermann von Weinsbergs autobiografische Aufzeichnungen belegen indes, dass man sich um die Jahrhundertmitte des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem morbi franzos und Geschlechtsverkehr allgemein bewusst war . Der Ratsherr berichtet von seinen ersten sexuellen Erfahrungen als 21jähriger 1537 mit der Prostituierten Trein Hoestirne .713 Doch das Verlangen obsiegte über die Furcht vor Ansteckung . So räumt der Berichterstatter ein, er habe auch danach noch mehrmals Umgang mit Huren gehabt . Er sei allerdings betrunken gewesen, verteidigt er sich . Erleichtert resümiert er, da die franzosen pocken ader hispanische krankheit zu dieser zit noch gewaltich regeirten und sich viele durch ihre sexuellen Vergnügungen infizierten, habe er dem Allmächtigen dafür gedankt, dass er ihn vor der Seuche bewahrt hätte . In späteren Lebensjahren gewann schließ709 scHuster (1992), S . 187 . Vgl . etwa Karl sudHoFF, Sorge für die Syphiliskranken und Luesprophylaxe zu Nürnberg in den Jahren 1498–1505, in: Zeitschrift für Dermatologie 118 (1913), S . 285–318 . 710 Mit Beispielen zeitgenössischer Erklärungsversuche Karl sudHoFF, Die Anfänge der Syphilisbeobachtung und der Syphilisprophylaxe zu Frankfurt am Main 1496–1502, in: Dermatologische Zeitschrift 20 (1913), S . 95–116 . ders., Die ersten Maßnahmen der Stadt Nürnberg gegen die Syphilis in den Jahren 1496 und 1497, in: Archiv für Dermatologie und Syphilis 116 (1913), S . 1–30 . 711 kneFelkamp (1981), S . 96 . 712 Historisches Archiv der Stadt Köln, Krim . 3, fol .163r . 713 Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 119 . JankriFt (2012), S . 130 f .
4 .4 Quellenbefunde jenseits der Pest
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lich doch die Angst die Oberhand und der Ratsherr verzichtete auf jeglichen weiteren Verkehr mit Prostituierten . In Weinsbergs Ausführungen wird dabei deutlich, dass die „Franzosenkrankheit“ nach zeitgenössischer Vorstellung ebenfalls als göttliche Strafe für einen sündhaften Lebenswandel auftrat .714 Wenngleich die Geschlechtskrankheit nach ihrem ersten epidemischen Wirken in allen sozialen Schichten der Einwohnerschaft westfälischer und rheinischer Städte weit verbreitet blieb, lassen sich keine obrigkeitlichen Bemühungen zu einer Eindämmung des Übels erkennen . Eine planmäßige hospitalische Versorgung der Erkrankten, wie sie sich vor allem in süddeutschen Städten nachweisen lässt, scheint in Rheinland-Westfalen unterblieben zu sein .715 Trotz ihrer Breitenwirkung offenbart sich die Krankheit trotz im Spiegel westfälisch-rheinischer Quellen vor allem als individuelles Problem . Dabei dokumentieren die überlieferten Zeugnisse über die „Franzosenkrankheit“ insbesondere, auf welche Weise und mit welchem Ergebnis die Betroffenen ihre Leiden zu lindern versuchten . Scheinbar verbreitete sich die neue Krankheit auch in adeligen Kreisen recht stark .716 So enthält die persönliche Korrespondenz unter den Betroffenen gelegentlich medizinische Ratschläge, um dem Übel zu begegnen . Herzog Wilhelm von Jülich-Berg am 21 . Januar 1497 etwa übermittelte ein vermeintlich probates Rezept zur Behandlung der „Franzosenkrankheit“ an den Junker von Wied .717 Pikanterweise offenbarte die neue Krankheit gelegentlich auch den wenig gottesfürchtigen Lebenswandel des Klerus . Durch den Bericht des Mindener Chronisten Heinrich Piel ist zu erfahren, dass sich Bischof Heinrich III . aus dem Hause Schaumburg (1473–1508) die „Franzosenkrankheit“ zugezogen hatte .718 Den Worten des Chronisten Heinrich Piel zufolge war Heinrich in allen Dingen ein wol erfarner, weltwiser fürste, des kreiges wol erfaren und zum friede geneigt und überdies gerecht und gütig . Die Erfahrungen des Bischofs reichten zweifelsohne noch in anderer Beziehung über das Maß seines geistlichen Amtes hinaus . Ins Alter gekommen verfiel Heinrich III . nach den Ausführungen Piels in langwilige krankheit, so man die fransosen nomede. Der Chronist führt aus, dass die Krankheit unlängst von der Iberischen Halbinsel über Frankreich ihren Weg nach Deutschland gefunden habe und böse pochen geheißen werde . Kurz nach der Wende des 16 . Jahrhunderts existierte in Minden offenbar noch keine Kenntnis über eine mögliche Behandlung der Syphilis . Die Ärzte, so betont Piel, hätten noch keine Arznei gegen die neue Krankheit gekannt . So starb der frome fürste Heinrich 1508 in seiner Residenz zu Petershagen an den Folgen der domals bösen suche.
714 715 716 717
leven (1997), S . 61 . Exemplarisch kinZelBacH (1995), S . 43–69 . stein (2003) . Hauptstaatsarchiv Düsseldorf Jülich-Berg I, Akten Nr . 1443, fol .13 . Hauptstaatsarchiv Düsseldorf Jülich-Berg I, Akten Nr . 1443, fol .15 . Weitere Zeugnisse zur Auseinandersetzung mit der Syphilis am herzoglichen Hof fol .13 ., fol .17 u . fol .19 . 718 Chronicon Domesticum et Gentile (1981), S . 85 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Angesichts der weiten Verbreitung der neuen Seuche in allen Schichten der Gesellschaft, hatten angebliche Wundermittel Konjunktur . Dies belegt exemplarisch ein Fall aus Köln . Am 12 . Dezember 1504 verhörten die Gerichtsherren Tryngin Kalckmudder und Beyll Schyncken unter Anklage der Kurpfuscherei .719 Im Mittelpunkt des Verhörs standen die Aussagen der beiden Frauen bezüglich Beylls Versuch zur Herstellung einer Salbe gegen die „Franzosenkrankheit“ . Dem Gerichtsprotokoll zufolge hatte die Beklagte Beyll der Tryngin Kalckmudder anvertraut, sie benötige die Hüfte eines soeben am Galgen gehenkten Diebes . Diese Hüfte wolle sie zu Pulver verbrennen und daraus eine Salbe bereiten dae sy de nuwe krenckde myt kann heylen. Beyll habe daraufhin zwei Frauen namens Gudlieff und Aylhet gedungen, ihr das gewünschte Körperteil zu verschaffen . Die beiden führten die makabre Aufgabe durch, verloren jedoch aus nicht näher erläuterten Gründen den Sack, in dem sie die Hüfte für den Transport versteckt hatten . Nun musste Beylls Tochter die zwei Frauen auf den Elendenkirchhof begleiten, wo sie offenbar aus einem frischen Grab die begehrte Hüfte eines frischbegrabenen Leichnams entnahmen . Das geraubte Stück Menschenfleisch wurde von Beyll zu Pulver verbrannt und ihrer am morbi franzos erkrankten Tochter appliziert . Die Behandlung verursachte bei der Kranken indes heftige Schmerzen . Nicht genug damit, wurde Beyll noch in einem weiteren Fall der Anwendung von Mitteln angeklagt – der versuchten Kurierung eines kranken Beins durch Einsatz eines Galgenstricks –, welche die anfänglichen Beschuldigungen wahrscheinlich auf das Maß einer Zaubereianklage gebracht haben dürften . Mit welchem Ergebnis die Ermittlungen abgeschlossen wurden, bleibt in Ermangelung entsprechender Zeugnisse offen . Oftmals griffen die Heilkundigen zur Behandlung der „Franzosenkrankheit“ im 16 . Jahrhundert auf Quecksilber zurück . Auch in Schriftzeugnissen westfälischer und rheinischer Städte ist diese für den Patienten schmerzhafte und gefährliche Praxis belegt . Neben dem bereits genannten Fall des Münsteraners Hermann Elbertinck aus dem Jahre 1552 finden sich besonders in den Kölner Kriminalakten Zeugnisse für den therapeutischen Umgang mit der neuen Seuche .720 Obwohl die Quecksilber-Therapie trotz der mit ihr verbundenen Qualen bisweilen durchaus effizient gewesen zu sein scheint, überstanden – wie ein von Robert Jütte angeführtes Beispiel zeigt – nicht alle Patienten die Behandlung .721 Mit der Anklage, den kranken Binnenschiffer Johann von Rodenkirchen mit seinen unsachgemäßen Anwendungen zu Tode gebracht zu haben, sah sich im Sommer 1574 der Kölner Barbier Johann Brüssel konfrontiert . Die Frau des Verstorbenen sagte vor Gericht aus, der Wundarzt habe ihren Mann derart intensiv der sogenannten Schmierkur unterzogen, dass dieser neun Zähne verlor und wenig später starb . Nach der Verabreichung des für gewöhnlich in Schweineschmalz gemengten Quecksilbers sei ihr Ehegatte in einen bedauernswerten Zustand verfallen . Sein Mund sei ebenso geschwollen gewesen wie seine Zunge, so dass er nicht mehr habe sprechen und essen kön719 Historisches Archiv der Stadt Köln, Kriminalakten 3, fol .153r . 720 Stadtarchiv Münster, Acta Criminalia, B II Nr . 11 . 721 Jütte (1991), S . 146 .
4 .4 Quellenbefunde jenseits der Pest
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nen . Darüber hinaus habe aufgrund des fürchterlichen Gestanks der Salbe niemand längere Zeit am Krankenlager verweilen können . Daneben griffen die Wundärzte und Bader zur Behandlung der „Franzosenkrankheit“ häufig auf das exotische Guajakholz zurück .722 Das Verhörprotokoll des Kölner Baders Diederich von Wylich, der sich in dürftig eingerichteten Kammern auf dem Dachboden der von ihm betriebenen Badestube in der Maximinerstraße der Behandlung Syphiliskranker annahm,723 gewährt einen Eindruck davon, wie die Kur unter ärmlichen Bedingungen vor sich ging . Für die Dauer der Behandlung, die sich über zwei bis drei Wochen erstreckte, teilten sich mehrere Kranke eine Bettstatt . Dreimal am Tag erhielten sie einen Absud aus verschiedenen Hölzern, die sich Wylich aus der Apotheke besorgt hatte . Durch die schweißtreibende Wirkung dieses Arzneimittels sei es nach Aussage des angeklagten Baders möglich, auf die Verwendung von Salben zu verzichten . In anderen Städten Westfalens und des Rheinlands nahmen sich Wundärzte wahrscheinlich auf die gleiche Weise der Behandlung der von der „Franzosenkrankheit“ Befallenen an . Obwohl Badern und Wundärzten die Verabreichung von Tränken für gewöhnlich untersagt war und diese ihre Tätigkeit ausschließlich auf äußere Anwendungen beschränken mussten, machte etwa die Soester Medizinalordnung vom Oktober 1613 eine Ausnahme . Sie gestand den Chirurgen nicht nur das Recht auf Behandlung der Französischen Schäden zu, sondern erlaubte ihnen zu diesem Zweck auch den Einsatz von lindt getränckh.724 Im Gegensatz zum zeitlich befristeten Auftreten der meisten Seuchen war die Auseinandersetzung mit der „Franzosenkrankheit“ und ihren Folgen eine dauerhafte Aufgabe . Sie beschäftige die Gemüter und sorgte allmählich für eine Veränderung des Lebenswandels, doch war im Falle der Geschlechtskrankheit individuelle Prophylaxe auch ohne Zutun der Obrigkeiten möglich .725 4.4.3
Die „unerhoerte kranckheit“. Der Englische Schweiß des Jahres 1529
Im Sommer des Jahres 1529 breitete sich in Mittel- und Nordeuropa eine epidemische Krankheit aus, die noch nie zuvor in Westfalen und dem Rheinland aufgetreten war und die nach einem weiteren Ausbruch in England 1551 aus bis heute ungeklärten Gründen offenbar für immer verschwand .726 Im Heer Heinrichs von Richmond, des späteren Königs Heinrich VII ., war die neue Seuche 1485 erstmals aufgetreten . Weitere Ausbrüche in den Jahren 1507 und 1518 blieben ebenfalls auf England beschränkt .727 Augenzeu722 723 724 725 726
leven (1997), S . 58 . irsigler/lassotta (1996), S . 105 . Stadtarchiv Soest, A Nr . 10478 . irsigler/lassotta (1996), S . 104 . Euricus cordus, Der Englische Schweiß 1529, Marburg 1967, S . 2 . JankriFt (2012), S . 131–132 . 727 püscHel (1958), S . 169–181 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
gen heben hervor, dass die Ansteckung äußerst rasch erfolgte und der Tod schon bald nach Auftreten der ersten Symptome eintrat . Einer Inkubationszeit von ein bis zwei Tagen folgten Schüttelfrost, hohes Fieber, Herzrasen, Magenkrämpfe und schließlich das Ausbrechen eines übelriechenden Schweißes . Im Juli 1529 trat die unbekannte Krankheit in Hamburg in Erscheinung . Dies legt die Vermutung einer Einschleppung auf dem Seeweg nahe . Nach ihrem Ursprungsort und dem markantesten Symptom erhielt die Infektionskrankheit ihre Bezeichnung Englischer Schweiß oder sudor anglicus .728 Rasch bahnte sich der Englische Schweiß seinen Weg in alle Himmelsrichtungen, überzog das gesamte deutschsprachige Reichsgebiet, die Niederlande, das Elsass, Skandinavien und das Baltikum .729 Im August erreichte die Seuche Westfalen . In den chronikalischen Aufzeichnungen des Augustinerbruders Göbel aus dem Kloster Böddeken bei Paderborn findet sich der früheste Beleg für das Vordringen der Infektionskrankheit .730 Auf seinem Weg nach Deventer erfuhr der Bruder am 9 . August vom Wüten der Seuche in Hamburg und ihrer Ausbreitung entlang der Küste . Nachdem er an seinem Ziel angekommen war, vernahm er dort die Nachricht, dass die Menschen in Münster und Greven bereits von der Krankheit hingerafft würden . Mit Entsetzen konstatierte er wenig später, dass auch Paderborn vom Englischen Schweiß heimgesucht wurde . Die Münsteraner Zeugnisse decken sich mit dem Bericht des Bruders Göbel . Der Chronik des Schwesternhauses Niesinck zufolge ereignete sich der erste Krankheitsfall unter den frommen Frauen am 19 . August .731 Trotz zehn weiterer Erkrankungen im Haus, erlag jedoch nur eine der Schwestern der neuen Seuche . Die weiteren Ausführungen weisen darauf hin, dass der Englische Schweiß sehr rasch in der Stadt um sich griff . Nach den Beobachtungen ihres Verfassers starben vor allem jene, die sich zuerst infiziert hatten . Die verängstigten Stadtbewohner hätten zum Trost die Kirchen aufgesucht und ihre Arbeit niedergelegt . Im Unterschied zur Pest standen die Zeitgenossen dem Englischen Schweiß jedoch nicht vollkommen hilflos gegenüber . Die Chronik schildert, dass drei aus Lübeck eintreffende Kaufmannsgesellen, von denen zwei aus Münster stammten, das Wissen um therapeutische Methoden zur Bekämpfung der Seuche mitbrachten und zahlreiche Menschen zu kurieren vermochten . Solche auf empirischem Wege gewonnen Erkenntnisse wurden nicht nur in Münster erfolgreich zur Therapierung des Englischen Schweißes angewandt . Vielmehr lassen sich vor dem Hintergrund der Ereignisse von 1529 neue Formen regionaler Kooperation westfälischer und rheinischer Städte im Hinblick auf die Seuchenabwehr erkennen, die von einem Erfahrungsaustausch im Umgang mit dem Englischen Schweiß bis hin zur Entsendung kundiger Personen zur Unterstützung der Infektionseindämmung und Behandlung Erkrankter in verseuchten Nachbarkommunen reichen . 728 729 730 731
püscHel (1957), S . 57 . Zum Auftreten der Infektionskrankheit in Augsburg siehe Resch (2009) . Hierzu scHoppmeyer (1999), S . 295 f . Nach püscHel (1957), S . 59 .
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Von einem Wissensaustausch mit seinen Nachbarstädten über den Umgang mit der neuen Seuche profitierte auch Minden, das wahrscheinlich noch vor Münster die Wirkung des Englischen Schweißes zu spüren bekam . Anno [15]29 ist ein vor giftige böse und gemeine krankheit, [die] gleich fliegende auf die menschen an dem einen ort landes eder Stadt vor und andern nach fiel und word das Engelsche swet, darumb daß die suche erst aus Engeland hirher komen were, eder die schwetsuche genennet, berichtet der Mindener Chronist Heinrich Piel, ohne den Zeitpunkt des Seuchenausbruchs genauer anzugeben .732 Wie in Münster breitete sich die Krankheit rasant in der Stadt aus und forderte mit ebensolcher Geschwindigkeit ihre Opfer . Piels Worten zufolge waren an dem Abend, als sich die Seuche erstmals spürbar äußerte, vor allem unter Erwachsenen mittleren Alters 30 Krankheitsfälle aufgetreten . Etwa zwanzig der Infizierten waren am nächsten Morgen tot . Angesichts dessen kam ein solcher schreckend unter die menschen, daß man gar verloren gab. In dieser ausweglos scheinenden Situation erreichten die Mindener Schriften von ihren Nachbarstädten . Die Briefe enthielten die Empfehlung, Erkrankte warm zuzudecken und über vierundzwanzig Stunden warm zu halten . Danach sei die Todesgefahr vorüber . Brachte dieses Wissen für unzählige Betroffene die Rettung, so scheinen andere die gutgemeinten Ratschläge in Panik übertrieben und damit ihre Angehörigen ums Leben gebracht zu haben . Piel betont, etliche hätten die Kranken derart warm bedeckt, dass sie in zu viel Hitze schmorten . Am Freitag nach der Brackeler Messe, dem 29 . August, tauchte der Englische Schweiß in Dortmund auf .733 Das mit dem Messegeschehen einhergehende Zusammentreffen zahlreicher Menschen bot ideale Voraussetzungen für eine rasche Weiterverbreitung der Krankheit, die vielleicht gar durch reisende Kaufleute in die Stadt gelangte . Innerhalb dreier Tage erkrankten dem Bericht Dietrich Westhoffs zufolge über 500 Stadtbewohner . Vergleichbar der Auseinandersetzung mit der Pest, versuchte man mit Bittmessen und Prozessionen das Übel abzuwenden .734 Zugleich bemühte man sich, der Krankheit auf therapeutischem Weg entgegenzutreten . Dabei mussten die Patienten einige Pein über sich ergehen lassen . Da man davon ausging, dass ein Einschlafen unweigerlich tödliche Folgen hatte, hielt man die Erkrankten durch Peitschen, Nadelstechen und andere Marter davon ab . Bei günstigem Krankheitsverlauf verschwanden die Symptome nach ein bis zwei Tagen und nach einer guten Woche galt der Kranke als geheilt .735 In Dortmund indes genasen nach den Ausführungen Dietrich Westhoffs nur wenige .736
732 Chronicon Domesticum et gentile (1981), S . 108 f . 733 Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 425 . JankriFt (1998) . 734 Stadtarchiv Dortmund, Best .448 Nr . 15, Die Merkwürdigkeiten der Kayserl . Und des H . R . Reichs freier Stadt Dortmund von Joh . Christoph Beurhaus, 1 .Buch 12 .Cap . 2 . Abschnitt . 735 cordus (1967), S . 3 . 736 Chronik des Dietrich Westhoff (1887), S . 425 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Am 2 . September 1529 brach der Englische Schweiß über Soest herein .737 Ein Kaufmann aus Essen, so heißt es im Ratsprotokoll, sei an diesem Tage im Haus des Hinrich Potter eingekehrt .738 Dort zeigte sich an dem Handlungsreisenden die jemerlike suke gnt. de Engelsche swet, dair men in 24 uren levendick ind doit is. Noch am Abend desselben Tages starb der Erkrankte . Unmittelbar darauf äußerte sich die Seuche in der gesamten Stadt . Über fünf- oder sechshundert Menschen seien innerhalb weniger Tage am Englischen Schweiß gestorben, berichtet das Protokoll . Acht Wochen habe die Seuche in Soest gewütet und wohl by 1500 bevellen. Die Zeitangabe wird durch eine Notiz im Missivenbuch bestätigt .739 Wie in Dortmund erwähnen auch die Soester Zeugnisse den todbringenden Tiefschlaf, der therapeutischen Empfehlungen zufolge durch Streichen mit frischen Ruten, Stechen mit Nadeln oder Schlagen mit einem Schaumlöffel auf die Wangen verhindert werden sollte .740 In Essen, der Heimatstat des Kaufmanns, der offenbar den Englischen Schweiß nach Soest eingeschleppt hatte, existieren keine zwingenden Belege für das Auftreten der Krankheit . Püschel geht davon aus, dass Graf Friedrich I . von Diepholz beim Besuch seiner im Essener Stift weilenden Schwester Agnes von der Seuche hingerafft wurde .741 Ein zeitgenössisches Dokument, das diese Vermutung erhärtet, findet sich nicht . Ähnlich spärlich gestaltet sich die Überlieferung für Aachen . Bezeugt ist das Auftreten der Krankheit indes in Wesel . Nach den Einträgen des Rechnungsbuches zu schließen brach der Englische Schweiß dort vor dem 3 . September aus . An dem nämlichen Tag entsandte der Rat den städtischen Boten Peter nach Borken umb die leyde thailenn die by den krancken wesen solden die myt der swetenden suiyckt befallenn wairenn742 Nur zwei Tage später traf die angeforderte, aus vierzehn Personen bestehende Abordnung aus Borken in Wesel ein, um sich der Erkrankten anzunehmen .743 Die Weseler Obrigkeiten blieben derweil nicht untätig . Am 3 . September sandten sie einen weiteren Boten mit einer Nachricht an den Observanten nach Dorsten umb godt den hern vur ons tho bidden.744 Am 6 . September, als die Seuche sich bereits in Köln zu äußern begann, schickte der Rat seinen Boten Jacob Snellert mit Schriften in die Domstadt, die Empfehlungen zum Umgang mit dem Englischen Schweiß enthielten .745 Wenig später erhielten die Weseler Obrigkeiten den Beweis, dass sich die Krankheit auch in Köln ausbreitete und ihre Opfer forderte . Die Ratsvertreter Derick von Loisen und Laurenz Holtman hatten sich dort infi-
737 738 739 740 741 742 743 744 745
JankriFt (2010) . Soester Stadtbücher (1895), S . 154 f . Stadtarchiv Soest, A 3055, fol .7 . Stadtarchiv Soest, A Hs 82 Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 334 . püscHel (1957), S . 62 . Stadtarchiv Wesel, A7 1529, fol .208r . Stadtarchiv Wesel, A7 1529, fol .226r . Stadtarchiv Wesel, A7 1529, fol .208v . Stadtarchiv Wesel, A7 1529, fol .208v .
4 .4 Quellenbefunde jenseits der Pest
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ziert und waren der Krankheit erlegen .746 Nach seiner Rückkehr aus der Domstadt begab sich der reitende Bote Jacob Snellert mit weiteren Verhaltensempfehlungen nach Xanten . Kurze Zeit darauf bemühte sich der Rat mit besonderem Verweis auf die dringend benötigten Dienste eines Arztes in der gerade herrschenden Seuchenzeit, Meister van Zand aus Arnheim als neuen Stadtphysicus zu verpflichten und ihm zugleich die vakante städtische Apotheke zu überantworten .747 Derweil griff die Krankheit in Wesel um sich . Innerhalb von drei Tagen, so notiert die Stadtrechnung, erkrankten acht- bis neunhundert Personen .748 Der Rat versuchte nach Kräften, den Bedürftigen unter den Betroffenen mit materiellen Zuwendungen zu helfen . Die Abordnung aus Borken leistete unterdessen offenbar eine bemerkenswerte Arbeit . In Anerkennung ihrer Verdienste um die Eindämmung der Seuche in Wesel und die sachkundige Pflege der Kranken entlohnte die Stadt Johann von Münster, Arnt ther Fort, Johann van Groß, Herman Flynckert, Menn Heddinck, Henrick Berckhuiß, Henrick Porteners, Lambert Porteners, Johann Goltsmijt, Herman Dockern, Johann Bouwhuys und einen weiteren Mann aus Borken, der in sunderheit wüste woe men sich in der kranckheit haldenn sult, in großzügiger Weise .749 In Köln tobte der Englische Schweiß Anfang September offenbar derart, dass sich der Rat wie in Pestzeiten genötigt sah, die städtischen Gerichte zu schließen und das Domkapitel um Ausrichtung einer Prozession zu ersuchen .750 Hermann von Weinsberg, der als Elfjähriger die Auswirkungen der Seuche in seiner Heimatstadt erlebte, notierte in seinen späteren Aufzeichnungen, dass unzählige Kölner am Englischen Schweiß gestorben seien .751 Wie die Zeugnisse aus anderen westfälischen und rheinischen Städten betont auch seine Darstellung, dass der Verlauf der ersten vierundzwanzig Stunden nach Ausbruch der Krankheit über Leben und Tod des Infizierten entschieden . Angesichts der Neuartigkeit der Seuche kursierten viele Empfehlungen, wie dem Übel beizukommen sei, doch erwiesen sich nach Weinsbergs Einschätzung längst nicht alle Ratschläge als gesundheitsfördernd . Die in den Zeugnissen anderer Städte bereits mehrfach aufgeführten Verhaltensregeln im Umgang mit dem Englischen Schweiß waren, so geht aus den Ausführungen Weinsbergs hervor, inzwischen in einer gedruckt Schrift uisgangen, Die Torturen, die den Erkrankten in Befolgung der darin genannten therapeutischen Empfehlungen angetan wurden, erschreckten nach Aussage des Chronisten all diejenigen, welche die Schreie der so Gequälten hörten . Während in Köln der Tod umging zog die Familie Weinsberg wie so häufig die vorrübergehende Flucht 746 Stadtarchiv Wesel, A3 1529/1530, fol .1r . 747 Stadtarchiv Wesel, A3 1529/1530, fol .28r u . fol .31v . Stadtarchiv Wesel A7 1529, fol .223r, fol .224r u . fol .237v . 748 Stadtarchiv Wesel, A7 1529, fol .226r . 749 Stadtarchiv Wesel, A7 1529, fol .226v . Der vorangegangene Ratsbeschluss zur Höhe der Entlohnung Stadtarchiv Wesel, A3 fol .72r . 750 püscHel (1957), S . 61 . 751 Buch Weinsberg, Bd . 1 (1886), S . 63 f .
300
4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
aus der Stadt einem bangen Ausharren vor . Mitsamt ihren Kindern und dem Gesinde begaben sich Hermanns Eltern per Schiff nach Dormagen . Drei Monate hielt das Sterben in Köln an . Dann verschwand der Englische Schweiß für immer aus Westfalen und dem Rheinland . 4.5
Exkurs: Die Lepra – Einzelschicksal und institutionelle Herausforderung 4.5 Exkurs: Die Lepra
4.5.1
Die Entwicklung institutioneller Versorgung in Westfalen und dem Rheinland
Zwischen dem 1 . und dem 5 . Jahrhundert, so lässt sich aus archäologischen Befunden schließen, fand die Lepra allmählich ihren Weg vom östlichen Mittelmeerraum nach Zentral- und Nordeuropa .752 Im 4 . Jahrhundert tauchen erste Belege für ihr Auftreten im gallischen und südenglischen Raum auf .753 Mit der Verbreitung der Lepra wuchs zusehends die Notwendigkeit, Normen für den Umgang mit den Erkrankten zu definieren und Strukturen zu deren Versorgung zu schaffen . Zur maßgeblichen Orientierungslinie wurden dabei die Ausführungen des Buches Levicitus, wonach sich vom Aussatz Befallene aufgrund ihrer kultischen Unreinheit abgesondert außerhalb des Lagers aufhalten mussten .754 Zu diesem Zweck entstanden seit der zweiten Hälfte des 5 . Jahrhunderts allmählich erste Häuser außerhalb der Siedlungen, in denen Leprakranke Aufnahme fanden . Die früheste in Mitteleuropa nachweisbare Gründung eines solchen Leprosoriums erfolgte um das Jahr 460 in St . Oyan, heute St . Claude, im Jura .755 Weitere folgten in erheblichen zeitlichem Abstand in Chalons-sur-Saöne um 550 sowie 634 auf der Grundlage des Testaments des Diakons Adalgisel Grimo in den Kathedralstädten Metz, Maastricht und Verdun .756 Doch erst mit dem Aufblühen des Städtewesens, das sich zeitlich nahezu mit dem auf das 13 . und 14 . Jahrhundert geschätzten Durchseuchungsmaximum deckt, entstand ein dichteres Netz solcher Einrichtungen .757 Von weitreichender Bedeutung erwiesen sich in diesem Zusammenhang die Beschlüsse des Dritten Lateranums, die 1179 unmissverständlich festlegten, dass Leprakranke nicht unter Gesunden leben sollten, sondern außerhalb der Dörfer und Städte gemeinschaftlich in eigenen Einrichtungen mitsamt Gotteshaus und Be-
752 753 754 755 756
keil (1986), S . 85 . de keyZer/Forrier/van der eycken (1989), S . 19 . Lev . 13,46 . FroHn (1933), S . 9 . leistikoW (1986), S . 106 f . Franz irsigler, Gesellschaft, Wirtschaft und religiöses Leben im Obermosel-Saar-Raum zur Zeit des Diakons Adalgisel Grimo, in: Hochwälder Geschichtsblätter 1 (1989), S . 5–18 . 757 WolF (1986), S . 100 . JoHanek, Stadt und Lepra (1992), S . 42 . Einen neuen Überblick bietet die Studie von uHrmacHer (2011) .
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gräbnisplatz unterzubringen waren .758 Bis zu dieser Zeit fristeten die meisten Leprakranken den Rest ihres Lebens als sogenannte Feldsiechen in mehr oder weniger einfachen Behausungen abseits der Siedlungen .759 Die Kirche, in deren Zuständigkeitsbereich das Krankenrecht fiel, sorgte sich – wahrscheinlich neben den Angehörigen – um die Existenzsicherung dieser Aussätzigen . Im Jahre 549 verpflichtete die Synode von Orlèans die Bischöfe zur Versorgung der Leprakranken ihres Bistums mit Nahrung und Kleidung .760 Auf dem Konzil von Lyon wurde die Bestimmung 583 bekräftigt und zugleich die Migrationsfreiheit der Unterstützungsempfänger eingeschränkt .761 Die Anfänge des Kölner Melatenhauses Wann die ersten Lepraerkrankungen in Westfalen und dem Rheinland auftraten, ist ungewiss . Wahrscheinlich existierte der Aussatz zwischen Niederrhein und Weser bereits lange bevor seit der zweiten Hälfte des 12 . Jahrhunderts allmählich erste Einrichtungen zur Beherbergung seiner Opfer in diesem Raum entstanden . Im Folgenden gilt es unter Beschränkung auf wesentliche Aspekte der lokalen Institutionalisierungsprozesse, die Entwicklung nachzuzeichnen, an deren Ende ein weitgespanntes Netz von Versorgungseinrichtungen stand, und einen vergleichenden Blick auf die Umstände der Leprosoriengründungen, die Verwaltung der Häuser und ihre Kapazitäten zu werfen . Die frühesten Spuren einer institutionellen Versorgung Leprakranker finden sich in Köln . Das etwa zwei Kilometer westlich der Stadt an der Straße nach Aachen gelegene Leprosorium Melaten wird in einer Schreinskarte der Pfarrei St . Aposteln aus den Jahren 1180 bis 1189 erwähnt .762 Die genauen Umstände seiner Gründung entziehen sich ebenso der Überlieferung wie die anfängliche Entwicklung der Institution . Bereits 1227 führte das Haus ein eigenes Siegel .763 Doch scheint der erste Bau in den kriegerischen Auseinandersetzungen des Grafen Wilhelm von Jülich mit dem Kölner Erzbischof vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen Kaiser Friedrich II . und dem Papst zerstört worden zu sein .764 Im April 1243 erfolgte der Neubau und am 6 . Juni 1245 fand die Weihe der zum Haus gehörigen Kapelle zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit, der heili758 Concilium Oecumenicorum Decreta, Hrsg . Joseph alBerigo, Claudio leonardi u . a ., Bologna 1973, S . 222 f . Zur Tragweite dieser Beschlüsse Jean avril, Le IIIe concile de Lateran et les communautes des lépreux, in: Revue Mabillon 60 (1981), S . 21–76 . 759 Martin uHrmacHer, Leprosorien in Mittelalter und früher Neuzeit (= Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Beiheft VII/5), Köln 2000, S . 7 . 760 Concilia Galliae A .511–A .695, Hrsg . Charles de clercQ (= Corpus Christianorum . Series Latina CXLVIII A), Turnhout 1973, S . 156 . 761 Concilia Galliae (1973), S . 232 f .: Placuit etiam imiverso concilio, ut uniuscuisque ciuitatis leprosi qui intra territorium ciuitatis ipsius aut nascuntur aut uidentur consistere, ab episcopo ecclesiae ipsius sufficientia alimentia et necessaria uestimentia accipiant, ut illis per alias ciuitates uagangi licentia denegetur. 762 klövekorn (1966), S . 17 . Asen (1908) . 763 uHrmacHer (2000), S . 48 . 764 klövekorn (1966), S . 26 .
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gen Maria und des heiligen Dionysius durch den Erzbischof Konrad von Hochstaden statt .765 Am 27 . Juni des gleichen Jahres stellte der Kölner Oberhirte einen Ablass für alle Wohltäter des Melatenhauses und Besucher der neugeweihten Kapelle in Aussicht . Zwei Jahre später bekundete auch der Papst sein Interesse an der weiteren Entwicklung der Einrichtung . Am 23 . August 1247 gewährte er allen, die dem Leprosorium ein Almosen zukommen ließen, einen umfangreichen Ablass, erteilte dem Haus weitere Privilegien, gewährte Zehntfreiheit und stellte die zwischen Stadt und Erzbischof umstrittene Institution unter seinen Schutz .766 Der Vorsteher des Melatenhauses wurde dem Subdekan des Domstifts unterstellt . Durch zahlreiche Güterschenkungen und sonstige Zuwendungen, gelang dem Siechenspital in der Folgezeit ein wirtschaftlicher Aufschwung, der eine Grundlage für die später herausragende Stellung der Einrichtung für das rheinisch-westfälische Leprosenwesen schuf . Die geistliche Oberaufsicht währte weit in das 14 . Jahrhundert hinein . Erst 1385 lässt sich ein vom Rat gestellter Provisor an der Verwaltungsspitze des Melatenhauses nachweisen, dem 1392 zunächst ein zweiter, seit 1427 ein dritter Ratsherr zur Seite stand .767 Die Provisoren überprüften die Rechnungen, die der Hospitalmeister alljährlich vorlegen musste . Ferner war oblagen diesem die Aufrechterhaltung der Ordnung im Haus und die alltäglichen Geschäfte . Die später in Rheinland-Westfalen entstandenen Leprosorien funktionierten im Wesentlichen alle nach diesem Verwaltungsprinzip, wenngleich sich hinsichtlich der Zahl der Provisoren Unterschiede ergaben . Über die Aufnahmekapazitäten des Kölner Melatenhauses liegen bis zum Ende des 16 . Jahrhunderts keine zuverlässigen Angaben vor . In einer Urkunde aus dem Jahre 1247 findet sich folgender Hinweis: tamn monachorum quam clericorum seu utriusque sexus fidelium laicorum fere existit centenarius.768 Die genannte Zahl bezieht sich jedoch auf alle im Haus lebenden oder tätigen Personen . Wie viele von diesen leprakrank waren, bleibt unklar . Deutlich werden die Belegzahlen erst im Laufe des 16 . Jahrhunderts . Die Rechnungsbücher der mit dem Haus verbundenen Bruderschaft zum Heiligen Geist der Armen zu Melaten zeigt, dass sich zwischen 1550 und 1600 durchschnittlich etwa 20, in der Quelle als leprakrank qualifizierte Personen aufgehalten haben . Den zeitweilig niedrigsten Stand des 16 . Jahrhunderts erreichte die Belegung mit 16 im Jahre 1587, den höchsten 1597 mit 30 Kranken .769 Erst nach der Wende zum 17 . Jahrhundert begann sich die Zahl der Insassen merklich zu verringern . Im Jahre 1621 waren nur noch 12 Leprakranke im Leprosorium untergebracht, eine Dekade später 14 .770 Mit solchen Aufnahmekapazitäten war das Kölner Melatenhaus 765 766 767 768 769
uHrmacHer (2000), S . 47 . klövekorn (1966), S . 34 ff . uHrmacHer (2000), S . 48 . klövekorn (1966), S . 51 . Historisches Archiv der Stadt Köln, Armenverwaltung, Best .160 Melaten B2192, fol .62r . Historisches Archiv der Stadt Köln, Armenverwaltung, Best .160 Melaten B2002, fol .19 . 770 Historisches Archiv der Stadt Köln, Armenverwaltung, Best .160 Melaten B2192, fol .223v u . fol .231v .
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zwar das größte Leprosorium Rheinland-Westfalens, doch stehen die Zahlen zugleich in proportionellem Verhältnis zur Einwohnerzahl und reichten zur Deckung des Bedarfs während des 14 . und 15 . Jahrhunderts nicht aus . So ist zwischen 1376 und 1474 die Einrichtung dreier weiteren Leprosenhäuser – am Judenbüchel, in Rodenkirchen und in Riehl – bezeugt, die zur Aufnahme der weniger wohlhabenden Kranken bestimmt waren .771 Das Aachener Melatenhaus Um 1230 entstand das Aachener Melatenhaus .772 Eine am 10 . Mai 1230 durch den päpstlichen Kardinallegaten Otto von St . Nikolaus ausgestellte Urkunde gewährte allen Wohltätern der fratres domus Leprosorum Aquensis Leodiensis diocesis einen zwanzigtägigen Ablass .773 Vier Jahre später, am 24 . Februar 1234, wiederholte Papst Gregor IX . diesen Aufruf zur Unterstützung der armen Leprakranken, denen ein Ort an der via regia außerhalb Aachens zum Verbleib angeordnet worden sei, und stellte einen vierzigtägigen Ablass in Aussicht .774 Welcher Gestalt dieser locus assignatus zu dieser Zeit hatte, lässt sich nicht genau rekonstruieren . Möglicherweise war der Bau noch nicht abgeschlossen . Die Kapelle zu Ehren der Gottesmutter und des Heiligen Nikolaus, soviel geht aus dem Dokument hervor, hatte die Finanzen der Leprosengemeinschaft derart angegriffen, dass Unterstützung dringend vonnöten war . Die Oberaufsicht über die Geschicke des Melatenhauses lag anfangs wahrscheinlich beim Aachener Marienstift . Städtische Provisoren tauchen als oberste Vermögensverwalter der Einrichtung erstmals 1393 auf .775 Wie viele Leprakranke in der vierflügeligen, um einen Hof gruppierten Anlage versorgt wurden, geht aus keinem der wenigen überlieferten Zeugnisse hervor . Im 13 . und 14 . Jahrhundert entwickelte sich das rheinisch-westfälische Leprosoriennetzwerk rasch weiter . Einrichtungen entstanden vor allem entlang der großen Handelsstraßen, so etwa dem Hellweg mit Leprosenhausgründungen in Dortmund 1263, Unna um 1315, Werl 1330, Soest um 1250 und Paderborn 1298 .776 Um die gleiche Zeit lassen sich weitere Gründungszentren im Weserbergland mit den Städten Herford, Bielefeld, Lemgo und Höxter sowie im Ausstrahlungsraum von Münster erkennen . Das Leprosorium auf der Marbecke Das früheste Zeugnis für die Existenz eines Leprosoriums bei Soest, zugleich der ältesten nachweisbaren Einrichtung dieser Art in Westfalen, ist die im Juli des Jahres 1251 ausgestellte Schenkungsurkunde eines gewissen Heinrich, 771 772 773 774 775 776
irsigler/lassotta (1996), S . 77 . Umfassend nun prescHer/Wagner/emmericH (2016) . Abdruck des Ablassprivilegs bei mummenHoFF (1954/1955), S . 30–31 . mummenHoFF (1954/1955), S . 31–32 . uHrmacHer (2000), S . 37 . Belker (1992), S . 11 .
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Hospitalprovisor im Stift Oerlinghausen .777 Dieser übereignete den Leprakranken unter Zustimmung seiner Frau und seiner Erben drei Morgen Ackerland circa domum leprosorum in Marbeke. Geknüpft daran war die Bedingung, dass die Hausinsassen aus den erwirtschafteten Einkünften alljährlich zwei Pfund Wachs für die Beleuchtung der Kapelle ablieferten und dem dortigen Priester jeweils einen Groschen zahlten . Nach Heinrichs Tod sollte der Geistliche mit gleicher Regelmäßigkeit zudem eine Mütte Roggen erhalten . Das rund zwei Kilometer südwestlich der Stadt vor dem Jakobitor am Weg nach Ampen gelegene Haus bestand demnach schon vor der Mitte des 13 . Jahrhunderts . Die genauen Umstände seiner Gründung und die Identität seiner Stifter lassen sich nicht rekonstruieren, doch scheint der Kölner Erzbischof – vielleicht auf Einwirken der Soester Stadtväter – maßgeblich an der Einrichtung der Institution beteiligt gewesen zu sein . Die Erzbischöfe sorgten sich in den folgenden Dekaden nachweislich nicht allein um das geistliche Wohl der Leprakranken, sondern auch um die administrativen Belange des Hauses . Die in der Urkunde von 1251 erwähnte Kapelle bestand rund zehn Jahre später offensichtlich nicht mehr .778 Jedenfalls stellte Erzbischof Engelbert am 19 . August 1265 einen vierzigtägigen Ablass für alle Wohltäter in Aussicht, die mit Almosen zum Bau einer Leprosenkapelle bei Soest beitrugen .779 Seine Nachfolger suchten auf gleiche Weise Unterstützung für die leprosis Susaciensibus.780 Viel früher als in Köln oder Aachen deutet sich jedoch der Rückzug der Kölner Geistlichkeit aus den Verwaltungsgeschäften des Soester Leprosoriums an . Dieser wird bereits in den Statuten offensichtlich, die Erzbischof Siegfried von Westerburg im Sommer des Jahres 1277 für das Haus erließ .781 Verglichen mit den umfangreichen Ordnungen anderer Leprosorien nehmen sich die nur wenige Punkte umfassenden erzbischöflichen Bestimmungen eher bescheiden aus . Die Siechen sollten gemeinschaftlich leben und sich des Bettelns enthalten . Festgesetzt wurde zudem, dass vermögende Leprakranke nur dann aufgenommen wurden, wenn sie aus eigenen Mitteln zeitlebens versorgt werden konnten . Aus dem Text geht auch hervor, dass die neue Kapelle unter dem Patrozinium Johannes des Täufers stand . Ins Gewicht fällt besonders der letzte Artikel der Statuten . Darin übertrug der Erzbischof die künftige Aufsicht über die Geschicke des Hauses einem vom Rat einzusetzenden Gremium .782 Urkundlich lassen sich diese von den städtischen Obrigkeiten gestellten und als Vormunden der armen lüde to der Marbicke bezeichneten Provisoren erst-
777 klocke, Bd . 3 (1953), Nr . 413 . Für einen kurzen Überblick der Geschichte dieses Hauses vgl . auch die nicht immer ganz exakte Studie von Eduard vogeler, Das Leprosenhaus auf der Marbecke bei Soest, in: Soester Zeitschrift 3 (1883/84), S . 61–71 . 778 Antje sander-Berke, Armut und Armenfürsorge im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Hrsg . Heinz-Dieter Heimann in Verbindung mit Wilfried eHBrecHt u . Gerhard köHn, Soest . Geschichte der Stadt . Bd . 2, Soest 1996, S . 317 . 779 klocke, Bd . 3 (1953), Nr . 414 . 780 klocke, Bd . 3 (1953), Nr . 415 u . Nr . 417 . 781 klocke, Bd . 3 (1953), Nr . 416 . 782 mersioWsky (1996), S . 115 .
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mals im Jahre 1388 nachweisen .783 Zur selben Zeit scheinen diese bereits gleiche Aufgaben für das Pilgrimhaus am Jakobitor wahrgenommen zu haben . Diese Kombination begründete das Amt der sogenannten Pilgrimhaus-Marbecke-Herren .784 Ihren Niederschlag fand die Veränderung der Zuständigkeiten um 1400 in einer von Bürgermeistern und Rat neu verfügten Ordnung für das Leprosorium .785 Wer durch göttliches Verhängnis mit der malatzer zucht bevangen is, so heißt es darin, solle sich in das Haus zur Marbecke außerhalb von Soest begeben und dort mit den anderen Kranken bleiben . Zugleich wurden die Aufnahmemodalitäten geregelt . Unabhängig von seinem Besitzstand sollte jeder beim Eintritt mindestens sechs Schillinge und ein Pfund Wachs an die Hausgemeinschaft entrichten . Zwei weitere Schillinge bekam der prestere, dey dar tor tyt singet. Diese allerorts übliche Aufnahmeschenkung, wurde nicht unter den Kranken verteilt, sondern durch die Provisoren verwaltet . Beibehalten wurde die Verfügung der älteren erzbischöflichen Statuten, Vermögende nur in das Haus aufzunehmen, wenn diese die entsprechenden Mittel zu ihrem dauerhaften Unterhalt selbst einbrachten . Voraussetzung für den Eintritt war in jedem Fall die Zugehörigkeit in eines der Soester Kirchspiele . Van genaden des rades und des vormunderes der vurgeorden kranken lüde konnten jedoch Ausnahmen von dieser Regel gemacht werden . Ein weiterer Artikel der Ordnung verpflichtete die Siechen, dey nicht to bedde liggen, täglich die Messe zu hören . Wenn jemand dieser religiösen Pflicht nicht nachkam, konnte das Versäumnis nur durch Arbeit zum Wohle des Hauses entschuldigt werden . Andernfalls sollte der Missetäter die vom Haus gewährten Leistungen, die Pfründe, für denselben Tag nicht erhalten . Wiederholte Verstöße gegen die Hausordnung konnten den Verlust der Pfründe für eine längere, von Provisoren und Priester festgelegte Zeit nach sich ziehen . Der letzte Punkt sah schließlich vor, den Nachlass eines verstorbenen Leprakranken der Gemeinschaft zukommen zu lasen . Die Aufnahmekapazitäten des Soester Leprosoriums lagen deutlich unter denen des Kölner Melatenhauses . Fehlen aus den ersten Jahrhunderten jegliche Hinweise auf die Belegzahlen, so lässt sich aus einem Schriftzeugnis des 16 . Jahrhunderts auf die Zahl der zur Verfügung stehenden Pfründnerplätze schließen . Einem Gewinnbrief vom 7 . Januar 1543, den die Provisoren Johan Torck und Johan Haverlant für den Pächter des Schulzenhofes zur Marbecke ausfertigten, ist zu entnehmen, dass in dem Leprosorium acht Kranke versorgt werden konnten .786 Das Dokument listet die Verpflichtungen und den Umfang der Pacht für den Hof auf . Demnach musste der Pächter jährlich vierzehn Malter Roggen und Gerste abliefern, von denen er zwei Malter vor syne proven einbehalten durfte . Außerdem musste er jeder seykenprovenden, der achte syn sollen, und dem Priester alljährlich bereitstellen: ein Schwein im Wert von sechs Schillingen, Holz fünf Pfund Butter, fünf Käse, 80 Eier, zu Ostern ein Lamm 783 klocke, Bd . 3 (1953), Nr . 423 . 784 mersioWsky (1996), S . 114 f . Wolf Herbert deus, Die Herren von Soest . Die Stadtverfassung im Spiegel des Ratswahlbuches 1417 bis 1751, Soest 1955 . 785 klocke, Bd . 3 (1953), Nr . 424 . 786 Stadtarchiv Soest, A Nr . 9394 .
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für je zwei Kranke und Milch . Der Pächter durfte von allem Obst die eine Hälfte für sich beanspruchen, die andere Hälfte war für die Versorgung der Hausinsassen bestimmt . Die umfangreiche Aufstellung, an die sich weitere Verhaltensregeln für den Pächter und eine Liste der Grundausstattung des Hofes anschließen, verdeutlicht, dass die Leprakranken zur Marbecke alles andere als Mangel litten . Unklar bleibt bei dieser einzigen Angabe der Versorgungszahlen allerdings, inwieweit sich diese seit Gründung des Hauses verändert hatten . Das Dortmunder Leprosenhaus auf der Gracht Kurz nach der Mitte des 13 . Jahrhunderts taucht der erste Beleg für die Existenz eines Leprosenhauses vor den Mauern der westfälischen Reichsstadt Dortmund auf . Im Juli 1263 bekundete der Dortmunder Rat die Schenkung eines Ackers an den jeweiligen Priester der unter dem Patrozinium des Heiligen Johannes stehenden Leprosenkapelle .787 Ein zweites Stück Ackerland erhielten die Leprakranken mit der Auflage, dieses bis zum Tode des Schenkungsgebers im Nießbrauch von dessen Nichte Adelheid zu belassen . Der Schenkungsgeber, der Kleriker Johannes von Wickede, war gemäß dem Wortlaut der Urkunde selbst an der Lepra erkrankt und lebte zum Zeitpunkt der Schenkung bereits cum leprosis prope civitatem nostram. Demzufolge bestand das Dortmunder Leprosorium auf der Gracht, etwa einen Kilometer vor dem Ostentor bei der „Funkenburg“ am Hellweg gelegen bereits vor dem Jahre 1263 .788 Über die Umstände seiner Stiftung ist nichts bekannt, doch zählte es neben dem Soester Leprosenhaus zu den ältesten Einrichtungen dieser Art in Westfalen . Wie in Soest war auch in Dortmund der Heilige Johannes der Täufer Patron der zum Leprosorium gehörigen Kapelle . Auf einer im Jahre 1610 durch Detmar Mulher gefertigten Darstellung der Stadtsilhouette ist der Leprosorienkomplex deutlich zu erkennen . Ob sich Mulher allerdings bei dieser einzigen bekannten Abbildung des Hauses an die tatsächlichen Gegebenheiten hielt oder künstlerischen Maßstäben den Vorzug ließ, lässt sich eben so wenig ergründen wie die Frage, inwieweit die Anlage ihr äußeres Erscheinungsbild im Laufe der Jahrhunderte verändert haben mag . Fest steht, dass sich manche der bildlichen Elemente mit den Angaben schriftlicher Zeugnisse decken und auch der Gesamteindruck mit der typischen Anordnung mittelalterlicher Leprosorien übereinstimmt .789 So erkennt man in der Nähe des Geländes deutlich den von Beurhaus beschriebenen Kalvarienberg .790 Soweit sich unter den 787 788 789 790
DUB, Bd . 1 (1881), Nr . 114 . rüBel (1911), S . 163 . JankriFt (1998), S . 121 . leistikoW (1986), 1986 S . 114–129 . Stadtarchiv Dortmund, Best .448, Nr . 15, Beurhaus, Merkwürdigkeiten, 1 .Buch 2 .Kapitel § 19: An diesem Siechen Hofe findet sich ein besonderes Steinen Gebäude, so den Berg Calvaria vorstellet und noch beständig unterhalten wird, von dessen Erbauung kann man aber nichts melden.
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betonten Vorbehalten aus Mulhers Darstellung schließen lässt, bestand das von einer Mauer umgebene Leprosorium aus mehreren Wohn- und Wirtschaftsgebäuden sowie der bereits erwähnten Kapelle . Wie in Aachen lassen sich jedoch auch in Dortmund mangels entsprechender Zeugnisse keine Rückschlüsse auf die Aufnahmekapazität der Einrichtung ziehen . Die gleiche Feststellung lässt sich im Hinblick auf die allgemeine institutionelle Entwicklung der Einrichtung treffen . Fest steht, dass die Bestimmungen des Dritten Lateranums gut sechzig Jahre nach der Schenkung des Johannes von Wickede schließlich umgesetzt wurden, wonach jedes Leprosorium über ein eigenes Gotteshaus verfügen sollte . Am 20 . Oktober 1322 bestimmte Heinrich, Propst zu Sankt Severin in Köln, der vom Erzbischof als Deputierter eingesetzt worden war, dass die Johanniskapelle des Leprosenhauses endlich einen eigenen Rektor bekam .791 Da die materielle Grundlage des Siechenspitals offenbar weit weniger günstig war, als die der Kölner Melaten, war die geistliche Fürsorge der Siechen bisher ganz im Gegensatz zu den Dekreten der höchsten Geistlichkeit vom Rektor der Benediktskapelle mitversorgt worden . Stiftungen des Rates sowie zweier Bürger, Hildebrand Sudermann der Jüngere und Bertram Merboden, hatten inzwischen die Bestallung eines eigenen Rektors ermöglicht . Aus dem Wortlaut des Dokuments spricht die Sorge der Stadtväter für ihr Leprosenhaus . Gleichzeitig dokumentiert der Akt, dass es in der Reichsstadt einen konkreten Versorgungsbedarf gab . Anders ließe sich das Engagement des Rates kaum erklären . Die Rolle, die der Rat zugleich bei der Bestallung des Rektors spielte, deutet an, dass ihm während des 14 . Jahrhunderts die Verwaltung des Siechenhauses oblag . Möglicherweise waren zur Führung der Geschäfte des Leprosenhauses und zur Rechnungslegung wie andernorts vom Rat eingesetzte Provisoren zuständig . Der neue Rektor sollte sich jedenfalls in Anlehnung an die Bestimmungen des Dritten Laterankonzils um das Seelenheil der im Siechenhaus untergebrachten Kranken kümmern . Zu seinen Pflichten gehörte das tägliche Lesen der Messe für die Leprakranken, die Predigt, das Abnehmen der Beichte und die Beteiligung an Prozessionen . Allerdings war er von der Pflicht entbunden, die Leprakranken am Krankenlager zu besuchen . Nirgends existieren jedoch Hinweise auf einen in der regionalen Forschung verschiedentlich angedeuteten Funktionswandel des Hauses .792 Die bereits von Rübel geäußerte und in neueren Untersuchungen stets übernommene Auffassung, 1388 sei die Lepra in Dortmund „erloschen“, hält einer kritischen Betrachtung nicht stand .793 Dortmunder lassen sich noch im 16 . Jahrhundert unter den von der Medizinischen Fakultät der Kölner Universität auf einen Lepraverdacht untersuchten Personen nachweisen .794 Darüber hinaus erwähnt die Dortmunder Armenordnung von 1592 ausdrücklich die
791 792 793 794
DUB, Bd . 1 (1881), Nr . 399 . siedling (1996), S . 128 . leise (1998), S . 37 . rüBel (1911), S . 164 . siedling (1996), S . 128 . keussen (1913), S . 85 u . S . 94 .
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Leprakranken, so allhier uf dem Gracht Hoffe wonnen, und auch in einer 1608 erlassenen Ratsverordnung ist noch immer von den Aussätzigen die Rede .795 Das Mindener Leprosorium Die nächste Leprosenhausgründung in Westfalen ist für Minden belegt . Der Gründungsverlauf weist unübersehbare Parallelen zu dem in anderen westfälischen und rheinischen Städten auf . Auch in Minden hatte die Geistlichkeit zweifelsfrei einen wichtigen Anteil an Errichtung, Ausstattung und Entwicklung des Mindener Leprosenhauses . In einem am 1 . August 1325 ausgestellten Indulgenzbrief gewährte Bischof Gottfried von Osnabrück allen Wohltätern einen 40tägigen Ablass, die den Armen und Kranken vor den Mauern der Stadt, quos occulto suo iudicio manus domini tetegit et percussit adeo, quod contagione lepre graviter cruciantur et insuper defectum temporalium paciuntur, Almosen spendeten .796 Ein Jahr später, am 8 . August 1326, findet sich zum gleichen Zweck ein weiterer, von der Stadt Minden bezeugter Indulgenzbrief des Kardinals Hugo .797 Mit Blick auf die Verhältnisse in anderen Städten liegt die Vermutung nahe, dass das Haus zu diesem Zeitpunkt zwar bereits bestand, jedoch noch unzureichend ausgestattet war und noch nicht über eine eigene Kapelle verfügte . Die kurze Zeit später erfolgte Übertragung von Reliquien an die Leprosengemeinschaft durch den Mindener Bischof Ludwig von Braunschweig (1324–1346) deutet darauf hin, dass für die heiligen Gebeine nun eine geeignete Unterkunft – die Leprosenkapelle – vorhanden war .798 Doch noch im ausgehenden 14 . und am Beginn des 15 . Jahrhunderts förderten die Mindener Bischöfe, so Otto IV . von Rietberg (1402–1406), durch Ablassgewähr Wohltäter ihres Leprosoriums .799 Bis zur Mitte des 14 . Jahrhunderts war das südwestlich vor dem Simeonstor am Weg nach Lübbecke und Osnabrück unweit der Bastau gelegene Haus bereits zu einer funktionierenden Institution gediehen, der nachweislich seit 1332 zahlreiche Schenkungen wie Rentenübertragungen zukamen und die ihrerseits Geschäfte tätigte .800 Im Jahre 1332 wird erstmals der Heilige Nikolaus als Patron des Hauses genannt .801 Seitdem ist von dem Leprosorium in den lokalen Schriftzeugnissen stets als vom St . Nikolai-Hospital die Rede . Der um 1460 entstandenen Beschreibung von Stadt und Stift Minden des Domherrn Heinrich Tribbe zufolge bot das wirtschaftlich prosperierende St . Nikolai Hospital zu dieser Zeit Platz für 18 Leprakranke .802 Diese erhielten die 795 796 797 798 799 800
gros (1997), S . 119 u . S . 134 . Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden AIII, Nr . 3 . Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden AIII, Nr . 4 . Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden AIII, Nr . 5 . Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden AIII, Nr . 48 u . Nr . 61 . Stadt Minden, Minden außerhalb der Stadtmauern, Teilband 1, Bearb . v . Fred kaspar, Essen 1998, S . 152 . Kommunalarchiv Minden, Stadt Minden AIII, Nr . 12 vom 12 . Juli 1354 . 801 Christa pecZynsky, Das Hospital St . Nicolai in Minden . Ein Beitrag zur Kirchen- und Sozialgeschichte der Stadt, in: Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins 63 (1991), S . 153–163 . 802 Tribbe (1932), S . 24 .
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im Rahmen ihrer Pfründe ausgeteilte Nahrung nicht wie gewöhnliche Hospitalbewohner im Heilig-Geist-Spital . Vielmehr wurden Brot und Bier täglich durch einen eigens aus der Bürgerschaft bestellten Mann gesammelt und im Leprosenhaus verteilt .Darüber hinaus bekamen die Leprakranken durch die Zuwendung des Johannes Bordeslo und des Ratsherrn Rabodo Sure jedes Jahr eine Tonne Butter . Tribbes Darstellung zufolge stand der Leprosengemeinschaft ein möglicherweise aus den eigenen Reihen bestimmter oder gewählter Hausherr (Et habent unam patrem familiarem …) vor, der sich um die Aufrechterhaltung der Ordnung im Haus kümmerte . Die Verwaltung, Finanzgeschäfte und andere Außenrepräsentation des Leprosoriums oblagen wie andernorts drei Provisoren, die dem Rat angehörten und deren Zuständigkeitsbereich zugleich auch das Gasthaus umfasste .803 Das Paderborner Siechenhaus Im Jahre 1333 taucht die erste urkundliche Erwähnung des Paderborner Leprosoriums auf, das sich vor dem Westerntor an der Straße nach Salzkotten befand .804 Die spärliche Überlieferungslage verstellt weitgehend den Blick auf die Anfänge der Institution, ihre Entwicklung in der Frühphase und ihre Leistungsfähigkeit . Obwohl das Haus wie andere Einrichtungen eine dem Heiligen Georg geweihte Kapelle besaß, stand kein eigener Geistlicher für die spirituelle Versorgung der Kranken zur Verfügung .805 Den Gottesdienst versah statt dessen der Propst der Gaukirche . Seit dem Ende des 14 . Jahrhunderts läßt sich – eine allgemeine Tendenz in der Verwaltung der westfälischen und rheinischen Leprosorien – ein Ratsherr als Provisor ausmachen, dem später ein weiterer Obrigkeitsvertreter zur Seite gestellt wurde .806 Das „Kinderhaus“ in Münster Mit der Ausstellung von drei Urkunden schloss am 7 . März 1342 die Gründungsphase des Münsteraner Leprosoriums Kinderhaus .807 In ihrem Wortlaut nahezu identisch, regelten sie die Rechtsverhältnisse der noch jungen Einrichtung, die am 20 . Juni 1333 in einem Dokument über die Verlegung des Kinderhauser Beneficiums erstmals urkundlich erwähnt wird . Der Bischof von Münster, die Äbtissin des Benediktinerinnenklosters Überwasser und die Stadt Münster einigten sich in den Dokumenten darüber, dass an der Leprosenhauskapelle ein geistlicher Rektor eingesetzt werden sollte . Zuständig für 803 Tribbe (1932), S . 124 f . Monika scHulte, Macht auf Zeit . Ratsherrschaft im mittelalterlichen Minden (= Beiträge zur Geschichte Niederdeutschlands 4), Warendorf 1997, S . 191–199 . 804 gemmeke (1937), S . 27 ff . 805 van Faassen (1998), S . 9 . 806 Michael pavlicic, Gaukirche, Hospitalwesen und Armenfürsorge, in: Hrsg . Hans Jürgen von Brandt / Karl Hengst, Die Gaukirche St . Ulrich in Paderborn 1183–1983 . Zur Geschichte von Kirche, Kloster und Pfarrgemeinde bei der Feier des 800jährigen Jubiläums, S . 163–167 . 807 detHleFFs (1992), S . 14 ff . Zur Entwicklung des Münsteraner Leprosoriums craBus (2013) .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
die Benennung dieses Geistlichen war demnach der Rat, während die Einsetzung und Oberaufsicht dem Dechanten des Überwasserklosters gebührte . Ihren Anfang nahm die Einrichtung vermutlich jedoch schon vor dem Jahre ihrer urkundlichen Ersterwähnung mit dem Ankauf des Hofes Idenbrock in Gievenbeck durch Udo von der Tinnen 1326 . Goswin von Clanctorp, ein vermögender Münsteraner Bürger, bedachte jedenfalls in seinem 1332 aufgerichteten Testament die leprosi extra civitatem mit dem ansehnlichen Betrag von 9 Mark Pfenningen . Ist über die frühe Entwicklung des Hauses nur wenig bekannt, so lässt sich doch ersehen, dass die Institution schon einige Dekaden nach ihrer Gründung über eine solide Finanzbasis verfügte und in der Folgezeit großen Besitz akkumulierte .808 Die erhaltenen Rechnungsbücher belegen die großen Einkunftsüberschüsse der Einrichtung, die bereits am Ende des 14 . Jahrhunderts größere Kapitalgeschäfte tätigen konnte .809 An der Verwaltungsspitze des Hauses standen wie auch andernorts vom Rat eingesetzte Provisoren, die die Rechnungslegung der Amtmänner kontrollierten .810 Durchschnittlich war das Haus während des 16 . und bis ins 17 . Jahrhundert hinein mit sieben Insassen belegt, wobei die Zahl um 1630 phasenweise sogar auf bis zu zehn anstieg .811 Das Essener Leprosorium Die ältesten Spuren des Essener Leprosenhauses, über dessen genaue Gründungsumstände sich keine Zeugnisse erhalten haben, reichen zurück in das Jahr 1371 . Die am 10 . November dieses Jahres ausgestellte Fundationsurkunde des St . Martinialtars der Münsterkirche erwähnt in einer Auflistung der zum Altar gehörigen Güter unter anderem einen Acker prope casam infirmorum extra portam Kettwich.812 Weitere Dokumente verweisen auf die Nähe des im heutigen Rüttenscheid gelegenen Leprosenhauses zu der Hochgerichtsstätte am sogenannten Kalkhof; einem Ort, der Einzug in die lokale Sagentradition durch die Erzählung vom Teufel auf der Marmorsäule gefunden hat .813 Im Stadtordelbuch wird der Kallichove ausdrücklich als Richtplatz erwähnt .814 Die Lage eines Leprosoriums in der Nachbarschaft eines Richtplatzes ist nichts Ungewöhnliches und lässt sich sowohl für Köln und Aachen
808 Vgl . die zahlreichen Urkunden in MUB 1,1 (1960) . 809 detHleFFs (1992), S . 22 . 810 Eine Aufstellung der Provisoren und Amtmänner mit biographischen Notizen bietet für das 16 . Jahrhundert Ralf klötZer, Kinderhaus 1534–1618 . Das Leprosenhaus der Stadt Münster von der Täuferherrschaft bis zum Dreißigjährigen Krieg . Ausstellung im Lepramuseum Münster-Kinderhaus, 28 . Januar bis 24 . Juni 2001, Münster 2001, S . 5 .3 u . S . 6 .3 ff . 811 klötZer (1998), S . 4/3 und klötZer (2001), S . 21 f . 812 Franz arens, Das Essener Siechenhaus und seine Kapelle, in: Essener Beiträge . Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 18 (1898), S . 45 . 813 arens (1898), S . 46 u . S . 69 . 814 Stadtarchiv Essen, Rep .100 Nr . 185, fol . 39r .
4 .5 Exkurs: Die Lepra
311
als auch für Dortmund und Duisburg nachweisen .815 Vergleichsweise spät erhielt das Leprosorium eine eigene Kapelle . Die erst kurz vor der Mitte des 15 . Jahrhunderts errichtete und in besitzrechtlicher Hinsicht vom Leprosenspital unabhängige Siechenhauskapelle war der Heiligen Jungfrau Maria geweiht .816 Eine Urkunde vom 11 . November 1442 bezeichnet die capella als noviter […] erecta.817 Hinweise auf einen Vorläuferbau finden sich in der lokalen Überlieferung nicht . Eine Reihe von Urkunden bezeugt Zuwendungen Essener Bürgerinnen und Bürger zur materiellen Unterstützung des Leprosoriums in Form von Renten und Grundbesitz .818 Rechnungsbücher des 16 . Jahrhunderts erlauben einen detaillierten Einblick in die Vermögensverhältnisse des Hauses und die Form seiner Einkünfte . So traten im Laufe der Zeit neben die immer noch fließenden Schenkungen Einkünfte aus Verpachtungen der übereigneten Güter und aus Rentgeschäften . Sechs namentlich genannte Pächterinnen und Pächter leisteten beispielsweise im Jahre 1514 Zahlungen zwischen zwei und fünf Schillingen an die folgenden Leprakranken: Die Frau des Hermann Slechter, Hinrik Portener, die Kreyenborgsche, Jorien Pelster, Bela Kannegieter, Elsken Molner .819 Die Höhe der Pachtzahlungen wie auch der Umfang der Pächterliste blieben während des gesamten 16 . Jahrhunderts nahezu unverändert . Leider ist kein Schriftzeugnis aus der Anfangszeit des Leprosenhauses erhalten, das Aufschlüsse über die anfängliche Entwicklung der Pachtverhältnisse liefern könnte . Aufbewahrt wurden diese für die Institution so wichtigen Rechtsdokumente in einer eigenen Kiste in der Ratskammer .820 Ob der Rat von Beginn an für die Verwaltung des Leprosenhauses zuständig war, lässt sich in Unkenntnis der Umstände, die zur Stiftung des Hauses führten, nicht nachvollziehen . Sofern der Anstoß zur Einrichtung des Leprosoriums von der Geistlichkeit ausging – etwa dem Kölner Erzbischof oder der Äbtissin – dürfte der Rat wie andernorts zu beobachten erst später die Verwaltungsgeschäfte übernommen haben . Die Administration des Heilig-Geist Hospitals und des Leprosenhauses lag zeitweise in einer Hand .821 Die sogenannten Vormünder des Heiligen Geistes, zwei Ratsherren, wirkten in dieser Funktion gleichzeitig für das Leprosorium . Am 1 . April des Jahres 1440 vertraten Albert Schilder und Wennemar Steven, Vormünder des Hilligen Geystes, die Leprakranken im ziekenkotten vur Essinde gegenüber Johann von Harle und seiner Ehe-
815 JankriFt (1998), S . 120 f . irsigler/lassotta (1996), S . 68 . uHrmacHer (2000), S . 37 u . S . 41 . Im 17 . Jahrhundert fanden offenbar auch in Münster Hinrichtungen bisweilen in der Nähe des Leposenhauses statt . Vgl . Die Münsterischen Chroniken von Röchell, Stevermann und Corfey, Hrsg . Johann Jansens (=Die Geschichtsquellen des Bistums Münster 3), Münster 1856, S . 273 Allgemein Belker (1994), S . 264 . 816 arens (1898), S . 52 . 817 arens (1898), S . 74 . 818 Stadtarchiv Essen, Rep . 100 Nr . 2147 (Urkundenbuch des Siechenhauses) . 819 Stadtarchiv Essen, Rep . 100 Nr . 2100, fol . 4r . 820 Hauptstaatsarchiv Düsseldorf Stift Essen, Akten Nr . 514, fol .148v . 821 arens (1898), S . 46 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
frau Else, die dem Aussätzigenspital ein Stück Land übereigneten .822 Die enge Beziehung beider Institutionen spiegelt sich auch in den Rechnungsbüchern des Leprosoriums wider . So zahlte das Heilig-Geist Hospital dem Aussätzigenspital die größten Summen der am Michaelis- und am Ostertag fälligen Renten . Für das Jahr 1514 listet die Rechnung für beide Termine eine Zahlung von insgesamt 13 Goldgulden uth dem hylgengeiste auf .823 Erst in der zweiten Hälfte des 15 . Jahrhundert lässt sich eine vom Hospital unabhängige Verwaltung des Leprosoriums anhand der Urkunden belegen . Im Gegensatz zum Heilig-Geist Hospital, das weiterhin von zwei Ratsmännern verwaltet wurde, war für das Leprosenhaus nur ein einziger Provisor der Leprosen verantwortlich . Die Aufnahmekapazitäten des Essener Leprosenhauses gestalteten sich im 16 . Jahrhundert ähnlich wie in Soest . Den Rechnungsbüchern ist zu entnehmen, dass sieben Leprakranke im Haus versorgt werden konnten .824 Im Gegensatz zu den meisten anderen Leprosenhäusern Rheinland-Westfalens konnten in Essen auch auswärtige Kranke dauerhaft Aufnahme finden, wenn Pfründnerplätze vakant waren . Ein Umstand, der offenbar weithin bekannt war . Am 24 . Mai 1571 etwa ersuchte der Rat der Stadt Bonn unter Hinweis auf die besonderen Bedingungen in Essen um Aufnahme des leprakranken Hutmachers Jorgen Herrentrey in das Essener Siechenhaus .825 Für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Haus war wie auch andernorts bisweilen belegt ein sogenannter husmeister zuständig . Ihm wie auch dem Pastor der Siechenkapelle waren die Leprakranken zu Gehorsam verpflichtet . Das Weseler „zykenhus“ Um die gleiche Zeit wie in Essen scheint auch das Weseler Leprosorium vor dem Klever Tor entstanden zu sein .826 Die 1372 nachgewiesene Anlage wurde offenbar bald zu klein . Im Jahre 1449 wurde in unmittelbarer Nähe des alten Hauses ein neues errichtet, dessen Bau sich anhand des erhaltenen Rechnungsbuches in allen Phasen detailliert nachvollziehen lässt .827 Zeitgleich entstand auch die Kapelle, welche dem Heiligen Lazarus geweiht war . Die Verwaltung der Einrichtung oblag dem Magistrat . Wie in den übrigen Städten Rheinland-Westfalens übernahmen in Wesel Spitalmeister, in diesem Fall zeitweilig auch -meisterinnen, die Rechnungslegung und Aufsicht über die innere Ordnung des Hauses . Nach dem Ableben eines Hausverwalters führte bisweilen dessen Witwe die Rechnungslegung fort wie die durch Styn Aloffs, Witwe Wolkenbergs verfassten Dokumente aus den Jahren 1429 und 1437 belegen .828 Die Aufnahmekapazitäten der Einrichtung waren anscheinend größer 822 823 824 825 826 827 828
Stadtarchiv Essen, Urkunden, Nr . 244 . Stadtarchiv Essen, Rep . 100 Nr . 2100, fol . 2v u . 3v . Stadtarchiv Essen, Rep . 100 Nr . 2104, fol .5 . Stadtarchiv Essen, Rep . 100 Nr . 2169 . uHrmacHer (2000), S . 57 . Stadtarchiv Wesel, A11 Leprosen-Stiftung Rechnungen 1417–1510, fol .73r–77v . Stadtarchiv Wesel, A11 Leprosen-Stiftung Rechnungen 1417–1510, fol .40r u . 44r .
4 .5 Exkurs: Die Lepra
313
als die in Münster oder Soest . Im August 1584 sind 13 Leprakranke als Insassen des Hauses verzeichnet, 1588 waren es hingegen nur noch acht .829 Die Leprosenhäuser in Duisburg und Xanten Auch in Duisburg und Xanten existierten spezielle Häuser zur Aufnahme Leprakranker . In beiden Fällen finden sich jedoch nur wenige Quellen, die die Hintergründe der vergleichsweise spät erfolgten Einrichtung der beiden Institutionen befriedigend klären könnten .830 Die Existenz eines Leprosenhauses vor dem Martor in Xanten ist erst für 1455 zweifelsfrei belegt, wenngleich die Einrichtung möglicherweise schon seit 1429 bestand .831 Am St .-Viktor-Dom stand für die geistliche Versorgung ein Hagioskop zur Verfügung, um das 1578 ein kleines Häuschen errichtet wurde .832 Das Duisburger Leprosorium, drei Kilometer vor dem Marientor gelegen, wird im März 1445 erstmals erwähnt .833 Über welche Aufnahmekapazitäten diese aus zwei Häusern bestehende Anlage verfügte, lässt sich nicht nachvollziehen . Im ausgehenden 16 . Jahrhundert wurden nur noch zwei bis vier Personen in der Einrichtung versorgt .834 Überlegungen zur Verbreitung der als Lepra wahrgenommenen Krankheitsphänomene in Rheinland-Westfalen im 15. und 16. Jahrhundert Die von den Zeitgenossen als Lepra wahrgenommenen Krankheitsphänomene scheinen in Rheinland-Westfalen sehr viel länger präsent gewesen zu sein als etwa in Frankreich, wo Leprosoriengründungen in großer Zahl bereits im 12 . und 13 . Jahrhundert erfolgt waren und Erkrankungen nach der Mitte des 14 . Jahrhunderts offenbar spürbar zurückgingen .835 Eine von Martin Uhrmacher vorgelegte Übersichtskarte zur Verbreitung mittelalterlich-frühneuzeitlicher Leprosorien in den Rheinlanden zeigt deutlich, dass dort noch nach der Mitte des 16 . Jahrhunderts zahlreiche Häuser zur Versorgung Aussätziger eingerichtet wurden .836 Dies deutet darauf hin, dass zu dieser Zeit noch ein Bedarf an institutioneller Versorgung bestand, wenngleich die Leprosorien nur über eine geringe Aufnahmekapazität verfügt haben mögen . Inwieweit die Lepra nach dem Wüten des Schwarzen Todes in Westfalen und dem Rheinland zurückging, bleibt schon angesichts des Fehlens jeglichen Zahlenmaterials kaum abschätzbar . Osteoarchäologische Untersuchungen, die zur Klärung dieser Frage einen wichtigen Beitrag leisten könnten, sind für den betrachteten Raum bisher nur in Aachen und damit in zu geringer Zahl ausgeführt worden, um 829 830 831 832 833 834 835 836
Stadtarchiv Wesel, A11 Leprosen-Stiftung Rechnungen 1584, fol .314r u . 1588 fol .416v . uHrmacHer (2000), S . 41 u . S . 58 . Belker (2000), S . 8 . uHrmacHer (2000), S . 58 . JankriFt (1999c), S . 1–3 . uHrmacHer (2000), S . 41 . Belker (2000), S . 6 . Beriac (1988) . uHrmacHer (2011) . uHrmacHer (2000) sowie uHrmacHer (2011) .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
verlässliche Rückschlüsse ziehen zu können . Die langanhaltende Präsenz der Lepra in Skandinavien sowie das Wiederaufflammen der Krankheit noch am Ende des 19 . Jahrhunderts in Memel unterstreichen die höchst unterschiedliche Entwicklung des Lepravorkommens in verschiedenen geographischen Räumen und gemahnen zur Vorsicht vor einer Pauschalbewertung über den Rückgang der Infektionskrankheit im ausgehenden Mittelalter ohne die nötige räumliche Differenzierung .837 Die Vielzahl an Zeugnissen über den Umgang mit Lepraverdächtigen und -kranken während des 15 . und 16 . Jahrhunderts zeigt, dass die Krankheit in Westfalen und dem Rheinland noch immer ein Problem darstellte, das die zeitgenössische Gesellschaft beschäftigte . 4.5.2
Der Umgang mit Lepraverdächtigen und -kranken
Die Siechenschau und die Aufnahme in das Leprosenhaus Nachdem der Aufbau des Leprosoriennetzwerkes in Rheinland-Westfalen vollzogen war, bildeten sich allmählich Strukturen einer regionalen Kooperation auf dem Gebiet der sogenannten Siechenschau heraus .838 Die Organisation des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Schauwesens zeigt, in welcher Weise städtische Obrigkeiten den Auswirkungen einer Infektionskrankheit begegneten, die zwar im Angesicht der Betroffenen furchterregend, aufgrund der vergleichsweise geringen Zahl an Erkrankten aber kontrollierbar erschien . Lepraverdächtige, die entweder selbst beim Rat ihrer Heimatstadt vorsprachen, um ihre Befürchtung den Stadtvätern kundzutun, oder die denunziert worden waren, mussten sich vor einer möglichen Aufnahme in das städtische Leprosorium zur Prüfung ihres Gesundheitszustandes zunächst einer sogenannten Siechenschau unterziehen . Die renommierteste, älteste Schauinstanz westfälischer und rheinischer Städte war das Kölner Melatenhaus, an dem selbst leprakranke Prüfmeister die Untersuchung der bei ihnen vorstellig gewordenen Personen vornahmen . Seit wann in der Einrichtung Schauuntersuchungen durchgeführt wurden, lässt sich nicht nachvollziehen . Die ältesten in Rheinland-Westfalen erhaltenen Dokumente mit Prüfungsbefunden aus Melaten in Form der sogenannten Siechenschaubriefe stammen aus der zweiten Hälfte des 15 . Jahrhunderts .839 Zu dieser Zeit war das Melatenhaus bereits in einen ebenso langen wie erbitterten Kompetenzstreit mit der Medizinischen Fakultät der Universität Köln getreten, die ebenso wie die Leprakranken im Siechenhaus das alleinige Recht zur
837 ricHards (1977) . Hans Richard WinZ, Lepra in Deutschland seit der Jahrhundertwende, in: Hrsg . Richard toellner, Lepra – Gestern und Heute . 15 wissenschaftliche Essays zur Geschichte einer Menschheitsseuche . Gedenkschrift zum 650-jährigen Bestehen des Rektorats Münster-Kinderhaus, Münster 1992, S . 118 . 838 uHrmacHer (2011), S . 70–96 . 839 Stadtarchiv Soest, Bestand A Nr . 9380 mit dem Schaubrief der Catharina Vrondes vom 26 . April 1476 .
4 .5 Exkurs: Die Lepra
315
Durchführung der Untersuchung beanspruchte .840 Obwohl der Kölner Rat zumindest theoretisch seit 1478 das Urteil der Ärzte für zuverlässiger als das der Melaten erachtete, rissen die Streitigkeiten nicht ab . Noch 1530 beschwerte sich die Medizinische Fakultät über die Beschneidung ihres Privilegs, Schaubriefe auszustellen und betonte, man solle denen, so aus der kunth ihre erkandtnus gethaenn und gesetzt, mehr glaubens dann den unverstendigenn schenken .841 Offenbar hatten die Melaten die Wundärzte, die noch im 14 . Jahrhundert in Köln Schauuntersuchungen vornahmen, zwischenzeitlich vollkommen verdrängt .842 Trotz der wachsenden Bedeutung der Kölner Medizinischen Fakultät lässt sich beobachten, dass im Laufe des 16 . Jahrhunderts in verschiedenen Städten Westfalens lokale Schauzentren von untergeordneter Bedeutung entstanden . Die Leprakranken des Hammer Leprosenhauses auf dem Daberg besaßen seit 1524 die Erlaubnis des Rates zur Durchführung der Lepraschauuntersuchung . Auch die Dienste der Paderborner Aussätzigen wurden zumindest seit der zweiten Hälfte des 16 . Jahrhunderts bisweilen in Anspruch genommen, wobei die Schaugremien das Formular der Briefe aus Köln-Melaten übernahmen .843 Welche innere Ordnung sich bezüglich des Schauwesens im Laufe der Jahrhunderte allmählich entwickelt hatte, wird in einem Schreiben des Soester Rates vom 11 . September 1653 an die Stadt Warstein offenkundig .844 Allgemein bekannt sei es, welcher gestalt in den Westfhalischen Landen zu erkennungs des Aussatz von Landtsfurst und Städte Obrigkeit drey Orther, nemblich Stadt Cöln, Paderborn und Hamm ausgesehen, heißt es darin . Besonders in Soest geben zahlreiche Dokumente Aufschluss über das Wirken der Schauinstanzen . Von der Anzeige des Verdachts über die Untersuchung durch die Schaukommission bis zur Gewährung einer Pfründe im Leprosorium zur Marbecke lässt sich für das 15 . und 16 . Jahrhundert das Schicksal mancher Betroffener nachvollziehen . Dabei wird deutlich, dass stets nach gleichem, zumindest über zweihundert Jahre unverändertem Muster vorgegangen wurde . Wer im Verdacht stand, mit der suke des malaitz oder außsatz behaftet zu sein, konnte dem Rat angezeigt werden . Wie den Protokollen der Missivenbücher zu entnehmen ist, waren es in Soest häufig die Verdächtigen selbst, die ihre Befürchtung den Stadtobersten vortrugen .845 Nach erfolgter Meldung setzte der Rat ein Schreiben an die Vorsteher eines auswärtigen Leprosenhauses auf, in welchem um eine Untersuchung des vorstellig werdenden Soester Bürgers gebeten wurde . Der Befund, so führte man stets aus, möge dem Beschauten in einem gesiegelten Dokument nach Soest 840 Martin uHrmacHer, so vinden wyr an euch als an eynen krancken und seichen manne …Köln als Zentrum der Lepraschau für die Rheinlande im Mittelalter und früher Neuzeit, in: Die Klapper . Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde 8 (2000), S . 4–6 . 841 Historisches Archiv der Stadt Köln, Universität A 455, fol .2 . 842 Ernest WickersHeimer, Eine kölnische Lepraschau vom Jahre 1357, in: Archiv für Geschichte der Medizin 2 (1964), S . 434 . 843 Staatsarchiv Münster, Grafschaft Mark, Städte: Hamm, Milde Stiftungen, Nr . 92 . 844 Stadtarchiv Soest, A 9392 . 845 z . B . Stadtarchiv Soest A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 105 f .
316
4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
mitgegeben werden . In den meisten Fällen überstellten die Soester Obrigkeiten ihre Bürger nach Köln .846 Niemandem dürfe eine Pfründe im Leprosorium zur Marbecke verliehen werden, er bringe den van de melaten bey Cöln genügsamen Schein und beweiß seines außsatzes, heißt es in einem Brief des Soester Rates vom April 1588 an die Kölner Melaten bezüglich der Untersuchung der Grete Hellincks .847 Im ausgehenden 16 . Jahrhundert wurden jedoch auch verstärkt die Dienste der Leprosenhäuser auf dem Hammer Daberg848und in Paderborn849 in Anspruch genommen . Eine wichtige Rolle bei der Entscheidung darüber, wohin sich der zu Untersuchende begeben sollte, stellte offenbar die politische Situation dar . Während des Kölnischen Krieges (1582–1586) entschieden sich die Soester Stadtväter, eine namentlich nicht genannte Frau im Mai 1583 – jetzo die Zeiten fast geferlich – zur Schau nach Hamm zu senden . Selbst zu Zeiten von Epidemien verzichtete man jedoch nicht auf eine Entsendung Lepraverdächtigen zur Untersuchung . So entsandten die Soester Obrigkeiten trotz der in der Stadt grassierenden Pest den lepraverdächtigen Wilhem Degenhardes zur Schau nach Köln .850 Die Besichtigung war in jedem Falle kostenpflichtig . Wie aus dem erwähnten Hammer Privileg von 1524 hervorgeht, wurden für die Untersuchung eines Einheimischen fünf, für die eines Fremden zehn Schillinge erhoben . Wer mit dem Urteil der Schaukommission nicht einverstanden war, konnte Berufung einlegen und sich up syn Cost to Coln begeuen. An den Kosten der Untersuchung scheint sich der jeweilige Rat ansonsten beteiligt zu haben .851 Seit wann das Siechenhaus zum Heiligen Georg in Paderborn als übergeordnete Schauinstanz wirkte, lässt sich nicht sicher bestimmen . Das früheste Zeugnis für die Inanspruchnahme des Paderborner Schaugremiums, die Überstellung des lepraverdächtigen Johann Schultz durch die Soester Stadtväter, stammt aus dem Jahre 1546 .852 Die Reise zu den Schauorten wurde offenbar auf unterschiedliche Weise organisiert . Scheinen sich in Soest Einzelpersonen, begleitet wahrscheinlich von einem städtischen Boten, auf den Weg gemacht zu haben, so reisten aus Wesel stets mehrere Personen zusammen nach Köln . Im Juli 1565 etwa waren es vier, im August 1566 ebenfalls vier und 1567 fünf Lepraverdächtige, die ihre Reise nach Köln antraten und mit ihren Urteilen zurückkehrten .853 Die 1567 entsandten Personen wurden allesamt für unrein erkannt . 846 847 848 849 850 851 852 853
Stadtarchiv Soest, ANr . 9380–9388 . Stadtarchiv Soest, ANr . 7184, fol .36 . Stadtarchiv Soest, ANr . 9389–9391 . Stadtarchiv Soest A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 104 . vogeler (1899/1900), S . 151 . Stadtarchiv Soest, Hs 22: Rademachers Annales, Nr . 2609 . Stadtarchiv Soest A Hs 82: Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte, S . 104 . Stadtarchiv Wesel, A11 Leprosen-Stiftung, Rechnungen 1565, fol .650r; 1566 fol .674v .; 1567 fol .728v .
4 .5 Exkurs: Die Lepra
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Die Verpflichtung zur auswärtigen Schau brachte mitunter besondere Probleme mit sich . Mancher Aussatzverdächtige konnte sich aufgrund seines Zustandes nicht mehr zum angewiesenen Schauort begeben . Gerurhrt und schrecklich krank musste etwa Gesine Vades ihre Reise nach Köln abbrechen .854 Deshalb wurde die Untersuchung ausnahmsweise im Leprosorium auf der Marbecke vorgenommen, worauf die Kranke nach ihrem Befund aufgenommen wurde . Das Ratsprotokoll vom 11 . September 1575 vermerkt aber ausdrücklich, dass dem alten Brauch nach Cöln zu ziehen hierdurch nicht derogiert seyn solle . Mitunter mussten sich verdächtige Personen mehrfach der Untersuchung durch die Schaukommission stellen . Im Mai 1576 hatte ein gewisser Krafr, der ein armer Findling, dem Rat angezeigt, wye er mit der abscheulichen krankheit des Ausßatzes behaft zu seyn von etlichen verdechtig gehalten werde.855 Daraufhin entsandte man ihn zur Besehung nach Köln . Die Kölner Melaten befanden Kraft für leprafrei . Kaum ein Jahr später, am 29 . März 1568, wandten sich die Soester erneut an die Leprakranken in Köln, sie möchten Kraft abermals mit fleiß besichtigen und probiren.856 Dieser werde je lenger je Verdechtiger des Ausßatzes gehalten. Zu welchem Urteil die weitere Schau führte, ist nicht überliefert . Zwischen der Anzeige vor dem Rat und der Schau lagen in der Regel weniger als zwei Wochen . Sofern die Prüfung den Verdacht bestätigte, das Ergebnis in erbetener schriftlicher Form mitgeteilt wurde und die Kranken zudem die weiteren Bedingungen fur eine Aufnahme erfüllten – in der Regel die Zugehörigkeit zu einem der städtischen Kirchspiele – , konnte der Rat ihnen eine Pfründe auf der Marbecke verleihen . Dieser Akt wurde in den Ratsprotokollen eingetragen und bisweilen auf der Rückseite des Schaubriefs vermerkt . Johann Pannekoke, der am 21 . Mai 1576 in Köln für leprakrank befunden worden war, erhielt am 7 . Juni des Jahres eine Pfründe im Soester Leprosenhaus .857 Elsche Teimann hingegen, die am 28 . Juni 1585 in Hamm für leprakrank erklärt worden war, konnte ihren Platz im Leprosorium nicht einnehmen, weil dessen Kapazitäten ausgelastet waren . So erhielt sie am 1 . Juli 1585 lediglich die Anwartschaft auf eine freiwerdende Stelle .858 Das Dokument belegt zugleich, dass Elsche Teimann einen ungewöhnlichen Weg gegangen war . Begleitet von ihrem Vater war sie beim Hammer Leprosenhaus vorstellig geworden, nachdem sie schon lange mit liefsschwacheit behaftet gewesen war . Zudem hatte sie bei etlichen Heilkundigen Rat gesucht . Die vergebliche Mühe hatte die Familie bereits einiges Geld gekostet. Interessant ist der Fall der Elsche Teimann aber noch unter einem anderen Gesichtspunkt: Er zeigt die Grenzen des vermeintlichen Absonderungssystems im Leprosorium . Die Aufnahme kam einem Privileg gleich . Immerhin bedeute ein Leben im Leprosorium dauerhaft materielle Sicherheit und Versorgung . Eine unbestimmte Zahl Leprakranker fristete hingegen ein Dasein außerhalb institutio854 855 856 857 858
Stadtarchiv Soest, A 7184 . vogeler (1899/1900), S . 152 . vogeler (1899/1900), S . 153 . klocke, Bd . 3 (1953), Nr . 492 . klocke, Bd . 3 (1953), Nr . 491 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
neller Fürsorge .859 Die rheinisch-westfälischen Leprosenhäuser gewährten diesen Frauen und Männern nur Unterkunft auf Zeit . So zogen diese Kranken zumeist von einem Ort zum anderen und versuchten, sich ihren Lebenunterhalt durch Betteln zu sichern . Interessanterweise verknüpft die Hausordnung des Leprosoriums Kinderhaus in der Fassung von 1558 den Zeitraum der Obdachgewährung mit einem eventuellen Seuchenausbruch in der Stadt . Zwei Nächte konnten vagierende Leprakranke für gewöhnlich Herberge erhalten . Sofern allerdings in Münster die Pest grassierte, wurde das Aufenthaltsrecht auf nur eine Übernachtung beschränkt .860 In allen Leprosorien führten Verstöße gegen die strengen Hausordnungen theoretisch zu einem zeitlich befristeten oder dauerhaften Verlust der Pfründe .861 Zeugnisse über solche Verstöße finden sich in den Rechnungsbüchem häufiger . Die Einträge veranschaulichen zugleich, dass nicht jedes Fehlverhalten in der Praxis mit der Ausweisung bestraft wurde . So notierte etwa der Spitalmeister des Weseler Leprosenhauses am 14 . März 1571, dass einige Insassen der Hausordnung zuwidergehandelt hätten . Daraufhin wurde drei Insassen lediglich eine Geldbuße auferlegt .862 Andere, die bei einer Schauuntersuchung für leprakrank befunden worden waren, entzogen sich ihrer Absonderung . Dies zeigt beispielhaft eine zu Beginn des 16 . Jahrhunderts aufgestellte Liste, welche die Vorsteher des Kölner Melatenhauses an die Medizinische Fakultät und den Rat sandten . Das Schriftstück nennt die Namen und vermeintlichen Aufenthaltsorte von 17 Kölnerinnen und Kölnern, die im Leprosorium einer Schauuntersuchung unterzogen und für leprakrank befunden worden waren . Dennoch waren diese Kranken nicht in die Einrichtung zurückgekehrt und lebten weiterhin uneingeschränkt in der Stadt .863 Eine Quarantäneinstitution war das Leprosorium trotz seiner Lage vor den Mauern der Städte mithin nicht . Die Grenzen der Versorgung waren auch dann erreicht, wenn unter den Bewohnern eine Krankheit auftrat, die ungleich gefürchteter war als die Lepra . Als 1580 im Weseler Leprosenhaus eine Frau, die bereits seit fünfzehn Jahren in der Einrichtung lebte, von der Pest befallen wurde und keiner ihrer Mitbewohner wagte, sich der nunmehr auch Pestkranken anzunehmen, wurde die Schwester der Infizierten mit der weiteren Pflege ihrer Verwandten betraut .864 Fünf Tage später war die Kranke ihrem Leiden erlegen . Die westfälischen und rheinischen Dokumente bestätigen insgesamt den durch die späten Gründungen zahlreicher Leprosoriengewonnenen vermittelten Eindruck, dass die von den Zeitgenossen als Lepra wahrgenommenen Erkrankungen in der Region noch im 16 . Jahrhundert verhältnismäßig häufig auftraten . 859 keil (1986), S . 85–102 . Kay Peter JankriFt, Unterwegs mit dem Leiden . Wandernde Leprakranke in Mittelalter und früher Neuzeit, in: Die Klapper . Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde 20 (2012), S . 1–4 . 860 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten, Nr . 177 . 861 Stadtarchiv Soest, A Nr . 3774, fol .27 . 862 Stadtarchiv Wesel, A11 Leprosen-Stiftung, Rechnungen, 1576, fol .99r . 863 Historisches Archiv der Stadt Köln, Universität A455, fol .l 864 Stadtarchiv Wesel, A111 Leprosen-Stiftung Rechnungen, 1580 . fol .203r .
4 .5 Exkurs: Die Lepra
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Organisation der Leprakranken Verbunden mit der Siechenschau finden sich Formen einer inneren Organisation der Leprakranken, die im Rahmen der Schauuntersuchungen als Prüfer fungierten und in den Einrichtungen ein quasi monastisches Leben führten . Das bereits erwähnte Schreiben Soests an Warstein von 1653 erwähnt gewisse beaydete profemeister auß den Leprosen.865 Das Privileg der Stadt Hamm für das Leprosenhaus auf dem Daberg gewährte den Insassen jedoch nicht nur das Recht, sondern enthielt damit zugleich die Verpflichtung zur Besehung . Verstöße gegen diese Pflicht konnten mit dem Verlust der Pfründe geahndet werden .866 Sofern aber niemand im Hause wäre, dey syk sodaner sukede verstände, sollten aus einer anderen seyken Gylden zwei oder drei auswärtige Prüfer nach Hamm geholt werden, um die Schau durchzuführen . Für jede Besichtigung wurden die Mitgleider des Schaugremiums mit 10 Schillingen entlohnt . Der Begriff der Gilde verdeutlicht, dass die Kranken versuchten, sich nach einem vom Handwerk entlehnten Muster zu organisieren . Die Organisation geschah auf einer regionalen Ebene . Am 17 . Mai 1514 erließ die Heilig-Kreuz-Gilde zu Coesfeld umfangreiche Statuten über die Form des Bettelns und des gemeinschaftlichen Lebens, die all ihre Mitglieder einhalten sollten .867 In modifizierter Form wurden diese Bestimmungen 1587 von der in Soest ansässigen Bruderschaft von der Mark übernommen .868 Die Städte scheinen die gildeartige Organisationsform der Leprakranken zunächst akzeptiert zu haben . Die Melaten des Landes hätten von hoher obrigkeit Ihnen vorgeschriebene Reguli, heißt es in dem bereits mehrfach angeführten Schreiben an den Rat von Warstein . Alljährlich, kurz vor der Soester Kirmes im September versammelten sich demzufolge die Siechen der Umgebung beim Leprosenhaus zur Marbecke, verlasen die Gildeordnung und ahndeten Verstöße der Prüfmeister . Erst in der zweiten Hälfte des 17 . Jahrhunderts verboten die Landesherren in steter Regelmäßigkeit die jährliche bißhero gehabte Versamblungen und darinnen verübte Bestraffung und Gild-Recht halten.869 Zu dieser Zeit wurde – wohl um Missbrauch vorzubeugen – die nunmehr jährliche Prüfung des Gesundheitszustandes vermeintlich Leprakranker durch Ärzte und Wundärzte zur Pflicht gemacht, die der Landesherr bestallte . Kranke, Verdächtige und Obrigkeiten: Schlaglichter auf die zeitgenössische Leprawahrnehmung Ich empfinde leider bey mir ein so großes elend, an abnemmungh meiner ruh, gesuntheit, und leibs gestalt, daß, zumfall ich von den meinigen mich nicht absondere, besorglich meine unschuldige haußfrauw und kindcher mit diesen contagiosen elende anzunden werde, schrieb am 15 . November 1630 der Münsteraner Jost Heerde versehen 865 866 867 868 869
Stadtarchiv Soest, A 9392 . Staatsarchiv Münster, Grafschaft Mark, Städte Hamm: Milde Stiftungen Nr . 92 . Stadtarchiv Soest, A9365 . Stadtarchiv Soest, A9378 . Stadtarchiv Soest, A 1263 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
mit der flehentlichen Bitte um Aufnahme in das Leprosorium Kinderhaus an den Rat der westfälischen Stadt .870 In dem Gesuch aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges spiegeln sich in einzigartiger Plastizität die individuellen Nöte und Befindlichkeiten eines Mannes wider, der überzeugt davon war, an der Lepra erkrankt zu sein, und bereit war, sich in sein schweres Los zu fügen . Von seinen Mitbürgern und Nachbarn ob seiner äußeren Erscheinung gemieden und zutiefst um das Wohl seiner Familie besorgt, betrachtete Heerde seinen Eintritt in das münsterische Leprosorium als einzigen Ausweg . Dies allein reichte den Obrigkeiten für die dauerhafte Zuteilung einer Pfründe in Kinderhaus allerdings nicht aus . Der Fall des Jost Heerde zeigt beispielhaft den Facettenreichtum zeitspezifischer Selbst- und Fremdwahrnehmung einer vermeintlichen Lepra-Erkrankung samt den Konsequenzen, welche aus divergierenden Sichtweisen erwachsen konnten . Das mittelalterlich-frühneuzeitliche Wahrnehmungsspektrum der wohl verschiedenen als Lepra bezeichneten, nicht mit der gegenwärtigen Definition der Krankheit identischen Phänomene war durch zahlreiche Faktoren geprägt . Nicht allein die offensichtlichen Verstümmlungen an den Extremitäten und die furchterregenden Entstellungen im Gesicht, die im Falle einer tatsächlich durch Mycobacterium leprae hervorgerufenen Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium auftreten, kennzeichneten einen Leprakranken in den Augen seiner gesunden Umwelt . Vielmehr wurde das Bild des Aussätzigen vor dem Hintergrund religiöser und humoralpathologischer Denkweisen konstruiert, die auch iurisdiktionelle und institutionelle Reaktionen beeinflussten . Am Ende dieses Konstruktionsprozesses stand ein sozialer Entwurf des Leprakranken, der diesen vor seinen physischen Leiden insbesondere über seine Heimtücke, seine Sündhaftigkeit, die Verderbtheit seiner Seele und nicht zuletzt seine Unreinheit im kultischen Sinne definierte .871 Eine Mischung aus Angst, Abscheu, Mitgefühl und religiösen Vorstellungen bestimmte zugleich den Umgang mit den Kranken . Aus diesem Konglomerat erwuchsen die Paradigmen der Fremdbestimmung, der sich kaum ein kranker Mensch in solchem Ausmaß unterwerfen musste, wie der vom Aussatz tatsächlich oder vermeintlich Befallene . Die Furcht vor der Krankheit ließ die Zeitgenossen jederzeit bei sich selbst und ihren Mitmenschen besonderes Augenmerk auf vermeintliche Anzeichen der Krankheit verwenden – seien diese am Körper sichtbar oder im Verhalten spürbar . Daran änderte offenbar auch die vermutlich schon im Laufe der vormikrobiologischen Zeit empirisch gewonnene Erkenntnis wenig, dass sich das Ansteckungsrisiko eher gering ausnahm . Fest steht, dass der Umgang mit Leprakranken jenseits aller Normen stets von ebenso großer Individualität geprägt war, wie die Reaktionen der Infizierten oder Aussatzverdächtigten selbst .
870 Stadtarchiv Münster, Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten Nr . 182 . Kay Peter JankriFt, Jost Heerde . Das Schicksal eines Lepraverdächtigen in Münster, in: Die Klapper . Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde 6 (1998), S . 3–5 . 871 Belker (1994) .
4 .5 Exkurs: Die Lepra
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Umfassende Einblicke in die Fremdwahrnehmung Leprakranker vermitteln unter anderem die für den Zeitraum zwischen 1491 und 1664 erhaltenen Untersuchungsprotokolle der Kölner Medizinischen Fakultät .872 Die 178 Dokumente enthalten nicht nur die Befunde der ärztlichen Untersuchung, sondern veranschaulichen zugleich, welche von der gesunden Umwelt wahrgenommenen Auffälligkeiten einen Lepraverdacht herbeiführen konnten .873 Die Kölnerin Elseken Boelghen beispielsweise, welche die Schaukommission am 19 . Mai 1492 für rein erkannte, war laut Protokoll durch eine Fehlstellung der Augen stark entstellt .874 Bei Bernhard von Daesberch, der sich am 18 . August 1494 der Schauprüfung unterzog und ebenfalls mit einem Reinheitszeugnis entlassen wurde, wurden ebenfalls Entstellungen des Gesichts und auffällige Verformungen am Körper diagnostiziert .875 Margaretha von Dortmund wurde von der Kommission mit der Aufforderung entlassen, sich nach einer Frist abermals untersuchen zu lassen . Bis dahin wurde ihr eine ärztliche Behandlung anempfohlen . Dem Protokoll ist zu entnehmen, dass Margarethas Gesicht durch zahlreiche Knoten verunziert wurde . Außerdem zeigten sich ihre Extremitäten ungewöhnlich bleich .876 Auch der Franziskaner Henrich Stijchuys wurde vom Lepraverdacht freigesprochen . Seine absonderliche Gesichtsform und der Verlust mehrerer Zehen hatten wohl den Argwohn seiner gesunden Mitbrüder erregt .877 Wilhelm Pals, der am 2 . August 1508 vorstellig wurde, war lediglich aufgrund seiner rauchigen Stimme nach Köln geschickt worden . In einigen Fällen diagnostizierten die Doctores eine Syphiliserkrankung; so bei dem am 23 . Dezember 1520 untersuchten Laienbruder des Observantenordens Johann Sal .878 Ihm riet man zur Konsultation eines Arztes . Zugleich sollte Sal von seinem Dienst in der Küche entbunden werden . Die Liste solcher Beispiele ließe sich fortsetzen . Kamen die Experten zu einem positiven Urteil, unterschied sich ihre Beschreibung des Befunds lediglich durch die Verwendung des Wortes leprosus oder leprosa vom Kanon der negativen Protokolle . So heißt es etwa über Henrich to Wald, der am 18 . September 1519 zum zweiten Mal untersucht worden war, dass sein Gesicht von der Lepra zur Gänze entstellt sei .879 Bei der Gesamtbetrachtung der Untersuchungsprotokolle sticht besonders die Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der ärztlichen Untersuchung und der Wahrnehmung der Lepraverdächtigen durch ihr soziales Umfeld ins Auge . Bei 173 untersuchten Personen bestätigte die Kommission lediglich 10 Mal den Lepraverdacht . Im Falle von 25 Frauen und Männern blieb die Dia872 keussen (1913). 873 Kay Peter JankriFt, Leprakranke im Spiegel spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Schauprotokolle und Selbstzeugnisse, in: Archiwum Historii i Filosofii Medycyny 65 (2002), S . 209–218 . JankriFt (2012), s. 123 f . JankriFt (2005), S . 134–135 . 874 keussen (1913), S . 81 Nr . 8 . 875 keussen (1913), S . 82 Nr . 27 . 876 keussen (1913), S . 85 Nr . 52 . 877 keussen (1913), S . 85 Nr . 54 . 878 keussen (1913), S . 90 Nr . 110 . 879 keussen (1913), S . 90 Nr . 108 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
gnose bei der ersten Beschau unsicher . Deshalb wurde zu einem festgelegten Termin eine weitere Schauuntersuchung anberaumt, um zwischenzeitlich eingetretene körperliche Veränderungen in Augenschein zu nehmen . Mitunter war gar eine dritte Untersuchung vonnöten, um ein abschließendes Urteil über den Gesundheitszustand der Verdächtigen zu fällen . So individuell wie die Protokolle, gestalteten sich auch die Reaktionen auf die Urteile der Kölner Ärzte . Manche Fälle belegen, dass ein Reinheitszeugnis nicht unbedingt die Wahrnehmung eines Lepraverdächtigen durch seine Mitmenschen veränderte . Exemplarisch veranschaulicht dies das Schicksal des Geistlichen Johann Kannegieter aus Soest . Kannegieter war am 31 . März 1492 von den Ärzten geprüft und für leprafrei befunden worden . Dem Befund zufolge war das Gesicht des Geistlichen auffällig gerötet . Ferner zeigte sich sein gesamter Körper mit einem trockenen Ausschlag übersät . Die Untersuchungskosten beliefen sich auf vier Mark . Kannegieter versprach, diesen Betrag auf einen Goldgulden aufzustocken, wenn es ihm gelänge, die Ausgaben von seinen Anklägern einzufordern . Doch der Befund der Kölner Ärzte änderte das Leben des Soester Geistlichen keineswegs . Zwar verraten die Schriftzeugnisse nicht, inwieweit Kannegieter aufgrund seiner äußeren Erscheinung Anfeindungen im Alltag ausgesetzt war oder gar sozial isoliert wurde . Deutlich sichtbar wird allerdings die Zählebigkeit eines Lepraverdachts . Fünfzehn Jahre nach seiner ersten Untersuchung musste sich Kannegieter ein weiteres Mal zur Schau nach Köln begeben .880 Aus dem Schauprotokoll geht hervor, dass sich sein körperlicher Zustand im Laufe der Zeit stark verschlechtert hatte . Dennoch war sein Erscheinungsbild nach dem Befund der Ärzteschaft keineswegs auf eine Lepraerkrankung zurückzuführen . Am 17 . Mai 1507 fertigte ihm die Untersuchungskommission deshalb abermals ein Reinheitszeugnis aus .881 Aufgrund der früheren Besichtigung und der Armut Kannegieters begnügten sich die untersuchenden Ärzte mit einer Gebühr von insgesamt fünf Mark . Höhere Wellen schlug der Fall eines gewissen Heinrich, Sohn Heinrichs des Blinden tzom Stoetzelberge nahe Neuss .882 Er wirft zugleich ein Schlaglicht auf die schwelenden Kompetenzstreitigeiten zwischen der Medizinischen Fakultät der Kölner Universität und dem traditionsreichen Leprosorium Melaten bei der Lepraschau . Wie viele Lepraverdächtige im Laufe der Jahrhunderte von den Kölner Melaten untersucht worden sind, lässt sich nicht feststellen . Protokolle der dortigen Schauuntersuchungen existieren nicht . Allerdings deuten die Quellen darauf hin, dass die Zahl der im Laufe der Zeit im Melatenhaus durchgeführten Untersuchungen die der Kölner Medizinischen Fakultät bei Weitem übertraf . Die Wahrnehmung der leprakranken Prüfmeister im Leprosorium unterscheid sich vermutlich von der ärztlichen Sichtweise . Jedenfalls erhielten Lepraverdächtige, die aus unterschiedlichen Gründen bei beiden Kommissionen vorstellig wurden, mitunter gegensätzliche Urteile . Exemplarisch steht hierfür 880 keussen (1913), S . 80 Nr . 4 . 881 keussen (1913), S . 87 Nr . 81 . 882 scHWaBacH (1998) .
4 .5 Exkurs: Die Lepra
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der Fall des Heinrich tzom Stoetzelberge . Nachdem dieser bei einer Prüfung im Melatenhaus für leprakrank befunden worden war, erwirkte er am 10 . Juli 1526 eine weitere Untersuchung durch die Kommission der Medizinischen Fakultät . Mehrere Freunde hatten Heinrich dorthin begleitet . Die Ärzte konstatierten, dass der Untersuchte keine Anzeichen der Lepra aufwies . Doch der Magistrat von Heinrichs Heimatstadt Zons gab sich mit diesem Urteil nicht zufrieden . Rund 22 Jahre nach seiner ersten Untersuchung sah sich Heinrich tzom Stoetzelberge gezwungen, eine weitere Schau durch die Examinatoren der Medizinischen Fakultät über sich ergehen lassen . Erneut befanden die Ärzte den Besehenen für rein . Daraufhin kam es zum Eklat . Die Ratsherren von Zons waren nach wie vor nicht gewillt, den Lepraverdächtigen in der Stadt zu dulden und begannen einen Rechtsstreit mit der Medizinischen Fakultät der Universität Köln . Die Auseinandersetzung dauerte zwei Jahre . Schließlich griff das Kölner Domkapitel ein und drohte den Bürgermeistern von Zons mit der Exkommunikation, sofern diese auch weiterhin auf einer Absonderung Heinrichs beharren sollten . Unter dem Druck der Geistlichkeit gaben die Stadtväter zähneknirschend bei . Im Dunkeln bleibt, wie sich der Alltag Heinrichs in der Folgezeit gestaltete . Offen bleibt auch, warum Heinrich tzom Stoetzelberge so vehemente Reaktionen der städtischen Obrigkeiten hervorrief . Als Sohn eines Blinden galt er vielleicht schon im Vorfeld der Ereignisse als Randständiger . Doch dies allein reicht als Erklärung kaum aus . Heinrich muss durch irgendwelche körperlichen Merkmale den Lepraverdacht auf sich gezogen haben . Er war indes nicht der Einzige, der ein positives Urteil aus dem Kölner Melatenhaus widerspruchslos hinnahm . Die Weseler Ratsprotokolle des Jahres 1484 geben Einblick in einen Ausschnitt aus dem Leben des niederrheinischen Künstlers Johan Jost . Nachdem der Maler verdächtigt wurde, von der Lepra befallen zu sein, überstellte ihn der Weseler Magistrat zur Schauuntersuchung an das Kölner Melatenhaus .883 Der Befund der Prüfmeister bestätigte den Verdacht . Doch der Künstler wollte sich nicht ohne Gegenwehr in sein Schicksal fügen . Er beharrte darauf, dass es bei der Schau unterschiedliche Beurteilungen seiner Erscheinung gegeben . Einige seiner Freunde wurden beim Rat vorstellig, um eine Revision des Befundes aus Melaten zu erlangen und eine weitere Prüfung an anderem Ort zu erwirken . Für die Stadtväter bestand hierzu indes kein Anlass . Ungeachtet dessen reiste Jost derweil nach Haarlem . Von dort kehrte er in Begleitung des Haarlemer Stadtboten Arnt Lamberts nach Wesel zurück und legte nun ein Reinheitszeugnis vor . Dies veranlasste den Weseler Magistrat zwar zu einer Anfrage beim Kölner Melatenhaus in Sachen Johann Jost, doch wichen die dortigen Prüfer nicht von ihrem Urteil ab . Dies, ohne dem Künstler ein weiteres Mal zu untersuchen . Daraufhin verfügte der Rat, dass Jost die Stadt verlassen oder sich unverzüglich in das Leprosenhaus begeben solle . Doch Jost ließ nicht locker . 883 Martin Wilhelm roelen, Wesel-Haarlem-Köln . Neues zum Verwandtschaftsverhältnis von Jan Jost und Bartholomäus Bruyn d . Ä ., in: Hrsg . Werner arand, Neue Schätze . Städtisches Museum Wesel . Auswahl der Neuerwerbungen 1994–2000 (= Bestandskataloge des Städtischen Museums Wesel 3), Wesel 2000, S . 12–22 . JankriFt (2012), S . 122–123 .
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4 . Strukturen und Entwicklungen der Auseinandersetzung mit Seuchen
Am 27 . Oktober 1484 reiste er abermals nach Köln . Doch selbst die persönliche Vorsprache im Melatenhaus führte zu keiner neuen Beurteilung seines Falls . Schließlich entschied sich Jost, seine Heimatstadt zu verlassen und sich in Haarlem niederzulassen . Dort lebte er bis zu seinem Tod im Jahre 1519 . Waren die Weseler Obrigkeiten von Johann Josts Lepraerkrankung überzeugt, so geschah im bereits erwähnten Fall des Münsteraners Jost Heerde das genaue Gegenteil .884 Wegen seines körperlichen Zustands war Heerde wahrscheinlich als Präzedenzfall durch einen Ratsbeschluss im Januar 1629 vorrübergehend Aufnahme im Leprosorium Kinderhaus gewährt worden . Daraufin ersuchte er den Magistrat 1630 um eine dauerhafte Aufnahme in der Einrichtung . Durch die Hilfe der im Leprosorium wohnenden Siechen habe sich sein Zustand zunächst sehr gebessert, betont er in seinem Bittgesuch . Die Entscheidung des Rates zu einer vorübergehenden Aufnahme Heerdes in Kinderhaus erfolgte aus dem Grund, dass sich zu dieser Zeit Fälle von Krätze häuften . Um Lepraerkrankungen ausschließen zu können, erachte man deshalb die Einrichtung einer Probekammer in Kinderhaus für sinnvoll . Die dauerhafte Aufnahme im münsterischen Leprosenhaus war gemäß den Statuten aber nur möglich, wenn der Kranke das Bürgerrecht besaß und sich zudem der Schauuntersuchung im Kölner Melatenhaus unterzogen hatte . Heerde war zwar Bürger der Stadt Münster, konnte jedoch keinen Schaubrief aus Köln vorweisen . Inmitten des Dreißigjährigen Krieges war die Reise an den Rhein ein lebensgefährliches Unterfangen, dem sich Heerde noch nicht gestellt hatte . Gleichwohl war er vom Stadtarzt Dr . Bernhard Rottendorf d . J . wie auch von den Prüfmeistern des Hammer Leprosoriums auf dem Daberg untersucht und für leprakrank befunden worden . Wenngleich dieser Befund für eine befristete Zulassung ausreichte, pochte der Münsteraner Magistrat weiterhin auf eine Schau im Kölner Melatenhaus . Nachdem Heerde sich schließlich der geforderten Prüfung unterzogen hatte, fiel das Ergebnis anders als erwartet aus . Die Kölner Melaten befanden den Lepraverdächtigen für rein . Somit bestand für Heerde kein Anspruch auf eine Pfründe in Kinderhaus . Das Wiederaufnahmegesuch Heerdes vom 15 . November 1630 wurde dem Dorsalvermerk zufolge noch am Tag seiner Abfassung vor dem Rat verlesen und beraten . Schließlich kam man überein, den nach eigener Einschätzung Leprakranken zunächst für ein weiteres halbes Jahr in Kinderhaus zuzulassen . Danach sollte er sich erneut in Köln untersuchen lassen . Ob Heerde sich tatsächlich ein weiteres Mal in die Domstadt begab und ob das Schauergebnis dieses Mal seiner Selbstwahrnehmung entsprach, bleibt im Dunkeln . Belegt ist hingegen, dass er vom Zeitpunkt seiner einstweiligen Wiederaufnahme 27 Jahre lang im Leprosorium Kinderhaus lebte, wo er 1657 starb . Mitte des 17 . Jahrhunderts traten als Lepra wahrgenommene Erkrankungen auch in Essen noch immer vereinzelt auf . Im Jahre 1644 wird erstmals der aussätzig Martin in den Rechnungsbüchern des Leprosenhauses aufgeführt . Im Unterschied zu seinem Münsteraner Zeitgenossen Jost Heerde war Martin je884 JankriFt (1998c) .
4 .5 Exkurs: Die Lepra
325
doch der einzige Insasse des Leprosoriums . Ein Provisor teilte ihm wöchentlich einen Gulden sowie im Winter sechs Fuder Holz zu .885 Dieser Martin Geißmann lebte 23 Jahre lang als Pfründner im Essener Leprosenhaus und starb dort am 23 . Mai 1676 . Obwohl zeitlebens der einzige, war er doch noch nicht der letzte Bewohner des Leprosenhauses . Abt Ferdinand von Werden bat den Essener Magistrat im Jahre 1686 einen gewissen Philip welcher mit dem außsatz behafftet ist im Leprosenhaus aufzunehmen .886 In seinem Brief betont der Geistliche, dass Philip bereits seit einigen Jahren durch das Kloster mit dem Nötigsten versorgt worden sei . Hierzu hatten auch Versuche einer medizinischen Behandlung gehört . Es seien viele mittel auff seine Cur- und heilungh angewandt worden, vermerkt der Abt . Worum esd sich bei diesen Heilmitteln handelte und wer für die Behandlung zuständig war, geht aus dem Brief leider nicht hervor . Nachdem die heilkundlichen Bemühungen jedoch keinen Erfolg zeitigten, so der Abt, sehe man sich zu einem weiteren Unterhalt des Kranken allerdings außer Stande . Ferdinand führt aus, dass Philipp und seine Eltern nicht im Stift Essen geboren seien und er deshalb wenig Hoffnung habe, dass der Rat seinem Aufnahmegesuch entspreche . Allerdings könne er dem Kranken sein Bettzeug mitgeben . Der Rat kam dem Gesuch nach . Am 9 . Februar 1687 findet sich in den Rechnungen des Leprosenhauses ein erster Verweis auf die Versorgung Philipps .887 Dieser genoss neben dem Wohnrecht eine monatliche Geldzuteilungen von einem Taler und 15 Stübern . Schon wenig später verschlechterte sich der Zustand des jungen Mannes plötzlich derart, dass selbst die umsichtige Fürsorge des Provisors nicht mehr half . Dieser ließ dem Kranken Wein und Schafsfleisch zukommen, doch sein Befinden besserte sich nicht mehr . Die Infektionskrankheiten, die in westfälischen und rheinischen Städten über Jahrhunderte hinweg zahllose, zumeist namenlose Opfer forderten, hatten erneut ihre todbringende Wirkung gezeigt .
885 Stadtarchiv Essen, Rep . 100 Nr . 2106 . 886 Stadtarchiv Essen, Rep . 100 Nr . 2170 . 887 Stadtarchiv Essen, Rep . 100 Nr . 2122, fol .19r .
5.
Schlussbetrachtung: Die Auseinandersetzung mit Seuchenphänomen zwischen Angst und Ohnmacht, Gottvertrauen und empirischer Erkenntnis 5. Schlussbetrachtung
Angst und Ohnmacht, Gottvertrauen und empirische Erkenntnis bildeten in lokal und temporär variabler Gewichtung das Grundgerüst der Auseinandersetzung mit mittelalterlich-frühneuzeitlichen Seuchenphänomenen in westfälischen und rheinischen Städten . Blieben alle gefährlichen Infektionskrankheiten im vormikrobiologischen Zeitalter in letzter Konsequenz übermächtige Gegner, so bestimmte doch die Wirkungsweise einer Seuche in entscheidendem Maß den Grad kollektiver Furcht und damit das Reaktionsspektrum . Hilflosigkeit und Angst bis hin zur Hysterie prägten die traumatische Begegnung der Zeitgenossen mit dem Schwarzen Tod und den nachfolgenden Pestepidemien . Städtische Obrigkeiten, Geistlichkeit, Ärzteschaft und Bevölkerung reagierten auf die ungleiche Herausforderung lediglich im Vertrauen auf Möglichkeiten zur Erwirkung göttlicher Gnade als Kollektiv . Pragmatisches Handeln zur Eindämmung des Seuchengeschehens, zur Versorgung Pestkranker oder zu deren medizinischer Betreuung im weitesten Sinne erforderten hingegen individuelle Beherztheit und Entschlusskraft, bisweilen gar – wie etwa im Falle der Geistlichen, die zur letzten Ölung ans Sterbelager eilten – persönliche Opferbereitschaft . Die konfessionellen Auseinandersetzungen des 16 . Jahrhunderts veränderten hieran nichts . Inwieweit obrigkeitliche Maßnahmen fruchteten, war nicht zuletzt auch von der Größe der jeweiligen Stadt abhängig . Die Tatkraft der Weseler Autoritäten und die augenscheinliche Zurückhaltung etwa des Soester Rates deuten darauf hin, dass die Möglichkeiten zur Umsetzung von Maßnahmen und zur (sozialen) Kontrolle in einem überschaubareren Gemeinwesen wie der niederrheinischen Stadt naturgemäß besser waren als in der westfälischen Großstadt . Obgleich die westfälischen und rheinischen Städte Informationen über das Seuchengeschehen in ihren Mauern austauschten und medizinische Empfehlungen weitergaben, blieb die alltägliche Auseinandersetzung mit der Pest im konkreten Fall stets auf das betroffene Gemeinwesen allein beschränkt; selbst wenn der Landesherr – wie etwa in Wesel – bisweilen mit der Übermittlung einer vermeintlich heilsamen Rezeptur seine Anteilnahme demonstrierte . Die unter diesen Voraussetzungen allmählich entworfenen lokalen Strategien entwickelten sich auf der Grundlage empirischer Erkenntnis, etwa über die Effizienz einer Siechenfrau oder das Funktionieren eines Pesthauses, und reiften im Laufe des 16 . Jahrhunderts zu voller Blüte . Indessen bot die Heilige Schrift – anders als im Falle der Lepra – keine Verhaltensempfehlungen im Umgang mit der Pest . Mit Ausnahme der erst im 17 . Jahrhundert zur Unterbringung Pestkranker genutzten Schervielsburg vor den Toren Aachens lagen in Rheinland-Westfalen alle Pesthäuser innerhalb der Stadtmauern . Die Ausführungen zur Einrichtung der Martini-Elende in Münster zeigen, dass selbst den Zeitgenossen bewusst war, dass diese Situation kaum wirklich zu einer
5 . Schlussbetrachtung
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Verminderung der Ansteckungsgefahr beitrug . Das einzig sichere und stets anzutreffende Mittel, dem Unheil zu entrinnen, blieb die Flucht . Angesichts dessen erscheint die Ansiedlung sämtlicher Leprosenhäuser außerhalb der Stadtmauern auf den ersten Blick paradox . Die zeitgenössische Erfahrung im Umgang mit der Krankheit zeigten, dass ihre Kontagiosität vergleichsweise gering war . Betroffen waren Einzelne, nicht – wie im Falle epidemischer Erkrankungen – das Kollektiv . Darüber hinaus boten die Einrichtungen nicht allen Aussätziger Platz . Da eine unbestimmte Zahl Leprakranker nicht in den Genuss institutioneller Versorgung kam, andere sich – wie in Köln zu beobachten – ihrer Absonderung entzogen und selbst die im Leprosorium Aufgenommenen das Haus zu festgelegten Zeiten verlassen durften oder bei Verstößen gar ihre Pfründe verloren, erfüllten die Institutionen nirgendwo eine Quarantänefunktion . Mithin scheint der Beitrag der Leprosenhäuser zum Rückgang der Lepra eher gering gewesen zu sein . Die Errichtung von Leprosorien vor den Stadtmauern war demnach insbesondere durch die Ausführungen der Heiligen Schrift geleitet, nach denen Leprakranke außerhalb des Lagers leben mussten . Betont wird dabei die Unreinheit des Infizierten . Vor diesem Hintergrund geschah der Ausschluss nicht primär aus medizinischen Erwägungen, sondern aus kultischen Gründen . Auf dieser Grundlage erfolgte die soziale Konstruktion der Krankheit durch mittelalterliche Stadtbevölkerungen . Leprakranke wurden nicht in erster Linie aus der Gemeinschaft der Gesunden, sondern aus der Kultgemeinschaft ausgeschlossen . Dies manifestiert sich nicht zuletzt in dem Recht und der Pflicht zur Einrichtung eigener Gotteshäuser und Friedhöfe sowie in der Anlage von Hagioskopen zumeist in ländlichen Kirchen . Zugleich blieb die Lepra aufgrund ihrer besonderen Wirkungsweise ein leidlich kontrollierbares Problem, dem man sich nicht nur auf lokaler Ebene stellte . Vielmehr prägte regionale Kooperation, deutlich insbesondere in der Ausgestaltung des Schauwesens, den Umgang mit der Krankheit und ihren Opfern . Macht die Natur der Krankheit eine langfristige Versorgung nötig, die das gegenwärtige Gesundheitssystem angesichts der erheblichen Kosten in besonderem Maße belasten würde, kam dem langen Siechtum der Kranken aus Sicht der mittelalterlich-frühneuzeitlichen Gesellschaft zugleich eine religiöse Bedeutung für das Kollektiv zu: Mit ihren Gebeten für das Seelenheil verstorbener Wohltäter leisteten die Kranken eine unverzichtbare Aufgabe . Leprosorien wie das Münsteraner Kinderhaus schwangen sich vor diesem Hintergrund zu finanzstarken Institutionen auf . Pesthäuser hingegen, deren Insassen rasch starben und somit keine Gebetsleistungen erfüllen konnten, blieben dauerhaft auf obrigkeitliche Unterstützung angewiesen . War den massiven Auswirkungen der Pest selbst mit entschiedenem Handeln kaum beizukommen und blieben die Auswirkungen der Lepra kontrollierbar, so zeigt sich im Falle der am Ende des 15 . Jahrhunderts auftretenden Syphilis und des Englischen Schweißes von 1529, dass den Zeitgenossen in der Auseinandersetzung mit diesen Geißeln im Rahmen ihrer Möglichkeiten durchaus Erfolg beschieden war . Die Angst vor diesen neuen Phänomenen war unterschiedlich, jedoch in beiden Fällen überwindbar . Die Syphilis schien
328
5 . Schlussbetrachtung
trotz ihrer Schrecken behersch- und nach Erkennen des Übertragungsweges vor allem individuell vermeidbar . Behandlungen, so gefährlich und schmerzhaft sie sich im Einzelfell gestalteten, boten zumindest eine realistische Hoflnung auf Linderung des Übels . Eigene Lokalstrategien zum Umgang mit der neuen Seuche fallen in Rheinland-Westfalen nicht ins Auge . Die Auseinandersetzung mit dem Englischen Schweiß wurde dominiert von der rasch auf empirischen Weg gewonnenen Erkenntnis, dass der Infektionskrankheit mit therapeutischen Mitteln erfolgreich beizukommen war . Der intensive Informationsaustausch unter den rheinisch-westfälischen Städten rettete in diesem Fall einer unbestimmten Zahl Erkrankter ebenso das Leben wie die Hilfe durch Personen aus benachbarten Gemeinwesen, welche die Seuche bereits erlebt hatten . Ihr Erfahrungswissen brachten sie tatkräftig bei der Behandlung von Kranken in Nachbarstädten ein . Unabhängig von der Wirkungsweise des jeweiligen Seuchenphänomens stand für die Zeitgenossen allerdings stets fest, dass der ungleiche Kampf gegen den apokalyptischen Reiter auf seinem fahlen Pferd nur dann bestanden werden konnte, wenn Gott dieses in seiner Gnade fügte . So schloss der seit 1599 in Soest als Stadtarzt tätige Johann Kattenbusch seine Empfehlungen zum Verhalten in Pestzeiten mit den bezeichnenden Worten: Medicin hilffet wann Gott es will, wan nicht da ist des Todes viel .1
1
Stadtarchiv Soest, Sz 1 kat 1 Rara, S . 3 .
6.
Quellen- und Literaturverzeichnis
6 . Quellen- und Literaturverzeichnis 6.1 Archivalien 6.1 Archivalien Aachen Stadtarchiv
RA I H III 1, Urkunde betr . Melatenhaus, 1393 RA I H III 2, Urkunde betr . Melatenhaus, 1393 RA I H III 3, Urkunde betr . Melatenhaus, 1400 RA I H III 4, Urkunde betr . Melatenhaus, 1426 RA R . I .8, Ratsverordnung zur Verhütung von Seuchen u . Verbot des Geißelns, 1349 RA I J .20, Abrechnung über Pflasterung des Marktplatzes, 15 . Jh . RA I J .38, Stadtrechnung 1433 RA I J .45, Stadtrechnung 1467/1468 RA I J .47, Stadtrechnung 1472/1473 RA I J .51, Stadtrechnung 1477 RA I J .52, Tuchrechnung f . Kleidung der Stadtdiener, 1401 RA I P .2, Wassernutzung, 1442 RA I P .5, Bau eines privaten Abflusses, 1568 RA I P .7, Wasserleitung, 1406 RA I P .9, Vergleich über Wassemutzung am Sensebach, 1501 RA I W .398, Schreiben der Stadt Aachen an den Propst zu Cranenberg betr . Pestgerüchte, 1530 RA II 2654, Verträge wegen der Lombarden und des Judengeleits, 1361–1660 RA II 2658, Auszüge aus der Ausgabenrechnung 1448 RA II 1062, Marktwasserleitung, 1547–1809 RA II 426, St .Rochus-Bruderschaft Handschrift 16, Chronik des Jesuiten Heinrich von Thenen (um 1657) Handschrift 87, Rochusbruderschaft, Namensverzeichnis Handschrift 212, Aachener Chronik des Notars J . L . Schröder (1315–1725) Handschrift 213, Aachener Chronik von J . J . Fell (1319–1713) Handschrift 311, Arzneibuch, undatiert
Domarchiv Best . VI, Nr . 11, Testament des Dechanten Herman Blankart von Zülpich, 1350 Best . XVIII, Nr . 3, Heilmittel und Recepte zur Reinigung des Blutes, wenn die Pest regiert, 16 ./17 . Jh .
Dortmund Stadtarchiv Urkunden A1, 1220–1380 Urkunden A2, 1381–1400 Urkunden A3, 1401–1410 Urkunden A4, 1411–1429 Urkunden A5, 1430–1469
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6 . Quellen- und Literaturverzeichnis
Urkunden A6, 1470–1499 Urkunden A7, 1500–1540 Urkunden A11, undatiert Best .2, Nr . 19, Verordnungen Best .2, Nr . 119, Kirchensachen/-rechnungen, darin Inventar des Altars der Leprosenkapelle, 1576 Best .2, Nr . 1322, Einkünfte des Leprosenhauses Amtsbücher, Best .202- II 3, 2 . Bürgerbuch, 1557–1630 Amtsbücher, Best .202- II 14, Gerichtsbuch Amtsbücher, Best .202- II 7, Stadtrechnungen, 1444, 1461 u . 1488 Handschriften, Best .203–9, Detmar Mulher, Kurtes Chronicon von Ankunfft, Zunahm und Fortgang der Kayserlichen Freyen Reichs- und Hanse-Stadt Dortmund, 1622 Arme von St . Nikolai, Best .228, Nr . 17 Almosenschüssel St . Reinoldi, Best .230, Nr . 17 Best . 448, Nr . 15, Die Merkwürdigkeiten der Kayserl . und des H . R . Reichs freier Stadt Dortmund von Joh . Christoph Beurhaus (1721–1786) Best . 449/01–14, Chronik des Dominikaner Klosters zu Dortmund nach P . Johannes Crawinkel von P . Schulz, 1706
Düsseldorf Hauptstaatsarchiv Herzogtum Jülich-Berg I, Akten, Nr . 68, Hofärzte, 1436–1515 Herzogtum Jülich-Berg I, Akten, Nr . 273, Gesundheitszustand des Herzogs, 1509–1510 Herzogtum Jülich-Berg I, Akten, Nr . 455, Bündnis Kleve-Geldern, darin: Pest, 1472 Herzogtum Jülich-Berg I, Akten, Nr . 106, Arzt des Jungherzogs, 1470 Herzogtum Jülich-Berg I, Akten, Nr . 109, Arzt der Herzogin, 1471 Herzogtum Jülich-Berg I, Akten, Nr . 1286, Badestube Köln, Wundarzt zu Jülich Herzogtum Jülich-Berg I, Akten, Nr . 1365, Juden 1419–1516 Herzogtum Jülich-Berg I, Akten, Nr . 1389, Syphilis, Ärzte Herzogtum Jülich-Berg I, Akten, Nr . 1443, Aussatz, Pest in Düsseldorf, Syphilis,1494 Kloster Hagenbusch, Urkunden, Nr . 12a Stift Essen, Akten, Nr . 510, Fundatio der Capella leprosorum Stift Essen, Akten, Nr . 513, Leprosenrechnung, 1522 Stift Essen, Akten, Nr . 514, Leprosenrechnung, 1528
Duisburg Stadtarchiv Best .1, Nr . 109 II, Annahme des Scharfrichters Hans Vierhalter, 1531 Best .1, Nr . 117, Siechenschaubrief aus Köln Melaten Best .1, Nr . 1181, Siechenschaubrief aus Köln Melaten Best .1, Nr . 1201, Siechenschaubrief aus Köln Melaten Best .1, Nr . 132, Siechenschaubrief aus Köln Melaten Best .1, Nr . 138, Straßenpflasterung Best .1, Nr . 139, Siechenschaubrief aus Köln Melaten Best .1, Nr . 140 III, Siechenschaubrief aus Köln Melaten Best .1, Nr . 145, Siechenschaubrief aus Köln Melaten
6 .1 Archivalien
331
Best .1, Nr . 153, Siechenschaubrief aus Köln Melaten Best .1, Nr . 35 A, De non tolerandis Judaeis, 1362 Best .1, Nr . 43 III, Auszüge aus Stadtrechnungsrollen über peinl . Gerichtsverfahren, 1381– 1535 Best .1, Nr . 94 IV A, Brunnenstreitigkeiten Best .10A, Nr . 1, Ratsprotokolle 1532–1538 (Verdrachboich) Best .10A, Nr . 2, Ratsprotokolle 1538–1558 Best .10A, Nr . 101, Stadtlagerbuch Best .10A, Nr . 102, Statutenbuch Best .10A, Nr . 152, Protokollbuch des Schöffengerichts 1413–1418 Best .10A, Nr . 153, Protokollbuch des Notgerichts 1538–1545 Best .10A, Nr . 158, Ratsgerichtsprotokolle 1534–1546 Best .10, Nr . 16, Wachen gegen feindliche Invasion und Pest Best .10, Nr . 40, Beschwerdebrief des Scharfrichters betr . Abdecken und Reinigung Best .10, Nr . 1048b, Testament des Jakob Zwickert, 1579 Best .10, Nr . 1114–1129, Leprosenrechnungen Best .10, Nr . 2795, Straßenreinigung Best .10, Nr . 3211–3235, Stadtrechnungen 1412–1532 Best . 94, Akten Nr . 596, Minoritenkloster
Essen Stadtarchiv Rep .100 Nr . 2100, Rechnungsbuch Siechenhaus, 1514 Rep .100 Nr . 2101, Rechnungsbuch Siechenhaus, 1519 Rep .100 Nr . 2102, Rechnungsbuch Siechenhaus, 1520 Rep .100 Nr . 2103, Rechnungsbuch Siechenhaus, 1521 Rep .100 Nr . 2104, Rechnungsbuch Siechenhaus, 1544 Rep .100 Nr . 2106, Rechnungsbuch Siechenhaus, 1644–1646 Rep .100 Nr . 2107, Rechnungsbuch Siechenhaus, 1647–1655 Rep .100 Nr . 2117, Rechnungsbuch Siechenhaus, 1666–1671 Rep .100 Nr . 2118, Rechnungsbuch Siechenhaus, 1666–1671 Rep .100 Nr . 2147, Urkundenbuch des Siechenhauses, 1373–1525 Rep .100 Nr . 2148, Vikarienstiftung Siechenkapelle 1476 Rep .100, Nr . 2153, Verpflichtung des Siechenhausvikars, 15 . Jh . Rep .100, Nr . 2161, Verpachtung des Siechenhauses, 1728–1765 Rep .100, Nr . 2169, Aufnahmegesuch des Jorgen Herrentrey aus Bonn, 1571 Rep .100, Nr . 2170, Brief des Abts Ferdinand von Werden bzgl . Aufnahme eines Leprakranken, 1686 Rep .100, Nr . 1723, Aufnahmegesuche Heilig-Geist-Spital und Gasthaus, 1507–1803 Rep .100, Nr . 2356, Armenordnung der Stadt Essen, 1581 Rep .100, Nr . 2408, Almosenunterstützung während der Pest, 1553 Rep .100, Nr . 2419, Ausgaben der Bauerschaften, Intus: Pestjahr 1533 Rep .100, Nr . 2529, Akten Barbierzunft Rep .100, Nr . 61, Fürstliche Verordnungen, Judengeleit Rep .100, Nr . 133, Fürstliche Verordnungen, Judengeleit Rep .100, Nr . 134, Fürstliche Verordnungen, Judengeleit Rep .100, Nr . 184, Verordnungen Rep .100, Nr . 185, Verordnungen (Stadturteilbuch) Rep .100, Nr . 197, Judenordnung, 1598
332
6 . Quellen- und Literaturverzeichnis
Rep .100, Nr . 244, Listen der Ratsherren, 15 ./16 . Jh . Rep .100, Nr . 282, Formularbuch, 15 . Jh . Rep .100, Nr . 283, Das „Gruntlike Protokoll“ (Ratsprotokoll), 1467–1540 Rep .100, Nr . 300, Statutenbuch Rep .100, Nr . 350, Ratsgerichtsprotokolle Rep .100, Nr . 403, Beschwerde der Metta Vandaghes, 15 . Jh . Rep .100, Nr . 406, Klage gegen den Juden Meir von Essen, 1446 Rep .100, Nr . 410, Acta Criminalia/Scharfrichter Rep .100, Nr . 717–722, Wasserleitung, 16 .–18 . Jh . Rep .100, Nr . 749, Schreiben betr . Bezahlung eines Wundarztes, 1587 Rep .100, Nr . 750, Schreiben des Marktmedicus Engel, undatiert Rep .100, Nr . 857, Stadtrechnung, 1350 Rep .100, Nr . 858, Stadtrechnung, 1364–1377 Rep .100, Nr . 859, Stadtrechnung 1371/1372 Rep .100, Nr . 860, Stadtrechnung 1381/1382 Rep .100, Nr . 861, Stadtrechnung 1390/1391 Rep .100, Nr . 862, Stadtrechnung 1398/1399 Rep .100, Nr . 863, Stadtrechnung 1409 Rep .100, Nr . 864, Stadtrechnung 1410 Rep .100, Nr . 914, Stadtrechnung 1529 Rep .100, Nr . 916, Stadtrechnung 1533 Rep .100, Nr . 917, Stadtrechnung 1534/1535 Rep .100, Nr . 932, Stadtrechnung 1554/1555 Rep .100, Nr . 948, Stadtrechnung 1579 Rep .100, Nr . 949, Stadtrechnung 1581 Rep .100, Nr . 962, Stadtrechnung 1598/1599 Rep .100, Nr . 963, Stadtrechnung 1600/1601 Briefarchiv, unverzeichnet, 1401–1587 Sammlung Ribbek, Nr . 791, Hebammen Sammlung Ribbek, Nr . 27, Apotheken Sammlung Ribbek, Nr . 43, Badestuben Sammlung Ribbek, Nr . 151, Elende Sammlung Ribbek, Nr . 962–981, Pest
Köln Historisches Archiv Actus et processus 4, Auseinandersetzung der Stadt mit dem Hohen weltlichen Gericht, 1423– 1624 Armenverwaltung, Best . 160 Melaten B2001, Inventar- und Rechenschaftsbuch Melaten, 1545–1552 Armenverwaltung, Best . 160 Melaten B2003, Handbuch der Verwalter von Melaten, 1758– 1789 Armenverwaltung, Best .160 Melaten B2030, Rechnungsbuch, 1443 Armenverwaltung, Best .160 Melaten B2192, Einnahmen u . Ausgaben der Bruderschaft zum Heiligen Geist der Armen zu Melaten Armenverwaltung, Best . 160 Melaten B2002 Armenverwaltung, Revilien 2/1745 Chroniken u . Darstellungen 5, Cronica presulum et archiepiscoporum Coloniensium Chroniken u . Darstellungen 70, Kölner Chronik, 1580 Chroniken und Darstellungen 72, Annales Colonienses 1500–1596, Mitte 17 . Jh .
6 .1 Archivalien
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Haupturkundenarchiv (HUA) 1/12644 Dienstvertrag des Reinhard von Monheim als städt . Wundarzt, 1457 Haupturkundenarchiv (HUA) 1/12683, Dienstvertrag des Herman Karben von Marckburch als städt . Wundarzt, 1458 Hohes Weltliches Gericht, Gl Kriminalakten 1 Kriminalakten 3 Rechnungen 3, Verpachtung des jüdischen Besitzes 1351–1358 Rechnungen 8, Liber Judeos, 1372 Suppliken, 1400–1648/6 Testamente 3/B 280, Testament der Gertrud von Bercheim, 1630 Testamente, 3/B 1066, Testament der Belgin Buchels Testamente 3/H 522, Testament des Jasper von Herll, 1541 Testamente, 3/A 195, Testament des Arnold von Arnheim, 1525 Testamente, 3/D 54 und 2/D 55, Testament des Johann Dasß, 1506 Universität 366, Liber actorum et consuetudinum facultatis medicine Universität, A 455, Gutachterfunktion für Melaten, 15 .Jh .–1712 Verfassung u . Verwaltung 909, Gehaltsabrechnungen für städtische Bedienstete Verfassung und Verwaltung G 206, Prothocollum ind irster anzeichnongh der gefangen, bynnen Colne uff den tornen verhört, 1555–1560; 1567–1568 Verfassung u . Verwaltung G 207, Verhörprotokolle, 1557–1560 Verfassung u . Verwaltung Nachträge 1017, Eid der städtischen Wundärzte, 16 . Jh . Verfassung u . Verwaltung Nachträge 164c, Finanzielle Verhältnisse der Hospitäler, 14 . Jh .– 1767 Verfassung u . Verwaltung Nachträge 49, Gesundheitsvor- u . -fürsorge durch die Pest, 1592– 1759 Verfassung u . Verwaltung Nachträge 61, Auszug aus der Ratsämterrolle, 1493–1710 Verfassung u . Verwaltung, G2 79, Totenschauberichte der Gewaltrichter, 1468–1481 Verfassung u . Verwaltung, Nachtrag 788, Städtische Edikte (darin: Pestordnung 1597) Verfassung und Verwaltung Nachträge 353, Schließung der Pestapotheke, 1730–1736 Zunft A 365, Ordnung und Zunft der Barbiere Zunft A 381, Berufepraxis der Barbierzunft, 16 . Jh .–1794 Hs GB 4°27, Arznei- und Kochbuch, 15 . Jh . Hs GB 4°84, Medizinische Traktate u . Rezepte, ca . 15 . Jh . Hs W279, Antidotarium Nicoli, 15 . Jh .
Historisches Archiv des Erzbistums Köln DOM, AII 7, Korrespondenz des Kölner Domkapitels, 1518–1597 DOM, AII 8, Korrespondenz des Kölner Domkapitels, 1540–1544 DOM, AII 10, Briefe an das Kölner Domkapitel von Auswärts, 1582–1586
Liège Archives de l’Etat Archives de l’Hôpital de Cornillon, N° 65, Requetes pour être admis à Cornillon, 1540–1744 (darin Schaubrief) Archives de l’Hôpital de Cornillon, N° 66, Ordonnance des bourgmestres jurés, 1649 Archives de l’Hôpital de Cornillon, N° 67, Convocation des malades suspects de lèpre, 1651– 1726
334
6 . Quellen- und Literaturverzeichnis
Archives de l’Hôpital de Cornillon, N° 68, Résultat de l’expertise medical concemant la personne de Jacques Nestre, 1647 Archives de l’Hôpital de Cornillon, N° 69, Expertise médicale concemant Ida Renard atteinte d’elephantiasis, 1692 Archives de l’Hôpital de Cornillon, N° 70, Pièces de procédure en cause, 1647–1650
Minden Kommunalarchiv Stadt Minden, AI, Urkunde Nr . 133 Stadt Minden, AIII, Urkunden der Armen- und Siechenhäuser Stadt Minden, B369, Ratserlasse Straßenreinigung und Armenwesen Stadt Minden, B624, Schriftwechsel mit Armenhospital in Münder Stadt Minden, B746, Jude aus Bodenwerder Stadt Minden, B647, Schriftwechsel mit Dortmund Stadt Minden, B670, Schriftwechsel mit Köln Stadt Minden, B702, Schriftwechsel mit Paderborn Stadt Minden, B711, Schriftwechsel mit Soest Stadt Minden, B765, Totengeläut bei Pest Stadt Minden, B786, Absage des Martinimarktes wegen der Pest Stadt Minden, B787, Isolierung der Pestkranken Stadt Minden, B41, Bürgerbuch 1574–1608 Stadt Minden, B437, Jahrmärkte Stadt Minden, B98alt, Zünfte: Barbiere Stadt Minden, B100alt, Medizinalwesen Stadt Minden, B454, Bestallung eines Apothekers Stadt Minden, B102alt, Armenordnung Stadt Minden, B129–132, Ratsbeschluß Verunsäuberung Klostergang Stadt Minden, B307, Kämmerei Stadt Minden, B77, Kämmerei Stadt Minden, B146alt, Rechnungsbelege 1500–1599 Stadt Minden, B163a,2alt, Einwohner- und Steuerlisten, 15 . Jh . Stadt Minden, B163a,4alt, Einwohner- und Steuerlisten, 16 . Jh . Stadt Minden, B163a,3alt, Handwerkerliste Stadt Minden, 252alt, Strafprozeßwesen Stadt Minden, 254alt, Strafprozeßwesen Stadt Minden, 256alt, Strafprozeßwesen Stadt Minden, 260alt, Strafprozeßwesen Stadt Minden, 266alt, Strafprozeßwesen Stadt Minden, 270alt, Strafprozeßwesen
Münster Stadtarchiv Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Urkunden Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten 1, Rechnungsregister 1515 Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten 4 Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten 160, Erbe eines Leprakranken, 1601
6 .1 Archivalien
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Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten 176, Archivinventare, 1687 u . 1780 Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten 177, Hausordnung, 1558–1686 Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten 178, Küchenordnung, 1592/1593 Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten 179, Beschwerde über Verwaltung, 1590 Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten 181, Neue Küchenordnung, 1615 Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten 182, Aufnahmegesuch des Jost Heerde, 1630 Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten 186, Kopiar Küchenordnung, 1447 Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten 189, Kopiar Stiftungsarchiv, Kinderhaus, Akten 190, Kopiar Stiftungsarchiv, Aegidii-Elende, Urkunde 1,1436 Stiftungsarchiv, Aegidii-Elende, Urkunde 3,1474 Stiftungsarchiv, Aegidii-Elende, Urkunde 3a, 1475 Stiftungsarchiv, Aegidii-Elende, Urkunde 6,1523 Stiftungsarchiv, Aegidii-Elende, Akten 1, Rechnungsbücher, 1558 ff . Stiftungsarchiv, Aegidii-Elende, Akten 21, Ordnung des Rates über die vier Elenden, 1589 Stiftungsarchiv, Lamberti-Elende, Urkunden 1, 1529 Stiftungsarchiv, Lamberti-Elende, Akten 1, Rechnungsbücher, 1553 ff . Stiftungsarchiv, Überwasser-Elende, Urkunden 1c, 1535 Stiftungsarchiv, Überwasser-Elende, Urkunden 2, 1518 Stiftungsarchiv, Überwasser-Elende, Akten 11, 1519 Stiftungsarchiv, Überwasser-Elende, Akten 14, 1605 Stiftungsarchiv, Martini-Elende, Urkunde 3, 1573 Stiftungsarchiv, Martini-Elende, Akten 1, Rechnungen, 1592 ff . Stiftungsarchiv, Martini-Elende, Akten 18, Kolorierter Hausgrundriß, 1785 Stiftungsarchiv, Magdalenenhospital, Akten 5, Rechnungsbuch, 1564 Stiftungsarchiv, Almosenkorb Überwasser, Akten 1, Rechnungsbuch, 1546 AI 83, Armenwesen, Bekämpfung des Betteins, Ordnungen aus Dortmund, Osnabrück, Amsterdam und Deventer AII, Ratsprotokolle, Bde . 3, 4, 8, 9,12, 12a, 20,21 AIV 1, Bürgerlisten, 1538–1609 AVI 1, Auszüge aus Polizeiordnungen 1356, 1442, 1492, 1521 AVI 3, Bettelordnungen und Vagabunden AVI 8, Judengeleit AVI 23, Herbergsliste AVI 25, Aufenthalt von Fremden AVI 26, Apotheken, Visitationen, Arzneitaxen 1562/1574 AVI 66, Straßenreinigung und Rechnungen AVI 68, Abfahrt des Straßenkehrrichts AVII 71, Reinigung der Aa AVIII 88, Kanalisationsprojekt Schlaun, 1745 AXI 53, Rotes Buch der Gilden AXI 248, Bruderschaftsartikel der Chirurgen (Mit Abschrift aus Köln 1397) AXI 249, Aufnahme des Caspar Lethmathe in die Chirurgengilde AXI 250, Zusätze und Abänderung der Rolle AXI 283, Bruderschaftsordnung (Entwurf) der Spielleute AXVII 27, Stadtarzt AXVII 46a, Leprosenhaus Telgte bittet, in Münster Almosen sammeln zu dürfen, 1588 BII, Acta Criminalia, 11, 14, 51, 73 u . 256
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6 . Quellen- und Literaturverzeichnis
Staatsarchiv Grafschaft Mark, Städte: Hamm, Milde Stiftungen, Nr . 64 Grafschaft Mark, Städte: Hamm, Milde Stiftungen, Nr . 92 Minden, Kriegs- und Domänenkammer Minden, Bistum, Stadt Minden Lippstadt, Siechenhaus St . Matthiae Paderborn, Fürstbistum Urkunden Paderborn, Kanzlei Paderborn, Fürstbistum, Hofkammer, Nr . 3910
Paderborn Stadtarchiv A 0639, Reinigung und Besserung der Straßen, Verlegung der Kirchhöfe A 5253, Wasserkunst A 5278 Visitation Siechenhaus, 1692 Cod . 257, Spitäler, Urkunden
Akademische Bibliothek, Altertumsverein Act .42, Notizen über Wasserkunst Act .45, Verwahrung der Siechen gegen die ihnen implizierte Verräterei an die Hessen
Soest Stadtarchiv A Hs 22, Rademachers Annales A Hs 31, Brunnenneubau, Säubern Großer Teich A Hs 47, Materialsammlung Vorwercks Apotheker, Wetter etc . A Hs 67, Sebastiansaltar A Hs 68, Materialsammlung Vorwercks zu Kapellen, Juden etc . A Hs 71, Urkundenabschriften der Armen- und Krankenanstalten A Hs 74, Materialsammlung Vorwercks zu Wohlfahrtsanstalten, Jahrmärkten etc . A Hs 82, Materialsammlung Vorwercks zur Geschichte von Höfen und Gütern und zur Kulturgeschichte A Hs 104, Wasserleitung, Mühlenvertrag A Nr . 10478, Medizinalordnung 1613 A Nr . 10514, Hinrichtung auf der Marbecke A Nr . 1263, Edikt zur Abschaffung der Bettler, Aussätzigen etc . A Nr . 3049, Missivenbuch A Nr . 3052, Missivenbuch A Nr . 3080, Ratsprotokollbuch 1548–1591 A Nr . 3086, Ratsprotokolbuch 1404–1509 A Nr . 3087, Ratsprotokollbuch 1509–1548 A Nr . 3774, Gerichtswesen A Nr . 3777, Artikel gegen verteckte Hurerei, 1593 A Nr . 3945, Judengeleit
6 .1 Archivalien
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A Nr . 4538, Stadrechnung 1503 A Nr . 4545, Stadrechnung 1517 A Nr . 4549, Stadtrechnung 1529 A Nr . 4562, Stadrechnung 1554 A Nr . 4569, Stadrechnung 1566 A Nr . 6035, Bericht über den Zustand des Gelmer Bachs A Nr . 6036, Säuberung des Großen Teichs und des Kolks A Nr . 6453, Begräbnisplätze, 1323 A Nr . 6740, Beschränkung von Teilnehmern bei Begräbnissen A Nr . 6768, Beschränkung von Teilnehmern bei Begräbnissen A Nr . 6769, Beschränkung von Teilnehmern bei Begräbnissen A Nr . 7184, Sammelband betr . die Armenanstalten A Nr . 7192, Armenordnung Dortmund A Nr . 9027, Gesundheitszeugnis für zwei Leprakanke im Mariengarten, 1576 A Nr . 9360, Statut des Erzbischöfe Siegfried von Köln A Nr . 9361, Leprosorium zur Marbecke A Nr . 9363, Leprosorium zur Marbecke A Nr . 9365, Ordnung der Heilig-Kreuz-Leprosengilde von Coesfeld, 1504 A Nr . 9366, Ordnung der Heilig-Kreuz-Leprosengilde von Coesfeld, 1514 A Nr . 9381-A Nr . 9391, Siechenschaubriefe des Kölner Melatenhauses, 15 ./16 . Jh . A Nr . 9392, Schauordnung A Nr . 9477, Rentregister der armen Kranken zur Marbecke A Nr . 9660, Akten Rechnungslegung Pilgrimhaus-Melaten, 1586–1603 Sz1 Kat1 Rara, Kurzer Bericht gegen die gifftige Pestilentz, 1607 Cod .23, Medizinische Sammelhandschrift, Frankreich, 14 . Jh .
Wesel Stadtarchiv A1, Caps . 119, Nr . 1, Jahrmärkte A1, Caps . 45, Nr . 3, Acta wegen Verkaufung des Pesthauses, 1777–1778 A1, Caps . 345–347, Nr . 7 Liber Plebiscitorum, 1401–1538 A1, Caps . 345–347, Nr . 16 Brunnenordnung, Pestordnung, Wundarzt- oder Barbierordnung A3, Nr . 1 Ratsprotokolle, 1466–1475 A3, Nr . 6 Ratsprotokolle, 1493–1496 A3, Nr . 7 Ratsprotokolle, 1496–1497 A3, Nr . 12 Ratsprotokolle, 1506/1507 A3, Nr . 13 Ratsprotokolle, 1507/1509 A3, Nr . 23 Ratsprotokolle, 1529/1530 A3, Nr . 56 Ratsprotokolle, 1568–1570 A3, Nr . 62 Ratsprotokolle, 1587/1588 A3, Nr . 71 Ratsprotokolle, 1599–1602 A7, Stadtrechnung 1453 A7, Stadtrechnung 1483 A7, Stadtrechnung 1484 A7, Stadtrechnung 1494 A7, Stadtrechnung 1495 A7, Stadtrechnung 1496 A7, Stadtrechnung 1507 A7, Stadtrechnung 1519 A7, Stadtrechnung 1520
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6 . Quellen- und Literaturverzeichnis
A7, Stadtrechnung 1521 A7, Stadtrechnung 1524 A7, Stadtrechnung 1529 A7; Stadtrechnung 1530 A7, Stadtrechnung 1553 A7, Stadtrechnung 1554 A7, Stadtrechnung 1555 A7, Stadtrechnung 1564 A7, Stadtrechnung 1565 A7, Stadtrechnung 1566 A7, Stadtrechnung 1570 A7, Stadtrechnung 1599 A11, Pest-Gasthaus Rechnungen, 1581–1607 A11, Leprosen-Stiftung Rechnungen, 1417–1477 A11, Leprosen-Stiftung Rechnungen, 1480–1550 A11, Leprosen-Stiftung Rechnungen, 1511–1540 A11, Leprosen-Stiftung Rechnungen, 1541–1570 A11, Leprosen-Stiftung Rechnungen, 1571–1590 Nachlass Folz, Bd . 4
Xanten Stadtarchiv Altes Archiv, Urkunden Altes Archiv, K11, Gasthausrechnungen Altes Archiv, K181, Rechnungen der St .-Antoniusgilde
6.2
Gedruckte Quellen 6.2 Gedruckte Quellen
Aachener Stadtrechnungen aus dem 14 . Jahrhundert . Nach den Stadtarchivurkunden mit Einleitung, Register und Glossar, Bearb . Josef laurent, Aachen 1866 [Neuauflage: 1876] . Aachener Chronik . Aus einer Handschrift der königlichen Bibliothek in Berlin, Bearb . Hugo loerscH, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 17 (1866), S . 1–29 . Aachener Rechtsdenkmäler aus dem 13 ., 14 . und 15 . Jahrhundert, Hrsg . Hugo loerscH, Bonn 1871 . Aachener Urkunden 1102–1250, Hrsg . Erich Meuthen (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde LVIII), Bonn 1972 . Alberti Krantzii Metropolis seu historia de ecclesiis sub Carolo Magno in Saxonia instauratis 780–1504, Basel 1548 . Annales Agrippinenses, Hrsg . Georg Heinrich pertZ, in: MGH SS 16, Hannover 1859 [Neudruck: Leipzig 1925], S . 736–738 . Annales Xantenses anno 640–874, Hrsg . Georg Heinrich pertZ, in: MGH SS 2, Hannover 1829 [Neudruck: Leipzig 1925], S . 217–235 . Anonymi Chronicon de genealogia successione ac rebus gestis comitum ac postea ducum Clivensium 1450, in: Hrsg . Johann Suibert seiBertZ, Quellen der westfälischen Geschichte, Bd . 3, Arnsberg 1869, S . 323–367 . Arnd Bevergern’s münsterische Chronik von der Wahl Bischof Heinrich’s von Moers bis auf die Einführung Bischof Heinrich’s von Schwarzburg 1424–1466, in: Hrsg . Julius Ficker,
6 .2 Gedruckte Quellen
339
Die Geschichtsquellendes Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 244–288 . asen, Johannes, Eine Leprosenordnung von Melaten bei Köln aus dem 16 . Jahrhundert, in: Lepra . Bibliotheca Intemationalis 14 (1913), S . 70–72 . Aufzeichnungen des Kölner Bürgers Hilbrant Sudermann (1489–1504), Hrsg . Hermann cardauns, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 33 (1879), S . 41–49 . Auszüge aus den Soester Stadtbüchem, Hrsg . Theodor ilgen, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 24 . Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd . 3: Soest und Duisburg, Leipzig 1895 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 1–171 . Bergdolt, Klaus (Hrsg .), Die Pest in Italien 1348 . 50 zeitgenössische Quellen, Heidelberg 1989 . Beschlüsse des Rates des Stadt Köln 1320–1550, Bd . 1: Die Ratsmemoriale und ergänzende Überlieferung 1320–1520 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 65), Bearb . Manfred Huiskes, Düsseldorf 1990 . Beschlüsse des Rates der Stadt Köln 1320–1550, Bd . 2–5 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 65), Bearb . Manfred groten, Düsseldorf 1988–1990 . Bloos, Georg, Die erste Leprosenordnung des Herzogtums Kleve, in: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins 4 (1889), S . 151–157 . BüscHer, Franz, Die Satzungen und Statuten der Stadt Essen . 1473, 1590, 1668–85, in: Essener Beiträge . Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 43 (1926), S . 195–245 . Chronica Aquensis manuscripta, Bearb . Emil pauls, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 35 (1913), S . 126–141 Chronicon Brunwylrense, Hrsg . Gottfried eckertZ, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 19 (1868), S . 220–261 u . 20 (1869), S248–260 . Chronicon monasterii Campensis ordin . Cisterciensis ex originali edidit manuscripto, Hrsg . Hermann keussen, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 20 (1869), S . 261–382 . Chronicon Monasterii SS . Mauritii et Simeonis Mindensis . Die Chronik des Stiftes ss . Mauritii et Simeonis zu Minden, Hrsg . Carl Ludwig groteFend, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen Jg . 1873 (1874), S . 145–178 . Chronik der Bischöfe von Münster von der Stiftung des Bisthums bis auf den Tod Bischof Otto von Hoya 772–1424, in: Hrsg . Julius Ficker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 92–155 . Chronik der Pseudorektoren der Benediktskapelle zu Dortmund, Hrsg . Joseph Hansen, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 11 (1886), S . 491–550 . Chronik des Dietrich Westhoff von 750–1550, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 20 . Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd . 1: Dortmund, Neuß, Hrsg . Joseph Hansen / J. Franck, Leipzig 1887 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 177–426 u . S . 463–477 . Chronik des Fritsche Closener, in: Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis 16 . Jahrhundert, Bd . 8, Hrsg . Carl Hegel, Chroniken der Oberrheinischen Städte, Bd . 1: Straßburg, Leipzig 1870, S . 15–151 . Chronik des Jacob Twinger von Königshofen 1400 (1415), in: Die Chroniken der deutschen Städte, Bd . 9, Hrsg . Carl Hegel, Die Chroniken der oberrheinischen Städte, Bd . 2: Straßburg, Leipzig 1871 [Neudruck: Göttingen 1961], S . 499–910 . Chronik des Johann Kerkhörde von 1405–1465, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 20 . Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd . 1: Dortmund, Neuß, Hrsg . Joseph Hansen / J. Franck, Leipzig 1887 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 25–146 . Chronikalische Aufzeichnungen des Frater Dominicus von Geldern zur Geschichte des Aachener Dominikanerklosters von 1470 bis 1487, Hrsg . Albert Huyskens, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 54 (1932), S . 95–100 .
340
6 . Quellen- und Literaturverzeichnis
Clevische Chronik nach der Originalhandschrift des Gert von der Schuren nebst Vorgeschichte und Zusätzen von Turk, einer Genealogie des Clevischen Hauses und drei Schrifttafeln, Hrsg . Robert scHolten, Cleve 1884 . Cölner Chronik 274 bis 1399, Hrsg . Leonard ennen, in: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein 23 (1871), S . 46–59 . Cölner Jahrbücher des 14 . und 15 . Jahrhunderts, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis zum 16 . Jahrhundert, Bd . 13 . Die Chroniken der niederrheinischen Städte, Bd . 2: Cöln, Hrsg . Hermann cardauns, Leipzig 1876 [Neudruck: Göttingen 1968], S . 18–192 . Concilia Galliae A .511-A .695, Hrsg . Charles de clercQ (= Corpus Christianorum . Series Latina CXLVIII A), Tournhout 1973 . Concilium Oecumenicorum Decreta, Hrsg . Joseph alBerigo, Claudio leonardi u . a ., Bologna 1973 . Cosmidromius Gobelini Person, Hrsg . Max Jansen, Münster 1900 . Cronica Comitum et Principum de Clivis et Marca, Gelriae, Juliae et Montium, necnon archiepiscorum Coloniensium, usque ad annum 1392, in: Hrsg . Johann Suibert seiBertZ, Quellen der westfälischen Geschichte, Bd . 1, Arnsberg 1857, S . 113–253 . Cronica Presulum et Archiepiscorum Coloniensis Ecclesie, Hrsg . Gottfried eckertZ, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 2 (1857), S . 181–250 . Cronica Regia Colonienses (Annales maximi Coloniensis) cum continuationibus in monasterio S . Pantaleonis scriptis, Hrsg . Georg WaitZ, in: MGH Script, inusum scholarum 18, Hannover 1880 . Cronica van der hilliger stat von Coellen bis 1499 (Koelhoffsche Chronik), in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 14, Die Chroniken der niederrheinischen Städte, Bd . 3: Cöln, Hrsg . Hermann cardauns, Leipzig 1877 [Neudruck: Göttingen 1968], S . 641–918 . Curt Weikinn, Quellentexte zur Witterungsgeschichte Europas von der Zeitwende bis zum Jahre 1850, Teil 1: Hydrographie (Zeitenwende – 1500), Teil 2: Hydrographie (1501–1600) (= Quellensammlung zur Hydrographie und Meteorologie 1), Berlin 1958/1960 . daems, William, Boec van medicinen in Dietsche . En Middelnederlandse compilatie van medisch-farmaceutische literatur, Leiden 1967 . Das älteste Bürgerbuch der Stadt Soest 1302–1449 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XXVII), Hrsg . Hermann rotHert, Münster 1958 . Das Buch Weinsberg . Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16 . Jahrhundert, 5 Bde . (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 2, 3 u . 16), Bearb . Konstantin HöHlBaum [Bd . 1 u . 2], Friedrich lau [Bd . 3 u . 4], Josef stein [Bd . 5], Leipzig/Bonn 1886– 1926 [Neudruck: Düsseldorf 2000] . Das Chronicon Domesticum et Gentile des Heinrich Piel, Hrsg . Martin krieg (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XIII; Geschichtsquellen des Fürstentums Minden 4), Münster 1981 . Das Martyrologium des Nürnberger Memorbuches, Hrsg . Siegfried salFeld, Berlin 1898 . Das Mindener Stadtbuch von 1318 (= Mindener Geschichtsquellen 3), Bearb . Martin krieg, Münster 1931 . Das Soester Nequambuch . Das Buch der Frevler . Ein Stadtbuch des XIV . Jahrhunderts, Bearb . Hermann scHmoeckel, Leipzig 1924 . Das Soester Nequambuch . Neuausgabe des Acht- und Schwurbuches der Stadt Soest (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XIV), Hrsg . Wilhelm koHl, Wiesbaden 1980 . Das Stadtbuch und die Chronik von Gangelt, Hrsg . G . rauscHen, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 13 (1891), S . 181–190 . Das Stadtschreiberbuch, Bearb . Ferdinand scHroeder, in: Essener Beiträge . Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 22 (1902), S . 29–115 .
6 .2 Gedruckte Quellen
341
De Kroniek van Thomas van Kempen, in: Hrsg . Udo de kruuF, Jeroen kummer, Freek pereBoom, Een klooster ontsloten . De kroniek van Sint-Agnietenberg bij Zwolle door Thomas van Kempen in vertaling en met commentaar, Kämpen 2000 . Des Domherrn Heinrich Tribbe Beschreibung von Stadt und Stift Minden (um 1460), Hrsg . Klemens löFFler (= Mindener Geschichtsquellen, Bd . 2), Münster 1932 . Des Domherrn Heinrich Tribbe Beschreibung von Stadt und Stift Minden (um 1460), Hrsg . Klemens löFFler (= Mindener Geschichtsquellen, Bd . 2), Münster 1932 . Des Dominicaners Jo . Nederhoff Chronica Tremonensium (= Dortmunder Chroniken, Bd . 1), Hrsg . Eduard roese, Dortmund 1880 . Detmar Chronik von 1105–1395, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis zum 16 . Jahrhundert Bd . 19 . Die Chroniken der niedersächsischen Städte Bd . 2: Lübeck, Hrsg . Wilhelm mantels / Karl koppmann, Leipzig 1884 [Neudruck: Göttingen 1967], Die ältesten Statuten für die Lazariterklöster Seedorf, in Gfenn und in Slatte, in: Der Geschichtsfreund . Mittheilungen des historischen Vereins der fünf Orte Lucem, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug 4 (1847), S .119–158 . Die Bürgerbücher der Stadt Wesel . Die Listen der Neubürger von 1308–1609, Hrsg . Adolf langHans, Duisburg 1950 . Die Chronik der Grafen von der Mark . Von Levold von Northoff , Übers . Hermann FleBBe (= Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 99), Münster/Köln 1955 . Die Duisburger Chronik des Johann Wassenberch, in: Die Chroniken der deutschen Städte, Bd . 24, Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd . 3: Soest und Duisburg, Hrsg . Theodor ilgen, Leipzig 1895, S . 177–252 [Neudruck: Göttingen 1969] Die jüngere Bischofschronik, in: Hrsg . Klemens löFFler, Die Bischofschroniken des Mittelalters . Hermann’s von Lerbeck Catalogus episcoporum Mindensium und seine Ableitungen (= Mindener Geschichtsquellen, Bd . 1 . Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 16), Münster 1917, S . 91–263 . Die Kämmereirechnungen der Stadt Münster über die Jahre 1447,1448 und 1448 (= Fontes minores medii aevi 11), Hrsg . W . Jappe alBerts, Groningen 1960 . Die Kölner Weltchronik 1273/88–1376, Hrsg . Rolf sprandel (= MGH Script, rer . Germ, N . S . 15), München 1991 . Die Kölner Zunfturkunden nebst Kölner Gewerbeurkunden bis zum Jahre 1500, 2 Bde ., Hrsg . Heinrich von loerscH (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 22), Bonn 1907 [Neudruck: Düsseldorf 1984] . Die Limburger Chronik des Tilemann Elhen von Wolfhagen, Hrsg . Arthur Wyss (= MGH . Dt . Chron ., Bd . 4,1), Hannover/Leipzig 1883 [Neudruck: 1973] . Die Limburger Chronik, Hrsg . Otto Brandt, Jena 1922 . Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Hrsg . Julius Ficker (=Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster 1), Münster 1851 . Die Münsterischen Chroniken von Röchell, Stervermann und Corfey, Hrsg . Johannes Janssen (= Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster3, Münster 1856 . Die niederdeutsche Bischofschronik bis 1553 . Beschrivinge sampt den handelingen der hoichwerdigen bisschopen van Ossenbrugge . Uebersetzung und Fortsetzung der lateinischen Chronik Ertwin Ertmanns durch Dietrich Lilie (= Osnabrücker Geschichtsquellen 2), Osnabrück 1894 . Die Protokolle des Duisburger Notgerichts 1537–1545 . Mit Einführung und einem Glossar (= Duisburger Geschichtsquellen 10), Hrsg, Margret miHm, Duisburg 1994 . Die Quaestiones Naturales des Adelardus von Bath, Hrsg . Martin müller (= Beiträge zur Geschichte und Theologie des Mittelalters XXXI, Heft 20), Münster 1934 . Die Recesse und andere Akten der Hansetage von 1256 bis 1430, Bd . 1, Leipzig 1870 . Die Recesse und andere Akten der Hansetage . 2 . Abt ., Hanserecesse von 1341–1476, Bd . 5, Bearb . Goswin Freiherr von der ropp, Leipzig 1888 .
342
6 . Quellen- und Literaturverzeichnis
Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, Bd . 3, Hrsg . Richard knipping, Bonn 1913 . Die Urkunden des Bistums Minden 1301–1325 (= WUB 10), Bearb . Robert krumBHoltZ, 2 ., verbesserte und ergänzte Auflage von Joseph prinZ, Münster 1977 . Die Urkunden des kölnischen Westfalens vom Jahre 1200–1300 (= WUB 7), Münster 1908– 1919 [Neudruck: 1980] . Die vermögenden Kölner 1417–1418 . Namenlisten einer Kopisteuer von 1417 und einer städtischen Kreditaufnahme von 1418 (= Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 69), Bearb . Klaus militZer, Köln 1981 . Dietrich von Engelsheym, Liber dissencionum archiepiscopi Coloniensis et capituli Paderbornensis . Manuscript des Paderborner Domscholasters Dietrich von Engelsheym, Hrsg . Bernhard stolte (= Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Erg . Heft 1), Münster 1893 . dilcHer, Hermann, Die sizilische Gesetzgebung Kaiser Friederichs II . Quellen der Konstitutionen von Melfi und ihrer Novellen, Köln/Wien 1975 . Dortmunder Finanz- und Steuerwesen, Bd . 1: Das vierzehnte Jahrhundert, Bearb . Karl rüBel, Dortmund 1892 . Dortmunder Urkundenbuch (DUB), 4 Bde ., Hrsg . Karl rüBel, Dortmund 1881–1910 [Neudruck: Osnabrück 1975/1978] . Duisburger Stadtrechnungen 1349–1407, Bearb . Heinrich averdunk, o . O . o . J . Ertwini Ertmanni Cronica sive catalogus episcoporum Osnaburgensium, Hrsg . Hermann Forst, in: Hrsg . Friedrich pHilippi/Hermann Forst, Osnabrücker Geschichtsquellen, Bd . 1: Die Chroniken des Mittelalters, Osnabrück 1891 [Neudruck: Osnabrück 1977], S . 21–173 . FaHne, A ., Die Grafschaft und freie Reichsstadt Dortmund, Bd . 3: Statuarrecht und Rechtsaltertümer, Dortmund 1855 . Florenz von Wevelinkhovens Chronik der Bischöfe von Münster mit der Fortsetzung eines Ungenannten und den Zusätzen der Mönche von Marienfeld 772–1424, in: Hrsg . Julius Ficker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 1–91 . Fontes adhuc inediti rerum Rhenarum . Niederrheinische Chroniken, Köln 1864 [Neudruck: Niederwalluf 1971], S . 1–52, 54–64 . Fortsetzung der Chronik des Arnd Bevergern bis auf den Beginn der Religionserneuerungen 1466–1524, in: Hrsg . Julius Ficker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 289–303 . Fragmente Soester Aufzeichnungen des 15 . Jahrhunderts, Hrsg . Theodor ilgen in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 24 . Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd . 3: Soest und Duisburg, Leipzig 1895 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 159–162 . Gobelini Personae […] Cosmidromium . Hoc est: Chronicon universale Complectens Res Ecclesiae et Reipublicae, in: Rerum Germanicarum, Tomus I, Scriptores Germanicos ab Heinrico Meibomio Seniore, Helmstedt 1688, S . 53–346 . gros, Beate Sophie, Eine Dortmunder Armenordnung aus dem Jahre 1596 . Edition und Kommentar, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 88 (1997), S . 111–137 . Hans von Gerßdorff, Feldtbuch der wundtartzney, Straßburg 1517 [Nachdruck: Darmstadt 1967] . Heinrich Kaufmanns Essener Chronik bis zum Jahre 1668, Hrsg . Wilhelm rotscHeidt, in: Essener Beiträge . Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 50 (1932), S . 261–342 . Hermann von Lerbecks Chronik der Grafen von Schaumburg mit den Anmerkungen Meiboms, Übers . Hans rauscH, in: Unsere schaumburg-lippische Heimat . Mitteilungen des Vereins für schaumburg-lippische Geschichte, Altertümer und Landeskunde 11 (1951), S . 5–89 .
6 .2 Gedruckte Quellen
343
Hermann’s von Lerbeck Catalogus episcoporum Mindensium, in: Hrsg . Klemens löFFler, Die Bischofschroniken des Mittelalters . Hermann’s von Lerbeck Catalogus episcoporum Mindensium und seine Ableitungen (= Mindener Geschichtsquellen, Bd . 1 . Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 16), Münster 1917, S . 17–90 . Hermanni a Kerssenbroch Anabaptistici furoris Monasterium inclitam Westphaliae Metropolim evertentis historica narratio (= Die Geschichtsquellen des Bistums Münster, Bd . 5 u . 6), Hrsg . Heinrich detmer, Münster 1899/1900 . Hermanni de Lerbeke […] Chronicon comitum Schawenburgensium e M[anu]s[crip]to erutum et notis illustratum ab Henrico Meibomio, in: Rerum Germanicarum, Tomus I, Scriptores Germanicos ab Henrico Meibomiae Seniore, Helmstedt 1668, S . 489–548 . Hort, Irmgard, Aussätzige inMelaten: Regeln zur Krankheitsdiagnose, um 1540/1580, in: Hrsg . Joachim deeters / Johannes HelmratH, Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Bd . 2: Spätes Mittelalter und Frühe Neuzeit (1396–1794), Köln 1996, S . 168–173 . Hugo loerscH, Aachener Rechtsdenkmäler aus dem 13 ., 14 . und 15 . Jahrhundert, Bonn 1871 . Ioannes Noppius, Aacher Chronick . Das ist eine kurtze historische Beschreibung aller gedenckwuerdigen Antiquitaeten und Geschichten/ sampt zugefügten Privilegien und Statuten deß koeniglichen Stuls und h . Roemischen Reichs Statt Aach, Köln 1632 . Jacobi de Susato al . de Sweve, Chronologia comitum de Marka 1390, in: Hrsg . Johann Suibert seiBertZ, Quellen der westfälischen Geschichte, Bd . 1, Arnsberg 1857, S . 216–220 . Jacobi de Susato al . de Swewe Chronicon Episcoporum Coloniensium, in: Hrsg . Johann Suibert seiBertZ, Quellen der westfälischen Geschichte, Bd . 1, Arnsberg 1857, S . 161–215 . Jakob grimm, Deutsche Rechtsalterthümer, Göttingen 31881 . Karl Franz meyer, (des hohen Stadt-Raths Archivarius) Aachensche Geschichten überhaupt Beytraege zur Reichsallgemeinen insbesondere aber zur Anlage einer vollständigen Historie über den königlichen Stuhl und des heiligen Römischen Reichs freye Haupt- Krönund Cur-Stadt Aachen von ihrem Ursprung bis auf gegenwärtige Zeiten, Aachen 1781 . Kerkhoerde’s Dortmunder Reimchronik, Bearb . Friedrich Woeste, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 10 (1874), S . 1–26 . keussen, Hermann, Beiträge zur Geschichte der Kölner Lepra-Untersuchungen, in: Lepra . Bibliotheca internationalis 14 (1913), S . 80–112 . Kirchenrechnungen der Weseler Stadtkirche St . Wilibrordi, Bd . 1: Die Kirchenrechnungen der Jahre 1401–1484, Bearb . Herbert soWade, mit Verzeichnissen von Martin Wilhelm roelen, Wesel 1993 . knipping, Richard, Die Kölner Stadtrechnungen des Mittelalters mit einer Darstellung der Finanzverwaltung, Bd . 1: Die Einnahmen und die Entwicklung der Staatsschuld, Bd . 2: Die Ausgaben (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 15), Bonn 1897/1898 . Kölner Jahrbücher des 14 . und 15 . Jahrhunderts, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis 16 . Jahrhundert . Bd . 13, Chroniken der niederrheinischen Städte, Bd . 1: Cöln, Hrsg . Hermann cardauns, Leipzig 1876 [Neudruck: Göttingen 1968], S . 18–192 . Kölner Neubürger 1356–1798, 4 Bde . (= Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 64), Bearb . Joachim deeters, Köln 1983 . Kriegstagebuch der Soester Fehde 1433–1449 . De historia van der Soistschen vede oder Historia der Twist Veede und Unenicheit tusschen dem Heren Dyderick Ertzbyschop to Collen und der ersam und erliken Stadt Soest, Hrsg . Joseph Hansen, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 21: Soest, Leipzig 1889 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 1–171 . Leben Otto’s von Hoya, Bischof’s zu Münster 1392–1424, in: Hrsg . Julius Ficker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 156–188 . Levold von Northof (1278–1358), Cronica comitum de Marca – Die Chronik der Grafen von der Mark, Hrsg . Fritz ZscHaek (= MGH SS rer . Germ . NS 6), Berlin 21955 . [Neudruck: München 1984]
344
6 . Quellen- und Literaturverzeichnis
Liber de rebus memorabilioribus sive Chronicon Henrici de Hervordia (bis 1355), Hrsg . August pottHast, Göttingen 1859, S . 1–291 . Lippstädter Reimchronik der Soester Fehde, in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14 . bis ins 16 . Jahrhundert, Bd . 21 . Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte Bd . 2: Soest, Hrsg . Joseph Hansen, Leipzig 1889 [Neudruck: Göttingen 1969], S . 182–275 . Ludwig Eberhard Rademacher, Annales oder Jahr-Bücher der uhralten und weitberühmten Stadt Soest, Bd . 1 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Soest 22), Soest 1999 . Magnum chronicon in quo cumprimis Belicae res et familiae dilligenter explicantur . Authore vel collectore ordinis S . Augustini canonicorum regularium prope Neuß iam religioso, in: Rerum Germanicarum veteres iam primum publicati Scriptores VI . […]Ex[…] Ioannis Pistorii bibliotheca, Frankfurt, S . 1–420 . meier, Robert, Heinrich van Beeck und seine „Agrippina“ . Ein Beitrag zur Kölner Chronistik des 15 . Jahrhunderts . Mit einer Textdokumentation (= Kölner Historische Abhandlungen 41), Köln/Wien/Weimar 1998 . Münstereifeler Chronik (1270–1450), Hrsg . H . J . Floss, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 23 (1871), S . 188–205 . Münsterische Chronik eines ungenannten Augenzeugen von der Wahl Bischof Heinrich’s von Moers bis auf das Ende der großen münsterischen Fehde . Nebst Fortsetzung Rudolfs von Langen 1424–1456 [1496], in: Hrsg . Julius Ficker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 188–243 . Münsterische Chronik von der Wahl Bischof Heinrich’s von Mörs bis auf die Wahl Bischof Bernhard’s von Raesfeld 1424–1557, in: Hrsg . Julius Ficker, Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Bd . 1: Die Münsterischen Chroniken des Mittelalters, Münster 1851, S . 304–345 . Münsterisches Urkundenbuch (MUB) . Das Stadtarchiv Münster, Teil 1, Halbbd . 1 . 1176–1440, Bearb . Joseph prinZ (= Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, NF 1), Münster 1960 . Niederdeutsche Chroniken aus dem XV . Jahrhundert, Hrsg . Alois meister, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 70 (1901), S . 43–63 . Nikolaus scHaten, Annalium Paderbornensium pars secunda, Editio altera, Münster 1775 . Notae Colonienses, Hrsg . Hermann cardauns, in: MGH SS 24, Hannover 1879, [Neudruck: Stuttgart/New York 1964 u, 1975], S . 362–365 . Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter . Mit einer Untersuchung zur Geschichte des Wortes Hexe von Johannes Franck, Hrsg . Joseph Hansen, Bonn 1901 [Neudruck: Hildesheim 1963] . Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, 6 Bde ., Hrsg . Leonard ennen / Gottffied eckertZ, Köln 1860–1879 [Neudruck: Aalen 1980] . Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des Archidiakonats und Stifts Xanten, Bd . 1, bearbeitet von Carl Wilkes (= Veröffentlichungen des Vereins zur Erhaltung des Xantener Domes III), Bonn 1937 . Radulphi de Rivo, Decani Tongrensis Gesta Pontificorum Leodiensium, in: Joannes cHapeaville, Gesta Ponificorum Leodiensium scripserunt auctores praecipui, Bd . 3, Leodini (Liege) 1616 . Ratsherrenverzeichnis von Köln zu reichsstädtischer Zeit von 1396–1796, Bearb . Herbert M . scHleicHer, (= Veröffentlichungen der Westddeutschen Gesellschaft für Familierikunde, NF 19), Köln 1982 . Rechenbuch von allem empfang und außgeben im jar 1582, Hrsg . Eduard vogeler, in: Soester Zeitschrift 18 (1900/1901), S . 3–126 . Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, Bd . 1, Hrsg . Norbert andernacH (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtstskunde 21), Düsseldorf 1992 .
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I
7. Schwarze Karten Karten Der Tod7.1349 / 1350
NIEDERLANDE
E
Minden 1350
m
s
r se We
Münster 1350
Ma
as
Xanten 1349
Wesel 1350
Lippe
Essen 1350 Duisburg 1350
Dortmund 1350
Paderborn 1350
Soest 1350
el
in
Di em
Rhe
Köln 1349
Judenpogrom
Aachen 1349
Geißler unsicher
BELGIEN
R
he
in
0
40km
heutige Grenzen: Stand 2001 Entwurf: K. Jankrift; Kartographie: Th. Kaling (2001)
Karte 1: Der Schwarze Tod 1349/1350 . Entwurf: K . Jankrift, Kartographie: Th . Kaling (2001)
384
7 . Karten
II
Quellenbelegtes Seuchengeschehen 1351 - 1449
NIEDERLANDE
E
Minden
m
s
r se We
Münster 1383 1420
in
Xanten 1399
Dortmund
Essen
1358 1365 ? 1394 1400 1407 1436
Duisburg
Ma
as
Paderborn
Lippe
Wesel
1357 1387 1394 1439
Soest
1420 1429 1439
el
Rhe
Di em
1383 1410 1428 1439
Köln Aachen 1396 1428
BELGIEN
1358 1365 1394 1400 1409 1428
R
he
in
0
40km
heutige Grenzen: Stand 2001 Entwurf: K. Jankrift; Kartographie: Th. Kaling (2001)
Karte 2: Quellenbelegtes Seuchengeschehen 1351–1449 . Entwurf: K . Jankrift, Kartographie: Th . Kaling (2001)
385
7 . Karten
III
Quellenbelegtes Seuchengeschehen 1450 - 1499
NIEDERLANDE
E
Minden s
r se We
1473 1484 1485
m
Münster 1453
1453 1460 1494
Xanten
Wesel
1483
1450 1483 1494
Dortmund
Essen
1451 1483 1485 1494
Duisburg
as
1467
Ma
Paderborn
Lippe
1463 1476 1483
Soest
1450 1451 1463 1464 1465 1466 1467 1473 1495
el
in
Di em
Rhe
Köln Aachen 1481
BELGIEN
1450 1453 1464 1472 1481 1490 1494
R
he
in
0
40km
heutige Grenzen: Stand 2001 Entwurf: K. Jankrift; Kartographie: Th. Kaling (2001)
Karte 3: Quellenbelegtes Seuchengeschehen 1450–1499 . Entwurf: K . Jankrift, Kartographie: Th . Kaling (2001)
386
7 . Karten
IV
Quellenbelegtes Seuchengeschehen 1500 - 1549
NIEDERLANDE
E
Minden 1519 1529
m
s
r se We
Münster
Xanten 1524
1518 1529 1531 1533 1542
Dortmund
Essen Duisburg
1502 1503 1508 1513 1519 1520 1529 1546
Ma
as
1507
Paderborn
Lippe
1506
Soest
1503 1517 1529 1530 1542
el
in
1506 1519 1529 1530
Di em
Rhe
1507 1519 1520 Wesel 1524 1529
Köln Aachen 1503 1517 1520
BELGIEN
1502 1506 1518 1529 1530 1540 1541
R
he
in
0
40km
heutige Grenzen: Stand 2001 Entwurf: K. Jankrift; Kartographie: Th. Kaling (2001)
Karte 4: Quellenbelegtes Seuchengeschehen 1500–1549 . Entwurf: K . Jankrift, Kartographie: Th . Kaling (2001)
387 VII
7 . Karten Orientierungsplan Münster um 1660
Orientierungsplan Soest um 1650
4 km
0
Leprosorium Kinderhaus
200
400m
1: 20 000
Elende Martini
Elende Überwasser
Rathaus
Dom Markt
Rathaus
Patroklimünster
Petrikirche
Elende Lamberti
Elende Aegidii Leprosorium 0
200
400m
1: 20 000
Karte 6: Orientierungsplan Soest um 1650
St. Reinoldi
Kuckelkestraß
e
zum Leprosorium (Funkenberg)
Karte 5: Orientierungsplan Münster um 1600 Orientierungsplan Dortmund um 1600
Orientierungsplan Essen um 1600 0
200
Orientierungsplan Xanten um 1600
400m
1: 20 000
Hellweg
Dom Hl. GeistHospital
Rathaus
Rathaus Markt Rathaus 0
200
400m
Münster
0
200
1: 20 000
200
Leprosorium
400m
1: 20 000
Leprosorium
Markt
Rathaus
1,5 km
Karte 9: Orientierungsplan Xanten um 1600
Orientierungsplan Duisburg um 1600 0
400m
1: 20 000
Karte 7: Orientierungsplan Dortmund um 1600
2 km
Karte 8: Orientierungsplan Essen um 1600
Große Kirche
Orientierungsplan Aachen um 1650 Leprosorium
3 km
Karte 10: Orientierungsplan Duisburg um 1600 Orientierungsplan Minden um 1650
ße
Leprosorium St. Nikolai
0
200
Dom
Leprosorium Melaten
Markt
Wes er
Rathaus
2 km
Bäckerstra
Rathaus Dom
400m
0
1: 20 000
Karte 11: Orientierungsplan Minden um 1650
200 1: 20 000
Karte 12: Orientierungsplan Aachen um 1650
Karten 5–12: Entwurf: K . Jankrift, Kartographie: Th . Kaling (2001)
400m
VI
388
7 . Karten Orientierungsplan Köln um 1600 0
200
Leprosorium Riehl
400m
1: 20 000
Rathaus
Aldermarkt
Rhein
Leprosorium Melaten
Dom
2 km
Deutz
Leprosorium Judenbüchel
Leprosorium Rodenkirchen
Karte 13: Orientierungsplan Köln um 1600
Orientierungsplan Wesel um 1580 0
200
400m
rium
1: 20 000
Dom
Leprosorium
Leproso
Orientierungsplan Paderborn um 1600
Markt Rathaus
Rathaus
0
200 1: 20 000
Karte 14: Orientierungsplan Paderborn um 1600
Karte 15: Orientierungsplan Wesel um 1580
Karten 13–15: Entwurf: K . Jankrift, Kartographie: Th . Kaling (2001)
400m
ISBN 978-3-515-12353-2
9
7835 1 5 1 23532