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German Pages 382 Year 2018
Hochschulreformen Eine unendliche Geschichte seit den 1950er Jahren
George Turner
Duncker & Humblot · Berlin
GEORGE TURNER
Hochschulreformen
Hochschulreformen Eine unendliche Geschichte seit den 1950er Jahren
Von
George Turner
Duncker & Humblot · Berlin
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„Kaum eine Landesregierung kann der Versuchung widerstehen, nach jeder Wahl das geltende Hochschulgesetz zu novellieren. So entsteht ein verwirrender Zickzack-Kurs.“ George Turner
Vorwort Mit der Veröffentlichung „Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit“, erschienen im Jahr 2001, habe ich den Versuch unternommen, die Geschichte der Hochschulreform im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts darzustellen. Inzwischen sind mehr als 17 Jahre vergangen und neue Begriffe wie „Bologna“ und „Exzellenzinitiative“ beschäftigen die Fachleute und erhitzen die Gemüter. Deshalb war eine Fortschreibung angebracht. Der vorliegende Band geht über eine Überarbeitung als 2. Auflage hinaus. Die Gliederung folgt anderen Kriterien. Auch in dem neuen Titel kommt die Eigenständigkeit zum Ausdruck. Die Entwicklung des Hochschulwesens bis zum Jahr 2000 in sehr detaillierter Form wird nicht in gleicher Weise fortgesetzt. Dies schien für die Anfänge geboten, um die Art der Auseinandersetzung, aber auch das Bemühen vieler Akteure um Lösungen deutlich zu machen. Für die Zeit nach der Jahrtausendwende wird nur versucht, die wesentlichen Linien und Entscheidungsalternativen darzustellen, um den Text nicht mit zu vielen Einzelheiten zu befrachten. Es bestand nicht die Absicht, ein Handbuch zu verfassen, das alle Erscheinungen des Hochschulwesens darstellt. Vielmehr soll gezeigt werden, wie wechselhaft Hochschulpolitik war und ist und wie wenig feste Grundlagen als allgemein verbindlich anerkannt sind. Manches scheint, chronologisch dargestellt, womöglich zu sehr aus der seinerzeitigen Perspektive betrachtet. So finden viele Personen Erwähnung, die keine dauerhaften Spuren in der Bildungspolitik hinterlassen haben. Das entspricht dem Anliegen, die Irrungen und Wirrungen in der deutschen Hochschulpolitik offen zu legen. Hier kam es darauf an zu zeigen, was zu den verschiedenen Zeiten als wichtig empfunden wurde. Insofern ist es weiter eine „Geschichte der Hochschulreform“. Dazu findet sich ansonsten kaum etwas in der Literatur. Es soll auch erklärt werden, was die Öffentlichkeit erreicht hat und wie vieles davon zu relativieren ist. Daraus kann die Erkenntnis gewonnen werden, dass auch heute vehement diskutierte Themen schnell erledigt sein können: ein Beleg für die Aussage, dass zu viele Moden oder Gags eine Rolle spielen und es an einem „Hauptnenner“ in der Hochschulpolitik fehlt. Die Debatte um eine Reform der Universitäten begann schon bald nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Ende der 1960er wurde Hochschulpolitik ein zentrales Thema der Politik. Seit über 50 Jahren wird an den Hochschulen reformiert, die Reform korrigiert, diese erneut novelliert, wieder reformiert, usw. Die Hochschulen und ihre Mitglieder sind permanent Änderungen, politischen Modeerscheinungen und parteigefärbten Eintagsfliegen und damit ständig wechselnden Vorgaben unterworfen. Im Allgemeinen fühlt sich jede Landesregierung bemüßigt, zu Beginn einer Le-
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Vorwort
gislaturperiode zunächst einmal das Hochschulrecht in mehr oder weniger grundsätzlichen Punkten zu novellieren. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede in der Ausgestaltung. Das kann nicht verwundern, wenn man bedenkt, wer alles Interesse am tertiären Bildungsbereich hat und dies auch lautstark kund tut: Parteien, Bundesund Länderministerien, Fraktionen und Ausschüsse in den Parlamenten, Kultusministerkonferenz, Wissenschaftsrat, Rektorenkonferenz, Rechnungshöfe und Interessenverbände aller Art wie Hochschul- und Lehrerverbände, Organisationen der Wirtschaft, Gewerkschaften usw. usw. Das lässt erkennen, welche unterschiedlichen Vorstellungen und Forderungen an den Gesetzgeber gestellt werden und welchen zentrifugalen Kräften die Hochschulen ausgesetzt sind. Ein Manko bei Novellierungen ist oft, dass nur ein gesondertes Problem gelöst wird, ohne dass Folgen und Nebenwirkungen in verschiedenen Bereichen bedacht werden. Das ist bei fast allen Gegenständen von Reformen zu beobachten. Um solche Zusammenhänge zu verdeutlichen, sind inhaltliche Wiederholungen im Text gelegentlich unvermeidbar. Die Gründe für ein breites Interesse der Öffentlichkeit an den Hochschulen liegen auch darin, dass die Zahl der Studierenden an der gleichaltrigen Bevölkerung innerhalb von etwas mehr als 50 Jahren von 300 Tsd. auf rund 2,85 Mill. bzw. von 5 % auf über 50 % der relevanten Altersgruppe gestiegen ist und damit viel größere Bevölkerungskreise an dem Anteil nehmen, was an den Hochschulen geschieht. Wer den Zick-Zack-Kurs der Hochschulpolitik begreifen, wer manche Ungereimtheiten verstehen will, die das Ergebnis von Kompromissen waren, wer sich ein eigenes Urteil über die vielfältigen Aspekte der Hochschulpolitik bilden möchte, kann das nur, wenn er die unterschiedlichen Interessenlagen in dem Gewirr von Entwürfen erkennt und dabei die eigentlichen Aufgaben der Hochschule nicht aus dem Blick verliert. Der Autor ist seit Mitte der 1960er in verschiedenen Funktionen mit Problemen des Hochschulwesens befasst. Dies hat zu einer großen Zahl schriftlicher Äußerungen geführt, auf die in den Fußnoten hingewiesen wird. Insoweit ist der vorgelegte Band auch eine Art persönlicher Rechenschaftslegung. Herrn Dr. Stefan, Kaufmann, MdB, und Frau Brigitte Goebbels-Dreyling, stellvertretende Generalsekretärin der Hochschulrektorenkonferenz, danke ich für mannigfache sachliche Anregungen und Hinweise, meiner Frau Edda für die Durchsicht des Manuskripts und Unterstützung bei der Anlage der Register. Berlin, im Januar 2018
George Turner
Inhaltsübersicht A. Zur Entwicklung des Hochschulwesens in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Die Ausgangslage nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Die „goldenen“ Fünfzigerjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 III. Die Ausbildungsrevolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 IV. Vom Reformkonsens zur Konfrontation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 V. Stabilitätspolitik und Ernüchterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Ausbau der Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 II. Neuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 III. Schule – Studium – Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 IV. Das Verhältnis von Staat und Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 V. Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 VI. Struktur des tertiären Bereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 C. Ergebnis: Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 I. Universität der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 II. Hierarchisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 III. Anfälligkeit für Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
Inhaltsverzeichnis A. Zur Entwicklung des Hochschulwesens in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Ausgangslage nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die „goldenen“ Fünfzigerjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Ausbildungsrevolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bildungsnotstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „1968“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vom Reformkonsens zur Konfrontation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Stabilitätspolitik und Ernüchterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausbau der Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Quantitative Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Bildung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffnung der Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewältigung der Überlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die „Pakte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Neuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gruppenuniversität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Demokratisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Drittelparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Leitungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Professionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rektorats-/Präsidialverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kollegiale Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schranken einerseits, fehlende Orientierung andererseits . . . . . . . (4) Prämierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hochschulräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mandat der verfassten Studentenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis III. Schule – Studium – Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Oberstufenreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschaffung der Gliederung nach Schultypen/Kurssystem . . . . . . . . . . . . b) Studierfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ringen um Reform der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) „Baustelle“ Gymnasium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dauer der Schulzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „neuen Bundesländer“ als Impulsgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedenken aus unterschiedlichen Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kompromissvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) „Zurück auf Los“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zulassungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedarf an Studienplätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bürokratische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eingangsprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Medizin als negatives Musterbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hochschulzugang ohne Reifezeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwertung des Abiturs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Aufstieg durch Bildung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Widersprüchliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Studiengebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschaffung als Teil der Bildungsexpansion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Versuche der Wiedereinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Strafgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einschreib- bzw. Rückmeldegebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Überraschende Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vorstoß der HRK und Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das latente Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ausbildungsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vom Honnefer Modell zum BaföG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darlehnsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Lösungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Kleine BaföG-Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Weitere Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Organisation des Studiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Versuche zur Studienzeitverkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Entrümpelung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Freischuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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cc) Zwangsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kurzstudium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Konsekutive Studiengänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anglo-amerikanisches System? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausbau der Fachhochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Übergänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bachelor/Master . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Akademikerbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Akademikerwahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kontraproduktives Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Verhältnis von Staat und Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Flexibilisierung/Globalhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Deregulierung und Föderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Interner Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Personalstruktur/Nachwuchsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Assistenzprofessur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hilfskonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Habilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Unvollkommene Folgenbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergütungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Leistungsorientierte Besoldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lösungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Derzeitiger (Zwischen-)Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mittelverteilung und Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Evaluation der Lehre und Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Externe Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ranking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Falsche Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Entscheidungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exzellenzinitiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sieger der 1. Runde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Blankoscheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ländergefälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185 187 193 193 197 198 200 205 205 209 210 211 212 212 218 226 235 240 240 240 242 245 246 249 251 252 259 262 263 267 270 274 275 277 278 279 281 282 282 283 284
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Inhaltsverzeichnis (4) Die 2. Runde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „Nebenwirkungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) „Trittbrettfahrer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das böse Erwachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der „Rest“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sortierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verdeckte Absicht: Fehlerbereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fortführung des Programms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Position des Wissenschaftsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Imboden-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Private Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Laufende Vorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gescheiterte Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Modellcharakter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eliteschmieden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Konzentration? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Struktur des tertiären Bereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hochschularten neben Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesamthochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fachhochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ursprünglicher Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Streben nach Gleichwertigkeit mit Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fehlsteuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berufsakademien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Pädagogische Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ressorthochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strukturreformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
285 288 288 289 289 291 293 295 295 296 297 299 300 300 304 305 311 316 317 317 317 322 322 324 330 332 335 336 337
C. Ergebnis: Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Universität der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Hierarchisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anfälligkeit für Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341 341 342 344
Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
Abkürzungsverzeichnis (nicht aufgenommen sind gängige, allgemein bekannte Abkürzungen und Erklärungen von Abkürzungen im Text) a.a.O. APO ASTA BA B. A. BAföG BAK Bd. BDA BDI BerlHG BFW BGBl. BLK BVerfG BVerfGE BW CHE CV DFG DGB DHV DIHT DÖV dpa DSW DUZ DZHW e.V. EWG FAZ FH Fn. FR fzs GEW GWK HambHG
am angegebenen Ort Außerparlamentarische Opposition Allgemeiner Studentenausschuss Berufsakademie Bachelor of Arts Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesassistentenkonferenz Band Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesverband der Deutschen Industrie Berliner Hochschulgesetz Bund Freiheit der Wissenschaft Bundesgesetzblatt Bund/Länder-Kommission Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Baden-Württemberg Centrum für Hochschulentwicklung GmbH (Gütersloh) Cartellverband der katholischen Studentenverbindungen Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutscher Gewerkschaftsbund Deutscher Hochschulverband Deutscher Industrie- und Handelstag Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Presse-Agentur Deutsches Studentenwerk Deutsche Universitätszeitung Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung eingetragener Verein Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Frankfurter Allgemeine Zeitung Fachhochschule Fußnote Frankfurter Rundschau freier Zusammenschluss von StudentInnenschaften Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Gemeinsame Wissenschaftskommission Hamburgisches Hochschulgesetz
16 HB HIS HRG Hrsg. hrsg. HRK IAB
Abkürzungsverzeichnis
Handelsblatt Hochschul-Informations-System (Hannover) Hochschulrahmengesetz Herausgeber herausgegeben Hochschulrektorenkonferenz (seit 5.11.90 anstelle von WRK) Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs-Forschung der Bundesanstalt für Arbeit (Nürnberg) i. d. F. in der Fassung IM Inoffizieller Mitarbeiter (des Ministeriums für Staatssicherheit) i.V.m. in Verbindung mit JUSO Jungsozialisten KMK Kultusministerkonferenz LHG Landeshochschulgesetz LHO Landeshaushaltsordnung MittAB Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung MittHV Mitteilungen des Hochschulverbands MPI Max-Planck-Institut für Bildungsforschung m.w.N. mit weiteren Nachweisen n.c./N.C. numerus clausus No./Nr. Nummer o. ä. oder ähnliches OECD Organization for Economic Cooperation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Phys. Bl. Physikalische Blätter RAF Rote Armee Fraktion RCDS Ring christlich demokratischer Studenten SDS Sozialistischer Deutscher Studentenbund SfH Stiftung für Hochschulzulassung Stasi Staatssicherheit StZ Stuttgarter Zeitung SZ Süddeutsche Zeitung UGBW Universitätsgesetz Baden-Württemberg VDS Verband Deutscher Studentenschaften vgl. vergleiche VOP Verwaltung, Organisation, Personal: Die Zeitschrift für erfolgreiches Verwaltungsmanagement WamS Welt am Sonntag WG Wohngemeinschaft WHU Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung WissR Wissenschaftsrecht WR Wissenschaftsrat WRK Westdeutsche Rektorenkonferenz (seit 5.11.90 HRK) WZB Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung Zit. Zitat zit. zitiert ZVS Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (Dortmund)
A. Zur Entwicklung des Hochschulwesens in Deutschland I. Die Ausgangslage nach dem Zweiten Weltkrieg Bereits im Herbst 1945 wurden an einigen Universitäten wieder Lehrveranstaltungen durchgeführt. Das Bild wurde bestimmt durch die zurückgekehrten Kriegsteilnehmer, die Flüchtlinge aus dem Osten und die allgemeine schlechte materielle Lage mit dem Existenzkampf zum Überleben. Die Studentenzahlen an den Universitäten in den drei westlichen Besatzungszonen überstiegen schon bis 1948 die Zahlen in der Weimarer Republik (100.000). Die Ausrichtung der Universitäten folgte Vorstellungen der Zeit vor dem Nationalsozialismus und knüpfte bewusst an die klassische Universität an. Dies geschah nicht zuletzt deshalb, weil die Alliierten sich nicht auf einen gemeinsamen Plan zur Re-Education einigen konnten1. Da viele der jüngeren Professoren als politisch belastet entlassen wurden2, hielten vor allem ältere Kollegen den Betrieb aufrecht, viele bereits vor 1933 tätig, von denen manche aus politischen oder rassistischen Gründen zwischenzeitlich aus dem Hochschuldienst entfernt worden waren3. Sie orientierten sich an ihren Erfahrungen aus jener Zeit und an den Prinzipien der Humboldtschen Idee der Universität4. Diese war Ausdruck preußisch-protestantischer Kritik an einem mehr oder minder schulmäßigen Lehr- und Lernbetrieb im Zeitalter der Aufklärung gewesen. Sie wurde das prägende Vorbild für alle deutschen Universitäten im 19. und 20. Jahrhundert. Die Idee der Universität bedeutet den Übergang von der doctrina zur Forschung oder, wie Wilhelm v. Humboldt es selber definiert hat: den Übergang zur „Wissenschaft, die noch nicht ganz gefunden ist“. Als mit der Universität zutiefst verbunden wurde begriffen: „an Forschung teilzunehmen“. Das aber war nicht gleichgesetzt mit der Vorbereitung für einen Beruf, in dem Wissenschaft zur Anwendung gelangte, sondern meinte allgemein „Bildung“5. Grundwerte dieser Universitätsidee waren die Freiheit der Studiengestaltung und die „Einsamkeit der forschenden Arbeit“. Es galt als selbstverständlich, diese Werte als Vorbildung für Berufe fruchtbar zu machen, aber nicht in der Weise, dass die Universität ausgerichtet sein sollte als „Berufs1
Burtscheidt, Humboldts falsche Erben, S. 65 mit weiteren Nachweisen; Klein, ChristineIrene, in: Brandt, S. 10 Fn. 11. 2 Ritter, Über Deutschland, S. 35. 3 So hatten die Briten Namenslisten von wieder einzusetzenden Professoren verfügbar (Ruegg, Bd. 4, S. 83). 4 Jarausch, Das Humboldt-Syndrom, S. 61. 5 Gadamer, Die Idee der Universität, S. 2 f.
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schule“, die nur den Fachmann hervorbringt. Ausbildung für Berufe hat fraglos auch die klassische Universität betrieben. Doch galt ihr dies nur als Teilaspekt, im Extremfall als Nebenprodukt der eigentlichen wissenschaftlichen Bemühungen6. Die deutschen Universitäten galten als Muster und Beispiel für ihre hervorragenden akademischen Leistungen, ihre Autonomie, trotz der Finanzierung durch den Staat, ihren elitären Charakter und die herausragende Position und Macht der auf Lebenszeit berufenen Professoren, der Ordinarien. Zusammenfassend beschreibt Hans-Peter Schwarz die Situation7: „Jede Disziplin bewegte sich in die Nachkriegswelt in der Mitte des letzten Jahrhunderts mit jener Vielfalt der Ansätze, Methoden, Doktrinen hinein, die sich weitgehend in der Zeit vor dem „Dritten Reich“ gebildet hatten. Neben der Vielfalt in den Fächern wirkte im Umkreis der einzelnen Lehrstühle das durchaus noch erfolgreiche Bestreben der Ordinarien, ihre Studenten im Sinn der wissenschaftlichen Auffassungen zu prägen, die sie für die allein angemessenen hielten. Tatsächlich gelang es ihnen vielfach, durch ihre Vorlesungen, Seminare und Veröffentlichungen jene Studenten nachhaltig zu beeinflussen, die sich auf das Studium bei ihnen einließen oder einlassen mussten. Die Strenge war meist größer als die Liberalität; aber es gab beides. Vielen war schon damals bewusst, dass die Institutionen und die geistigen Grundlagen der deutschen Universität auf schwankendem Boden standen.“ Stimmen, dass die Ausrichtung an der Zeit vor 1933 zu eng sei, gab es bereits zu Beginn. So äußerte sich Karl Jaspers in seinem berühmt gewordenen Vortrag „Erneuerung der Universität“ schon im August 1945 in Heidelberg, dass es um nichts weniger gehen müsse als um eine „Erneuerung“, einen Neubeginn, der kein „einfaches Anknüpfen an den Zustand vor 1933“ sein könne8. In den folgenden Jahren erschienen eine Reihe von Gutachten und Vorschlägen zur Organisationsreform, die alle nicht umgesetzt wurden9. Repräsentanten der Universitäten betonten bis in die 1960er Jahre und gelegentlich auch noch später, dass Wissenschaft ihren Zweck allein in sich selbst trage, insbesondere in Gestalt der nur der reinen Erkenntnissuche verpflichteten Grundlagenforschung. Soweit es Reaktionen auf die ideologische und machtpolitische Indienstnahme der Wissenschaft während des „Dritten Reichs“ von 1933 bis 1945 und auf die Entwicklung in der DDR waren, erschien dies verständlich10. Während im sowjetischen Einflussgebiet Deutschlands das Bildungswesen dem „Aufbau des Sozialismus dienen“ sollte und bis zum Ende der DDR im Sinn des Klassenkampfes instrumentalisiert und zentral organisiert wurde, begannen die Deutschen in der Bundesrepublik, eine ihnen aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus vertraute 6
Schluchter, Auf der Suche nach der verlorenen Einheit, S. 257, 265. Der von Bernd Henningsen im Jahr 2007 herausgegebene Sammelband „Humboldts Zukunft“ enthält Darstellungen zur Idee der Humboldtschen Universität und ihrer Bedeutung in Gegenwart und Zukunft. 7 Schwarz, Die Ära Adenauer 1949 – 57, S. 417 f. 8 Jaspers, Erneuerung der Universität. 9 Näher Burtscheidt, S. 68 ff. 10 Führ, Deutsches Bildungswesen seit 1945, S. 14 ff.
II. Die „goldenen“ Fünfzigerjahre
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Gesellschaft und deren Institutionen in ihren wesentlichen Zügen wieder zu errichten. Das Herkömmliche hatte seine Chance11. Die Jugendlichen der 50er Jahre zeichnete eine Absage an die Romantik, ein privater Personenbezug und eine Pseudo-Erwachsenheit aus12. Für die spätere Entwicklung ist von Bedeutung, dass den Ländern für zwei Jahrzehnte in „Wiederaufnahme föderalistischer Traditionen“13 die Zuständigkeit für das Bildungswesen allein übertragen wurde. Eine gewisse Koordination erfolgte bei den Universitäten durch die 1948 gegründete Westdeutsche Rektorenkonferenz (WRK) und unter den Ländern durch die Kultusministerkonferenz (KMK). Die Beschlüsse dieser 1949 geschaffenen Arbeitsgemeinschaft der Länder hatte allerdings nur Empfehlungscharakter. Der Bund erhielt erst 1969 begrenzte Kompetenzen, zu einer Zeit, als die öffentliche Debatte um die Universitäten längst eingesetzt hatte. 37 Jahre später, im Jahr 2006, sind im Zuge der sog. Föderalismusreform die Befugnisse der Länder wieder gestärkt und der Bund fast völlig aus der Zuständigkeit für die Hochschulen entlassen worden. Inzwischen ist auch diese Reform reformiert worden14.
II. Die „goldenen“ Fünfzigerjahre In den ersten eineinhalb Jahrzehnten nach Ende des Krieges sind noch einmal drei Generationen im Geist der alten deutschen Universität geformt worden: Einmal die Studierenden der ersten Nachkriegsgeneration. Sie hatten am Krieg teilgenommen oder den Krieg unmittelbar miterlebt, ebenso wie den Zusammenbruch der Weltanschauung, in der sie erzogen worden waren. Teilweise befanden sie sich bereits weit in den Zwanzigern, zeigten eine bemerkenswerte geistige Aufgeschlossenheit, einen ausgesprochenen Gestaltungswillen und strebten nach schneller beruflicher Sicherung. Nachdem diese Studentengeneration die Universitäten verlassen hatte, folgten diejenigen, die zwar unter der nationalsozialistischen Herrschaft aufgewachsen waren, ihre Hochschulreife aber erst später erworben hatten. Sie suchten nach neuer Orientierung. Schließlich kam die darauf folgende Generation an die Hochschulen, noch Kinder in der Nachkriegszeit und während des wirtschaftlichen Wiederaufbaus. Sie sahen das Studium vor allem als Basis für die spätere berufliche Tätigkeit15. Die Ausbildung in den überkommenen Formen war allerdings nur deshalb möglich, weil die Zahl der Studenten überschaubar blieb, wenngleich sich auch zu jener Zeit das Massenphänomen bereits abzeichnete. Überfüllte Hörsäle und ein zu
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Ellwein, Die deutsche Universität vom Mittelalter bis zur Gegenwart, S. 239. Jarausch, Deutsche Studenten 1800 – 1970, S. 223. Führ, Bildungswesen, S. 2. s. u. B. IV. 4. Kleifeld, Wende zum Geist, S. 59.
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geringer Bücherbestand in den Bibliotheken wurden als wesentliche Beeinträchtigungen beim Studium empfunden. Die durchschnittliche deutsche Universität oder Technische Hochschule in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre hatte zwischen 4.000 und 6.000 Studenten16. München, die größte Universität, zählte rund 11.000, klassische Universitäten wie Tübingen, Marburg oder Göttingen etwa 5.000. Der Anteil weiblicher Studierender betrug 25 %, wobei es Unterschiede zwischen den Fächern gab. An den höheren Schulen machten 1950 nur rund 3 Prozent eines Jahrgangs das Abitur. Die Bildungsinhalte an den Schulen in den Bundesländern waren im Wesentlichen dieselben. Auch in diesem Bereich war es der letzte Zeitabschnitt, in dem ein einigermaßen homogenes Wissen nach weitgehend einheitlichen Lehrplänen von annähernd gleichwertig ausgebildeten Lehrern vermittelt wurde. Die vergleichsweise breite Allgemeinbildung, mit der die Studenten zum Studium kamen, hatte immerhin noch ein gewisses Interesse an einem studium generale zur Folge. Geistig rege Studenten haben sich damals oft nicht auf ein reines Fachstudium beschränkt. Manche orientierten sich eine Zeitlang an jenen Professoren, die über ihre Disziplin hinaus wirkten und von denen es an den meisten Universitäten einige gab17. Die überschaubaren Größenordnungen an den Universitäten in den frühen und mittleren fünfziger Jahren ermöglichten ein lebendiges interdisziplinäres Gespräch, gekennzeichnet durch intensive Bemühungen um die Klärung von Grundsatzfragen und eine überall noch ziemlich stark traditionelle Ausrichtung. Kaum eine Spur von Traditionsbruch war festzustellen, allerdings Merkmale von institutioneller Schwerfälligkeit. Eine Diskussion etwa um die Stellung der Universität und ihrer Mitglieder in der Gesellschaft nach 1933 fand nicht statt18. Die Professoren blieben bei solchen Themen „zugeknöpft“; allenfalls wurde auf abgeschlossene Entnazifizierungsverfahren verwiesen. Es blieb späteren Studentengenerationen überlassen, danach zu fragen, wie einzelne sich während der Zeit des Nationalsozialismus verhalten haben, gepaart mit Unverständnis darüber, warum nicht schon früher Antworten eingefordert worden seien. Treffend schreibt Hartmut Boockmann19: „Die Kinder derer, die nach 1945, ernüchtert und erleichtert angesichts des zu Ende gehenden Schreckens, in den Hörsälen saßen, sollten 25 Jahre später ihren Eltern vorwerfen, damals nicht erst jahrelang Grundsatzdebatten geführt zu haben, bevor sie sich ans Studium und an die Erarbeitung jener komfortablen Lebensumstände machten, unter denen sie, die Kinder, nun litten.“
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Der Begriff „Studenten“ wurde zu jener Zeit geschlechtsneutral gebraucht. Erst später setzte sich als Ausweichform für die Doppelnennung Studentinnen und Studenten der Plural Studierende immer mehr durch. 17 Schwarz, S. 418 f. 18 Jarausch, Das Humboldt-Syndrom, S. 63. 19 Göttingen – Vergangenheit und Gegenwart einer europäischen Universität, S. 64.
III. Die Ausbildungsrevolution
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Ohne dass es den Professoren und Studenten jener Jahre bewusst war, erlebten sie damals die „Abendröte der alten deutschen Universität“20.
III. Die Ausbildungsrevolution 1. Bildungsnotstand „Das Mandarinentum der deutschen Ordinarien“ ging mit den fünfziger Jahren zu Ende.21 Vereinzelt schon ausgangs jenes Jahrzehnts, vor allem aber am Anfang der sechziger Jahre wurden in der Bundesrepublik kritische Stimmen laut, welche auf gewisse Unzulänglichkeiten, unter anderem bei den Lehrmethoden, und auf die oligarchische Verfassung der Universitäten hinwiesen. Beobachter der Entwicklung wussten damals schon, dass eine Entscheidung zu fällen war, ob in Zukunft die vorhandenen Universitäten und Technischen Hochschulen ausgebaut oder neue Einrichtungen gegründet werden sollten.22 Der Warnruf des Pädagogen Georg Picht von der Bildungskatastrophe,23 ist wohl das markanteste Datum für den Beginn der modernen Diskussion über Hochschule und Gesellschaft24. Er setzte den Bildungsnotstand mit wirtschaftlichem Notstand gleich und prophezeite ein rasches Ende des eingetretenen wirtschaftlichen Aufschwungs, wenn qualifizierte Nachwuchskräfte fehlten, ohne die im technischen Zeitalter kein Produktionssystem etwas leisten könne. Die Zahl der Abiturienten sei das geistige Potenzial eines Volkes, und von diesem seien in der modernen Welt die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft, die Höhe des Sozialprodukts und die politische Stellung abhängig.25 Aus dem im Vergleich zu anderen Industrienationen geringeren Anteil der Bildungsausgaben am Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik leiteten neben Picht auch weitere Kritiker eine nachrangige, unterwertige Rolle der Bildung auf der nationalen Prioritätenliste ab.26 Den quantitativen Mangel sah man darin, dass es zu wenige Abiturienten, zu wenige Lehrer und überfüllte Hochschulen gäbe.27 Als qualitativ unzureichend galten das „veraltete“ Bildungssystem, worunter die innere
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So Schwarz, S. 420. Schwarz, S. 417. 22 Näher Ellwein, S. 244 ff. 23 Picht, Die deutsche Bildungskatastrophe, 1964. 24 Teichler, Hochschulstrukturen im Übergang, S. 282. 25 Die Sorge der Einzelnen, in der internationalen Konkurrenz nicht mithalten zu können, nimmt Bude, Bildungspanik, zum Ausgang für seine 2013 veröffentliche Analyse der aktuell betroffenen Elterngeneration. 26 So Edding, Internationale Tendenzen in der Entwicklung der Ausgaben für Schulen und Hochschulen, in: Kieler Studien, 1958, S. 23. 27 Edding, Bildung und Politik, opuscula, (1965) 25, S. 15; s. auch Anrich, Die Idee der deutschen Universität und die Reform der deutschen Universitäten, 1962. 21
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Verfassung der Hochschulen verstanden wurde, überlange Studienzeiten28 und die scharfe soziale Auslese beim Zugang zu einer höheren Ausbildung.29 Solche Überlegungen mussten auch in der Öffentlichkeit Anklang finden: Die Berufszugehörigkeit spielte bei der Schichtenzuordnung und damit bei Ansehen und Prestige eine wesentliche Rolle; mit der Ausbildung waren in der Regel Berufs- und Einkommensstatus verbunden. Vor allem die Ausbildung trat als statusbestimmende Determinante wieder voll in ihre Funktion ein. Die rund zwei Prozent erwerbstätigen Deutschen mit Universitätsabschluss gehörten sowohl nach subjektiven wie nach objektiven Maßstäben zur Oberschicht und zur oberen Mittelschicht.30 Zwar war die deutsche Gesellschaft seit der Zeit des Kaiserreichs für begabten und leistungswilligen Nachwuchs aus unteren Schichten bis zu einem gewissen Grad offen. So umfasste die Oberschicht auch eine Gruppe sozialer Aufsteiger. Insgesamt rekrutierte sie sich aber überwiegend aus den eigenen Reihen oder aus der benachbarten Mittelschicht von Angestellten, Beamten und besser situierten Selbständigen. Die Kinder aus den oberen Schichten absolvierten, wenn möglich, ebenfalls ein Universitätsstudium. Die sogenannte Bildungsbarriere für Kinder aus der Arbeiterschaft war einer breiten Öffentlichkeit bis dahin noch nicht als Politikum erschienen. Fachleute hatten sich dieser Frage aber bereits Mitte der fünfziger Jahre angenommen.31 Die große Ausbildungsrevolution, die Mitte der sechziger Jahre zu einem Zentralthema der Innenpolitik wurde, ist von den Bildungsspezialisten unterschiedlicher ideologischer Herkunft zehn Jahre lang vorbereitet worden. Es ist falsch, wenn behauptet wird, erst der kulturrevolutionär wirkende Studentenprotest habe auf die Mängel des deutschen Hochschulsystems aufmerksam gemacht und damit die Reformpolitik erzwungen und eingeleitet.32 Tatsächlich sind z. B. die Arbeiten des 1957 von Bund und Ländern für die Hochschulen eingerichteten Wissenschaftsrats mit den Empfehlungen zur Reform der Hochschulen fünf bis zehn Jahre älter als der Höhepunkt des Studentenprotests im Jahr 1968. Die längst fällige Reform war allerdings so überfällig geworden, dass sie in Revolution ausarten musste.33 Im Nachhinein ist es müßig, darüber zu spekulieren, ob die Umsetzung früherer Reformvorschläge dazu hätte beitragen können, später erhobene extensive Forderungen und deren Verwirklichung zu verhindern. Das gilt auch für das Versagen von Professoren und Ministerien34 hinsichtlich der Einleitung erforderlicher Reformen. 28
Dahrendorf, Bildung ist Bürgerrecht, 1965, S. 102 f. Hamm-Brücher, Ansätze zum bildungspolitischen Umdenken, S. 81. 30 Schwarz, S. 403. 31 Schwarz, S. 404. 32 Lübbe, Die Universität im Geltungswandel der Wissenschaften, S. 124, spricht in diesem Zusammenhang von einem universitätshistorischen Mythos, der in Publizistik und Politik seine Gläubigen hat; s. auch Lübbe, Gruppenuniversität. Revision eines „Demokratisierungsprogramms“, S. 13 ff.; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, S. 311. 33 Eigen, Die deutsche Universität – Vielfalt der Formen, Einfalt der Reformen, S. 92 f. 34 Dies bemängelte besonders Schelsky, Abschied von der Hochschulpolitik, S. 134. 29
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Auffällig ist das Fehlen von Bildungspolitikern in den Parlamenten und Parteien Ende der fünfziger Jahre. Von elf amtierenden Kultusministern gehörten fünf nicht den Parlamenten eines Landes an. Auch die Zahl der Parteilosen unter ihnen (drei) war bemerkenswert. Bis dahin hatte es in keinem anderen Ressort Minister gegeben, die parteilos waren. Auch Bundeskanzler Brandt entschied sich 1969 bei der Besetzung seines ersten Kabinetts für den parteilosen Hochschulprofessor Hans Leussink als Minister für Bildung und Wissenschaft. Und eine weitere Besonderheit war festzustellen: die Zahl „landfremder“, also aus einem anderen Bundesland Berufener.35 Hierin mag ein Grund liegen, dass es an der Möglichkeit fehlte, erkannte Notwendigkeiten auch durchzusetzen. Die Bildungspolitik war nicht so fest in die Parlaments- und Parteiarbeit eingefügt, dass ihre Anliegen mit Priorität behandelt wurden. Der fehlende Rückhalt von Experten der Bildungspolitik in Parlament, Kabinett oder Partei konnte erst durch das Echo in der öffentlichen Meinung ausgeglichen werden. Die Zeit einer scheinbar definitiven Entideologisierung war vor allem unter Intellektuellen und Studenten einem neuen Bedürfnis nach ideeller Kritik und veränderten Wertvorstellungen gewichen. „Wie ein Fieber“ brach die Reformdiskussion aus.36 Die Kritiker gingen über die pragmatische Politikauffassung der bundesrepublikanischen Aufbaugeneration hinaus. Indem sie diese anklagten, stellten sie zugleich ein Vakuum an Zukunftsvorstellungen fest und brandmarkten eine unzureichende „Bewältigung der Vergangenheit“, die sie rigoros und demonstrativ einforderten. Immer spürbarer trat dies in der belletristischen Literatur und in den Sozialwissenschaften hervor sowie im neuen Ton eines Generationskonflikts, der sich in stürmisch anwachsenden Studenten- und Jugendprotesten äußerte.37 Auf diesem Hintergrund sind auch Aussagen von damaligen Regierungsmitgliedern zu werten wie die: „Bildungsfragen sind … Machtfragen, Interessenfragen, Klassenfragen … Bei der Demokratisierung unseres Bildungswesens geht es letztlich um Klasseninteressen“.38 2. „1968“ In der Wahrnehmung vieler, nicht zuletzt wegen manch verklärter Berichte, erscheint die Jahreszahl 1968 als einschneidende Zäsur für die Reform. Für viele ist es ein Mythos. Was nicht alles den sog. „68ern“ zu verdanken sei! Beteiligte bekommen leuchtende Augen, wenn sie sich an eigene oder fremde „Heldentaten“ erinnern. Betroffene sehen dies weniger begeistert. Für manche sind die 68er an allem schuld. Wie aber sieht der Versuch einer nüchternen Bilanz aus?
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s. dazu näher Eschenburg, Zur politischen Praxis in der Bundesrepublik, 1964, S. 81 ff. Führ, Bildungswesen, S. 204. Bracher, Die Bewährung der zweiten Republik, S. 10. So v. Dohnanyi, vgl. Bulletin der Bundesregierung Nr. 148, S. 1475, 16. 11. 1973.
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Als 68er bezeichnet man Personen, die sich mit den Zielen und Vorgehensweisen der vor allem im Jahr 1968 politisch regen Studenten identifizierten39. Um nicht nur Mitläufer oder Sympathisant zu sein, musste ein Engagement in einer linken Gruppe oder zumindest die Beteiligung an Aktionen der studentischen Linken dazukommen40. Von Berkeley/Californien, wo der Protest sich gegen den Vietnam-Krieg richtete, ergoss sich die Welle über Paris nach Berlin. Dies scheint kein Zufall gewesen zu sein. Wegen des Viermächte-Status unterlagen Einwohner von Berlin (West) nicht der Wehrpflicht. Das zog Wehrdienstverweigerer und „Linke“ in besonderem Maße an. Als am 2. 6. 1967 der Student Benno Ohnesorge von einem Polizisten beim Besuch des Schahs von Persien anlässlich einer Demonstration erschossen wurde41, war dies ein Auslöser für Gewalttätigkeiten und Straßenschlachten mit der Polizei42. Gewalt gegen Personen und Sachen war die Folge. In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre wurde von der jungen Generation das Erstarken der Bundesrepublik in den zwanzig Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs zunehmend kritischer betrachtet43. Den wirtschaftlichen Erfolg bewertete man angesichts eines Konjunktureinbruchs lediglich als temporäres Produkt, dem kapitalistischen Wirtschaftssystem wurde ein baldiges Ende vorhergesagt. An den sozialwissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten kam es zu einer Wiederbelebung des Marxismus. Allmählich entwickelte sich eine Außerparlamentarische Opposition, APO genannt. Als ein Grund dafür wird auch die Tatsache angesehen, dass es im Bund eine Große Koalition gab und damit keine der sog. Volksparteien als Opposition wirkte. Die APO war im Grunde eine antiparlamentarische Bewegung. Sie hatte ihre prägenden Kräfte im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), von dem sich die SPD bereits 1961 getrennt hatte. a) Die Bewegung Die Vorstellung, es habe ein theoretisch geschlossenes Selbstverständnis oder klare Ziele „der 68er“ gegeben, ist irreführend. Es war eher eine nicht an bestimmten Bereichen orientierte Suche, die um 1968 zu Innovationen, Differenzierungen, aber auch Radikalisierungen führte. Theorien hatten innerhalb der Bewegung nur eine kurze Lebensdauer. Sie wurden aufgegriffen, hin und her gewendet und wieder verworfen. Es gibt also keine fest umrissenen „68er Ideen“. Eher bestand eine nicht 39
Fels, Der Aufruhr der 68er, S. 12 f.; Kraushaar, Achtundsechzig, passim. Zur Definition des Begriffs s. Seiffert, „Marsch durch die Institutionen?“, S. 11 f. Einen Überblick über studentische Opposition „gestern und heute“ vermittelt Schlicht, Vom Burschenschafter zum Sponti. 40 Dahms/Sommer, 1968 in Göttingen, S. 10. 41 Das Gericht hat dem Polizisten ein Handeln in Notwehr zugebilligt. 42 Welchen Verlauf die Geschichte genommen hätte, wenn man gewusst hätte, dass der Polizist Kurras inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der DDR (IM) war, wie im Mai 2009 bekannt wurde, bleibt Spekulation. 43 Zu den Quellen s. Becker/Schröder, Die Studentenproteste der Sechziger Jahre.
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näher definierte Sehnsucht, ohne dass klar wurde, was konkret gemeint war. Man sprach zwar von „konkreten Utopien“; was darunter verstanden wurde, blieb nebulös. Dies wird deutlich, wenn man sich erinnert, dass z. B. Rudi Dutschke, einer ihrer Exponenten, es mit Nachdruck ablehnte, eine konkrete Alternative zur kapitalistischen Gesellschaft zu formulieren. Die Möglichkeiten der Gesellschaftsveränderung sollten offen bleiben. Allenfalls orientierte man sich an marxistischen Vorstellungen. Personelle Leitfiguren waren u. a. Theodor W. Adorno, Ernst Bloch, Max Horkheimer, Herbert Marcuse und Jürgen Habermas. Sie gelten als die geistigen Väter der Bewegung44. Man kann darüber streiten, ob die zum Teil verschwommenen Vorstellungen eine Art von Programm oder als das Fehlen von Zielvorstellungen zu bezeichnen sind. So äußerte sich die „Bewegung“ in erster Linie in einer Kritik an den bestehenden Verhältnissen, und zwar in jeder denkbaren Hinsicht. Sie war nicht konstruktiv, sondern destruktiv. Alles wurde in Frage gestellt: Religion, Weltanschauung, wissenschaftliche Erkenntnisse, Pflichten der Bürger, sämtliche als Tugenden bezeichneten Einstellungs- und Verhaltensweisen. Die Haltung, „gegen“ etwas zu sein, kam in den drei Grundüberzeugungen zum Ausdruck45: Antifaschismus, Antikapitalismus und Antiimperialismus. Die erste richtete sich gegen die bislang nicht stattgefundene Auseinandersetzung mit der NSVergangenheit, die zweite gegen die bestehende Wirtschaftsordnung, die als ausbeuterisch und sozial ungerecht empfunden wurde, und die dritte gegen die angebliche Unterjochung der Länder der Dritten Welt. Diese Gegnerschaft bildete gewissermaßen den Hauptnenner aller Gruppierungen: SDS (Sozialistische Deutscher Studentenbund), APO (Außerparlamentarische Opposition), dogmatische und undogmatische Linke, zum Teil sogar konstruktiv reformerische Kräfte. Jedenfalls waren auf diesem Hintergrund breite Mobilisierungen und Aktionen möglich. Man versuchte, die Universitäten als Ausgangsstätten für die erstrebte Revolution zu nutzen. Wegen der aktuellen Probleme, die zunächst ins Visier genommen wurden, fanden „Aktionen“ durchaus die Sympathie der Mehrheit der Studenten. Die explodierenden Studentenzahlen, als mangelhaft empfundene Betreuung und die als „Herrschaft der Ordinarien“ gegeißelte Organisationsstruktur führten zu Solidarisierungen unter dem Beifall der Kommilitonen, die sich an Protestveranstaltungen mannigfacher Art beteiligten46. Die Situation steigerte sich zu Meinungsterror und Bedrohung wissenschaftlicher Freiheit. Vorlesungsstörungen, die Androhung und auch die Verwirklichung von Gewalt gegen Sachen und Personen waren keine Einzelerscheinungen47. Das Bild von den Studenten änderte sich radikal. Veränderte 44
Fels, S. 11. Fels, S. 18, 24, 35. 46 Jarausch, Deutsche Studenten, S. 234. 47 Die Gründung des Bundes Freiheit der Wissenschaft im November 1970 von konservativen und liberalen Hochschullehrern war eine Reaktion auf entsprechende Vorkommnisse (Wehrs, Der Protest der Professoren. Der „Bund Freiheit der Wissenschaft in den 1970er 45
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Lebensgewohnheiten, die demonstrative Geringschätzung konventioneller Formen, „Kommunen“ genannte Wohngemeinschaften, Rücksichtslosigkeit gegenüber Vermietern, die bewusste Vernachlässigung von Äußerlichkeiten wie Kleidung und Frisur machten den „linken“ Studenten für weite Bevölkerungskreise zu einem Bürgerschreck. Studentische Funktionäre forderten ein „Studentengehalt“48 für alle, weil es im Interesse des Staats sei, dass die Studenten ihre Zeit in Form des Studiums für dessen Interessen durch spätere Verwertung ihres Wissens einsetzten. Die andersartigen Formen des Auftretens und Verhaltens haben andauernde Wirkungen entfaltet, weil viele bis dahin gültige Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens fortan unbeachtet blieben. Dabei sind gewiss auch manche „alte Zöpfe“ abgeschnitten worden, um die es nicht schade ist. Auf der Strecke blieben aber auch Regeln und Usancen, die man als Voraussetzung für ein zivilisiertes Zusammenleben rechnen darf. Die Zahl der Aktivisten war gering. An den Demonstrationen nahmen je nach Zielsetzung zwischen 8 bis 35 % der Studierenden teil, die wenigsten an denen gegen die Ordinarienuniversität, die meisten an den großen „Demos“ gegen die Notstandsgesetze49. Zwar verdoppelte sich die Mitgliederzahl des SDS, sie lag aber auch im Herbst 1967 bei nicht mehr als 2.50050. Die linksradikale Politik des SDS wurde nur von einer kleinen Minderheit geteilt51. Eindeutig kriminell waren „Aktionen“ wie Besetzungen von Hörsälen, Verwüstung von Bibliotheken bis hin zu Bombenanschlägen auf politisch missliebige Professoren. So konnten einige Hochschullehrer ohne Gefahr für Leib und Leben die Universität nicht mehr betreten, Vorlesungen fielen wochenlang aus, weil sie „bestreikt“ wurden. Mit dem teilweisen oder geschlossenen Fernbleiben der Studenten von Vorlesungen und anderen Lehrveranstaltungen, im Grunde ein Boykott und kein Streik, sollten Forderungen gegenüber der Hochschulleitung oder der Wissenschaftsverwaltung durchgesetzt und/oder ein allgemeiner Protest bekundet werden. Zugleich bemühte man sich um Solidarität mit der Arbeiterschaft – u. a. durch die Verwendung des Begriffs „Streik“. Der Rückzug des SDS in die Universitäten setzte ein, weil der Versuch, die Bevölkerung, vor allem die Arbeiterschaft, zu gewinnen, erfolglos blieb. An den Universitäten begann eine Entwicklung, sie zu Ausgangsstätten für die zukünftige Jahren“). In Berlin hatte bereits Ende der 60er Jahre die Notgemeinschaft für eine Freie Universität sich die Abwehr kommunistischer Gefahren an der Freien Universität zum Ziel gesetzt. 48 Fels, S. 15. 49 Die Notstandsgesetze wurden am 30. Mai 1968 vom Bundestag verabschiedet, begleitet von massiven Protesten der so genannten außerparlamentarischen Opposition. Die Notstandsgesetze änderten das Grundgesetz und fügten eine Notstandsverfassung ein, welche die Handlungsfähigkeit des Staates in Krisensituationen (Naturkatastrophe, Aufstand, Krieg) sichern soll. 50 Hardtwig, Studentische Politik an der humboldtschen Universität, S. 152. 51 Siegfried, Auf dem Weg zu einer zivilen Kultur, S. 258.
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Revolution „umzufunktionieren“ – so lautete ein zuerst in einschlägigen Kreisen benutzter, dann aber auch in den allgemeinen Sprachgebrauch eingehender Begriff. Das Ziel, den liberalen Staat als angeblichen Interessenvertreter des Kapitals und der Repression zu zerschlagen, hatte die APO nicht erreicht. Gelungen war es ihr indessen, mannigfachen politischen und sozialen Wandel von nicht geringem Ausmaß in Gang zu bringen, der zu weitgehenden Veränderungen im öffentlichen und individuellen Bewusstsein führte. Dieser Vorgang wurde von einem erstaunlich anpassungsfähigen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen System angenommen. Seine Folgen wirken eigenständig oder sekundär in vielerlei Formen weiter52. Ein großes Problem stellte das Sympathisantentum mit dem Terrorismus dar53. Darunter verstand man das vornehmlich aus Intellektuellen bestehende Umfeld vielfach von den Hochschulen kommender Terroristen der Roten-Armee-Fraktion (RAF), das deren Aktionen duldete oder sie sogar aktiv unterstützte. Die Täter nahmen für sich in Anspruch, dass es bei der Gewaltanwendung auf die Motive ankomme. Da politisch motivierte Taten zum Besten der Gesellschaft geschähen, seien sie gerechtfertigt54. Wer eine „normale“ Straftat begehe, sei schuldig, wer dies aus politischen Beweggründen tue, verdiene eine andere Beurteilung. Die Grundsätze zur Beschäftigung von verfassungsfeindlichen Personen im öffentlichen Dienst, geregelt im sog. Extremisten-Beschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern aus dem Jahre 1972, betraf linke wie rechte Verfassungsfeinde in gleicher Weise. Aktuell wurde die Frage jedoch nur in Bezug auf Exponenten der Linken. Dies hing damit zusammen, dass die APO und ihre Nachfolgegruppierungen, insbesondere die K-Gruppen, das Ziel verfolgten, einen „Marsch durch die Institutionen“ anzutreten. „K-Gruppen“ war ein Sammelbegriff für die zahlreichen linksradikalen Gruppierungen, die sich im Gefolge der Studentenbewegung der späten sechziger Jahre gebildet hatten und deren Name meist mit einem „K“ (für kommunistisch) begann. Sie bekannten sich überwiegend zum Marxismus-Leninismus in maoistischer Ausprägung und wandten sich nicht nur gegen die bürgerliche Gesellschaft, sondern auch gegen das damals in der UdSSR verwirklichte Herrschaftsmodell. Zu ihnen zählten etwa der KBW (Kommunistischer Bund Westdeutschlands), die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands), die KPD/ML (KPD/ Marxisten-Leninisten), die MLD (Marxisten-Leninisten Deutschlands) oder der KABD (Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands). Schon in den siebziger Jahren waren einige der K-Gruppen von Spaltungs- und Auflösungserscheinungen betroffen. Das Scheitern des Kommunismus in den osteuropäischen Ländern und der DDR hat später den Einfluss und die Bedeutung dieser Gruppen weiter zurückgedrängt. 52 53 54
Hildebrand, Von Erhard zur Großen Koalition 1963 – 69, S. 375. Fels, S. 233. Vgl. Schneider, Politische Kriminalität, S. 596.
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Bewerber mit einschlägigen Biographien um Positionen im öffentlichen Dienst wurden durch die Anwendung des sog. Radikalen-Erlasses daran gehindert, eine Unterwanderung des Systems zu erreichen. In Überzeichnung und Verdrehung der Situation sprach man in diesen Fällen von „Berufsverboten“. Tatsächlich fehlte es an einer Voraussetzung für die Einstellung, nämlich an dem Merkmal der Verfassungstreue55. b) Wirkungen Wenn der Eindruck erweckt wird, die 68er-Bewegung hätte eine positiv zu bewertende Reform an den Universitäten in Gang gesetzt56, bedarf das der deutlichen Relativierung57. Experten meinten, dass die Hochschulrevolte „nicht hätte kommen müssen“, wenn die Chance einer Hochschulreform nach 1945 nicht vertan worden wäre58. Es ist oft spekuliert worden, dass die Umsetzung der Positionen des Verbands Deutscher Studentenschaften (VDS) Ende der fünfziger Jahre dazu hätte beitragen können, später erhobene extensive Forderungen und deren Verwirklichung zu verhindern. Allerdings trifft wohl zu, dass es des Umwegs über massive Proteste bedurfte, weil sonst verkrustete Strukturen nicht hätten aufgebrochen werden können. Ebenso richtig ist, dass es Exzesse gab und dauerhafte Beschädigungen gibt. Der „Marsch durch die Institutionen“59 über den Journalismus, die Lehrerschaft, Kirche, Justiz und Verwaltung bis zu einflussreichen Positionen ist zum Teil durchaus geglückt. Die rot-grüne Bundesregierung von 1998 bis 2005 ist ein markantes Beispiel: Hier waren Joschka Fischer, zwar nicht ehemaliger Student, aber der Bewegung zugerechnet, und Jürgen Trittin, früher Student in Göttingen und Mitglied des Kommunistischen Bundes (KB), die auffälligsten Vertreter. Mit leichtem Zynismus kann man sagen, dass die Universität eine Art Übungsstätte für künftige Politiker darstellte, die oft gar keinen „bürgerlichen“ Beruf ausgeübt haben und außer Schule, Hochschule und Parlament beruflich keinen anderen Lebensraum als eigenes Betätigungsfeld kennen. „68“ ist eine Chiffre für die Studentenbewegung. Die Jahreszahl wird als eine Art Scheidewand zwischen zwei Epochen verstanden. Bis dahin sei die Bundesrepublik 55
Ein prominentes Beispiel ist der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann. Wegen der Mitgliedschaft in einer kommunistischen Studentengruppe wurde er zunächst nicht als Lehrer eingestellt. Ein positives Votum des Präsidenten der Universität, an der er studiert hatte (Hohenheim) führte schließlich zur Aufnahme in den Schuldienst (s. Stuttgarter Zeitung v. 19. 3. 2015, S. 3). 56 Vgl. Bocks, Mehr Demokratie gewagt? S. 274 f. 57 s. o. Fn. 30, 31. 58 Dahms, Die Universität Göttingen, S. 436, mit Hinweis auf Helmut Becker. 59 Vgl. die gleichnamige Darstellung von Seiffert mit dem Untertitel „Die „68er“ in der SPD“.
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ein restauratives Land gewesen, bestenfalls eine angepasste Demokratie; nunmehr sei das Land gekennzeichnet durch „mehr Demokratie“ und Partizipation. Für die Entwicklung der studentischen Subkultur war die Studentenrevolte von entscheidender Bedeutung, da die konventionelle bürgerliche Lebensart in Frage gestellt und neue, antiautoritäre Lebensstilkonzepte entwickelt wurden, die, anders als die damals vertretenen politischen Utopien, inzwischen in vielen Bereichen Eingang in die Gesellschaft gefunden haben60. „1968“ war nicht zuletzt ein Medienereignis. Die bewusst provokativen Regelverletzungen, Happenings mit zum Teil entwaffnender Komik und nicht ohne Hintersinn erregten eine außergewöhnliche mediale Aufmerksamkeit61. Ein wichtiges Resultat jener zum Teil dramatischen Entwicklung war, dass die alte Universität als europäische Bildungsanstalt auf der Strecke blieb und unter dem konzentrierten Zugriff von Revolutionären und Bürokraten zerbrach. Die außerparlamentarische Opposition hatte ein Machtvakuum an der Universität aufgedeckt, das nun die Staatsverwaltung mit ihren Mitteln füllte. Die traditionelle Wissenschaftsuniversität, sachlich einseitig, aber politisch wirksam als „Ordinarienuniversität“ angeklagt, und ihre Exponenten reagierten verunsichert und mit einer gewissen Hilflosigkeit. Die Auseinandersetzungen zeigten auch in erschreckendem Maße die Distanz zwischen Universität und Öffentlichkeit. Aber es ist nicht zu verkennen, dass die Funktion der Hochschule in der Gesellschaft sich ebenso verändert hatte wie diese Gesellschaft selbst62. Sieger blieb in dieser Entwicklung die Bürokratie63, deren überproportionale Stärke die durch Regulierungen verordnete Schwäche der reformierten Universitäten noch erheblich vervielfachte. Die Hochschule wurde unmittelbar und distanzlos Einrichtung des Staates64. Gewiss hat „68“ Einfluss auf die Lebensstile und Umgangsformen gehabt. Dies wurde – in Grenzen – auch von Kritikern als akzeptabel anerkannt. Auf jeden Fall waren die Wirkungen zwiespältig65. Tiefe Gräben sind aufgerissen worden. Es sah eine Zeit, etwa kurz vor der Wiedervereinigung, so aus, als könne man beide Lesarten akzeptieren, wobei in der Rückschau von den einen manches weniger verklärt, von den anderen manches nicht mehr ganz so kritisch gesehen wurde. Dies änderte sich, nachdem die DDR ihr Ende gefunden hatte. Das Scheitern des kommunistischen Systems führte dazu, dass „linke“ Ideen und Ziele erheblich abgewertet wurden. Ob dies nicht nur eine zeitweilige Erscheinung war, scheint angesichts des zwischenzeitlichen Erstarkens der Partei „Die Linke“ nicht unwahrscheinlich. Es wurde zu60 61 62 63 64 65
Böttiger, Wertewandel durch die 68er-Generation, passim. Siegfried, S. 258. Ellwein, S. 253. Winkler, Der lange Weg nach Westen, S. 282. Ellwein, S. 257. Wolfrum, Die Bundesrepublik Deutschland von 1949 – 1990, S. 329.
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gleich deutlich, welche Folgen und „Nebenwirkungen“ „68“ mit sich gebracht hatte: Verlust von Autorität, Werteverfall und das Fehlen von allgemein gültigen Maßstäben. Aber gewiss kann man nicht sämtliche tatsächlichen oder angeblichen Verfallserscheinungen der Gegenwart auf „die 68er“ zurückführen.
IV. Vom Reformkonsens zur Konfrontation Ab Ende der 1960er entstand ein neues Gebilde: die „Gruppenuniversität“, in der Begriffe wie Mitbestimmung, Demokratisierung und Transparenz die zentrale Rolle spielen sollten. Das betraf die Verfassung der Hochschulen – durch stärkere Beteiligung der Nichtordinarien, des Mittelbaus, der Studierenden und der sonstigen Mitarbeiter.66 Fakultäten wurden in Fachbereiche umorganisiert, eine stärkere Differenzierung der einzelnen Wissensgebiete führte weg vom alten (inzwischen wieder erstrebten) Ideal der interdisziplinären Forschung.67 Eine quantitative Ausweitung des höheren Bildungswesens wurde in Gang gesetzt. Dazu gehörten solche Aktionen wie „Student aufs Land“, um Bildungsreserven zu wecken und zu mobilisieren, womit auch das viel zitierte „katholische Mädchen vom Land“ erreicht werden sollte. Eindeutig und offenbar unwiderruflich hatte der Trend eingesetzt, dass unabhängig von der demographischen Entwicklung der jeweilige Jahrgangsanteil an Schülern,68 der Ausbau höherer Schulen wuchs und die Mehrheit der Abiturienten auch ein Studium aufnehmen wollte.69 In der Expansion des Hochschulwesens dokumentieren sich zwei säkulare internationale Trends: die „Demokratisierung“ im Sinne der Öffnung der Sekundar- und Hochschulbildung sowie die Verwissenschaftlichung in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.70 Zu den Konsequenzen der sog. Demokratisierung gehörten flankierende Maßnahmen wie z. B. finanzielle Förderung.71 Auch gebot die Konkurrenz zum anderen deutschen Staat, den Zugang zur Hochschule „sozial“ zu ermöglichen.72 Die strukturelle Reformierung zielte darauf ab, Gesamthochschulen einzuführen und eine Verkürzung des Studiums zu erreichen. Weitere Schlagworte lauteten: neue Lehrkörperstruktur, Modernisierung und Stärkung der Hochschulselbstverwaltung. Zur Erreichung dieser Ziele sollte der Bund zum ersten Mal eine Grundsatz- und Rahmenkompetenz für das gesamte Bildungswesen erhalten, die es ihm ermöglichte, die gesamtstaatlichen Strukturdaten für die Entwicklung in quantitativer, qualitati66
Ellwein, S. 253. Führ, Bildungswesen, S. 205 f. 68 Die Begriffe „Schüler“ und „Abiturienten“ wurden wie „Studenten“ geschlechtsneutral gebraucht, s. o. Fn. 16. 69 Ellwein, S. 250. 70 Führ, Bildungswesen, S. 204. 71 Führ, S. 205. 72 Ellwein, S. 253. 67
IV. Vom Reformkonsens zur Konfrontation
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ver, finanzieller und organisatorischer Hinsicht festzulegen.73 Die dafür nötige Grundgesetzänderung erfolgte 1969 noch zur Zeit der Großen Koalition von CDU/ CSU und SPD. Die Beweggründe für die Reform beruhten nicht zuletzt auch auf ökonomischen Überlegungen. Standen bereits in den fünfziger Jahren wegen der zu beobachtenden Engpässe Fragen des Bedarfs an hochqualifizierten Arbeitskräften im Vordergrund, so beschäftigte man sich später, motiviert von der Ost/West-Auseinandersetzung beider Wirtschaftssysteme, mit dem Problem einer ökonomisch orientierten Bildungspolitik, deren Ziel es sein sollte, die bis 1970 vorgegebenen Wachstumsraten zu erreichen. Wirtschaftliches Wachstum wurde als Bedingung und Resultat der Kulturpolitik verstanden.74 Stärker betonte demgegenüber vor allem Dahrendorf den individuellen Ansatz des Bürgerrechts auf Bildung.75 Die vielfältigen Forderungen trafen auf eine breite Zustimmung und wurden zum größten Teil auch politisch, mit im Lauf der Zeit veränderten Mehrheiten, umgesetzt. Die wichtigsten Beispiele dafür sind: – Das Abkommen zwischen Bund und Ländern über die Errichtung eines Wissenschaftsrats (1957) für den Hochschulbereich; – das Verwaltungsabkommen über die Errichtung des deutschen Bildungsrats (1965) für den Schulbereich; – die Einführung des neuen Hochschultyps Fachhochschule (1968) durch einen Staatsvertrag der Länder; – die Ergänzung des Grundgesetzes (1969) durch Art. 74 Nr. 13 Abs. 1 Nr. 1a, Art. 91a, Art. 91b u. a. mit der Ermöglichung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau; – das Hochschulbauförderungsgesetz (1969); – die Schaffung der Bund/Länder-Kommission (BLK) für die Bildungsplanung und Forschungsförderung (1970); – das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) 1971 mit dem Anspruch auf individuelle Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung, wenn dem Auszubildenden die erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen; sowie einige Jahre später unter schon veränderten Vorzeichen 73 s. dazu die in den Fn. 24 – 26 genannten Autoren Edding, Dahrendorf und Hamm-Brücher; weitere Hinweise bei Turner, Hochschulreformpolitik, Versuch einer Bilanz. Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“ B 3 – 4/84, 21. 1. 1984, S. 25, Fn. 16 – 19. 74 OECD, Bildungswesen: mangelhaft. BRD-Bildungspolitik im OECD-Länderrahmen, 1973, S. 9. 75 Dahrendorf, S. 23.
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– das Hochschulrahmengesetz (HRG) von 1976, u. a. mit den Aufgaben der Neuordnung des Hochschulwesens (§ 4), der Errichtung von Gesamthochschulen (§ 5), der Studienreform (§ 8), der Schaffung einer neuen Personalstruktur (§§ 36 ff.) und Vorgaben für die Organisation und Verwaltung (§ 58) sowie die Hochschulplanung (§ 67 f.). Die Bildungspolitik der sechziger Jahre – vor der Studentenrevolte – war maßgeblich von zwei Kultusministern geprägt worden, die der CDU angehörten: Paul Mikat in Nordrhein-Westfalen und Wilhelm Hahn in Baden-Württemberg. Die gängigen Forderungen aber waren Gemeingut der fortschrittlichen Bildungspolitiker aller Parteien.76 Irgendwelche Reformen wollten Ende der sechziger Jahre nahezu alle.77 In Brandts Regierungserklärung des ersten sozial-liberalen Koalitionskabinetts 1969 stand die Bildungspolitik an der Spitze der Reformen.78 Dies bedeutete keinen Einschnitt, sondern vielmehr die Bestätigung eines laufenden Prozesses. Das Pathos des (vermeintlichen) Neuanfangs erhöhte allerdings den Erwartungsdruck. Vor allem aber förderte die noch wachsende Bewertung der Bildungsreform als Grundlage der Gesellschaftsveränderung die parteipolitische Polarisierung und Ideologisierung der Bildungspolitik.79 Aus dem anfänglich zu beobachtenden Zusammenraufen wurde immer mehr ein Auseinanderstreben der Bildungspolitiker von Regierung und Opposition. Es hatte allerdings einige Zeit gedauert, ehe die Bildungsdiskussion eindeutig parteipolitisch kanalisiert war. Zu Anfang hatten Wissenschaftler die Auseinandersetzung bestimmt. Parallel zur allgemeinen politischen Polarisierung machte man die Hochschulen auch verstärkt zum Objekt parteipolitischen Streits im Einzelnen. Dies wurde am deutlichsten in den Ländern, wenn es um die Einschätzung von Entwicklungen und Vorhaben an bestimmten Institutionen ging. Die Auseinandersetzungen um die Universitäten Konstanz80 und Heidelberg81 zu Anfang der siebziger Jahre sind Beispiele dafür. Breit diskutierte man in der Öffentlichkeit auch die Verhältnisse an den Universitäten in Berlin, Bremen, Hamburg und Marburg und Frankfurt/Main. Die Abkehr vom Konsens82 in der Bildungspolitik vollzog sich in einem Hin und Her zwischen Vorstößen der sozialliberalen Mehrheit auf Bundes- und Länderebene 76
Jäger, Die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition 1969 – 1974, Bd. V/I, S. 130. Böning, Hochschulreform – Illusion und Wirklichkeit, S. 133. 78 Jäger, S. 129; s. auch Bocks, Mehr Demokratie gewagt? 79 Jäger, S. 130. 80 dpa – Dienst für Kulturpolitik – v. 9.10., 13.11., 20.11. und 11. 12. 1972. 81 dpa v. 20.11., 27.11., 11.12. und 18. 12. 1972. 82 Als Vertreter einer Konsenslinie galten die Kultus- bzw. Wissenschaftsminister und späteren Ministerpräsidenten ihrer Länder Bernhard Vogel, CDU, (Rheinland-Pfalz) und Johannes Rau, SPD, (Nordrhein-Westfalen). Einen späteren, allerdings vergeblichen Versuch einer Abstimmung zwischen den beiden Genannten hat es noch einmal gegeben, als der 77
V. Stabilitätspolitik und Ernüchterung
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einerseits und dem Ausbau der Gegenpositionen auf beiden Ebenen durch CDU und CSU andererseits. Dabei trugen die Versuche der Bundesregierung, ihre neuen Mitwirkungsmöglichkeiten im Bildungsbereich, u. a. in der Bund/Länder-Kommission, offensiv wahrzunehmen, dazu bei, die Konsensgrundlagen des bildungspolitischen Aufschwungs zu gefährden. Die Bildungspolitik wurde zu einem der Politikbereiche, die es mit anderen und in Konkurrenz dazu „zu verkaufen“ galt. Dies führte zur Akzentuierung von „Expansion“, „Modernisierung“, „Strukturreform“ und „Demokratisierung“ als bildungspolitische Ziele der sozial-liberalen Koalition. Aber besonders die Überlegungen der beiden „politischen Grundwellen“ der „weltweiten Bildungsreform-Debatte“ – Demokratisierung der Strukturen und Ausbau der Hochschulen – war nicht ohne Gefahr.83 Die CDU/CSU-Opposition betonte demgegenüber zunehmend die Grenzen der Finanzierbarkeit. Die Schärfe der Auseinandersetzung in den Jahren 1970 bis 1973 beruhte wesentlich auf einer von Regierung und Opposition bewusst betriebenen Konfrontation ideologischer Art.84 Wenn es trotzdem immer wieder ein Aufeinanderzugehen gab, war dies ein Jahrzehnt lang, von Mitte der 70er bis Mitte der 80er Jahre, im Wesentlichen ein Verdienst der „Bürokraten“, nämlich Eberhard Böning für den Bund, Ulrich Kleiner für die Seite der sog. A-Länder (d. h. SPDregiert) und Paul-Harro Piazolo für die B-Länder (CDU-regiert).85 Reformen waren nunmehr oft von einem Zickzackkurs gekennzeichnet: War ein Vorhaben umgesetzt, wurde es nach einem Regierungswechsel wieder aufgehoben und durch ein anderes ersetzt usw. Dies wird bei Behandlung der verschiedenen Bereiche, die Gegenstand der Hochschulpolitik sind, im folgenden Teil B. in den einzelnen Kapiteln dargestellt.
V. Stabilitätspolitik und Ernüchterung Die Reformpolitik hatte ihre Grenze in der Stabilitätspolitik. Dies deutete sich bereits früh, 1970/71, an.86 Nicht einkalkulierte Ereignisse, wie die Ölkrise des Jahres 1973, führten zu einer Verknappung der Geldmittel auch an den Universitäten.
Thüringische Ministerpräsident Vogel den Bundespräsidenten Rau bat, die vom Bundestag beschlossene Änderung des HRG zu stoppen (dpa 50/2001, S. 17). Die Änderungen wurden anschließend vom BVerfG kassiert (26. 1. 2005, 2 BvF 1/03); s. u. S. 236. 83 Führ, Bildungswesen, S. 204. 84 Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, Hochkonjunktur und Flaute: Bildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1967 – 1980, S. 202. Die Erwartung, dass es Anfang des neuen Jahrhunderts vielleicht zu einem „Abschied von der Ideologie“ kommt (Schlicht, Der Tagesspiegel v. 28. 1. 2000, S. 34) ist nicht eingetreten. 85 Böning war Ministerialdirektor, später Staatssekretär im zuständigen Bundesministerium, Kleiner und Piazolo waren Amtschefs der betreffenden Länderministerien. 86 Jäger, Die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition 1974 – 1982, Bd. V/II, S. 47.
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A. Zur Entwicklung des Hochschulwesens in Deutschland
Zugleich wurden die Abhängigkeiten und Anfälligkeit der modernen Industriegesellschaft und ihres Wohlstands deutlich.87 Seit der Mitte des Jahrzehnts machte sich eine Stagnation der Ausgaben beim Hochschulbau, bei Personalstellen und im Sachmittelbereich bemerkbar. Die zunehmende Knappheit der öffentlichen Mittel und eine veränderte Prioritätensetzung zum Nachteil des Bildungssektors ließen die Veränderung der Rahmenbedingungen deutlich erkennen. Der schrittweise Stimmungswandel setzte sich bis zum Ende der siebziger Jahre immer deutlicher fort. Verschiedene Folgen der Expansions- und Reformphase riefen Kritik und Ernüchterung hervor.88 Die knapper gewordenen Finanzmittel waren gelegentlich ein willkommener Anlass, als überzogen eingestufte Reformvorhaben zu bremsen oder rückgängig zu machen. Ein entscheidendes Signal war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1973 zum niedersächsischen Vorschaltgesetz. Dabei ging es um die Frage, ob die Professoren durch die Neuregelung der Zusammensetzung der Kollegialorgane, Kommissionen und Ausschüsse an den wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Niedersachsen bzw. die Mitwirkung von Vertretern der verschiedenen Gruppen von Hochschulangehörigen in diesen Organen in ihren Rechten aus Art. 5 Abs. 3 GG auf funktionsgerechte Mitsprache verletzt seien.89 Die veränderte politische und wirtschaftliche Großwetterlage erschütterte die Fortschrittsgläubigkeit und Wissenschaftsorientierung der sechziger Jahre. Nach der Aufschwungphase und der Hochkonjunktur zwischen 1967 und 1970 folgte die Phase der sozial-liberalen Euphorie und des reformerischen Aktivismus von 1969 bis 1974, schließlich der Versuch der technokratischen Akkomodation 1974 bis 1980: insgesamt ein Bildungskonjunkturzyklus.90 Eines der Zeichen für die Ernüchterung im politischen Bereich war – nach dem Rücktritt Brandts im Mai 1974 – die Besetzung des Bundeskabinetts durch den Nachfolger Helmut Schmidt. Sogenannte intellektuelle Hochflieger wie die Minister Ehmke und v. Dohnanyi mussten zu Gunsten der Vertreter der Mitte des politischen Spektrums wie Matthöfer und Rohde weichen. Damit kam eine Abkehr von ideologischen, visionären Höhenflügen zum Ausdruck;91 für manche sogar ein antiakademischer Unterton.92 Im Wahlkampf 1976 war eine deutliche Zurückhaltung der Intellektuellen zu spüren, die sich 1969 und 1972 begeistert in Wählerinitiativen für Brandt eingesetzt hatten. 87
Jäger, S. 109. Habermas, Die Idee der Universität – Lernprozesse, S. 147. H. sah in der Krise der öffentlichen Haushalte das wesentliche Rezessionsphänomen der Bildungsplanung, nicht so sehr in einer Neuorientierung der Bildungspolitik durch von ihm sogenannte Neokonservative. 89 Urteil v. 29. 5. 1973 (BVerfGE 35, 79). 90 Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, Hochkonjunktur und Flaute, S. 19, 30 ff., 200 ff. 91 Jäger, Bd. V/II, S. 10. 92 Wehrs, in: Brandt, S. 214. 88
V. Stabilitätspolitik und Ernüchterung
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Die Regierungserklärung von Helmut Schmidt nach dem Wahlsieg 1976 verdeutlichte das Ende der Reformpolitik. Die Aussagen zum Bildungswesen wirkten desillusionierend.93 Da die Reformpolitik auf wirtschaftlichen Zuwachs gebaut hatte, musste die eingetretene Verschlechterung der ökonomischen Rahmenbedingungen zu Konsequenzen führen. So reagierte auch die CDU in ihrem Grundsatzprogramm von 1978 nicht nur auf die sozial-liberale Reformpolitik, sondern auch auf frühere Reformeuphorie in den eigenen Reihen. Besonders sichtbar wurde dies am Begriff der Chancengerechtigkeit im Bildungswesen, der die noch 1971 aufgestellte Forderung nach Chancengleichheit ablöste.94 Zum Ende der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt im Jahr 1982 konnte man feststellen: Die Mehrheit der Wähler wollte nichts mehr von Reformen wissen. Vieles erschien allem ungestümen emanzipatorischen Drang zum Trotz als Dirigismus des Staates und wurde so verstanden, dass er über die Bedürfnisse der Bürger hinweg seine technokratischen Ziele verfolgte. Die Bildungspolitik beflügelte nicht mehr die Phantasie der Zukunftsgestaltung, sondern ächzte unter der Last des täglichen Problemdrucks: nicht zuletzt der Bewältigung von Folgen der vergangenen Euphorie. Der Bund zog sich aus dem Gehege der Länderhoheit weitgehend wieder zurück. Die Reformgesetzgebung im Bereich der Hochschulausbildung wurde mit dem Hochschulrahmengesetz von 1976 unter Mühen zum Abschluss gebracht.95 Es sollte die Experimentierphase nach rund 10 Jahren beenden, damals noch mit dem Fernziel des Ausbaus aller Hochschulen zu Gesamthochschulen bzw. der Koordinierung der verschiedenen Hochschularten.96 Das HRG von 1976 war ein Novum in der deutschen Hochschulgeschichte.97 Neben einer Reihe anderer Bestimmungen wurden darin Grundsätze und Verfahrensregelungen für die Studienreform aufgeführt, so zur Neuordnung des Studienangebots mit dem Ziel, überlange Studienzeiten zu verkürzen. Obwohl das Gesetz detaillierte Regelungen über Studienordnungen und -gänge enthielt, hat es keine durchgreifende Änderung bewirkt. Bis Ende der siebziger Jahre mussten die Länder ihr Hochschulrecht an das HRG anpassen, wobei ihnen ein gewisser Spielraum für eigene Akzente blieb.98 Kritischen Beobachtern galt das HRG von 1976 als kleinster gemeinsamer Nenner aller politischen Kräfte99 und als Zeichen von Resignation.100
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Jäger, Bd. V/II, S. 67. Jäger, Bd. V/II, S. 124. 95 Jäger, Bd. V/II, S. 263. 96 Führ, Bildungswesen, S. 221. 97 Führ, S. 206 f. 98 Führ, S. 207. 99 Jäger, Bd. V/II, S. 263. 100 Arnold/Martz, Einführung in die Bildungspolitik, 1979, S. 22. 94
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A. Zur Entwicklung des Hochschulwesens in Deutschland
Nach und nach zeigte sich eine deutliche Abkehr von Folgerungen, die früher im Konsens aller politisch Verantwortlichen gezogen worden waren, und zwar unter wechselnden Mehrheiten. Das belegen – die Auflösung des Deutschen Bildungsrats (1975); – der Streit um die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau (1981) und um die Graduiertenförderung (1983); – das Scheitern der Fortschreibung des 1969 von der sozial-liberalen Regierung eingeführten Bildungsgesamtplans (1982); – die Umstellung des BAföG auf Volldarlehen (1982); – die Reform des Hochschulrahmengesetzes (1985, mit der Streichung des Ziels Gesamthochschulausbau101); – die partielle Auflösung der Bund/Länder-Kommission (keine weiteren Bildungsgesamtpläne). Mit dem Ende der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau durch die Föderalismusreform erledigte sich die Aufgabe des Wissenschaftsrats, Empfehlungen zu den Rahmenplänen abzugeben. Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) wurde im Jahr 2007 durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) ersetzt. Sie ist zuständig für den Wissenschaftssektor, nicht für die schulische und berufliche Bildung.
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Führ, Bildungswesen, S. 221.
B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik Mitte der sechziger Jahre hatte das Thema Bildung allgemeines Interesse in Öffentlichkeit und Politik gefunden. Der Druck auf die politischen Entscheidungsträger, Regeln festzulegen, wurde immer stärker. Die elf (alten) Bundesländer setzten um das Jahr 1970 ihre Hochschulgesetze in Kraft. Diese wurden seither im Schnitt jeweils sieben bis zehn Mal novelliert. Zählt man das Rahmengesetz des Bundes mit seinen Änderungen und die seit dem Einigungsvertrag in den neuen Bundesländern geschaffene Gesetzgebung hinzu, so kommt man auf ca. 200 Gesetzesfassungen, kleinere Änderungen ausgenommen, die irgendwann einmal länger oder kürzer für die jeweiligen Universitäten gegolten haben. Neu ins Amt gekommene Landesregierungen machen sich meist daran zunächst einmal das Hochschulrecht zu novellieren1. Das Kräftefeld der Hochschulpolitik ist gekennzeichnet durch unterschiedliche Interessen und politisch kontroverse Standpunkte. Das gilt vor allem für folgende Sektoren: Zulassung zum Studium (Eingangsprüfungen/Zugang für Berufstätige ohne Reifeprüfung); Zugangsbeschränkungen (numerus clausus); Studiengebühren; BAföG (Zuschuss oder Darlehen); Finanzierung (Global- oder Einzelhaushalt); Organisation des Studiums (Bachelor und Master); Prüfungswesen; Leitung der Hochschule auf zentraler und dezentraler Ebene (Präsidial- oder Rektoratsverfassung, Befugnisse der Dekane); Mitwirkung der Gruppen (sog. Paritäten, Quorum bei Wahlen); Hochschulrat (als Aufsichtsgremium mit externen Mitgliedern); Mittelverteilung (sog. Gießkanne oder nach Leistungskriterien); Berufungswesen (Rechte des Staates gegenüber Vorschlägen der Universitäten); Autonomie der Hochschule (Rechts- oder Fachaufsicht des Staates); verfasste Studierendenschaft; Personalvertretung (Zuständigkeit, Inkompatibilität mit Gremienmitgliedschaft). Diese Elemente können durch Gesetze sehr verschieden ausgestaltet werden; die konkrete Handhabung bestehender Normen ermöglicht u. U. weiter divergierende Erscheinungen. Im Gesetzgebungsverfahren kann es aufgrund der jeweiligen politischen Konstellation zu sehr unterschiedlichen Lösungen kommen, je nachdem, wer die Mehrheit stellt oder ob die Entscheidungen von Koalitionen unterschiedlicher Zusammensetzung gefällt werden. Das Ergebnis sind in aller Regel Kompromisse, bei denen auch sich widersprechende Lösungen in den gesetzlichen Regelungen 1 Eine Auflistung der Landesgesetze in der geltenden Fassung findet sich bei Hartmer/ Detmer, S. 20 f.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
nebeneinander stehen können. Ebenso kann es vorkommen, dass politisch kontroverse Positionen in ein und demselben Gesetz ihren Niederschlag finden. Das verdeutlicht, dass es kaum Zufriedenheit mit dem jeweils Erreichten geben wird, weil kein Gesetz „aus einem Guss“ ist. Selbst wenn in einem Bundesland eine der großen Parteien über die absolute Mehrheit verfügte, war sie doch wegen des Rahmengesetzes, seinerseits das Ergebnis eines Kompromisses, gehindert, einen politisch „lupenreinen“ Standpunkt umzusetzen. In der Vergangenheit ist das Rahmengesetz mit seinen zwingenden Regelungen als Vorteil verstanden worden, weil auf diese Weise ein gewisses Maß an Übereinstimmung und Vergleichbarkeit gewährleistet schien. Je deutlicher es aber wurde, dass es eine Illusion war, von einem einigermaßen einheitlichen Niveau in der Ausbildung und im Abschluss auszugehen, desto mehr verlor auch die Position an Boden, die – formal – die Einheitlichkeit des Hochschulwesens de iure erhalten wollte. Schon mit der Novellierung des HRG im Jahr 1998 wurde den Ländern ein größerer Gestaltungsraum gegeben, erst recht nach der Aufhebung des Gesetzes.2 Welche Folgen die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten haben, erweist sich in der Praxis: Wettbewerb und Vielfalt oder Beliebigkeit und Unübersichtlichkeit. Dies ist anhand der einzelnen Gegenstände der Hochschulpolitik, die alle mehr oder weniger Objekte von Reformen waren oder sind, zu messen und zu beurteilen.
I. Ausbau der Hochschulen Das größte Reformvorhaben war der quantitative Ausbau des Bildungswesens in personeller und sächlicher Hinsicht. Neben der Erkenntnis, dass eine Industrienation wie die Bundesrepublik eines größeren Anteils qualifiziert ausgebildeter Nachwuchskräfte bedarf als bis dahin im Beschäftigungssystem vertreten, spielte immer mehr eine Rolle, dass jeder einzelne junge Mensch Chancen zur (Aus-)Bildung geboten erhalten sollte, und zwar unabhängig von sozialer Herkunft und Einkommen der Eltern. So war es nicht verwunderlich, dass bereits dreißig Jahre nach dem Beginn des Ausbaus von Schulen und Hochschulen festgestellt werden konnte, dass nur 20 Prozent der Bildungsexpansion seit 1960 auf die demographische Entwicklung zurückzuführen sind, 80 Prozent hingegen sozialen und ökonomischen Kompo2 Die Bundesregierung hat am 9. Mai 2007 den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes beschlossen. Die erste Beratung im Bundestag fand am 20. September 2007 statt. Der Entwurf sah ein Außerkrafttreten zum 1. Oktober 2008 vor. Dieser Termin konnte jedoch nicht eingehalten werden. Auf eine kleine Anfrage am 11. Dezember 2008 wurde als neuer Termin der 1. April 2009 genannt, über welchen der Bundestag allerdings noch entscheiden musste, was nicht geschehen ist. Die am 27. September 2009 gewählte Regierung aus CDU, CSU und FDP hat in dem am 26. Oktober 2009 vorgestellten Koalitionsvertrag die Absicht der Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes bestätigt. Dies ist jedoch bisher auch in der neuen (Großen) Koalition noch nicht geschehen, so dass es bei der alten Rechtslage verbleibt. Das HRG gilt in der Fassung vom 12. 4. 2007. Mit der Föderalismusreform ist die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes aus dem Grundgesetz gestrichen worden.
I. Ausbau der Hochschulen
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nenten zuzurechnen waren.3 Unter dem Aspekt, dass die soziale Herkunft ausgeglichen werden müsse, wird inzwischen auch die Verbesserung der Chancen für Kinder mit Migrationshintergrund betrachtet. 1. Chancengleichheit Der Begriff kam in Deutschland Mitte der sechziger Jahre auf und beherrschte die bildungspolitische Debatte der folgenden Jahre. Chancengleichheit wurde verstanden als gleiche Chance des Zugangs zu Positionen in der Berufshierarchie für alle, unabhängig von der Position der Eltern in dieser Hierarchie. Chancengleichheit wurde aufgefasst als erweiterter Spielraum für den individuellen Aufstieg durch Bildung.4 Die Diskussion hatte Auswirkungen auf das Verhältnis von beruflicher und akademischer Bildung, später auch auf den Hochschulzugang für Berufstätige; sie spielte ebenso eine Rolle in der Auseinandersetzung um Prognosen des Bedarfs an Akademikern; vor allem aber diente das Postulat der Chancengleichheit als Begründung für die Schul- und Hochschulexpansion der sechziger und siebziger Jahre. Je mehr jedoch unter Chancengleichheit die Gleichheit nicht nur von Start-, sondern auch von Zielchancen verstanden und dementsprechend gefordert wurde, umso mehr distanzierte sich die eher traditionalistische Bildungsauffassung konservativer Kreise, die sich z. B. in Gestalt der CDU noch 1971 zur Chancengleichheit bekannt hatte,5 von diesem Konzept. Dies lässt sich vor allem als Reaktion auf die sozialistische Herausforderung insbesondere durch die DDR der 50er Jahre erklären. Dort wurde im Sinne der Kollektivierung aller Gesellschaftsbereiche und im Zeichen eines dogmatischen Egalitarismus unter anderem die sozialistische Einheitsschule als Gegenentwurf zum gegliederten westdeutschen Schulsystem geschaffen. Um die Distanzierung vom – in seiner Zielsetzung inzwischen unklaren – Begriff der Chancengleichheit auch sprachlich zu verdeutlichen, berief sich die CDU in Abgrenzung zu anderen Parteien seit ihrem Grundsatzprogramm von 1978 auf den Begriff der Chancengerechtigkeit. Unklar blieb zunächst, wie das die öffentliche Diskussion dominierende Konzept der Chancengleichheit in der Praxis zu verwirklichen sei. Nach einem vom Deutschen Bildungsrat in Auftrag gegebenen Gutachten aus dem Jahre 19766 ist Chancengleichheit dann erreicht, wenn Unterschiede zwischen großen sozialen Gruppen
3 Vgl. Maier, Harry, Bildungsökonomie. Die Interdependenzen von Bildungs- und Beschäftigungssystem, 1994, S. 27. 4 v. Friedeburg, Bildungsreform in Deutschland. Geschichte und gesellschaftlicher Widerspruch, 1989, S. 355. 5 Vgl. hierzu Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPI), Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland, S. 23 ff. 6 Müller, Walter/Mayer, Karl-Ulrich, Chancengleichheit durch Bildung?: Untersuchung über den Zusammenhang von Ausbildungsabschlüssen und Berufsstatus.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
sich nicht mehr in den Bildungs- und Berufschancen von Kindern auswirken.7 Das Gutachten wies allerdings explizit darauf hin, dass ein solcher Standard nicht identisch sei mit der Forderung nach völliger sozialer Gleichheit; es werde nämlich nicht die Utopie vertreten, dass alle Kinder gleiche Bildungsniveaus erreichen müssten. Die Bildungsergebnisse könnten durchaus unterschiedlich sein; nur sollten sich die Unterschiede nicht von vornherein auf unterschiedliche Herkunftsgruppen beziehen, sondern in gleicher Weise innerhalb von Herkunftsgruppen zum Tragen kommen. Als bildungspolitische Konsequenz hieraus folgerte das Gutachten, dass für minderprivilegierte Kinder und Jugendliche höhere Bildungsaufwendungen gemacht werden müssten als für normal- und sog. überprivilegierte. Chancengleichheit würde Chancenausgleich bedeuten.8 Damit war neben den Familien auch den Bildungsinstitutionen Verantwortung für den Ausbildungserfolg junger Menschen zugewiesen. Strittig war jedoch schon Mitte der siebziger Jahre, ob solcherart politisch bewirkte Bildungsreformen tatsächlich – wie vielfach behauptet – zur Verminderung der Chancenungleichheit führen. Insbesondere wurde der Erwartung widersprochen, dass die Bildungsexpansion selbst bei einer starken Abschwächung der Ungleichheit von Bildungschancen zu einer ebenso großen Erhöhung sozialer Mobilität beitrage.9 a) Quantitative Aspekte Die Zahl der Studierenden stieg im Zuge der Hochschulexpansion an westdeutschen Universitäten von knapp 250.000 im Jahre 1960 auf ca. 690.000 im Jahr 1975 und 1.208.000 im Jahre 1990. Hinzu kamen im Jahre 1975 knapp 145.000 Studierende an Fachhochschulen; diese Zahl erhöhte sich bis 1990 auf 370.000.10 Die hieraus resultierenden Zustände an den Hochschulen wurden beschrieben mit Begriffen wie „Massenuniversität“ und „Studentenberg“. Um der Situation Herr zu werden, wurden allein zwischen 1965 und 1975 bundesweit 25 neue Universitäten gegründet. Das wissenschaftliche Personal war bereits zwischen 1961 und 1971 verdreifacht worden und hatte im Jahr 1975 im Verhältnis zur Zunahme der Studienanfänger eine vergleichbare Größenordnung erreicht. Die Stellen an wissenschaftlichen Hochschulen sowie Musik- und Kunsthochschulen insgesamt stiegen in dieser Zeit von 131.000 auf 188.000. Die Entwicklung der sonstigen Ausgaben für den Hochschulbereich entsprach dieser Tendenz. Die Ausgaben insgesamt wurden von 1970 bis 1975 verdoppelt.
7
Müller/Mayer, S. 27. Müller/Mayer, S. 27. 9 Müller/Mayer, S. 57. 10 Max-PIanck-Institut für Bildungsforschung (MPI), Bildungswesen, S. 636. 8
I. Ausbau der Hochschulen
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In den siebziger Jahren entstanden 400.000 neue Stellen in Staat und Wirtschaft für Akademiker.11 Der Personalzuwachs in Wissenschaft und Forschung war im Rahmen des öffentlichen Dienstes ohne Beispiel.12 Bei allen quantitativen Veränderungen sollte nicht verkannt werden, dass Ausbildung gemeint ist, wenn im politischen Raum von Bildung gesprochen wird. Dabei muss man den Eindruck gewinnen, dass Bildung im Sinn von Ausbildung sich allein darauf beschränkt, Kenntnisse zu vermitteln. Pate steht der Gedanke, dass auf diese Weise eine Selbstverwirklichung der Betroffenen stattfindet und dies zur Wahrnehmung von Chancen, auch zum Ausgleich von Benachteiligungen, geeignet ist. b) „Bildung“ Die Wahrnehmung einer qualifizierten Ausbildung wird zu Recht als Chance für Angehörige „bildungsferner“ Schichten gesehen, Nachteile gesellschaftlicher und materieller Art auszugleichen. Über das, was „Bildung“ ausmacht, kann man trefflich streiten. Aber auch wenn man den Begriff nur auf „Bildungsstandards“ beschränkt, wird deutlich, wo der Schule Grenzen gesetzt sind. Nimmt man als Maßstab das Werk von Schwanitz „Alles, was man wissen muss“, und misst daran, was der durchschnittliche Abiturient weiß, so liegen dazwischen Welten, von Abgängern anderer Schularten gar nicht zu reden. Ganz gleich, ob Literatur, Kunst oder Musik – manche Namen von Werken oder deren Schöpfer haben selbst Inhaber der Hochschulreife noch nie gehört, eine Folge dessen, dass Kunst und Musik nicht durchgängig angeboten oder gewählt werden. Auch die Rolle von Religion als „Bildungsfach“ wird verkannt. Wenn es um die abendländische Kultur, um ein Mindestmaß an Wissen geht, das man von der Geschichte des eigenen Landes und von den geistigen Strömungen kennen muss, um auch Aktuelles richtig einordnen zu können, tut sich hier eine Kluft auf. Das reine Schulwissen hat nie ausgereicht, als „gebildet“ zu gelten. Aber es war die Basis, auf der sich durch Besuche von Theater, Konzerten, Museen und Lektüre das entwickeln konnte, was man, darunter versteht, wenigstens was das reine Wissen angeht. Die Anregungen kamen und kommen vor allem aus dem Elternhaus und von Lehrern mit einem entsprechenden Verständnis. Fehlt das, bleibt ein Unterschied zwischen denen, die solche Vorzüge genießen und anderen, die weniger begünstigt sind. Es dürfte schon als Gewinn angesehen werden, wenn wenigstens der Wissensstand nicht allzu unterschiedlich wäre. Das ist u. a. zu erreichen, wenn z. B. im Fach Deutsch einigermaßen einheitlich vorgegeben wird, was man gelesen haben und was man aus der Literaturgeschichte wissen muss. Ähnliches gilt für das Fach Geschichte. Kunst und Musik sollten möglichst lange als Pflichtfächer erhalten bleiben. Beim Trend zur Ganztagsschule und den dadurch verfügbaren zeitlichen Kapazitäten müsste das möglich sein. Andernfalls wird die kulturelle Verarmung und 11 12
Jäger, Die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition 1969 – 1974, Bd. V/I, S. 16. Ellwein, S. 257.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
die Spaltung der Gesellschaft in „Bildungsbürger“ neuer Art und anderen noch größer. Eine Bildungspolitik, die das nicht begreift, hat den Namen nicht verdient. Die Reduzierung des Begriffs „Bildung“ auf Ausbildung führt im Ergebnis zu einer weit verbreiteten Halbbildung, nämlich das Steckenbleiben in unverarbeitetem Wissen. Zu einer Umsetzung des reinen Faktenwissens zu dem, was als Vorgang geistiger Formung verstanden wird, kommt es oft gar nicht. Davon, dass Bildung die „innere Gestalt“ bedeutet, zu der ein Mensch gelangt, wenn er seine „Kräfte in Auseinandersetzung mit den Gehalten der Kultur entfaltet“13, haben manche sog. Bildungspolitiker womöglich noch nicht einmal etwas vernommen – reden darüber hört man sie jedenfalls nicht. Der Begriff Bildungskatastrophe bekommt damit eine ganz andere Bedeutung So wäre es denn, denkt man an politische Programme, zutreffender nicht von einem Bildungsministerium, sondern von einem Ausbildungsministerium zu sprechen. Nichts gegen eine möglichst gute Ausbildung für alle; ein bisschen mehr Bildung für möglichst viele wäre ein weiterer Fortschritt. 2. Öffnung der Hochschulen Die hochschulpolitische Debatte war lange Zeit vornehmlich bestimmt von der Diskussion um Öffnung und Überlast der Hochschulen. Schon bei einer nüchternen Betrachtung der Daten kann dies nicht verwundern. Im Jahrzehnt zwischen Mitte der siebziger und Mitte der achtziger Jahre fand der Expansionsprozess ein vorläufiges Ende; die Mittel für Hochschulbau und neue Stellen wurden „eingefroren“, d. h. nicht weiter erhöht. Wegen der Zunahme der Abiturjahrgangsstärken stiegen die Studierendenzahlen weiter an. Lag im Jahre 1960 der Anteil derjenigen, die innerhalb eines Altersjahrgangs ein Studium aufnahmen, bei rund fünf Prozent, so bewegte sich die entsprechende Quote um das Jahr 2000 bei 30 Prozent. Der Anteil der Studienberechtigten wurde für die Zeit nach dem Jahr 2000 auf rund 40 Prozent eines Altersjahrgangs prognostiziert. Die Hochschulen erfuhren bis zum Jahr 1975 einen beachtlichen Ausbau.14 Diese Entwicklung war zum einen die Folge einer verstärkten Aufmerksamkeit für das Bildungswesen; vor allem aber war sie eine zwingende Konsequenz aus dem Anstieg der Studienanfänger- und Studentenzahlen. Kritisch muss man dazu allerdings auch feststellen, dass sich die qualifiziert Ausgebildeten ihren Bedarf selbst schafften.15 Die zahlreichen Universitäts-Neugründungen reichten nicht aus, die immer weiter steigenden Studierendenzahlen aufzunehmen; die Kapazitätsprobleme wuchsen. Dennoch wurde weder der Ausbau der Fachhochschulen vorangetrieben 13 14 15
Kössler, Bildung und Identität, s. 56. s. in diesem Kapitel 1. a) „Quantitative Aspekte“. Adam, Schulpflicht für die Wirtschaft, FAZ v. 2. 7. 1980.
I. Ausbau der Hochschulen
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noch eine mögliche Ausdehnung der Gesamthochschulen in Erwägung gezogen. Im Gegenteil: Unter dem Druck der Finanzminister wurde der Ausbau der Hochschulen gebremst und die Kapazität an Studienplätzen nur nach dem erwarteten, allerdings zu niedrig prognostizierten Niveau der Studierendenzahlen ausgerichtet; die Universitäten sollten offengehalten und der eine begrenzte Zeitlang bestehende Studentenberg „untertunnelt“ werden.16 Der sog. „Öffnungsbeschluss“ der Ministerpräsidenten vom 4. November 1977 war geboren. Um eine Ausweitung des Numerus clausus zu verhindern, sollten bei einer erhöhten Nachfrage von Studienplätzen die Universitäten „Überlasten“ erbringen, d. h. mehr Bewerber aufnehmen als Kapazitäten vorhanden waren. Die Reaktionen auf den Öffnungsbeschluss waren vielfältig. So hielt die WRK noch im Juni 1978 in einer Erklärung des damaligen WRK-Präsidenten Steinlin an der Bereitschaft der Hochschulen fest, vorübergehend eine Überlastung auf sich zu nehmen. Allerdings war diese Bereitschaft eng an die Verabschiedung eines „Überlast-Programms“ zur Unterstützung der Hochschulen bei der Bewältigung von Mehrbelastungen gebunden.17 Dies lag ganz auf der Linie der bereits im Jahre 1976 verabschiedeten Stellungnahme „Zur begrenzten Überlastung der Hochschulen in den Jahren der verstärkten Nachfrage nach Studienplätzen“18, die im Wesentlichen die Handschrift des damaligen Präsidenten Knopp trägt. Doch schon in einer Stellungnahme des WRK-Plenums vom 13./14. Februar 1978 kam die Sorge der Hochschulen zum Ausdruck, dass sie die – grundsätzlich gebilligte – Öffnungspolitik ohne zusätzliche staatliche Maßnahmen und Mittel allein würden vollziehen müssen.19 Und tatsächlich hatte und hat sich seit 1980 die disproportionale Entwicklung zwischen den Bildungsnachfragern und dem Grad der Hochschulausstattung verstetigt; steigenden Studentenzahlen standen sinkende Staatsausgaben gegenüber. Da die Stellenzahl für das wissenschaftliche Personal in einigen Bundesländern reduziert wurde und die Studentenzahl weiter anwuchs, bedeutete dies für die Betreuungsrelation einen Rückfall hinter die Verhältnisse von 1960. Akzeptiert wurde zu Beginn das Offenhalten der Hochschulen trotz fehlender Kapazitäten vor allem deshalb, weil die Überlastphase als nur vorübergehend angesehen wurde. So prophezeite der damalige bayrische Kultusminister Maier (CSU) 1980, dass „in den neunziger Jahren Studienplätze keine Mangelware mehr sein würden“20. Noch kühner war Glotz (SPD) 1975: „Ende der achtziger Jahre … werden
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MPI, Bildungswesen, S. 671. Stellungnahme des Präsidenten nach Ermächtigung durch den 23. Senat der WRK. WRK, Arbeitsbericht 1978, S. 47 ff. 18 WRK, Arbeitsbericht 1976, S. 175 ff. 19 WRK, Arbeitsbericht 1978, S. 45. 20 MittHV 1980, S. 171 ff. 17
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
wir mehr Plätze als Studenten haben“21. Grundlage dieser Äußerungen waren entsprechende Einschätzungen der KMK, die in der Zeit von 1976 bis 1990 insgesamt elf Prognosen über die mittel- und langfristige Entwicklung der Schüler-, Studienanfänger-, Studierenden- und Absolventenzahlen veröffentlichte. Gingen die Prognosen aus den Jahren 1976 bis 1987 noch davon aus, dass einem nahen Gipfel des Studentenberges ein rapider Rückgang der Studierendenzahlen auf ein Niveau folge, das in der Größenordnung der Studierendenzahlen von Mitte der siebziger Jahre liege, so zeigte sich spätestens Ende der achtziger Jahre, dass solche Prognosen nicht länger zu halten waren. Aus dem Studentenberg war ein Hochplateau geworden. Hatte die KMK noch bis zur Prognose von 1987 geglaubt, an den wichtigsten Prämissen der Untertunnelungsstrategie festhalten zu können, obwohl die Annahmen der Berechnungen immer unrealistischer wurden, so musste sie 1989 eingestehen, dass selbst die unterste Variante künftiger Studierendenzahlen sich nie auch nur in der Nähe der bis 1988 politisch akzeptierten flächenbezogenen Kapazitätsgrenzen bewegte.22 In der Folgezeit entbrannte eine kontroverse Diskussion um die Beibehaltung der Politik des Offenhaltens der Hochschulen. Die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Brunn (SPD) betonte in diesem Zusammenhang fast gebetsmühlenhaft, dass es nicht zu viele Studenten, sondern zu wenige Studienplätze gebe. Der bayrische Kultusminister Zehetmair (CSU) und der saarländische Wissenschaftsminister Breitenbach (SPD) sprachen sich in ungewohnter Übereinstimmung gemeinsam mit Staatssekretär Schaumann (FDP) vom Bundesbildungsministerium für das Offenhalten der Hochschulen aus. Insbesondere Zehetmair vertrat dabei die Auffassung, dass man die Jugend nicht für eine verfehlte Bildungsplanung bestrafen könne. Während die Bundesländer vor diesem Hintergrund den Öffnungsbeschluss im Jahre 1989 nochmals bekräftigten, endete die Diskussion schließlich im November 1991 mit der „Aufkündigung des Öffnungsbeschlusses“ durch die Hochschulrektorenkonferenz. In einer Art „Notruf“ wandte sich die HRK an die Öffentlichkeit: Entweder werde die finanzielle Ausstattung der Hochschulen verbessert oder diese müssten „dichtmachen“.23 Es drohte die Einführung eines bundesweiten NC. Die Hoffnungen, man könnte den Studentenberg untertunneln, hatten sich als Illusion erwiesen.24 Erst jetzt einigten sich die Kultus- und Finanzminister der Länder auf ein gemeinsames Positionspapier zur Hochschulreform, das auch als Grundlage für den vielfach geforderten, aber immer wieder verschobenen Bildungsgipfel bei Bundeskanzler Kohl dienen sollte. Ein vernichtendes Urteil fällte der frühere 21
Interview, Spiegel Nr. 46/1975, S. 50. MPI, Bildungswesen, S. 672. 23 HRK, Zur Lage der Hochschulen im Herbst 1991. Entschließung des 165. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz v. 4. Nov. 1991. HRK, Arbeitsbericht 1991, S. 81 ff. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hatte sich im Jahr 1990 in Hochschulrektorenkonferenz umbenannt. 24 Bereits 1982 Turner, Die Tunnelbauer werden sich wundern, Die Zeit v. 15. 10. 1982, S. 24. 22
I. Ausbau der Hochschulen
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sächsische Wissenschaftsminister Meyer, CDU, über ein Positionspapier zur Vorbereitung eines Gipfels im Dezember 1993. „Der Text zeugt von einer geradezu rührenden Unkenntnis der komplexen hochschulpolitischen und hochschulrechtlichen Sachverhalte.“25 Wenngleich die Diskrepanz zwischen tatsächlicher und prognostizierter Entwicklung der Studierendenzahlen die zahlreichen Wandlungen in den öffentlichen Stellungnahmen gefördert haben, so bleibt doch festzuhalten, dass die wechselnden Einschätzungen der jeweils aktuellen Lage geradezu symptomatisch waren für die Unschlüssigkeit und teilweise auch Unredlichkeit der politischen Diskussion jener Zeit hinsichtlich der Ausbildungskapazitäten. Dies zeigte sich beispielsweise, als Anfang der achtziger Jahre die Ausbildungsplätze im dualen System für die Angehörigen der geburtenstarken Jahrgänge nicht ausreichten. Wer keinen Ausbildungsplatz bekam, musste sich mit dem Studium „begnügen“ – eine paradoxe Situation. Statt junge Menschen auszubilden, sollte die Hochschule dem Arbeitsamt zu Hilfe kommen.26 In dieser Zeit erwartete man von den Hochschulen das weitere Offenhalten. Nicht viel später warf man indirekt den Hochschulen vor, es gäbe mehr Studenten als Lehrlinge. Auf diese Weise wurden die Hochschulen in der Frage der Ausbildungskapazität zu einem Spielball beschäftigungspolitischer Zwänge und partei- wie verbandspolitischer Interessen. 3. Bewältigung der Überlast Das durch die seinerzeitigen Reformanstöße und ihre Umsetzung gewandelte Bewusstsein der Öffentlichkeit zeigte sich weiterhin in einem verstärkten Anstieg der Studentenzahlen. Schon 1972 hatten die Länder der alten Bundesrepublik das Zulassungsverfahren über die Vergabe von Studienplätzen in einem Staatsvertrag geregelt. Angesichts der problematischen Entwicklung drohte die Ausweitung der Zulassungsbeschränkungen. Um diese zu vermeiden, verständigten sich die Regierungschefs von Bund und Ländern 1977 auf den bereits erwähnten Öffnungsbeschluss. Trotz begrenztem Studienplatzangebot sollten ausreichende Ausbildungschancen gesichert werden. Die vorhandenen Kapazitäten sollten erschöpfend genutzt, die Aufnahmefähigkeit der Hochschulen durch „Überlastquoten“ erweitert werden; „Umwidmungen“ von Planstellen sollten mehr Flexibilität ermöglichen.27 Wegen der z. T. „grandiosen Fehleinschätzungen“28 der zukünftigen Studentenzahlen bis zum Rückgang der Studentenzahlen auf den Stand von Mitte der siebziger Jahre
25
Meyer, In keiner Schublade, S. 384. Adam, Hochschule als Arbeitsamt, FAZ v. 29. 1. 1987. 27 s. näher Führ, Bildungswesen, S. 209; vgl. auch die Stellungnahme der WRK „Zur begrenzten Überlastung der Hochschulen in den Jahren der verstärkten Nachfrage nach Studienplätzen,“ Arbeitsbericht 1976, S. 175 ff. 28 So Führ, Bildungswesen, S. 221. 26
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
wollte man dem „Studentenberg“ mit der „Untertunnelung“ während einer vorübergehenden Drangphase begegnen. Im Jahr 1980 wurde die Millionengrenze der Studentenzahl überschritten. Vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik 1990 lag sie bei über 1,5 Millionen; seit Mitte der neunziger Jahre sind rund 1,8 Millionen Studierende eingeschrieben. Inzwischen (2018) ist die 2,8-Millionen-Marke seit mehreren Jahren erreicht. Die Stagnation ausgang der siebziger Jahre veränderte sich in eine Rezession der Aufwendungen am Anfang der achtziger. Aufgaben der Hochschulen (Ausbildung von mehr Studenten) und Ausstattung (weniger Geld) klafften deutlich auseinander – ein Widerspruch von (Folgen früherer) Bildungspolitik und (aktueller) Finanzpolitik. 1988 stellte der Wissenschaftsrat fest, dass trotz des Anstiegs der Studentenzahlen die gesamten Aufwendungen der öffentlichen Hand für die Hochschulen seit 1975 real um 2,4 % zurückgegangen waren.29 Der Hochschulausbau verlangsamte sich, die Hochschulfinanzierung stagnierte. In Berlin, Frankfurt, München und andernorts gingen die Studierenden auf die Straße, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, diesmal – anders als 1968 – im Einklang mit der öffentlichen Meinung. Die Reaktion der Politiker bestand vor allem in der Verabschiedung der Hochschulsonderprogramme I und II (1989 und 1990) auf Anregung des damaligen Bildungs- und Wissenschaftsministers Möllemann.30 Das Sonderprogramm I sah die Bereitstellung von jährlich 300 Mio. DM zusätzlich bis 1995 (je zur Hälfte von Bund und Ländern) zum Ausbau der Hochschulen vor, das Sonderprogramm II die Summe von 4 Mrd. DM in 10 Jahren (im Verhältnis von 60 % Bund zu 40 % Länder) zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. „Viel zu gering angesetzt, aber immerhin ein Anfang“ in der Sicht des damaligen WRK-Präsidenten Seidel.31 Ende 1996 wurde von der Regierung Kohl das Sonderprogramm III unterzeichnet. Es vereint das Sonderprogramm II (Nachwuchs-Förderung) mit dem für die neuen Bundesländer aufgestellten Hochschulerneuerungsprogramm und sah bis zum Jahr 2000 eine Förderung der Hochschulen mit insgesamt 3,6 Mrd. DM vor, von denen der Bund rund 2 Mrd. übernehmen sollte.32 Dieser „finanzielle Kraftakt“33 führte wegen der schleppenden Mittelzuweisung durch den Bund zu einem zähen Ringen mit einigen Bundesländern. Die Fehlprognosen waren inzwischen offenbar, und der Planung mussten dementsprechend die weiter ansteigenden Studentenzahlen zugrunde gelegt werden. Auch sollten akademische Ausbildung und berufliche Praxis besser aufeinander 29
Führ, S. 209. Man musste trotz der angespannten Situation an den Hochschulen den Eindruck gewinnen, Möllemann redete zunächst die Probleme herbei, um sie dann zu lösen, s. Turner, Bildungsminister Möllemann zündelt, HB v. 30. 10. 1989, S. 2. 31 s. näher Führ, Bildungswesen, S. 209 f. 32 Führ, S. 215. 33 So Bildungsminister Rüttgers, zitiert nach Führ, a.a.O. 30
I. Ausbau der Hochschulen
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abgestimmt werden. Diesem Aspekt kam gerade auch im Hinblick auf zu erwartende Entwicklungen auf dem Europäischen Binnenmarkt besondere Bedeutung zu.34 Zu der Notwendigkeit, die in den alten Bundesländern bestehenden Schwierigkeiten im Hochschulbereich zu bewältigen, trat 1990 die Aufgabe, das Hochschulwesen in den neuen Bundesländern aufzubauen bzw. neu zu ordnen. Der hochschulpolitische Weg der DDR35 ist im Einigungsvertrag beendet worden. Die weitere Entwicklung mündet in die der Bundesrepublik ein. Obwohl mit der Wiedervereinigung Deutschlands das sozialistische Gesellschaftskonzept – und damit auch das Bildungskonzept – erledigt war, konnten die tiefen Spuren der voraufgegangenen 40 Jahre nicht übersehen werden. auch der Abbau alter Feindbilder erfordert Zeit und Geduld auf beiden Seiten.36 Im Vergleich zur alten Bundesrepublik war das Hochschulsystem der DDR bei hohem personellen Aufwand von geringerer Produktivität in wissenschaftlicher Hinsicht, bedingt auch durch eingeschränkte Möglichkeiten des internationalen Austauschs.37 Zu den gängigsten Begriffen in der Hochschulpolitik für die neuen Länder wurde das Stichwort „Abwicklung“.38 Vielen Hochschulen im Osten fehlte die „institutionelle Kraft zum Überleben“.39 Dabei ist besonders bemerkenswert, dass – trotz der Kritik an dem (alten) bundesrepublikanischen System – dieses ohne Abstriche auf die neuen Länder übertragen, ihnen gewissermaßen übergestülpt wurde. Ostdeutsche Hochschulen wurden defizitären westdeutschen Strukturen angepasst40. So gab es zwar eine Hochschullandschaft; diese war aber stark zerklüftet, wies Brüche und Unebenheiten auf, die in jedem einzelnen Sektor der Hochschulpolitik immer wieder zu Diskussionen führten, welcher Weg gefunden und beschritten werden sollte. Daneben kam es zu Interventionen von europäischer Seite, die gelegentlich als „Störfeuer“ empfunden wurden: Mit schöner Regelmäßigkeit ertönte von der OECD 34
Führ, S. 210. Das Hochschulwesen der ehemaligen DDR ist durch drei Hochschulreformen (1951/ 1967/1980) einer tiefgreifenden Veränderung unterzogen worden. Schon frühzeitig wurde die Autonomie der Hochschulen durch die Einsetzung eines weisungsbefugten Staatssekretärs (1951), später eines Ministers für Hoch- und Fachschulfragen gebrochen. Die Rolle der Akademien in der Grundlagenforschung wurde verstärkt. Die Hochschulen wurden von nicht systemtreuen Mitgliedern gesäubert. Gleichzeitig hielten Organe der SED und der FDJ Einzug in die Hochschulen mit verschiedenen Möglichkeiten der Mitbestimmung und Einflussnahme. Zur Frage, inwieweit Grundlagenforschung an den Universitäten verblieb, s. Meyer, In keiner Schublade, S. 121 ff., 130 f., 313 ff. Zu den Erwartungen der ostdeutschen Universitäten an die Zukunft s. Richard Schröder, Wende und Wandel, S. 78 ff. 36 Ellwein, S. 239 f. 37 Ellwein, S. 243. 38 Führ, Bildungswesen, S. 212. 39 Ellwein, S. 263. 40 Burtscheidt, S. 12. 35
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
(Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit) in den Routineberichten „Bildung auf einen Blick“ der Ruf, in Deutschland müssten mehr Akademiker ausgebildet werden. In der Bundesrepublik würden – im Verhältnis zu anderen OECDLändern oder im internationalen Vergleich – zu wenig junge Menschen zu einem Studium gelangen. Dabei betrachtet die OECD die unterschiedlichen Ausbildungssysteme nicht hinreichend differenziert. Wenn der Anteil derjenigen, die ein Studium aufnehmen, miteinander verglichen wird, ist zu berücksichtigen, dass es in Deutschland im Vergleich zu manchen anderen Ländern für bestimmte Berufe keine Hochschulausbildung gibt. Dazu gehört die viel zitierte Krankenschwester, aber auch andere Sparten der Gesundheitsversorgung und -pflege. Hier wurden bisher die in solchen Berufen Tätigen im dualen System ausgebildet. Rechnet man solche Disziplinen dazu, sieht das Bild schon anders aus. Aber eben dies tat die OECD und ihre dort offensichtlich mit Scheuklappen versehenen Experten nicht. Offenbar passte eine differenzierte Betrachtung nicht in das Konzept einer Ideologie, die mehr als 50 % eines Altersjahrgangs auf die Hochschulen befördern möchte. Und offensichtlich sollte mit der permanenten Wiederholung eines angeblichen Defizits Druck auf die Politiker in Deutschland ausgeübt werden, endlich zu handeln. Nun könnte man, wollte man mehr Studierende aufweisen und in der Folge mehr Akademiker produzieren, bestimmte Ausbildungen „akademisieren“, d. h. sie z. B. an den Fachhochschulen ansiedeln. Dann stünde man im internationalen Vergleich besser da. Ob damit auch die Qualität der Ausbildung gehalten oder gehoben werden kann, ist eine andere Frage. Welch Blüten es treibt, wenn Zahlen geschönt werden sollen, hat das Land BadenWürttemberg vorexerziert. Dort gab es Berufsakademien, die eine Kombination von praktischer und theoretischer Ausbildung anboten und die bewusst als Alternative zum Hochschulstudium konzipiert war. Nicht zuletzt um die Schaffung von Studienplätzen vorweisen zu können und damit an Finanzmitteln des Bundes zu partizipieren, wurden die Berufsakademien zusammen gefasst und zu einer Hochschule umfirmiert. Ende der 1990er Jahre machte sich in den meisten Bundesländern eine verstärkte Tendenz zum ausdrücklich erklärten Programm des Sparens bemerkbar, mit dem Ziel, ausgeglichene Haushalte zu erreichen. Zur gleichen Zeit stiegen die Anfängerzahlen erheblich (ab 1995), während die Mittel für den Hochschulbereich stagnierten oder sogar zurückgingen. Parallel dazu wurden die Forderung nach Qualitätskontrolle und einer leistungsbezogenen Mittelvergabe erhoben. Dabei spielte auch eine Rolle, dass deutsche Universitäten angeblich in der internationalen Konkurrenz nicht mithalten konnten. Durch die Novelle des Hochschulrahmengesetzes im Jahre 1998 mit dem Wegfall zwingender Vorschriften zur Organisation wurde die Möglichkeit geschaffen, Stiftungshochschulen mit größerer Gestaltungsfreiheit zu schaffen.
I. Ausbau der Hochschulen
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Im Zuge der Erkenntnis, dass sich deutsche Universitäten international behaupten müssen, suchte man nach neuen Wegen, auf der einen Seite die Ausgaben zu begrenzen, auf der anderen Seite den Anschluss an die führenden Universitäten im Ausland nicht vollends zu verlieren. So wurde später die Exzellenzinitiative geboren, um „Leuchttürme“ der Wissenschaft sichtbar zu machen und Spitzenforschung besonders zu fördern.41 Die Entwicklung schien von der kollegial geleiteten Gruppen- und Gremienuniversität zu einem entstaatlichten Unternehmen mit privatwirtschaftlichem Vorstand- und Aufsichtsratsmodell zu gehen42. Finanzielle und persönliche Kapazitäten sollten effektiver eingesetzt werden. 4. Die „Pakte“ Die prekäre Lage der Hochschulen führte zu einem engeren Zusammenwirken von Bund und Ländern in einer Reihe von Vereinbarungen, als „Pakte“ bezeichnet, die auf der Basis von Art. 91 b GG geschlossen wurden. *
Der Hochschulpakt
Der „Hochschulpakt 2020“, ist eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern (Art. 91b Abs. 1 Nr. 2 GG), die insbesondere dem Ziel dient, eine verstärkte Förderung von Wissenschaft und Hochschulbildung durch die Zusammenarbeit zu bewirken. Der Hochschulpakt gliedert sich in drei Phasen. Auf der Basis der Finanzierung durch den Hochschulpakt konnten in den Jahren 2011 bis 2015 über 720.000 mehr Erstsemester aufgenommen werden. Bund und Länder haben in der Zeit mehr als 13 Milliarden Euro für zusätzliche Studienplätze bereitgestellt. Im Jahr 2011 vereinbarten Bund und Länder, dass der Hochschulpakt II um bis zu 1,5 Milliarden Euro aufgestockt wird. Damit sollten 305.000 zusätzliche Studienanfänger finanziert werden. Die Vorausberechnungen wurden mehrfach von der Realität übertroffen. Aufgrund der neuen Zahlen wurden für den Zeitraum von 2011 bis 2015 insgesamt 625.000 zusätzliche Studienanfänger erwartet; um diese zusätzlichen Plätze zu finanzieren wurde im April 2013 eine erneute Aufstockung beschlossen: Der Bund stellte 2,2 Milliarden Euro mehr zur Verfügung, die Länder erbrachten „vergleichbare“ finanzielle Leistungen und wollen die „Gesamtfinanzierung sicherstellen“. Bund und Länder haben sich am 30. Oktober 2014 in der GWK auf die Fortsetzung des Hochschulpakts bis 2020 geeinigt. In der dritten Phase des Hochschulpaktes setzten die Länder ab 2016 zehn Prozent der Bundes- und Landesmittel für Maßnahmen zur Senkung des Studienabbruchs ein. 41 42
s. V. 2. b). Burtscheid, S. 14 mit Hinweis auf Mlynek.
50 *
B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Pakt für Forschung und Innovation
Mit dem Pakt für Forschung und Innovation erhalten Organisationen der gemeinsam von Bund und Ländern geförderten Forschungseinrichtungen (FraunhoferGesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft und Max-PlanckGesellschaft) sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft als Förderorganisation finanzielle Planungssicherheit durch vereinbarte regelmäßige Steigerungen der gemeinsam von Bund und Ländern getragenen Grundfinanzierung. Im Gegenzug verpflichten sie sich auf forschungspolitische Ziele. Der Pakt für Forschung und Innovation wurde von den Regierungschefs von Bund und Ländern zunächst für 2005 bis 2010 beschlossen und für die Periode von 2011 bis 2015 weiterentwickelt – zuletzt mit einer Steigerung von fünf Prozent im Jahr. Am 11. 12. 2014 wurde die Fortführung des Pakts von 2016 bis 2020 beschlossen. Bund und Länder beabsichtigen, die institutionelle Grundfinanzierung in dieser dritten Phase jährlich um drei Prozent zu steigern. Insgesamt werden damit in diesem Zeitraum 3,9 Milliarden Euro zusätzliche Mittel für die Forschung bereitgestellt. Dies trägt der Bund in dieser Pakt-Phase alleine. Bund und Länder verfolgen in der laufenden Phase im Einvernehmen mit den Wissenschaftsorganisationen mit der Fortsetzung des Pakts folgende forschungspolitische Ziele: Sie wollen das Wissenschaftssystem dynamisch entwickeln, die Vernetzung im Wissenschaftssystem leistungssteigernd und dynamisch gestalten, neue Strategien der internationalen Zusammenarbeit entwickeln und umsetzen, nachhaltige Partnerschaften zwischen Wissenschaft und Wirtschaft etablieren und die Besten dauerhaft für die deutsche Wissenschaft gewinnen. Die Wissenschafts- und Forschungsorganisationen haben dargestellt, welche Maßnahmen sie ergreifen werden, um diese Ziele zu erreichen und dazu beizutragen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems weiter auszubauen. Die mit dem Pakt verbundene finanzielle Planungssicherheit ist ein wesentliches Element für die strategische Planung der Wissenschafts- und Forschungsorganisationen. Es ist vereinbart, dass die Wissenschaftsorganisationen in jährlichen MonitoringBerichten über den Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen berichten. *
Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs
Mit einem Bund-Länder-Förderprogramm für den wissenschaftlichen Nachwuchs haben der Bund wie die Länder dafür jetzt die Chance, auf der Basis des neuen Artikel 91 b des Grundgesetzes Zukunftweisendes für die nachhaltige Förderung der jungen wissenschaftlichen Nachwuchskräfte über ein Programm für Junior-Professoren und insbesondere für den Tenure-Track zu leisten.43
43
s. u. V. 1. a).
II. Neuordnung *
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Qualitätspakt Lehre
Der von Bund und Ländern im Jahr 2010 geschlossene Pakt geht in die zweite Phase. 156 Hochschulen erhalten von 2016 bis 2020 rund 820 Millionen Euro zur Verbesserung von Studienbedingungen und Lernqualität. Die besonderen Maßnahmen zeigen, dass die Grundversorgung jedenfalls der Hochschulen nicht gesichert ist. Die Länder schaffen es nicht allein; der Bund darf wegen des Kooperationsverbots nicht in dem Maße tätig werden wie manche es sich vorstellen. Einer Beteiligung des Bundes stehen Bedenken der Länder gegenüber, die um ihre Zuständigkeit in der Bildung bangen.44
II. Neuordnung Waren die Auseinandersetzungen über organisatorische und inhaltliche Veränderungen im Hochschulbereich auch teilweise überaus kontrovers, so hat doch nichts in der Hochschulreformdebatte in den 1970ern die Gemüter so erhitzt, die Problematik der Hochschulen so nachhaltig bestimmt wie das Thema Politisierung und Demokratisierung. Gegenstand heftiger Diskussionen während der bundesweiten Protestbewegungen ab Ende der sechziger Jahre waren vor allem die Mitwirkung der Studenten in den Selbstverwaltungsgremien unter den Stichworten Gruppenuniversität und Drittelparität sowie das inzwischen fast vergessene Ordnungsrecht. 1. Gruppenuniversität a) Demokratisierung Die Idee, die Universität zu „demokratisieren“, betraf vor allem die sogenannte Herrschaft der Ordinarien, die abgeschafft werden sollte45. Den Vertretern der Gruppen – neben Professoren waren dies die wissenschaftlichen Mitarbeiter, Studenten und das nichtwissenschaftliche Personal – sollten dagegen Mitspracherechte bei allen Entscheidungen eingeräumt werden. Man strebte eine Kontrolle und Transparenz der Vorgänge an und meinte, das Demokratisierungsgebot auf alle Gebiete des öffentlichen Lebens, also auch auf die Hochschulen ausdehnen zu müssen. Gerade die Studenten sollten früh die Gelegenheit erhalten, Demokratie zu praktizieren und einzuüben. Diese Forderungen standen nicht zuletzt in Zusam44
s. u. IV. 4. Eine detaillierte Übersicht betreffend die divergierenden Vorstellungen der hochschulinternen und -externen Interessengruppen und der Bundesparteien liefert Bocks, Mehr Demokratie gewagt? S. 41 ff., 77 ff. Dabei stellt er den Wissenschaftsrat und die Kultusministerkonferenz als „externe Interessenvertreter“ mit den Gewerkschaften auf eine Stufe. Das ist ebenso falsch wie die Bewertung, das HRG habe die Ablösung der Ordinarienuniversität durch die Gruppenuniversität ermöglicht (S. 279). Dies war bereits durch verschiedene Landesgesetze Ende der 1960er Jahre geschehen. 45
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
menhang mit der verbreiteten Aufbruchstimmung, wie sie unter anderem in Willy Brandts Motto aus seiner ersten Regierungserklärung „Mehr Demokratie wagen“ zum Ausdruck kam. Die studentische Protestbewegung hatte in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre zunächst als außerparlamentarische Opposition (APO) agiert und verstand sich in ihren Anfängen als antiautoritäre Protestbewegung, die sich eher negativ als positiv definierte: als Widerstand gegen jede Art von autoritärer Herrschaft, als Widerstand gegen organisatorische Zwänge und ein repressives Leistungsprinzip46. Dabei hatte die Protestbewegung viele Facetten. Ihr explizit politischer Teil begriff sich, durch alle politischen Differenzen hindurch, als sozialistische Bewegung, deren Ziele Rudi Dutschke als einer ihrer Protagonisten so formulierte: „Wenn wir sagen außerparlamentarische Opposition, so soll das heißen, dass wir ein System von direkter Demokratie anzielen – und zwar von Rätedemokratie, die es den Menschen erlaubt, ihre zeitweiligen Vertreter direkt zu wählen und abzuwählen, wie sie es auf der Grundlage eines gegen jedwede Form von Herrschaft kritischen Bewusstseins für erforderlich halten. Dann würde sich Herrschaft von Menschen über Menschen auf das kleinstmögliche Maß reduzieren.“47 Um diese Ziele zu erreichen, wurde versucht, die Hochschulen politisch zu instrumentalisieren, d. h. in einen politischen Kampfverbund umzufunktionieren. Dies wurde in offensiver Form zuerst vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) vertreten. So hieß es in einer programmatischen Erklärung des SDS-Bundesvorstands: „Die sozialistische Politik an der Hochschule kann […] nicht von der Notwendigkeit der Reform des bürgerlichen Studiums ausgehen, sondern trägt die Bedürfnisse der Revolte nach grundsätzlicher Veränderung der Gesellschaft, die ihr eigentliches Feld nach wie vor außerhalb der Universität hat, in die Universität hinein. Sie benutzt die Universität, genauer, sie gebraucht die Wissenschaft, um ihren Kampf zu stabilisieren und zu organisieren.“48 Dabei wurde das Prinzip der „auf Sachentscheidungen beruhenden unpolitischen Wissenschaft“49 bewusst verletzt. Ähnliche Ansätze und Forderungen haben in ideologisch modifizierter Form Eingang gefunden in die Programme aller linken Studentenvereinigungen, die im Gefolge der Protestbewegung die studentische Politik an den Hochschulen bestimmten. So hieß es im Programm des Sozialistischen Hochschulbundes (SHB): „Der SHB kämpft für eine Wissenschaft, die konsequent Partei ergreift für die lohnabhängigen Massen und zur politischen Praxis drängt.“50 Je weiter links die Studentenvereinigungen im politischen Spektrum angesiedelt waren, desto simpler, kurzschlüssiger und unreflektierter wurden die Programme und ihre Begründungen.51 46 47 48 49 50 51
Reimann, Hochschulreform – Illusion und Pleite?, S. 51. Spiegel Nr. 29/1967 (zit. bei Reimann, S. 51). Reimann, S. 60. Biedenkopf, zit. nach Wehrs, Protest der Professoren, S. 58 f. Zit. nach Reimann, S. 60. Reimann, S. 61.
II. Neuordnung
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Der Soziologe Schelsky warf der studentischen Opposition vor, die Modelle der – die legitime Ordnung revolutionär außer Kraft setzen wollenden – Klassenkampftheorien auf die Universitäten anzuwenden.52 Dabei verwies Schelsky auf Dahrendorf, der gezeigt habe, dass es einen Machtkonflikt zwischen Herrschenden und Beherrschten in jeder Institution und organisierten Gruppe gebe. Das heiße, dass es eine Herrschaftsschicht der Professoren und auch eine Herrschaftsschicht der organisierten Studenten gebe. Es könne gar kein Zweifel darüber sein, dass Dutschke oder andere Führer des SDS, aber auch die Gruppe der Funktionäre der offiziellen Studentenschaften mehr Macht hätten als etwa ein normaler Professor. Schelsky zeigte sich überzeugt, dass die Macht-Ideologie der Studenten in ihrer damaligen Opposition eine Politisierung der Universität in einer neuen Form erzwinge, die ihr äußerst schädlich sei. Allein dadurch, dass man die Beziehungen zwischen Professoren und Studenten bzw. Assistenten zu einer Auseinandersetzung von Herrschaftsparteien mache, werde eine massive Politisierung der Universität erstrebt. Die Ideologie einer Politisierung der Universität im Sinne eines „Herrschaftsverbandes“ sei der Versuch, eine totale Politisierung im Sinne einer totalen politischen Weltanschauung anhand der Universität durchzuführen, der gar nicht die Universität im eigentlichen Sinne meine, sondern sie als Sprungbrett und Basis für eine gesamtgesellschaftliche Revolution und für eine Strukturveränderung der gesamten staatlichen und sozialen Situation benutze.53 Im Lauf der Debatte um eine Politisierung der Universität und der Wissenschaft kam es zu einem tiefen Konflikt zwischen Studenten und den exponierten Vertretern der Kritischen Theorie54. Insbesondere Adorno und Habermas, neben Horkheimer die prominentesten Vertreter der Frankfurter Schule55. Obgleich sie viele der auf Gesellschaftsveränderung und Hochschulreform ausgerichteten Ziele der studentischen Protestbewegung unterstützten, lehnten sie kategorisch studentische Strategien ab, die die Taktik der begrenzten Regelverletzung oder aber der Gewaltanwendung gegen Sachen rechtfertigen wollten.56 Adorno stand deshalb ein halbes Jahr lang im Mittelpunkt von Vorlesungsstörungen, Institutsbesetzungen und anderen Angriffen,57 obwohl er sich nachdrücklich für eine Universitätsverfassung eingesetzt 52
Schelsky, Abschied von der Hochschulpolitik, S. 31. Schelsky, S. 35. 54 Als Kritische Theorie wird eine von Hegel, Marx und Freud inspirierte Gesellschaftstheorie bezeichnet, deren Vertreter auch unter dem Begriff „Frankfurter Schule“ zusammengefasst werden. Ihr Gegenstand war die kritische Analyse der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, ihr Ziel die Aufdeckung von Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismen und die Errichtung einer vernünftigen Gesellschaft mündiger Menschen. 55 Als Frankfurter Schule wird eine Gruppe von Philosophen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen bezeichnet, die an die Theorien von Hegel, Marx und Freud anknüpfte und deren Zentrum das 1924 in Frankfurt am Main eröffnete Institut für Sozialforschung war. 56 Reimann, S. 62. 57 Rüegg, Hochschulrevolte und terroristische Provokation als intellektuelles Polittheater, S. 82 ff. (84). 53
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
hatte, in der die Studenten nicht überstimmt werden könnten. Mit Adorno vertraten auch Habermas und v. Friedeburg die Auffassung, dass die Willensbildung in den Organen der Selbstverwaltung nach Interessen der tatsächlich an Forschung und Lehre beteiligten Gruppen organisiert werden sollte. Hierdurch würde die Selbstbestimmung nicht eingeschränkt, sondern unter den gegebenen Bedingungen erst ermöglicht.58 Die Begründung für diese Position lieferte Habermas im Jahr 1969. Das Prinzip der Freiheit von Lehre, Studium und Forschung könne nicht mehr nur negativ als Abschirmung individueller Gelehrsamkeit gegen interessierte Einwirkung von außen gesichert werden. In der Hochschule und gegenüber dem Staat müsse dieses Prinzip auch im Sinne von Teilhaberechten Anwendung finden. Die Autonomie der Wissenschaft könne nicht unpolitisch gewahrt werden. Sie verlange, dass die am Lehr- und Forschungsprozess unmittelbar beteiligten Gruppen die unvermeidlichen gesellschaftlichen Abhängigkeiten reflektierten und die gesellschaftlichen Funktionen der Wissenschaft im Bewusstsein politischer Verantwortung für Folgen und Nebenfolgen erörterten.59 Unterdessen wandte sich eine Minderheit der Protestbewegung gänzlich vom Gesellschaftssystem der Bundesrepublik ab und gründete kommunistische Kaderorganisationen. Andere verschrieben sich immer mehr militanter Gewaltanwendung und damit letztlich dem Terrorismus der RAF.60 Die Mehrheit aber wählte die Option radikaler Reformen. Inwieweit dies tatsächlich nur vereinzelt als „Marsch durch die Institutionen“ im Sinne Dutschkes verstanden wurde, zumeist aber – wie v. Friedeburg vermutet – im Sinne einer demokratischen Beteiligung gedacht war, blieb offen. Anders war es mit v. Friedeburgs mehr als zweifelhafter Einschätzung, dass die Radikalreformer zwar im Widerspruch zur Verfassungswirklichkeit, nicht aber zu den Prinzipien des Grundgesetzes agiert hätten.61 Mancher hielt das im Vergleich zu früheren Jahrgängen angeblich stärkere politische Engagement der in der Protestbewegung Ende der sechziger Jahre aktiven Studenten ohnehin für eine bloße Illusion, welche die „Unruhestifter“ selbst mit Hilfe der Presse und einiger Politiker und Professoren der Öffentlichkeit allmählich eingeredet hätten. Auch sei die „Jugendrevolte“ in Wirklichkeit kein Ausdruck eines echten Sachengagements. Der SDS selbst habe ja auch nie bestritten, dass seine Absichten nur destruktiv, nicht konstruktiv seien und dass ihm die Hochschulreform
58
v. Friedeburg, Bildungsreform, S. 390. Habermas, Protestbewegung und Hochschulreform, S. 203; ders., Die wissenschaftstheoretischen Begründungen der Teilnahme der Mitglieder der Universität an den Entscheidungsprozessen und der Universitätsorganisation, S. 97 ff.; s. auch Lohmar, Wissenschaftspolitik und Demokratisierung, 1973. 60 Jäger, Die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition 1969 – 1974, Bd. 5/I, S. 81. 61 v. Friedeburg, Bildungsreform, S. 391 ff. 59
II. Neuordnung
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selbst „Hekuba“ sei.62 Es sei die Affinität zu anarchischen Utopien eines verheißenen Schlaraffenlandes, die bei vielen Leuten den Eindruck erwecke, als sei die Jugend politisch engagiert. In Wirklichkeit handele es sich jedoch lediglich um eine oppositionelle, emotionale Grundstimmung gegen die ältere Generation und gegen die Pflichten und sonstigen Unbequemlichkeiten, welche das Erwachsenwerden nun einmal mit sich bringe.63 Die wichtigsten Anliegen der Studenten kamen in einem Beschluss des Verbands Deutscher Studentenschaften (VDS) zur „Demokratisierung der Hochschule“ vom März 196864 zum Ausdruck. Dreh- und Angelpunkt des Beschlusses war die Frage nach Ausmaß und Legitimität der an den Hochschulen verteidigten Herrschaft der Professoren. Demokratisierung der Hochschule wurde verstanden als „Selbstbestimmung aller Hochschulmitglieder über ihre Tätigkeit, deren Inhalt, Schwerpunkt und Zielsetzung im Rahmen der kollektiven gesellschaftlichen Aufgaben der Universität“. Kernpunkte der hochschulpolitischen Forderungen waren die Abschaffung des Lehrstuhlprinzips, die öffentliche Ausschreibung der Professuren, die Abschaffung der Habilitation, die Überleitung der Assistenten, Akademischen Räte und Lektoren in „Dozenten neuer Art“, die Studienfreiheit und die Garantie autonomer Studienentscheidungen im Hinblick auf Studienziel, Fächerkombination, Prüfungsinhalte und Prüfungsleistungen, die familienunabhängige Ausbildungsförderung, die Öffentlichkeit der Verhandlungen in den Gremien und vor allem die gleichberechtigte Vertretung der Mitgliedergruppen in den Selbstverwaltungsorganen der Universität. Ausdrücklich heißt es in dem Beschluss, dass diese Maßnahmen „als notwendige Zwischenfixierung eines Demokratisierungsprozesses“ zu betrachten seien. b) Drittelparität Als konkrete Forderung aus dem Katalog von Forderungen wurde immer wieder die Einführung einer drittelparitätischen Besetzung aller Selbstverwaltungsgremien der Universitäten mit Vertretern von Professoren, akademischem Mittelbau und Studenten genannt.65 Demnach müsse das Universitätsrecht berücksichtigen, wenn der Staat in einem gesellschaftlichen Bereich auf die Ausübung seiner Gewalt durch demokratisch legitimierte Gesetze verzichte, dass in diesem Bereich zugestandener Autonomie die Entscheidungsgewalt denselben Prinzipien unterliege, denen die staatliche Gewalt selbst unterliegt: Dies seien die Prinzipien der freien Demokratie.66 62
Ortlieb, die Institutionalisierung der Anarchie, in: Maier/Zöller, Die andere Bildungskatastrophe, S. 44. 63 Ortlieb, S. 45. 64 Abgedr. in Schmidt/Thelen, Hochschulreform. Gefahr im Verzug?, S. 93. 65 Die Mitwirkung der vierten Gruppe, die nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter kam erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Debatte. 66 Zit. nach Schelsky, S. 30.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Nach Schelskys Urteil trug dieser Gedanke jedoch schon deshalb nicht, weil es falsch sei, die autonomen Selbstverwaltungsrechte der Universität als vom Staat delegiert zu verstehen.67 Andere verwiesen darauf, dass die Übertragung des demokratischen Modells auf die Universitäten vom Grundgesetz her weder gefordert noch mit ihm vereinbar sei.68 Demgegenüber vertrat Habermas in seinem Vortrag vor der WRK 1969 die Auffassung, dass sich eine Mitbestimmung von Studenten und Assistenten schon deshalb empfehle, weil diese Gruppe nicht oder nicht in gleichem Maße wie die Hochschullehrer mit langfristigen Positionsinteressen identifiziert sei. Ihre Teilnahme sichere die Transparenz der Willensbildung; sie verstärke den Zwang zur Legitimation von Entscheidungen und die Kontrolle der Ausführung von Beschlüssen; vor allem aber könne sie zu einer unbefangenen Thematisierung von Fragen beitragen, die sonst ausgeklammert blieben. Ihre Grenze finde die Mitbestimmung von Studenten und Assistenten allerdings an dem Kompetenzgefälle, das zwischen den Gruppen bestehe. Gemeint sei hierbei freilich nicht die Kompetenz in allgemeinen hochschulpolitischen Fragen, sondern die Fachkompetenz. Dieses Kompetenzgefälle sollte bei Berufungen, Habilitationen und der Anstellung wissenschaftlicher Mitarbeiter berücksichtigt werden.69 Bemerkenswert ist, dass hier in modifizierter Gestalt das – vor allem von konservativer Seite zur Ablehnung der drittelparitätischen Mitbestimmung gebrauchte – Argument des unterschiedlichen Sachverstandes auftaucht. Der Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) begründete seine Forderung nach der Drittelparität im Februar 196870 damit, dass alle Mitglieder der Universität einen in gleicher Weise unentbehrlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Universität leisteten. Daraus resultiere das Recht auf Beteiligung aller in der Universität vertretenen Personengruppen am Entscheidungsprozess. Dieses Prinzip müsse so verwirklicht werden, dass den drei Personengruppen der Universität in allen akademischen Gremien und Angelegenheiten im Sinne der Drittelparität gleiche Rechte und Pflichten und gleiche Behandlung gewährt werde. Die Forderung nach Drittelparität sei damit nicht etwa Ausdruck eines auf quantitativen Kriterien beruhenden Klassendenkens, wie es WRK-Präsident Rüegg in bewusstem Missverständnis behauptet habe. Zurückhaltender gegenüber Forderungen nach einer Drittelparität zeigte sich hingegen der RCDS in einem Beschluss vom Frühjahr 1968.71 Dort wurde lediglich der Abbau des Ordinarienprinzips zu Gunsten eines „Teamwork“ sowie die Beteiligung der studentischen Fachvertretung (Fachschaften) auf der Ebene der Institute und Abteilungen (Fakultäten) und die satzungsgemäße Verankerung ihrer Mitwirkungsrechte in allen Studien- und Lehrfragen angemahnt. Nur die Ständigen Stu67 68 69 70 71
Schelsky, a.a.O. Klein, „Demokratisierung“ der Universität?, S. 51. Habermas, Wissenschaftstheoretische Begründungen, S. 99. Abgedr. in Schmidt/Thelen, S. 85 ff. Abgedr. in Schmidt/Thelen, S. 87 ff.
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dienreformkommissionen auf Abteilungsebene mit Entscheidungsfunktionen in Fragen der Lehr- und Studiengestaltung sollten paritätisch besetzt sein. Auch die KMK wandte sich in einem Beschluss vom April 196872 indirekt gegen eine Drittelparität. In den akademischen Organen sei eine „funktionsgerechte Mitsprache der an Forschung und Lehre beteiligten Gruppen einschließlich der Studenten“ zu sichern. Eine „schematische Festlegung der Beteiligung“ wäre nicht sachgemäß. Art und Ausmaß der Beteiligung sollten sich nach den Aufgaben des betreffenden Organs richten. Sie seien so zu gestalten, dass die Arbeitsfähigkeit gewährleistet ist. In ähnlicher Weise versuchte die WRK, Kriterien für eine qualitative Repräsentation zu finden, die in differenzierender Weise die Teilhabe nach Funktionen der Gruppen und Art des inhaltlichen Entscheidungsvorgangs festlegen sollten derart, dass bei Berufungsprozessen nur Mitglieder des Lehrkörpers mitwirken. Festgelegt waren diese Kerngedanken in der sog. Godesberger Erklärung vom Februar 1968.73 Demnach verlange die Gliederung nach Funktionen eine Neuordnung der Mitverantwortung aller Angehörigen der Körperschaft an der Selbstverwaltung nach den Prinzipien einer „funktionsgerechten Kompetenzverteilung und qualitativen Repräsentation“. Dies bedeute: 1. „Die Angelegenheiten der Universität als einer Körperschaft von Lehrenden und Lernenden fallen grundsätzlich in die Entscheidungs- und/oder Beratungskompetenz aller ihrer Angehörigen, die demgemäß – unmittelbar oder mittelbar legitimiert – an den satzungsgemäßen Organen zu beteiligen sind. Das Ausmaß der Mitarbeit und Verantwortung sowie die Dauer der Bindung an die Universität bedingen Art und Gewicht der Beteiligung an der Selbstverwaltung. Die Anzahl der jeweils Beteiligten ist auf die Aufgaben und die Arbeitsfähigkeit der Gremien abzustimmen. 2. Auch wenn der Sachverstand einer Personengruppe deren Mitwirkung an Entscheidungen nicht begründet, ist das Entscheidungsverfahren so zu gestalten, dass die Nachprüfbarkeit der Entscheidungskriterien gewährleistet ist. […] Unter Beachtung dieser Grundsätze können in einem Ausschließlichkeitskatalog diejenigen Angelegenheiten festgelegt werden, deren Entscheidung bestimmten Personengruppen vorbehalten ist. 3. Vor Majorisierung in ihren Angelegenheiten sollen Personengruppen nicht durch quantitativen Proporz, sondern durch qualitative Regelungen geschützt werden (z. B. Einspruchsrechte, Schlichtungskommissionen, qualifizierte Abstimmungsmodalitäten oder Appellationsmöglichkeiten).“
72
Abgedr. in Schmidt/Thelen, S. 111 ff. WRK, Godesberger Rektoren-Erklärung zur Hochschulreform. Beschluss der 59. Westdeutschen Rektorenkonferenz. 19.–21. Februar 1968 (in: WRK, Stellungnahmen, Band 1, S. 63 f.). 73
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Friedeburg wertete diese Erklärung als Beweis dafür, dass den Exponenten der Hochschulen eine Einbuße an Hochschulautonomie durch Mitsprache Außenstehender in der Zentralverwaltung weniger bedrohlich erscheine als eine quantitativ geregelte Mitsprache aller an der Forschung und Lehre beteiligten Gruppen bei der inneren Selbstverwaltung.74 Auch der VDS kritisierte die Position von WRK und insbesondere KMK in einem Beschluss vom Juni 196875. Bei der Frage der Besetzung der Universitätsorgane beschränke sich die KMK auf eine Rezeption der gängigsten von der WRK „entwickelten“ Leerformeln wie: „funktionsgerechte Mitsprache“, „Art und Ausmaß der Beteiligung richten sich nach den Aufgaben des betreffenden Organs“ sowie das „Kriterium“ der „Arbeitsfähigkeit“. Alles Maßstäbe, unter die sich die bestehenden unbefriedigenden Verhältnisse subsumieren ließen. Welche Demokratisierung die Kultusminister im Sinne hätten, zeige sich an der Formulierung, dass alle „an Forschung und Lehre beteiligten Gruppen einschließlich der Studenten“ in den Organen der Universität mitsprechen dürften. Das „einschließlich“ erwecke den Eindruck einer besonders huldvollen Konzession der KMK an die Studentenschaft, die sich zwar von der Sache her nicht rechtfertigen lasse, wegen des Drängens der ungestümen Jugend jedoch eingeräumt werden sollte. Eine Begründung für die Ablehnung der Drittelparität sei nicht zu finden, sie sei halt nicht „sachgemäß“, d. h. wer sachverständig sein wolle, müsse sich gegen die Drittelparität aussprechen. Trotz dieser studentischen Begründungsversuche stieß die Forderung nach Drittelparität auf heftige Kritik aus verschiedenen Richtungen. Viele witterten hinter dem Konzept den Versuch der Verwirklichung von unmittelbarer Demokratie, die mit der funktionalen und sozialen Differenzierung der Universität tatsächlich hätte kollidieren müssen. Werner Thieme, der bekannteste Experte für Hochschulrecht jener Zeit, kritisierte den „öden, ungeistigen Schematismus“76 der Paritätsforderung. Das Präsidium des Hochschulverbands wies 1968 die Forderung nach einer Demokratisierung der Hochschule strikt zurück.77 Auch der Rektor der Universität Frankfurt und Präsident der WRK, Rüegg, wandte sich entschieden gegen ein sog. „Rätesystem“. Jede quantitative Reform entwickle die Funktionsschwäche der Universität zur Funktionsunfähigkeit und lähme den Zusammenhang von Forschung und Wissenschaft.78 Ähnliche Vorwürfe fanden sich auch in einem Manifest Marburger Professoren79 vom April 1968, das bis Ende des Jahres von über 1.500 Professoren bundesweit unterzeichnet wurde. Eine Demokratisierung habe die Beschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre und damit eine Verkümmerung der Wissenschaft selbst zur 74 75 76 77 78 79
v. Friedeburg, Bildungsreform, S. 388. Abgedr. in Schmidt/Thelen, S. 114 ff. Zit. bei Albers, S. 7. Reimann, S. 93; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, Rdn. 41. Zit. nach v. Friedeburg, Bildungsreform, S. 390. Abgedr. in Schmidt/Thelen, S. 107 ff.
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Folge. Die vergangenen Monate hätten die Gefahr, die das Wesen der deutschen Hochschule bedrohe, in ihrem Charakter immer deutlicher werden lassen. Sie liege in der eingetretenen Vermischung des Gedankenguts der Hochschulreform mit dem eines gesellschaftlichen Umsturzes insgesamt, wie er von radikalen Gruppen beabsichtigt werde. Die Unterzeichner hielten es mit ihrem Diensteid, ihrer wissenschaftlichen Verantwortung und ihren staatsbürgerlichen Pflichten für nicht vereinbar, weiterhin zu dieser Entwicklung zu schweigen, die unter dem missverständlichen Namen „Demokratisierung der Universität“ vorangetrieben werde. Mancher Politiker hatte Angst, die Einführung der Drittelparität werde zur Folge haben, dass sich die Radikalen, die jahrelang bei allen Wahlen an den Universitäten die überwiegende Mehrheit zu erringen vermochten, mit einer Zweidrittelmehrheit gegen die Professoren durchsetzen können. Die schweigende Mehrheit, die es zweifellos in allen Gruppen auch gebe, vermöge nicht, sich zu artikulieren, geschweige denn politisches Gewicht zu gewinnen. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Professoren fast niemals eine geschlossene Einheit bildeten und stets einige Individualisten mit den Protestlern gemeinsame Sache machten.80 Dagegen wertete der hessische Kultusminister Schütte (SPD) die Paritätsforderung als „einzig klare Konzeption einer demokratischen Erneuerung der Universität,“81 sprach sich aber dafür aus, dass in den Entscheidungsorganen der Hochschule Studenten, Assistenten, habilitierte Nichtordinarien und Ordinarien im Verhältnis 20:20:20:40 vertreten sein sollten. Auch die Vorschläge des bildungspolitischen Ausschusses der SPD sahen lediglich vor, dass die zentralen und dezentralen Selbstverwaltungsorgane sich im Verhältnis 5:3:2 aus Vertretern der Professoren, Assistenten und Studenten zusammensetzen sollten.82 Im Bildungsbericht der Bundesregierung von 1970 wurde nur vage die „Mitwirkung aller in der Hochschule Tätigen an den Entscheidungsprozessen“ postuliert.83 Am Ende der sechziger Jahre bot die Lage ein uneinheitliches Bild. Während viele Professoren Mitbestimmungsverfahren aus Politik und Wirtschaft im Hochschulleben für nicht anwendbar, eine Gruppenbeteiligung mit „ständischer“ Sitzverteilung gar für verfassungswidrig hielten, drängten Parteien – unterschiedlich im Ansatz und in der Intensität – sowie Verwaltungen auf die Reform der akademischen Selbstverwaltung.84 So wurden Ende der sechziger/Anfang der siebziger Jahre in einigen Bundesländern Hochschulgesetze erlassen, welche die Abschaffung der Ordinarienuniversität bedeuteten. Erstmals wurden den Studierenden Mitspracherechte in Gremien
80 81 82 83 84
Hahn, Wilhelm, Erinnerungen, S. 190 f. Zit. bei Albers, Demokratisierung der Hochschule, S. 8. Reimann, S. 93 f. Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, Hochkonjunktur und Flaute, S. 58. v. Friedeburg, Bildungsreform, S. 388.
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der Selbstverwaltung eingeräumt. Bei der Ausgestaltung gingen die einzelnen Bundesländer allerdings unterschiedliche Wege. Der spätere Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Pfeifer (CDU), kritisierte, dass in keinem Land der freien Welt radikalen Gruppen der Zugang zu den Entscheidungsgremien der Hochschulen in einem solchen Maße geöffnet worden wäre wie in einigen sozialdemokratisch geführten Bundesländern. Als Folge dessen sei die Leistungsfähigkeit und Freiheit von Forschung und Lehre erheblich bedroht worden. Genannt wurden insbesondere Berlin, Bremen, Hessen und Niedersachsen, wo man zum Teil absurdesten Forderungen nachgegeben habe.85 In diesem Zusammenhang erinnerte Pfeifer beispielsweise an die drittelparitätische Besetzung von Konzil und Konvent in Berlin und Hessen. In jenen Ländern, in denen die Mitbestimmungsfrage zum zentralen Problem der Hochschulreform hochstilisiert worden sei, habe man in Wahrheit mit schematischen Paritäten zuallererst die Gruppenpolarisierung gefördert und als Folge davon qualifizierte wissenschaftliche Forschung und Lehre durch politische Engstirnigkeit und Aufblähung der Universitätsbürokratie abgelöst.86 Der spätere bayrische Kultusminister Maier, noch als Münchner Professor, warf den Ländern 1970 vor, eilfertig Gesetze erlassen zu haben, die prinzipienlos dem Druck der Studenten- und Assistenten-Verbandsmacht nachgegeben hätten. Der Grabenkampf zwischen den hochschulpolitischen Gruppen um Macht und Einfluss dauere umso erbitterter fort, als die Hochschulgesetzgebung in Bund und Ländern in völliger Verkennung des Prinzips der Universität die Gruppen zu Trägern der Hochschule gemacht habe in der seltsamen Erwartung, dass sich aus ideologisierten Interessenvertretungen plötzlich ein hochschulpolitisches Gemeinwohl formen werde.87 Wer verfolge, was die auf monströsen Hochtouren laufende Gesetzgebungsund Novellierungsmaschinerie in den Ländern Monat für Monat ausspucke, der habe den Eindruck eines mächtigen Leerlaufs. Organisatorische Patentlösungen wie die Drittelparität würden mit gläubiger Inbrunst von Abgeordneten und Ministern als Universalrezepte für die Bildungsnöte angeboten. Man reformiere ohne Rücksicht auf Inhaltliches kameralistisch-tüchtig über den Daumen.88 Angesichts dessen wundere es nicht, dass besonders die Universitäten oft das traurige Bild eines in Gruppen-Positionskämpfen erstarrten ideologischen Schlachtfelds böten. Im November 1970 schlossen sich Hochschullehrer wie Maier im „Bund Freiheit der Wissenschaft“89 zusammen. Eindringlich warnten sie immer wieder vor der 85 Pfeifer, Hochschulgesetzgebung des Bundes, S. 194 ff. Zu den Verhältnissen in Berlin, Marburg und Bremen s. Wehrs, Protest der Professoren, S. 277, 290, 294 (Fallskizzen). 86 Pfeifer, S. 196. 87 Maier, Hans, Die andere Bildungskatastrophe, in: Maier/Zöller, S. 7 ff. 88 Maier, S. 23 f. 89 Der Verein verstand sich als gesellschaftsübergreifendes Sprachrohr der Hochschullehrer, um „den Gesinnungsterror ideologisch fanatisierter Gruppen an den Hochschulen“ abzuwehren und eine weitere „Demokratisierung“ der Hochschule, insbesondere eine Ein-
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Minderung der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die Positionierung der deutschen Hochschulen. Mittlerweile rückten jedoch Studenten selbst von ihrer Forderung nach einer Drittelparität ab. Denn schon mit der Eskalation der Studentenbewegung erschien die von ihr eingeleitete Mitwirkung der Gruppen in den Hochschulen kaum mehr möglich. So zogen die Studenten im Rahmen der anti-institutionellen Politik vielerorts aus den Gremien aus. Dementsprechend wurde die Drittelparität nun als „Instrument technokratischer Hochschulorganisation“ diffamiert.90 So sah sich am Ende unter den Parteien die Union in ihrer Haltung zur Mitbestimmung bestätigt. Ihre intern nie umstrittene Ablehnung der Drittelparität wurde zum tragenden Pfeiler einer Hochschulpolitik, die nicht Partizipation, sondern Funktionsgerechtigkeit auf ihre Fahnen schrieb.91 c) Grenzen der Mitbestimmung Die Ziele einer sozial-liberalen Hochschulpolitik hatte die Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium, Hamm-Brücher (FDP), 1972 umrissen92. Die Mitglieder der Hochschulen sollten an den Aufgaben der Selbstverwaltung verantwortlich beteiligt, die Transparenz und Rationalität von Entscheidungsprozessen hergestellt und damit sachlich ungerechtfertigte Privilegien abgeschafft werden. Die Grundsätze für Art und Umfang der Mitbestimmung in den Organen der Hochschulen sollten in einem Hochschulrahmengesetz (HRG) festgelegt werden und eine einseitige Politisierung verhindern. Dieses Ziel sollte mit differenzierenden Lösungen erreicht werden, die für die unterschiedlichen Entscheidungsbereiche unterschiedliche Befugnisse der Mitbestimmung vorsähen. So sollten Studierende in Fragen des Studiums volles Stimm- und Entscheidungsrecht erhalten, dagegen in Fragen der Forschung und bei der Einstellung von Hochschullehrern zwar mitbestimmen können, ohne dass jedoch ihre Stimmen bei der Berechnung der Mehrheit mitgezählt werden sollten. Damit entsprachen die Vorstellungen der sozial-liberalen Regierung in etwa den Forderungen von KMK und WRK. In der Rektorenkonferenz führten Anfang der 70er Jahre die neu gewählten Präsidenten aus Berlin (Kreibich, FU, und Wittkowsky, TU) und Hamburg (Fischer-Appelt), alle aus der Gruppe der Assistenten kommend93,
führung der Drittelparität und der Gruppenuniversität zu verhindern. Seine Hochzeit hatte der Bund in den 1970er Jahren (Wehrs, Protest der Professoren). Er löste sich, nachdem er seine wesentlichen Ziele verwirklicht sah, durch einstimmigen Beschluss zum Jahresende 2015 auf. 90 v. Friedeburg, Bildungsreform, S. 391. 91 Jäger, Bd. 5/I, S. 132. 92 Hamm-Brücher, Unfähig zur Reform, S. 123. 93 So wurden sie als „Assistenten-Präsidenten“ bezeichnet (Wehrs, Protest der Professoren; S. 276).
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das große Wort. Der damalige WRK-Präsident Rumpf erwies sich als sehr schwankend, wenn es darum ging, den oft einseitigen Positionen zu begegnen. Während der laufenden Diskussion um die Ausgestaltung der Gruppenuniversität wurde im Mai 1973 ein – von Hochschullehrern erstrittenes – Urteil des BVerfG zur Gruppenuniversität verkündet.94 Das Gericht erkannte darin die Gruppenuniversität als zulässige Gestaltungsform an, setzte aber der Mitwirkung der Gruppen zugleich Grenzen. Die Einbeziehung der Studenten und der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter in die Entscheidungsprozesse sei nicht von vornherein wissenschaftsfremd. Entscheidend für die Grenzziehung seien Kriterien der Qualifikation, Funktion, Verantwortung und Betroffenheit. Deshalb müsse die besondere Stellung der Hochschullehrer als „Inhaber der Funktion des wissenschaftlichen Lebens“ berücksichtigt werden; ihnen müsse in unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten ein hinreichender, im Bereich der Forschung ein ausschlaggebender Einfluss verbleiben. Das bedeutete das Erfordernis einer absoluten Mehrheit in den Gremien, bei Entscheidungen, welche unmittelbar Fragen der Forschung betreffen. Das Urteil beeinflusste auch die nach wie vor anhaltende Debatte über das HRG. Ursprünglich sollte die Frage der Mitbestimmung und der Einführung einer verfassten Studentenschaft im HRG geregelt werden. Im Tauziehen zwischen der sozialliberalen Koalition und dem CDU-dominierten Bundesrat magerte der Entwurf eines HRG jedoch zusehends ab, sodass die entsprechenden Regelungen schließlich in der Kompetenz der Landesgesetzgebung verblieben. Pfeifer95 warf der sozial-liberalen Bundesregierung im Jahr 1974 in diesem Zusammenhang vor, das Urteil des BVerfG durch einen Trick unterlaufen zu wollen. Insbesondere wehrte er sich gegen eine von Bremen angeregte Experimentierklausel auf Länderebene. Die Intensität der Auseinandersetzung war jedoch inzwischen abgeflaut, ebenso wie die Protestbewegung insgesamt. Maihofer (FDP), damals Minister für besondere Angelegenheiten im Kabinett Brandt, bilanzierte 1973, dass man innerhalb wie außerhalb der Universität nicht wenigen begegne, die nach wie vor glaubten, die Demokratisierung der Universität sei nicht eine notwendige, sondern eine überflüssige, nicht eine der Wissenschaft förderliche, sondern schädliche Sache, ja der Grund allen Übels, unter dem die Hochschulen litten als unfreiwillige Opfer modischer Opportunitäten, von Torheiten des Zeitgeistes. Auf der andere Seite gebe es aber auch 1973 noch weithin ein Missverständnis dessen, was mit der Forderung nach Demokratisierung der Universität gemeint war. So habe er bei den Auseinandersetzungen um die Zusammensetzung der verfassunggebenden Versammlung der Universität des Saarlandes Positionen wie etwa folgende erlebt: Demokratie bedeute, jeder hätte die gleiche Stimme. Daraus folge bei 8.000 Studenten, 800 wissenschaftlichen Mitarbeitern und 200 Professoren ein Verhältnis 40:4:1. Mache bei einer Gesamtzahl von 360 Mitgliedern im Konzil 320 Studenten, 32 Assistenten und 8 Professoren. Natürlich sehe man ein, dass dies die Prinzipien überstrapaziere. Man 94 95
BVerfGE 35, 79 ff. (125 ff.). Hochschulgesetzgebung, S. 203 f.
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mache deshalb das großzügige Angebot der Drittelparität. Dies führte auch Maihofer zu der Frage, ob Demokratie an der Hochschule nach denselben Prinzipien wie im Staat organisiert werden könne.96 Er erkannte insoweit ein „Theoriedefizit der Demokratisierungsdebatte“ – trotz aller Diskussionen der vorangegangenen Jahre97. Das Thema beschäftigt die Hochschulen auch Jahrzehnte später. Das badenwürttembergische Landeshochschulgesetz ist nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs des Landes verfassungswidrig,98 weil in dessen Regelung zur Wahl der Rektorate die Stimmen der Professoren (gegenüber dem Hochschulrat) nicht ausreichend gewichtet würden und so die Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt werde. Die Wissenschaftler müssten in der Lage sein, den Rektor, die Rektorin oder ein Rektoratsmitglied abzuwählen. Diese Rechtsposition, die an die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anknüpft, dürfte weitreichende Folgen auch für die Hochschulgesetze anderer Länder haben. Soweit ersichtlich, erfüllt keines der Ländergesetze die im konkreten Fall aufgestellten Voraussetzungen. Das Urteil wird im Zusammenhang mit der gestärkten Position der Hochschulleitungen gesehen. Die Rektoren haben bestimmte Kompetenzen. Das Gericht verlange, so Ministerin Theresa Bauer, ein eigenständiges Abwahlrecht der Hochschullehrer, wenn die Kompetenzen der Rektoren bleiben. Als Konsequenz aus dem Urteil soll die Zusammensetzung des Senats so verändert werden, dass die gewählten Hochschullehrer die Mehrheit erhalten. Für den Fall, dass Rektoren abgewählt werden sollen, erhalten alle Hochschullehrer das Recht zur Abstimmung.99 Nach dem Urteil sei es im Extremfall sogar denkbar, dass alle anderen Senatsmitglieder, der Hochschulrat und auch das Wissenschaftsministerium gegen die Abwahl eines Rektors oder einer Rektorin sind: Solange die Mehrheit der Professoren sie fordert, soll das reichen. Ein Abwahlbegehren müsse von 25 % der Hochschullehrer unterzeichnet sein, bevor der Senat über das Aus des Rektors entscheiden kann. Kommt es dazu, reichen die Stimmen von 50 % der Professoren aus, damit der Rektor sein Amt verliert.100 Die erforderliche Gesetzesänderung ist mit einer eigenwilligen Konzession verbunden: Die für die Hochschulen zuständige baden-württembergische Ministerin hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem Doktoranden eine eigene Statusgruppe sein sollen.101 D. h. neben den Gruppen der Professoren, Studierenden, Wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern gibt es eine weitere Gruppe. Sie 96
Maihofer, Demokratisierung der Universität? S. 111 ff. (116 f.). Maihofer, S. 119. 98 Entscheidung vom November 2016, s. Turner, Überprüft die Hochschulgesetze, Der Tagesspiegel v. 5. 12. 2016, S. 21. 99 Stuttgarter Zeitung v. 1. 9. 2017. 100 Mannheimer Morgen v. 16. 9. 2017. 101 Turner, Tagesspiegel v. 16. 10. 2017, S. 21. 97
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genießt die gleichen Rechte wie die anderen, wählt also z. B. ihre eigene Vertretung für die Gremien. Die Ministerin galt lange als rational handelnde Leiterin ihres Ressorts, die Respekt über Partei- und Landesgrenzen genoss. Die neuerliche Aktion wirkt wie ein Ablenkungsmanöver, um die Verbesserung der Situation der Professoren anderen Gruppen besser vermitteln zu können. Den Doktoranden einen eigenen Status zu geben ist ebenso verwirrend wie überflüssig. Im Zuge der ständigen Wiederholung, wie wichtig die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist, wird gebetsmühlenartig betont, dass das Kernstück dabei die Doktorandenausbildung ist. Das trifft zu, allerdings nur auf einen Teil des betreffenden Personenkreises. Nicht alle Doktoranden sind „wissenschaftlicher Nachwuchs“. Für viele ist der Erwerb des Dr. die Verbreiterung der Chancen beim Berufseinstieg, für manche wohl auch nur das Streben nach einem Titel. Die Aufdeckung von Plagiatsfällen hat deutlich gemacht, wie es um die Motive bei der Erstellung von Dissertationen steht. Derzeitig werden Doktoranden den Studierenden zugerechnet, wenn sie ohne eine Stelle inne zu haben, promovieren, zumal die Promotionsordnungen in der Regel vorschreiben, dass Doktoranden eine bestimmte Zeit während der Promotion als Studierende eingeschrieben sein müssen. Sind sie als Angestellte oder Assistenten beschäftigt, gehören sie zur Gruppe der Wissenschaftlichen Mitarbeiter. Die Zuordnungen sind sachgerecht. Eine Veränderung der Gruppenstruktur hat auch Konsequenzen für die Beteiligungsverhältnisse der anderen Gruppen. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass die mitbestimmte Universität, auch wenn die Begründung dafür nicht alle überzeugt, akzeptiert war. Dieses sensible Gefüge zu verändern, bedeutet „ein Fass aufmachen“. Die nächste Runde mit der Forderung nach Fünftelparität ist damit eingeläutet. Die Veränderung der Rechte der Professoren ist die rechtliche Seite. Ob sie überzeugt und ob beabsichtige Konstruktion nicht viel zu umständlich und deshalb nicht praktikabel ist, steht auf einem anderen Blatt. Interessant wäre, ob und unter welchen Umständen das Urteil des baden-württembergischen Verfassungsgerichts durch das Bundesverfassungsgericht überprüft werden kann. Für die Leitung von Hochschulen bedeutet es eine unübersehbare Schwächung. Es mag offen bleiben, ob darin eine „Rolle Rückwärts“ zur Ordinarien-Universität, richtiger wohl: Professoren-Universität, gesehen wird; das Damoklesschwert der Abwahl, allein eine mögliche Diskussion, angestiftet von einer so beschriebenen Minderheit, wird die Bereitschaft geeigneter Kandidaten/innen für entsprechende Ämter nicht befördern. Dennoch – oder deswegen – ist das Urteil eine Mahnung, über die richtige Konstruktion von Hochschulverfassungen nachzudenken und die gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich zu überprüfen. Seit es Hochschulgesetze gibt, nämlich seit Ende der 1960er, hat man sich daran gewöhnt, dass die mitbestimmte Hochschule nach einer Art ständestaatlichem Modell organisiert ist. Ob dieses Modell, unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit, der Aufgabe insbesondere von Universitäten gemäß ist und Einrichtungen entspricht, die
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Wissenschaft und Forschung betreiben, bleibt offen. Hier zeigt sich erneut: Die Wissenschaftler beschäftigen sich mit jeder, manchmal auch abwegig erscheinenden Frage; die „Universität“ aber ist insoweit nicht Gegenstand der Forschung. Es wäre an der Zeit, nicht nur eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, welche Vorund Nachteile die derzeitige Verfassung der Hochschulen aufweist. Es wäre auch angebracht, die Frage zu stellen, wie eine den Anliegen von Forschung und Lehre entsprechende Konstruktion unter Aspekten einer effizienten Organisationsstruktur auszusehen habe. Die seinerzeit eingeführten Regelungen „zur Überwindung der Ordinarienuniversität“ sind politische Schnellschüsse gewesen ohne dass eine fundierte Diskussion darüber stattgefunden hat, ob die Organisationsform der Aufgabe der Institutionen entspricht. d) Leitungsstruktur Spätestens Anfang der neunziger Jahre wurde die Frage der Hochschulautonomie, und damit auch das Verhältnis von Staat zu den Universitäten, mit der Erörterung adäquater Leitungsstrukturen verknüpft. Da man den Sinn einer Stärkung der Hochschulautonomie in erster Linie in der Verlagerung von Entscheidungskompetenzen von den Ministerien auf die Hochschule als Ganzes sah, stellte sich zugleich die Frage, ob die Hochschulen angesichts ihrer Organisationsstrukturen und einem eher unverbindlichen Zusammenwirken autonomer Individuen diesen neu auf sie zukommenden Aufgaben gewachsen seien. Die politische Seite verband die Gewährung von mehr Hochschulautonomie mit der Erwartung funktionsfähiger Entscheidungsstrukturen und Mechanismen innerhalb der Institution Hochschule.102 aa) Professionalisierung (1) Rektorats-/Präsidialverfassung Die Debatte um die Befugnisse der Hochschulleitung verlief höchst kontrovers. In den siebziger Jahren wurde sie unter dem Stichwort „Präsidial- oder Rektoratsverfassung“ geführt. Kernpunkt der Auseinandersetzung war die Frage, ob die Leitung der Hochschule einem Einzelnen anvertraut oder kollegial organisiert werden soll. Kontrovers verlief auch die Debatte um die Dauer der Amtszeit. Wer tatsächlich mehr Effizienz von den Hochschulen erwartete, konnte sich glaubwürdig nicht für kurze Amtszeiten wie ein zweijähriges Rektorat oder einjährige Dekanate aussprechen.103 Eine hinreichend lange Amtsdauer sowohl auf zentraler Ebene als auch bei den Fakultäten sei unerlässlich.104 Die SPD hatte sich in ihren Vorschlägen zur Reform der Hochschulen vom April 1969 ebenfalls eindeutig für einen Präsidenten an der 102
Frackmann, Stärkung der Hochschulautonomie, in: Ermert, S. 67 ff. Turner, Stellungnahme zu den 22 Thesen des Hochschulverbands „Zur Überwindung der Gruppenuniversität“, in: Frankfurter Rundschau v. 4. 8. 1982, S. 15. 104 Turner, Hochschulpolitik, S. 83. 103
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Universitätsspitze ausgesprochen und eine Amtszeit von mindestens sechs Jahren angeregt.105 Ähnliches wurde zu jener Zeit auch von der CDU gefordert.106 Eine solche, auf einen starken Präsidenten zielende Leitungsstruktur hatte 1968 ebenfalls der Wissenschaftsrat empfohlen107. Sie ist allerdings nicht allgemein umgesetzt worden, weil die ersten Wahlen von Präsidenten in Berlin und Hamburg nicht den Typ von Universitätsmanager hervorbrachten, den der Wissenschaftsrat bei seinen Empfehlungen vor Augen gehabt hatte. Da sie auch lebhafte Befürworter der Einführung der Assistenz-Professur waren, wurden sie in der WRK gelegentlich etwas abschätzig auch „Assistenz-Präsidenten“ genannt.108 Schwerer wog ein anderer Vorbehalt: Einige waren nachweislich nur ins Amt gekommen, weil sie zuvor Zugeständnisse an Gruppen oder Teile von ihnen derart gemacht hatten, dass bei der Besetzung von Stellen die „Partner“ mit zu entscheiden hatten.109 So fiel es dem Hochschulverband 1982 nicht allzu schwer, in seinen „22 Thesen zur Überwindung der Gruppenuniversität“ Folgendes zu behaupten: „Für die Organisation der Universitätsleitung ist der Rektoratsverfassung der Vorzug zu geben. Die Präsidialverfassung hat sich nicht bewährt. Sie hat die Entwicklung einer neuen Form von Bürokratie begünstigt, die einer an der Wissenschaftsfreiheit orientierten Selbstverwaltung abträglich ist.“110 Nicht viel später hat der DHV jedoch die Unhaltbarkeit seiner These erkannt und sie deutlich zurückgenommen. Nunmehr hieß es: „Als wissenschaftliche Einrichtung kann die Universität nur von einer Spitze nach außen und innen repräsentiert werden, die – sei sie nun der Rektor oder Präsident – von einer klaren Mehrheit der Professoren getragen wird.“111 Das HRG von 1976 ließ den Ländern in § 62 noch die Wahl zwischen „einem gewählten hauptberuflichen Leiter mit mindestens vierjähriger Amtszeit“ und einem gewählten „Leitungsgremium mit mindestens einem hauptberuflichen Mitglied“. 1987 dann wurde die Wahlfreiheit entsprechend den Empfehlungen einer Expertenkommission vom Januar 1984 erweitert: Die Leitung konnte nunmehr „durch einen Rektor oder ein Rektorat (Rektoratsverfassung) oder durch einen Präsidenten oder ein Präsidium (Präsidialverfassung)“ wahrgenommen werden. Die Einführung 105 Vorschläge zur Reform der Hochschulen des Bildungspolitischen Ausschusses, im April 1969, in: WRK, Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Programmen und Leitsätzen der Parteien (Dokumente zur Hochschulreform XI/1969), S. 33 ff. (48 f.). 106 CDU, Schule und Hochschule von morgen, Ziff. IV.21. 107 Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Struktur und Verwaltungsorganisation der Universitäten, S. 30 ff. 108 s. o. B. II. Fn. 93. 109 Das galt für Zingel, der vor seiner Wahl zum Präsidenten der Universität Marburg dort Kanzler war (Wehrs, Protest der Professoren, S. 277) und Kreibich, FU Berlin, (Wehrs, S. 290). Die so entgegen den hochschulrechtlichen Regeln an Personalfragen entscheidend Beteiligten wurden als „Berater“ geführt, deren Aufgabe darin zu bestehen schien, auf die Einhaltung der illegalen Absprachen zu achten, also eine Aufpasserfunktion wahrzunehmen. 110 MittHV 2/1982, S. 62 (11. These). 111 Schiedermair, MittHV 4/1983, S. 173.
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der Präsidialverfassung sollte durch eine vorgeschriebene Dauer der Amtszeit des Hochschulleiters von mindestens vier Jahren (gegenüber zwei Jahren beim Rektor) Kontinuität sichern. Dies wurde auch erreicht: Die Amtszeiten stiegen im Mittel auf 5,1 bis 5,8 Jahre an wissenschaftlichen Hochschulen bzw. 4,5 bis 5,3 Jahre an Fachhochschulen.112 Alewell, langjähriger Präsident der Universität Gießen und Vizepräsident der WRK, schrieb hierzu 1993 in einer Studie für die Volkswagen-Stiftung: „Wenn man davon ausgeht, dass die Universitäten ihre Aufgaben in Forschung und Lehre künftig nur erfüllen können, wenn sie nachdrücklich und schneller auf veränderte Anforderungen reagieren, wird deutlich, dass die Verbesserung des Leitungskonzeptes ein notwendiger erster Schritt ist, Autonomie wieder umzusetzen in funktionsgerechtes Handeln. Nachdem Reglementierungsversuche von außen als nutzlos erkannt sind, stellt sich die Aufgabe, durch eine Reform des Leitungssystems die Wirkungskraft der Autonomie zu nutzen.“113 Weder die kollegialen Entscheidungsstrukturen der alten Ordinarienuniversität noch die ermüdende Selbstblockierung der neuen Gruppenuniversität hätten genügend Dynamik freigesetzt, um auf die Anforderungen der Expansion des Hochschulwesens angemessen zu antworten. Dieser Auffassung schloss sich später auch die KMK an.114 Der Wissenschaftsrat unterstrich im Jahr 1993 ebenfalls den Zusammenhang zwischen der Erweiterung der Hochschulautonomie einerseits, die den Hochschulen mehr Verantwortung für ihre Leistungen, die Verwendung der Mittel und für ihre Entwicklungsplanung gebe, und der Schaffung entscheidungs- und durchsetzungsfähiger Leitungsstrukturen an den Hochschulen andererseits.115 Und selbst die Ministerpräsidenten der Länder äußerten sich in einer bildungspolitischen Erklärung vom Oktober 1993 zur Frage neuer Leitungsstrukturen an den Hochschulen. Diese sollten den Erfordernissen eines modernen und anspruchsvollen Dienstleistungsunternehmens angepasst, die Fakultäts- bzw. Fachbereichsebene gestärkt und der Autonomiebereich der Hochschulen erweitert werden. Bereits Anfang der siebziger Jahre wurde u. a. der Vorschlag unterbreitet, Hochschulen insoweit wie Großbetriebe zu behandeln und ihre Leitungsstruktur entsprechend zu gestalten, soweit nicht das Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre entgegenstehe.116 Schon 1969 hatte der Soziologe Schelsky konstatiert, dass das alte System der „zunftmäßig begründeten Honoratioren-Selbstverwaltung“ 112
Fischer, Hochschulleitung, S. 47 f. mit Daten zu Leitungsstrukturen westdeutscher Hochschulen. 113 Alewell, Autonomie mit Augenmaß, S. 20. 114 KMK, Leitungsstrukturen im Hochschulbereich. Von der Kultusministerkonferenz am 13. 6. 1996 zur Kenntnis genommen, Dok. B/BER 03 – 04 – unveröffentlicht. 115 Wissenschaftsrat, 10 Thesen zur Hochschulpolitik, S. 43. 116 Turner, Betriebswirtschaftliche Innovationen in der Hochschule, Wirtschaft und Wissenschaft 1976, S. 19 ff.; ders., Management einer Universität. Konstanzer Blätter für Hochschulfragen. Nr. 61, 1979, S. 40 ff.; ders., Rektor – Präsident – Vorstand, in: 20 Jahre „Wandel durch Austausch“, Festschrift für Theodor Berchem, S. 321.
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gegenüber den neuen Aufgaben der Lehre und vor allem der Forschung funktionsschwach, ineffektiv und in einigen Fällen bereits funktionsunfähig sei. Der jährliche Wechsel der Dekane, die Verwaltungsentscheidungen einer Ordinarienvollversammlung als Fakultät, die kurzfristig wechselnden Rektoren, gewählt unter dem Grundsatz einer rotierenden Vertretung aller Fakultäten (Fakultätskarussell) würden eine nicht mehr tragbare Ineffizienz oder gar Handlungsunfähigkeit der Verwaltung und Politik der Hochschulen schaffen.117 Der Ineffizienz der Selbstverwaltung und der Inkompetenz ihrer Amtsträger wolle man mit einer Professionalisierung der Leiter der Hochschulpolitik und -verwaltung begegnen.118 Doch alle Versuche, in dieser Richtung Fortschritte zu erzielen, scheiterten am heftigen Widerstand der Standesvertretung der Professoren bzw. ihrer Repräsentanten. Diese Verweigerungshaltung war nichts anderes als ein pseudo-gewerkschaftliches Gehabe von Dauerfunktionären, die vorgaben, der Wissenschaft zu dienen, in Wahrheit aber Privilegien einer Kaste verteidigten.119 So blieben bis zur Mitte der neunziger Jahre nur zwei durchgreifende Reformen der Leitungsstrukturen120 : Eine erste Reform Ende der sechziger bzw. Anfang der siebziger führte zu einer partizipatorischen Institutionsleitung, d. h. alle Gruppen waren am institutionellen Entscheidungsprozess beteiligt. Repräsentanten verschiedener Gruppen der Akademikergemeinde wurde eine größere Zahl von Sitzen im Universitätssenat, in Fakultätsgremien und anderen Ausschüssen innerhalb der Institutionen zugewiesen. Hiermit verband sich die Hoffnung, die Kommunikation verbessern und Informationen schneller verbreiten zu können. Das Problem hierbei war, dass die akademische Gemeinschaft damit zunehmend zu einer politischen Organisation wurde; den Gruppen wurde Gelegenheit gegeben, ihre unterschiedlichen Interessen zu verfolgen. Entscheidungen wurden vielfach erst durch Aushandeln oder die Bildung von Koalitionen erreicht. Eine zweite Reformphase führte Ende der achtziger Jahre bzw. Anfang der neunziger Jahre zunächst in einigen europäischen Ländern zu einer stärker managementorientierten Leitungsstruktur, bei der die Richtung durch „körperschaftliche Rationalität“ bestimmt war (so z. B. in Dänemark, den Niederlanden und Großbritannien).121 Diese Tendenzen waren Anlass für Diskussionen auch hierzulande zum Thema Leitungsstrukturen. Daneben löste die Auseinandersetzung über die angeblichen Missstände an den deutschen Hochschulen neuerliche Debatten aus. Die äußeren Umstände – es sei nur an die große Zahl der Studierenden, die lange Verweildauer und das hohe Alter der Absolventen beim Eintritt in das Berufsleben erinnert – taten 117
Schelsky, S. 17. Schelsky, S. 20. 119 Turner, Universitäten wie Unternehmen führen, HB v. 27. 12. 1996; ders., Jeder Professor wirkt als Ich-AG, Der Tagesspiegel v. 18. 7. 2016, S. 21. 120 de Boer, Vom partizipatorischen System zum Managerialismus? in: Müller-Böling/ Fedrowitz, S. 59 ff. 121 de Boer, a.a.O. 118
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das Ihrige, um diesen Befund zu untermauern. Nicht selten erschallte in dieser Zeit der Ruf nach einer starken, ordnenden und steuernden Hand, die durchgreift und die Hochschulen wieder auf den rechten Weg zu bringen vermag.122 Zudem war die Auseinandersetzung um eine Reform der Leitungsstrukturen in die seit Anfang der neunziger Jahre laufende Debatte um Globalhaushalte und mehr Wettbewerb zwischen den Hochschulen eingebunden. So verwies u. a. die HRK 1992 auf die Notwendigkeit einer stärkeren Professionalisierung der Fachbereichsleitung und -verwaltung sowie einer starken Hochschulleitung, um die Hochschulen in die Lage zu versetzen, ihre Autonomie nach außen wahrzunehmen und gleichzeitig die Herausforderungen des Wettbewerbs zu meisten,123 da der Hochschulsektor mit anderen Politikbereichen im Wettbewerb um öffentliche Mittel stehe. Entscheidungseffizienz erfordere die persönliche Zurechenbarkeit von Verantwortung für Entscheidungen und deren Unterlassung. Die Reformen der Leitungsstrukturen standen also im Zusammenhang mit einer deutlich zunehmenden Wettbewerbsorientierung der deutschen Hochschulen, einer stärkeren Betonung der Pflicht der Hochschulen zur Rechenschaftslegung gegenüber Staat und Gesellschaft angesichts der öffentlichen Kritik und der Erweiterung der institutionellen Autonomie von Hochschulen im Zuge eines veränderten Verhältnisses zwischen Staat und Hochschulen.124 (2) Kollegiale Leitung Im weiteren Verlauf der neunziger Jahre wurde die Diskussion dann unter dem Begriff „kollegiale Leitungsstrukturen“ geführt. So sprach sich der Sprecherkreis der Universitätskanzler im Sommer 1997 für kollegiale Leitungsstrukturen aus. Damit wehrte sich das Gremium gegen alle Leitungsstrukturen, die nur auf eine einzige Person konzentriert sind. Übersehen wurde, welche Lähmungen eintreten, wenn in einem Kollegialorgan womöglich unterschiedliche politische Strömungen Platz finden, wenn also durch Absprachen Repräsentanten verschiedener Fraktionen Mitglieder sind.125 Auf jeden Fall bedarf es bei Kollegialorganen einer Richtlinienkompetenz des Vorsitzenden. Der Dynamik und Komplexität des Wissenschaftsbetriebs einer Universität entspreche nur ein kollegiales Leitungsgremium, in dem alle Mitglieder gemeinsam für das gesamte Interesse der Hochschule verantwortlich seien, so der Kanzlerkreis. Universitäten seien weder gewinnorientierte Kapitalgesellschaften noch Verwaltungsbehörden. Eine Übernahme betriebswirtschaftlicher und hierarchischer Führungskonzepte sei daher nur mit deutlichen, dem Wissenschaftsbetrieb angemessenen Modifikationen möglich.126 122
Müller-Böling/Küchler, S. 13 ff. (13). HRK, Konzept zur Entwicklung der Hochschulen in Deutschland (Dokumente zur Hochschulreform 75/1992, S. 41). 124 Müller-Böling/Küchler, S. 15. 125 s. u. (3). 126 dpa 28/97, S. 18 f. 123
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Etwas unklar blieb die HRK in ihren Empfehlungen von 1997. Insbesondere für große Hochschulen wurde eine kollegiale Hochschulleitung befürwortet – mit Ressortzuständigkeiten der einzelnen Mitglieder. Zudem solle der Rektor „akademisch erfahren“ sein und „über Leitungserfahrung in herausgehobener Verantwortung verfügen“. Ungeklärt blieb allerdings die Frage, mit welchen Befugnissen die Hochschulleitung innerhalb der Hochschule ausgestattet sein sollte. Auch sprach die HRK in ihren Empfehlungen nicht von einer Stärkung der Leitungsebene, sondern von der Hochschule als „Verantwortungsgemeinschaft“ und offenbarte damit eine deutliche Tendenz in Richtung Kollegialitätsprinzip. Reumann warf der HRK in der FAZ und vor allem ihrem Präsidenten Landfried im Juli 1999 deshalb ein „Taktieren und Lavieren“ vor. Landfried habe damit den falschen Eindruck erweckt, alle Hochschulleiter glaubten, eine moderne Universität sei nur „von oben nach unten“ zu leiten.127 In dieses Horn stieß auch Schiedermair, für den die Professionalität in der Administration der Universitäten schon allein durch die Existenz des Kanzlers und seiner Verwaltung gewährleistet schien;128 so sei die seit 1977 bei gleicher Ausstattung um ein Vielfaches gesteigerte sogenannte Lehrlast mit dem Kollegialitätsprinzip höchst erfolgreich bewältigt worden.129 Dem muss man entgegenhalten, dass das Kollegialitätsprinzip unter Professoren vor allem darin besteht, sich gegenseitig nicht weh zu tun und damit auch die schwarzen Schafe ungeschoren zu lassen. Zu mehr Wettbewerb gehört nicht betuliche Kollegialität, sondern effektives Management. Auch Mittelstraß äußerte sich kritisch zum Kollegialitätsprinzip: „Kollegen tun sich nun mal nichts.“130 Mittelstraß stellte die (vor allem hochschulinternen) Probleme bei der Realisierung neuer Leitungsstrukturen am Beispiel Konstanz anschaulich dar131: „Die entscheidenden Vorschläge im Modell Konstanz folgten der Maxime, Amt und Verantwortung wieder enger zusammenzuführen.“ Mit der konkret beschlossenen Reform der Grundordnung in Konstanz habe man jedoch versucht, was nicht gehe: die Leitung zu stärken und den Senat nicht zu schwächen. „Ein realistischer Blick auf die deutschen 127
FAZ v. 17. 7. 1999 (HRK-Pressespiegel Nr. 29/1999, S. 10). Welche Blüten es treibt, wenn ein ehemaliger Kanzler für einen Kollegen Partei ergreift, beweist Leuze. In einer Rezension von „Hochschule zwischen Vorstellung und Wirklichkeit“ (WissR 3/2002, S. 108) lässt er sich zu folgender Bemerkung hinreißen: „So hat ein ehemaliger professoraler Wissenschaftssenator in Berlin … für richtig gehalten, einen als exzellenten Verwaltungsfachmann und brillanten Juristen geltenden Universitätskanzler … als ,unfähigen Beamten‘ zu beschimpfen“. Zu erwähnen „vergisst“ Leuze, dass der so bezeichnete Kanzler mit einer Klage gegen den Senator vor dem Verwaltungsgericht Berlin gescheitert ist. Falsch verstandene Kollegialität und Voreingenommenheit können auch bei einem noch dazu unpassenden Anlass (Buchbesprechung) jedes Maß verletzten. 129 Schiedermair, Autonomie im Widerspruch, S. 20. In bemerkenswert einseitiger Weise nahm Reumann in der FAZ über Jahrzehnte Partei für Positionen des Hochschulverbands, sodass scherzhaft gesagt wurde, er stehe wohl bei Schiedermair im Sold. 130 Die Welt v. 21. 7. 1999 (HRK-Pressespiegel Nr. 29/1999, S. 11). 131 Südkurier v. 7. 7. 1999, „Keine großen Reformen“ (HRK-Pressespiegel Nr. 29/1999, S. 12). 128
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Universitäten lehrt, dass sie aus sich heraus zu einer […] fundamentalen Neuorientierung nicht fähig sind.“ Zur Illustration zitierte Mittelstraß ein asiatisches Sprichwort: „Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen“. So schien es, dass am Ende des 20. Jahrhunderts doch Ralf Dahrendorf Recht behalten sollte, der bereits 1962 gesagt haben soll, dass nur ein Minister die Universität reformieren könne. Bei der grundsätzlichen Bedeutung des Themas fehlte es in den neunziger Jahren nicht an konkreten Vorschlägen zur Reform der Leitungsstrukturen. Doch sahen sich die Befürworter zunächst noch etlichen Hindernissen und Bedenken gegenüber. Organisation, Personal und Budget findet die Leitung einer Hochschule nicht als Instrumente für die Ausübung der Leitungsfunktion vor, sondern als fremdgesteuerte Begrenzung,132 sodass man die verliehene Autonomie als eine Schimäre ansehen kann, wenn derjenige, der sie ausführen soll, seines Instrumentariums beraubt wird. Zu bemängeln war, dass die Hochschulen in ihrem Aufbau nicht aufgabengerecht, sondern politisch konstruiert waren. Bei der Schaffung der ersten Hochschulgesetze Ende der sechziger Jahre hatte man vor allem politische Forderungen erfüllt.133 (3) Schranken einerseits, fehlende Orientierung andererseits Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass einem effektiven Management Grenzen gezogen würden. Die Hochschulen seien weniger durch Autonomie als vielmehr durch „Knebelung mit vielen spitzen Vorschriften“ geprägt.134 Auch sei Skepsis gegenüber der Einführung von Management-Strukturen und einer Stärkung der Leitungsebenen angebracht: „Der Rektor, eine mächtige Figur, die nicht nur geneigt ist zu repräsentieren, sondern zu entscheiden und Prioritäten zu setzen, auch gegen den Egoismus der Fächer. Oder der Dekan, gleichsam als Einpeitscher seiner Fakultät, Rechenschaft fordernd und jährlich Rechenschaft ablegend über die Lehrleistung seiner Kollegen. Eine Horrorvision für das Heer selbstbewusster Ordinarien. Jeder ist doch ein kleiner König. Da könnte ja jeder kommen.“135 Durch z. T. sehr weitgehende Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung zeigten sich vor allem bei der Gruppe der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter zunehmend Überschneidungen mit der Personalvertretung. So hatte sich nachteilig bemerkbar gemacht, dass es an Kompatibilitätsregelungen fehlte und dass das Nebeneinander von Gruppenrepräsentanz und Personalvertretung nicht harmonisiert war. Dort, wo der gewerkschaftliche Einfluss besonders stark ist, kann die Aufgabe der Universität schon einmal auf der Strecke bleiben.136 132
Brinckmann, S. 59. Turner, Hochschulpolitik, S. 79; ders., Hochschulen sollten nicht politisch konstruiert werden, HB v. 14./15. 8. 1992, K 4. 134 Wilhelmi, Krisenherd Hochschule, S. 93. 135 Wilhelmi, S. 94. 136 Turner, Hochschulpolitik, S. 52. 133
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Damit war ein weiteres Hauptproblem angerissen: Eine auf Steigerung der Effektivität ausgerichtete Stärkung der Hochschulautonomie warf nicht nur die Frage nach der Adäquanz neuer Organisationsstrukturen auf, sondern auch nach ihrer Akzeptanz. Es ging darum, ob und wie die bestehenden Kompetenzverteilungen zwischen Hochschulleitung, Akademischem Senat und Fachbereichsebene erhalten oder verändert werden mussten – insbesondere auch, um unangenehme Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen. Der Untersuchung dieser Fragen diente u. a. die Gründung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh, das im Mai 1994 seine Arbeit aufnahm. Neben anderen hochschulpolitisch heiklen Themen wie dem öffentlichen Dienstrecht, den Studienstrukturen, dem Abbau staatlicher Reglementierung und der Privatisierung sollte eben auch die Organisation der Hochschulleitung aufgegriffen und diskutiert werden.137 Es sollte untersucht werden, wie Verantwortung dezentralisiert und die Entwicklung von Leistungsindikatoren bzw. die Professionalisierung des Managements auf Instituts-, Fachbereichs- und Hochschulebene vorangetrieben werden könnten. Zu diesen neueren Entwicklungen bemerkte Schiedermair, dass der Traum, Unternehmensstrukturen der freien Wirtschaft auf die Universität zu übertragen, allenfalls durch seine Unwirklichkeit fasziniere. Insbesondere hinke ein Vergleich mit den Leitungsstrukturen amerikanischer Universitäten; diese seien zu einem größeren Teil als private Einrichtungen geführt.138 Dem kann entgegen gehalten werden, dass allein die Tatsache, dass Hochschulen keine Unternehmen sind, die Gewinne erwirtschaften, sondern öffentliche Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben erfüllen, nicht ausschließt, dass sie wie Unternehmen geführt würden – soweit das von ihrer Aufgabenstellung her möglich und angebracht ist.139 Auch der Wissenschaftsrat vertrat schon 1993 die Auffassung, dass die Aufgabenkompetenz der Dekane gestärkt werden müsse, um die geforderte Verantwortung für die Lehre übernehmen zu können.140 Und auch im Eckwertepapier der Bund/ Länder-Arbeitsgruppe vom Mai 1993 findet sich die Forderung nach einer Stärkung der Leitung von Fachbereichen bzw. Fakultäten und der Stellung der Dekane im Hinblick auf die Organisation des Studiums, den Einsatz der Professoren in der Lehre (insbesondere zur Erfüllung der Lehrdeputate) und die Verteilung zusätzlicher Mittel. Dementsprechend sollte in Niedersachsen der Dekan als Leiter des Fachbereichs auch die Aufgabe eines Vorgesetzten der Professoren übernehmen, um insbesondere
137
HRK, Arbeitsbericht 1994, S. 75 ff. Schiedermair, Autonomie im Widerspruch, S. 17. 139 Turner, Leitung der Hochschule sollte sich am Vorstandsmodell orientieren, HB v. 27. 12. 1996. 140 10 Thesen zur Hochschulpolitik, S. 43. 138
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das Lehrangebot sicherzustellen.141 Ähnliche Pläne verfolgte Brandenburgs Wissenschaftsminister Reiche (SPD) mit seiner Hochschulgesetz-Novelle hinsichtlich der Hochschulleitung. Diese sollte einem Präsidenten übertragen werden, der auch Dienstvorgesetzter der Professoren sein sollte.142 Ein hiermit einhergehendes Weisungsrecht für Rektoren und Dekane wurde allerdings schon früher als „sehr universitätsfremd“ betrachtet.143 Ein weiteres Mittel, die Fachbereichsleiter bzw. Dekane zu stärken und damit das Hochschulmanagement zu professionalisieren, wurde in einer Verlängerung der Amtszeit gesehen. Als erstes Bundesland hatte Nordrhein-Westfalen im Herbst 1993 eine vierjährige Amtszeit des Dekans im Universitätsgesetz festgeschrieben.144 Doch zeigten sich von Anfang an Schwierigkeiten, überhaupt Kandidaten für das Amt zu finden. Auch wurden Versuche, die Rolle des Dekans durch eine bloße Amtszeitverlängerung in einer Art Formalakt aufzuwerten, als halbherzig und kaum zum Ziel führend bezeichnet. Zudem konterkariere die administrative Rolle des Dekans das nach wie vor gültige Leitbild des deutschen Professors als Forscher und Lehrer, der sich einer Mitwirkung an den Aufgaben der akademischen Selbstverwaltung zwar nicht entziehe, darin aber auch nicht seine eigentliche Profession erblicke.145 Als Konsequenz aus den zahlreichen Diskussionen und Forderungen verzichtete die HRG-Novelle von 1998 fast gänzlich auf staatliche Vorgaben und Regelungen zur Leitungs- und Organisationsstruktur. Damit fielen auch die noch im alten HRG verankerten Bestimmungen zur Ausgestaltung der Hochschulleitung (§ 62) ersatzlos weg. Aber gerade dieses Nichts wurde als ein Mehr – ein Mehr an Autonomie und Selbstverantwortung für die Hochschulen und ihre Leitung – angesehen,146 allerdings abhängig davon, wie der jeweilige Landesgesetzgeber das Hochschulrecht gestaltete. Die HRK zeigte sich in Empfehlungen vom November 1997 zufrieden mit diesem Ergebnis. Allerdings machte sie deutlich, dass sie von den Landesregierungen erwarte, dass sie die durch die Rücknahme der Regelungsdichte des HRG entstehenden Spielräume für Organisation und Leitung der Hochschulen auf der Zentral- und Fachbereichsebene in Form gesetzlich vorgegebener, unterschiedlicher Optionen an die Hochschulen weitergeben. Auch Bundespräsident Herzog warnte in seiner Berliner „Ruck-Rede“ zur Bildungspolitik davor, kreative Lücken nun in den Länderparlamenten wieder mit Paragraphen zu füllen.147 Dies geschieht gelegentlich höchst unbefriedigend, wie das folgende Beispiel zeigt.148 141
dpa 47/96, S. 3. dpa 52/53/98, S. 18. 143 dpa 47/94, S. 14. 144 § 27 Abs. 3 UG NRW v. 23. 9. 1993. 145 So Fangmann, DUZ 24/1994, S. 24. 146 Müller-Böling/Küchler, S. 14. 147 Herzog, Aufbruch in der Bildungspolitik. Rede des Bundespräsidenten am 5. November 1997 in Berlin, S. 31. 148 Turner, Starke Präsidenten brauchen Raum, Tagesspiegel v. 22. 2. 2015, S. 21. 142
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Anlässlich der Übergabe des Berichts zur Exzellenzinitiative hat der Vorsitzende, Imboden, den deutschen Hochschulleitungen ins Stammbuch geschrieben, dass ihnen Mut und Entscheidungsbereitschaft fehle. Auf der anderen Seite wird Führungsstärke und Entschlossenheit manchenorts abgestraft. Die Humboldt-Universität lieferte einen Beleg. Die mit großer Mehrheit gewählte Präsidentin hatte sich in Bezug auf die anstehende Wahl von Vizepräsidenten dafür ausgesprochen, die bisherigen Amtsinhaber erneut zu wählen, vor allem wegen der Kontinuität im Hinblick auf die anstehende Fortsetzung der Exzellenzinitiative. Dies wurde ihr als „Einmischung“ und „Parteinahme“ vorgeworfen. Nach dem Reglement der HU kann Vizepräsident/in für Lehre nur werden, wer mindestens eine der zehn studentischen Stimmen bei der Wahl erhält. Weil dies offenbar nicht zu erreichen war, hat eine weitere Bewerberin ihre Kandidatur zurückgezogen. Das zeigt, dass es nicht an Führungsqualität und der Bereitschaft fehlt, die Geschicke lenkend in die Hand zu nehmen, sondern an Regelungen, die Voraussetzung für eine durchsetzungsfähige Leitung sind. Richtig wäre es, wenn die Präsidentin ein Vorschlagsrecht in Bezug auf die anderen Mitglieder des Präsidiums hätte. Wird der/die Vorgeschlagene nicht gewählt, bedeutet dies ein Misstrauensvotum gegen den Amtsinhaber. Welche Konsequenz daraus von den Betroffenen zu ziehen ist, ist deren Entscheidung. Stattdessen erlauben solche Regelungen wie die der HU, dass u. U. Vizepräsidenten ins Amt kommen, die gezielt als Opposition ins Rennen geschickt werden – mit der Folge einer Blockade im Präsidium. Solche folgen hat der Sprecherkreis der Kanzler offenbar nicht bedacht, wenn er sich ohne Wenn und Aber für die kollegiale Leitung ausspricht.149 Wenn, wie geschehen, von auswärtigen Gutachtern beklagt wird, dass es Amtsinhabern an Mut fehle, lässt dies eine gewisse Einäugigkeit erkennen: Starke Leitungen bekommt man nur, wenn die Bedingungen so sind, dass sich Stärke auch entfalten kann. Kandidaten, die über entsprechende Fähigkeiten verfügen, werden sich überlegen, ob das in Betracht kommende Amt Gestaltungsmöglichkeiten bietet oder ein enges Korsett anlegt. So berechtigt daher der Ruf nach „starken Leitungen“ sein mag, nimmt ihr Urheber doch nicht das richtige Ziel ins Visier. Das sind nicht in erster Linie die amtierenden Inhaber von Leitungsämtern. Vielmehr sind das Gesetze und Satzungen, die keinen Spielraum gewähren und die Inhaber „an die kurze Leine“ legen. (4) Prämierung Eine besondere Verirrung leistet sich seit einiger Zeit der Deutsche Hochschulverband. So wurde vor einiger Zeit der Rektor und die für Hochschulen zuständige Ministerin des Jahres ausgezeichnet. Wer das liest, irrt, wenn er meint, hier hätten die Betroffenen abgestimmt. Das nämlich wären alle Universitätsangehörigen gewesen. Die Dekoration aber ist lediglich das Ergebnis einer Abstimmung von Professoren, 149
s. o. (2).
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aber beileibe nicht aller, sondern nur derjenigen, die im DHVorganisiert sind. Das ist eine Interessenvertretung von Professoren, eine Gewerkschaft. Sie geriert sich allerdings so, als spreche sie für die Gesamtheit der Universitätslehrer, wenn nicht sogar für die Universitäten insgesamt. Wenn sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) das herausnähme, gäbe es zu Recht einen empörten Aufschrei, nicht zuletzt vom DHV. Von manchen wird die Aktivität des DHV, so zu tun als vertrete man die Interessen der Universitäten, als anmaßend empfunden. Von den (nach eigenen Angaben) 30.000 Mitgliedern haben sich z. B. an der Wahl der Ministerin des Jahres 2015 gerade einmal 10 % beteiligt; davon haben gut 15 % das Votum für die betreffende Amtsinhaberin abgegeben. Das erinnert an die Ergebnisse bei Wahlen zu Studentenparlamenten: Bei 10 % Wahlbeteiligung hat der jeweilige ASTA eine entsprechend schmale Basis; er agiert aber so, als stünden alle Studierenden inhaltlich hinter ihm. Dazu nimmt er, ein häufiger Fall, ein ihm nicht zustehendes politisches Mandat wahr und überdehnt seine Zuständigkeit. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ist als „Stimme der Hochschulen“ nicht nur das Organ, das für die Leiter der einzelnen Institutionen spricht. Diese agieren nicht im freien Raum, sondern sind von den Gremien der Einrichtungen, die sie vertreten, in ihre Ämter gewählt worden. Das personelle Potential, das die Präsidenten und Rektoren vertreten, bewegt sich also in ganz anderen Größenordnungen als dies bei einer Vereinigung der Fall ist, der Lobbyismus betreibt. Das gilt es bei der Bewertung von Äußerungen des Verbands zu beachten. Zu berücksichtigen allerdings ist auch, dass der DHV nur deshalb so agieren kann, weil die HRK zahnlos ist. Sie zerfällt zunehmend in Gruppen, von denen jede ihr eigenes Süppchen kocht. Wenn es einmal etwas zu bewegen gibt, wie nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Fehlkonstruktion der Akkreditierungs-Agenturen, bleibt sie merkwürdig zurückhaltend. Dann darf man sich nicht wundern, wenn andere in das Vakuum vorstoßen. So ist dies ein Beispiel für die Erosion der Leitungskompetenz. Die HRK ist so schwach, weil die in ihr vertretenen Hochschulen durch ihre Leitungen dies zulassen. Indem sie sich in kleinen Interessengruppen zusammenfinden, schwächen sie das Gesamtgefüge. bb) Hochschulräte Auf der Basis der HRK-Empfehlungen von 1997, die den bis dato erreichten Meinungsstand in etwa bündelten, kristallisierte sich ein neues Leitungsmodell heraus. Dabei ging es vor allem um die Einführung eines mit Externen besetzten Beratungsgremiums und die Stärkung der Amtsträger Präsident bzw. Rektor sowie der Dekane durch eine Verlängerung der Amtszeit und eine Erweiterung der Kompetenzen.
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Quasi sinnbildlich für die Einführung neuer Leitungsstrukturen wurde schon ab Mitte der neunziger Jahre um die Etablierung sog. Hochschulräte gerungen – ausgelöst durch Vorschläge, die unter Federführung des CHE von einem wissenschaftlichen Beirat für das Land Niedersachsen entwickelt worden waren.150 Im Kern besagten die Empfehlungen des Beirats aus dem Jahr 1997, dass bei einer stärkeren Autonomisierung der Hochschulen die Fachaufsicht durch den Staat zurückzunehmen sei. Sie solle, sofern überhaupt notwendig, den Hochschulräten übertragen werden. Der mit Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik besetzte Hochschulrat solle Promotions- und Studienordnungen genehmigen, die Errichtung und Aufhebung von Professuren beschließen, für die Ernennung, Beförderung und Entlassung von Professoren zuständig sein und die Mitglieder der Hochschulleitung wählen. Die ausschließlich externen Mitglieder des Hochschulrats sollten auf nicht bindenden Vorschlag der Hochschule vom Hochschulträger bestellt werden.151 Die HRK äußerte sich in ihren Empfehlungen von 1997 ebenfalls vorsichtig befürwortend zu Hochschulräten – ohne allerdings näher auf deren Kompetenzen einzugehen. Der Verzicht des Staates auf unmittelbare Entscheidungsbefugnisse in bzw. gegenüber der Hochschule, so die HRK, lasse ein hochschulexternes Beratungsgremium mit hochschulspezifisch unterschiedlichen Funktionen in Form eines Hochschulrats bzw. Kuratoriums nützlich erscheinen.152 Eine weiteres Argument zur Errichtung eines Hochschulrats findet sich in Leitlinie Nr. 5 der HRK-Empfehlungen: „Entscheidungsfunktionen auf der einen Seite, Beratungs- und Kontrollfunktionen auf der anderen Seite müssen in den Hochschulen auf zentraler und dezentraler Ebene durch Veränderungen der Organisations- und Leitungsstrukturen schärfer getrennt werden“.153 Auch der baden-württembergische Entwurf einer Hochschulgesetz-Novelle sah die weitgehende Übertragung der Fachaufsicht vom Ministerium auf einen neu zu schaffenden Hochschulrat vor.154 Demgegenüber lehnte der Sprecherkreis der Universitätskanzler – obwohl er die Tendenzen der Hochschulgesetzgebung zur Stärkung der Autonomie der Universität im Grundsatz begrüßte – die Einführung von Hochschulräten mit umfassenden Kompetenzen ab.155 Anders die Rektoren der baden-württembergischen Hochschulen. Sie drängten im Januar 1999 geradezu auf die Einführung von Hochschulräten mit möglichst weitreichenden Mitwirkungs- und Aufsichtsrechten. Hochschulräte seien dann zu akzeptieren, so der Präsident der Landesrektorenkonferenz, der Ulmer Rektor Wolff, 150
dpa 12/97, S. 14. Man sprach in diesem Zusammenhang vom Hochschulrat als einer „Pufferstation“ zwischen Ministerium und Universität (Amrhein, Die Universität als Dienstleistungsunternehmen, S. 112 f.). 152 HRK, Organisations- und Leitungsstrukturen, in: HRK, Arbeitsbericht 1997, S. 141. 153 HRK, S. 140. 154 dpa 42/98, S. 19 f. 155 dpa 28/97, S. 18 f. 151
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wenn sie mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet werden. Man brauche engagierte Externe, die sich mit den Universitäten identifizieren und mitarbeiten, um das Gewicht der Universitäten gegenüber dem Ministerium zu stärken.156 Als jedoch den Rektoren – aufgeschreckt u. a. durch die inner-universitären Diskussionen – bewusst wurde, welch gravierende Veränderungen dies in der Praxis bedeuten kann, wechselten sie die Position. Öffentlichkeitswirksam unterstützt wurden sie dabei von fast 400 baden-württembergischen Professoren, die sich im Juli 1999 auf Initiative eines Heidelberger Dekans in einer großformatigen Zeitungsanzeige gegen eine angeblich verfassungswidrige Einmischung in die akademische Selbstverwaltung wandten. Man wehrte sich sowohl gegen die Zusammensetzung und die Bestellung des Hochschulrats wie auch gegen seine Kompetenzen. Der Hochschulrat stelle wegen der Bestellung von vier der sechs externen Mitglieder durch das Ministerium eine Einmischung von außen, eine „Fremdbestimmung durch wissenschaftsfremde Kräfte“ dar. Unklar blieb, wie dies mit der Einschätzung von Wolff zusammenpasste, der nach Vorlage des Gesetzentwurfs zugleich kritisierte, dass dem Hochschulrat nur marginale Rechte übertragen werden sollten.157 Andere, wie der Heidelberger Rektor Siebke, störten sich vor allem an der Teilnahme eines Vertreters des Ministeriums an allen Sitzungen des Hochschulrats.158 Noch nie, so das Fazit Siebkes, habe seine Universität in ihrer 600-jährigen Geschichte einen solchen Eingriff in ihre Selbstverwaltung hinnehmen müssen. Jedenfalls wurde der Kampf mit harten Bandagen geführt. So entgegnete Wissenschaftsminister v. Trotha gegenüber Siebke, seine Kritik sei „unqualifiziert und unfair“; es gehe nicht um eine Schwächung, sondern um eine Stärkung der Hochschulen.159 Zur kaum verborgenen Freude v. Trothas und der baden-württembergischen Landesregierung und sehr zum Ärger der anderen Landesuniversitäten hatte die Universität Mannheim bereits im Frühjahr 1999 den Großen Senat und den Verwaltungsrat zugunsten eines Universitätsrats abgeschafft und damit von einer Experimentierklausel Gebrauch gemacht, die Baden-Württemberg erlassen hatte (§ 35 UGBW). Zur Begründung dieses Schritts sagte ein Sprecher der Universität Mannheim: Bisher habe der Senat entschieden – und sich selbst kontrolliert, nun solle der Universitätsrat den Senat kontrollieren.160 Dieser Reformeifer war allerdings insofern kaum verwunderlich, als die Universität Mannheim gemeinsam mit der Universität Osnabrück vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft als
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dpa 1/2/99, S. 16. dpa 27/99, S. 18 f. 158 Die Welt v. 14. 7. 1999, „Die Freiheit der Wissenschaft muss erhalten bleiben“ (HRKPressespiegel Nr. 28/1999, S. 18). 159 Frankfurter Rundschau v. 20. 5. 1999: Klaus von Trotha zündet seine dritte Stufe (HRKPressespiegel Nr. 20/1999, S. 3). 160 DUZ 11/1999, S. 12. 157
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Modellhochschule zur Entwicklung und Erprobung von Modellen zur Stärkung der Leitungs- und Entscheidungsstrukturen unterstützt wurde. Auch die Universität Konstanz reformierte noch im Juli 1999, also mitten in der hitzigen öffentlichen Diskussion, ihre Leitungsstrukturen. Im Gegensatz zum Modell in Mannheim und dem Gesetzentwurf der Landesregierung sah der Konstanzer Hochschulrat jedoch nur externe Mitglieder vor. Alle anderen baden-württembergischen Universitäten machten von der Experimentierklausel keinen Gebrauch.161 Angesichts der baden-württembergischen Kontroverse wurde vorgeschlagen, dass man die Hochschulen doch selbst entscheiden lassen möge, ob sie einen Hochschulrat wollten, was er tun solle und wen man dort gern sähe.162 Dies entspreche dem Wunsch der Universitäten, in die Freiheit entlassen zu werden. Zudem sei alles erstrebenswert, was eine Fixierung auf bestimmte Punkte vermeide und die Institutionen in die Lage versetze, eigenverantwortlich ihre Aufgaben zu erfüllen. Bayern hatte bereits zum 1. August 1998 Hochschulräte an allen Hochschulen eingerichtet. Diese sind den amerikanischen boards vergleichbar und mit drei Fachleuten aus der Wirtschaft bzw. der beruflichen Praxis, zwei unabhängigen Wissenschaftlern sowie dem Leiter der Hochschule besetzt. „Klingende Namen“ im Hochschulrat sollten zum Stolz jeder bayrischen Hochschule werden.163 Im Vorfeld geäußerte Befürchtungen, man werde keine kompetenten Persönlichkeiten für die Hochschulräte finden, bestätigten sich in Bayern nicht. Allerdings lagen zunächst auch noch keine umfangreicheren Erfahrungen darüber vor, wie die Hochschulräte sich auf die dort zu bewältigende Arbeit einlassen. Anfängliche Sorgen, über den Hochschulrat könne die Wirtschaft bestimmenden Einfluss auf die Hochschule nehmen, seien angesichts der Zusammensetzung und der Arbeit der Hochschulräte hoher Akzeptanz gewichen.164 Dennoch verstummte der Protest an der Konstruktion Hochschulrat auch nach einer ersten Eingewöhnungsphase nicht. In deutlicher Diskrepanz zur HRK argwöhnten Kritiker wie Schiedermair, als Präsident des DHV, der Staat delegiere mit dem neuen Modell Hochschulrat seine lästige Verantwortung für den Hochschulbereich an einen Kreis von Privatpersonen. So wehrte er sich gegen die Einführung von Hochschulräten in Bayern mit den Worten: „Die bayrische Staatsregierung 161 Das am 1. 1. 2000 in Kraft getretene geänderte Universitätsgesetz hat die Experimentierklausel durch eine sog. Optionsklausel in den Übergangsbestimmungen der Gesetze zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften ersetzt (vgl. § 7), wonach das Wissenschaftsministerium zur Weiterentwicklung der neuen Organisations- und Leitungsstrukturen in der Grundordnung der jeweiligen Hochschule zu regelnde Abweichungen vom Universitätsgesetz für die Dauer bis zu fünf Jahren zulassen konnte. 162 Turner, Auf der Suche nach dem Allheilmittel, Rheinischer Merkur v. 23. 7. 1999; ders., Effektives Management für die Hochschulen, HB v. 24. 10. 1995, S. 2; ders., Hochschulräte sind kein Allheilmittel für bessere Forschung und Lehre, HB v. 4. 3. 1999. 163 dpa 29/98, S. 17 f. 164 Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Pressemitteilung Nr. 80/99 v. 7. 7. 1999, S. 1 f.
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liefert die Unis einem Feierabendgremium ohne demokratische Legitimation aus“. Ein Hochschulrat diene allein dazu, „mit technokratischer Kälte eine Kultureinrichtung stromlinienförmig zurechtzustutzen“.165 Schützenhilfe erhielt Schiedermair von ungewohnter Seite. Sowohl die bayrische SPD als auch die bayrischen Grünen hatten zwar nichts gegen eine beratende Mitwirkung einzuwenden. Da jedoch in den bayrischen Hochschulräten in ganz entscheidenden Fragen Außenstehende das Sagen haben sollten, kündigte die bayrische SPD Verfassungsklage gegen die Hochschulreform an. Der Streit um das Thema Hochschulautonomie bezieht sich nicht mehr nur auf die Rolle des Staates im Verhältnis zu den Hochschulen und damit um den Erhalt der Selbstverwaltung der Hochschulen gegen befürchtete Tendenzen der Fremdbestimmung, sondern auch auf den Gegensatz von Professionalität bzw. Effektivität und Kollegialität. Es bleibt die Frage, ob der wissenschaftliche Erkenntnisprozess tatsächlich ein Klima der Kollegialität voraussetzt oder ob sich diese Vorstellung nicht an ein Hochschulkonzept anlehnt, das (zu) sehr vom alten Leitbild der humboldtschen Forschungsuniversität166 geprägt ist. Wäre Letzteres richtig, so könnte hier der entscheidende Ansatzpunkt für weitere Reformbestrebungen liegen. Indem man der Realität Rechnung trägt und wenigstens für das grundständige Studium von einer zunehmenden Bedeutung der Lehre und des Ausbildungscharakters auch der Universität ausgeht, ergibt sich zumindest für diesen Bereich der Hochschulaufgaben die Notwendigkeit eines effektiven Managements zwingend. Immer wieder ist festzustellen, dass es zwischen den Hochschulräten und den Senaten „knirscht“. Das liegt einmal an den zum Teil unausgereiften rechtlichen Regelungen. Hier fehlt es oft an klaren Abgrenzungen der Zuständigkeiten. Die strategische Führung muss bei der Leitung, also dem Präsidium oder Rektorat liegen. Da die hochschulfremden Mitglieder der Hochschulräte nebenberuflich tätig sind und das Gremium im Allgemeinen nur in jedem Quartal einmal tagt, können hier nicht Einzelentscheidungen im Sinn der Erledigung laufender Geschäfte erfolgen. Es kann auch nicht gut gehen, wenn der Hochschulrat einen Rektor auswählt und der Senat nur noch „abnicken“ kann. Das widerspricht in der Tat dem jahrhundertealten Selbstverständnis, dass die Universitäten ihren Repräsentanten selbst bestimmen. Ebenso ist es keine gute Lösung, wenn dem Hochschulrat Vertreter der zu beaufsichtigenden Hochschule angehören, und zwar nach dem Prinzip der Gruppenrepräsentanz. Die Gefahr, dass die in den Gremien der Institution geführten Auseinandersetzungen hier wiederholt werden, ist groß.
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dpa 15/98, S. 14. Die Organisation der Forschungsuniversität behandelt Froese in der gleichnamigen Monographie wobei darunter in erster Linie Universitäten und unter „Lehruniversitäten“ Fachhochschulen verstanden werden. Ob eine solche Unterscheidung praktisch wird angesichts der Tatsache, dass beide Hochschularten in den Landesgesetzen in einem Gesetzeswerk behandelt werden, erscheint zweifelhaft. 166
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Das ungleich größere Problem aber liegt in der zunehmenden Entfremdung der Professoren von „ihrer“ Hochschule. Durch die Entmachtung der Senate und die Verlagerung von Aufgaben auf Gremien, die außerhalb ihrer Einflusssphäre liegen, kann die Entsolidarisierung, die bereits in der sog. Gruppenuniversität zu beobachten war, noch weiter zunehmen. Förderlich für die Entwicklung einer sog. corporate identity ist das nicht. Und der Stärkung der oft beschworenen Autonomie der Universitäten dient es auch nicht. Deshalb ist durchaus vorstellbar, dass Hochschulräte nur ein Modeartikel sind, der bald durch eine andere Konstruktion ersetzt sein wird. e) Bilanz Eine Bewertung der Neuordnung, vor allem der Gruppenuniversität, fällt „durchwachsen“ aus. Die studentische Protestbewegung ist letztlich nicht an der angeblichen mangelnden Lernbereitschaft der gesellschaftlichen und politischen Institutionen, sondern an sich selbst gescheitert: an ihrer eigenen Dynamik, ihren Aktionszwängen und ihren Omnipotenzgefühlen, die sich politisch eingekleidet hatten und in der vermessenen Selbsteinschätzung kulminierten, die wissenschaftliche – inklusive die studentische – Intelligenz müsse zum „kollektiven Theoretiker des Proletariats“ werden.167 Bei den Exponenten der Studentenschaft war in der Tat eine hochmütige, egozentrische Verabsolutierung des eigenen politischen Standpunkts festzustellen.168 Anfang der achtziger Jahre – nach mehr als zehn Jahren Debatten um Demokratisierung und Gruppenuniversität – wurden erste überwiegend negative Bilanzen gezogen. Die zur Förderung der wissenschaftlichen Arbeit in Forschung, Lehre und Studium zu treffenden Personal- und Sachentscheidungen seien in der Gruppenuniversität zu oft an die Interessen politisierter Gruppen gebunden worden, die auf Kompetenz gegründete Verantwortung sei gelähmt, das Leistungsniveau in Forschung, Lehre und Studium herabgesetzt und die Effizienz einer immer mehr Zeit und Kraft beanspruchenden Selbstverwaltung seien beeinträchtigt worden. Das habe die Autonomie der Hochschule geschwächt und zunehmende bürokratische Eingriffe des Staates erforderlich gemacht. Die Gruppenuniversität sei mit ihrem labilen und vielfach gespaltenen Selbstverständnis, ihren inneren und äußeren Belastungen und ihrer verminderten Leistungsfähigkeit in einer desolaten Lage. Daher müsse der durch die Gruppenuniversität gesetzte Rahmen jedenfalls langfristig revidiert werden.169 Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser wenig ermutigenden Analysen kam ein gewerkschaftseigenes Forschungsinstitut 25 Jahre nach den Unruhen von 1968 zu
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Reimann, S. 53. Turner, Hochschulpolitik, S. 48. So Schwan, Wissenschaft als Herausforderung, in: Glaser, S. 358 ff.
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dem Schluss, dass eine neue Studentenbewegung nicht in Sicht sei.170 Zuvor setzte die christlich-liberale Koalition im Jahr 1985 eine weitere Präzisierung der Mehrheitsverhältnisse in den Selbstverwaltungsgremien durch. Demnach sollten die Professoren nun in allen Gremien „mit Entscheidungsbefugnissen in Angelegenheiten, die Forschung, künstlerische Entwicklungsvorhaben, Lehre oder die Berufung von Professoren berühren“, über die absolute Mehrheit nicht nur der Stimmen, sondern auch der Sitze verfügen (§ 38 Abs. 3 Satz 5 HRG 1985).171 Das Gruppenvertretungsprinzip wurde bei der Stärkung der professoralen Entscheidungsbefugnis in den Selbstverwaltungsgremien beibehalten. Insgesamt war es um das Thema Demokratisierung still geworden. Die Diskussionen der achtziger und neunziger Jahre muteten angesichts der Grundsatzstreits und Heftigkeit der Auseinandersetzungen vom Ende der sechziger Jahre fast belanglos an. Das Thema Drittelparität geriet zwar nicht gänzlich in Vergessenheit, wurde aber nur noch vereinzelt aktuell: so z. B. in Hessen, wo die neu gewählte CDU/ FDP-Koalition als eine ihrer ersten Maßnahmen die noch von der rot-grünen Vorgänger-Regierung beschlossene, jedoch noch nicht angewandte Drittelparität bei Grundsatzfragen und der Wahl der Universitätspräsidenten rückgängig machte.172 Dies stieß auf Zustimmung bei Wirtschaft und Professoren und auf heftige Kritik bei Studenten und Gewerkschaften. So sah die Landes-ASten-Konferenz die „vorsichtig begonnene Demokratisierung“ der Hochschulen zunichte gemacht.173 Demgegenüber begrüßte die Konferenz der Universitätspräsidenten „die Schaffung klarer Verantwortungsstrukturen und die Abschaffung der Drittelparität“.174 Sehr deutlich wurde bei dieser Auseinandersetzung der schon seit langem schwelende Konflikt zwischen Hochschulautonomie und Gruppenuniversität. Konrad Adam175 brachte dies auf den Punkt: „Autonomie lässt sich nun einmal nur da gewähren, wo die Verantwortlichkeiten eindeutig geregelt sind.“ Und weil Gremien gewissermaßen konstitutionell unfähig seien, Verantwortung auszuüben, stehe das Modell der Gruppenuniversität der Selbstverwaltung irgendwie im Wege. Es provoziere damit Eingriffe, die es eigentlich vermeiden wolle. Dennoch ist es falsch, die Existenz der Gruppenuniversität – bei aller berechtigten Kritik im Detail – immer wieder lauthals als Kern allen Übels zu beklagen. Auch macht man es sich zu einfach, wenn man behauptet, dass mit dem „Luxus der 170
dpa 18/93, S. 13. Der alte § 38 Abs. 3 Satz 2 HRG 1976 lautete: In allen Gremien mit Entscheidungsbefugnissen in Angelegenheiten, die Forschung, künstlerische Entwicklungsvorhaben, Lehre oder die Berufung von Professoren berühren, verfügen die Professoren über die absolute Mehrheit der Stimmen. Eine Mehrheit der Stimmen kann auch durch sog. Mehrfachstimmrechte bestimmter Personen oder Mitgliedern einer Gruppe gewährt werden. 172 dpa 26/99, S. 20. 173 dpa, a.a.O. 174 dpa, a.a.O. 175 Die Studenten sind müde, FAZ v. 20. 12. 1996, S. 37. 171
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Gruppenuniversität“ die deutschen Universitäten der institutionalisierten Mittelmäßigkeit geopfert wurden.176 Die Gruppenuniversität wurde letztlich zu Unrecht für alle Malaisen des Hochschulwesens verantwortlich gemacht. Richtig ist aber, dass sich die an die Gruppenuniversität geknüpften Erwartungen nicht erfüllt haben. Doch die Rückkehr zur alleinigen Bestimmung der Geschicke der Hochschulen durch Professoren wäre kaum die richtige Antwort. Denn dieses Prinzip hat sich, wie schmerzlich festgestellt werden musste, nachweislich nicht halten lassen. Jedenfalls war es – oder seine Träger – nicht stabil genug, Attacken der späten sechziger Jahre zu widerstehen. Solange Universitäten als Körperschaften organisiert sind, wird man den Gruppen ein bestimmtes Maß an Mitwirkung weder versagen können noch sollen, selbst im Hinblick auf die gewiss nicht immer erfreulichen Nebenfolgen. Auch kann man nicht – wie der Hochschulverband es getan hat – auf der einen Seite den Qualitätsverlust an deutschen Hochschulen beklagen, indem man auf schematische Überführungen, „Discount-Professoren“ und Selbstbedienungspraktiken hinweist, und auf der anderen Seite die (angeblich oder tatsächlich) Begünstigten zu alleinigen Inhabern von Rechten machen, wie sie früher nur einer kleinen Gruppe von besonders Qualifizierten zugestanden wurden. Dem Hochschulverband ist zu bescheinigen, dass er in der Zeit hemmungslosen Reformeifers standhaft Positionen verteidigt hat.177 Vorzuhalten ist ihm, dass seine Wortführer nicht einsehen wollten, dass die Massenuniversität nach anderen Regeln zu organisieren ist als die Universität der kleinen Zahlen. So fällt denn die Bilanz überwiegend nicht positiv aus. Das reicht von der Charakterisierung als „alltäglicher Gremienwahnsinn“ bis zu „institutioneller Verantwortungslosigkeit“178. Im Grunde ist es eine Illusion, dass die „Gruppen“ sich konform verhalten und etwa gleichgerichtete Interessen haben. Es gibt noch nicht einmal eine Solidarität oder Loyalität, die dies zudecken könnte. Eine Vorstellung, dass die Universität eine Art Ständestaat sei, verkennt, dass die Universität eben kein politisches Gebilde wie eine Kommunalkörperschaft ist. Eher weist sie Anstaltscharakter auf. Insofern muss man nicht davon ausgehen, dass mit der Gruppenuniversität die Konstruktion gefunden sei, die das Gerüst der Universität unumstößlich festschreibt. Allerdings ist keine Idee in Sicht, wie sie anders gestaltet werden sollte. Vor allem erscheint es politisch ausgeschlossen, Grundsätzliches zu ändern. Dabei spielt wohl auch der Gewöhnungseffekt eine Rolle. Diejenigen, die im Jahr der Mythen, 1968, zwischen 20 und 25 Jahre alt waren, sind inzwischen (2018) 70 bis 75. Alle, die derzeitig Politik betreiben oder davon als Bürger, auch als Universitätsangehörige betroffen sind, kennen nur die Form der Gruppenuniversität.
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Schiedermair, zitiert nach Schmude, MittHV 1980, S. 116. Etzold, Humboldts letzter Krieger, Die Zeit v. 30. 3. 2000. Quellen bei Burtscheidt, S. 98 f.
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Unabhängig davon bleibt festzuhalten, dass die Hochschulreformdiskussion der studentischen Protestbewegung zumindest der ersten Jahre entscheidende Impulse verdankt.179 Es hätte jedoch klar sein müssen, dass Politik nicht als Kampf, sondern nur als Gegenstand der Forschung an die Universität gehört.180 Solange keine bessere Konstruktion gefunden ist, sollte – nicht zuletzt aus Gründen sonst fälliger fruchtloser Diskussion – die bisherige Lösung beibehalten werden, auch wenn es keine überzeugende theoretische Begründung für diese Gestaltungsform gibt. Wer allerdings geglaubt hat, die Universitäten hätten das Schlimmste überstanden, nachdem die Hassadeure der Hochschulpolitik in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts abgetreten waren, hat sich geirrt. In jüngerer Zeit taten zum Beispiel einige Landesregierungen und die sie stützenden Fraktionen in den Landtagen einiges, um den Universitäten im Land nachhaltig Schaden zuzufügen. Die sog. Dänen-Ampel in Schleswig-Holstein, inzwischen abgewählt, hat ein Gesetz im HauRuck-Verfahren verabschiedet, das wie ein Relikt aus dem Jahr 1968 wirkt. Mit dem Gesetz soll zwar ein „Sprung nach vorn“ erfolgen, wie die Ministerin verlautet; dabei hat sie sich aber wohl in der Richtung vertan. So werden die alten Ladenhüter „demokratisches“ Hochschulgesetz, „Mitbestimmung“ und „Teilhabe“ reaktiviert. Inzwischen sollte jeder wissen, dass nicht eine politisierte Hochschule, sondern nur eine auf Leistung und Effizienz ausgerichtete Institution im internationalen Wettbewerb bestehen kann. Auch „Öffentlichkeit“ von Senatssitzungen, andernorts längst als Anlass erkannt, im Vorhinein Absprachen zu treffen, womit das Gremium zum Ort für Fensterreden degradiert wird, ist ein Griff in die Mottenkiste der Hochschulpolitik. Schließlich konnte man auch nicht der Versuchung widerstehen und hat es insofern dem verfehlten Vorbild Nordrhein-Westfalens gleichgetan, indem die Anwesenheitspflicht bei Veranstaltungen abgeschafft wird, wo sie von der Sache her sinnvoll ist. Hohe Abbrecherquoten und erfolglose Prüflinge können als Folge nicht überraschen. Zwar handelt es sich bei manchen Exzessen nur um verfehlte Gesetzeswerke einzelner Länder. Die Gefahr, dass andere einem solchen Beispiel folgen, ist aber latent. Offenbar haben derzeitig aktive Politiker entweder aus der Geschichte der Hochschulreform nichts gelernt – oder sie kennen dieselbe noch nicht einmal. Nach den Ergebnissen der Landtagswahlen im April und Mai 2017 in SchleswigHolstein und Nordrhein-Westfalen kann man davon ausgehen, dass solche unsinnigen Vorhaben gestoppt bzw. rückgängig gemacht werden. Was bleibt, ist ein immer wieder zu beobachtendes Hin und Her in der Hochschulpolitik.
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Reimann, S. 52. Eigen, Die deutsche Universität, S. 110, mit Hinweis auf Jaspers.
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2. Mandat der verfassten Studentenschaft Ist die Gesamtheit aller eingeschriebenen Studenten einer Hochschule durch Gesetz geregelt, spricht man von einer verfassten Studentenschaft.181 Als Zwangskörperschaft haben ihre Repräsentanten bestimmte Grenzen des Handelns zu beachten. Mit dem allmählichen Abflauen der Protestbewegungen endeten auch die Kämpfe um das politische Mandat der verfassten Studentenschaften. Bis dahin waren allgemeinpolitische Aktivitäten trotz vieler Prozesse, in denen ASTen das Recht auf ein politisches Mandat abgesprochen wurde, wesentlicher Bestandteil der Arbeit vieler Studentenschaften.182 Die verfasste Studentenschaft wurde in Baden-Württemberg und Bayern ganz abgeschafft – als Antwort auf ständige Rechtsverletzungen durch die Inanspruchnahme des allgemeinpolitischen Mandats.183 Möglich war dies, weil im Hochschulrahmengesetz von 1976 die verfasste Studentenschaft – als Ergebnis eines Bund-Länder-Kompromisses und anders als ursprünglich geplant – schließlich nur noch als Kann-Bestimmung aufgenommen worden war. In Baden-Württemberg kam es nach der Wahl 1992 zu einer Diskussion über die Wiedereinführung einer verfassten Studentenschaft. Die SPD war mit dem Versprechen der Wiedereinführung in den Wahlkampf gezogen. In den Koalitionsverhandlungen zur Großen Koalition einigte man sich schließlich nach langem Hin und Her auf einen Kompromiss: die Einführung einer verfassten Studentenschaft mit Austrittsrecht. Da die SPD dieses Austrittsrecht an eine Reihe von Bedingungen knüpfen wollte, die CDU einschließlich Wissenschaftsminister v. Trotha dies jedoch kategorisch ablehnte, verzichtete die SPD schließlich auf den Koalitionskompromiss. Die SPD begründete ihr Abgehen damit, dass eine derartige Studentenvertretung nicht von einem breiten demokratischen Konsens getragen werde. Stattdessen wollte sie nun auf eine entscheidende Verbesserung der demokratischen Mitwirkungsrechte der Studierenden dringen.184 In Sachsen-Anhalt z. B. entschied sich die christlich-liberale Koalition 1993 für ein Modell, demzufolge jeder Student bei seiner Immatrikulation oder Rückmeldung den Beitritt zur verfassten Studentenschaft erklären kann.185 Dieses Modell war auch
181 Zur Zeit der hier geschilderten Auseinandersetzungen war der Begriff üblich, später stattdessen Studierendenschaft. 182 Hahn, Bärbel, Studentische Politik, S. 12 f. 183 In Berlin war Hintergrund der Abschaffung die Auffassung, dass eine ausgeweitete Beteiligung der Studierenden auf Fachebene wirkungsvoller sei als eine zentrale Vertretung und wegen der Gruppenpräsenz eine Zwangskörperschaft nicht erforderlich sei. Hier dauerte die Phase ohne verfasste Studentenschaft allerdings nur von 1969 – 1978. 184 dpa 22/93, S. 15. 185 Bis zum Erlass neuer Hochschulgesetze galten auch in den neuen Ländern Regelungen zur Bildung verfasster Studentenschaften nach dem Modell der meisten alten Bundesländer, d. h. mit einer Zwangsmitgliedschaft ohne Austrittsrecht. Als Übergangsrecht galt ab dem
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in Baden-Württemberg als Alternative diskutiert worden. Anders als in BadenWürttemberg sprach sich die CDU in Sachsen-Anhalt jedoch zunächst für das – in Baden-Württemberg schließlich gescheiterte – Modell einer Zwangsmitgliedschaft mit Austrittsrecht aus, gab aber schließlich dem Koalitionspartner FDP und deren Wissenschaftsminister Frick nach. Die SPD hingegen favorisierte auch in SachsenAnhalt von vornherein eine reine Zwangsmitgliedschaft.186 Bei den studentischen Gruppen waren Anfang der neunziger Jahre die früheren Auseinandersetzungen fast vergessen. So regte der Bundesvorsitzende der Liberalen Hochschulgruppen 1992 gar an, eine bundesweite, von allen Studenten demokratisch gewählte Studentenvertretung im HRG zu verankern.187 Er erklärte, die Zeiten politischer Auseinandersetzungen seien vorbei. Man fange wieder an, miteinander zu reden und wolle künftig auch auf Bundesebene mitbestimmen. Überhaupt war spätestens seit Anfang der neunziger Jahre ein gewisser Trend zur Entpolitisierung der studentischen Interessenvertretungen zu beobachten. Dies zeigte sich daran, dass z. B. sog. unabhängige Gruppierungen bei Wahlen zu Studentenparlamenten immer mehr an Stärke gewannen.188 Andererseits war in den neunziger Jahren auch ein Rechtsruck in den studentischen Parlamenten zu bemerken. So zogen 1997 erstmals Republikaner in ein Studentenparlament ein; in Marburg erzielten sie 3,7 Prozent der Stimmen.189 Der RCDS belegte Ende 1992 270 Sitze in Studentenparlamenten, die Jungsozialisten der SPD (Juso-HSG) hingegen nur 201 und die Liberalen Hochschulgruppen 97.190 Streit gab es in den neunziger Jahren allenfalls noch um die Ausübung des allgemeinpolitischen Mandats. So wurden immer wieder Studentenvertretungen zur Zahlung von Ordnungsgeldern verurteilt, weil sie Flugblätter mit allgemeinpolitischem Inhalt verteilt hatten. Die verfasste Studentenschaft als Zwangskörperschaft – nunmehr unter der Bezeichnung „Studierendenschaft“ – wurde sowohl in Bayern als auch in BadenWürttemberg wieder eingeführt. Die Motive waren unterschiedlich. In BadenWürttemberg entsprach die Wiedereinführung der politischen Grundhaltung der grün-roten Regierung, in Bayern war es ein Nachgeben der CSU dem Drängen des Koalitionspartners FDP. Im Jahr 2002 versuchte die damalige rot-grüne Bundesregierung schließlich, verfasste Studierendenschaften im Hochschulrahmengesetz verbindlich festzuschreiben. Diese Änderung wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht nach einer 3. Oktober 1990 die Hochschulverordnung der DDR v. 18. 9. 1990 (Meyer, In keiner Schublade, S. 143 ff.). 186 Reich, Die verfasste Studentenschaft, WissR 1996, S. 161 ff. 187 dpa 5/92, S. 12 f. 188 dpa 51/92, S. 15. 189 dpa 04/97, S. 18 f. 190 dpa 51/92, S. 15.
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Klage mehrerer Bundesländer am 26. Januar 2005 verworfen, da der Bund mit dieser Regelung seine Rahmenkompetenz überschritten habe191. 3. Ordnungsrecht Derzeitig ist kaum vorstellbar, dass das Thema „Ordnungsrecht“ einmal ein heißer Diskussionspunkt war. Es war die Befugnis der zuständigen Hochschulorgane, gegen Hochschulmitglieder Maßnahmen zu ergreifen, wenn diese den Hochschulbetrieb störten. In den Sanktionsmöglichkeiten ging es über das Hausrecht hinaus. Die Maßnahmen reichten von einem bloßen Verweis über die Ausschließung vom weiteren Besuch einzelner Lehrveranstaltungen bis hin zur Exmatrikulation, falls die Störung unter Anwendung von Gewalt erfolgte. Erste Überlegungen zur Einführung eines speziellen Ordnungsrechts für die Hochschulen wurden bereits relativ früh nach Beginn der Protestbewegung angestellt. So schrieb die CDU schon in einem Programm aus dem Jahr 1968, dass das geplante Hochschulrahmengesetz (HRG) die Zulässigkeit von Ordnungsmaßnahmen wegen Störungen des Universitätsbetriebes feststellen sollte. Die Einzelheiten des Ordnungsrechts seien nach Landesrecht festzulegen. Durch Bundesrecht sollte grundsätzlich vorgeschrieben werden, dass für die Ordnungsgewalt an den Universitäten der Gesetzesvorbehalt zu gelten habe und dass ein Ausschluss vom Studium durch ein Ordnungsverfahren nur auf Zeit zulässig sei.192 Auch die SPD verschloss sich solchen Überlegungen anfänglich nicht. Zwar dürfe ein Ordnungsrecht für Studenten nicht isoliert und vor der Verabschiedung von Reformgesetzen kodifiziert werden; ein Ordnungsrecht sei auch nur dann sinnvoll, wenn in ihm der Begriff „ordnungswidriges Verhalten“ eindeutig definiert werde. Unter diesen Prämissen legte die SPD jedoch relativ detaillierte Verfahrensvorschläge zur Umsetzung von Ordnungsmaßnahmen vor.193 Schon in ihrem Schwerpunktprogramm zur Wissenschaftspolitik vom September 1969194 vollzog die SPD aber eine Kehrtwende. Ein spezielles Ordnungsrecht im Rahmen des neuen HRG, so hieß es dort, halte die SPD nicht für angebracht. Die geltenden Strafgesetze reichten aus, um die Ordnung an den Hochschulen zu sichern. Die parteipolitischen Differenzen über dieses Thema wurden beispielsweise in Baden-Württemberg offenbar. In der Diskussion um ein Hochschulgesetz im Herbst 1967 drängte die CDU auf die Einführung eines Disziplinarrechts, während der Koalitionspartner SPD sich gegen ein solches Disziplinarrecht aussprach. Die Beratungen des Gesetzentwurfs waren im Wintersemester 1967/68 von ständigen 191
AZ 2 BvF 1/03. CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Schwerpunktprogramm für Wissenschaftspolitik, Kulturpolitik und Publizistik für die VI. Legislaturperiode, S. 17 ff. (23). 193 SPD, Vorschläge zur Reform der Hochschulen, S. 33 ff. (53 f.). 194 SPD, Schwerpunktprogramm zur Wissenschaftspolitik, S. 55 ff. 192
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Protestaktionen der Studenten begleitet; bei den Schlussberatungen im März 1968 wurde der Landtag durch Stacheldrahtzaun und Polizei abgeschirmt. Letztlich konnte nur der Rest eines Ordnungsrechts beschlossen werden, der zudem nach Einschätzung des baden-württembergischen Kultus- und Wissenschaftsministers Hahn (CDU) von der SPD so verwässert worden war, dass dieses Ordnungsrecht nicht mehr hätte angewandt werden können.195 Im Sommer 1969, also nur ein Jahr nach der Verabschiedung des Hochschulgesetzes, versuchte Hahn unter Hinweis auf die unhaltbaren Zustände an mehreren Universitäten und auf das Fehlen jeden Instrumentariums zur Bekämpfung der Störungen des Lehrbetriebes ein verschärftes Ordnungsrecht durchzusetzen. Doch auch diesmal wurden die massivsten Eingriffsmöglichkeiten von der SPD verhindert.196 Hahn sah sich in dieser Zeit im Landtag ständigen Anfeindungen von Abgeordneten der SPD und der FDP ausgesetzt. Mancher versuchte, die Unruhen an den Universitäten zu beschönigen und im Kern als nicht unberechtigt darzustellen. Andere bezweifelten, dass es sich überhaupt um ernsthafte Störungen und Rechtsbrüche handele. Jene, die sich gegen die Zustände zur Wehr setzten, wurden als reaktionär angegriffen.197 Aus der zerfallenen studentischen Protestbewegung entstanden Anfang der siebziger Jahre neue Gruppierungen mit politischen Extremhaltungen. Manche Beobachter erklärten die eskalierende Form der Diskussionen und studentischen Agitationen zumindest teilweise mit der mangelnden Bereitschaft sowohl der Gesellschaft wie des Wissenschaftsbetriebs, sich mit der studentischen Kritik produktiv und lernbereit auseinanderzusetzen.198 Andere wiesen die Schuld an der zunehmenden Radikalisierung der Bewegung gerade jenen Rektoren und Professoren zu, die gewaltsam in ihre Räume eindringende Studenten noch als Verhandlungspartner anerkannten, sowie jenen Richtern, Journalisten und Politikern, die von Studenten ausgeübte Terrorhandlungen zu „Missgriffen vorbildlich engagierter junger Leute“ verniedlichten.199 Auf die vermehrte Gewalt reagierten Bundeskanzler Brandt und die Regierungschefs der Länder im Januar 1972 mit den „Grundsätzen zur Frage verfassungsfeindlicher Kräfte im öffentlichen Dienst“. Diese – „Radikalenerlass“ oder „Extremisten-Beschluss“ genannten – Grundsätze waren jedoch insbesondere in der SPD nicht unumstritten. So sagte Wehner: „Ich sehe keinen Sinn darin, die freiheitliche Grundordnung durch den ersten Schritt zu ihrer Beseitigung schützen zu wollen.“200 195 196 197 198 199 200
Hahn, Wilhelm, Erinnerungen, S. 191. Vgl. hierzu Hahn, S. 196. So die Schilderung Hahns, S. 196 ff. Reimann, S. 52. Ortlieb, S. 40 ff. (46). Vgl. Augsburger Allgemeine v. 21. 1. 1972 (zit. nach Reimann, S. 136).
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Unterdessen nutzte man in Baden-Württemberg das Ende der großen Koalition zum lange erhofften Politikwechsel. Hahn brachte schon 1972 den Entwurf einer Novelle des Hochschulgesetzes ein; dieser sah vor, die Fachaufsicht des Staates zu erweitern und zu präzisieren sowie das Ordnungs- und Hausrecht zu stärken: Dem Rektor sollte ein vom Staat bestellter Ordnungsbeauftragter zur Seite stehen, der bei Störungen sofort nach entsprechender Untersuchung eingreifen und Studierende notfalls von der Hochschule verweisen können sollte; die Entscheidung des Ordnungsbeauftragten sollte gerichtlich überprüft werden können. Die Novelle sollte darüber hinaus der Studentenschaft das politische Mandat verbieten. Denn eine Zwangskörperschaft dürfe kein allgemeines politisches Mandat in Anspruch nehmen. Hier werde mit vom Staat eingezogenen Mitgliedsbeiträgen eine gegen den Rechtsstaat und seine demokratische Ordnung gerichtete Propaganda aus staatlich eingerichteten Aktionszentralen betrieben. Es könne nur eine Alternative geben: entweder Zwangskörperschaft oder politisches Mandat.201 Obwohl die Mehrzahl der baden-württembergischen Rektoren Anfang der siebziger Jahre den Novellierungsvorhaben Hahns aus Rücksicht auf linke Gruppierungen an den Universitäten nicht viel Unterstützung zuteilwerden ließ202 und Hahn mit einer Polizeiaktion vom 6. Dezember 1972 in Heidelberg gegen Protestler deutlichen Unmut in der Unionsfraktion auslöste, der selbst den für Strömungen in Partei und Öffentlichkeit sensiblen Ministerpräsident Filbinger (CDU) kurzzeitig auf Distanz zu ihm gehen ließ, wurde die Novelle schließlich im Juli 1973 vom Landtag angenommen. Selbstzufrieden stellte Hahn später fest, dass das so hart erkämpfte Gesetz sich schnell bewährt hätte und immer wieder von ursprünglichen Kritikern des Entwurfs als eines der besten Universitätsgesetze bezeichnet worden sei.203 Hahns Sorge galt der Zukunft der Universität als Ort der Wissenschaft. Denn die revolutionäre Linke sehe die Hochschulen, insbesondere die Universitäten, als Einrichtung, von der aus sie die Gesellschaft umfunktionieren und so den Staat in ihre Macht bekommen wolle. Sie negiere die Grundvoraussetzungen, die von der freien Persönlichkeit ausgehen. Es gelte, diese Pläne zu durchkreuzen. Die Universität müsse wieder zum Hort wirklicher Freiheit werden.204 Hahn war jedoch auch klar, dass man mit dem Ordnungsrecht keine hochschulpolitischen Probleme lösen könnte; sein Zweck liege vielmehr darin, dass sich die hochschulpolitische Diskussion in Formen abspielen könne, die einer rechtsstaatlichen Ordnung entsprächen.205 Andernfalls würde die Hochschulautonomie für Gruppeninteressen und politische Ziele ausgenutzt, die sich nicht nur gegen die Hochschulen, sondern gegen 201
Hahn, Wilhelm, Mehr Bildung, mehr Leistung, mehr Freiheit, S. 144. So zumindest die Einschätzung Hahns, Erinnerungen, S. 219, wobei er übersieht, dass es an den meisten baden-württembergischen Universitäten durchaus erfolgreiche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung gegeben hat. 203 Hahn, Erinnerungen, S. 221. 204 Hahn, Bildung, S. 148. 205 Hahn, Bildung, S. 140 ff. 202
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den freiheitlichen Rechtsstaat und seine Gesellschaft richteten. Schon deshalb müsse der Staat den Hochschulen bei der Erfüllung ihrer wesensmäßigen Aufgaben helfen. Dies setze voraus, dass der Staat eine klar abgegrenzte Aufsichtspflicht habe, wenn nötig auch ein Eingriffsrecht und eine Eingriffspflicht. Hierzu müsse ein System abgestufter Aufsichtsrechte geschaffen werden, so etwa die Rechtsaufsicht, die Fachaufsicht und die staatliche Mitwirkung beim Erlass autonomer Rechtssätze der Hochschulen. Und schließlich müsse der Staat auch Eingriffsrechte haben, falls die akademischen Organe unfähig oder nicht willens seien, ihre Aufgaben zu erfüllen, um die Freiheit von Forschung und Lehre zu garantieren. Später sah Hahn in den Auseinandersetzungen über die Inhalte des Ordnungsrechts den wesentlichen Anstoß für die Grundgesetzänderung, die dem Bund den Erlass des HRG ermöglichte. Umso unverständlicher war für ihn, dass der HRGEntwurf von 1972 gerade zu diesem Punkt schwieg.206 Nach dem Abklingen gewaltsamer Auseinandersetzungen ist das Ordnungsrecht kein Thema mehr. Im Grunde reichen die staatlichen Strafvorschriften und das Hausrecht aus. Ein Ordnungsrecht hat den Vorzug, dass Sanktionen verhängt werden können, ohne dass der Vorwurf einer kriminellen Tat erhoben werden muss. Eine solche Privilegierung für Studierende ist wohl tatsächlich nicht angebracht.
III. Schule – Studium – Beruf Die Reform des Studiums konnte nicht ohne den Zusammenhang zwischen Schule und Universität angegangen werden. Von Bedeutung war, welche Voraussetzungen die Studenten207 bei der Aufnahme des Studiums mitbringen, wie sie von der Schule auf ein Studium vorbereitet werden. Ebenso wurde immer wichtiger, welche Erwartungen an die Hochschulabsolventen beim Berufseintritt gestellt werden und wie sich der Bedarf an Akademikern entwickeln werde. 1. Oberstufenreform So unberührt sich die mit dem Abitur verbundene Hochschulreife als Bildungsziel des Gymnasiums über Jahrzehnte behaupten konnte208, so viel Anlass zur Diskussion gab von jeher der Kanon an Pflichtfächern und Unterrichtsmethoden zur Vorbereitung auf die Hochschule in der gymnasialen Oberstufe. Im Nachkriegsdeutschland begann die Auseinandersetzung um die gymnasiale Oberstufe und ihre Ausgestaltung Ende der fünfziger Jahre. Um die unterschiedlichen Länderregelungen einander 206
Hahn, Bildung, S. 147. Auch das später in Kraft getretene HRG enthielt keine diesbezüglichen Regelungen. 207 s. o. A. II. Fn. 16. 208 Seit einer preußischen Verordnung von 1788 ersetzt das Abitur die akademische Aufnahmeprüfung.
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anzugleichen, formulierten die Kultusminister der Länder im April 1958 erstmals das inhaltliche Minimum der Hochschulreife, das als sog. Tutzinger Maturitätskatalog bekannt wurde.209 Bereits im September 1960 fasste die KMK in Saarbrücken auf dieser Basis eine weitreichende „Rahmenvereinbarung zur Ordnung des Unterrichts auf der Oberstufe der Gymnasien“210; diese wurde 1961 in Stuttgart durch „Empfehlungen zur didaktischen und methodischen Gestaltung der Oberstufe in Gymnasien“ ergänzt.211 a) Abschaffung der Gliederung nach Schultypen/Kurssystem Im Jahr 1972 kam es dann zu einem ersten tiefen Eingriff in die Struktur des Gymnasiums. Getragen vom Schwung und politischen Konsens der Reform-Ära beschloss die KMK einstimmig die Reform der gymnasialen Oberstufe. Sie sollte zum Schuljahreswechsel 1976/77 in allen Schulen anlaufen.212 Inhalt der Reform war insbesondere die Abschaffung der Oberstufengliederung nach Schultypen (altsprachlich, neusprachlich etc.), die Einführung des Kurssystems statt der bisherigen Jahrgangsklassen und die Trennung des Fachunterrichts in Grund- und Leistungskurse, verbunden mit zahlreichen Wahlmöglichkeiten. Ziel dieser sog. Bonner Vereinbarung war eine Individualisierung des Lernangebots und eine Orientierung der Formen und Inhalte des Unterrichts an den Anforderungen der Hochschule.213 Doch schon bald zeigten sich in den einzelnen Ländern Unterschiede in der Bewertung der Reform. Besondere Bedenken wurden in Baden-Württemberg und Bayern erhoben.214 Entsprechend wurde dort bei der Umsetzung der Reform der Spielraum genutzt, den die Vereinbarung belassen hatte: Die Wahlfreiheit der Schüler wurde deutlicher eingeschränkt als andernorts und bei der Kursbelegungspflicht ging man über die beschlossenen Mindestverpflichtungen hinaus. Dies führte hinsichtlich der Anforderungen in der gymnasialen Oberstufe insgesamt zu einem Gefälle zwischen den Ländern.215 Begleitet wurden diese strukturellen Reformen der gymnasialen Oberstufe von Forderungen nach einer Erhöhung der Abiturientenzahlen. Sowohl Picht wie auch Dahrendorf sahen hierin den wesentlichen Ansatzpunkt für ihre bildungspolitischen Reformvorstellungen. Um dieser – Anfang der siebziger Jahre praktisch unstrittigen – bildungspolitischen Zielsetzung zu entsprechen, musste von früher üblichen se-
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Zum Begriff „Hochschulreife“ vgl. Herrlitz, Hochschulreife in Deutschland, S. 11 ff. Hierzu ausführlich Tenorth, Hochschulzugang und gymnasiale Oberstufe in der Bildungspolitik von 1945 – 1973, S. 134 ff. 211 v. Friedeburg, Bildungsreform, S. 435 f. 212 Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPI), Bildungswesen, S. 496. 213 Führ, Bildungswesen, S. 148. 214 MPI, Bildungswesen, S. 496. 215 Führ, Bildungswesen, S. 152. 210
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lektiven Maßnahmen, z. B. beim Zugang zum Gymnasium, mehr und mehr abgesehen werden.216 Die Wahlmöglichkeiten, wie sie mit den Reformen einhergingen, beförderten sehr unterschiedliche Fachausrichtungen und Kenntnisschwerpunkte. Dennoch erlangten die Abiturienten weiterhin die allgemeine Hochschulreife. Schon früh wurde deshalb die Weichenstellung für Schwerpunktfächer unter Hintanstellung des Allgemeinbildungsanspruchs kritisiert. Diese Kritik entfachte im Lauf der Zeit eine Diskussion über die Qualität des Abiturs und die Studierfähigkeit der Abiturienten. Vor allem die Universitäten zeigten sich über die Unterschiedlichkeit in den Vorkenntnissen der Studienanfänger zunehmend unzufrieden. Neu entstandene Gymnasialtypen mit z. B. wirtschaftswissenschaftlicher, technischer, sozialwissenschaftlicher oder erziehungswissenschaftlicher Ausrichtung, die ebenfalls die allgemeine Hochschulreife vermittelten, und die Ausweitung des Hochschulzugangs über nicht-gymnasiale Bildungswege (z. B. den sog. Zweiten Bildungsweg217) veranlassten die WRK bereits im Jahr 1969, „Kriterien der Hochschulreife“ vorzulegen.218 Mit ihnen sollte sichergestellt werden, dass alle Studienanfänger über vergleichbare Studienvoraussetzungen verfügten. Die Anregungen der WRK wurden von der KMK bei ihren Oberstufenvereinbarungen teilweise berücksichtigt, so als die KMK 1972 die Empfehlungen der WRK in ihre Überlegungen einbezog.219 Dennoch sah sich die WRK im Jahre 1977, also noch bevor die Reform 1977/78 in allen Ländern umgesetzt war, erneut veranlasst, zur Vereinbarung von 1972 Stellung zu nehmen.220 Sie hielt dabei an ihrer Forderung nach homogenen Studienvoraussetzungen fest. In Thesen zur gymnasialen Oberstufe drängte sie auf durchgehenden Unterricht bis zum Abitur in Deutsch, zwei Fremdsprachen, Mathematik, zwei Naturwissenschaften, Geschichte und einer weiteren Disziplin aus dem Bereich der Sozialwissenschaften. In eine andere Richtung zielte noch ein Vorschlag im Bildungsbericht des Bundesbildungsministers Leussink aus dem Jahr 1970. Dort wurde die Einführung eines „Abiturs II“ gefordert, das auf eine spätere berufliche Tätigkeit statt auf ein Studium ausgerichtet sein sollte.221 Die Idee hierbei war, das Abitur nicht mehr grundsätzlich als Hochschulzugangsberechtigung auszugestalten. Die WRK hätte sich mit solch einer Regelung anfreunden können. Sie kritisierte bereits in ihrem ersten Beschluss 216
Führ, S. 147. Zweiter Bildungsweg ist die Bezeichnung für die Absolvierung eines Bildungsangebots, das nachträglich zu einem Schulabschluss führt, den die Betroffenen vor dem Eintritt ins Berufsleben im Regelschulwesen nicht erworben haben. 218 Finkenstaedt/Heldmann, Studierfähigkeit konkret. Erwartungen und Ansprüche der Universität, S. 11. 219 v. Friedeburg, Bildungsreform, S. 436. 220 Thesen der WRK „Zur Weiterentwicklung der neugestalteten gymnasialen Oberstufe“ v. 5. 7. 1977, WRK, Arbeitsbericht 1977, S. 193 ff. 221 Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, Hochkonjunktur und Flaute, S. 57. 217
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
zur Vereinbarung von 1972, dass diese keine Ansätze zur Entwicklung berufsqualifizierender Abschlüsse in der Sekundarstufe II und zur Verleihung der Fachhochschulreife enthielt. Hintergrund dieser Äußerungen war die Sorge um das weitere Auseinanderdriften von Zahlen der Studienberechtigten und Studienplätzen. Schon früh warnte die WRK deshalb vor der Gefahr einer Trennung von Studienbefähigung (Abitur) und Studienberechtigung (Hochschulzulassung) und damit vor der Notwendigkeit von Aufnahmeprüfungen durch die Hochschulen.222 b) Studierfähigkeit Je mehr Studienanfänger an die Hochschulen strömten, desto dringender wurden die Ansprüche der Hochschullehrer an die Vorbereitung durch die Gymnasien und umso lauter wurden ihre Klagen über den mangelnden Kenntnisstand der Abiturienten und sonstigen Hochschulberechtigten. Der Begriff der Studierfähigkeit rückte in den Mittelpunkt der Diskussion. Da im Zuge der Bildungsexpansion Anfang der achtziger Jahre rund ein Viertel eines Jahrgangs das Abitur ablegte, war dies nicht verwunderlich. Die Studierfähigkeit von 25 % wurde niedriger bewertet als die eines Jahrgangszehntels früherer Jahre. Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch fand der Begriff „Studierfähigkeit“ erst durch eine Studie aus dem Jahr 1984.223 Darin nahm der Autor sich des Themas aus Sicht der Hochschullehrer an. Die Studie wurde in einer zweiten Ausgabe 1989 unter dem Titel „Studierfähigkeit konkret“ veröffentlicht.224 Anlass war die von den Hochschullehrern befürchtete „Mutation“ der deutschen Hochschule von einer EliteBildungsstätte zum Ausbildungsplatz für die Massen. Den Studierenden sollte deutlich gemacht werden, welche Voraussetzungen sie erfüllen müssen, um ein Studium mit Erfolg zu absolvieren. Es wurden Erwartungen und Ansprüche formuliert, welche die Hochschule, aber auch Wirtschaft und Gesellschaft als „Abnehmer“ der Hochschulabsolventen an die Studierenden richten. Studierfähigkeit wurde dabei nicht mit der durch das Abitur testierten Hochschulreife gleichgesetzt. Mit der Definition von Studienvoraussetzungen wollte man den Studienanfängern vor allem Orientierungslosigkeit nehmen, ihre Selbständigkeit stärken und sie so von unnötigen Suchsemestern und Fachwechseln abhalten. Ähnlich wie beim Abitur gibt es für die Studierfähigkeit eine Skala von unterschiedlichen, z. T. ideologisch geprägten Anforderungen. Eine Untersuchung der Schnittmengen aller wünschenswerten Fähigkeiten ergab nach Meinung der meisten der befragten Hochschullehrer die Erfordernisse: – deutsche Sprachkompetenz (Ausdruck, Differenzierung), – englische Kommunikationsfähigkeit und 222 223 224
WRK, Arbeitsbericht 1973, S. 177. Heldmann, „Studierfähigkeit“. Finkenstaedt/Heldmann.
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– elementare Kenntnis mathematischer Funktionen und der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Hinzu kamen weitere sog. basale Fähigkeiten wie das Vermögen zur Abstraktion, zum Schätzen und Verwerfen usw.225 Die Diskussion um die Voraussetzungen der Studierfähigkeit spiegelte sich in der Auseinandersetzung über die konkrete Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe wider. Die Forderung nach einer intensiven Vermittlung traditioneller Werte wie Allgemeinbildung, Sprachkompetenz, Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit schien am ehesten durch einen verbindlichen Fächerkanon gewährleistet zu sein. Für die Verwirklichung von Zielen der modernen Pädagogik wie Kreativität, Flexibilität, Teameignung und Fähigkeit zum vernetzten Denken wurde hingegen das Kurswahlsystem als geeigneter angesehen; hier schien eine gewisse „Erprobungsfreiheit“ erforderlich. Mit der Zunahme zulassungsbeschränkter Studienfächer und der damit zusammenhängenden wachsenden Bedeutung des Abiturnotendurchschnitts war ein negativer Rückkopplungseffekt auf die gymnasiale Oberstufe verbunden: Bei den Oberstufenschülern trat mehr und mehr das Ziel der Optimierung des Notendurchschnitts in den Vordergrund. Dies ging zu Lasten einer Fächerwahl nach Eignung und Neigung und führte zur vermehrten Abwahl von – als schwierig geltenden – Kernfächern. Diese Entwicklung wurde insbesondere von der FDP bedauert, die bereits in ihrer „Bildungspolitischen Zwischenbilanz“ 1975 von „Notenterror“ sprach. Daneben kritisierte sie aber auch die einseitige Orientierung der Oberstufenreform an klassisch-allgemeinbildenden Fächern.226 c) Ringen um Reform der Reform Durch diese Entwicklungen und das bevorstehende Anlaufen der Oberstufenreform sah sich die KMK veranlasst, erneut über die Vereinbarung von 1972 zu beraten. In einer Übereinkunft vom 2. Juni 1977 zur einheitlichen Durchführung dieser Vereinbarung (sog. Lübecker Beschlüsse) machte die KMK deutlich, dass sie einer breiten Allgemeinbildung einen ähnlich hohen Stellenwert beimesse wie die WRK. Doch trotz dieses zwischenzeitlichen – ohnehin nur verbalen – Entgegenkommens durch die KMK wurde die Kritik an der Oberstufenreform nicht leiser. Insbesondere der Deutsche Hochschulverband und der Philologenverband forderten immer wieder durchgängigen Unterricht in den Kernfächern Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen, Naturwissenschaft und Geschichte. Und auch die WRK hielt an ihrer 1977 formulierten Kritik fest. Allerdings ging sie im Interesse einer gemeinsamen Lösung bereits im Herbst 1977 auf die KMK zu und vereinbarte in Anknüpfung an die Tradition der Tutzinger Gespräche der fünfziger und sechziger Jahre einen Erfah225 226
Im Einzelnen Heldmann, S. 132 ff. Hamm-Brücher, Chancen, Bedarf, Kosten, S. 65.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
rungsaustausch über die inhaltliche Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe. Unter der Leitung des Schulausschuss-Vorsitzenden der KMK fanden zwischen 1977 und 1982 insgesamt 12 Sitzungen einer aus Mitgliedern der Ständigen Kommission Schule/Hochschule der WRK und Beauftragten des Schulausschusses der KMK gebildeten Arbeitsgruppe statt. Die Gespräche mündeten in eine Stellungnahme, die bestehende Gemeinsamkeiten aufzeigte, aber auch eine Reihe ungeklärter Probleme offenbarte.227 Einigkeit bestand hinsichtlich des Ziels, eine „curriculare Abstimmung zwischen Schule und Hochschule“ zu erreichen; auch stellte man fest, dass „eine Gruppe von Fächern im Profil der allgemeinen Studierfähigkeit einen besonderen Stellenwert“ habe. Dazu gehörten Deutsch, die Fremdsprachen, Geschichte, Mathematik und die Naturwissenschaften. Umstritten war zwischen KMK und WRK vor allem der Umfang der Belegungsverpflichtung in einzelnen, für die Studienvorbereitung als wichtig erachteten Fächern. Während sich die KMK darauf beschränkte, Bindungen an Aufgabenfelder vorzuschreiben, nicht aber – von wenigen Ausnahmen abgesehen – an konkrete Fächer, hielt die WRK an ihrer Forderung nach einer obligatorischen Teilnahme an einem breiten Fächerkanon zur Sicherstellung einer einheitlichen Grundbildung fest. Allerdings rückte die WRK gegenüber ihren Thesen von 1977 von ihrer Forderung nach durchgehendem Unterricht in einer zweiten Fremdsprache und einer zweiten Naturwissenschaft ab, ebenso von der obligatorischen Belegung eines weiteren Fachs aus dem Bereich der Sozialwissenschaften.228 Immer wieder wurde zur Stärkung der Studierfähigkeit auch die Einführung eines jeweils landesweiten Zentralabiturs vorgeschlagen. Die KMK war in dieser Frage jedoch stets uneinig, sodass man das Zentralabitur nicht weiter anstrebte. Die CDU hatte das Thema „Einführung eines zentralen Abiturprüfungsverfahrens“ bereits in ihrem „Kulturpolitischen Programm“ von 1976 angesprochen.229 Man erhoffte sich eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Bundesländern. Auf die landespolitischen Tagesordnungen kam das Thema allerdings nicht. Erst im Jahr 1995 regte der baden-württembergische Philologenverband an, das Zentralabitur auch Schülern in anderen Bundesländern nahezubringen.230 Diesem Vorschlag schlossen sich nach und nach Bayerns Kultusminister Zehetmair (CSU)231, der damalige Bundesbildungsminister Rüttgers (CDU)232 und der Vorsitzende des CDUFachausschusses Kultur, Reul233, an. Anlass für diese Äußerungen waren die Er227
Gemeinsame Stellungnahme der WRK und der KMK, verabschiedet vom 136. Plenum der WRK am 15./16. 2. 1982, WRK, Arbeitsbericht 1982, S. 135 ff. Eine weitere Stellungnahme zur Studierfähigkeit beschloss das 151. Plenum der WRK am 3. 2. 1987, WRK, Arbeitsbericht 1987, S. 121. 228 WRK, Arbeitsbericht 1982, S. 139. 229 CDU-Bundesgeschäftsstelle, 1976, S. 25 ff. 230 dpa 13/95, S. 18. 231 Die Welt v. 3. 9. 1996 (HRK-Pressespiegel 36/96, S. 22). 232 dpa 22/98, S. 1. 233 dpa 34/98, S. 5.
III. Schule – Studium – Beruf
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gebnisse einer internationalen Vergleichsstudie der Leistungen deutscher Schüler in Mathematik. Experten sahen hierin den Nachweis eines Leistungsgefälles zwischen den Bundesländern mit und jenen ohne Zentralabitur. Unter Hinweis auf die bessere Vergleichbarkeit der Abiturergebnisse forderte im Januar 1999 auch der sächsische Kultusminister Rößler zentrale Abschlussprüfungen in allen Ländern.234 Diesen Ansinnen widersetzen sich insbesondere einige der SPD angehörende Landesminister.235 Die nordrhein-westfälische Kultusministerin Behler wies die Forderung mit der Begründung zurück, das Zentralabitur führe zur „Gleichmacherei“.236 Inzwischen ist, nicht zuletzt unter der Wirkung der Pisa-Studien, eine Tendenz zum Zentralabitur auf Landesebene festzustellen. Eine weitere heftige Diskussion in den siebziger Jahren betraf die Einführung doppelqualifizierender Bildungsgänge, also von Abschlüssen mit Hochschulreife und gleichzeitiger erster Berufsqualifikation. Dies entsprach in Ansätzen Forderungen aus dem Anfang 1969 veröffentlichten „Modell für ein demokratisches Bildungswesen“ der SPD; dort wurde allerdings noch weitergehend die Überwindung des herkömmlichen Systems voneinander getrennter Oberstufen, Berufs- bzw. Berufsfachschulen und Aufbauschulen in eine gleichermaßen umfassende wie differenzierende „Sekundaroberschule“ vorgeschlagen.237 Zur Umsetzung der Forderung nach doppelqualifizierenden Bildungsgängen wurden in Nordrhein-Westfalen etliche Kollegschulen, in einigen anderen Bundesländern berufliche Gymnasien bzw. Fachgymnasien als Versuchsschulen errichtet. Diese Schulversuche wurden von Anfang an mit Argwohn beobachtet. Eine langjährige, erbitterte Auseinandersetzung schloss sich an.238 Dabei beharrten die SPD-regierten Länder auf der eingeschlagenen Richtung der Oberstufenreform. Sie vermehrten die Anzahl der Kollegschulen und stellten sie den Regelschulen gleich. Doch die Kritik verstummte nicht; Kollegschulen und Fachgymnasien blieben weiter unter verbalem Beschuss. Die Probleme der Anerkennung des so erlangten Abiturs drohten den gemeinsamen Rahmen kooperativer Bildungspolitik zu sprengen. Erst Verhandlungen über eine Ergänzung der Vereinbarung von 1972 im Jahr 1987 in Karlsruhe brachten eine einvernehmliche Lösung. Auf der Basis des Karlsruher Beschlusses wurde am 11. 4. 1988 eine Neufassung der Vereinbarung von 1972 verabschiedet. Diese stellte die Voraussetzungen, unter denen die allgemeine Hochschulreife erworben werden kann, auf eine einheitliche Grundlage.239 Die Mindestanforderungen wurden verschärft, um eine breite Allgemeinbildung zu sichern. Sozusagen im Gegenzug wurden die doppelqualifizierenden Bildungsgänge erstmals bundesweit anerkannt.
234 235 236 237 238 239
dpa 5/99, S. 21. dpa 22/98, S. 1. dpa 34/98, S. 6. Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, S. 68. v. Friedeburg, Bildungsreform, S. 438 ff. Führ, Bildungswesen, S. 152.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Auf Tagungen in Loccum und Bonn im Jahr 1994 setzte sich die KMK mit all den Einwänden und Klagen auseinander, die im Laufe der Jahre gegen die gymnasiale Oberstufe vorgebracht worden waren. Einem Vorschlag der HRK entsprechend wurde erneut ein Gesprächskreis gebildet, dem Vertreter der KMK und der HRK angehörten. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Hochschulverband, Vertretern der Wirtschaft und der Gewerkschaften, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Lehrern, Eltern, Schülern und Studierenden sowie zahlreichen Fachleuten aus Schule und Hochschule erarbeitete eine Expertenkommission einen Bericht, der zu dem Schluss kam, dass die gymnasiale Oberstufe zwar keiner grundlegenden Revision bedürfe, wohl aber einer Fortentwicklung.240 Streit gab es dabei wieder – wie zu erwarten – um die Frage der obligatorischen Abiturfächer. Allerdings wurde erstmals von KMK-Seite eine Empfehlung ausgesprochen, dass die Fächer Deutsch, Mathematik und eine fortgeführte Fremdsprache bis zum Abitur durchgehend belegt und mit allen Kursen in die Gesamtqualifikation eingebracht werden sollten. Dieses Vorhaben wurde vom GEW-Vorsitzenden umgehend kritisiert.241 Nach Abschluss der Expertengespräche im Oktober 1995 forderte die HRK in einem eigenen Positionspapier zum Abitur eine an den Tutzinger Maturitätskatalog von 1958 angelehnte Weiterentwicklung der Oberstufe.242 Als Begründung wurde erneut betont, dass das Abitur seinem Anspruch als Nachweis der Studierfähigkeit nicht hinreichend gerecht werde. Deshalb schlug man aufs Neue eine Unterrichtung in den oben genannten Kernfächern bis zum Abitur und die Abschaffung der Differenzierung in Leistungs- und Grundkurse zumindest in diesen Kernfächern vor. Ähnliche Modelle wurden auch in Sachsen angestrebt.243 Abgelehnt wurde dieser Vorstoß von der nordrhein-westfälischen Kultusministerin Behler (SPD). Zur Allgemeinbildung und Studierfähigkeit gehörten heute „mehr als das Pauken klassischer Fächer“ Deutsch, Mathematik und Fremdsprache – so ihre Position bereits im Zuge der 1994 begonnenen Neuverhandlungen über die Oberstufenreform.244 „Wenn wir eine Reform für das 20. Jahrhundert machen wollen, reichen uns nicht mehr die Antworten aus dem 19. Jahrhundert“, so Behler. Doch brauchte die SPD lange Zeit, um zu einer einheitlichen Linie zu finden. Selbst im Oktober 1995, kurz vor der geplanten Einigung in der KMK, rang die SPD noch um ihre Ziele. Die Mehrzahl der Stimmen war dagegen, dem Druck der Hochschulen nachzugeben und aus den Klagen über die mangelnde Studierfähigkeit der Abiturienten „falsche Schlüsse“ zu ziehen.245 Im Übrigen seien diese Klagen so alt wie die 240
Führ, S. 154. dpa 41/95. S. 2 f. 242 Positionspapier der HRK zu Abitur – Allgemeine Hochschulreife und Studierfähigkeit, Beschluss des Präsidiums v. 16. 10. 1995, HRK, Arbeitsbericht 1995, S. 183 ff. 243 dpa 41/95, S. 3; Sachsen forderte allerdings nur vier Prüfungsfächer. 244 dpa 41/95, S. 2 f. 245 dpa 40/95, S. 6. 241
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Hochschulen. Während einige SPD-Kultusminister, wie beispielsweise der niedersächsische, Wernstedt, durchaus Sympathien für eine Stärkung der Kernfächer aufbrachten, setzten andere innerhalb der SPD auf Projekte, Profilbildung und fächerübergreifenden Unterricht.246 Ein GEW-Vertreter meinte, dass man Lernkompetenz nicht dadurch erreiche, dass man den jungen Menschen „den Kopf vollstopft“247. Vor allem aber betonten SPD-nahe Experten mit Blick auf die ständigen Klagen der Hochschulen über mangelnde Studierfähigkeit, dass es keine „Homogenität des Wissens“ mehr gebe. Dementsprechend könne man auch Homogenität der Studienvoraussetzungen vernünftigerweise nicht mehr erwarten.248 Die Union hielt der SPD vor, sie blockiere mit ihrer Uneinigkeit einen Konsens in der Frage der Oberstufenreform. Die CDU argumentierte auch mit der drohenden Entwertung des Abiturs und der zu befürchtenden Einführung von Hochschuleingangsprüfungen. Dass dies nicht von der Hand zu weisen war, zeigten die Äußerungen des HRKPräsidenten Erichsen auf einer KMK-Tagung im Oktober 1995 in Hamburg, wo er unverhohlen mit der Einführung von Aufnahmeprüfungen drohte, wenn sich die KMK nicht auf eine Stärkung der Kernfächer einige.249 Dass die Hochschulen dazu gar keine rechtliche Handhabe hatten, wurde nicht bemerkt. Angesichts dieser Differenzen kam es auf der KMK-Tagung am 30.11./1. 12. 1995 in Mainz zu einem heftigen Streit. Anlass dieser Tagung war die Notwendigkeit einer neuen Oberstufenvereinbarung im Hinblick auf die unterschiedliche Rechtslage in den alten und neuen Bundesländern. Nach dem Einigungsvertrag musste diese bis Ende 1995 angeglichen werden. Nach zähen und äußerst kontroversen Verhandlungen einigte man sich schließlich auf einen Kompromiss. Demnach sollten Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache bis zum Abitur durchgehend belegt und auch in die Gesamtqualifikation für die Abiturnote eingebracht werden. Allerdings musste die Fremdsprache keine fortgeführte Fremdsprache sein, sondern konnte auch eine erst in der Oberstufe neubegonnene sein. Die Anzahl der Prüfungsfächer sollte bei vier bleiben. Selbst der Philologenverband lobte den Kompromiss und sprach von einem „bemerkenswerten Fundament“; gleichzeitig warnte er aber auch vor einer Aufweichung der klassischen Fächerstruktur. Auch die HRK begrüßte den Mainzer Kompromiss zunächst. Hochschulen und Schüler wüssten nun, „wohin die Reise gehe“250. Der rheinland-pfälzische Bildungsminister Zöllner (SPD) sah in der Vereinbarung einen „sehr konstruktiven Ansatz zur sinnvollen Entwicklung der gymnasialen Oberstufe“251.
246 247 248 249 250 251
dpa, a.a.O., S. 7. dpa, a.a.O. dpa 43/95, S. 3. dpa 44/95, S. 1. dpa 50/95, S. 7. dpa 51/52/95, S. 23.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Nachdem der KMK-Beschluss eingehender betrachtet wurde, machte bald das Wort vom „faulen Kompromiss“252 die Runde. Kritik an diesem Beschluss kam insbesondere aus den Reihen der Union. Die trug den Kompromiss zwar mit, wies jedoch zugleich auf die vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten hin. In der Kritik stand insbesondere die Möglichkeit, ein Drittel der insgesamt zwölf Pflichtkurse in den drei Kernfächern durch ein anderes Fach zu „substituieren“. In die gleiche Richtung zielte die Kritik des DIHT an den Mainzer Beschlüssen. Der Verband sah durch die „vagen Empfehlungen“ der KMK die Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse weiterhin in Frage gestellt.253 Und auch die HRK, die noch im Dezember 1995 von einem „Schritt in die richtige Richtung“ gesprochen hatte254, nahm den Mainzer Beschluss zunehmend kritisch auf. In der Folgezeit führte die Ungenauigkeit und vage Formulierung der Empfehlungen tatsächlich zu erheblich voneinander abweichenden Regelungen bei der Umsetzung der Beschlüsse. Hiervon zeigte sich Bayern so enttäuscht, dass die CSU 1996 erwog, Abiturienten aus anderen – insbesondere SPD-geführten Ländern – nur noch nach einer Zusatzprüfung zum Studium an bayrischen Hochschulen zuzulassen.255 Erst als die KMK 1996 die Möglichkeiten einschränkte, Kernfächer durch sog. besondere Lernleistungen zu ersetzen, kehrte allmählich wieder Ruhe ein. d) „Baustelle“ Gymnasium Zu weiteren Irritationen und Veränderungen führte dann, nur etwas mehr als zwei Jahre nach dem – von Bayern und Baden-Württemberg zunächst mitgetragenen – KMK-Beschluss von 1995 bzw. 1996, ein gemeinsamer Vorstoß des bayrischen Kultusministers Zehetmair (CSU) und seiner baden-württembergischen Kollegin Schavan (CDU): Die beiden Länder gaben bekannt, die Trennung in Grund- und Leistungskurse abschaffen und die Zahl der Prüfungsfächer auf fünf erhöhen zu wollen. Schavan strebte darüber hinaus die weitgehende Abschaffung des Kurssystems und die Wiedereinführung des Klassenverbandes an sowie die verpflichtende vierstündige Belegung der obligatorischen Abitur-Prüfungsfächer Deutsch, Mathematik und einer Fremdsprache bis zum Abitur. Auch schwebte ihr ein Verzicht auf das seit der Vereinbarung von 1972 geltende Punkte-System vor.256 Als Begründung für ihre radikalen Reformpläne führten Schavan und Zehetmair an, dass die gymnasiale Oberstufe die Erwartungen nicht erfüllt und insbesondere nicht zu einer verbesserten Studierfähigkeit geführt habe. Das Leistungsniveau in den Grundkursen sei nicht ausreichend hoch und das Ausmaß an Spezialisierung zu groß. Das neue Modell solle Allgemeinbildung und Studierfähigkeit verbessern. 252 253 254 255 256
Schmoll, Fauler Kompromiss, FAZ v. 26. 10. 1996. dpa 50/95, S. 10. Beschluss des Präsidiums v. 11. 12. 1995, HRK, Arbeitsbericht 1995, S. 213. Führ, Bildungswesen, S. 156. dpa 18/98, S. 1 f.
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Die Bekanntmachung der Vorhaben auf der „Südschiene“ verfehlte ihre Wirkung nicht. Zehetmair bezeichnete seine Pläne denn auch als „Hallo-Wach-Mission“, um „bestimmte andere Bundesländer aus dem Tiefschlaf zu reißen“257. Es müsse möglich sein, so die Argumentation, weitergehende Abituranforderungen in Landesregelungen umzusetzen; die KMK-Vereinbarungen definierten lediglich Mindestanforderungen. Sympathien ernteten die beiden Länder für ihr Vorpreschen bei der niedersächsischen Kultusministerin Jürgens-Pieper258 (SPD). Sie unterstützte den Plan einer Rückkehr zum Klassenverband außerhalb der Schwerpunktfächer und die Forderung nach einer durchgehenden Belegung der Fächer Deutsch, Mathematik, einer Fremdsprache sowie einer Naturwissenschaft. Gegen die Pläne wandten sich jedoch sowohl das SPD-regierte NordrheinWestfalen als auch das CDU-regierte Sachsen. Auch der hessische Kultusminister Holzapfel (SPD) wies Änderungswünsche zurück und warnte ebenso wie seine Kollegin Behler vor Sprunghaftigkeit in der Bildungspolitik. Das Abitur dürfe „keine Baustelle werden“, so Behler.259 Manche Bundesländer drohten gar, Studienbewerber aus den Bundesländern mit erhöhten Anforderungen nicht mehr an ihren Hochschulen zuzulassen. Wer also besser qualifiziert wäre, sollte dafür noch bestraft werden – eine paradoxe Situation, doch Ausdruck des zum Konsens verdammenden Systems der KMK. Verwunderlich war die Kritik angesichts des noch in frischer Erinnerung verbliebenen, hart umkämpften Mainzer Beschlusses aber nicht. So lag es nahe anzunehmen, dass die süddeutschen Länder diesen Streit absichtlich vom Zaun brachen. Denn offensichtlich stellte der Vorstoß zumindest auch einen Angriff auf die KMK und den dort gepflegten „übertriebenen Gremienföderalismus“ dar, bei dem immer „der Langsamste das Tempo“ bestimme.260 Es gelte zu verhindern, so der badenwürttembergische Ministerpräsident Teufel (CDU), dass auf Kosten der Schüler bessere Ideen einem „freiwilligen Konsens des Mittelmaßes“ geopfert würden.261 Die KMK als sinnfälligstes Beispiel hierfür war CDU und FDP in Baden-Württemberg schon längere Zeit ein Dorn im Auge. Die so angegriffene KMK wandte sich bei ihren Brandenburger Beratungen im Oktober 1998 in ihrer Mehrheit, wie erwartet, gegen die Pläne Bayerns und BadenWürttembergs. Man wolle keine vorschnellen Änderungen. Allerdings gestand die KMK den Ländern mehr Gestaltungsspielraum bei der erst 1997 in Kraft getretenen Abiturvereinbarung von 1995 bzw. 1996 zu. Damit strebten die Kultusminister an, die von Experten aus Bund und Ländern, Wirtschaft und Industrie nach wie vor als zu wenig verbindlich geregelten Voraussetzungen für das Abitur zu stärken. Insbesondere sollte das Abitur den Status der allgemeinen Hochschulzugangsberechti257 258 259 260 261
dpa 2/3/98, S. 22. dpa 44/98, S. 1. dpa 19/98, S. 2. dpa 30/98, S. 24. dpa, a.a.O.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
gung behalten. Mittlerweile ging es nämlich auch darum, einen Wertverlust des Abiturs zu verhindern. Dieser – so die berechtigte Sorge mancher Beteiligter – drohe spätestens dann, wenn den Hochschulen das Recht eingeräumt werde, in begrenztem Umfang Studienanfänger selbst auszuwählen. Eine autonome Reform der gymnasialen Oberstufe in Baden-Württemberg scheiterte im Übrigen letztlich nicht an der KMK, sondern am Koalitionspartner FDP. Dieser sah in einem Alleingang ein „Mobilitätshindernis“ für Familien. Das Reformkonzept ergäbe allenfalls dann einen Sinn, wenn es bundesweit verwirklicht würde.262 Damit sperrte sich gerade die FDP gegen mehr Wettbewerb zwischen den Bundesländern und stärkte der von ihr selbst heftig kritisierten und zur Abschaffung empfohlenen KMK den Rücken. Die Diskussion über Studierfähigkeit und Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe hat den Wert des Abiturs ohne Frage dauerhaft beschädigt. Das Abitur war tatsächlich längst zu einer „Baustelle“ der Bildungspolitik geworden, bevor die hierfür verantwortlichen Minister ihre entsprechende Befürchtung äußerten. In diesen Zusammenhang passt die Forderung des DHV-Präsidenten Schiedermair, der Anfang der neunziger Jahre den Rücktritt sämtlicher Kultusminister forderte – weil sie sich an „Qualität und Ruf des Abiturs“ vergangen hätten.263 Dies geschah erwartungsgemäß nicht; die dargestellte Entwicklung bereitete aber fast zwangsläufig den Weg zu Hochschuleingangsprüfungen vor – und sei es nur, um die Hochschulen in einem ersten Schritt lediglich einen Teil der Studierenden selbst auswählen zu lassen. Insgesamt ist in den meisten Bundesländern der Trend zu erkennen, dass die Spezialisierungs- und (Ab-)Wahlmöglichkeiten der Schüler wieder eingeschränkt werden und der Fokus wieder stärker auf eine breitere Allgemeinbildung durch stärkere Gewichtung der sogenannten Kernfächer (Deutsch, Mathematik, Englisch) gesetzt wird. Durch die Bündelung von Kurswahlmöglichkeiten zu Profilen werden teilweise die durch die reformierte Oberstufe abgeschafften Klassenverbände wieder eingeführt. Bei all dem sollte nicht verkannt werden, dass an der kritisierten Qualität des Abiturs und der mangelnden Studierfähigkeit der Schulabgänger diejenigen nicht immer schuldlos waren, die später lauthals Defizite bemängelten: Lehrerausbilder nämlich, d. h. Professoren, die allzu oft ungeeignete Lehrer in die Schulen entlassen. Exkurs: Lehrerbildung Über viele Jahre hatte man sich an Meldungen über arbeitslose Lehrer gewöhnt; dann herrschte wieder Lehrermangel. Einmal wurde zur Aufnahme des Studiums animiert, dann vor dem Studium des Lehrfachs gewarnt. Die mit Zeitverzögerung eintretende Erscheinung ist bestens aus der Agrarwirtschaft bekannt: der Schwei262 263
dpa 49/98, S. 24. FAZ v. 13.3.92 (HRK-Pressespiegel 12/1992, S. 10).
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nezyklus. Wenn es so weitergeht wie bisher, lässt sich vorhersagen, dass sich dies in einem ständigen Rhythmus wiederholen wird. Man besetzt in einem zu kurzen Zeitraum die verfügbaren Stellen; der Lehrkörper altert, ohne dass kontinuierlich Nachwuchs eingestellt wird; wenn erneut die Pensionierungswelle für einen Großteil der Lehrer ansteht, wird es wieder einen Mangel geben, weil in der Zwischenzeit Kassandrarufe über schlechte Berufsaussichten potentielle Studenten abgeschreckt haben. Daraus resultiert als erstes die Forderung, eine Personalpolitik zu betreiben, die eine stetige Einstellung gewährleistet. Das würde bedeuten, dass auch Stellen frei gehalten werden, um eine laufende Erneuerung des Lehrkörpers zu ermöglichen. Dies ist politisch kaum durchzuhalten. Freie Stellen wecken immer den Appetit der Finanzminister, sie zu kassieren, um den Etat zu sanieren, insbesondere in Zeiten des Sparzwangs. Stellen nicht zu besetzen und zugleich womöglich den Ausfall von Unterricht feststellen zu müssen, ist gegenüber Eltern, der politischen Opposition usw. nicht mit Erfolg zu behaupten. Es führt auch nicht weiter, wenn gefordert wird, die Planungen über den Bedarf müssten weitsichtiger sein. In der Tat ist es schwer nachvollziehbar, dass in einem Bereich, in dem der Staat das Einstellungsmonopol hat und mindestens die Zahl der Erstklässler sechs Jahre vorher feststeht, immer wieder jener Wechsel von Überangebot und Mangel eintritt. Aber auch wenn die Planungen noch besser wären und ständig fortgeschrieben und korrigiert würden – eine befriedigende Lösung käme kaum zustande. Das liegt daran, dass Lehrer nur als Lehrer ausgebildet werden und damit grundsätzlich auf eine entsprechende Verwendung angewiesen sind. Dies lässt sich nur verhindern, wenn der Zusammenhang von Ausbildung und einseitigem beruflichen Einsatz aufgelöst wird. D. h. es dürfte nicht mehr erforderlich sein, eine Kombination von Fächern zu studieren, wie sie in der Schule üblich sind, vielmehr müsste genügen, dass jemand den Hochschulabschluss in einem Fach aufweist. Für die Einstellung zum Vorbereitungsdienst kämen also, je nach Bedarf, alle Kandidaten in Betracht, die einen akademischen Abschluss in Fächern ausweisen, die im Gymnasium angeboten werden. Dass sie womöglich nicht Pädagogik belegt haben, kann ernsthaft nicht gelten. Warum soll das nicht während des Vorbereitungsdienstes nachgeholt und praktiziert werden? Auch der Einwand, der „Ein-Fach-Lehrer“ käme als Klassenlehrer nicht in Frage, weil er zu wenig Stunden in der betreffenden Klasse erteile, überzeugt nicht. Diese Tatsache ist ohnehin nicht vermeidbar. Der Vorschlag läuft im Grunde darauf hinaus, das Studium des Lehramts abzuschaffen. Wer den Lehrerberuf anstrebt, wird eine entsprechende Fächerkombination wählen. Während der Referendarzeit muss die pädagogische Eignung nachgewiesen werden. Der Vorteil für die Studierenden liegt darin, dass sie sich nicht bereits vor Beginn des Studiums, d. h. noch als Schüler, auf den späteren Beruf festlegen müssen. Haben sie später keine Möglichkeit, Lehrer zu werden, haftet ihnen nicht der Makel
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an, sie hätten das, was sie eigentlich wollten, nicht erreicht. Für den Staat als Monopolist bei der Einstellung entfällt der Druck, ausgebildete Lehrer, für die keine Stellen vorhanden sind, zu beschäftigen. Es ist in solchen Fällen nicht anders als wenn sonstige Akademiker keine Chance haben, in den Staatsdienst zu gehen. Juristen, deren Ziel es war, Richter oder Angehöriger des öffentlichen Dienstes zu werden, kommen nicht auf den Gedanken, dass für sie Stellen geschaffen werden müssten. Lehrer, wollen sie ihr Berufsziel nicht verfehlen, sind grundsätzlich auf den Staat angewiesen. Die Forderung nach Übernahme ist nachvollziehbar. Die Entkoppelung von Ausbildung und Beruf ist nicht nur der beste Weg, das Dilemma des Wechsels von Überangebot und Mangel zu lösen. Damit wird zugleich ein Weg beschritten, dass ungeeignete Kandidaten nicht zwanghaft auf einen Berufsweg fixiert bleiben, den sie besser nicht eingeschlagen hätten. 2. Dauer der Schulzeit Die Diskussion um die Verkürzung der Gymnasialschulzeit kam – soweit ersichtlich – erstmals in den siebziger Jahren auf. Grundsätzlich galt die im sog. Hamburger Abkommen der Ministerpräsidenten zur Vereinheitlichung des Bildungswesens von 1964 festgelegte Schulzeit von 13 Jahren bis zur Hochschulreife. Die Forderung nach einer Verkürzung der Gymnasialschulzeit von 13 auf 12 Jahre war erstmals im Bildungsbericht des Bundesbildungsministeriums aus dem Jahre 1970 enthalten.264 Diese Forderung wurde jedoch nie umgesetzt. Im Bildungspolitischen Zwischenbericht des Bundesbildungsministers aus dem Jahre 1976 musste eingeräumt werden, dass über die notwendige Strukturentscheidung kein Konsens erzielt werden konnte. Ebenfalls im Jahre 1976 zog der frühere Bundeswirtschaftsminister Friderichs (FDP) angesichts der knappen Mittel des Staats u. a. eine Kürzung der Gymnasialschulzeit in Erwägung.265 Bayern und Nordrhein-Westfalen starteten in den siebziger Jahren Schulversuche mit 8-jährigen Gymnasialzügen, stellten sie aber mangels Interesse der Eltern rasch wieder ein. Dennoch nahm die CDU die Forderung nach einer generellen Verkürzung der Gymnasialschulzeit 1981 in ihr Grundsatzprogramm auf. Auf Länderebene spielte dies allerdings kaum eine Rolle. Über ein paar weitere Schulversuche kam man selbst in CDU-regierten Ländern nicht hinaus. a) Die „neuen Bundesländer“ als Impulsgeber Spätestens mit dem Hinzukommen der neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung erschien das Thema Gymnasialschulzeit wieder auf der Tagesordnung. Denn die Regelschulzeit betrug in der DDR zwölf Jahre. Der Regelungsbedarf wurde 264
Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, S. 57. Friderichs, Die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen liberaler Bildungspolitik, S. 25 ff. 265
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auf einer Konferenz der Kultusminister in Dresden 1991 deutlich. Nachdem Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen angekündigt hatten, zunächst bei einer Gymnasialschulzeit von 12 Jahren zu verbleiben, drohten andere Länder, allen voran das Saarland, damit, das Abitur aus diesen Ländern nicht mehr anzuerkennen. Nur Brandenburg führte alsbald nach der Wiedervereinigung die 13jährige Gymnasialschulzeit ein. Unter diesen Voraussetzungen konnte man sich am Ende nur auf die Einführung von Schulversuchen einigen. So kam es zunächst zu einem Nebeneinander von 8- und 9-jährigen Gymnasialzügen. Bei der Frage der Gymnasialschulzeit geht es um unterschiedliche Aspekte: Zum einen spielen pädagogische Vorstellungen eine Rolle, so z. B. die Frage, in welchem Ausmaß die jeweilige Schülerindividualität berücksichtigt werden soll, zum anderen sind strukturelle Überlegungen von Bedeutung, so z. B. die Frage, mit welchen Mitteln die Ausbildungszeit reduziert bzw. an die Ausbildungszeiten in anderen Staaten der EU angeglichen werden kann. Daneben stehen politische Aspekte, wie die Frage der Chancengleichheit, und wirtschaftliche, wie mögliche Einspareffekte, und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im Blickpunkt. Zu Beginn der neunziger Jahre gingen die einzelnen Bundesländer in der Schulzeitfrage ganz unterschiedliche Wege. Es kam Bewegung in die verhärtete Front der Ablehnung. Baden-Württemberg begann bereits zum Schuljahr 1991/92 an vier Versuchsschulen mit der Einrichtung 8-jähriger Gymnasialzüge parallel zu den herkömmlichen 9-jährigen Zügen. Kultusministerin Schavan (CDU) nannte dies später ein „Nebeneinander von zwei Schulzeit-Geschwindigkeiten“266. Landläufig wurden die offiziell als „G-8-Züge“ laufenden Modelle auch als „Turbo-Gymnasien“ bezeichnet. Eine mögliche Ausweitung dieses Schulversuches wurde aufgrund des eher zurückhaltenden Elterninteresses zunächst als „nicht akut“ angesehen. Einen ähnlichen Weg wie Baden-Württemberg ging Rheinland-Pfalz. Nachdem auch dort positive Erfahrungen mit dem Modell der zwei Geschwindigkeiten gemacht wurden, wurde es nunmehr erklärtes Ziel, bis zu 30 Prozent eines Gymnasialjahrgangs in 12 Jahren zum Abitur zu führen. Um dieses Ziel zu erreichen, richtete Rheinland-Pfalz zum Schuljahr 1997/98 weitere Modellschulen ein. Der rheinland-pfälzische Bildungsminister Zöllner (SPD) betonte allerdings immer wieder, dass es ihm nicht um eine generelle Verkürzung der Schulzeit gehe, sondern lediglich um ein freiwilliges Angebot zur Förderung besonders Begabter und Motivierter267. Bundesbildungsminister Rüttgers (CDU), begrüßte 1996 diesen Weg der zwei Geschwindigkeiten und forderte zugleich die Einführung bundesweiter Schulversuche.268 Dabei machte er keinen Hehl aus seiner Überzeugung, dass „zwölf Jahre genug“ seien.269 Auch Hessen wollte Anfang der neunziger Jahre die zwölfjährige Schulzeit an einigen Gymnasien erproben. Dieses Vorhaben wurde jedoch von Kultusministern anderer 266 267 268 269
dpa 1/2/96, S. 1. dpa 36/96, S. 20. dpa 43/96, S. 7. dpa 33/96, S. 8.
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SPD-regierter Länder torpediert und so schließlich verhindert. Hierbei wurde (wieder einmal) eine reine Sachfrage politisiert und künstlich in den Rang einer (partei-)politischen Auseinandersetzung gehoben. In Berlin richtete man 1993 zunächst zwei, später weitere drei sog. „Schnell-Läufer-Gymnasien“ ein. Diese stießen rasch auf großes Interesse der Eltern. Hintergrund war u. a. deren Wunsch, die sechsjährige Grundschulpflicht für ihre Kinder zu umgehen. Dies war möglich, da die „Schnell-Läufer“ bereits mit der Klasse 5 auf das Gymnasium wechseln konnten. Die Länder Hamburg und Nordrhein-Westfalen setzten dagegen auf Versuche, Schüler zum individuellen Überspringen von Klassen zu ermuntern. Dies wurde insbesondere als Beitrag zur Begabtenförderung gesehen. Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, die nach der Wende zunächst am achtjährigen Gymnasium festhalten wollten, strebten aus Angst davor, dass ihr Abitur von anderen Ländern nicht mehr anerkannt würde, einen Wechsel von 12 zu 13 Jahren an. In Mecklenburg-Vorpommern wurde dieser Umkehrschwung nach schwierigen Verhandlungen innerhalb der CDU/SPD-Koalition per Landtagsbeschluss vom 14. 4. 1996 zum Jahr 2000 vollzogen. Gegen den Willen der Kultusministerin Schnoor (CDU) setzte sich hierbei die SPD mit ihrer Linie durch, die eine Beibehaltung von 12 Schuljahren nur bei einer bundeseinheitlichen Regelung vorsah. Bemerkenswerterweise beschloss die mecklenburg-vorpommerische CDU trotz dieser – von ihr mit verursachten – Abstimmungsniederlage, bundesweit für 12 Schuljahre bis zum Abitur einzutreten.270 In Sachsen-Anhalt verwies Kultusminister Reck (SPD) vor allem darauf, dass die Einführung von Samstagsschule oder Ganztagesschule verhindert werden müsse; dies drohe aber, um der erhöhten Stundenverpflichtung nachkommen zu können.271 Mit dieser Begründung beschloss das rot-grüne Magdeburger Kabinett im April bzw. Juni 1997 die Einführung des 13. Schuljahres ab dem Schuljahr 1999/2000.272 Demgegenüber hielten sowohl Sachsen als auch Thüringen an 12 Jahren als Regelschulzeit des Gymnasiums fest. Entsprechend harsch kommentierte Sachsens Kultusminister Rößler (CDU) den Schulzeitbeschluss in Magdeburg: Den jungen Leuten werde „noch ein Jahr Schule aufgedrückt und damit ein Jahr Lebenszeit gestohlen“273. Nach der Dresdner Konferenz von 1991 war es – abgesehen von den erwähnten Maßnahmen auf Länderebene – zunächst wieder ruhiger geworden um das Thema Schulzeitverkürzung. Diese Ruhe trog allerdings. Da nämlich das Ost-Abitur von den Hochschulen der alten Länder nur bis 1994 als Studienberechtigung anerkannt wurde, drängte sich die Notwendigkeit einer Neuregelung geradezu auf. Wie eine Initialzündung hierfür wirkte der Vorstoß der Länderfinanzminister auf einer Konferenz über den Solidarpakt im Februar 1993 in Potsdam. Angeregt durch die
270 271 272 273
dpa 18/96, S. 17. dpa 40/96, S. 22. dpa 19/97, S. 20 f. und 26/97, S. 18. dpa 26/97, S. 18.
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„Tatarenmeldung“274 des sächsischen Finanzministers Milbradt (CDU), dass das 13. Schuljahr in ganz Deutschland abgeschafft werden sollte, stachen die Finanzminister in ein Wespennest. Unter dem Druck der leeren Kassen sprachen sie sich einstimmig für die Verkürzung der Gymnasialschulzeit auf 12 Jahre aus. Das Ziel dieses Vorstoßes war klar: Bis zu 15.000 Lehrerstellen sollten eingespart werden, um die Länderhaushalte zu entlasten. Dass die Bildungspolitik gar nicht in das Finanzressort fällt, interessierte dabei niemanden. Unterstützt wurde der Vorschlag vom damaligen Bundesbildungsminister Ortleb (FDP). Mit diesem Vorstoß erhielt die Diskussion um die Dauer der Gymnasialzeit eine ungeahnte Dynamik. War die Debatte bisher vorwiegend unter dem Aspekt der Verkürzung der Ausbildungszeiten (d. h. einem schnelleren Studienbeginn) geführt worden, so rückte mit dieser Initiative der fiskalische Gesichtspunkt in den Vordergrund. Unterstützung fand der Vorstoß der Finanzminister beim baden-württembergischen Ministerpräsidenten Teufel (CDU), der im März eine Beschlussvorlage für die KMK formulierte, die auf eine Verkürzung der Gymnasialschulzeit binnen fünf Jahren zielte.275 Dies lag ganz auf der programmatischen Linie der Bundes-CDU, die bereits 1981 eine Verkürzung der Gymnasialschulzeit gefordert hatte. Im bildungspolitischen Grundsatzprogramm der CDU aus dem Jahre 1993 war diese Forderung wiederholt worden. Auch die Junge Union und die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft stellten sich hinter die Forderung nach einer Verkürzung der Gymnasialschulzeit auf 12 Jahre; die Position der Wirtschaft schien jedoch angesichts gleichzeitiger Forderungen nach zusätzlichen Fächern wie Technik und Ökonomie sowie einer dritten Fremdsprache in der gymnasialen Oberstufe eher widersprüchlich. Vor allem aber sprachen sich zur allgemeinen Überraschung einige der – in ihren Ländern finanziell stark gebeutelten – SPD-Ministerpräsidenten wie Lafontaine (Saarland) und Eichel (Hessen) für eine Verkürzung aus. Die SPD-Front der Ablehnung begann zu bröckeln. Der im Frühjahr 1993 von einigen Ministerpräsidenten angestrebte Grundsatzbeschluss wurde wegen des anhaltenden Diskussionsbedarfs auf das Jahr 1994 verschoben. Allerdings hielt man nach wie vor an der Forderung nach einer bundesweit einheitlichen Schulzeit fest.276 Später wurde die Entscheidung dann in Anbetracht des „Super-Wahljahrs“ 1994 nochmals um ein Jahr auf 1995 vertagt und die Kultusminister mit der vorherigen Ausarbeitung einer Lösung beauftragt. Die Kultusminister selbst hatten das Thema im Herbst 1993 ebenfalls hinausgeschoben, nachdem sich abzeichnete, dass sie sich bis Ende 1994 nicht würden einigen können. Es wurde zunächst ein Moratorium bis zum Jahre 2000 vereinbart; so lange sollte das Ost-Abitur bundesweit anerkannt bleiben. Auf einer KMK-Tagung Ende November 1995 in Mainz einigten sie sich zur Wahrung der Vergleichbarkeit nach langem Ringen auf eine flexible Lösung. Es wurde eine verbindliche 274 275 276
So Geldner im Leitartikel der Stuttgarter Zeitung v. 10. 3. 1993. Stuttgarter Zeitung v. 24. 3. 1993, S. 6. dpa 45/93, S. 3.
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Gesamtstundenzahl von 265 Wochenstunden Unterricht vereinbart, die am Gymnasium bis zum Abitur gegeben werden muss.277 Den Ländern blieb freigestellt, ob sie diese 265 Unterrichtswochenstunden in acht oder in neun Jahren vermitteln wollen – eine Lösung, die salomonischer nicht hätte sein können. Eine endgültige Entscheidung hatten die Kultusminister der Länder auf das Jahr 2000 verschoben. Der in Mainz verabschiedete Kompromiss entsprach mit seiner Öffnungsklausel der Position bzw. Praxis der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. b) Bedenken aus unterschiedlichen Interessen In der Folgezeit meldeten sich die Bedenkenträger zu Wort. Insbesondere der Philologenverband und die GEW standen ausnahmsweise einmütig gegen das Vorhaben. Wenngleich die wahre Ursache für die Ablehnung wohl eher in Verbandsinteressen zu suchen war, gelang es den Lehrerverbänden doch, ihre Ablehnung mit starken Worten in sachlich motivierte Argumente zu kleiden. Der badenwürttembergische Philologenverband sah in den Plänen einen „Ausverkauf des Gymnasiums durch die Finanzminister“278, der bayrische Philologenverband sprach von einem „Enthauptungsschlag für das Gymnasium“279, der bundesweite Dachverband der Philologen gar von einem „Betrug an zukünftigen Abiturienten- und Studentengenerationen“. Der Wegfall des 13. Schuljahrs werde zwangsläufig zu Qualitätseinbußen führen.280 Um dies zu untermauern, ließen die Philologen 1996 gar das 12-jährige Ost-Abitur von Schülern der Klassen 10 – 12 an bayrischen Gymnasien nachschreiben.281 Andere Kritiker hielten den Befürwortern einer Verkürzung vor, dass hierbei der Einspareffekt im Vordergrund stehe. Diesem Eindruck widersprach die baden-württembergische Kultusministerin Schavan. Die Diskussion um die Verkürzung der Schulzeit werde nicht finanzpolitisch geführt. Das Modell sei – zumindest in Baden-Württemberg – ausdrücklich kein Sparmodell. Andere Befürchtungen insbesondere linker Politiker gingen dahin, dass mit einer Verkürzung der Gymnasialschulzeit eine Erhöhung der Anforderungen einhergehe, weil dieselbe Stoffmenge in weniger Zeit absolviert werden müsse. Dies führe zwangsläufig zu einer Reduzierung der Abiturientenzahlen und damit zur Renaissance des Gymnasiums als Elite-Einrichtung. Auch verband sich mit einer Verkürzung der Schulzeit die Sorge, dass das Abitur durch damit möglicherweise verbundene Stoffkürzungen als hinreichende Voraussetzung für den Hochschulzugang entwertet würde. Wie die Reaktionen der HRK zeigten, war diese Befürchtung nicht völlig aus der Luft gegriffen: Man wollte Hochschuleingangsprüfungen zumindest nicht mehr ausschließen. Angesichts dessen vollzog Baden-Württembergs Finanz277 278 279 280 281
dpa 49/95, S. 1 f. dpa 31/96, S. 18 f. SZ v. 2. 3. 1993. dpa 31/96, S. 18 f. dpa 45/96, S. 4.
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minister Mayer-Vorfelder (CDU) mehrfache Kehrtwendungen. Während er als Finanzminister anfänglich noch für eine Streichung des 13. Schuljahres plädiert hatte – im Gegensatz zu seiner strikten Position als Kultusminister –, betonte er nunmehr, dass ein 13. Schuljahr billiger sei als möglicherweise notwendige Vorbereitungskurse an der Universität. Auch im CSU-regierten Bayern verwahrten sich sowohl Ministerpräsident Streibl als auch Kultusminister Zehetmair gegen den Vorstoß der Finanzminister – den bayrischen eingeschlossen. Zehetmair nannte die Pläne „unüberlegt“ und „kurzfristig nicht realisierbar“. Der hessische Kultusminister Holzapfel (SPD), sprach gar von einer „Milchmädchenrechnung“. So kann im Ergebnis gesagt werden, dass die Finanzminister mit ihrem Vorstoß genau das Gegenteil dessen erreicht hatten, was sie wollten. Angesichts der offensichtlichen Verkürzung des Themas auf eine Spardebatte wandten sich mehr und mehr auch die bisherigen Befürworter von einer Verkürzung ab. c) Kompromissvorschläge In der Folgezeit suchte man in der Diskussion vermehrt nach vermittelnden Vorschlägen. So wurden als Kompromisslösung ältere Entwürfe aufgegriffen, die eine Verkürzung der Gymnasialzeit um nur ein halbes Jahr auf dann 121/2 Jahre vorsahen.282 Diese Überlegung zielte darauf, durch eine frühe schriftliche Abiturprüfung Anfang Januar und eine auf Ende März vorgezogene mündliche Abiturprüfung drei Monate Zeit für die Abiturienten zu gewinnen und damit einen Studienbeginn zum Sommersemester zu ermöglichen. Auch wurden zwischenzeitlich Alternativen wie 12 Jahre Schulzeit plus ein Jahr Hochschul-Vorbereitung („vorakademisches Jahr“)283 oder 12 Jahre Schulzeit plus ein Jahr Auslandsaufenthalt bzw. ein Jahr Sozialarbeit erörtert. Diese Modelle konnten sich in der Diskussion jedoch nicht durchsetzen. Intensiver diskutiert wurde lediglich die Idee einer Verkürzung der Schulzeit auf 121/2 Jahre – allerdings noch vor den Mainzer Beschlüssen von 1995. Für 121/2 Jahre setzte sich zunächst der baden-württembergische SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Maurer ein. Daneben zeigten sich auch die damalige Kultusministerin Baden-Württembergs, Schultz-Hector (CDU), und Wissenschaftsminister v. Trotha (CDU) offen für ein solches Modell.284 Die Pläne verschwanden jedoch in der Schublade. Erst im Jahr 1998 wurde die Idee vom rheinland-pfälzischen Kultusminister Zöllner (SPD) wieder aufgegriffen, im Landtag verabschiedet und schließlich auch von der KMK genehmigt. Damit war Rheinland-Pfalz seit dem Schuljahr 1999/2000 das erste Bundesland, das seine Schüler nunmehr regulär in 282 Bereits 1991: Turner, Einfachste Formel lautet zwölfeinahl (HB v. 7. 3. 1991, S. 2 – HRK-Pressespiegel Nr. 10/1991, S. 20). 283 So der Vorschlag des Bundes Freiheit der Wissenschaft, dpa 10/97, S. 18. 284 dpa 37/93, S. 20 f.
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121/2 Jahren zum Abitur führte. Im Juni 1998 hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Simonis (SPD) ebenfalls Sympathien für das Modell 121/2 Jahre bekundet.285 Im Januar 1999 kam es dann in Sachsen-Anhalt zu einer erstaunlichen Wende. Nicht einmal ein Jahr nach dem Parlamentsbeschluss, die Gymnasialschulzeit auf 13 Jahre zu verlängern, kündigte der zwischenzeitlich ins Amt gekommene Kultusminister Harms (Bündnis 90/Die Grünen) an, das Abitur nunmehr bereits nach 121/2 Jahren ablegen zu lassen.286. Noch ehe also die ersten Schüler das 13. Jahr erreicht hatten, wurde schon wieder dessen Abschaffung geplant. Nach den Mainzer Beschlüssen war es bundesweit wieder einige Zeit still um das Thema Schuldauer geworden. Erst in den späten neunziger Jahren wurde – im Zuge des europäischen Integrationsprozesses und eines Vergleichs der Ausbildungszeiten in Deutschland mit denen in anderen Staaten – wieder verstärkt über eine Schulzeitverkürzung nachgedacht. Dabei wurde besonders hervorgehoben, dass in einer Zeit, in der die Weiterbildung von immer größerer Bedeutung sein würde, die Zeit der Erstausbildung generell verkürzt werden müsse.287 Im September 1996 sprachen sich zunächst der FDP-Bundesvorstand288 und im Herbst 1997 dann in einem Grundsatzpapier auch mehrere FDP-Fraktionsvorsitzende aus den Ländern und Parteichef Gerhardt für ein Abitur nach zwölf Jahren aus.289 Allen Einsichten zum Trotz hatte die CDU lange Zeit keinen Mut, ihre Programmforderung nach der generellen Verkürzung der Gymnasialschulzeit in die Praxis umzusetzen – obwohl sie dazu in den von ihr regierten Ländern alle Möglichkeiten gehabt hätte. Als Argument diente stets, dass eine Benachteiligung der Landeskinder gegenüber Kindern aus anderen Bundesländern durch evtl. zurückgehende Abiturientenquoten und schlechtere Abiturnoten drohe. Erst 1998 unternahm in Baden-Württemberg der CDU-Fraktionsvorsitzende Oettinger einen neuen Vorstoß für die generelle Einführung des 8-jährigen Gymnasiums, die er schon während der Diskussionen im Frühjahr 1993 öffentlich begrüßt hatte. Dieser neuerliche Vorstoß stand auch in Zusammenhang mit den zunehmenden Klagen von Eltern und Verbänden290 über die „Turbo-Gymnasien“ und den rechtlichen Bedenken, die eine geplante flächendeckende Ausweitung der G-8-Züge unter dem verwendeten Etikett „Schulversuch“ mit sich brachte. Baden-Württemberg hatte die Zahl der Versuchsschulen im Lauf der Jahre auf 35 im Schuljahr 1998/99 erhöht, was einen Anteil von knapp 10 Prozent der 360 Gymnasien des Landes ausmachte. Die ursprünglich noch höher gesteckten Ziele ließen sich allerdings nicht so rasch wie 285
dpa 27/98, S. 19. dpa 4/99, S. 20. 287 Turner, Erstausbildung und Weiterbildung als entscheidende Bausteine der beruflichen Qualifikation, Technische Akademie Esslingen – Aktuell Nr. 2/96, S. 3 ff. 288 dpa 37/96, S. 2. 289 dpa 44/97, S. 6. 290 Zur Kritik des baden-württembergischen Philologenverbands, dpa 48/97, S. 22. 286
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geplant erreichen. Beim flächendeckenden Ausbau wurde insbesondere mit der Notwendigkeit einer Chancengerechtigkeit für die Schüler im ländlichen Raum argumentiert. Der GEW-Landesvorsitzende warf der Ministerin daraufhin eine „Salami-Taktik“ zur grundsätzlichen Einführung des 8-jährigen Gymnasiums vor. Angesichts der zunehmenden Bedeutung des lebenslangen Lernens wehrte er sich allerdings nicht mehr grundsätzlich gegen eine Verkürzung der Schulzeit.291 Dass zum Ende des Jahrtausends tatsächlich Bewegung in die Schulzeit-Diskussion gekommen war, zeigte das – unter dem Eindruck der Bundestagswahl entstandene – neue Bildungsprogramm der SPD aus dem Jahr 1998. Dort öffnet sich die SPD zumindest für flexible Schulzeiten bis zum Abitur und bestätigte damit die Linie der KMK. Und auch der baden-württembergische Philologenverband signalisierte unter dem Stichwort „Förderung leistungsstarker Schüler“ eine moderate Zustimmung zu Versuchen mit dem 8-jährigen Gymnasium und rückte damit von seiner früher festzementierten Haltung ab.292 In Niedersachsen begrüßte der Philologenverband gar das Vorhaben der SPD-Landesregierung zur Einführung eines 8jährigen „Begabten-Abiturs“.293 Beflügelt durch die wachsende Zustimmung mehrten sich nun auch in der CDU die Stimmen, die offensiv für eine generelle Schulzeitverkürzung eintraten, so z. B. in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Und schließlich rang sich auch Bayern noch zur Einrichtung 8-jähriger Gymnasialzüge für besonders Begabte durch.294 So blieb am Ende des 20. Jahrhunderts der bayrische Philologenverband als fast schon einziger Rufer gegen eine verkürzte Gymnasialschulzeit – und sei sie nur Versuch.295 d) „Zurück auf Los“ Inzwischen ist wieder eine Wende zu verzeichnen. Das Geschrei war groß: Die Verkürzung der Schulzeit im Gymnasium von 9 auf 8 Jahre sei nicht zu bewältigen; die Kinder litten unter Stress, es würde eine freud- und sportlose Jugend aufwachsen, die keinen Bezug zur Kunst entwickeln könne und der auch für die Entwicklung von Freundschaften keine Zeit bliebe: eine bemitleidenswerte Generation. Die sog. alte Bundesrepublik gehörte zu den wenigen Ländern, die Jugendliche 13 Jahre in die Schule gehen ließen, bis sie die Hochschulberechtigung erwarben. Sind die jungen Menschen überall in der Welt verkorkst und waren es nur die bundesrepublikanischen, dank des 13. Schuljahres nicht? Warum gibt es in den neuen Ländern, die beim Abitur nach 12 Schuljahren geblieben sind, deutlich weniger oder gar keine Klagen? Sind es in den alten Ländern Übergangsprobleme?
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dpa 14/98, S. 24. dpa 30/98, S. 24. dpa 51/98, S. 23. dpa 23/98, S. 7. dpa 51/98, S. 23.
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Gründe für die zeitliche Straffung waren der Vergleich mit dem Ausland und ein gewisser Leerlauf in der Oberstufe, besonders in der 11. Klasse und nach Abschluss der schriftlichen Abiturarbeiten. Deshalb wäre organisatorisch hier anzusetzen296. Wenn allerdings der „Leerlauf“ von 13 II auf 12 II übertragen wird, darf man sich nicht wundern, wenn es schwierig wird, den erforderlichen Stoff unterzubringen. Wenn organisatorische Maßnahmen versäumt worden sind und stattdessen Mittelund Unterstufe überfrachtet wurden, ist das ein Fehler, der zu korrigieren ist. Es gibt sicher eine Reihe weiterer berechtigter Kritikpunkte, die sich auf Versäumnisse bei der Umstellung beziehen. Sie sind entweder durch eine bessere Organisation zu lösen oder bedürfen des Einsatzes finanzieller Mittel. Schließlich „spart“ man ja durch Wegfall der 13. Klasse. Falsch allerdings wäre, das Fächerangebot zu reduzieren, etwa durch Verringerung des naturwissenschaftlichen Unterrichts. Im Gegenteil. Von Zeit zu Zeit wird, je nach Aktualität, sogar gefordert, dass das eine oder andere Fach neu in den Kanon aufzunehmen sei, so z. B. „Wirtschaft“, um die Jugendlichen besser auf das Berufsleben, aber auch auf das Leben als Bürger und Privatperson und Konsument vorzubereiten. Die Situation bei der Schulzeit ähnelte einem Flickenteppich. Beispielhaft galt – als Zwischenzustand folgendes: In Hessen und Schleswig-Holstein ist eine parallele Entwicklung zur Beibehaltung der längeren Schulzeit zu verzeichnen. Es besteht künftig abhängig vom Schulstandort die Möglichkeit, die Abiturprüfungen wie bisher erst nach neun Schuljahren abzulegen. In Hessen startete im Herbst 2013 eine schwarz-grüne Koalition. Von den 107 Gymnasien im Land werden voraussichtlich 31 reine G8-Gymnasien sein. 22 bisherige G8-Gymnasien wollten im Schuljahr 2014/2015 zurück zu G9 wechseln. In Nordrhein-Westfalen konnten Gymnasien Ende 2010 beantragen, im Rahmen eines Schulversuchs wieder von acht auf neun Jahre umzusteigen. Den Antrag stellten bis zum Ende der Bewerbungsfrist (30. Dezember 2010) 13 der 630 Gymnasien in Nordrhein-Westfalen. In Baden-Württemberg wurde im Schuljahr 2012/2013 ein Modellversuch zur Wiedereinführung des G9 an 22 Schulen gestartet. Weitere 22 Schulen folgten im Schuljahr 2013/14. Der Modellversuch läuft sieben Jahre (bis der erste Jahrgang Klasse 11 erreicht) und startet derweil jedes Jahr in Klasse 5. Im Anschluss besuchen die Modellversuchs-G9-Schüler zusammen mit Schülern des G8 die Kursstufe in den Jahrgangsstufen 12 – 13 (11 – 12 für G8). Somit wird der Modellversuch für den ersten Jahrgang 2021/2022, komplett aber erst in den Jahren 2026/2027 bzw. 2027/ 2028 abgeschlossen sein, wenn die letzten Modelljahrgänge das Abitur ablegen. 296 Turner, bereits in DUZ 1985 (DUZ-Disput), Heft 22, S. 5; ferner in Wirtschaftswoche 1989, Nr. 41, S. 52; Welt am Sonntag v. 10. 9. 1989, S. 4; HB v. 7. 3. 1991, S. 2; FAZ v. 26. 10. 1991, S. 27; HB v. 13. 11. 1991, S. 10; Die Welt v. 13. 5. 1993, S. 7; HB v. 1. 10. 1996, S. 2; Der Tagesspiegel v. 22. 10. 1996, S. 8.
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Das Land Niedersachsen beschloss 2014 die Abkehr vom G8-Gymnasium und die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium, die mit Beginn des Schuljahres 2015/16 für die in den fünften bis achten Jahrgangsstufen befindlichen Schüler vollzogen wurde. Die Schüler in den Jahrgangsstufen 9 bis 12 müssen das Abitur noch nach den alten G8-Plänen am Ende des zwölften Schuljahres absolvieren, sollen jedoch Erleichterungen und zusätzliche Unterstützung zur Minderung der schlimmsten G8bedingten Probleme bekommen. Als reine Panikreaktion und puren politischen Opportunismus muss man es ansehen, wenn die Reform gänzlich rückgängig gemacht wird. G8 ist organisatorisch zu bewältigen, sodass Klagen von Eltern und Schülern sich erledigen, soweit sie berechtigt sind. Wenn früher Schlendrian und vertrödelte Zeit gerügt wurden und u. a. Anlass für die Reform waren, durfte man sich bei G 8 nicht über einen engeren Stundenplan wundern. Das Gymnasium ist keine Wellness-Oase. Die generell festzustellende Tendenz der Rückkehr zum 13-jährigen Gymnasium ist nichts anderes als die Kapitulation vor Interessenvertretern und die Unfähigkeit zu einer konstruktiven Gestaltung der verkürzten Schulzeit. Es wird nicht lange dauern, bis erneut der Ruf nach Verkürzung der Ausbildungszeit laut werden wird. 3. Zulassungsbeschränkungen Trotz des verstärkten Ausbaus von Hochschulen in den sechziger Jahren war infolge des erneuten Anschwellens der Studienbewerberzahlen in einer Reihe von Studienfächern eine Zulassungsbeschränkung notwendig geworden. Sie betraf zunächst vor allem naturwissenschaftliche Fächer, insbesondere das Studium der Humanmedizin, für das sämtliche Ausbildungsstätten bereits Ende der sechziger Jahre Zulassungsbeschränkungen eingeführt hatten. Als die WRK in einer Entschließung vom 27. 3. 1968297 den Numerus clausus als „zu befristende Notmaßnahme“ bezeichnete, ahnte noch niemand, dass dieses Thema die Hochschulpolitik für die nächsten Jahrzehnte dominieren würde. a) Bedarf an Studienplätzen Noch im Glauben, des Problems Herr werden zu können, wurde als eine der ersten Maßnahmen zur Überwindung der Zulassungsbeschränkungen im Juni 1970 per Abkommen eine Bund/Länder-Kommission für Bildungsplanung einberufen, die einen Bildungsgesamtplan aufstellen und den hierfür erforderlichen Finanzbedarf ermitteln sollte. Es ging darum, den voraussichtlichen Bedarf an Studienplätzen zu prognostizieren. Der Wissenschaftsrat befasste sich währenddessen vor allem mit der Berechnung der Hochschulkapazitäten. Am dringlichsten schien jedoch zunächst eine Koordinierung der Auswahlkriterien für die Zulassungsverfahren. Hierum be297
HRK, Stellungnahmen, Bd. IV, S. 17.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
mühte sich die KMK Ende der sechziger Jahre. In den Ländern wurde die nähere Regelung der Zulassungsverfahren allerdings meist an die Exekutivorgane oder die Hochschulen selbst übertragen; Grundlage hierfür waren Bestimmungen in den neu erlassenen Hochschulgesetzen der Länder. Insofern blieb es trotz der Bemühungen der KMK bei der zwischenzeitlich eingetretenen erheblichen Zersplitterung. Um dem zu begegnen, sollte das neue Hochschulrahmengesetz (HRG) des Bundes, das aufgrund des Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG entworfen wurde, Vorschriften für die Landesgesetzgebung zur bundeseinheitlichen Regelung des Verfahrens bei Zulassungsbeschränkungen enthalten. Mitten in die Gesetzesvorbereitungen zum HRG platzte das folgenschwere NCUrteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)298. Auslöser dieses Urteils war eine absolute Zulassungsbeschränkung für das Medizinstudium in Hamburg und Bayern. Dies, so das BVerfG, sei „am Rande des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren“. Das Grundrecht auf freie Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte (Art. 12 GG) begründe in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein Recht auf Zugang zum Hochschulstudium, das nur gesetzlich und nur dann eingeschränkt werden dürfe, wenn alle vorhandenen Ausbildungskapazitäten erschöpfend genutzt und alle „hochschulreifen“ Bewerber eine Chance erhalten würden. Unter ihnen müsse nach sachgerechten Kriterien ausgewählt werden. Dies machte sowohl eine gesetzliche Regelung der Zulassungsvoraussetzungen und -verfahren als auch des Verteilungsverfahrens erforderlich. Aufgrund der politischen Situation sah sich die sozial-liberale Bundesregierung jedoch nicht in der Lage, das Urteil in Gesetzesform umzusetzen; sie war angesichts der anstehenden Neuwahlen nach dem gescheiterten Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Brandt praktisch handlungsunfähig. Die Verhandlungen über das HRG stockten. So schlossen die Länder im Oktober 1972 einen Staatsvertrag und richteten die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) in Dortmund ein.299 Die ZVS ersetzte eine zentrale Registrierstelle, die im Jahre 1967 von der WRK gegründet worden war und bis zum Jahre 1972 die Bearbeitung der Studienbewerbungen in den Fächern Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin, Pharmazie, Architektur, Psychologie, Biologie und Chemie wahrgenommen hatte.
298
Urteil v. 18. 7. 1972 (BVerfGE 33, 303). In späteren Urteilen hat das Bundesverfassungsgericht dies bestätigt und präzisiert: Bonus-Malus-Urteil (BVerfGE 37,104); Feststellung der Kapazität (BVerfGE 40,352), wo allerdings nicht gefordert wird, dass die Studienanforderungen gesenkt werden, um mehr Studienbewerber aufzunehmen, also nicht etwa ein „Verbot der Niveaupflege“ ausgesprochen wird, wie gelegentlich polemisch kolportiert wurde. Am 19. Dez. 2017 hat das BVerfG die teilweise Verfassungswidrigkeit des Zulassungsverfahrens festgestellt. 299 Die ZVS geriet wegen des bürokratischen Verfahrens schnell in die Kritik, vgl. Turner, Schafft die ZVS ab, Die Zeit v. 29. 2. 1980, S. 12.
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b) Bürokratische Regelungen Die Vergabe der Studienplätze wurde von den Ländern in den folgenden Jahren in drei Staatsverträgen geregelt.300 Sie enthalten – die Aufgaben der ZVS, – das Verfahren bei der Kapazitätsermittlung und der Festsetzung der Zulassungszahlen, – die Einbeziehung von Studiengängen in die Verteilungsverfahren, – die Verfahrensarten sowie die – Verteilungs- und Auswahlverfahren. Mit diesen Staatsverträgen wurden Anfang der siebziger Jahre auch das allgemeine und das besondere Auswahlverfahren geschaffen. Im Rahmen des allgemeinen Auswahlverfahrens gemäß § 32 HRG, von der ZVS durchgeführt, wurden 60 % der Studienplätze nach der Abiturquote und 40 % nach der Wartezeit vergeben. Daneben wurden sog. Vorabquoten vorgesehen, beispielsweise für Ausländer und Härtefälle. Diese Vorabquoten reduzieren die Zahl der zur Verfügung stehenden Studienplätze für Bewerber ohne besondere Merkmale schon von vornherein. Waren nach Abschluss des allgemeinen Auswahlverfahrens noch Studienplätze zu vergeben, so entschied das Los darüber, welche Bewerber zum Studium zugelassen wurden. Als zweites Verfahren wurde das besondere Auswahlverfahren gemäß § 33 HRG eingerichtet, das zuvor nur für die medizinischen Studiengänge Anwendung fand. Das sog. Feststellungsverfahren ist Teil des besonderen Auswahlverfahrens. Es fand in Form bundeseinheitlicher Tests (der sog. Medizinertests) statt. Mit dem Wintersemester 1997/98 wurden dem besonderen Auswahlverfahren keine Studiengänge mehr zugeordnet; deshalb fiel auch der Medizinertest zu diesem Zeitpunkt weg. Dieser Vorgang ist geradezu bezeichnend für die Wirrungen bei den Zulassungsverfahren im Bereich des Medizinstudiums. Mit Beschluss vom 30. 3. 1979 hatte die KMK erste Tests für die Hochschulzulassung in medizinischen Fächern initiiert. Dies mündete am 29./30. 9. 1983 in eine „Absprache über die Neuregelung des Zulassungsverfahrens zu den medizinischen Studiengängen“, die ab dem Wintersemester 1986/87 galt.301 Als dann immer stärker über die Einführung allgemeiner Hochschuleingangsprüfungen diskutiert wurde302, schaffte die KMK im Jahr 1996 den bis dato als Prototyp aller Eignungsprüfungen geltenden Medizinertest wieder ab.303 300 Staatsverträge v. 20. 10. 1972, 23. 6. 1978 und 12. 3. 1992 (Führ, Bildungswesen, S. 194 f.). 301 Demnach wurden 45 % der verfügbaren Studienplätze über eine Kombination von Abiturnote und Testergebnis, 10 % der Studienplätze alleine nach dem Testergebnis und der Rest nach einem differenzierten Verfahren vergeben (Auswahlgespräche, Wartezeiten, Ausländerquote). 302 Z. B. erste Forderungen der Industrie, dpa 23/95, S. 15 f.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Große Probleme bereitete Anfang der siebziger Jahre die Frage, unter welchen Bedingungen eine Zulassungsbeschränkung möglich ist bzw. wie viele Studienbewerber in den einzelnen zulassungsbeschränkten Studienfächern zugelassen werden müssen. Um die jährliche Aufnahmekapazität der einzelnen Hochschulen zu ermitteln, wurde schon 1974 die erste sog. Kapazitätsverordnung erlassen. In der Folgezeit überzogen zahlreiche weitere Kapazitätsverordnungen das Land und wurden zum Schlüssel der Hochschulentwicklung. Zur Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität einer Hochschule wurde der sog. Curricularnormwert erarbeitet. Er bestimmt den Betreuungsaufwand der Hochschule für die Ausbildung eines Studenten. Bedeutung erlangt dieser Wert vor allem in zulassungsbeschränkten Studiengängen; die Curricularnormwerte sind als Anlage zur Kapazitätsverordnung ausgewiesen. Sogenannte Flächen- und Personalrichtwerte sollten der notwendigen Ermittlung der flächenbezogenen Studienkapazitäten dienen. Zur Berechnung der Hochschulkapazitäten und der vielen damit verbundenen Einzelprobleme fasste die WRK im Laufe der Jahre zahllose Beschlüsse. Nach einem komplizierten Verfahren errechnete die HRK danach für 1998 ein Verhältnis von 1,86 Mio. Studierenden auf nur 900.000 flächenbezogenen Studienplätzen. Um die Zustände an den Hochschulen zu beschreiben, wurden die Begriffe „Überlast“ und „Höchstlast“ geprägt. Unter Höchstlast versteht man die maximale Aufnahmekapazität in einem Studiengang, wie sie sich aus den Berechnungen gemäß der Kapazitätsverordnung ergibt. Bei Überlast ist dieser Wert überschritten. Seit den Zeiten der Öffnungsdiskussion304 ist die Klage der Hochschulen über bestehende Überlasten zur Normalität geworden. So nahm die ZVS im September 1976 schließlich 21 Fächer aus dem Numerus-clausus-Verfahren heraus. Hiergegen wandte sich die WRK. Der Beschluss der ZVS sei für Öffentlichkeit und Bewerber trügerisch305. Auch später sparte die WRK nicht mit Kritik am politischen Opportunismus der Länder beim Zulassungsrecht. Diese stellten, so die WRK im Jahr 1988306, mit politischer Unterstützung des Bundes die rechtlichen Grundsätze ihres selbstgeschaffenen Instrumentariums offenbar hintan, als sie unter Hinweis auf vermeintlich gute Berufsaussichten wiederholt einen überfälligen Numerus clausus in Fächern mit hohen Überlastquoten verweigerten. Die Kritik der Rektoren ließ die Politiker jedoch lange Zeit unbeeindruckt – bis die HRK den Öffnungsbeschluss von 1977 im Jahre 1991 aufkündigte, wobei dies – angesichts der Rechtslage – nur deklamatorische Wirkung hatte.
303 dpa 39/96, S. 5 f. Gegen die Abschaffung sprach sich u. a. Baden-Württembergs Wissenschaftsminister v. Trotha aus; dies sei ein „falsches Signal“. 304 s. o. B. I. 2. 305 WRK, Arbeitsbericht 1976, S. 183 f. 306 WRK, Arbeitsbericht 1988, S. 35 ff.
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Mit dieser Entwicklung verlor das Abitur allmählich seinen Charakter als hinreichende Hochschulzugangsberechtigung.307 Angesichts der veränderten Lage an den Hochschulen, insbesondere der Überlast infolge der knappen räumlichen, personellen und sächlichen Mittel, konnte der Rechtsanspruch auf ein Studium nicht mehr unbeschränkt eingelöst werden. Die Abkehr vom freien Hochschulzugang allein aufgrund des Abiturs wurde deutlich. Dies manifestierte sich durch Forderungen der HRK nach einem schärferen Numerus clausus, um den Hochschulzugang zu bremsen. HRK-Präsident Landfried drohte 1997 gar damit, höhere Zulassungshürden vor dem Bundesverfassungsgericht zu erstreiten, sollten die Länder die Hochschulen nicht materiell besser ausstatten.308 c) Eingangsprüfungen Weitere Überlegungen zum Hochschulzugang zielten deutlich auf die Einführung von Eingangs- bzw. Eignungsprüfungen an den Hochschulen ab. Diese Diskussion um Auswahlverfahren beruhte nicht nur auf den Klagen über die mangelnde Studierfähigkeit der Studienbewerber, sondern betraf vor allem Forderungen nach mehr Wettbewerb um Studierende mit dem Ziel beispielsweise einer Profilierung der einzelnen Hochschulen. Nicht wenige Hochschulen befürworteten hochschuleigene qualitative und quantitative Ziele und einen Wettbewerb um möglichst auf das Profil der Hochschule hin orientierte Studierende309. Strittig hinsichtlich eines Auswahlrechts waren jedoch stets die Kriterien, nach denen die Hochschulen auswählen sollten. Neben Aufnahmeprüfungen in Form schriftlicher oder mündlicher Tests gab es immer wieder Forderungen nach einer Gewichtung der Abiturnoten gemäß ihrer Bedeutung für das Studienfach oder nach bestimmten Zusatzqualifikationen der Bewerber als mögliche Kriterien für eine bevorzugte Zulassung. Bedenken gegen Eingangsprüfungen wurden häufig damit begründet, dass eine Abschlussprüfung aussagekräftiger sei als eine Zugangsprüfung, die eine Prüfung vor eigentlicher Leistung sei. Exakt darauf beruhe die Regel, dass das Abitur bisher nicht nur notwendige, sondern auch hinreichende Zugangsvoraussetzung sei. So sagte der sächsische Staatsminister für Wissenschaft, Meyer (CDU), einmal: „Abschlussprüfungen sind Aufnahmeprüfungen in ihrem Prognosewert aber auch in ihrer humanen Qualität turmhoch überlegen“310. Andererseits, so die Befürworter von Aufnahmeprüfungen, impliziere der Schulabschluss als generelle Zugangsberechtigung die Annahme generalisierender Qualifikationen.311 Gerade dies durfte aber aufgrund der Heterogenität der Anforderungen nicht mehr realistisch sein. Glotz 307
Turner, Qualität braucht Köpfe (n.c. und Eingangsprüfungen), Rheinischer Merkur v. 31. 1. 1992, S. 25. 308 dpa 41/97, S. 8. 309 Brinckmann, Die neue Freiheit der Universität, S. 123; vgl. hierzu auch Beschluss des DHV v. 15./16. 12. 1997 (dpa 3/97, S. 14). 310 Meyer, Hochschulzugang und Wettbewerbsfähigkeit, S. 209 ff. 311 Brinckmann, Die neue Freiheit der Universität, S. 123.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
sprach denn auch von einer „Lebenslüge“; das Abitur könne nicht gleichermaßen Nachweis sein sowohl für ein Studium der Physik wie auch der Germanistik, sowohl für Elektrotechnik wie auch für Soziologie oder Forstwissenschaft. Im Übrigen führe die Aufregung über die mangelnde Studierfähigkeit zu einem permanenten Druck auf die gymnasiale Oberstufe.312 Auch deshalb setzte sich Glotz vehement dafür ein, den Hochschulen das Recht zu geben, in einen Wettbewerb um die Studierenden zu treten. Er zeigte dabei große Sympathien für die Vorschläge des sächsischen Wissenschaftsministers Meyer. Dieser hatte u. a. vorgeschlagen, dass sich jeder Studierende an drei Hochschulen seiner Wahl direkt bewerben solle.313 Erst wenn er an allen drei Hochschulen abgewiesen würde, solle ein ergänzendes Verteilungsverfahren durch die Dortmunder ZVS durchgeführt werden. Den Hochschulen sollte dabei selbst überlassen bleiben, nach welchem Verfahren sie unter den Bewerbern aussuchten. Die ZVS sollte in diesem zweistufigen Auswahlverfahren keine Entscheidungsbefugnis mehr haben. Das ZVS-Verfahren sei ohnehin „zentral-planwirtschaftlich“ und der „Tod jedes Wettbewerbsansatzes“. Meyers Forderungen wurden auch von Bundesbildungsminister Rüttgers (CDU) unterstützt. Ihm schwebte vor, über eine entsprechende Regelung im HRG die Hochschulen in NC-Studiengängen bis zu 40 % ihrer Studenten selbst auswählen zu lassen.314 Meyer und Rüttgers lagen damit auf der Linie alter Parteitagsbeschlüsse der CDU. Schon in ihrem „Kulturpolitischen Programm“ von 1976 hatte sich die CDU dafür ausgesprochen, das Abitur durch Verfahren der Hochschulzulassung zu ergänzen. Auch Baden-Württembergs Wissenschaftsminister v. Trotha (CDU) schloss sich Forderungen nach einem Auswahlrecht der Hochschulen an – und begann sogleich mit der Umsetzung. Hinsichtlich der Studiengänge mit örtlichen Zulassungsbeschränkungen315 erreichte Trotha durch eine Änderung des Hochschulzulassungsgesetzes des Landes im Mai 1997, dass Hochschulen zukünftig 40 % der Studienanfänger selbst auswählen durften; 50 % der Studienplätze wurden weiterhin nach der Abiturnote und nur noch 10 % nach Wartezeit vergeben (§ 6 Abs. 1 HZG BaWü). Ebenso sah die noch von der CDU/FDP-Bundesregierung eingebrachte HRGNovelle schon in ihrer ersten Fassung Auswahlgespräche und eine besondere Gewichtung der Abiturnote bzw. etwaiger Zusatzqualifikationen im allgemeinen Auswahlverfahren vor. In Übereinstimmung mit den unionsgeführten Bundesländern sollte den Universitäten auf diese Weise zunehmend selbst die Auswahl ihrer Studierenden überlassen werden.316 312
Glotz, Im Kern verrottet? S. 108 f. dpa 41/96, S. 14 f. 314 dpa 22/96, S. 2. 315 Hier werden die Studienplätze nicht über die ZVS verteilt, sondern von den Hochschulen selbst vergeben. 316 dpa 36/96, S. 1 ff. 313
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Gegen Zulassungsprüfungen wandte sich zunächst noch Bayerns Kultusminister Zehetmair.317 Generelle Eingangsprüfungen seien eine „Illusion“. Hierbei präsentierte er sich erneut als Verfechter des Abiturs in seiner bestehenden Form, d. h. als hinreichende Hochschulzugangsberechtigung. Damit stellte er sich allerdings auch einmal mehr gegen die Mehrheitsmeinung innerhalb der Union und verband sich aufs Neue mit der damaligen nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerin Brunn (SPD). Beide sahen in Zulassungsprüfungen unisono eine Entwertung des „neuen“, hart errungenen deutschen Abiturs. Brunn sagte weiter, dass mit der SPD „neue Hürden vor dem Studium“ nicht zu errichten seien. Sie warf der Union ein „falsches Verständnis von Wettbewerb“ vor.318 Zehetmair gab seine strikte Ablehnung aber schon bald auf. Im September 1996 plädierte er erstmals für „kleine Korrekturen“ bei der Hochschulzulassung. Er hielt es nunmehr für denkbar, dass sich die Hochschulen im Rahmen einer Quote einen Teil ihrer Studenten über Auswahlgespräche oder Tests selbst aussuchten. Dieses Verfahren wollte Zehetmair allerdings nur auf einige wenige Studiengänge beschränkt wissen.319 Bereits am 29. November desselben Jahres stellte er dann im Bayrischen Landtag Grundlinien einer Hochschulreform vor, die den Hochschulen ein Auswahlrecht einräumen sollte.320 Selten hatte sich der sonst standhafte bayrische Kultusminister so wendig gezeigt wie bei diesem Thema. Anlass für Zehetmairs Meinungswandel war sicherlich die Veröffentlichung der HRG-Pläne durch Bundesbildungsminister Rüttgers (CDU). Vielleicht hat ihn auch sein Ministerpräsident Stoiber, der die HRG-Novelle von Beginn an unterstützte, zum Meinungswandel gedrängt. Dessen Überzeugung war, dass Möglichkeiten der Hochschulen, Studenten selbst auszuwählen, künftig wesentlicher Grundsatz der Hochschulpolitik sein müsse321. So blieb Anke Brunn mit ihrer Kritik allein zurück. Sie nannte Hochschuleingangsprüfungen weiterhin „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Bürokraten“. Eine zusätzliche Prüfung wiederhole bestenfalls die Überprüfung aus dem Abitur.322 Dabei übersah sie, dass es im nordrhein-westfälischen Witten-Herdecke bereits seit Jahren eine – allein zwischen 1997 und 2001 mit staatlichen Mitteln in Höhe von 50 Millionen Mark unter Zustimmung Brunns geförderte – Hochschule gab, die sämtliche Studierende nur über eine Aufnahmeprüfung zuließ. Unterstützung für ihre Position fand Brunn bei der GEW. Deren Vorstandsmitglied Köhler sagte zu den Plänen der Bundesregierung, dass mehr Förderung die Hochschulen weiterbringe als Investitionen in Auslese und Abschreckung323. Die Kritik richtete sich dabei vor allem gegen den hohen Verwaltungsaufwand von Aufnahmeprüfun317 318 319 320 321 322 323
dpa 50/95, S. 9 f. dpa 45/96, S. 1. dpa 39/96, S. 1. dpa 49/96, S. 19. dpa 36/96, S. 4. dpa 37/96, S. 5. dpa 37/96, S. 4.
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gen. So rechnete die GEW vor, dass zur Umsetzung der HRG-Pläne mindestens 350.000 Professoren-Arbeitsstunden erforderlich wären. Dem Kosten- und Aufwandsargument widersetzten sich insbesondere der Berliner Wissenschaftssenator Erhardt (CDU)324 und der Bonner Staatssekretär Neumann (CDU)325. Damit vertauschten sich in der Frage des Hochschulzugangs im Lauf der Jahre die Fronten: warnten früher noch die Bildungspolitiker der Union am heftigsten davor, dass man das Abitur entwerte, falls man das Zulassungsrecht zum Studium von den Schulen auf die Hochschulen übertrüge, so waren es jetzt ihre Kollegen der SPD, die für diesen Fall den Tod der klassischen gymnasialen Bildung vorhersagten. Trotz der Proteste aus SPD-geführten Ländern beschloss die Regierungskoalition aus CDU und FDP noch vor der Wahl im Herbst 1998 das novellierte HRG. In § 32 Abs. 3 Nr. 2 waren nunmehr Regelungen für ein von den Hochschulen durchzuführendes Auswahlverfahren enthalten. Dabei wurde die bisherige Wartezeit-Quote (Staatsvertrag 40 %) aufgeteilt, sodass die Hochschulen bis zu 19 % der Studienanfänger selbst auswählen mussten. Diese Regelung stellte zwar keinen großen Wurf dar – mancher hätte sich hier mehr gewünscht. Auch wurde bemängelt, dass aus dem Recht zur Auswahl plötzlich eine Pflicht geworden sei. Dennoch überwog die Zufriedenheit mit diesem ersten Schritt in Richtung Autonomie und Wettbewerb. Letzterer wurde dadurch erreicht, dass man den Hochschulen Freiheit bei der Gestaltung des Verfahrens gewährte; so konnten sie insbesondere die Auswahlkriterien selbst festlegen. In Betracht kamen ein Auswahlgespräch, die Abiturdurchschnittsnote oder eine Zusatzqualifikation in Form einer Berufsausbildung oder einer Berufstätigkeit. Ob diese Regelung allerdings überhaupt Bestand haben würde, erschien sehr schnell fraglich. Die seit Ende 1998 regierende rot-grüne Koalition stellte die langwierig erkämpfte HRG-Novelle nämlich kurz nach Regierungsantritt wieder in Frage. Ein Manko blieb auf jeden Fall bestehen: Aufgrund der Kapazitätsrechtsprechung konnten Auswahlverfahren (nach wie vor) nur in NC-Fächern durchgeführt werden. Die Folgen des Karlsruher NC-Urteils bestimmten die Hochschulpolitik also weiter. So konnte letztlich kein wirklicher Wettbewerb um Studierende stattfinden, da sich eine Hochschule in nicht-zulassungsbeschränkten Studienfächern nicht durch hohe Auswahlstandards profilieren und dabei nicht vergebene Studienplätze in Kauf nehmen durfte. Mit der Föderalismusreform ist die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes entfallen. Die §§ 29 ff HRG gelten gemäß Art. 125 b Abs. 1 GG als Bundesrecht weiter. Der Bund hat gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Aber selbst wenn der Bund davon Gebrauch machen würde, könnten die Länder davon abweichende Vorschriften in Kraft setzen. Die Länder 324 325
dpa 26/95, S. 1. dpa 39/96, S. 2 f.
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allerdings bevorzugen offenbar eine Regelung in einem Staatsvertrag, nämlich dem seit 1. 5. 2010 geltenden über die „Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung“. Geregelt ist die „Stiftung für Hochschulzulassung“ und das zentrale Vergabeverfahren. Die Stiftung ersetzt die ZVS und hat neben der Servicefunktion für die Hochschulen bei örtlichen Zulassungsverfahren die Zuständigkeit für die in die zentralen Vergabeverfahren einbezogenen Studiengänge. Es bestehen an zahlreichen Hochschulen örtliche Zulassungsbeschränkungen für die angebotenen Studiengänge. Studienbewerber reagieren darauf mit sogenannten Mehrfachbewerbungen an verschiedenen Hochschulen sowie auf mehrere Studiengänge. Dies führt bei den betroffenen Hochschulen zu einem deutlichen Anstieg der Bewerbungen. Dadurch sind aufwändigere und langwierige Zulassungsverfahren (Nachrückverfahren) an den Hochschulen notwendig geworden, um die vorhandenen Studienplätze tatsächlich zu besetzen, zumal Bewerber mit mehreren Zulassungsangeboten in der Regel keine Rückmeldung über nicht genutzte Zulassungen geben. Um die Vermittlung von Studienplätzen in diesen Studiengängen zu koordinieren und Mehrfachbewerbungen zu vermeiden, haben die HRK und die Länder gemeinsam das Dialogorientierte Serviceverfahren entwickelt. Mittels Datenabgleich zwischen den teilnehmenden Hochschulen wird eine effektive Vermittlung von Studienplätzen angestrebt. Durch den Abgleich von Zulassungsangeboten sollen langwierige Nachrückverfahren vermieden werden. Praktisch gibt es Probleme, weil sich nicht alle Hochschulen an dem Verfahren beteiligen, vor allem aber, weil die technischen Voraussetzungen Schwierigkeiten bereiten. d) Medizin als negatives Musterbeispiel Weiterhin ist die Zulassung zum Medizinstudium nicht befriedigend gelöst. In den letzten 50 Jahren haben sich die Studierendenzahlen verzehnfacht, die Medizinplätze aber allenfalls verdoppelt, obwohl Nachfrage und Bedarf massiv gestiegen sind und weiter steigen werden. Gründe sind der medizinische Fortschritt, die alternde Gesellschaft, auch die Feminisierung des Arztberufs mit der Folge geringerer Lebensarbeitszeit. Der Bund pumpt gemäß dem Hochschulpakt noch auf Jahre Milliarden in die Hochschulen, überlässt die Verwendung aber den Ländern. Diese investieren ohne eine überregionale Koordinierung vorzugsweise in preisgünstige Studienplätze. Wer Medizin studieren will, braucht entweder eine Abitur-Durchschnittsnote von 1,0 – 1,1 oder 6 bis 7 Jahre Wartezeit – beides ist absurd. Das „Einser-Privileg“ verleitet manche Spitzenabiturienten zur Medizin, obwohl sie ein Krankenhaus bestenfalls von der eigenen Blinddarmoperation her kennen. Wohl auch deshalb wird jeder 7. Medizinabsolvent später nie als Arzt tätig. Ein obligatorisches Praxisjahr im Krankenhaus oder in einer Landarztpraxis wäre für alle Studienbewerber nicht nur als Studienvorbereitung, sondern auch als Studienberatung mehr als sinnvoll. Dies
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wird bei kaum einer Universität chancenerhöhend berücksichtigt; selbst komplette Berufsausbildungen in medizinnahen Berufen zählen für die Zulassung nichts oder nur ganz marginal. Dafür umso mehr die Note: Auch die neue Hochschulquote, in der die Hochschulen individuell Eignung und Motivation der Bewerber, z. B. durch Auswahlgespräche, feststellen sollten, ist inzwischen wieder dem ZehntelnotenFetischismus geopfert worden. Das hat eine schlimme Nebenfolge: Für diese Hochschulquote hat man die sog. Wartequote auf 20 % der Plätze halbiert und damit die Wartezeit fast verdoppelt.326 Gerade unter diesen hartnäckigen Bewerbern sind aber vermutlich die mit der stärksten Motivation, wahrscheinlich auch mehr künftige Landärzte. Die Bundesminister für Gesundheit und Wissenschaft könnten die Heilung des kranken Systems bewirken: Der Bund hat nämlich nach wie vor die (konkurrierende) Gesetzgebungszuständigkeit für die Hochschulzulassung. 4. Hochschulzugang ohne Reifezeugnis Die Diskussion um die Chancengleichheit hatte schon zu Beginn ihrer Entstehung auch die Frage nach dem Verhältnis von beruflicher und akademischer Bildung erfasst: Mit der Sorge um die fehlenden Aufstiegschancen für beruflich Ausgebildete verband sich die Forderung, die Hochschulen auch für Nichtabiturienten zu öffnen bzw. wie ein Bundesbildungsminister und späterer Ministerpräsident eines Bundeslandes es einmal formuliert hat, „geknackt“327 werden sollen, indem die Zulassungsvoraussetzungen zu Gunsten von Berufstätigen ohne Reifeprüfung verändert werden. Darin sah man die Verwirklichung von Chancengleichheit auch in einem späteren Lebensabschnitt und die Aufhebung des Klassenunterschieds mit Hilfe eines durchlässigen Bildungssystems.328 Unter dem etwas unklaren Begriff „Hochschulzugang für Berufstätige“ fand die Forderung Eingang in die öffentliche Debatte. „Berufsbildung ist die Allgemeinbildung der Beherrschten. Allgemeinbildung ist die Berufsbildung der Herrschenden“ lautete in diesem Zusammenhang ein Slogan.329 Die Entscheidung für eine berufliche Ausbildung bereits in der Schulzeit dürfe, so eine gängige Begründung, nicht in eine „Sackgasse“ münden.330 326 Die Verfassungsmäßigkeit des aktuellen Zulassungsverfahrens ist vom BVerfG verneint worden (19. 12. 2017), s. o. Fn. 298. 327 Björn Engholm in persönlichen Gesprächen in seiner Zeit als Bundesbildungsminister 1981 – 82. 328 Grundsatzprogramm des DGB von 1981. 329 Frister, S. 157 ff. (164 ff.). 330 Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Hochschulreform vom 8. 5. 1973: 23 Thesen zur Hochschulreform. II Nr. 7: „… durch die Erstellung weiterer Studienplätze den unerträglichen Numerus clausus zu beseitigen und Kapazitäten zur Öffnung der Hochschulen für interessierte Arbeitnehmer zu schaffen …“ und Nr. 8: „… Die Integrierte Gesamthochschule muss allen Arbeitnehmern offen stehen, damit sie Hochschulabschlüsse erwerben oder nachholen können. Die berufliche Ausbildung muss gleichberechtigt neben die schulische Ausbildung treten … die Qualifikation zum Studium erweist sich im Studium. Berufliche
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Dabei gab es bereits seit den zwanziger Jahren die Möglichkeit für Berufstätige, auch ohne Abitur zu einem Hochschulstudium zugelassen zu werden, sofern sie für ein bestimmtes Fachgebiet hervorragende Befähigungen besaßen. Diese Möglichkeiten wurden später kontinuierlich ausgebaut. So fasste die KMK mehrfach, zuletzt am 27./28. 5. 1982 i. d. F. vom 6. 4. 1987 Beschlüsse über die Zugangsmöglichkeit zur Hochschule für Nichtabiturienten.331 Neu war also nicht die Diskussion über den Hochschulzugang für Berufstätige an sich, sondern die Diskussion über einen Hochschulzugang für Berufstätige ohne die bisher erforderliche besondere fachliche Befähigung. Verwunderlich war angesichts der dargestellten Entwicklung der Studierendenzahlen und des Arbeitsmarkts für Akademiker in den ausgehenden achtziger Jahren, dass diese Diskussion gerade Anfang der neunziger Jahre mit breiter Beteiligung erneut aufkam. a) Entwertung des Abiturs? Die Gegner332 eines Hochschulzugangs für Berufstätige sahen hierin stets den Versuch, die Hochschulen ohne Not noch weiter zu öffnen. Es wurde kritisiert, dass mit dem Hochschulzugang für Berufstätige der Wert beruflicher Bildungsgänge nicht erhöht, sondern vielmehr gesenkt werde; wenn letztlich auch der berufliche Bildungsgang an der Hochschule ende, so brauche man über die immer wieder geforderte Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung nicht zu reden. Jedenfalls könne dem Akademisierungstrend in der Berufswelt und dem damit – zumindest teilweise – ursächlich zusammenhängenden Attraktivitätsverlust des dualen Bildungssystems nicht dadurch begegnet werden, dass auch Nichtabiturienten der Weg an die Hochschulen geebnet werde. Gemeinsam ist Befürwortern wie Gegnern eines Hochschulzugangs für Berufstätige zumindest auf dem Papier der Wunsch nach einer Aufwertung der beruflichen Bildung im dualen System. Denn auch die Befürworter eines Hochschulzugangs für Berufstätige erhoffen sich durch dieses Instrument eine Steigerung der Attraktivität beruflicher Bildungsgänge. Die Möglichkeit, ein Studium auch ohne Abitur an eine berufliche Ausbildung anzuhängen, solle junge Menschen zwar davon abhalten, unter allen Umständen die Hochschulzugangsberechtigung statt einer beruflichen Ausbildung anzustreben; die Möglichkeit eines Studiums aber soll eingeräumt werden. Damit wird eben doch das Studium als das Nonplusultra betrachtet.333 Erfahrungen sind anzurechnen“, (abgedruckt bei Bamberg/Kröger/Kuhlmann, Hochschulen und Gewerkschaften, S. 431 ff.). 331 Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der BRD, Beschluss Nr. 298 (Bd. 1). 332 Z. B. der bayrische Kultusminister Zehetmair (CSU) und der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Schiedermair, der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Kraus (vgl. FAZ v. 29. 5. 1993). 333 Turner, Die „Uni für alle“ ist nicht sinnvoll, HB v. 20. 6. 1991, S. 2; ders., Noch ein Bildungsweg, FAZ v. 19. 5. 1992, S. 37.
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Hinter der Forderung nach einer weiteren Öffnung der Hochschulen standen und stehen höchst unterschiedliche Interessen. Den einen ging es um das Streben nach einer Akademisierung der Gesellschaft um jeden Preis. Nur wer eine „Uni“ besucht habe, dürfe annehmen, von der Chancengleichheit Gebrauch gemacht zu haben. Für Teile der Wirtschaft stand die Sorge im Vordergrund, nicht genügend Nachwuchs gewinnen zu können. Sie verfolgte mit dem Vorschlag also nicht nur „Gerechtigkeitsziele“, sondern auch wirtschaftspolitische Absichten. Durch den „Dritten Bildungsweg“, so eine gängige Bezeichnung für den Hochschulzugang für Berufstätige, könnten bei verstärktem Konkurrenzkampf im EG-Binnenmarkt bisher ungenutzte Qualifikationen erschlossen werden. Dieses Argument ist allerdings zweischneidig wegen des bestehenden Mangels an gut ausgebildeten Facharbeitern. Das duale Ausbildungssystem in Deutschland mit seinen berufsqualifizierenden Abschlüssen und seinen fachlich versierten Absolventen ist gerade im Rahmen des gemeinsamen Marktes ein Aktivposten. Insofern erscheint es nicht sinnvoll, es dadurch zu untergraben, die beruflich Ausgebildeten auf andere Fährten zu locken. Wissenschaftsrat und Kultusminister haben schon früh angeregt bzw. beschlossen, die Frage des Hochschulzugangs für Berufstätige zu prüfen. Die nähere Regelung und Organisation sollte den Ländern und Hochschulen obliegen. Diese sahen sich angesichts von Überlast und Finanznot zunächst zu eher restriktivem Verhalten veranlasst, wenn auch die Länder bei der Gestaltung der Voraussetzungen bildungsbzw. parteipolitisch motivierte Unterschiede machten. Generell wurden Eingangsprüfungen für ideal gehalten, wenn sie nicht zu teuer wären und die leidige Abiturdiskussion wieder anfachten. Bemerkenswert ist die Entwicklung der Positionen von Wirtschaftsspitzenverbänden und HRK. Erst im Laufe der Diskussion fanden die Forderungen nach einem Hochschulzugang für Berufstätige bei den Arbeitgeberverbänden, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und dem DIHT Unterstützung334. Die Spitzenverbände verlangten jedoch ausdrücklich auch weiterhin eine hervorragende fachliche und persönliche Qualifikation der Bewerber. Noch weiter einschränkend hielt der Hochschulverband allenfalls einen Zugang zu Fachhochschulen oder Berufsakademien für zulässig mit dem Argument, dass es in erster Linie um eine Erweiterung der Berufsausbildung und nicht um die Neuaufnahme eines theoriefundierten Studiums ginge. Außerdem gebe es über den sog. Zweiten Bildungsweg die Möglichkeit, das Abitur extern nachzuholen, um einen normalen Zugang zu erreichen.335 Die Position der HRK war lange Zeit widersprüchlich. Während sie sich angesichts der Überlast an den Hochschulen und der Mittelknappheit lange Zeit gegen eine weitere Öffnung der Hochschulen für Berufstätige gewehrt hat, beugte sie sich schließlich dem scheinbar Unvermeidlichen und sprach sich für einen „fachbezo-
334 Vgl. Bundesverband der Deutschen Industrie u. a. (Hrsg.), Differenzierung. Durchlässigkeit. Leistung, S. 14. 335 Ebda.
III. Schule – Studium – Beruf
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genen Hochschulzugang“ für „qualifizierte Berufstätige“ aus.336 Bedenkt man, dass die Hochschulen zugleich eine Ausweitung der Zulassungsbeschränkungen forderten, so bleibt der Sinn eines Hochschulzugangs für Berufstätige ebenso wie der Sinneswandel der HRK widersprüchlich. Abgesehen von den Interessenvertretungen der Hochschul- und Gymnasiallehrer wurde der Zugang für Berufstätige damit nach und nach fast allgemein (zumindest verbal) bejaht – wenn auch mit unterschiedlichen Anforderungen. So befürwortete eine frühere Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP den Zugang ohne formale Hochschulzugangsberechtigung. Der seinerzeitige Bildungsminister Ortleb (FDP) hielt Beratungsgespräche und ein Probestudium für sinnvoll; beides wäre freilich von den Bundesländern und den Hochschulen zu organisieren. Mittlerweile wurden die eingebrachten Vorschläge von einem Teil der Länder umgesetzt und die Hochschulen für erfolgreiche Berufstätige ohne Abitur geöffnet. Die Bandbreite der hierzu beschlossenen Landesregelungen reicht von Bayern, das weiterhin vom Abitur als Voraussetzung ausgeht, über Hessen, wo die damalige Wissenschaftsministerin Mayer das Wort „Uni ohne Abi“ prägte (ausgenommen waren aber Mediziner und Pharmakologen), bis zu den teilweise schon in Einzelheiten festgelegten Zugangsvoraussetzungen der meisten anderen Länder: – abgeschlossene Berufsausbildung, – vorgegebene Zeit der Berufsausübung, – Mindestalter, Prüfung oder Probestudium. Üblich sind Regelungen, nach denen jeder, der älter als 24 Jahre ist und mindestens eine vierjährige Berufstätigkeit nach Abschluss der Facharbeiterausbildung und berufliche Fortbildungsprüfungen auf dem Niveau Techniker – Meister – Fachwirt vorzuweisen hat, ohne weitere Prüfung zum Studium zugelassen werden kann. Dabei sollen auch Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen sowie Fortbildungsprüfungen im hauswirtschaftlichen, sprachlichen und sozialen Bereich anerkannt werden. Wer in den ersten vier Semestern die im jeweiligen Studiengang vorgeschriebenen Prüfungen besteht und damit fachliche Eignung nachweist, erhält die endgültige fachgebundene Zulassung zur Fortsetzung des Studiums. Nicht zuletzt infolge der eher restriktiv gehandhabten Praxis ist der von manchen befürchtete Massenandrang mit entsprechendem Niveauverlust bisher nicht eingetreten. Allerdings wird nach wie vor auch die Möglichkeit eines Hochschulzugangs für Berufstätige ohne jede Zulassungsprüfung vertreten. Ein solcher Verzicht auf zusätzliche Prüfungen bei der Zulassung wird begründet mit der Annahme, dass Berufstätige eine Entscheidung zum Studium überlegter träfen und sich nicht auf 336 Konzept zur Entwicklung der Hochschulen in Deutschland. Beschluss des 167. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz v. 6. 7. 1992, HRK, Arbeitsbericht 1992, S. 119; HRK, Arbeitsbericht 1994, S. 199.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Abenteuer einließen. Doch wurden Zweifel angemeldet, ob dies auch für solche Bewerber zuträfe, die eben nicht erfolgreich sind und meinen, sie hätten nichts „zu verlieren“, wenn sie von der vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machten. Auch wurde behauptet, die Qualifikation zum Studium erweise sich im Studium.337 In dieselbe Richtung zielt die immer wieder geäußerte These, „im Grunde“ könne jeder studieren.338 Dem kann entgegengehalten werden, dass man entsprechend auch sagen könne, die Qualifikation zum Beruf erweise sich im Beruf.339 Wozu also für etwas Nachweise erbringen, wenn jeder doch alles könne? Trotz der mittlerweile geschaffenen Fakten ist nach wie vor von einer Inflationierung von akademischen Abschlüssen und einer weiteren Nivellierung der Hochschulen zu warnen. Dazu kann es aber kommen, wenn die Schleusen für Nichtabiturienten immer weiter geöffnet werden.340 Betrachtet man den Verlauf der – am Ende im politischen Bereich wenig kontroversen – Diskussion um den Hochschulzugang für Berufstätige, so sprach von vornherein vieles dafür, dass der Forderung nach Zulassung ohne Abitur Erfolg beschieden sein würde. Dagegen zu opponieren, mag unter sachlichen Aspekten richtig gewesen sein. Es konnte nach aller bisheriger Erfahrung nicht dazu führen, dass Standhaftigkeit und vernunftgesteuerte Konsequenz in die Hochschulpolitik einkehrten. Vielmehr zeigte sich einmal mehr, wie die Hochschulen zum bloßen Objekt der Politik geworden sind. Es kommt nicht darauf an, wie Wissenschaft und akademische Ausbildung sich verstehen oder verstanden werden müssen. Im Gegenteil: Die Hochschule wird zum Instrument der Gesellschaftspolitik.341 Für die einen ist per Öffnung des Zugangs Chancengleichheit realisiert und damit ein Ziel der Sozialpolitik verwirklicht, für die anderen wird per Öffnung ein Stück Arbeitsmarktpolitik geleistet. Im Übrigen offenbart die Diskussion über den Hochschulzugang für Berufstätige und den Akademikerbedarf ein ganz grundsätzliches Dilemma der bildungspolitischen Debatte: Das nach wie vor ungeklärte Verhältnis von akademischer und beruflicher Bildung, also die Frage, worin der originäre Bildungsauftrag der Hochschulen und ihrer einzelnen Typen besteht und worin sich dieser vom Bildungs337
So der DGB in seinen 23 Thesen zur Hochschulreform (1973). Hamm-Brücher, Bildung ist kein Luxus, S. 12: „Statt jungen Menschen kontingentierte ,Reifen‘ auf Lebenszeit zuzuteilen (Hauptschul-, Fachschul-, Mittlere-, Fachhochschul-, Hochschulreife etc.), muss, auf einem breit angelegten Bildungsfundament aufbauend, die Offenheit und Gleichwertigkeit aller Bildungswege hergestellt werden. Bildungs- und Ausbildungswege können in Zukunft nicht mehr als einmalige, unabänderliche Zuteilungsverfahren für Berufs- und Sozialchancen funktionieren, sondern müssen lebenslang nachholbar, ergänzbar sein.“ 339 Turner, Hochschulpolitik, S. 67. 340 Turner, Das Hochschulwesen leidet an einer Inflationierung der Ansprüche, HB v. 27. 1. 1999, S. 2. 341 Zöller, Der überforderte Staat, S. 9, spricht von der Bildungspolitik als gesellschaftspolitischem Experimentierfeld. 338
III. Schule – Studium – Beruf
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auftrag des dualen Systems der beruflichen Bildung samt Weiterbildung unterscheidet. Solange sich die Verantwortlichen hierüber keine Klarheit verschaffen, muss sich die Bildungspolitik fast zwangsläufig in ihren Widersprüchen verfangen. Mit der Entwicklung der Universitäten zu Masseneinrichtungen, nicht nur was die Zahl der Studenten, sondern auch was den unbeschränkten Zugang betrifft, hätten diese jedenfalls vollends ihren früheren Charakter als hochwertige Wissenschaftsinstitutionen und ihren Anspruch auf Verkörperung der Einheit von Forschung und Lehre verloren. Konsequent wäre, die Universitäten auch offiziell das sein zu lassen, was sie immer mehr geworden sind, nämlich berufsnahe Ausbildungsstätten für viele. Dann bedarf es allerdings eines besonderen Bereichs, der die Aufgaben der klassischen Universität übernimmt, soweit die Einheit von Forschung und Lehre betroffen ist. b) „Aufstieg durch Bildung“ Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben im Oktober 2008 die „Qualifizierungsinitiative für Deutschland“ gestartet. Ziel der Initiative „Aufstieg durch Bildung“ war es, die Qualität des Bildungssystems deutlich zu steigern und die Höherqualifizierung stärker zu fördern. Dafür soll das Bildungssystem durchlässiger werden, etwa indem der Hochschulzugang geöffnet wird, um die Zahl der Studienanfänger zu steigern. Danach haben die Länder am 6. 3. 2009 den Beschluss über den „Hochschulzugang für beruflich qualifizierte Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung“ gefasst. Demnach erhalten Absolventen einer beruflichen Aufstiegsfortbildung zum Meister, Techniker, Fachwirt und vergleichbarer Abschlüsse den allgemeinen Hochschulzugang. Fachkräften mit abgeschlossener Berufsausbildung steht unter bestimmten Voraussetzungen der fachgebundene Zugang zur Hochschule offen. Im Jahr 2015 wurde die „Rekordzahl“ von 51.000 Studierenden ohne Abitur registriert.342 Das waren 1,8 % von insgesamt 2,8 Millionen. Dies wird als wichtiger Schritt zur Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung verstanden. Um Berufspraktikern nicht nur den Zugang zu öffnen, sondern ihnen ein erfolgreiches Studieren zu ermöglichen, sei es erforderlich, ihnen beim Start ins Studium etwa über Brückenkurse zu helfen. Zudem müsse definiert werden, wie beruflich erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium angerechnet werden können.
342
dpa 13/2017, S. 29.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
c) Widersprüchliches Handeln Der „Hochschulzugang ohne Reifezeugnis“ muss auch noch in einem anderen Zusammenhang gesehen werden343. Zeitweilig wurde die Forderung aus Wirtschaft und Industrie nach Öffnung der Hochschulen mit dem Fachkräftemangel, vor allem im Bereich der Ingenieurberufe, begründet. Trotz einer hohen Gesamtzahl der Studierenden gab es für bestimmte Branchen zu wenige Absolventen. Hier allerdings wirkt sich eine über Jahrzehnte dauernde Vernachlässigung der Fächer im naturwissenschaftlichen Bereich in den Schulen aus. Wenn Physik oder Chemie in einem Schuljahr nicht im Lehrplan erscheinen, also nicht durchgehend unterrichtet werden, darf man sich nicht darüber wundern, dass das Interesse der Schüler dafür entweder nachlässt oder gar nicht erst geweckt wird. In Vergessenheit scheint auch geraten zu sein, dass vor gar nicht so langer Zeit zum Beispiel vor dem Studium der Physik gewarnt wurde. Die plakative Horroraussage lautete: Später würden Physiker entweder Tankwart oder Taxifahrer. Hemmend wirkt sich auch eine immer noch verbreitete und von manchen Lehrern in den Schulen geschürte Skepsis gegenüber Technik und ihren Errungenschaften aus. Als es den Betrieben der Bauindustrie wirtschaftlich schlecht ging, wurden Bauingenieure reihenweise entlassen; selbst hoch qualifizierte Jung-Akademiker fanden keine Anstellung. Da darf man nicht überrascht sein, wenn der Zulauf zu solchen Studiengängen nachlässt. Die Folge ist dann, getreu dem hinreichend bekannten Schweinezyklus in der Agrarwirtschaft, dass es später an Absolventen fehlt. Krampfhaft wird dann versucht, im Eilverfahren Abhilfe zu schaffen durch Öffnung der Hochschulen für Bewerber ohne förmliche Hochschulreife. Wenn man unter veränderten Umständen darin vor allem die Chance sieht, dem drohenden Fachkräftemangel an Ingenieuren zu begegnen, zeigt dies erneut, wie versucht wird, Fehler auszubügeln, die eine angeblich fortschrittliche Hochschulreform produziert hat. Bis etwa 1970 hatten Absolventen einer beruflichen Ausbildung die Möglichkeit, eine Ingenieurschule zu besuchen. Indem man diese Einrichtungen in Fachhochschulen umbenannt und sie durch das Erfordernis der Fachhochschulreife bzw. des Abiturs beim Zugang „aufgewertet“ hat, wurde dieser Weg verschlossen. Die Folgen sind zu besichtigen: Die Fachhochschulen versuchen, sich den Universitäten anzunähern (universities of applied sciences) und befähigte Absolventen des dualen Systems gucken in die Röhre. Das ließe sich schnell korrigieren, indem die Zugangsvoraussetzungen zu den Fachhochschulen verändert würden. Während einzelne Repräsentanten der Universitäten sich in den Erklärungen überbieten, die Universitäten weiter zu öffnen, gehen die Fachhochschulen auf Tauchstation. Ihnen obläge es, mit konstruktiven Vorschlägen aufzuwarten. So könnten sie belegen, dass es ihnen mit ihrem immer wieder geäußerten Credo „für die Praxis und mit Praktikern“ ernst ist. Sie sollten viel klarer zu erkennen geben, dass sie sich als Hochschulen der 2. Chance oder als Ausbildungsstätten der Studierenden der 343
Turner, Für die Praxis mit Praktikern, HB v. 9. 10. 2007, S. 10.
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1. Generation (also von Studierenden, deren Eltern nicht studiert haben), sehen. Stattdessen gewinnt man den Eindruck, sie bleiben in Deckung, und zwar aus höchst durchsichtigen Motiven. Sie vermeiden alles, was einen „Rückschlag“ bei dem Bemühen ihrer Lobbyisten bedeuten könnte, möglichst universitätsgleich zu werden. Dahinter verbirgt sich nicht nur eine Status- sondern auch eine Besoldungsfrage. Auch die Universitäten verhalten sich widersprüchlich. Haben ihre Repräsentanten denn vergessen, dass sie seinerzeit den hohen Anteil von Studienabbrechern zu beklagen wussten, und zwar weil sie den Anforderungen nicht gewachsen waren. Die fehlende Studierfähigkeit ist immer wieder dann ein Thema, wenn die hohe Zahlen von im Examen Gescheiterten Schlagzeilen machen. Wie sollen denn angesichts der bereits bestehenden Überlast Kräfte freigesetzt werden, die sich mit speziellen Angeboten um Kandidaten kümmern, die ohne die übliche Hochschulreife aus dem Beruf kommen? Wenn man mehr Studierende an die Hochschulen locken will, dürfen solche Gegebenheiten und daraus abgeleitete Forderungen nicht außer Betracht bleiben. Das gilt auch für die Chancen der Absolventen. Da gibt es in einigen sozial- und kulturwissenschaftlichen Studiengängen ausgesprochen schlechte Berufschancen. Die Formel von der „Generation Praktikum“ kommt nicht von ungefähr. Es hilft den Betroffenen wenig, wenn erklärt wird, „im Schnitt“ hätten Akademiker insgesamt bessere Gehaltsaussichten und ein geringeres Risiko, arbeitslos zu werden. Das mag derzeitig zutreffen, ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich Betroffene dafür nichts „kaufen“ können. Kurzfristig ändert sich im Übrigen nichts an dem von der Wirtschaft beklagten Mangel an Ingenieuren. Deshalb bleibt es für die mittelfristige Perspektive richtig, im Beruf bewährten Kräften den Zugang in erster Linie zu den Fachhochschulen zu erleichtern. Allerdings sollte die Verbindung von ausgeübtem Beruf und angestrebtem Studium nicht außer Acht bleiben. Schließlich bleibt auch zu bedenken, inwieweit das Abitur „entwertet“ werden darf. 5. Studiengebühren Durch die offensichtlicher werdende Unterfinanzierung der Hochschulen kam im Lauf der letzten dreißig Jahre vermehrt die Frage auf, ob man die Studierenden wie in früheren Zeiten an den Kosten ihres Studiums beteiligen solle. Stets zählte diese Diskussion – zeitweise geführt mit Blick auf Lehr- und Lernmittel – zu den zentralen Reizthemen der Hochschuldebatte. Die Argumentationsmuster reichten dabei vom Beschwören des „Bummelstudenten“ auf Kosten des Steuerzahlers bis zur Warnung vor „Bildungsentzug“ durch einen sozialen NC für Kinder weniger Begüterter.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
a) Abschaffung als Teil der Bildungsexpansion Studien- und Prüfungsgebühren wurden in Deutschland bis Ende der sechziger Jahre erhoben. Nach ihrer einvernehmlichen Abschaffung zu Beginn der siebziger Jahre verstummte die Diskussion über Studiengebühren zunächst. Doch schon im Jahr 1976, also nicht einmal sechs Jahre nach der Abschaffung, forderte Wirtschaftsminister Friderichs (FDP) angesichts des konjunkturellen Einbruchs die Abkehr von der weitgehenden Gebührenfreiheit des Studiums. Dabei betonte er, dass Eigenverantwortung und Eigeninitiative dem Prinzip der Chancengleichheit nicht widersprächen.344 Friderichs blieb mit dieser Auffassung jedoch auch innerhalb seiner eigenen Partei weitgehend isoliert. Der seinerzeitige hessische Wissenschaftsminister Gerhardt (FDP) hat 1988 sogar die von der sozialdemokratischen Regierung bereits Anfang der siebziger Jahre verfügten Gebühren für „Dauerstudenten“ wegen des angeblich zu hohen Verwaltungsaufwands wieder aufgehoben. Als FDP-Vorsitzender sprach sich Gerhardt ein knappes Jahrzehnt später dann jedoch entschieden für Studiengebühren aus.345 Im Verlauf der BAföG-Debatte zu Beginn der achtziger Jahre wurde auch das Thema Studiengebühren für kurze Zeit öffentlich diskutiert346. Dabei zeigte sich, dass die Hochschulrektoren Studiengebühren angesichts der Unterfinanzierung der Hochschulen nicht per se ablehnen wollten, sich aber auch nicht zu Vorkämpfern in der Diskussion berufen sahen. b) Versuche der Wiedereinführung Eine breite öffentliche Auseinandersetzung setzte erst 1992 ein, als der scheidende Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Simon, die Erhebung von Studiengebühren ins Gespräch brachte. Sein Vorschlag war Gegenstand eines Entwurfspapiers für den Wissenschaftsrat. Nach einer teilweise sehr polemisch geführten Debatte wurde der Vorstoß Simons dann aber sowohl von Bundes- wie auch von Landespolitikern abgelehnt. Markl, langjähriger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, sagte damals über Simon: „Wo andere sich nur zwischen die Stühle setzen, da sucht er selbst dort noch das Fettnäpfchen“. Angesichts dieser harschen Reaktionen verwarf der Wissenschaftsrat die Forderung nach Studiengebühren. Allerdings enthielt das im Januar 1993 beschlossene Thesenpapier347 die Forderung nach einer „Strafgebühr bei Überschreitung der Planstudienzeit“.348 Es blieb die
344
Friderichs, Die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen liberaler Bildungspolitik, S. 31 f. 345 dpa 1/2/97, S. 1 f. 346 Vgl. z. B. die Positionen von Hatto Schmitt und George Turner in: Die Welt v. 15. 1. 1983, S. 6. 347 Wissenschaftsrat, 10 Thesen zur Hochschulpolitik. 348 Vgl. dpa 5/93, S. 1; kritisch zu dieser Form von Gebühren Schmitz, DUZ 6/1991, S. 17 f.
III. Schule – Studium – Beruf
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Erkenntnis, dass allgemeine Studiengebühren zu diesem Zeitpunkt politisch nicht durchsetzbar waren. aa) Strafgebühr Erste Überlegungen zu einer Strafgebühr bei Überschreiten der Regelstudienzeit hatten im Jahr 1985 bereits die Finanzminister in einem sog. Effizienzkatalog angestellt. Die WRK lehnte damals solche Gebühren für überlange Studienzeiten in einer Stellungnahme aus dem Jahre 1985 postwendend ab.349 Wenig später griff die niedersächsische Landesregierung den Vorschlag dennoch auf. In einer Erklärung des Senats vom Mai 1987 verwahrte sich die WRK abermals gegen eine Strafgebühr.350 Niedersachsen rückte von seinem Vorhaben ab. Der neuerliche Vorstoß des Wissenschaftsrats für Strafgebühren Anfang 1993 basierte auf dem Wunsch nach einer Verkürzung der Studienzeiten und einer Bereinigung der Studierendenzahlen um die „Karteileichen“351. Diesmal griff der Berliner Wissenschaftssenator Erhardt (CDU) den Vorschlag auf.352 Etwa zur selben Zeit wurde die Idee in Baden-Württemberg von Wissenschaftsminister v. Trotha (CDU) unter dem Begriff „Bildungsgutscheine“ propagiert.353 Trotha drohte im November 1993 ganz unverhohlen damit, allgemeine Studiengebühren einzuführen, wenn der Landtag sein Ansinnen bezüglich der Bildungsgutscheine ablehnen sollte.354 Einige Jahre später sagte er in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die Geister, die er selbst gerufen hatte: „Vielleicht schafft man es mit Bildungsgutscheinen, dass die Studiengebühren aus der Welt kommen“355. von Trotha hatte bereits 1994 begonnen, die Bildungsgutscheine auf den Weg zu bringen.356 Auch er konnte jedoch sein Vorhaben der Strafgebühr erst verwirklichen, als die SPD nach ihrer Wahlniederlage 1996 aus der Großen Koalition in Baden-Württemberg ausscheiden musste. Seit dem Wintersemester 1989/99 mussten „Langzeitstudenten, die die Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überschreiten“, in Baden-Würt349 WRK, Stellungnahmen, Empfehlungen, Beschlüsse 1960 – 1989. Band IV: Zulassungsund Kapazitätsfragen, 1991, S. 391. 350 WRK, Zur Änderung des Staatsvertrags-Entwurfs über die Vergabe von Studienplätzen, Vorschläge des 145. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz v. 4./5. Februar 1985, in: WRK, Stellungnahmen, Empfehlungen, Beschlüsse 1960 – 1989. Band III: Studien- und Prüfungswesen, Schule/Hochschule, 1991, S. 531 f. 351 Wissenschaftsrat, 10 Thesen zur Hochschulpolitik, S. 1 f. 352 dpa 35/93, S. 12. 353 Dem Bildungsgutschein-Modell liegt die Überlegung zugrunde, dass eine Rückkehr zur marktwirtschaftlichen (Teil-)Steuerung des Hochschulzugangs unerlässlich sei. Insbesondere sollte ein Lenkungseffekt erzielt werden, indem Studierende im Optimalfall an eine Hochschule ihrer Wahl gehen, die dann den Bildungsgutschein für sich verbuchen kann. 354 dpa 49/93, S. 13. 355 dpa 24/96, S. 16. 356 dpa 36/94, S. 16.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
temberg nun 1.000 DM Gebühr je Semester bezahlen. Dabei waren alle Semester mitzurechnen, die im Geltungsbereich des HRG absolviert wurden. Die Gebühr bezog sich damit z. B. auch auf Aufbaustudenten mit abgeschlossenem Studium, die sich in einem Zweitstudium spezialisieren wollen. Folge dieser Maßnahme war neben dem gewünschten deutlichen Rückgang der Zahl an eingeschriebenen Studierenden zumindest kurzzeitig auch ein spürbarer Rückgang der Bewerbungen um Studienplätze.357 Kritisiert wurde das Bildungsgutschein-Modell unter anderem von der Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg. Sie störte bemerkenswerterweise vor allem, dass dies als Strafgebühr erscheinen könnte – also als das, was sie ursprünglich vom Wissenschaftsrat gedacht war. Studiengebühren sollten keine Strafgebühren sein, sondern etwas anderes, nämlich ein bescheidener Entgeltanteil für das, was man an der Universität geboten bekommt358. Die Landesregierung von Baden-Württemberg begründete die Einführung der Langzeitstudiengebühren insbesondere mit dem Wunsch nach einer Studienzeitverkürzung. Diese Argumentation wurde allerdings immer wieder als falsch zurückgewiesen. Um die Strafgebühr bezahlen zu können, müssten die Studierenden nebenher arbeiten, was die Studienzeiten tendenziell verlängere.359 Auch wurde darauf hingewiesen, dass ein Langzeitstudium mehrere Ursachen haben kann: neben Bummelei und dem Zwang zum „Jobben“ auch den großen Andrang zu Seminaren oder Examen, schlechte Arbeitsbedingungen in Labors oder Bibliotheken, Warteschleifen bei der Referendarausbildung, usw. Dementsprechend wurden immer wieder Bedenken über die Sozialverträglichkeit der Gebühren laut. Bummelstudenten aus wohlhabenden Familien könnten die Gebühr aus der „Portokasse“ bezahlen; sozial Schwächere müssten neben dem Studium arbeiten.360 Andere sahen beim Thema Langzeitstudierende vor allem ein Problem des Ausnützens der sozialen Vergünstigungen und schlugen deshalb vor, den Studentenstatus und die mit ihm einhergehenden Privilegien wie Verbilligung von Krankenkassenbeiträgen usw. nach einer bestimmten Anzahl von Semestern abzuschaffen. Für diese Idee machte sich Mitte der neunziger Jahre unter dem Begriff „Studentenstatus II“ insbesondere der RCDS stark, der zugleich vehement gegen jegliche Studiengebühr-Pläne zu Felde zog. Während die SPD in Baden-Württemberg Studiengebühren für Langzeitstudierende im Rahmen der Großen Koalition zunächst verhinderte, setzte sich die SPD in Hessen in Anknüpfung an die bereits seit den achtziger Jahren bestehende Gebührenregelung für ebensolche Gebühren bei Überschreiten der Regelstudienzeiten ein, 357
dpa 44/98, S. 7. Stuttgarter Zeitung v. 18. 12. 1995, „Durch Studiengebühren bessere Studienbedingungen“ (HRK-Pressespiegel Nr. 51/95, S. 7). 359 dpa 49/93, S. 14. 360 dpa, a.a.O. 358
III. Schule – Studium – Beruf
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scheiterte damit allerdings ihrerseits am Koalitionspartner, den Grünen.361 Unbeeindruckt hiervon konnte sich die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Behler (SPD) im Januar 1999 für eine solche Gebühr für Langzeitstudierende zumindest im Grundsatz erwärmen.362 Kurze Zeit später äußerte sich auch Bundesbildungsministerin Bulmahn (SPD) in diese Richtung363 und löste damit angesichts ihres Einsatzes für ein Gebührenverbot im HRG andererseits allgemeine Irritationen aus. Bereits im März 1996 sprach sich auch der Vorsitzende des DHV, Schiedermair, für eine „Missbrauchsgebühr“ bei 5-semestrigem Überschreiten der Regelstudienzeit aus. Da die Strafgebühr vor allem ein Kostenbewusstsein schaffen solle, schlug er einen überraschend hohen Semesterbeitrag von 5.000 DM vor. Im Grundsatz wandte sich Schiedermair jedoch entschieden gegen Studiengebühren, da es in der Universität nicht um Angebot und Nachfrage einer Ware gehe.364 bb) Einschreib- bzw. Rückmeldegebühr Da allgemeine Studiengebühren weiterhin nicht durchsetzbar schienen, wurde neben den Gebühren für Langzeitstudierende ein weiteres Instrument entwickelt, um Studierende an den Kosten ihres Studiums zu beteiligen: die Einschreibe- bzw. Rückmeldegebühren. Sie wurden in Höhe von 100 DM pro Semester zunächst in Berlin, im Frühjahr 1997 dann auch in Baden-Württemberg durchgesetzt.365 Doch auch im SPD-regierten Niedersachsen beschloss die Landesregierung im Januar 1999, ungeachtet der Proteste vor allem der Grünen, die Einführung von sog. Semestergebühren zum Sommersemester 1999.366 Bereits im Frühsommer 1997 liebäugelte man in Bremen mit Einschreibegebühren.367 Der bayrische Wissenschaftsminister Zehetmair (CSU) bezeichnete Einschreibegebühren im Mai 1996 als kaum noch heimlichen Einstieg in Studiengebühren.368 Das Ganze sei quasi ein Testlauf, in dem festgestellt werden soll, wie schnell sich die Aufregung über die Einführung solcher Gebühren wieder legt.369 Deutlich weiter ging der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im baden-württembergi361
dpa 50/95. dpa 2/99, S. 2. 363 Stuttgarter Zeitung v. 3. 3. 1999. 364 dpa 13/96, S. 1. 365 Allerdings sahen sich die Länder mit zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren konfrontiert. Eines davon führte im August 1998 in Baden-Württemberg sogar zu einer Aussetzung der Gebührenerhebung. 366 dpa 5/99, S. 13. 367 dpa 25/97, S. 7. 368 Vorbehaltlos äußerte sich der in verschiedenen Funktionen der bayerischen Staatsregierung (u. a. Wissenschaftsminister) tätige Tomas Goppel für die Einführung von Studiengebühren. 369 dpa 21/96, S. 3. 362
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
schen Landtag, Weimer. Er nannte die Pläne v. Trothas „eine Therapie der Abschreckung, der Schikanen und der Provokation“.370 cc) Überraschende Initiative Aufgrund der sich weiter verschlechternden Finanzlage der Hochschulen wurde fast zwangsläufig auch das Thema „allgemeine Studiengebühren“ wieder aufgegriffen – so z. B. zum Missvergnügen vieler Parteifreunde vom damaligen bildungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Glotz.371 Sein Vorstoß im Januar 1995 war insofern bemerkenswert, als das noch von ihm selbst entworfene SPD-Bildungsprogramm für den Bundestagswahlkampf 1994 Studiengebühren ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Anke Brunn (SPD), Wissenschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen, kommentierte Glotz’ Äußerungen dann auch mit den Worten: Glotz sei „für manche spontane und manche gute und manche überflüssige Idee gut“.372 Später forderte sie ihn gar gemeinsam mit ihrer hessischen Kollegin Hohmann-Dennhardt zum Rücktritt auf.373 Andere SPD-Wissenschaftsminister wie Evelies Mayer (Hessen), Zöllner (Rheinland-Pfalz) und Breitenbach (Saarland) sahen in dem Vorstoß eine „phantasielose Antwort auf die wirklichen Probleme des Hochschulsystems“.374. Der damalige SPD-Vorsitzende Scharping reagierte mit den Worten: „Bis auf einen sind sich in der SPD alle einig, dass Studiengebühren der falsche Weg sind“. Glotz seinerseits verwies zur Entkräftung des Vorwurfs, eine Kostenbeteiligung sei unsozial, auf den Satz: „The stupid many pay for the clever few“.375 Glotz gehörte sicher zu den ideenreichsten, aber auch sprunghaftesten Hochschulpolitikern. Es gibt kaum einen Standpunkt, dessen Verwirklichung er nicht sowohl leidenschaftlich gefordert wie auch heftig bekämpft hat. dd) Vorstoß der HRK und Reaktionen Den nächsten Paukenschlag in der Diskussion um Studiengebühren setzten im November 1995 die Hochschulrektoren. Angesichts der sich dramatisch verschlechternden Finanzlage zogen sie in einem Entschließungs-Entwurf für die HRKVersammlung auch Studiengebühren in Höhe von 1.000 DM pro Semester in Betracht; Kinder aus sozial schwachen Familien sollten ausgenommen werden.376 Mit seinem Vorstoß stieß der HRK-Senat, der den Entwurf erarbeitet hatte, in ein Wespennest. Harsche Kritik kam nicht nur von manchen Rektorenkollegen wie 370 371 372 373 374 375 376
dpa 18/97, S. 3. dpa 5/95, S. 1 f. dpa, a.a.O., S. 2. dpa 14/96, S. 8. dpa, a.a.O. Glotz, Im Kern verrottet?, S. 100. dpa 46/95, S. 1 f.
III. Schule – Studium – Beruf
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beispielsweise dem früheren HRK-Präsidenten Seidel377, sondern vor allem vonseiten der Politik. Wieder einmal waren sich dabei der bayrische Wissenschaftsminister Zehetmair (CDU) und seine nordrhein-westfälische Kollegin Brunn (SPD) einig. Zehetmair sprach von einer „unnötigen Provokation“ zur Verunsicherung der Studenten,378 Brunn nannte die Gebührenforderungen schlicht unverständlich. Auch die niedersächsische Wissenschaftsministerin Schuchardt lehnte die Einführung von Studiengebühren strikt ab. Es sei „zynisch und unsinnig, von Studierenden, also den Schwächsten, die Finanzierung der Hochschulen über Studiengebühren zu verlangen“.379 Nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber den Vorschlägen der HRK zeigte sich lediglich der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Hoffmann. Er plädierte für eine „vorurteilsfreie Diskussion“ – in der Erkenntnis, dass angesichts der Finanzkrise der Hochschulen alle Möglichkeiten für zusätzliche Einnahmen geprüft werden müssten. Er zeigte sich offen dafür, im Rahmen einer sozialverträglichen Lösung diejenigen Studierenden an der Finanzierung der Hochschulen zu beteiligen, die dazu in der Lage seien.380 Auf die breite Ablehnung reagierte HRK-Präsident Erichsen mit dem Vorwurf der „Verantwortungslosigkeit“.381 Enttäuscht, insbesondere über die pauschale Ablehnung durch die Politiker, die – ohne Folgen – eine bessere Ausstattung der Hochschulen versprächen, sagte er: „Das Nein fällt den Politikern leicht, wir vermissen nur die Alternative.“382. Deshalb werde die HRK das Thema Studiengebühren so lange weiterverfolgen, bis der Staat für eine bessere Finanzausstattung der Hochschulen sorge. Nochmals machte er seine Position deutlich: „Die Alternative heißt, entweder der Staat stattet die Hochschulen angemessen aus, oder die Hochschulen verständigen sich über ein anderes Finanzkonzept unter Einschluss von Studiengebühren“383. Wie weit das Tischtuch zwischen Politik und Hochschulen zu dieser Zeit zerschnitten war, zeigten die folgenden Monate. Nachdem sich die HRK immer wieder dafür eingesetzt hatte, Studiengebühren nicht zu tabuisieren,384 wurde sie im Mai 1996 mit einem Beschluss der Finanzminister konfrontiert, der Studiengebühren als
377
dpa 47/95, S. 4. dpa, a.a.O., S. 2. 379 dpa, a.a.O., S. 15. 380 Die Welt v. 16. 12. 1995, Unis sollen besser ausbilden (HRK-Pressespiegel Nr. 51/1995, S. 1). Die Nachfolgerin von Simon und Hoffmann im Vorsitz des Wissenschaftsrates, Dagmar Schipanski, wandte sich im Mai 1996 gegen Studiengebühren, da diese junge Menschen vom Studium abschreckten (vgl. dpa 21/96, S. 5). 381 dpa 47/95, S. 1. 382 dpa 48/95, S. 14. 383 dpa, a.a.O. 384 dpa 21/96, S. 2 f. 378
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Möglichkeit zur Sanierung der Länderhaushalte ins Spiel brachte.385 Daraufhin sah sich die HRK zu einer Kehrtwendung gezwungen und lehnte fortan Studiengebühren ab. „Wir werden uns keine blutige Nase holen, damit die Finanzminister ihre Säckel wieder auffüllen können“.386 In einer Stellungnahme vom 11. Juni 1996 zum Beschluss der Finanzminister wandte sich der Senat der HRK ausdrücklich gegen eine „Einführung von Studiengebühren zur Sanierung der Länderhaushalte“.387 Kurze Zeit später befasste sich das HRK-Plenum mit dem Thema Hochschulfinanzierung und Studiengebühren. Die lange und kontroverse Debatte mündete in eine „Entschließung zur Finanzierung der Hochschulen“. Darin sahen die Rektoren Studiengebühren „unter den gegebenen Bedingungen für nicht geeignet, zur Behebung der gravierenden Unterfinanzierung der Hochschulen beizutragen“.388 Vor den Äußerungen der Finanzminister hatte es noch so ausgesehen, als spreche sich die HRK für ein Fondsmodell australischen Vorbilds aus.389 HRK-Vertreter hatten im Vorfeld der Plenums-Sitzungen darauf verwiesen, dass es angesichts der Mittelknappheit nur drei Möglichkeiten gebe: – Die Einführung eines flächendeckenden Numerus clausus, – das weitere Offenhalten unter Hintanstellung der Qualität oder – die Heranziehung privaten Kapitals inklusive Studiengebühren.390 Auch unter Erichsens Nachfolger Landfried blieb die HRK bei ihrem Nein zu Studiengebühren, solange diese nicht den Hochschulen zugutekämen. Auf längere Sicht seien Studiengebühren allerdings unvermeidlich.391 Zwischenzeitlich wuchs außerhalb der Hochschulen die Zahl derer, die sich ernsthaft mit dem Thema Studiengebühren befassten oder wenigstens glaubten, dass dieses diskutiert werden müsste. Neben prinzipiellen Gegnern von Studiengebühren wie Brunn und solchen, die sich wie die meisten Politiker aus (wahl-)taktischen Gründen dagegen äußerten oder sich aus Angst vor einer „sozialpolitischen Kettenreaktion“392 mit ihrer Meinung zurückhielten, gab es eine relativ starke Gruppe jener, die zwar zum Zeitpunkt der Diskussion gegen Gebühren waren, diese aber für die Zukunft nicht ausschließen wollten.393 Sie argumentierten, dass die „Studierbarkeit“ innerhalb der Regelstudienzeit erst gewährleistet sein müsse, bevor man Studierende mit einer Strafsteuer belege, die ihre soziale Situation spürbar ver385
dpa 23/96, S. 1. dpa, a.a.O., S. 2 f. 387 HRK, Arbeitsbericht 1996, S. 77. 388 HRK, Arbeitsbericht 1996, S. 124 f. 389 dpa 28/96, S. 2 f. 390 dpa, a.a.O. 391 dpa 40/98, S. 17. 392 Daxner, Ist die Uni noch zu retten?, S. 218. 393 dpa 1/2/99, S. 3; 42/99, S. 2; FAZ v. 11.4.99, „Studiengebühren erst, wenn Hochschulen in Ordnung sind“ (HRK-Pressespiegel 14/99, S. 20). 386
III. Schule – Studium – Beruf
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schlechtere. Erst müsste sich die gesamte Hochschulsituation gebessert haben und eine neue BAföG-Regelung gefunden werden. Zu dieser Gruppe gehörten unter anderem der bayrische Kultusminister Zehetmair (CDU), der frühere Vorsitzende des Wissenschaftsrats Simon, der den Stein ins Rollen gebracht hatte, der frühere Bundesbildungsminister Rüttgers (CDU) und HRK-Präsident Landfried. Wie gespalten die CDU in dieser Frage war, zeigten die je nach Bundesland und Regierungskonstellation unterschiedlichen Positionen. So sprachen sich im März 1997 etwa 20 junge Bundestags-Abgeordnete aus der CDU gegen die Einführung von Studiengebühren für das „reguläre Lehrangebot an staatlichen Hochschulen“ aus.394 Und auch die Anfang 1999 ins Amt gekommene neue CDU/FDP-Regierung in Hessen lehnte Studiengebühren umgehend ab. Es sei absurd, Studiengebühren zu verlangen, solange die hessischen Universitäten in ihrem jetzigen Zustand seien.395 Auf der anderen Seite wandte sich der bayrische Wissenschaftsminister Zehetmair (CSU) zwar ebenfalls vehement gegen allgemeine Studiengebühren, konnte sich aber schon früh sowohl mit Gebühren für Zweitstudien wie auch für Gebühren bei Überschreiten der Regelstudienzeit anfreunden.396 Dementsprechend ließ Ministerpräsident Stoiber (CSU) im Herbst 1997 in einen Hochschulgesetzentwurf schreiben, dass Bayern ab dem Wintersemester 1998/99 Gebühren für ein Zweitstudium erheben wolle.397 Die Gebühr wurde dann zum Sommersemester 1999 eingeführt. Ein weiteres Beispiel: Während sich die CDU in einigen der von ihr regierten oder zumindest mit-regierten Länder wie Berlin, Baden-Württemberg und Sachsen trotz mancher Gegenstimme an der Basis für verschiedene Formen von Studiengebühren einsetzte, wandte sich die oppositionelle CDU in Niedersachsen strikt gegen jegliche Form der Kostenbeteiligung – wohl nicht zuletzt, um der rot-grünen Regierung beim Projekt Semestergebühren mit einem populären „Nein“ Paroli zu bieten. Wechselhaft in der Frage einer Kostenbeteiligung zeigte sich auch Sachsens Wissenschaftsminister Meyer (CDU). Während er sich noch im Jahr 1996 entschieden für eine Akademikerabgabe vergleichbar dem australischen Fondsmodell einsetzte,398 sprach er sich nicht viel später kategorisch gegen jede Form von Gebühren für das Erststudium aus.399 Die SPD-Spitze beharrte unterdessen noch geschlossen auf ihrem Nein zu Studiengebühren. Lafontaine begründete dies im Juni 1996 damit, dass der Zugang zum Studium nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig gemacht werden dürfe. Wer Jugendliche aus einkommensschwächeren Familien mit hohen Darlehensschulden oder teuren Zinsmodellen vom Studium abschrecke, der habe die Zeichen der Zeit 394 395 396 397 398 399
dpa 11/96, S. 5 ff. dpa 14/15/99, S. 17. dpa 47/93, S. 16; 47/95, S. 2 und 21/96, S. 3. dpa 44/97, S. 15. dpa 42/96, S. 5 f. und 48/96, S. 6. dpa 1/2/99, S. 4.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
nicht erkannt.400 Noch deutlicher wurde Brunn. Sie sah in verschiedenen Gebührenmodellen den Versuch, mit „neokonservativer Politik“ Studierende aus einkommensschwachen Familien vom Studium abzuhalten.401 In dem Slogan, das Studium dürfe nicht wieder zum Privileg von Reichen werden, fanden sich Gewerkschaften und RCDS in einer ungewohnten Koalition der Kritiker einträchtig wieder. Andere Stimmen zielten mit ihrer Kritik ähnlich wie die HRK auf eher systemtheoretische Probleme bei der Einführung von Studiengebühren. Sie nahmen der Politik nicht ab, dass zusätzliche Einnahmen aus einer Kostenbeteiligung auch tatsächlich den Hochschulen zugutekämen. Dies zeigte die Aussage des RCDS-Bundesvorsitzenden. Es gebe keinen Mechanismus, der verhindere, dass die Finanzminister den Hochschulen nicht in der den Gebühren entsprechenden Höhe langfristig das Geld wieder kürzten.402 Alle diese Argumente fanden sich auch in der Debatte um die Novellierung des HRG wieder. Die Bildungsminister von Bund und Ländern hatten sich im Sommer 1997 zwar im Prinzip auf ein neues HRG geeinigt; gerade die Gebührenfrage blieb dabei aber zunächst umstritten. Schließlich schien die SPD einzulenken und auf ein ausdrückliches Gebührenverbot, wie es außer ihr noch die DAG, die GEW und Bündnis 90/Die Grünen gefordert hatten, zu verzichten. Dann aber wechselte die SPD – nicht zuletzt unter dem Eindruck des beginnenden Bundestagswahlkampfes – ihre Strategie. Die SPD-regierten Länder pochten nun doch auf ein Verbot von Studiengebühren im HRG.403 Ungeachtet dessen setzte die CDU/FDP-Koalition die HRG-Novelle im Bundestag noch vor ihrer Abwahl ohne ein Gebührenverbot durch. Angesichts der SPD-Mehrheit im Bundesrat entzündete sich daraufhin ein Streit darüber, ob das HRG zustimmungspflichtig sei oder nicht. Nach der Bundestagswahl 1998 wurde die Auseinandersetzung um das angestrebte Verbot von Studiengebühren im HRG fortgesetzt. Doch verliefen die Fronten in der Auseinandersetzung längst nicht mehr so klar wie noch Monate zuvor. Für Aufregung innerhalb der politischen Linken sorgten die Forderungen des gewerkschaftsnahen „Sachverständigenrates Bildung“ nach einer Kostenbeteiligung von Studierenden. Ähnlich wie schon der „Initiativkreis Bildung“, der im Anschluss an Bundespräsident Herzogs Berliner Rede ins Leben gerufen wurde, sprach sich der Sachverständigenrat für Bildungs-Sparkonten vergleichbar den Bausparverträgen aus.404 Diese Forderung des Sachverständigenrates nach einer Eigenbeteiligung von Studenten an den Ausbildungskosten kam aus der Erkenntnis, dass das Bildungs400
dpa 24/96, S. 1. dpa 8/95, S. 7 f. 402 dpa 47/95, S. 3; diese Gefahr wurde bereits Anfang der 80er Jahre gesehen, vgl. Turner, Studiengebühren müssten den Hochschulen unmittelbar zur Verfügung stehen, Die Welt v. 15. 1. 1983, S. 6. 403 dpa 5/98, S. 7 und 6/98, S. 1. 404 dpa 44/98, S. 6. 401
III. Schule – Studium – Beruf
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system in Deutschland hoffnungslos unterfinanziert und höhere Zuwendungen des Staats in den nächsten Jahren kaum zu erwarten seien.405 In der Folgezeit vernahm man innerhalb der SPD differenziertere Stimmen. So wollte z. B. der niedersächsische SPD-Fraktionsvorsitzende und spätere Ministerpräsident, Gabriel, Studiengebühren für die Zukunft nicht mehr ausschließen. Und auch der niedersächsische Wissenschaftsminister Oppermann (SPD) betonte, dass Studiengebühren generell kein Tabu sein dürften.406 Hinzu kamen Stimmen von Gruppierungen, die sich zuvor z. T. energisch gegen jegliche Form der Kostenbeteiligung von Studierenden gewehrt hatten. Genannt sei beispielsweise der RCDS, der sich nunmehr in Gestalt seines hessischen Landesverbands für Studiengebühren stark machte. Im Herbst 1998 wurde schließlich auch aus der Sicht der Wirtschaft das Wort ergriffen. In ihrem Konjunkturgutachten vom 18. 11. 1998 sprachen sich die sog. Wirtschaftsweisen für Studiengebühren aus.407 Unterstützung erhielten sie von Arbeitgeberpräsident Hundt. Durch solcherlei Äußerungen nahm die öffentliche Diskussion eine bemerkenswerte Wendung: Die Stimmung schien sich zugunsten der Einführung von Studiengebühren zu drehen. Aus verschiedenen Quellen hörte man zudem immer wieder von der Absicht einiger SPD-Ministerpräsidenten, Studiengebühren einzuführen. Der Plan der neuen Bundesbildungsministerin und niedersächsischen SPD-Landesvorsitzenden Bulmahn, bei der Revision der HRG-Novelle ein Verbot von Studiengebühren festzuschreiben, besaß so immer weniger Aussicht auf Erfolg. Nach dem Verlust der Bundesratsmehrheit infolge der Wahlniederlage der rot-grünen Regierung in Hessen wurde das Vorhaben eines Studiengebührenverbots im HRG von der Bundesregierung schließlich aufgegeben. Anfang 1999 zeichnete sich jedoch ein zeitlich befristeter Staatsvertrag zwischen den Ländern für einen bundesweiten Verzicht von Studiengebühren ab. Das Verbot sollte für das Erststudium innerhalb der gesetzlichen Regelstudienzeit gelten.408 Damit war nicht nur Zweitstudiengebühren409 und Strafgebühren im Sinne des Trothaschen Bildungsgutschein-Modells der Weg geebnet, sondern auch Modellen einer allgemeinen Studiengebühr. Es schien nun vor allem darum zu gehen, ein konsensfähiges Modell für Studiengebühren zu entwickeln. Dabei bestand unter den Befürwortern trotz mancher Unterschiede im Detail Einigkeit darüber, dass junge Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung durch eine Kostenbeteiligung nicht von einem Studium abgeschreckt werden durften. Entsprechend waren die meisten Vorschläge bemüht, soziale Komponenten in Modelle einer Kostenbeteiligung einfließen zu lassen.
405
dpa, a.a.O. dpa 1/2/99, S. 3. 407 dpa 48/98, S. 4. 408 dpa 1/2/99, S. 2 ff. und 10/99, S. 3. 409 Hierunter konnten auch Gebühren für einen Master-Abschluss als zweitem berufsqualifizierendem Abschluss nach dem Bachelor-Degree fallen. 406
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Bereits im November 1993 war bei einer Anhörung von Bündnis 90/Die Grünen im baden-württembergischen Landtag das Modell einer Akademikersteuer „als Solidarausgleich für die höheren Einkünfte von Studienabsolventen“ vorgestellt worden.410 Diesem Vorschlag schloss sich die Berliner Finanzsenatorin FugmannHeesing (SPD) an.411 Die Berliner Bündnisgrünen sahen in Fugmann-Heesings Position jedoch das Einschwenken auf den Kurs einer „Hochschulabschreckungspolitik“.412 Auch die Berliner CDU lehnte eine Akademikersteuer rundweg ab, begrüßte aber die Öffnung der SPD bei der Diskussion über Studiengebühren. Für eine Akademikersteuer konnte sich hingegen der bildungspolitische Sprecher der FDPLandtagsfraktion in Baden-Württemberg erwärmen.413 Brandenburgs Wissenschaftsminister lehnte zwar Studiengebühren ab, zeigte sich aber aufgeschlossen für eine Akademikersteuer.414 Im Herbst 1997 befürwortete ebenfalls der Managerkreis der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung das Modell einer „nachlaufenden“ Rückzahlung zumindest für diejenigen, welche die Gebühren nicht schon während des Studiums aufbringen können.415 Ein solches Modell „nachlaufender Studiengebühren“ war nicht neu. Es wurde in Australien bereits praktiziert und fand auch hierzulande rasch Anhänger. So befürworteten neben Politikern auch das von der HRK und der Bertelsmann-Stiftung getragene Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ein Modell der nachträglichen Gebührenerhebung. Die Rückzahlung sollte dabei vom Arbeitseinkommen des Absolventen abhängig sein.416 Nach einem kompletten Wechsel seiner Position setzte sich auch der badenwürttembergische Wirtschaftsminister Döring (FDP) für das Modell einer Gebühr ein, die von Akademikern nach Abschluss ihres Studiums zu entrichten ist; er schloss sich damit der Meinung der Bildungsexperten in der FDP-Landtagsfraktion 417 an. Auch der schon erwähnte Initiativkreis Bildung wiederholte im Frühjahr 1999 seine Forderung nach einem Modell nachlaufender Gebühren.418 Unterschiede zwischen den Modellvorschlägen gab es letztlich nur noch in Detailfragen hinsichtlich der exakten Erhebung der Gebühren bzw. der Rückzahlungsmodalitäten.
410 dpa 48/93, S. 14; vgl. auch Daxner, Ist die Uni noch zu retten?, S. 215 ff.; Grözinger, Vorschlag eines akademischen Generationenvertrages, in: Grözinger/Hödl (Hrsg.), Hochschulen im Niedergang? Zur politischen Ökonomie von Lehre und Forschung, 1994, S. 67 ff. 411 dpa 26/96, S. 8 f. 412 dpa, a.a.O. 413 dpa, a.a.O., S. 20. 414 dpa 47/97, S. 3 ff. 415 dpa, a.a.O., S. 1. 416 dpa 5/96, S. 19 und 21/98, S. 13. 417 dpa 50/98, S. 20. 418 Handelsblatt v. 14. 4. 1999, S. 5.
III. Schule – Studium – Beruf
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Angesichts dieser Entwicklungen und der zunehmenden Eigendynamik der Diskussion sah sich Brunn (SPD) bereits im Mai 1996 veranlasst, ein Elf-ThesenPapier für ein Studium ohne Gebühren“ vorzulegen.419 Brunn wandte sich dagegen, dass sich Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden an den Hochschulen anders als über Geld und Markt nicht vernünftig gestalten lassen. Lehre, gute Ausbildung und Forschung seien für die Gesellschaft mehr als eine Ware, deren Preis man nicht auf die Studierenden als zahlende Kunden abwälzen könne. Brunn wandte sich darüber hinaus vor allem gegen Argumente, die in einem kostenfreien Studium eine ungerechte Bevorteilung von Akademikern gegenüber Nicht-Akademikern sehen. Auch neue Zwangsabgaben, so etwa eine Akademikersteuer, seien ein weiterer Schritt zur Entsolidarisierung und zur Verzettelung des Steuersystems. Man wolle keine Akademiker-Straf-Steuer, die die Aneignung von mehr Wissen bestrafe.420 Rückblickend kann man festhalten, dass bis weit in die neunziger Jahre hinein auf jeden Modellvorschlag, der nur irgendwie die Kostenbeteiligung von Studierenden zum Gegenstand hatte, fast schon automatisch die Gegenattacke unter wildem Schwingen der Gerechtigkeitskeule folgte. Jede Form der Kostenbeteiligung – und sei sie noch so sozial ausgewogen gestaltet – sei Studiengebühr und mithin abzulehnen. Dabei erwies sich insbesondere das Argument, der Zugang zu den Hochschulen müsse nach geistigen und nicht nach finanziellen Fähigkeiten reguliert werden,421 als hinkend. Denn nicht alle der diskutierten Modelle machten den Zugang zur Hochschule vom aktuellen Vermögen der Studierenden bzw. deren Eltern abhängig. Insgesamt litt die Diskussion darunter, dass zwar viel über Studiengebühren gestritten wurde, jeder aber ein anderes Konzept von Studiengebühren vor Augen zu haben schien. So kursierten unter dem Begriff „Studiengebühren“ sowohl Modelle von Strafgebühren für Langzeitstudierende als auch Modelle einer Kostenerhebung nach dem Studium, Modelle einer Semestergebühr und eben das klassische Modell einer Erhebung von Studiengebühren von Beginn des Studiums an. Nicht immer gelang es den Beteiligten dabei, ihre Position in diesem Geflecht an Möglichkeiten deutlich herauszuarbeiten. Dies führte im Ergebnis zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer Verstärkung des Schlingerkurses beim Thema Kostenbeteiligung von Studierenden. Die Debatte um die Einführung von Gebühren ist seinerzeit auch mit dem Argument geführt worden, der Wettbewerb verlange, dass beides möglich sei – das kostenfreie Studium und das Studieren gegen Entgelt. Da nichts „wert sei, was nichts koste“, glaube man auch in diesem Bereich an die Kräfte des Marktes. Hochschulen, die Gebühren erheben, die den Studierenden bei der Ausstattung vor allem in der 419
dpa 21/96, S. 4. dpa 20/96, S. 1 f. 421 So z. B. der Präsident des DHV, Schiedermair (vgl. Handelsblatt v. 8. 4. 1999, S. 9; HRKPressespiegel 14/99, S. 5). 420
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Lehre zugute kämen, würden attraktiver sein als andere. Nachdem zunächst eine Reihe von Ländern Studiengebühren eingeführt hat, war dann wieder ein Schwenk zur Gebührenfreiheit zu registrieren. Dabei spielte die Annahme eine Rolle, dass Gebühren insbesondere Kinder aus bisher sog. bildungsfernen Schichten abschrecken könnten, ein Studium aufzunehmen. Dieses Vorurteil ist zwar durch eine Studie des Stifterverbandes vom September 2010 widerlegt, wonach sich in den Zahlen der offiziellen Statistik keine Hinweise darauf finden lassen, dass Studiengebühren in Höhe von 500 Euro eine abschreckende Wirkung hätten. Eine Erhebung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) entlarvt auch ein anderes Vorurteil, dass nämlich Gebühren Studierende in gebührenfreie Länder treibt422. Zu erinnern ist aber daran, dass kein Befürworter von Gebühren zu erwähnen vergaß, dass sie sozial abgefedert sein müssten und dass die Einführung unverzichtbar Hand in Hand mit dem Aufbau eines Stipendiensystems gehen müsse. Dies ist versäumt worden. Darum haben es die Gegner leicht, das System der Gebührenerhebung anzugreifen und es als unsozial zu brandmarken. In der Zwischenzeit hatten mehrere Länder der alten Bundesrepublik Gebühren eingeführt, dann wieder abgeschafft; in den sog. neuen Ländern gab es sie nicht. Im Herbst 2012 waren Bayern und Niedersachsen die einzigen Länder, die Gebühren forderten423. Auch dort werden inzwischen keine Gebühren mehr erhoben. So ist das Studium in Deutschland grundsätzlich gebührenfrei; einige Länder erheben lediglich von Langzeitstudierenden Gebühren (500,– bis 650,– E). c) Das latente Problem Man konnte sicher sein, dass einige Jahre nach der Abschaffung die Debatte um die Einführung von Studiengebühren wieder aufflammen würde424, nicht zuletzt am Beispiel, warum „Kitas kosten und das Studium umsonst“ ist. Das geschah schneller als vermutet. Im Laufe des Jahres 2014 haben sich der Präsident der TU München, Herrmann, und der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Hippler, für die Einführung von Studiengebühren ausgesprochen, allerdings ohne nachhaltige Wirkung. Inzwischen hat das Land Baden-Württemberg im Mai 2017 das Gesetz zur Änderung des Landeshochschulgesetzes beschlossen.425 Damit werden ab dem Wintersemester 2017/18 Internationale Studierende, die zum Zwecke des Studiums von außerhalb der EU einreisen, einen Eigenbeitrag von 1.500 Euro pro Semester leisten. 422
Der Spiegel v. 21. 1. 2013. In Niedersachsen wurden sie durch eine rot-grüne Regierung aufgehoben; in Bayern ist dies nach einem Volksbegehren ebenfalls geschehen. 424 Dies war auch die Einschätzung des Vorsitzenden des Wissenschaftsrats, Wolfgang Marquardt, der eine Diskussion über „private Beiträge zur Studienfinanzierung angesichts der überall angespannten Haushaltssituation und des Investitionsbedarfs“ voraussagte (Der Spiegel v. 21. 1. 2013). 425 dpa 8/2017, S. 29. 423
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Für das Zweitstudium werden 650 Euro je Semester erhoben. Ausnahmeregelungen sichern die soziale Verträglichkeit und den internationalen wissenschaftlichen Austausch an den Hochschulen im Land. Ob diese Maßnahme, mit der auch andere Bundesländer sympathisieren, nicht den Interessen der deutschen Wirtschaft entgegensteht, ist eine andere Frage. Studierende aus Drittländern haben sich oft als „Botschafter“ deutscher Industrieinteressen erwiesen. 6. Ausbildungsförderung Die Diskussion über die Einführung einer finanziellen Förderung für bedürftige Studierende geht zurück bis in die 1950er Jahre. Schon damals stellte man sich die Frage, inwieweit der soziale Rechtsstaat zur Herstellung von Chancengleichheit im Bildungsbereich verpflichtet sei. So wurde unter der Bezeichnung „Honnefer Modell“ bereits 1957 ein Programm zur Förderung von Studierenden an wissenschaftlichen Hochschulen geschaffen, das auf Art. 74 Ziff. 13 GG basierte („Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses“).426 Dieses Honnefer Modell wurde später durch das sog. „Rhöndorfer Modell“ ergänzt, um auch Studierende der Pädagogischen Hochschulen, der Ingenieurschulen und der Kunst- und Musikhochschulen in die Förderung einzubeziehen.427 In den sechziger Jahren kamen die starken Impulse Pichts und Dahrendorfs als Begründung für ein System staatlicher Ausbildungsförderung hinzu. Nicht nur wegen des insbesondere von Dahrendorf propagierten Bürgerrechts auf Bildung, sondern auch angesichts der drohenden „Bildungskatastrophe“ erschien es notwendig, einkommensschwächere Schichten an höhere Bildungseinrichtungen heranzuführen. Als Erfolgsindikator für das Gelingen dieses Unterfangens würde die Anpassung der Sozialstruktur der Studierenden an die der Gesellschaft gelten. Zu dieser Zeit war der Anteil an Arbeiterkindern an westdeutschen Hochschulen deutlich geringer als der Anteil von Arbeitern an der erwerbstätigen Bevölkerung. a) Vom Honnefer Modell zum BaföG Die von unterschiedlichsten Interessengruppen aufgestellten Forderungen nach einer Reform des Honnefer bzw. Rhöndorfer Modells – zum Teil begleitet von massiven Protestaktionen ab dem Jahr 1968 – erfuhren eine breite gesellschaftliche Zu426 Die Vergabe der Stipendien und Zuschüsse wurde durch Förderungsausschüsse der Hochschulen vorgenommen. 427 Deutsches Studentenwerk e.V. (Hrsg.), Zehn Jahre BAföG, 1981, S. 7 f.; Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (Hrsg.), Analyse der strukturellen Veränderungen in der staatlichen Ausbildungsförderung (BAföG) in den letzten zehn Jahren. „Materialien und Berichte“ der Familienwissenschaftlichen Forschungsstelle (Projektgruppe im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg). Heft 11, 1984, S. 3 f.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
stimmung. So hatte die CDU schon in ihren Leitsätzen zur „Schule und Hochschule von morgen“ vom Juni 1969 ein Ausbildungsförderungsgesetz verlangt, das „allen – nach Begabung und Leistung – materiell die gleichen Chancen für ihre Bildung“ gewähren sollte. Die Förderung sollte die Kosten für die Ausbildung und den Lebensunterhalt umfassen. Dabei sollte die Belastbarkeit der Familie berücksichtigt werden. Kolleggelder und Gebühren für die Benutzung der Ausbildungseinrichtungen sollten abgebaut werden und Ausbildungsaufwendungen und Berufsaufstiegskosten steuerlich von jenen abgesetzt werden können, die keinen Anspruch auf direkte Ausbildungsbeihilfen hätten.428 Auch die FDP forderte im Juni 1969 eine staatliche Ausbildungsförderung, welche die materiellen Voraussetzungen der Chancengleichheit gewährleisten sollte. Sie hätte deshalb familienunabhängig zu erfolgen.429 Vor diesem Hintergrund wurde von der neuen sozial-liberalen Bundesregierung zunächst das „Erste Gesetz über die individuelle Förderung der Ausbildung“ verabschiedet, das jedoch nur die Förderung des Besuchs weiterführender allgemeinund berufsbildender Schulen betraf. Diese Beschränkung des geförderten Personenkreises wurde 1971 durch die Verabschiedung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) beseitigt, das am 1. September 1971 in Kraft trat. Um die beiden Gesetze verabschieden zu können, musste zunächst Art. 74 Ziff. 13 des Grundgesetzes um die Gesetzgebungskompetenz für die „Regelung der Ausbildungsbeihilfe“ ergänzt werden. Schon dies zeigt, wie wichtig es den Parteien zu jener Zeit war, ein tragfähiges und funktionierendes System der Ausbildungsförderung zu schaffen. Mit dem BAföG wurde zum ersten Mal ein subjektiver Rechtsanspruch auf individuelle Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung im Falle wirtschaftlicher Bedürftigkeit anerkannt (vgl. § 1). Die weiteren Zielsetzungen des neuen Gesetzes lassen sich wie folgt zusammenfassen430 : – bedarfsdeckende Förderung; – Förderung als reiner Zuschuss; – Pflicht zur Überprüfung und ggf. Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge alle zwei Jahre; – Bundeseinheitlichkeit der Förderung. 428 CDU, Schule und Hochschule von morgen, in: WRK (Hrsg.), Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Programmen und Leitsätze der Parteien (Dokumente zur Hochschulreform XI/1969, S. 9 ff.). 429 FDP, Praktische Politik für Deutschland – Das Konzept der F.D.P., verabschiedet vom 20. Ordentlichen Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei am 25. Juni 1969, in Nürnberg, in: WRK (Hrsg.), Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Programmen und Leitsätzen der Parteien, S. 63 ff. 430 Ausführlich Altendorf/Bäcker/Broda/Hofemann, Arbeiterkinder an den Hochschulen. Soziale Selektion, materielle Lage, Ausbildungsförderung, 1978, S. 68 ff.
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Das BAföG sollte auf dieser Basis dazu dienen, jungen Menschen eine Berufsausbildung als Voraussetzung für die Gründung und den Erhalt einer wirtschaftlichen Existenz zu ermöglichen. Es wurde als ein von Bund und Ländern im Verhältnis 65 zu 35 Prozent gemeinsam finanziertes Leistungsgesetz ausgestaltet. Problematisch war an den im BAföG getroffenen Regelungen von Beginn an, dass sich der Kreis der potenziellen Nachfrager nach einer Förderung nicht exakt definieren ließ, sondern dass sich die Förderung aus einem komplexen Bündel von Freibetragsgrenzen, Bedarfssätzen, Kinder- und Sonderfreibeträgen sowie Einkommensanrechnungen ergab. Hinzu kam ein politischer und wirtschaftlicher Wandel in der Einschätzung und Bedeutsamkeit.431 Daraus folgt, dass das BAföG häufiger als andere Gesetze an politische und wirtschaftliche Gegebenheiten angepasst werden musste. Auch darüber hinaus war das BAföG von Anfang an heftiger Kritik ausgesetzt. Obwohl es in wesentlichen Punkten nicht nur der Programmatik der Parteien, sondern auch den jahrelangen sozial- und bildungspolitischen Ansprüchen der Studentenschaften und Gewerkschaften entsprach, forderte beispielsweise die GEW schon kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes eine erste Novelle. Begründet wurde dies mit zahlreichen Unstimmigkeiten und Unzulänglichkeiten im Regelwerk.432 Doch statt der erhofften bzw. angestrebten Verbesserungen kam es schon bald zu ersten Einschränkungen. So führte die sozial-liberale Bundesregierung mit dem zweiten Änderungsgesetz vom Juli 1974 ein sog. Grund- oder Sockeldarlehen in Höhe von 80,– DM ein und damit eine Teilfinanzierung der Ausbildungsförderung über Darlehen. Außerdem wurde die gem. § 35 BAföG verpflichtende Erhöhung der seit 1973 festgeschriebenen Bedarfssätze erstmals ausgesetzt. Mit dem dritten Änderungsgesetz von Juli 1975, das im Zeichen der Wirtschaftsund Haushaltskrise stand und im Zusammenhang mit dem Haushaltsstrukturgesetz erlassen wurde, erhöhte die Bundesregierung das Grunddarlehen um 50,– DM auf nunmehr 130,– DM. Zudem wurde die Förderung für Studierende, die nach dem zweiten Semester die Studienrichtung wechselten, nur noch als Darlehen gewährt. Das vierte BAföG-Änderungsgesetz vom April 1977 führte zur Anhebung des Grunddarlehens auf 150,– DM. Nur wer darüber hinaus Förderleistungen in Anspruch nehmen durfte, war zuschussberechtigt. Dabei belief sich die Darlehensquote an den Förderbeträgen über 150,– DM auf durchschnittlich 40 Prozent. Schon diese ersten Änderungsgesetze zum BAföG wurden von gewerkschaftsnahen Kreisen als „in ihrer kumulativen Wirkung einer Totalrevision des ursprünglichen Förderungskonzeptes“ nahekommend bewertet.433
431
So Statistisches Landesamt BW, S. 12. Altendorf/Bäcker/Broda/Hofemann, Arbeiterkinder an den Hochschulen, S. 67 und S. 155 ff. 433 So Altendorf/Bäcker/Broda/Hofemann, S. 71 f. 432
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b) Anpassungen Wegen der sich abzeichnenden weiteren Finanzierungsschwierigkeiten wurde Mitte der siebziger Jahre eine Arbeitsgruppe der Bund/Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung eingesetzt, die den Auftrag hatte, alternative Finanzierungsmodelle für die individuellen und institutionellen Kosten der Hochschulausbildung zu entwickeln.434 Nur wenige Jahre nach Einführung des BAföG wurde also bereits eine grundsätzliche Diskussion über die Neustrukturierung des Systems geführt. aa) Darlehnsformen Die Tätigkeit der Arbeitsgruppe ist auch im Zusammenhang mit einer verschärften Diskussion um die Privatisierung von Bildungskosten in den siebziger Jahren zu sehen. So zeigten sich zu dieser Zeit etliche Gruppierungen offen für die Rückkehr zu einer verstärkt privaten Finanzierung von Ausbildungskosten – so zum Beispiel der BDI und der BDA, der Deutsche Beamtenbund, der Bund Freiheit der Wissenschaft, der Deutsche Hochschulverband, der Bundeselternrat, CDU und CSU, die FDP und auch Teile der SPD. Es wurden Tendenzen erkennbar, den Darlehensanteil an der Ausbildungsförderung auszudehnen und bei Anspruch und Höhe der Förderung mehr auf Leistungsdenn auf Bedürftigkeitskriterien abzustellen. In diesem Zusammenhang plädierte beispielsweise die WRK für eine leistungsunabhängige Ausgestaltung der Förderung durch ein leistungsbezogenes Bonus-System, sprach sich aber gegen eine Vergabe der staatlichen Fördermittel in der ausschließlichen oder überwiegenden Form von Darlehen aus.435 Dreh- und Angelpunkt der inhaltlichen Auseinandersetzung dieser Zeit war der Begriff der Verteilungsgerechtigkeit. Während die Befürworter einer als reinem Zuschuss gewährten Förderung auf den gerechten Zugang zur (höheren) Bildung pochten, argumentierten die Verfechter einer Darlehensfinanzierung mit den höheren Einkommenserwartungen von Akademikern im späteren Erwerbsleben; eine Finanzierung des sich stetig verteuernden Bildungssystems durch diejenigen, die selbst
434 Vgl. Abschlussbericht der von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung eingesetzten Arbeitsgruppe „Ausbildungsförderung im Rahmen der Hochschulfinanzierung“, 1977. 435 WRK, Zu Fragen der Neustrukturierung der Ausbildungsförderung. Vorläufige Stellungnahme des 16. Senats der Westdeutschen Rektorenkonferenz. 29. April 1977 (in: WRK [Hrsg.], Stellungnahmen zu studentischen Sozialfragen [Ausbildungsförderung, Wohnheimbau, Krankenversorgung] 1968 – 1979, 1979, S. 61 f.); hierzu auch Turner, in: Deutsches Studentenwerk e.V. (Hrsg.), Ausbildungsförderungssysteme, S. 32 ff.
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gar nicht die Möglichkeit zu einer akademischen Ausbildung hatten, verbiete sich oder erscheine zumindest kaum gerechtfertigt.436 Diese Einschätzung stieß jedoch auf erbitterten Widerstand. Schon Ende der siebziger Jahre argwöhnten linke Kritiker einer Darlehensfinanzierung, dass mit diesen Überlegungen die Strategie verfolgt werde, Gebühren- und Darlehensmodelle als arbeitsmarktpolitisch motivierte Hochschulzugangsbarriere einzusetzen. Letztlich solle damit das bildungspolitische Ziel der Öffnung der Hochschulen für alle durchbrochen werden. Insgesamt sei hierin der Versuch zu sehen, die Bildungs- und damit auch Beschäftigungsprivilegien der herrschenden Klasse zu festigen und Arbeiterkinder auf die ihnen zugedachte einfache Ausbildung zurückzudrängen.437 Unterdessen explodierten die Kosten für die Umsetzung des BAföG. Die Ausgaben von Bund und Ländern stiegen zwischen 1977 und 1980 von 2,7 auf 3,7 Mrd. Mark;438 davon hatten die Länder 35 Prozent zu tragen. Zudem wurde Anfang der achtziger Jahre in der Öffentlichkeit mehr und mehr über Missbräuche beim BAföG und eine daraus resultierende „Akzeptanzkrise“ diskutiert; als Stichwort geisterte die sog. Mofa-Förderung439 durch die Medien. Mit dem 7. BAföG-Änderungsgesetz vom Juli 1981 wurden denn auch einige potenzielle Missbrauchsmöglichkeiten abgeschafft. Angesichts der zunehmend angespannten Lage der öffentlichen Haushalte entschloss sich die Bundesregierung, das Kostenproblem so zu lösen, dass innerhalb des vorgegebenen Finanzrahmens fortan mehr Berechtigte mit weniger Unterstützung gefördert werden sollten, statt weniger Berechtigte mit mehr.440 Die darüber hinaus anhaltend diskutierte Einführung einer Teilfinanzierung des BAföG durch die Umstellung auf ein Darlehensmodell erschien hingegen noch im Frühsommer 1982 zwar nicht ausgeschlossen, aber äußerst unwahrscheinlich. Über eine deutliche Erhöhung des Darlehensanteils beim BAföG bis hin zur Umstellung der Förderung auf ein Volldarlehen hatten zu dieser Zeit vor allem Unionspolitiker laut nachgedacht. In der Bundestagsfraktion wies man darauf hin, dass angesichts des kleiner werdenden Kuchens, der zu verteilen sei, mit Regelungen zu mehr Leistungsbezogenheit der Förderung und einer Ausweitung des Darlehensanteils die Akzeptanz des Gesetzes gefördert und damit die Ausbildungsförderung als Ganzes langfristig erhalten werden könne.441 436
v. Lith, Demokratie, Soziale Marktwirtschaft und die Ordnung des Bildungswesens, S. 34 ff. (37). 437 Altendorf/Bäcker/Broda/Hofemann, S. 96. 438 1972 waren es nur 1,6 Mrd. Mark. 439 Damit sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass viele Studierende die Ausbildungsförderung weniger zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts benötigten, sondern zur Finanzierung zusätzlicher Bedürfnisse. 440 Braun-Stützer, in: Deutsches Studentenwerk e.V. (Hrsg.), Ausbildungsförderungssysteme, S. 14 ff. (15). 441 Geiger, in: Deutsches Studentenwerk e.V. (Hrsg.), Ausbildungsförderungssysteme, S. 23 ff. und Daweke, a.a.O., S. 19 ff. (21).
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Auch der damalige Staatssekretär Granzow im zuständigen Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft war kein Gegner eines angemessenen Darlehensanteils, wehrte sich aber gegen eine „überfallartige Erhöhung“ oder gar eine Umstellung auf Volldarlehen.442 Als Gegenargument verwies man vor allem auf den damit vermuteten „Abschreckungseffekt“, der dem Ziel der Ausbildungsförderung, Ausgleich zu schaffen, gerade zuwiderlaufe. Mit ähnlichen Argumenten wandte sich unter anderen auch das Deutsche Studentenwerk (DSW) gegen derartige Pläne.443 Allerdings wurde 1982 in der Presse kolportiert, dass Bundeskanzler Schmidt noch vor seiner Abwahl vom Bildungsministerium eine Umstellung der Ausbildungsförderung auf Volldarlehen hatte prüfen lassen.444 Im Lauf der Zeit wurde jedenfalls deutlich, dass die Politik von einer Reihe der Reformforderungen abrückte, die seinerzeit im Konsens aller politisch Verantwortlichen erhoben worden waren. Mit dem überraschenden Regierungswechsel im Herbst 1982 war dann plötzlich der Weg frei für eine grundlegende BAföG-Reform im Sinne der Union. So beschloss die neue christlich-liberale Bundesregierung als eine ihrer ersten Maßnahmen die Umstellung der Ausbildungsförderung auf Volldarlehen. Damit stieß die Union nicht nur auf heftigen Protest beispielsweise der WRK445, sondern musste sich auch gegen ihren Koalitionspartner durchsetzen. Denn die FDP-Fraktion hatte sich noch im Juni 1982 für eine Abschaffung des BAföG-Darlehens eingesetzt, zumindest aber gegen eine weitere Erhöhung des Darlehensanteils ausgesprochen.446 Ebenso deutlich hatte sie sich noch kurz zuvor gegen eine stärkere Leistungsbezogenheit gewandt. Solcherlei „populäre Verschärfungsmaßnahmen“ brächten letztlich gar nichts. Die neue Bundesbildungsministerin Wilms (CDU) begründete die Umstellung der Ausbildungsförderung auf Volldarlehen zunächst mit der „desolaten“ Haushaltslage der öffentlichen Hand, später dann aber ebenso mit „ordnungspolitischen“ Erwägungen.447 Wilms ließ in diesem Zusammenhang auch verschiedene Modelle für ein privates Bildungsdarlehen entwickeln, das über Banken finanziert werden sollte. Für eine solche Lösung hatten schon vor dem Regierungswechsel CDU-Politiker mit dem Argument geworben, dass alle anderen Reformmaßnahmen erst 442 Granzow, in: Deutsches Studentenwerk e.V. (Hrsg.), Ausbildungsförderungssysteme, S. 1 ff. (9). 443 General-Anzeiger v. 18. 6. 1982 (in: Deutsches Studentenwerk e.V. [Hrsg.], Ausbildungsförderungssysteme, Anhang 2, S. I). 444 Hierzu Dementi von Granzow, in: Deutsches Studentenwerk e.V., a.a.O., S. 1 ff. (8 f.). 445 WRK, Zur Umstellung der Ausbildungsförderung (BAföG) auf Volldarlehen. Zusammenfassung der Beratungen des 138. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz. 9. November 1982 (in: WRK, Stellungnahmen, Empfehlungen, Beschlüsse 1960 – 1989. Band V: Studentische Sozialfragen, Ausbildungsförderung, Wohnheimbau, Krankenversicherung, 1991, S. 129 ff.). 446 v. Braun-Stützer, in: Deutsches Studentenwerk e.V. (Hrsg.), Ausbildungsförderungssysteme, S. 17. 447 dpa 25/92, S. 3.
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langfristig wirksam würden und damit den Haushalt nicht kurzfristig entlasten könnten.448 Allerdings sollten bei dieser sog. Bankenlösung die Zinsen vom Staat getragen oder zumindest bezuschusst und die nicht zurückfließenden Darlehensbeträge durch staatliche Ausfallbürgschaften abgesichert werden. Im Grundsatz standen sich damit in den achtziger Jahren zwei Positionen gegenüber: – Die „realpolitische“, nicht selten gestützt vom schlechten Image der Studenten in der Öffentlichkeit. Sie räumte der Haushaltslage absolute Priorität ein und sah Bildungsinvestitionen eher als abhängige Variable. Auch wandte sie sich dagegen, dass mit dem BAföG ein „sozialpolitisches Instrumentarium“ für bildungspolitische Ziele eingesetzt wird. – Auf der anderen Seite fanden sich die Reform-Befürworter, die im Sinne der ursprünglichen BAföG-Idee argumentierten: Chancengleichheit auch bei angespannter Finanzlage und Unabhängigkeit der (in Deutschland relativ alten) Studierenden vom Elternhaus. Da sich seit dem Regierungswechsel von 1982 eher die realpolitische Position durchzusetzen vermochte und auch die Länderhaushalte unter ihrem 35-prozentigen Finanzierungsanteil am BAföG zu leiden hatten, gab es im Lauf der achtziger Jahre eine Vielzahl von Gesetzesnovellierungen, die von der jeweiligen Finanzlage der öffentlichen Hand und damit vom Sparzwang geprägt waren. Folge der Sparmaßnahmen zur Haushaltskonsolidierung waren etliche Großdemonstrationen von Schülern449 und Studenten. Hinzu kamen äußere Faktoren, die eine zufriedenstellende Umsetzung des BAföG erschwerten:450 – aufgrund steigender Studierendenzahlen nahm die Förderungsquote immer weiter ab451; – die Zahl eingeschränkt elternabhängiger oder voll elternunabhängiger Studierender nahm aufgrund eines geänderten Bildungsverhaltens zu452 und verzerrte damit den Sozialcharakter des Gesetzes; – die Studienzeiten stiegen, ohne dass die Förderungshöchstdauer verlängert wurde. 448
S. 22. 449
Daweke, in: Deutsches Studentenwerk e.V. (Hrsg.), Ausbildungsförderungssysteme,
Mit der ersten BAföG-Novelle nach dem Regierungswechsel im Juni 1983 wurde auch die Schülerförderung für den größten Teil der zu Hause wohnenden Schüler gestrichen. 450 Dams, S. 93 ff. (118 f.). 451 Die Quote der nach BAföG Geförderten sank in der Bundesrepublik Deutschland (alte Länder) von gut 27 Prozent im Jahr 1982 auf knapp 23 Prozent im Jahr 1988 (vgl. MPI, Bildungswesen, S. 649). 452 So absolvierten beispielsweise immer mehr Studienberechtigte vor dem Studium eine berufliche Ausbildung (z. B. betriebliche Lehre) und konnten damit eine elternunabhängige Förderung gem. BAföG beantragen.
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Als Folge dieser Entwicklungen sank der Anteil der Arbeiterkinder unter den Studierenden von 23 Prozent im Jahr 1982 auf unter sieben Prozent im Jahr 1986.453 bb) Bestandsaufnahme Aus diesem Grund erhielt 1987 der Beirat für Ausbildungsförderung den Auftrag, das BAföG auf seine Effektivität hin zu überprüfen. Damit sollte – ohne das BAföG in Frage zu stellen – unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen die Finanzierbarkeit verschiedener Reformvorschläge geklärt werden. Der Beirat unterbreitete seine Vorschläge im Jahr 1988.454 Er stellte u. a. auch fest, dass die Ausbildungsförderung nach dem BAföG wie kein anderer Bereich staatlicher Politik im Verhältnis zu seinem Finanzvolumen immer wieder zur Haushaltskonsolidierung beitragen musste. Doch erst im Zusammenhang mit den Folgen und Anforderungen der Wiedervereinigung konnten einige der Empfehlungen des Beirats umgesetzt und damit erstmals seit Jahren wieder durchgreifende Verbesserungen bei der Ausbildungsförderung erreicht werden.455 So beschloss der Bundestag im März 1990, die sog. relativen Freibeträge für Eltern von 25 auf 50 Prozent anzuheben und dafür von zehn auf fünf Prozent pro Kind abzusenken, die Familieneinkommensgrenze anzuheben, die Schüler ab Klasse 11 in Berufsschulen mit berufsqualifizierendem Abschluss in zumindest zweijährigen Bildungsgängen wieder zu fördern, die Förderungshöchstdauer – bei Nachweis der Voraussetzungen – um bis zu zwei Semester zu verlängern, Kinderbetreuungszeiten bei der Förderungshöchstdauer zu berücksichtigen und eine behinderungsbedingte Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus als Zuschuss zu leisten, um die Schuldenlast der Empfänger nicht weiter zu erhöhen. Unter dem Hinweis auf die schlechten Studienbedingungen wurde eine – zunächst auf drei Jahre befristete – Studienabschlussförderung neu eingeführt. Vor allem aber wurden die BAföG-Zahlungen nunmehr zumindest wieder zur Hälfte als Zuschuss gewährt. Auch hieran hatten nicht zuletzt die Empfehlungen des Beirats Anteil, die ergaben, dass das Darlehen in seiner bestehenden Form nur wenig mehr war als ein verdeckter Zuschuss. Vergleiche man nämlich das BAföG-Darlehen mit bankenüblichen Darlehensbedingungen, so bestehe es tatsächlich nur zu einem Viertel aus einem echten Darlehen, zu drei Vierteln sei es jedoch eine ganz gewöhnliche Subvention.456
453 Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich auch die Sozialstruktur der Bevölkerung in dieser Zeit gewandelt hat; auch der Anteil der Arbeiter an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ging in diesem Zeitraum zurück (von 54,2 % im Dezember 1981 auf 51,5 % im Dezember 1986, vgl. Statistisches Bundesamt). 454 Beirat für Ausbildungsförderung, Vorschläge zur Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Heft 21. Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.), 1988. 455 Dams, Neuorientierung der Studienförderung, S. 93 ff. (118 f.). 456 Beirat für Ausbildungsförderung, S. 113 ff. (115).
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Urheber all dieser Reformen war Bundesbildungsminister Möllemann (FDP), der sich denn auch für seine Erfolge feiern ließ und dazu beitrug, dass es daraufhin verhältnismäßig ruhig blieb um das Thema Ausbildungsförderung. Umso verblüffender dann, dass Möllemann nur zwei Jahre später – nunmehr in seiner Fraktion als Bundeswirtschaftsminister – wieder die Rückkehr zum Volldarlehen forderte.457 Ein sinnfälliges Beispiel für fehlende politische Stringenz. Möllemanns Überlegungen wurden vom Koalitionspartner dankbar aufgenommen. So sprachen sich Anfang 1994 auch einige Politiker der Union für die Rückkehr zum Volldarlehen aus, beispielsweise der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Lammert (CDU).458 Die Führung der Partei folgte den Forderungen jedoch nicht. Eine relativ dramatische Zuspitzung der politischen Auseinandersetzung um das BAföG erfolgte im Rahmen der Verhandlungen über eine BAföG-Anpassung für die Jahre 1994 und 1995. Die Bundesregierung plante im Herbst 1993 eine zweijährige Nullrunde sowohl hinsichtlich der Erhöhung der Freibeträge wie auch der Bedarfssätze. Die Bedarfssätze waren zuletzt 1992 erhöht worden. Außerdem war als Sparmaßnahme eine Kürzung der Förderungshöchstdauer vorgesehen. NordrheinWestfalens Wissenschaftsministerin Brunn (SPD) bezeichnete diese BAföG-Pläne der Regierung im Dezember 1993 als Provokation.459 Die SPD ihrerseits verlangte eine Anhebung der Bedarfssätze um sechs Prozent und der Elternfreibeträge um zwei Prozent. Bundesbildungsminister Laermann (FDP) bemühte sich angesichts der aufkommenden Proteste schon in einer seiner ersten Amtshandlungen mutig um eine Verbesserung der Ausbildungsförderung und damit um eine Rücknahme der noch von seinem Vorgänger Ortleb (FDP) gefassten Pläne, stieß dabei aber auf Widerstand innerhalb der Bundesregierung.460 Auch Laermanns Parteifreund Graf Lambsdorff stellte sich gegen ihn. Eine vorgezogene Erhöhung der Fördersätze sei ein Verstoß gegen die Koalitionsvereinbarung zur Konsolidierung des Bundeshaushalts. DSW-Präsident v. Mutius bezeichnete die Pläne hingegen als „fatal“; dass das eingesparte Geld darüber hinaus nicht wieder bedürftigen Studenten als BAföGErhöhung zugutekommen sollte, wertete er als „eklatanten Vertrauensbruch“.461 Auch der RCDS wandte sich im März 1994 entschieden gegen die Sparmaßnahmen der Bundesregierung.462 Selbst der bayrische Wissenschaftsminister Zehetmair (CSU) bezeichnete die Sparpläne der Koalition als „gefährliche Gratwanderung“463 457 458 459 460 461 462 463
DUZ 1 – 2/1998, S. 11. dpa 3/94, S. 6 und 49/94, S. 9. dpa 50/93, S. 2. dpa 7/94, S. 3. dpa 6/94, S. 7. dpa 11/94, S. 17. dpa 6/94, S. 6.
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und lehnte sie daher ab.464 Weitere unionsgeführte Bundesländer wie Berlin und Sachsen kritisierten das Vorhaben ebenfalls. 465 HRK-Präsident Erichsen nannte die Sparbeschlüsse „aktionistische Flickschusterei“. Im Hinblick auf die geforderte Studienzeitverkürzung sei die Novelle „absolut kontraproduktiv“.466 Schon seit der Einführung des BAföG hatte die WRK bzw. HRK immer wieder eine Erhöhung der Bedarfssätze gefordert.467 Auch hatte die WRK in der Zeit der Umstellung der Ausbildungsförderung auf Volldarlehen immer wieder die Rückkehr zu einem mindestens 50-prozentigen Zuschussanteil für nötig gehalten.468 Doch Bundesfinanzminister Waigel (CSU) wollte dem Drängen der Kritiker nicht nachgeben. Wenn man beim Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe kürze, dann könne das BAföG nicht erhöht werden.469 Erstaunlicherweise zeigte der SPD-Politiker Glotz mit Blick auf die Haushalte von Bund und Ländern sogar ein „gewisses Verständnis“ für die Pläne, die Ausbildungsförderung einzufrieren.470 Der SPD-dominierte Bundesrat jedoch beurteilte die geplante BAföG-Novelle der Bundesregierung in einem Beschluss als unausgewogen, sozial nicht vertretbar und kontraproduktiv im Hinblick auf die von Bund und Ländern angestrebte Studienreform.471 Deshalb lehnte er die Sparbeschlüsse der Bundesregierung und damit die gesamte 17. BAföG-Novelle im März 1994 ab. Darauf musste die Regierungskoalition reagieren; sie einigte sich schließlich auf eine Erhöhung der Elternfreibeträge für die Jahre 1994 und 1995 um je zwei Prozent, fror die Bedarfssätze jedoch ein.472 Die bildungspolitische Sprecherin der SPDBundestagsfraktion, Odendahl, kritisierte daraufhin die Koalitionsfraktionen; sie 464
dpa 7/94, S. 4. dpa 9/94, S. 5. 466 dpa 7/94, S. 4 und 9/94, S. 5. 467 Z. B. in dem von der 100. Westdeutschen Rektorenkonferenz mit Zustimmung zur Kenntnis genommenen Beschluss des Beirates des Deutschen Studentenwerkes, 7. November 1972 (in: WRK, Stellungnahmen zu studentischen Sozialfragen, S. 23 f.); Stellungnahme der 107. Westdeutschen Rektorenkonferenz, 6. November 1973 (in: WRK, Stellungnahmen zu studentischen Sozialfragen, S. 29 f.); Stellungnahme des 15. Senats der Westdeutschen Rektorenkonferenz, 11. Januar 1977 (in: WRK, Stellungnahmen zu studentischen Sozialfragen, S. 59 f.); Stellungnahme des 32. Senats der Westdeutschen Rektorenkonferenz, 26. Mai 1981 (in: WRK, Stellungnahmen, Empfehlungen, Beschlüsse 1960 – 1989, Band V, S. 119 ff.); Empfehlung des 153. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz, 2./3. November 1987 (in: WRK, Stellungnahmen, Empfehlungen, Beschlüsse 1960 – 1989, Band V, S. 149 ff.). 468 WRK, Zum Entwurf eines 10. BAföG-Änderungsgesetzes. Stellungnahme des 148. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz, 3./4. Februar 1986 (in: WRK, Stellungnahmen, Empfehlungen, Beschlüsse 1960 – 1989, Band V, S. 139 ff.). 469 dpa 21/94, S. 6. 470 dpa 6/94, S. 6. 471 dpa 12/94, S. 1. 472 dpa 21/94, S. 6. 465
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betrieben ein „erbärmliches Schwarze-Peter-Spiel auf dem Rücken der Studierenden“.473 Der Bundesregierung warf sie vor, dass es ihr in Wahrheit nicht um eine Sparaktion gehe, sondern um Abschreckung; die hohen Studentenzahlen und die ungebremste Studierbereitschaft seien ihr nicht geheuer.474 Studentische Proteste blieben indessen fast völlig aus. Gerade einmal eintausend Studierende kamen im Juni 1994 zu einer bundesweit angekündigten Veranstaltung nach Bonn.475 Was folgte, war ein mehr als einjähriger Kampf zwischen Bundesbildungsminister Rüttgers bzw. der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der SPD-Ländermehrheit im Bundesrat. Während die SPD auf ihrer Forderung nach sechs Prozent mehr BAföG und zwei Prozent höheren Elternfreibeträgen beharrte,476 ließ sich die Regierungskoalition nicht von ihren Plänen abbringen.477 Als Widersacher standen sich Odendahl und die schleswig-holsteinische Wissenschaftsministerin Tidick (SPD) auf der einen, Bildungsminister Rüttgers (CDU) und Finanzminister Waigel (CSU) auf der anderen Seite gegenüber. Zusätzlich erschwert wurden die Verhandlungen über eine Lösung durch den beginnenden Bundestagswahlkampf. Die nächste Runde der Auseinandersetzung fand im Vermittlungsausschuss statt. Dort einigte man sich auf eine Erhöhung der Elternfreibeträge um jeweils zwei Prozent für die beiden folgenden Jahre sowie eine Erhöhung der Bedarfssätze um vier Prozent ab Herbst 1995 und kam damit den monatelang vorgebrachten Forderungen der SPD zumindest teilweise entgegen (die SPD hatte darüber hinaus für eine rückwirkende Erhöhung der Bedarfssätze ab 1. Oktober 1994 plädiert). Der im Vermittlungsverfahren gefundene Kompromiss wurde jedoch von CDU/CSU und FDP im Bundestag abgelehnt. Insbesondere CDU-Politiker verwiesen darauf, dass Mehrausgaben beim BAföG zwangsläufig Einschränkungen beim Hochschulbau und auch bei der beruflichen Bildung zur Folge gehabt hätten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Scharping nannte dies einen „zutiefst jugendfeindlichen und bildungsfeindlichen Beschluss“.478 Die HRK sah in der Entscheidung gar eine Vernachlässigung der Zukunftssicherung der jungen Generation.479 Tidick warf der Regierung vor, dass bei ihrem Veto gegen BAföG-Erhöhungen „Stammtisch-Luft mitgewabert“ habe.480 Mutius erinnerte daran, dass die Bundesregierung selbst noch im Januar 1994 eine Erhöhung der Bedarfssätze um sechs Prozent für notwendig erachtet hatte.481 Der DGB warf der Bundesregierung zum wiederholten Mal vor, das BAföG als Steuerungsinstrument beim Hochschulzugang 473 474 475 476 477 478 479 480 481
dpa 27/94, S. 2 f. dpa 25/94, S. 1. dpa, a.a.O. dpa 6/94, S. 5. dpa 9/94, S. 4. dpa 37/94, S. 2. dpa 37/94, a.a.O. dpa 39/94, S. 6. dpa 39/94, a.a.O.
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zu benutzen.482 Die DAG bezichtigte die Regierung einer „Haushaltssanierung auf dem Rücken der Schwächsten“.483 Auch der RCDS und die Liberalen Hochschulgruppen kritisierten den Beschluss.484 Trotz der breiten Ablehnungsfront gegen den Beschluss der Regierungsfraktionen geriet die SPD kurz vor der entscheidenden Abstimmung des Regierungsentwurfs zur 17. BAföG-Novelle im Bundesrat für kurze Zeit ins Schwanken. Hintergrund war die Sorge, dass ansonsten auch die von der Bundesregierung geplante zweiprozentige Erhöhung der Elternfreibeträge nicht zum Tragen käme. Schließlich einigten sich die SPD-geführten Bundesländer aber doch, die BAföG-Novelle im Bundesrat scheitern zu lassen. Der von der Regierung vorgelegte Entwurf wurde als „BAföG-Gesetzestorso“ abgetan.485 In ihrer ablehnenden Haltung wurde die SPD unter anderen vom „freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften“ (fzs), von DSW-Präsident v. Mutius sowie von der GEW unterstützt.486 Die CDU warf der SPD ihrerseits vor, Wahlkampf auf dem Rücken der Studenten zu betreiben.487 Dem entgegnete Odendahl mit dem Vorwurf, Rüttgers lehne als Minister ab, was er nicht lange zuvor als Fraktionsgeschäftsführer der CDU im Vermittlungsausschuss noch mitgetragen habe.488 Nach der Bundestagswahl 1994 setzte die Regierung das Thema im Frühjahr 1995 erneut auf die Tagesordnung und stellte nun – etwas überraschend – eine Erhöhung der Bedarfssätze ab dem Herbst 1995 um vier Prozent in Aussicht. Demgegenüber forderte die SPD nach wie vor eine Anhebung um sechs Prozent oder eine rückwirkende Erhöhung der Sätze ab Herbst 1994.489 In der SPD rang man noch um eine klare Position. Während Glotz im Grundsatz an der Forderung nach einer vierprozentigen rückwirkenden Erhöhung festhielt, setzte sich Tidick im Namen der SPDgeführten Länder nunmehr für eine sechsprozentige Erhöhung ab dem Herbst 1995 ein. Eine rückwirkende Erhöhung schaffe haushaltsrechtliche Probleme.490 Um ihre Forderungen durchzusetzen, riefen die Länder im Juni 1995 erneut den Vermittlungsausschuss an. Die GEW schlug angesichts dieser immer wiederkehrenden Rituale vor, die Höhe der Fördersätze zukünftig an der Entwicklung der Altersrente zu orientieren.491
482 483 484 485 486 487 488 489 490 491
dpa, a.a.O., S. 7. dpa 37/94, S. 3. dpa, a.a.O., S. 2. dpa 38/94, S. 1. dpa 40/94, S. 8. dpa 39/94, S. 5 f. dpa 51/94, S. 11. dpa 12/95, S. 9. dpa 11/95, S. 1 ff. dpa 29/95, S. 3.
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Im Lauf der teilweise heftigen, jedenfalls aber unfruchtbaren Auseinandersetzungen des Jahres 1994 zeichnete sich immer stärker die Notwendigkeit einer völligen Neugestaltung des Ausbildungsförderungssystems ab. Einig war man sich bei alledem, dass die sozial- und familienpolitischen Ziele des BAföG eigentlich verfehlt würden. Deshalb forderte das DSW im Frühjahr 1995 eine grundlegende Reform der Ausbildungsförderung492 und regte im Herbst 1995 zu diesem Zweck auch eine Bund-Länder-Kommission an. Eine solche Reform sei überfällig, so DSWPräsident v. Mutius.493 cc) Modelle Als Diskussionsgrundlage schlug das DSW ein sog. Drei-Stufen-Modell vor. Danach sollte sich die Ausbildungsförderung in drei Stufen gliedern: eine Grundoder Sockelförderung für alle, eine Aufbauförderung für Bedürftige und eine zu verzinsende Ergänzungsförderung für Bedürftige.494 Dieses Modell beruhte auf einem Grundkonsens unter den Experten über zwei Komponenten: – die Gewährung von Kindergeld bzw. Steuerfreibeträgen an die Unterhaltspflichtigen sollte durch ein vom Elterneinkommen unabhängiges Ausbildungsgeld ersetzt werden; die Auszahlung dieses Ausbildungsgeldes sollte an den Nachweis des Studienstandes geknüpft sein und an die Studierenden selbst erfolgen. – Zusätzlich zum Ausbildungsgeld sollten die Studierenden nach sozialer Bedürftigkeit eine Ausbildungsbeihilfe erhalten. In der SPD hatte man schon im Sommer 1994 über ein Modell mit einer Sockelfinanzierung nachgedacht.495 Im September 1995 hatten auch die Grünen ein Modell vorgestellt, das dem Drei-Stufen-Modell sehr ähnelte. Ferner wurde das Modell einer Ausbildungskasse vorgeschlagen.496 Demnach sollten alle Studierenden elternunabhängig über 12 Semester einen Anspruch auf eine Förderung („Studiengehalt“) in Höhe von 1.000 Mark pro Monat erhalten. Den Gesamtförderbetrag sollten sie nach ihren Bedürfnissen auch auf 15 Semester verteilen können. Die Rückzahlung des Förderbetrages in die Ausbildungskasse sollte nach Abschluss des Studiums durch einen Zuschlag auf die Einkommenssteuer erfolgen; dieser Zuschlag träfe zunächst alle wohlhabenden Steuerpflichtigen – es sei denn, sie hätten bereits das Studium ihrer eigenen Kinder finanziert.497 492
dpa, a.a.O., S. 4. dpa 42/95, S. 2. 494 dpa 26/95, S. 3 f. 495 dpa 39/94, S. 9. 496 DUZ 4/1995, S. 24 ff. und ausführlich Daxner, Ist die Uni noch zu retten? S. 234 ff. 497 Die Höhe des Zuschlags sollte sich nach Einkommen, Rückzahlungsdauer und Gesamtförderungsbetrag richten und bis zu vier Prozent des Brutto-Einkommens betragen. Die 493
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In der Union verstärkte sich indessen die Tendenz, zu einer reinen Darlehensförderung – wie zwischen 1982 und 1990 geltend – zurückzukehren und dafür auch Teilnehmer von Meisterkursen beruflicher Bildungsgänge in die Förderung einzubeziehen.498 Diese Wendung war insofern bemerkenswert, als sich hier auch eine veränderte Einstellung zum Verhältnis von akademischer und beruflicher Bildung andeutete. So verwies insbesondere die CSU darauf, dass die Erfordernisse von Bildungs- und Beschäftigungssystem wieder stärker in Einklang gebracht und die einseitige „Verakademisierung“ der Gesellschaft gestoppt werden müsste.499 Damit waren die Beschlüsse der Bundesregierung nicht mehr nur durch generelle Kürzungen und Sparbemühungen bestimmt, sondern ließen eine andere Zielrichtung erkennen. Eine Förderung von Meisteranwärtern wurde vom damaligen Fraktionsvorsitzenden der FDP im baden-württembergischen Landtag, Döring, im Übrigen schon im Sommer 1994 angeregt.500 Die Hamburger Schulsenatorin und KMKPräsidentin Raab (SPD) begrüßte die Pläne der Bundesregierung, die Ausbildung junger Meister zu fördern, ausdrücklich.501 Mitten in die aufkommende Grundsatzdebatte platzte ein Vorschlag von Bundesbildungsminister Rüttgers (CDU). Er kündigte im Herbst 1995 an, den Darlehensanteil der Ausbildungsförderung zukünftig privatrechtlich und damit verzinst über die Deutsche Ausgleichsbank, eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts, finanzieren zu lassen, um die dadurch gewonnenen Einnahmen für andere Bereiche seines Etats verwenden zu können.502 Rüttgers verwies darauf, dass es nicht nur beim BAföG, sondern auch beim Hochschulbau und den Hochschulsonderprogrammen Handlungsbedarf gebe. Auch benötigte er Geld für das geplante Meister-BAföG. Um seine Pläne durchzusetzen, drohte Rüttgers den Ländern mehr oder weniger unverhohlen. Wenn sich diese nicht bewegten – sprich: seinen Reformvorschlägen zustimmten – entfielen in den nächsten Jahren neue Maßnahmen im Hochschulbau und in der Fortführung der Hochschulsonderprogramme.503 Daraufhin schwappte eine Welle der Empörung durchs Land. Selbst Parteifreunde liefen gegen Rüttgers Pläne Sturm. Der sächsische Wissenschaftsminister Meyer (CDU) hielt das Vorhaben für „politisch fatal.“504 Zudem hätten die vorgeschlagenen Regelungen einen abschreckenden Effekt auf Studierwillige. Zehetmair (CSU) kritisierte die hohen Zinsen, der Anschubfinanzierung sollte – wie auch im Drei-Stufen-Modell vorgesehen – aus der Überweisung der staatlichen Zuwendungen für Kinderfreibeträge, Ausbildungsfreibeträge, Kindergeld und Ausbildungsförderung in die Ausbildungskasse erfolgen. 498 dpa 39/94, S. 8. 499 dpa 37/94, S. 3. 500 dpa 35/94, S. 2. 501 dpa 4/95, S. 3. 502 dpa 17/95, S. 1 f. und 25/95, S. 2 f. 503 dpa 6/96, S. 7 f. 504 DUZ 18/1995, S. 14.
III. Schule – Studium – Beruf
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Berliner Wissenschaftssenator Erhardt (CDU) das Fehlen von Regelungen zum Zinserlass bei Arbeitslosigkeit; außerdem mahnte er soziale Nachbesserungen an. Trotha (CDU) vertrat die Auffassung, dass die geplante BAföG-Umstellung in Zeiten knapper Kassen nicht losgelöst vom Gesamtkomplex Kindergeld, Elternfreibetrag, Ausbildungsförderung und Studiengebühren entschieden werden könne.505 Die Junge Union hielt Rüttgers’ Vorstoß für „sozialpolitisch verfehlt“, weil die Rückzahlungsverpflichtung junge Menschen genau in ihrer Existenzgründungsphase träfe.506 Statt eines „Darlehens für einige“ brachte sie im Juli 1995 „Studiengebühren für alle“ ins Gespräch.507 Der RCDS hielt erste Berichte über Rüttgers’ Vorhaben zunächst für eine „typische Zeitungsente.“508 Als sich die Berichte jedoch als zutreffend herausstellten, verwahrte sich der RCDS dagegen, Mehrausgaben für Forschung und Hochschulbau vom „finanziell schwächsten Drittel der Studenten“ erbringen zu lassen.509 Der Verband appellierte an Rüttgers, seine BAföG-Zinspläne zu überdenken. Die Union verkaufe mit dem Verzinsungsmodell ihren bildungspolitischen Ruf für ein Linsengericht, so der Bundesvorsitzende.510 Brandenburgs Wissenschaftsstaatssekretär Buttler (SPD) nannte Rüttgers Vorhaben eine „Provokation“; es sei ein „Zins-NC“ und ein „Bankenfördermodell“.511 Niedersachsens Wissenschaftsministerin Schuchardt (parteilos) hielt die Pläne für „nicht diskussionswürdig“. Hamburgs Wissenschaftssenator Hajen (SPD) nannte Rüttgers Vorgehen „schlicht katastrophal“.512 Und die Jusos hielten Rüttgers vor, er versuche mit Taschenspielertricks als nackter Mann noch etwas aus der Tasche zu zaubern.513 Die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Brunn (SPD) kündigte an, dass die SPD Rüttgers’ Plan nicht unterstützen werde. Man könne nicht jenen Studenten, die ohnehin schlechter gestellt seien, die Last aufbürden, „den magersüchtigen Bildungsetat des Bundes aufzupäppeln“.514 Die Vorstellung, die sozial schwächsten Studenten für den Hochschulbau zahlen zu lassen, sei nicht mehr erträglich.515 Tidick (SPD) warf Rüttgers gar vor, sein Verhalten bei der Finanzierung der dringenden Hochschulaufgaben grenze an Erpressung und sei „unsittlich“. Er hätte den Ländern
505 506 507 508 509 510 511 512 513 514 515
dpa 32/95, S. 1 f. DUZ 15 – 16/1995, S. 5. dpa 30/95, S. 6. dpa 17/95, S. 2. dpa 41/95, S. 15. dpa 50/95, S. 2. DUZ 15 – 16/1995, S. 4. dpa 32/95, S. 1 f. dpa 28/95, S. 5. dpa 29/95, S. 4. dpa 28/95, S. 3.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
das unsoziale Paket zu Lasten der Studenten vor die Füße geknallt, statt ernsthafte Gespräche zu suchen.516 Der DGB sah in Rüttgers’ Vorschlag einen eklatanten Verstoß gegen die berechtigten Interessen von Arbeitnehmern und ihren Kindern, nicht aus finanziellen Gründen von weiterführender schulischer und hochschulischer Bildung ausgeschlossen zu werden. Mit dem Modell würde eine Umverteilung zu Lasten finanziell schwächerer Schüler und Studierender angestrebt. Im Übrigen seien ähnliche Überlegungen bereits Mitte der achtziger Jahre verworfen worden, weil sie gegen den aus dem Sozialstaatsgebot abgeleiteten Grundgedanken verstießen.517 Das DSW klagte über eine „gigantische Umverteilungsaktion zu Lasten der wirtschaftlich schwächsten unter den Studenten“ und warnte davor, das BAföG „aus dem Blickwinkel eines hungrigen Sparschweins zu betrachten“.518 GEW-Vorstandsmitglied Köhler warnte in diesem Zusammenhang vor einem erneuten „BAföG-Hick-Hack“. Es sei zudem absurd, ausgerechnet die bedürftigen Studenten für den Bau neuer Hochschulen zahlen zu lassen.519 Der frei Zusammenschluss von StudenInnenschaften“ (fzs) sah in der Einführung von BAföG-Zinsen eine „Aufkündigung des sozialen Friedens“. Die Geduldsschwelle sei nun überschritten.520 Außer dem Land Berlin sprachen sich auch alle Bundesländer – die unionsregierten eingeschlossen – gegen das Rüttgerssche Vorhaben in seiner ursprünglichen Form aus. Auch die HRK lehnte seine Vorschläge ab, da die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau durch diese Umschichtung zu Lasten der sozial Schwächsten ginge,521 das Umverteilungsmodell von Rüttgers sei „völlig unannehmbar“.522 Die HRK schlug stattdessen die Bildung eines Arbeitskreises vor. Hiergegen wehrte sich Rüttgers. Er sei nicht bereit zu akzeptieren, dass ein Gremium immer nur erkläre, was nicht gehe, oder Vorschläge mache, von denen man von vornherein wisse, dass sie nicht umgesetzt werden könnten.523 Einzig die FDP hielt das BAföG-Zinsmodell „mit Einschränkung“ für zustimmungsfähig. Allerdings störten sich die Liberalen an der Höhe des Zinssatzes von geplanten 8,5 Prozent. Dies sei „nicht tragbar“.524 Die Jungen Liberalen hingegen 516
dpa 31/95, S. 5. dpa 27/95, S. 2. 518 dpa 35/95, S. 14. 519 dpa 37/95, S. 6. 520 dpa 28/95, S. 5. 521 HRK, Keine Verzinsung des BAföG-Darlehens, sondern privates Kapital für den Hochschulbau nutzen! Stellungnahme des 76. Senats der Hochschulrektorenkonferenz. 17. Oktober 1995 (in: HRK, Arbeitsbericht 1995, S. 191 f.) und HRK, Stellungnahme zu den geplanten Änderungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Entschließung des 177. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz, 13. November 1995 (in: HRK, Arbeitsbericht 1995, S. 197 ff.). 522 dpa 28/95, S. 4. 523 DUZ 22/1995, S. 14 f. 524 dpa 39/95, S. 1. 517
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warnten die FDP davor, den BAföG-Plänen Rüttgers nachzugeben; dies käme einer bildungspolitischen Kapitulation gleich.525 Vertreter der Unionsfraktion im Bundestag räumten im Bildungsausschuss die „politische Brisanz“ der Pläne ein. Allerdings sahen sie in der geplanten Reform die Chance, im Haushalt finanziellen Spielraum zu schaffen, um in Forschung und Bildung neue Schwerpunkte zur Sicherung des Standortes Deutschland setzen zu können.526 Sowohl der CDU-Bundesfachausschuss Bildung527 als auch die CDU/CSUBundestagsfraktion528 standen weiter hinter Rüttgers’ Konzept. Allen Protesten zum Trotz beschloss die Bundesregierung daher im Dezember 1995, die Pläne Rüttgers’ umzusetzen. Im anschließenden Vermittlungsverfahren mit den Ländern versuchte Rüttgers, sein Zinsmodell im Rahmen einer Paketlösung mit den Themen Hochschulbaufinanzierung sowie Fortführung der Hochschulsonderprogramme zusammenzubinden.529 Schon bald nach dem Kabinettsbeschluss kam es jedoch im Wintersemester 1995/ 96 zu bundesweiten Studentenprotesten. Es formierte sich immer stärker öffentlicher Widerstand. Im Dezember 1995 traten Hochschulrektoren, Studentenwerk und Studentenverbände aller Parteien gemeinsam vor die Presse und forderten Rüttgers zur Umkehr auf. Dabei bezeichnete es HRK-Präsident Erichsen als nicht hinnehmbar, dass Rüttgers auf Kosten der sozial Schwächsten seinen Haushalt sanieren wolle.530 Auch der BAföG-Beirat bei der Bundesregierung lehnte den Gesetzentwurf fast einstimmig ab.531 Anfang 1996 wurde schließlich Rüttgers’ letzte Hoffnung auf eine politische Mehrheit für seinen Vorschlag zerstört, als sich auch der Finanzausschuss des Bundesrats und mit ihm die Finanzminister der Länder gegen seinen Entwurf stellten.532 Bei einer Bundestagsanhörung im Mai 1996 sprachen sich schließlich erneut nahezu alle Experten und Verbände gegen das Rüttgerssche Zinsmodell aus.533 Auch der FDP-Parteivorstand hatte sich dagegen gewandt.534 Möllemann bezeichnete das BAföG-Zinsmodell seines Nachfolgers als „bizarren Vorschlag“, dem jedenfalls er im Bundestag nicht zustimmen werde. 525 526 527 528 529 530 531 532 533 534
dpa, a.a.O., S. 2. dpa 39/95, S. 1. dpa 42/95, S. 3. dpa 28/95, S. 5. dpa 51/52/95, S. 1. dpa 51/52/95, S. 4 f. dpa 3/96, S. 1. dpa 88/96, S. 6. dpa 20/96, S. 3 f. dpa, a.a.O.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Wenngleich Rüttgers mit seinem umstrittenen Zinsmodell auch scheiterte, beschleunigte der Vorschlag doch wenigstens die Diskussion um eine grundlegende Reform der Ausbildungsförderung. So hatten sich bis Ende 1995 drei Gegenentwürfe für eine grundlegende Reform der Ausbildungsförderung herausgeschält: 1. das Modell einer bedarfsdeckenden, elternunabhängigen Ausbildungsförderung für alle (studentische Verbände); 2. das Modell einer Ausbildungskasse mit einer ebenfalls elternunabhängigen Förderung aller Studierenden durch ein sog. Studiengehalt (Daxner) und 3. das Drei-Stufen-Modell mit einer elternunabhängigen Grundförderung für alle plus elternabhängigem Zuschuss plus elternunabhängiger Darlehensoption (DSW).535 Der Hamburger Universitätspräsident Lüthje hatte sich darüber hinaus für ein sog. Bildungssparen stark gemacht: Eltern sollten für ihre Kinder auf ein Ausbildungskonto einzahlen und dafür erhebliche Steuervergünstigungen erhalten.536 Die Kultusminister, die Rüttgers’ Vorschläge im Frühjahr ebenfalls 1996 abgelehnt hatten, sprachen sich dafür aus, den Ministerpräsidenten der Länder eine BAföG-Reform auf Basis des vom sächsischen Wissenschaftsministerium entwickelten sog. Drei-Körbe-Modells vorzuschlagen.537 Vereinfacht dargestellt lief das – auf dem Drei-Stufen-Modell des DSW basierende – Drei-Körbe-Modell ebenso darauf hinaus, Kindergeld, Freibeträge u. ä. – die sog. Transferleistungen – zu streichen und an ihre Stelle ein einkommensunabhängiges monatliches Grundgehalt von ca. 500,– DM zur Sicherung des Lebensunterhalts an alle Studierenden direkt zu zahlen (Sockelbetrag). Hinzukommen sollte eine Aufbauförderung nach Bedürftigkeitskriterien, die je zur Hälfte als Zuschuss und als unverzinsliches Darlehen gewährt wird und mit Leistungskontrollen bzw. Anreizen verbunden ist. Bei Bedürftigkeit konnte über diese Förderung hinaus ein Darlehen hinzutreten.538 Mit diesem Modell sollten insbesondere zwei Ziele erreicht werden. Zum einen sollte die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der Studierenden gefördert werden; zum anderen sollte größere soziale Gerechtigkeit hergestellt werden, da in den Genuss von Kindergeld und Freibeträgen auch Eltern der höheren Einkommens535
dpa 26/95, S. 3 ff. DUZ 12/1996, S. 14 f. 537 dpa 18/96, S. 1. 538 Der Unterschied zwischen dem Drei-Stufen-Modell und dem Drei-Körbe-Modell bestand darin, dass bei Letzterem die Sockelförderung (DM 500,–) plus die Aufbauförderung (DM 500,–) nur drei Jahre lang gezahlt werden sollte (1. Korb); dann sollte der 2. Korb für zwei Jahre greifen (bis zu DM 1.000,– zinsloses Darlehen). Der 3. Korb sollte für einen Zeitraum von zwei weiteren Jahren aus einem staatlich verbürgten, aber marktüblich verzinsten und voll rückzahlbaren Darlehen bestehen. Aus rechtlichen Gründen wurde das 3-Körbe-Modell verworfen. 536
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klassen gelangen und dadurch Familien mit hohem Einkommen de facto mehr vom Staat unterstützt werden als Familien mit niedrigem Einkommen. Die Regierungskoalition lehnte die Vorschläge der Kultusminister jedoch ab. Man wolle durch die BAföG-Reform nach wie vor auch zusätzliche Mittel für die Hochschulen gewinnen, so die Begründung des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Friedrich.539 Doch kam Kritik an den Sockelmodellen auch aus anderer Richtung. Der fzs beispielsweise sprach sich gegen das DreiKörbe-Modell aus, weil es bildungs- und sozialpolitisch in die falsche Richtung gehe.540 Bildungspolitisch ziele es nämlich auf die privilegierte Förderung kurzer Studiengänge und damit der Fachhochschulen.541 Hinzu kamen rechtliche und finanzielle Bedenken. Rüttgers hielt die Vorschläge von DSW und SPD für verfassungswidrig und unseriös finanziert. dd) Lösungsversuche Ungeachtet dieser Grundsatzdebatte verständigte sich Bundeskanzler Kohl im Juni 1996 mit den Ministerpräsidenten der Länder auf einen Kompromiss, wonach Studenten innerhalb der Regelstudienzeiten auch weiterhin keine Zinsen für BAföGLeistungen zahlen sollten. Für die Semester nach Ablauf der verkürzten Regelstudienzeit wurde allerdings eine Verzinsung vereinbart. Auch die Studienabschlussförderung sollte fortan nur noch als verzinsliches Darlehen gewährt werden. Dagegen sollten die Elternfreibeträge um zwei Prozent im Jahr 1996 und ein weiteres Prozent 1997 erhöht werden. Außerdem einigte man sich darauf, bis 1998 eine grundlegende Reform der Ausbildungsförderung zu beschließen.542 Der Bundestag verabschiedete die 18. BAföG-Novelle am 27. Juni 1996, der Bundesrat billigte sie im Juli 1996. Richtig zufriedenstellen konnte dieser Kompromiss jedoch niemanden. Die GEW kritisierte, es sei nicht zu akzeptieren, dass Bund und Länder kürzere Studienzeiten festsetzten, noch bevor die Studiengänge tatsächlich inhaltlich reformiert seien. Die Studenten sollten erneut die Versäumnisse der Hochschulpolitik der vergangenen Jahre ausbaden.543 Der fzs sprach von einem „faulen Kompromiss“.544 Um das Ziel einer umfassenden Reform der Ausbildungsförderung zu verwirklichen, wurde im November 1996 eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund und Ländern eingesetzt. Dabei mahnte insbesondere die Sprecherin der Länder, Schuchardt, zur Eile. „Nichtstun schafft das BAföG ab“, so ihre Sorge, weil immer mehr 539 540 541 542 543 544
dpa 20/96, S. 4. dpa 22/96, S. 17. dpa, a.a.O. dpa 25/96, S. 1 f. dpa, a.a.O., S. 3. dpa, a.a.O.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Studierende aus der Förderung herausfielen.545 Und in der Tat waren die BAföGAusgaben des Bundes zwischen 1991 und 1996 von knapp 2,55 Milliarden auf etwa 1,77 Milliarden Mark gesunken.546 Die Quote der Geförderten sank zwischen 1972 und 1994 von rund 37 Prozent auf knapp 24 Prozent.547 HRK-Präsident Landfried vertrat angesichts dessen die Auffassung, dass das BAföG mittlerweile leerlaufe und seine Funktion nicht mehr erfüllen könne, allen Qualifizierten ohne Rücksicht auf Herkommen und Einkommen der Eltern ein Studium zu ermöglichen. Deutschland könne es sich aber nicht leisten, auf „Intelligenzreserven“ aus einkommensschwächeren Familien zu verzichten.548 Im Übrigen könnten Studierende nur bei angemessener Studienfinanzierung Studienzeitverkürzung und qualitativ hochwertiges Studium miteinander vereinbaren. Doch trotz dieser berechtigten Sorgen bewegte sich die Diskussion kaum von der Stelle. So stöhnte der Vorsitzende des RCDS Ende 1997: „Langsam wird es lächerlich“. Lakonisch schlug er der Regierungskoalition vor, das BAföG ganz abzuschaffen und es für „Steinkohlesubventionen oder ähnlich ,sinnvolle‘ Projekte“ zu verwenden.549 Dass dieser Hinweis nicht allzu weit hergeholt war, zeigte sich im Lauf der Jahrzehnte immer wieder. Denn tatsächlich musste das BAföG zumindest potenziell als Sparkasse für völlig andere Politikbereiche herhalten. So gab es beispielsweise im Herbst 1991 Überlegungen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und bei Finanzminister Waigel, die gerade erst eingeführte Studienabschlussförderung wieder abzuschaffen und das freiwerdende Geld (etwa 130 Millionen Mark) zur Finanzierung familienpolitischer Leistungen in Zusammenhang mit der Reform des § 218 StGB zu verwenden.550 Auch das DSW hatte schon anlässlich des 20. Geburtstages des BAföG im Jahre 1991 tituliert: „Von den bildungspolitischen Glanztaten zum Tummelplatz der Sparpolitik“.551 Doch nach einer Phase ernsthaften Bemühens um eine einvernehmliche Lösung zwischen Bund und Ländern wurde die Auseinandersetzung bald wieder polemisch. Niedersachsens Wissenschaftsministerin Schuchardt warf Rüttgers im März 1997 vor, gar keine gerechte BAföG-Reform zu wollen. Auch mache Rüttgers kein Geheimnis daraus, dass das BAföG seine Hauptsparkasse sei. Rüttgers brauche nur zu 545
dpa 49/96, S. 1. Bund und Länder gemeinsam gaben 1991 knapp 4 Mrd. Mark für die Ausbildungsförderung aus, 1992 noch 3,38 Mrd., 1996 2,05 Mrd., 1997 ca. 1,76 Mrd. und 1998 ca. 1,63 Mrd. Mark. Für 1999 waren nur noch Ausgaben in Höhe von ca. 1,5 Mrd. Mark geplant. 547 Auch im Jahr 1980 hatte sie noch rund 35 Prozent betragen; zu den Zahlen zwischen 1972 und 1980 vgl. Deutsches Studentenwerk e.V. (Hrsg.), Ausbildungsförderungssysteme, Anhang I, S. IV. 548 Landfried, Ein neuer Generationenvertrag, in: Rutz, Aufbruch in der Bildungspolitik. Roman Herzogs Rede und 25 Antworten, S. 131 ff. (133 f.). 549 Zit. nach DUZ 1 – 2/1998, S. 13. 550 dpa 43/91, S. 3. 551 DUZ 1 – 2/1998, S. 11. 546
III. Schule – Studium – Beruf
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warten, dann sei das BAföG ohnehin ausgetrocknet.552 Und auch unionsgeführte Länder wie Sachsen und Bayern bescheinigten dem Bildungsminister wenig Interesse an einer echten Reform. Der Bund betreibe eine Verzögerungstaktik.553 Die Grünen warfen Rüttgers „Scheinverhandlungen“ vor.554 Auf einer Sitzung der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler im Juni 1997 wurde das Thema BAföG-Reform erneut vertagt. Grundlage für die weiteren Beratungen sollte nun nur noch das Drei-Körbe-Modell der Kultusminister und das Bayern-Modell sein. Nach dem Bayern-Modell sollte das BAföG weitgehend in seiner ursprünglichen Form erhalten bleiben; allerdings waren für alle Studenten frühzeitige Leistungsnachweise vorgesehen, womit Eltern von Nicht-BAföGEmpfängern eine Streichung des Kindergelds und der Kinderfreibeträge drohte. Damit sollte die Ungleichbehandlung von BAföG- und Nicht-BAföG-Empfängern beseitigt werden. Erste Überlegungen in diese Richtung waren bereits 1995 vom Bundesfinanzministerium angestellt worden. Schon damals prüfte man, ob man den weiteren Bezug von Kindergeld und Steuererleichterungen von der Erbringung eines Leistungsnachweises aller Studenten abhängig machen solle.555 Damit war das Rüttgerssche Zinsmodell endgültig vom Tisch. Doch die Verhandlungen verliefen weiterhin zäh. Schon bei einer Expertenanhörung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Januar 1997 zeigte sich allerdings, dass mit dem von den Länden favorisierten Modell erhebliche rechtliche Probleme verbunden waren.556 Auch blieben die finanziellen Auswirkungen unklar. So verwarfen die Finanz- und die Justizministerkonferenz der Länder das Modell 1997 zunächst. Das FDP-geführte Justizministerium stellte seine rechtlichen Bedenken gegen die Einführung des Sockelmodells jedoch im Oktober 1997 zurück, das auch die Justizminister der Länder unterdessen gebilligt hatten. Zur Durchsetzung der jeweils favorisierten Modelle ergaben sich in der Folgezeit bemerkenswerte Allianzen. So plädierten im Juni 1997 auf einer gemeinsamen Pressekonferenz DSW, HRK und GEW für eine Reform der Ausbildungsförderung auf Basis eines Sockelmodells.557 Der neugewählte HRK-Präsident Landfried sah in der BAföG-Reform eine der „wichtigsten Aufgaben der allernächsten Zeit“.558 Wenig später warnte er vor einem „Ausbluten des BAföG“; Bildungsausgaben seien Zukunftsinvestitionen.559
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dpa 11/97, S. 14. dpa 22/97, S. 3. dpa 10/97, S. 11. dpa 21/95, S. 1. dpa 6/97, S. 1. dpa 25/97, S. 4. dpa 32/97, S. 8. dpa 42/97, S. 20.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Als vielleicht gravierendstes Problem stellte sich indes heraus, dass die Finanzminister der Länder kein Interesse an einer grundlegenden BAföG-Reform zeigten. Einem neuen Fördermodell könne nur zugestimmt werden, wenn es sich gegenüber dem bestehenden BAföG unter Einschluss des Familienlastenausgleichs kostenneutral verhalte, so die Minister in Beschlüssen vom Oktober 1997.560 Streit gab es hierbei schon um die Frage, auf welcher Grundlage die Kostenneutralität überhaupt zu ermitteln sei. Während die meisten Länder hierbei den Zeitpunkt ihres Grundsatzbeschlusses für die Ausbildungsförderung wählen wollten, beharrte der Bund darauf, als Ausgangsbasis lediglich den mit der 18. Novelle erheblich reduzierten BAföG-Etat anzusehen. Die Finanzminister der Union strebten darüber hinaus gar weitere Einsparungen beim BAföG an.561 Das DSW wies die Forderungen nach einer strikten Kostenneutralität für eine BAföG-Reform ganz zurück. Die Reform zu verschleppen und Kostenneutralität auf dem immer weiter absinkenden Niveau der staatlichen Ausgaben zu fordern, sei „blanker Zynismus“.562 Jedenfalls machten die Finanzminister mit ihrem Beschluss den Kultusministern einen Strich durch die Rechnung und offenbarten zudem deutlich, wie sehr Bildungspolitik in den neunziger Jahren zum Spielball der Finanzpolitik geworden war. Daraufhin konstatierte Rüttgers, dass der Versuch, Einigkeit über das Drei-KörbeModell herzustellen, offenbar gescheitert sei.563 Er forderte die Wissenschaftsminister der Länder ultimativ auf, eine abgestimmte Position vorzulegen.564 Doch gelang es den Ländern bis zur Ministerpräsidenten-Konferenz im Dezember 1997 nicht, eine gesetzesreife, kostenneutrale Vorlage zu erarbeiten. So reichte es auch im Dezember 1997 nur zu einer eher kosmetischen Reform. In Anbetracht der Erhöhung der Bedarfssätze und der Freibeträge um lediglich je zwei Prozent sprach die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Odendahl (SPD), von einer „kärglichen Anhebung“. Der hochschulpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Berninger, nannte die „mickrige Anhebung“ ein „einziges Trauerspiel“.565 Auch DSW-Präsident Rinkens zeigte sich enttäuscht „auf der ganzen Linie“. Die Studenten hätte kein Verständnis mehr für eine Strategie des Vertröstens. Die Politik habe damit bewiesen, dass sie zu einer echten Reform der Ausbildungsförderung nicht fähig sei.566 Ein Beobachter urteilte: „Nach zwei Jahrzehnten systematischer BAföG-Demontage macht das Reförmchen als Beruhigungsbonbon die Studenten allemal nicht satt.“567 560 561 562 563 564 565 566 567
dpa 45/97, S. 1. dpa, a.a.O. dpa 50/97, S. 7. dpa 45/97, S. 1. dpa 50/97, S. 7. dpa 52/97 – 1/98, S. 3. dpa, a.a.O., S. 4. Leffers, Vertagen und vertrösten, DUZ 1 – 2/1998, S. 13.
III. Schule – Studium – Beruf
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Anfang 1998 bilanzierte derselbe Beobachter, dass das Ringen um Reformen der Ausbildungsförderung längst zu einem eintönigen, fruchtlosen Ritual mit den immer gleichen Beteiligten und Argumenten geworden sei. Zudem habe in den letzten drei, vier Jahren jeder, der im Hochschulbereich etwas auf sich halte, ein eigenes Modell für eine BAföG-Reform „in die Umlaufbahn geschossen“.568 Unterdessen einigte man sich in der Union auf das Bayern-Modell, das schon auf Länderebene von Zehetmair vorgeschlagen worden war. Gegen das Drei-KörbeModell spreche neben verfassungs-, steuer- und unterhaltsrechtlichen Bedenken vor allem, so der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass es „einen Eingriff in die Eigenständigkeit der Familie bedeute“.569 Damit war der eigentliche Grund für die Ablehnung der Sockelmodelle durch die Union benannt: Die Sorge um die Zukunft der Familie als Institution. Die Länder lehnten die bayrische Initiative aus unterschiedlichen Gründen ab. Insbesondere schaffe das Bayern-Modell nicht die „gewünschte Verteilungsgerechtigkeit“, so die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Brunn (SPD).570 Das DSW sah im Bayern-Modell gar ein „reines Geldbeschaffungsmodell.“571 Erneut befand man sich in einer Patt-Situation. Doch trotz der selbst verschuldeten Blockade wiederholten Politiker aller Parteien immer wieder gebetsmühlenhaft ihre Forderung nach einer grundlegenden BAföG-Reform.572 Nur wollte diese entweder niemand bezahlen oder es wurden neue eigene und zum Teil weiterreichende Konzepte zur Debatte gestellt (so z. B. von Bündnis 90/Die Grünen) oder das Thema wurde zum Vorwahlkampf benutzt, indem man sich gegenseitig die Schuld am Misslingen der Reform zuschob. Im Bewusstsein des erneut nahenden Bundestagswahlkampfes mahnten im August 1998 Studentenverbände aller politischen Richtungen zusammen mit dem DSW in einer gemeinsamen Erklärung eine unverzügliche BAföG-Reform an.573 Schon im Januar 1998 hatte sich auch Bundespräsident Herzog eingeschaltet und eine BAföGReform gefordert, da immer mehr Studenten ihren Lebensunterhalt – gezwungen oder freiwillig – mit Aushilfsjobs bestritten.574 Doch umsonst. Eine grundlegende Reform war wegen der offensichtlichen Meinungsunterschiede letztlich gar nicht mehr versucht worden. Man wartete nunmehr die Neuwahlen und einen eventuellen Wechsel der Regierungskonstellation ab. Damit hatten die Regierungschefs ihr im Sommer 1996 gegebenes Versprechen nicht eingehalten. Die SPD kündigte im Sommer an, die grundlegende BAföG568 569 570 571 572 573 574
DUZ 1 – 2/1998, S. 11. dpa 45/97, S. 1 und 27/97, S. 3 f. dpa 20/98, S. 5. DUZ 1 – 2/1998, S. 12. dpa 15/98, S. 5 f. dpa 36/98, S. 5. dpa 6/98, S. 5.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Reform zu einem der ersten Vorhaben einer SPD-geführten Bundesregierung zu machen.575 ee) Kleine BaföG-Reform Doch auch nach dem Sieg der SPD bei der Bundestagswahl ging der Streit weiter. Da eine grundlegende Reform nach wie vor in weiter Ferne schien, einigte man sich im Januar 1999 mit den Stimmen der Opposition zunächst auf eine kleine BAföGNovelle. Der Minimalkompromiss brachte eine Rücknahme der Maßnahmen der 18. Novelle vom Juli 1996, der sog. „Novelle der Grausamkeiten“: eine Verlängerung der Förderungszeit bei Auslandsstudien, die Möglichkeit eines Fachrichtungswechsels bis zum vierten Semester, ohne Verlust der Förderung, sowie eine Berücksichtigung des Engagements in studentischen Gremien bei der Bemessung der Förderdauer. Durch die Erhöhung der Freibeträge um sechs Prozent erhielten 23.000 Studenten zusätzlich Fördermittel. Der Fördersatz wurde um zwei Prozent angehoben. Die neue Bundesbildungsministerin Bulmahn (SPD) stufte die Novelle dennoch lediglich als „Reparaturgesetz“ und „Eilmaßnahme“ ein.576 Auch die GEW sah in der Novelle nicht mehr als eine „Reparaturnovelle“.577 Erstaunlich schienen jedoch die Äußerungen von SPD-Bildungssprecher Hilsberg. Er vertrat die Auffassung, dass die neue Bundesregierung mit der Novelle „die gröbsten Schweinereien der CDU/CSU rückgängig gemacht“ habe.578 Allerdings vergaß er dabei zu erwähnen, dass die 18. Novelle im Bundestag mit den Stimmen der SPD als Ergebnis der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss und damit auch mit Zustimmung des SPD-dominierten Bundesrats verabschiedet worden waren. Dennoch warf die SPD-Politikerin Wimmer den ehemaligen Regierungsparteien Union und Freidemokraten im Hinblick auf deren damalige Verantwortung für die 18. Novelle „Doppelzüngigkeit“ vor.579 Nachträglich rechtfertigten SPD-Politiker ihre eigene Zustimmung damit, dass dies „eine schlimme erpresserische Situation“ gewesen sei.580 Auch die FDP offenbarte ein schlechtes Gedächtnis. Ihr ging die neueste Novelle nicht weit genug. Ebenso wie die GEW forderte sie die seinerzeit – auch von ihr mitgetragene und im Bundestag mitbeschlossene – Darlehensverzinsung bei der Studienabschlussförderung und der Förderung nach Ablauf der Regelstudienzeit rückgängig zu machen.581
575 576 577 578 579 580 581
dpa 34/98, S. 7. dpa 13/99, S. 2. dpa, a.a.O. dpa 3/99, S. 7. dpa 13/99, S. 2. dpa, a.a.O. dpa, a.a.O., S. 2 f.
III. Schule – Studium – Beruf
165
Indessen schritt die Grundsatzdiskussion voran. Immer neue Modelle wurden in die Debatte gebracht. So trat im Februar 1999 (endlich, möchte man angesichts der medialen Omnipräsenz fast sagen)582 auch das CHE auf den Plan und legte gemeinsam mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ein Modell vor, das von einer pauschalen Sockelfinanzierung durch den Staat, Unterhaltsleistungen der Eltern, Bildungssparen sowie Bildungsdarlehen charakterisiert ist („Individuelle InvestitionsFörderung in Bildung – InvestiF“). Dabei sollte sich das Bildungssparguthaben aus Sparbeiträgen der Eltern und staatlichen Prämien zusammensetzen. Ergänzende „Bildungsdarlehen“ kämen nach dem Modell nur Bedürftigen zugute. Eine Pflicht zur Rückzahlung solle nur bei einem bestimmten Mindesteinkommen bestehen.583 Der Generalsekretär des Stifterverbandes, Erhardt, sagte zu dem Modell: „Bildungssparen ist mindestens so sinnvoll wie Bausparen, und das wird schließlich auch staatlich gefördert.“ Das BAföG hingegen sei ungerecht und längst nicht mehr zeitgemäß.584 Ganz anderer Meinung war der Präsident des DSW. Er nannte das InvestiFModell zynisch. Das Modell sei insbesondere nicht schon deshalb sozialverträglich, weil der spätere Absolvent so lang weniger zurückzahlen müsse, wie er noch weniger verdiene. Wieder solle die Jugend bezahlen, was man ihr zu geben nicht bereit sei. Die Erfindung InvestiF jedenfalls sei nur ein „Akronym für ein untaugliches Modell“.585 Unterdessen drängten die Länder im Frühjahr 1999 weiterhin mehrheitlich auf eine BAföG-Strukturreform mit einer einheitlichen Sockelfinanzierung. Skeptisch gegenüber der Realisierung des von der SPD favorisierten Drei-Körbe-Modells zeigte sich erneut die Union. Insbesondere das Unterhaltsrecht sei nicht so einfach zu ändern.586 Die Diskussion in der Justizministerkonferenz habe gezeigt, dass die Anpassung des zivilen Unterhaltsrechts an das BAföG nicht durchsetzbar sei.587 Im Sommer 1999 kam dann ein neuer Plan aus der rot-grünen Bundesregierung: Sie regte überraschend die Abwicklung des BAföG-Darlehensanteils über die Deutsche Ausgleichsbank an – im Gegensatz zum Rüttgersschen Vorschlag vier Jahre zuvor allerdings ohne die Komponente, für das Darlehen Zinsen zu erheben. Ziel dieser Maßnahme sollte es sein, den Etat des Bildungsministeriums zu entlasten. Hiergegen wandte sich nun wieder die CDU/CSU-Fraktion mit ihren bildungspo582 Das CHE unterlag zunehmend der Versuchung, seinen ursprünglichen Auftrag, die Beratung in Einzelfällen, zu vernachlässigen und „Politik zu machen“ und zwar sogar gegen die Mitbegründerin, die HRK; s. Turner, HB v. 11. 4. 2000, S. 54. 583 DUZ 5/1999, S. 6. 584 Zit. nach Die Welt v. 9. 4. 1999, Arme, arme Studenten (HRK-Pressespiegel Nr. 15/1999 v. 15. 4. 1999, S. 18). 585 Rinkens, Die Jugend bezahlt. Zum „neuen“ Modell der Studienfinanzierung, Frankfurter Rundschau v. 18. 2. 1999 (HRK-Pressespiegel Nr. 7/1999 v. 18. 2. 1999, S. 9). 586 dpa 39/99, S. 1. 587 dpa 46/99, S. 5.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
litischen Sprechern an der Spitze. Diese kritisierten vor allem, dass das im Bildungsetat eingesparte Geld überwiegend der Forschungsförderung zugutekommen sollte statt in eine große BAföG-Reform zu fließen.588 Dass ihre eigene Fraktion nur wenige Jahre zuvor eine fast identische Umverteilungsentscheidung getroffen hatte, schien schon wieder vergessen. Im Herbst 1999 wurde die Lage für die Bundesregierung durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Familienlastenausgleich zusätzlich erschwert, das insbesondere die Umsetzung des Drei-Körbe-Modells fragwürdig machte. Überdies zeigten sich Unstimmigkeiten in der rot-grünen Koalition. Während Bündnis 90/Die Grünen schon seit längerer Zeit ein BAföG-Fondsmodell präferierten, hielt die SPD weiterhin am Drei-Körbe-Modell fest.589 Erste Überlegungen zu einem sog. Bundesausbildungsförderungsfonds (BAFF) hatte der bildungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Berninger, in Anlehnung an das Modell einer „Ausbildungskasse“590 schon im Sommer 1995 in die parteiinterne Diskussion eingebracht. Über eine Ausbildungskasse sollten alle Studierenden 12 Semester lang 1.000,– DM pro Monat erhalten. Bei einer Expertenanhörung im Juni 1997 hatte das BAFF-Modell der Grünen jedoch kaum Zustimmung gefunden.591 Auch der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion hielt das Modell der Grünen für sozial ungerecht, weil damit der nicht rückzahlbare Zuschuss für Bedürftige entfalle. Später kritisierten die Juso-Hochschulgruppen die Grünen, da diese nach wie vor an ihrem Fondsmodell (BAFF) festhielten.592 Im August 1999 schreckte Bulmahn den Koalitionspartner damit auf, dass Chancengleichheit beim BAföG nicht heiße „BAföG für alle“. „Nein, sorry, das wollten Sozialdemokraten nicht.“593 Wenngleich sie diese Meldung wenig später heftig dementierte und sich dabei für eine elternunabhängige Förderung der Studierenden aussprach,594 so war der Koalitionspartner doch alarmiert. Berninger erinnerte Bulmahn sogleich öffentlich an den Koalitionsvertrag, wo von einer „grundsätzlichen Neuordnung der Ausbildungsförderung“ die Rede sei. Der Vor-
588
dpa 39/99, S. 1. dpa 27/99, S. 4. Zunächst hatten die Grünen ein Modell favorisiert, das jenem des DSW sehr ähnlich war. Allerdings sollte die Ausbauförderung (zweiter Korb) in einer Variante elternunabhängig bezahlt werden. Die Rückzahlung der – damals noch zur Hälfte als zinsloses Darlehen vorgesehenen – Aufbauförderung sollte allerdings bereits in diesem Modell über einen vierprozentigen Abzug vom Bruttoeinkommen der später Berufstätigen erfolgen (dpa 36/ 95, S. 11). 590 Daxner, DUZ 4/1995, S. 24 ff. 591 dpa 27/97, S. 4. 592 dpa 46/98, S. 7. 593 Zit. nach Rheinischer Merkur v. 13. 8. 1999, Kein Bafög für alle (HRK-Pressespiegel Nr. 32/1999, S. 1). 594 dpa 33/99, S. 1. 589
III. Schule – Studium – Beruf
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sitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Möllemann (FDP), warf der Ministerin daraufhin gar „Wählertäuschung“ vor.595 Unterdessen warteten alle auf den von Bulmahn versprochenen Reformentwurf. Die HRK erinnerte die Bundesregierung im November 1999 an ihr Wahlversprechen. Wie auch immer die Lösung aussehen möge, so HRK-Präsident Landfried, auf jeden Fall müsse die Zahl der Geförderten von 250.000 auf 400.000 steigen. Die Zahl derer, die die Höchstförderung bezögen, müsse von 30.000 auf 60.000 verdoppelt werden.596 Doch verschob Bulmahn ihr noch im Oktober für Ende 1999 angekündigtes Reformkonzept597 zwischenzeitlich auf das Frühjahr 2000. Die Opposition mutmaßte daraufhin sogar, dass die Bundesregierung ihre Pläne auf das Jahr 2002 verschieben wolle, weil Finanzminister Eichel (SPD) die BAföG-Reform an eine Reform des Familienleistungsausgleichs zu koppeln gedenke.598 ff) Weitere Versuche Zu allgemeinen Überraschung legte die CDU/CSU-Fraktion dann im November 1999 einen eigenen BAföG-Reformvorschlag vor, demzufolge bei der Berechnung des Elterneinkommens auf die Anrechnung des Kindergelds verzichtet werden sollte. Dies komme einer Erhöhung des Elternfreibetrags um 15 Prozent gleich und würde dazu führen, dass nicht mehr nur jeder fünfte, sondern fortan jeder vierte Student Förderung gemäß dem BAföG erhielte. Kindern aus einkommensschwachen Familien sollte ein Teil des Förder-Darlehens ganz erlassen werden und Zuwendungen über 800 Mark sollten nur noch als Zuschüsse erfolgen. Damit reduziere sich die maximale Darlehensschuld eines Studenten von 30.000 auf nur noch 24.000 Mark.599 Darüber hinaus sah der Vorstoß der Union Verwaltungsvereinfachungen bei der BAföG-Gewährung und weitere Erleichterungen für Studenten bei der Kindererziehung vor. Außerdem sollten ein zügiges Studium und überdurchschnittliche Studienabschlüsse zu einem höheren Darlehenserlass führen. Die Kosten in Höhe von 450 bis 500 Millionen Mark sollten durch im Bildungsetat freiwerdende Mittel gedeckt werden. Dieser Vorstoß verärgerte die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Behler (SPD). Sie warf der Union vor, dass sie das BAföG nun reformieren wolle, da sie es 16 Jahre lang kaputtgespart habe. Im Übrigen löse der Vorschlag die BAföGStrukturprobleme nicht. Mit Bulmahn sei sie der Meinung, dass die Wiederherstellung der Chancengleichheit durch eine BAföG-Reform höchste Priorität genie595 596 597 598 599
dpa, a.a.O. Tagesspiegel v. 11. 11. 1999 (HRK-Pressespiegel Nr. 45/1999, S. 2). dpa 39/99, S. 8. dpa 46/99, S. 4 f. dpa, a.a.O.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
ße.600 Demgegenüber begrüßte HRK-Präsident Landfried den Vorstoß der Union. Er sei froh, dass nun endlich ein konkreter Vorschlag für eine BAföG-Reform vorliege.601 Alle Überlegungen wurden obsolet, nachdem Bundeskanzler Schröder die Pläne der Bildungsministerin stoppte.602 Die große BAföG-Reform lag auf Eis. Was schließlich von der rot-grünen Bundesregierung beschlossen wurde, verdient nur den Namen Reförmchen: Er bewegt sich mit der Anhebung des BAföG-Höchstsatzes und der Freibeträge sowie dem Verzicht auf die Anrechnung des Kindergeldes im Rahmen des gewohnten Reformschemas. Bulmahn war mit ihrer lang angekündigten Reform gescheitert.603 Im Februar 2000 bereicherte dann Baden-Württembergs Wissenschaftsminister von Trotha (CDU) die Diskussion um einen Vorschlag zum sog. LAföG: Er wollte das BAföG, durch Zahlungen aus der Landeskasse baden-württembergischer Studierender aufbessern. Finanziert werden sollte dies über allgemeine, sozialverträglich gestaltete Studiengebühren – offensichtlich ein Köder für die rot-grüne Opposition.604 Ein bezeichnendes Beispiel für das fast schon unerträgliche Hin und Her der BAföG-Reformdiskussion war auch die schlingernde Haltung der FDP zur Reform der Ausbildungsförderung seit Mitte der neunziger Jahre: Zuerst plädierten die Liberalen – wenn auch mit Einschränkungen – für Rüttgers’ Verzinsungsmodell.605 Im Jahr 1997 schwenkten sie dann auf das BAFF-Modell der Grünen um.606 Bereits im Sommer 1994 hatte der Vorsitzende der FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Döring, eine elternunabhängige Ausbildungsförderung für alle favorisiert.607 Im Herbst 1997 dann sprachen sich FDP-Bildungspolitiker sowohl für das Bayern-Modell wie auch für ein Sockelmodell aus.608 Ende 1997 votierte FDP-Chef Gerhardt für eine einheitliche Sockelförderung, gleichzeitig aber auch gegen das Drei-Körbe-Modell.609 Im Januar 1999 schließlich sprach sich die FDP-Bundestagsfraktion doch für das Drei-Körbe-Modell aus.610 Die Ausbildungsförderung ist eines der am meisten von Kurswechseln geprägten Politikfelder auf hochschulpolitischem Gebiet. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass an der Finanzierung sowohl Bund als auch Länder beteiligt sind und Sparbeschlüsse nicht selten nur im Konsens der politisch Verantwortlichen zustande 600 601 602 603 604 605 606 607 608 609 610
dpa, a.a.O. dpa, a.a.O., S. 6. DUZ 3/2000, S. 11; dpa 12/2000, S. 1 f. dpa 4/2000, S. 1 f. Krauß, Der Köder, StZ v. 7. 2. 2000 (HRK-Pressespiegel 7/2000, S. 26). dpa 35/95, S. 13. dpa 10/97, S. 11. dpa 35/94, S. 3. dpa 40/97, S. 4. dpa 52/97 – 1/98, S. 5. dpa 4/99, S. 5 f.
III. Schule – Studium – Beruf
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kommen konnten. Zum anderen gehört das Thema Ausbildungsfinanzierung wohl zu den am schwersten mit parteipolitischer Ideologie befrachteten Bereichen der Hochschulpolitik. So war es nur logisch, dass der Zuschussanteil, also die nicht rückzahlbare staatliche Komponente an der Ausbildungsförderung, jeweils umso größer war, je stärker der sozialstaatliche Bildungsgedanke auf politischem Konsens beruhte. Umgekehrt war der Darlehensanteil umso größer, je stärker die Politik auf die marktwirtschaftliche und individuelle Eigenverantwortung der Studierenden abzielte. Bemerkenswert ist auch, dass kaum ein Bereich der Hochschulpolitik in seiner Entwicklung so eng mit den handelnden Personen verbunden ist wie die Ausbildungsförderung. Jeder Bundesbildungsminister zumindest der christlich-liberalen Koalition von 1982 bis 1998 prägte hier auf seine ganz eigene Art die Gestaltung des Förderumfangs – ob durch Verbesserungen oder Verschlechterungen. Erinnert sei nur an die ordnungspolitisch begründete Umstellung der Ausbildungsförderung auf Volldarlehen unter Ministerin Wilms, die Rücknahme dieser Maßnahme nebst den deutlichen Leistungsausweitungen durch den energisch auftretenden Minister Möllemann sowie den Stillstand in der Zeit dazwischen unter den nicht durchsetzungsfähigen Ministern Ortleb und Laermann. Die erste rot-grüne Regierungskoalition beschloss 2001 eine weitreichende Reform, die viele Einschränkungen der Kohl-Ära zurücknahm. Zusätzliche Veränderungen erfolgten etwa durch die Freistellung des Kindergeldes bei der Einkommensanrechnung. Zudem müssen seither insgesamt nur maximal 10.000 Euro des Darlehens zurückgezahlt werden. Nach dieser Reform gewann das BAföG wieder wesentlich an Bedeutung. Im Jahr 2003 erhielten bereits mehr als 25 % der Studenten Förderung nach dem BAföG. 2010 beschloss die Bundesregierung Merkel eine Novelle des BAföG. Die allgemeine Altersgrenze von 30 Jahren wurde für Masterstudiengänge auf 35 Jahre angehoben. Begabungs- und leistungsabhängige Stipendien bis zu 300 Euro monatlich werden seither von einer Anrechnung auf den Bedarfssatz nach BAföG ausgenommen. Die für die Ehe und für Ehegatten geltenden Regelungen im BAföG gelten nun auch für Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Im August 2014 gab Bundesbildungsministerin Wanka bekannt, dass die Ausbildungsförderung ab Herbst 2016 um insgesamt 7 % angehoben wird. In diesem soll der Wohnzuschlag-Höchstsatz um 11 % angehoben werden. Nach amtlicher Berechnung soll der Anstieg der Verbraucherpreise seit der letzten Erhöhung 2010 bis 2014 bereits 7 % betragen. Mit dem 25. BAföG-Änderungsgesetz stimmte der Bundesrat am 19. Dezember 2014 der vollständigen Finanzierung der Ausbildungsförderung durch den Bund zu. Damit werden die Länder um jährlich rund 1,2 Milliarden Euro entlastet, die für
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
zusätzliche Investitionen in die Hochschulen verwendet werden sollen. Ob dieser Zusage überall entsprochen wird, erscheint zweifelhaft. Das DSW sieht auch weiter erheblichen Nachbesserungsbedarf und fordert von der Regierung eine alle zwei Jahre steigende Förderung.611 Die Zahlen sprechen für sich: Nur 18 % der 2,8 Millionen Studierenden erhalten Bafög. Der Anteil war einmal doppelt so hoch. Den Höchstsatz bekommt nicht einmal die Hälfte der Geförderten. Damit verliert die staatliche Förderung zunehmend an Bedeutung. Vielen Berechtigten scheinen die bürokratischen Hürden bei der Antragstellung zu hoch zu sein. 7. Organisation des Studiums Die Anfänge der Studienreformdiskussion gehen zurück bis in die fünfziger Jahre.612 Schon damals klagte man über zu lange Studienzeiten, mangelnde Vorbildung der Studienanfänger, zunehmende Spezialisierung in den Studiengängen, fehlende Orientierung der Studenten, mangelhafte Strukturierung des Studiums etc.613 Auch wurden erste Rufe nach einer verbesserten Lehre an den Hochschulen laut.614 Doch erst im Lauf der Studentenproteste zum Ende der sechziger Jahre lernte man die Studienreform als Aufgabe des Staates zu begreifen. Bis dahin oblag die Studienreform allein den Hochschulen. Die Gestaltung der Studiengänge war Sache der Fakultäten, die sich ihrerseits untereinander abstimmten. Rahmenprüfungsordnungen wurden im Zusammenwirken von Fakultätentagen, wissenschaftlichen Vereinigungen und beruflichen Standesorganisationen sowie einer gemeinsamen Kommission aus KMK und WRK für Prüfungs- und Studienordnungen entwickelt. Noch schwieriger war die Situation bei der Aufstellung von Studienordnungen. Noch Mitte der sechziger Jahre war das Studium in einer Reihe von Fächern weitgehend von den Studenten selbst zu organisieren. a) Versuche zur Studienzeitverkürzung Die Selbstorganisation wollte der Wissenschaftsrat 1966 zugunsten vereinheitlichter Studienordnungen aufgeben, die über eine Zwischenprüfung und die Begrenzung des Lehrstoffs eine reibungslose Abwicklung des Studiums ermöglichen
611
dpa 50/2016, S. 31. Steiger, Zur Entwicklung der überregionalen Bemühungen zur Studienreform seit dem Zweiten Weltkrieg, S. 157 ff. 613 Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Neuordnung des Studiums an den wissenschaftlichen Hochschulen, S. 16 ff. 614 Mikat/Schelksy, Grundzüge einer neuen Universität, S. 45 ff. 612
III. Schule – Studium – Beruf
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sollten.615 Die Vorschläge des Wissenschaftsrats stießen jedoch auf heftigen Widerstand nicht nur der Studenten, sondern vor allem auch der Hochschullehrer. Damals erklärte ein deutscher Staatsrechtler: „Die Lehrfreiheit schützt den wissenschaftlichen Lehrer bei der freien Wahl von Gegenstand, Form, Methode, Inhalt, Zeit und Ort der Lehre grundsätzlich vor jeder Fremdbestimmung“616. Hinter diesem Rückzug auf die in Art. 5 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich garantierte Wissenschaftsfreiheit stünden, so der damalige WRK-Präsident Roellecke, die beiden Grundprobleme einer inhaltlichen Studienreform: der Autismus des Wissenschaftlers auf der einen und die Unabhängigkeit des Fachmannes auf der anderen Seite.617 So blieb die Möglichkeit, das Studium weitgehend individuell zu gestalten, zunächst unberührt.618 1968 unternahm der Wissenschaftsrat einen neuen Vorstoß. Er forderte eine Bestimmung des Ausbildungsziels für die verschiedenen Studiengänge und mahnte Folgerungen für die Gestaltung des Studiums im Sinne seiner Empfehlungen von 1966 an.619 Auch die CDU hatte 1969 in ihren Leitsätzen zur „Schule und Hochschule von morgen“ eine grundlegende Neugestaltung der Studiengänge gefordert, um eine intensivere individuelle Betreuung und Anleitung der Studenten sowie eine Vereinheitlichung der Studiengänge, Prüfungs- und Examensordnungen zu erreichen.620 Die Vereinheitlichung der Ausbildungsgänge stand Mitte der siebziger Jahre im Zentrum der Forderungen. Der bayrische Kultusminister Hans Maier (CSU) vertrat die Auffassung, eine Studienreform müsse sich in Studienordnungen und Studienplänen niederschlagen, die – ohne völlig deckungsgleich zu sein – doch in allen Ländern der Bundesrepublik ein gewisses Maß an Einheitlichkeit oder Vergleichbarkeit aufweisen sollten.621 Schon wegen der Möglichkeit eines Hochschulwechsels sollte angestrebt werden, dass sich die Inhalte zumindest des ersten Studienabschnitts gleicher Studiengänge möglichst weitgehend entsprächen.622 All diese Vorschläge zur Studienreform sind auch unter dem Aspekt des sich ständig verstärkenden Andrangs zu den Hochschulen zu sehen. Dementsprechend hieß es im Bildungsbericht 1970 der sozial-liberalen Koalition: „Die Studienreform muss außerdem darauf ausgerichtet sein, auch im Hochschulbereich alle Begabungen in allen Schichten stärker als bisher zu fördern. Die Sozialstruktur der deutschen Studentenschaft ist nach wie vor Ausdruck einer gesellschaftlich einseitigen Auslese und verstärkt damit die Tendenz, die bereits im überkommenen vertikal gegliederten 615
Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Neuordnung, S. 19 ff. Zit. nach Roellecke, Studienreform – Erwartungen und Möglichkeiten, S. 7 ff. (10). 617 Roellecke, S. 11. 618 Rudolph/Husemann, Hochschulpolitik zwischen Expansion und Restriktion, S. 66. 619 Wissenschaftsrat, Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Struktur und Verwaltungsorganisation der Universitäten, S. 11 ff. 620 CDU, Schule und Hochschule von morgen, S. 9 ff. (13). 621 Maier, Hans, Studienreform, S. 15 ff. (26). 622 Maier, S. 29. 616
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Sekundarschulbereich angelegt ist.“623Allerdings hat die Bundesregierung später ihre Zweifel an der fachlichen Vorbildung der neuen Studentengeneration am Ende der siebziger Jahre kaum verborgen.624 Angesichts dessen unterstellte WRK-Präsident Roellecke der Politik, sie forderte eine „Studienreform für die Armen im Geiste“. Eine solche Studienreformpolitik habe zwar keine wirklichen Freunde, aber auch keine Gegner. Man könne sich ihr folglich nicht entziehen.625 Doch wer sich von einer Studienreform vor allem inhaltliche Verbesserungen erhofft hatte, wurde enttäuscht. Ernüchtert stellten Kritiker schon früh fest, dass es in der ersten Phase der Bildungsreform seit Ende der sechziger Jahre mehr Expansion als inhaltliche Reformen gegeben habe.626 Es wurde bemängelt, dass die Studienreform in den siebziger Jahren immer stärker zum Gegenstand organisatorischer Beratungen geworden wäre. Insgesamt hätte es im Lauf der Diskussion eine deutliche Verschiebung von den Inhalten zu den Formen des Studiums gegeben.627 Demgegenüber hätte Studienreform noch in den sechziger Jahren das Anlegen von gesellschaftskritischen Maßstäben an Inhalte und Methoden akademischer Vermittlung bedeutet. Man habe diskutiert, was in einen Studiengang „hinein“ müsse, damit er bestimmten Zielsetzungen (Solidarität), bestimmten Wertmustern (Emanzipation) und bestimmten gesellschaftlichen Projekten (Kritik, Aufklärung) entsprechen könne.628 Ähnlich sah die sozial-liberale Bundesregierung auch in ihrer bildungspolitischen Konzeption von 1970 eine Studienreform, die „den Entwicklungen von Wissenschaft und Gesellschaft inhaltlich und didaktisch Rechnung trägt“, als zentralen Bestandteil einer Hochschulreform.629 Der DGB regte 1973 gar die „Demokratisierung der Organisation und Inhalte von Wissenschaft“ an, was zur Emanzipation, Kritikfähigkeit und aktiven Teilnahme an gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen beitragen sollte. Von einer Studienreform sollten gesellschaftliche Veränderungen insbesondere der beruflichen Praxis, größere soziale Gerechtigkeit und solidarische Arbeitsformen ausgehen.630 Solche Aussagen reizten selbst grundsätzliche Befürworter inhaltlicher Reformen fast schon zu polemischer Kritik. So wies erneut Roellecke darauf hin, dass die Wege bei der Studienreform wesentlich vom Verständnis der wissenschaftlichen Hoch623
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Bildungsbericht ’70, S. 96. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Hochschulausbildung. 22 Orientierungspunkte. 625 Roellecke, Studienreform und Regelstudienzeit zwischen akademischer Freiheit und gesellschaftlichen Erwartungen, S. 17 ff. (20 f.). 626 Rohde, Konservative Tendenzwende und Bildungsplanung, S. 25. 627 Daxner, Ist die Uni noch zu retten? S. 30. 628 Daxner, S. 29. 629 Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Bildungsbericht ’70, S. 19. 630 Im Jahr 1973 wurde auch der Verein zur Förderung der Studienreform gegründet. Ziel dieses Trägervereins war ein Modellversuch, um Inhalte und Organisationsformen der Hochschulausbildung im Interesse der abhängig Beschäftigten zu verändern; vgl. hierzu Verein zur Förderung der Studienreform, Hochschulausbildung im Arbeitnehmerinteresse, 1980. 624
III. Schule – Studium – Beruf
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schule abhingen. Verstehe man wissenschaftliche Hochschulen als „ZVS“, als „Zentralstelle für die Vergabe von Sozialchancen“, so müsse man bei der Studienreform das Gießkannenprinzip anwenden und darauf achten, dass die Stellen, Titel, Zertifikate und Bescheinigungen, welche die Hochschule zu vergeben habe, möglichst breit gestreut würden. Unter diesem Aspekt müsse Ziel der Studienreform ein möglichst breiter und möglichst schneller „Studentendurchsatz“ sein. Da es auf den Inhalt nicht ankomme, komme es auch nicht auf die Vorbildung der Studienbewerber an. Im Prinzip könne und müsse man jeden Bürger zum Studium zulassen. Wesentlich sei allein, dass die Sozialchancen gewahrt würden und dass die akademische Bescheinigung glaubwürdig bleibe. Im Extremfall könne man die Sozialchancen auch ohne Studium vergeben. Dann werde eine Studienreform überflüssig, weil das Studium überflüssig sei.631 Nach Einschätzung des bayrischen Kultusministers Maier im Jahr 1974 wurde Studienreform erst wieder möglich, nachdem Hochschulreform nicht mehr identisch war mit Ständekampf und Gruppenstrategie und man das Wort Wissenschaft in den Hochschulen wieder aussprechen durfte ohne den Zusatz „emanzipatorisch“ oder „sozialistisch“.632 Friedeburg verwahrte sich gegen den hiermit erweckten Eindruck, dass die Studienreform bereits Mitte der sechziger Jahre „in voller Blüte“ gestanden hätte und dann „die bösen Hochschulreformer“ gekommen wären, die „diese Blüte im Frost der Gruppenauseinandersetzungen hätten absterben lassen“.633 Unterschiedlich war Mitte der siebziger Jahre die Auffassung darüber, wer für die Umsetzung der Studienreform zuständig sei. Während der bayrische Kultusminister Maier auf die Wissenschaftler selbst und eine Wiederbelebung der vorhandenen gemeinsamen Gremien von KMK und WRK setzte634, war für v. Friedeburg die Studienreform Sache der beruflichen Praxis, der Absolventen wissenschaftlicher Berufsausbildung und der staatlichen Wissenschaftsverwaltung. Die Realität stellte letztlich einen Kompromiss zwischen diesen Positionen dar. So konnte BadenWürttembergs Wissenschaftsminister Engler (CDU) im Jahr 1978 konstatieren, dass sich die Rolle der Vertreter des Staates bei der Studienreform „in letzter Zeit eingespielt“ habe. Nicht mit dem Ziel der Reglementierung, sondern als Förderer und Lenker sei die Bildungsverwaltung bemüht, der Studienreform den Rahmen zu geben, in dem sich die fachwissenschaftlichen und praktischen Bedürfnisse entfalten könnten. Die Hauptlast liege nach wie vor auf den Schultern der Hochschulen. Die Studienreform solle als Versuch gesehen werden, dem Hochschullehrer bei der Wahrnehmung seiner Verantwortung im partnerschaftlichen Zusammenwirken von Hochschule, Beschäftigungssystem und Staat zu helfen.635 Und auch sein bayerischer Kollege Maier schlug eine „richtige Arbeitsteilung“ vor: Der Staat schütze die 631 632 633 634 635
Roellecke, Studienreform – Erwartungen, S. 8. Maier, Hans, S. 16. v. Friedeburg, Studienreform – Erwartung und Möglichkeiten, S. 35 ff. (41). Maier, Hans, S. 31. Engler, Studienreform in Baden-Württemberg, S. VII ff. (XIV).
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Wissenschaftler vor zerreißenden Gruppenkämpfen und ideologischen Okkupationen im Innern der Hochschulen; die Wissenschaftler benützten diesen Bewegungsspielraum zu einer Studienreform im eigenen, aber auch im öffentlichen Interesse.636 So war man sich letztlich einig, dass eine inhaltliche Studienreform nur mit, nicht gegen die Universitäten, das heißt insbesondere mit den Lehrenden und Lernenden, und nicht gegen sie durchgeführt werden konnte. Hierin lag jedoch zugleich ein Problem. Denn das schwerste Hindernis für eine durchgreifende Studienreform wurde nicht im Mangel an brauchbaren Konzepten, sondern im Mangel an Bereitschaft bei allen Beteiligten gesehen, sich dieser Aufgabe zu stellen und sie auch tatsächlich durchzuführen.637 Einen starken Impuls hatte die Debatte nach der Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes im Jahr 1976 erreicht. Dort waren in § 8 die Ziele einer Studienreform aufgeführt; in § 9 war die Bildung sog. Studienreformkommissionen durch die Länder vorgeschrieben worden. Dieses Instrumentarium sollte eine Studienreform „von oben“ ermöglichen, nachdem zuvor Versuche, sie extern wenigstens zu beeinflussen, bis auf industrienahe Bereiche wie z. B. die Chemie ergebnislos geblieben waren.638 Überzeugt vom Erfolg ihrer Maßnahmen stellten die Regierungschefs von Bund und Ländern schon 1977 fest, dass die Studienreform entscheidend dazu beigetragen habe, die Belastungen der Hochschulen zu verringern. Sie sei deshalb mit allem Nachdruck und größter Beschleunigung durch- und weiterzuführen. Zu diesem Zweck schlossen die Regierungschefs der Länder im Februar 1978 eine „Vereinbarung über die Bildung gemeinsamer Studienreformkommissionen der Länder“. Um der überregionalen Studienreform weitere Impulse zu geben, hatte der Bundesbildungsminister in den Kommissionen sog. Orientierungspunkte für die Hochschulausbildung639 zur Diskussion gestellt. Schon bald darauf entstand ein Netz von 55 Studienreformkommissionen auf Länder- und Bundesebene.640 Es wurde im Bund von der ebenfalls 1978 eingerichteten sog. Ständigen Kommission für Studien- und Prüfungsordnungen der KMK und der WRK koordiniert. Aufgabe der Ständigen Kommission war die Aufstellung von Rahmenstudien- und Rahmenprüfungsordnungen für akademische und staatli636
Maier, Hans, S. 17 f. Kewenig, 10 Thesen zur Notwendigkeit einer inhaltlichen Studienreform. 638 Webler, Externe Einflüsse auf die Hochschulen, S. 65 ff. (84). 639 1978. 640 Zahlreiche Konflikte gab es um den Modus der Zusammensetzung der Kommissionen. Da die Hochschulen ihre Vertreter auf Bundesebene nicht direkt wählen konnten, mussten sie diese gemeinschaftlich vorschlagen; der zuständige Minister berief sie. Ein Fünftel der Sitze in den Kommissionen war Vertretern der Praxis, also Arbeitgebern und Gewerkschaften vorbehalten, ein weiteres Fünftel Vertretern staatlicher Stellen. Bei Studiengängen mit einer Staatsprüfung verfügten die staatlichen Vertreter über mehr als die Hälfte der Sitze. 637
III. Schule – Studium – Beruf
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che Prüfungen unter Festsetzung der Regelstudienzeit und der Grundsätze der zu behandelnden Inhalte. Diese Empfehlungen erlangten Verbindlichkeit, wenn sie durch übereinstimmende Beschlüsse von KMK und WRK als Rahmenordnungen gebilligt wurden. Weitgehend einig war man sich am Ende der siebziger Jahre über die wesentlichen Ziele der Studienreform:641 – die Erhöhung der Effizienz von Forschung und Lehre, die stoffliche Entlastung der Studiengänge und die Straffung der Ausbildung mit dem Nebeneffekt einer Erhöhung der Aufnahmefähigkeit der Hochschulen und – die verbesserte Abstimmung zwischen Ausbildung und Beschäftigungssystem durch Stärkung der Praxisorientierung des Studienangebots und Erschließung neuer beruflicher Möglichkeiten für Hochschulabsolventen. Im September 1979 verabschiedete die Ständige Kommission nach mühevollen Beratungen ihre „Grundsätze für Studium und Prüfungen“642. Allerdings konnte sich die Kommission in acht Punkten nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Dementsprechend legte sie auch eine Auflistung von Themen vor, in denen weiterhin Dissens bestand, sodass letztlich nicht von allgemeinen Grundsätzen gesprochen werden konnte. Etwas pikiert zeigte sich die WRK in einer Stellungnahme643 zu den „Grundsätzen“. Eine Reihe der darin aufgestellten Forderungen hätten die Hochschulen ihrer jeweiligen Eigenart entsprechend längst umgesetzt. Auch hätten sie schon immer über Methoden und Inhalte ihrer Lehre nachgedacht und sie erprobt. Damit verwahrte sich die WRK gegen den in den „Grundsätzen“ vermittelten Eindruck, die Studienreformarbeit hätte erst mit dem Hochschulrahmengesetz begonnen. Diesem Eindruck widersprach auch eine Veröffentlichung aus dem Jahr 1976644, in der immerhin 305 Studienreformvorhaben der Hochschulen dokumentiert wurden. Im Übrigen kämpfte die WRK gegen den Eindruck an, nicht konstruktiv bei der Studienreform mitwirken zu wollen. Dieser Eindruck war entstanden, weil die GEW entgegen sämtlichen Regeln des politischen Stils ein vorläufiges, eher kritisches internes Beratungspapier einer WRK-Kommission zum Grundsätze-Papier als Position der WRK veröffentlicht und damit die Bereitschaft der WRK und das Bemühen der Hochschulen um eine Zusammenarbeit in Zweifel gezogen hatte.645 641
Pestel, Grundsätze und Zielvorstellungen der Studienreform, S.57 ff. (69). Kultusministerkonferenz, Grundsätze für Studium und Prüfungen. 643 WRK, Zum Entwurf der Ständigen Kommission für die Studienreform „Grundsätze für Studium und Prüfungen“. Stellungnahme des 132. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz, 17./18. November 1980, WRK, Arbeitsbericht 1980, S. 113 ff. 644 Meindl, Zur Situation der Studienreform. 645 Pressemitteilung des Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz v. 31. 1. 1980, WRK, Arbeitsbericht 1980, S. 93. 642
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Ohnehin spielten die Gewerkschaften bei der Studienreform eine unglückliche Rolle. Eine besondere Sicht der Studienreform offenbarte der DGB. In seinen Leitsätzen von 1978 kam der Wunsch zum Ausdruck, die Studienreform zu gewerkschaftlichen Zwecken zu instrumentalisieren: „Wegen der gesellschaftlichen Bedeutung der Studienreform für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der gesamten Bevölkerung kann die Hochschule diese Aufgabe nicht alleine durchführen. Als Vertreter der Arbeitnehmer fordern die Gewerkschaften die Mitbestimmung am Reformprozess. Deshalb müssen die Gewerkschaften in staatlichen Studienreformkommissionen entscheidenden Einfluss haben.“646 Die Arbeit der Reformkommissionen stellte sich als ausgesprochen schwierig heraus. Kritiker der Studienreformkommission auf Bundes- und Länderebenen beklagten, diese hätten versucht, „wie weiland Till Eulenspiegel das Sonnenlicht in Eimer“, die Studieninhalte in operationale Studienreformen zu gießen.647 So blieben die Auswirkungen der Kommissionsergebnisse auf die Hochschulen am Ende nur gering. Auch machte beispielsweise kein Minister von der Möglichkeit Gebrauch, Kommissionsempfehlungen gegenüber den Hochschulen durchzusetzen.648 Andere resümierten, dass es zwar gelungen sei, die alten Organisationsstrukturen der Universität aufzulösen und die Fakultäten durch kleinere Fachbereiche zu ersetzen, es aber nicht in gleicher Weise geglückt sei, die Studieninhalte zu reformieren. Die damit nach dem Hochschulrahmengesetz beauftragten Gremien schienen in ihrer Konsensfähigkeit überfordert.649 Wieder andere sprachen von einer „steckengebliebenen Studienreform“.650 Dieser Eindruck trog nicht. So sah sich die HRK trotz aller Bemühungen noch im November 1994 veranlasst, den Hochschulen zu empfehlen, für alle Studiengänge kommentierte und strukturierte Studienpläne zu entwickeln.651 Angesprochen waren hierbei vor allem die geisteswissenschaftlichen Magisterstudiengänge. Hier war in vielen Bereichen bis in die neunziger Jahre hinein fast nichts geschehen. Jedenfalls stand das Arbeitsergebnis der Studienreformkommissionen in keinem Verhältnis zur Komplexität des Instrumentariums. Folgerichtig wurde § 9 HRG mit der Dritten Novelle zum Hochschulrahmengesetz im Jahr 1985 mit Wirkung ab dem 1. 1. 1988 gestrichen; die Studienreformkommissionen waren damit abgeschafft. Seither lag die Kompetenz zur Koordinierung der Prüfungsordnungen hinsichtlich der Gleichwertigkeit einander entsprechender Studienabschlüsse und der Gewährleistung des Hochschulwechsels wieder bei der KMK allein, bei Studiengängen mit 646
Deutscher Gewerkschaftsbund, Leitsätze des DGB zur Studienreform, Leitsatz 29. Daxner, Ist die Uni noch zu retten? S. 30 f. 648 Webler, S. 85. 649 Göbel/Schlaffke/Zedler, Das Bildungssystem der achtziger Jahre, S. 38. 650 Was fehlt unserer Universität? Die Zeit v. 11. 4. 1980, S. 9 (Äußerung von Matthiesen). 651 HRK, Zur Studienstrukturreform – Leistungsnachweise im Grundstudium. Entschließung des 174. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz, 7. November 1994, HRK, Arbeitsbericht 1994, S. 209 ff. (212); vgl. hierzu auch schon KMK und HRK, Umsetzung der Studienstrukturreform, 1993, S. 7. 647
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einer Hochschulprüfung wieder bei der Gemeinsamen Kommission von WRK und KMK, ergänzt um Vertreter des Bundes und Sachverständige aus der Berufspraxis. Neben den z. T. aus den Hochschulen selbst kommenden Reformimpulsen gab es immer wieder auch externe Faktoren, welche die Studienreformdiskussion beeinflussten. Hierbei taten sich u. a. die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft hervor. So stellte der BDI bereits im Jahr 1971 einen „Mangel an praxisnahen Studiengängen“ fest. Zudem entspreche die traditionelle Universität nicht den heutigen Anforderungen.652 Dieser Kritik schloss sich im Jahr 1972 auch der BDA an.653 Insgesamt kann man sagen, dass die Wirtschaft zu Beginn der siebziger Jahre maßgeblichen Anteil an der Studienreformdiskussion hatte.654 Friedeburg sah in den Begriffen „Tätigkeits- und Berufsfeld“ gar die Schlüsselbegriffe der inhaltlichen Diskussion um die Studienreform Mitte der siebziger Jahre.655 Bundesbildungsminister Leussink (parteilos) hatte bereits 1970 die Absicht geäußert, im Hochschulrahmengesetz vorzusehen, dass die Studiengänge periodisch daraufhin überprüft würden, ob die Studienziele und -inhalte mit den Entwicklungen nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Berufspraxis in Einklang stünden. Die WRK begrüßte diese Absicht seinerzeit, beanspruchte jedoch für die Hochschulen die Zuständigkeit. Gegen eine zu starke Praxisbetonung zumindest im universitären Studium wandte sich noch 1986 der Wissenschaftsrat.656 Zwar sei eine qualifizierte Ausbildung im grundständigen Studium der erste und beste Schritt zur Vermittlung von Wissen in die Wirtschaft; dies bedeute aber nicht, dass in allen Hochschulen und allen Fächern in der Ausbildung Praxisnähe durch Orientierung der Studieninhalte an bestimmten Tätigkeitsfeldern anzustreben wäre. Die Vermittlung unmittelbar arbeitsplatzbezogener berufspraktischer Fertigkeiten könne nicht Aufgabe der Hochschule sein, sondern sei von der Wirtschaft selbst zu leisten. Als bedeutendster Schritt zur Erreichung des Ziels Praxisnähe sollte letztlich die Errichtung und der Ausbau der Fachhochschulen ab Anfang der siebziger Jahre dienen. Zu Beginn der achtziger Jahre ließ das Interesse am Thema Studienreform merklich nach. Schon in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 1980 waren zur Studienreform keine Aussagen mehr zu finden, die Informationen über Zielsetzung und Strategie der Reform enthielten. Gleiches gilt auch für die Regierungserklärung Bundeskanzler Schmidts vom Oktober 1980.657 Die baden-württembergische CDU trat im Jahr 1982 gar auf die Reformbremse: Die durch das Hochschulrahmengesetz 652 Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Präsidialarbeitskreis für Forschungspolitik, S. 143 f. 653 Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Zur politischen Lage an den Hochschulen, und ders., Überlegungen zur Einrichtung von Gesamthochschulen. 654 So auch Webler, S. 80 f. 655 v. Friedeburg, Studienreform, S. 51. 656 Wissenschaftsrat, Stellungnahme zur Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft. 657 Vgl. Franz/Landsberg, Studienreform – eine Tonnenreform? S. 160.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
und die Landeshochschulgesetze den Hochschulen zugewiesene „ständige Aufgabe“ der Studienreform dürfe nicht missverstanden werden als ständiges Verändern der bisherigen Hochschulausbildung. Ständige und revolutionäre Veränderungen aller Ausbildungsgänge an den Hochschulen seien weder nötig noch möglich, wenn man weiterhin Wert auf Qualität lege. In aller Regel seien nur laufende, geringfügige Änderungen erforderlich, mit denen die Inhalte und Formen des Studiums an die Weiterentwicklung der Wissenschaften angeglichen und auf die sich ändernden Bedürfnisse der beruflichen Praxis ausgerichtet würden.658 Andererseits wurde zu Beginn der achtziger Jahre von staatlicher Seite die überfällige Studienreform an den Universitäten massiv eingefordert, nachdem die jahrzehntelangen Bemühungen hochschulinterner Reformkommissionen überwiegend ins Leere gelaufen waren. Dabei wurde nicht verkannt, dass im Rahmen des geltenden Systems und hier vor allem hinsichtlich der Aktualisierung geltender Prüfungs- und Studienordnungen auch eine Menge an positiver Studienreformarbeit geleistet worden ist.659 Bestrebungen, das Studium strukturell und inhaltlich zu reformieren, kamen jedoch erst wieder 1986 durch weitere Empfehlungen des Wissenschaftsrats660 und 1988 durch Reformempfehlungen der KMK in Gang. Im Vorfeld des sog. Bildungsgipfels Ende 1993, besonders aber durch die schlechte Finanzlage des Bundes und der Länder, verstärkte sich der Druck auf die Hochschulen nochmals. Verkürzt lief die Diskussion nun auf die Frage hinaus, ob zuerst Reformen kommen mussten, um Finanzmittel erfolgversprechend einzusetzen, oder ob umgekehrt Reformen nur durch eine Aufstockung der Mittel für die Hochschulen zu erreichen waren. Hinzu kam, dass sich Politik und Hochschulen gegenseitig den schwarzen Peter für die Probleme an den deutschen Hochschulen zuschoben. Ein Betroffener fasste die Situation Anfang der neunziger Jahre so zusammen: „Das Klima für eine gemeinsame Reformanstrengung ist also äußerst ungünstig: Die Politiker beschweren sich, dass die Professoren nicht mitspielen, und die Professoren werfen den Politikern vor, dass sie ideologisch borniert seien.“661 Dennoch gab es auch in den neunziger Jahren ernsthafte Bemühungen um eine inhaltliche Studienreform. So in Baden-Württemberg, wo Wissenschaftsminister v. Trotha (CDU) sie unter das Motto „Aufwertung der Lehre plus Studienzeitverkürzung und Studienberatung“ stellte.662 Eine Aufwertung der Lehre sollte erreicht werden durch Lehrberichte, Studiendekane und -kommissionen, die Einführung 658
CDU Baden-Württemberg, Unserer Jugend die Zukunft öffnen, S. 28. Turner, Massenuniversität und Ausbildungsnotstand, S. 86 ff., ders., Eine durchgreifende Studienreform ist seit vielen Jahren überfällig, HB v. 24./25. 7. 1987; ders., Die Konzentration des Lehr- und Prüfungsstoffs ist überfällig, HB v. 8. 10. 1992, S. 10. 660 Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Struktur des Studiums, 1986. 661 Wendt, Längere Studienzeiten für die Leistungsstarken, DUZ 19/1993, S. 22 ff. (23). 662 Ministerium für Wissenschaft und Forschung Baden-Württemberg (Hrsg.), Studienreform. 659
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eines Landeslehrpreises, finanzielle Anreize für gute Lehre, mehr Gewicht auf Didaktik sowie Tutoren- und Mentorenprogramme. Schon im Juni 1991 war ein „Sieben-Punkte-Programm zur Stärkung der Lehre“ verabschiedet worden, das aus der Arbeit einer mit Universitätsrektoren und Vertretern des Wissenschaftsministeriums besetzten Kommission hervorging. Einen ganz anderen Ansatz zur Studienreform verfolgte Bayerns Wissenschaftsminister Zehetmair (CSU) im Jahr 1996. Er wollte die „starren Fächergrenzen“ im Studium aufweichen; die Studierenden sollten das Studium vielmehr aus Bausteinen zusammenstellen können, die zu einem persönlichen Studienziel führen.663 Zehetmair wollte damit eine Renaissance des studium generale statt immer enger gefasster Lehrpläne in den einzelnen Fakultäten und einem „Scheine-Abhaken“ der Studenten. Die Zielsetzung stand geradezu im Widerspruch zur immer weiter voranschreitenden Spezialisierung der Studiengänge, wie sie sich – trotz aller Bemühungen der sechziger und siebziger Jahre – inzwischen vielerorts entwickelt hatte. Im Verlauf der Diskussion verlagerte sich das Gewicht mehr und mehr von Forderungen nach inhaltlichen zu Forderungen nach strukturellen Reformen des Studiums. WRK-Präsident Roellecke hatte bereits 1974 kritisiert, dass bei der Studienreform u. a. zur Diskussion stehe, wie kurz und nützlich ein Studium zu sein habe.664 Dabei hatte die WRK selbst noch 1966 gemeinsam mit der KMK neben einer Strukturierung und inhaltlichen Beschränkung des Studiums auch eine Beschränkung der Studiendauer gefordert.665 Danach sollte mit der Studienreform nachdrücklich auch das Ziel verfolgt werden, die tatsächliche Studienzeit auf eine Regelstudienzeit zu begrenzen. Studienordnungen und Stoffpläne sollten so gestaltet werden, dass sich die Regelstudienzeiten einhalten ließen. Unter den Befürwortern war man sich einig, dass eine Studienreform, die wirksam kürzere Studienzeiten erreichen sollte, mit wenigstens zwei Vorgaben666 operieren müsste: – der (Höchst-)Zahl der vorgesehenen Fachsemester, – der (Höchst-)Zahl der Prüfungsfächer (einschließlich sogenannter Voraussetzungen zur Prüfungsanmeldung). Der Verzicht auf bestimmte Fächer als Prüfungsleistung oder zumindest Vorleistung ließ sich jedoch nur schwer realisieren. Als hinderlich erwies sich insbesondere, dass hiervon Professoren unmittelbar betroffen waren. Sie mussten sich,
663 664 665 666
dpa 47/96, S. 3 f. Roellecke, Studienreform – Erwartungen, S. 7. KMK/WRK (Hrsg.), Das Hochschulwesen in der Bundesrepublik Deutschland. Dichgans, Bildung und Selektion, S. 20 f.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
wenn sie für die Streichung ihres Faches als Prüfungs- oder sog. Schein-Fach667 plädierten, gewissermaßen selbst verstümmeln. Dem Ziel der Begrenzung der Fachsemester diente die Einführung der Vorschriften zur Regelstudienzeit in § 10 Abs. 2 bis 4 und § 11 Abs. 2 des Hochschulrahmengesetzes von 1976. Die HRK begrüßte diese Möglichkeit zur gesetzlichen Festlegung von Regelstudienzeiten in den Landeshochschulgesetzen ausdrücklich.668 Doch insbesondere in SPD-regierten Bundesländern war man mit der Festsetzung von Regelstudienzeiten in den Hochschulgesetzen zunächst zurückhaltend. Als Grund wurde u. a. die erwartete demographische Entwicklung in den achtziger Jahren angeführt. Da Mitte der siebziger Jahre eine bis etwa 1990 steigende Zahl von Hochschulabsolventen prognostiziert wurde, würde bei einer Verkürzung der Studiendauer der Anstieg noch früher und steiler eintreten. Indem man der inhaltlichen Studienreform den Vorzug einräumte, sollte sich der Absolventenberg glätten und sich die Verkürzung – so die Prognose – in eine Phase mit sinkenden Studienanfängerzahlen verschieben.669 Damit wurde einer Strategie das Wort geredet, die in der Hochschule eine Entlastungsfunktion für den Arbeitsmarkt sah. Andere kritisierten die Verbindung von Regelstudienzeit und Studienreform ganz grundsätzlich. So wurde bereits 1978 – also nicht einmal zwei Jahre nach Inkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes – konstatiert, dass die Bestimmungen über die Einführung von Regelstudienzeiten im Hochschulrahmengesetz nicht zu einer Beschleunigung der Studienreform geführt hätten. Viele Bundesländer seien sogar den umgekehrten Weg gegangen und hätten gesagt: erst Studienreform, dann Regelstudienzeit. Auch wurde angezweifelt, ob es richtig sei, über die Studienreform unter dem Druck der Regelstudienzeit zu verhandeln. Es sei verhängnisvoll, wenn man die Aufgabe der Studienreform dahin missverstehen würde, kurzfristige Konzepte nur zur Bewältigung des Studentenberges zu liefern.670 In der Tat war zumindest nicht von der Hand zu weisen, dass die Studienzeitverkürzung zunächst vorrangig als Reaktion auf die Massenuniversität gesehen wurde.671 In Anbetracht dessen äußerte sich z. B. Roellecke deutlich kritisch zur 667
D. h., es ist ein Schein als Voraussetzung für die Meldung zur Prüfung zu erbringen. HRK, Zum Regierungsentwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes. Entschließung des 183. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz, 10. November 1997, HRK, Arbeitsbericht 1997, S. 131 ff. (133). 669 Rudolph/Husemann, S. 104 f.; Engelbrecht, Effekte der Regelstudienzeit, DUZ 15/79, S. 490 f. 670 Barth, Regelstudienzeit und Studienreform, S. 11 ff. (13). 671 Nicht wenige sahen Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre im Fernstudium eine grundsätzlich gute Möglichkeit, die überfüllten Hochschulen zu entlasten (vgl. z. B. die Forderungen der CDU, Schule und Hochschule von morgen, S. 13). Auch die Gründung der Fernuniversität Hagen erfolgte mit der erklärten Absicht, die Präsenzhochschulen NordrheinWestfalens durch ein medienbasiertes Studium zu entlasten (vgl. hierzu Körnig, Bildungsexpansion und Fernstudium als bildungs- und gesellschaftspolitische Aufgaben). Allerdings wurde die Entlastungsfunktion angesichts der bestehenden praktischen Schwierigkeiten für nur 668
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Studienreformpolitik am Ende der siebziger Jahre und insbesondere deren Reduktion auf quantitative Aspekte wie eine Studienzeitverkürzung. Zur Verdeutlichung bemühte er einen Vergleich: Wenn man die Hochschule als Leitung, die Studenten als Wasser, die Regelstudienzeit als Durchlaufgeschwindigkeit und die Professoren als Erhitzer verstehe, so gebe dies das Prinzip der herrschenden Studienreformpolitik wieder: es sei das des Durchlauferhitzers.672 Andere konnten diese Befürchtungen nicht nachvollziehen. Verwundert stellten sie fest, dass die Regelstudienzeit geradezu ein Inbegriff aller Befürchtungen und Bedenken geworden sei, die im Zusammenhang mit der Studienreform immer wieder vorgebracht würden. Es sei da die Rede von einer Verschulung des Studiums, von der Verordnung von Einheitsstudiengängen, der allgemeinen Einführung von Kurzstudiengängen, der Heranbildung von Fachidioten und von der Beschränkung der akademischen Lehrfreiheit.673 Trotz dieser – und u. a. seiner eigenen – Bedenken sah Roellecke in der Regelstudienzeit den entscheidenden Hebel für Studienreformen. Erst über die Regelstudienzeit würden auch die Studiengänge schlanker, weil die Verknappung der Zeit eine sorgfältige Stoffauswahl gebiete.674 Diese Auffassung teilte auch der sozialliberale Gesetzgeber aus der Einschätzung heraus, dass nur auf diese Weise hinreichender Nachdruck auf die Realisierung der inhaltlichen Studienreformmaßnahmen bewirkt werden könne675. Demgegenüber bezog die Mehrzahl der Hochschulen eine eher zwiespältige Position. Zwar sprachen sie sich für Regelstudienzeiten aus, scheuten aber vor der Anwendung durchgreifender und damit unpopulärer Instrumente wie etwa der Zwangsexmatrikulation zurück.676 So waren denn auch u. a. die in § 17 Abs. 2 bis 4 HRG vorgesehenen Sanktionen677 heftig umstritten. Nach massivem Protest der Hochschulen wurde diese Regelung deshalb durch Gesetz vom März 1980 wieder gestrichen. Trotz der Vorgaben im Hochschulrahmengesetz dauerte es bis ins Jahr 1993, ehe das erste Bundesland Regelstudienzeiten im Hochschulgesetz festschrieb. Den Beginn machte Nordrhein-Westfalen im Sommer 1993678, es folgte Berlin im Winter 1993679 und Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 1994680. Die nordrhein-westfälische eingeschränkt gegeben erachtet (Turner, Das System der Hochschulausbildung – zeitgerecht oder überholt? DUZ 1979, S. 438). 672 Roellecke, Studienreform und Regelstudienzeit, S. 17. 673 Pestel, Grundsätze und Zielvorstellungen der Studienreform, S. 57. 674 Roellecke, Studienreform und Regelstudienzeit, S. 25. 675 Bode, in: Dallinger/Bode/Dellian, Kommentar zum HRG, § 10 Rdnr. 6 (S. 66). 676 Franz/Landsberg, S. 163. 677 Erlöschen der Rechte aus der Einschreibung bei nicht rechtzeitiger Meldung zur Prüfung bzw. Nichteinhaltung der gewährten Nachfrist (relevant insb. hins. der sozialen Vergünstigungen). Ein Prüfungsanspruch nach Maßgabe der jeweiligen Prüfungsordnungen blieb jedoch bestehen. 678 § 84 Abs. 2 UG Nordrhein-Westfalen. 679 § 23 BerlHG (hierzu auch dpa 50/93, S. 15). 680 § 8 Abs. 3 LHG Mecklenburg-Vorpommern.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Wissenschaftsministerin Brunn (SPD) begründete die Novelle damit, dass man die Hochschulen dazu bewegen wolle, endlich die Studieninhalte und Prüfungen auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren. Man wolle nun ernst machen mit der Studienreform, die seit mehr als zwanzig Jahren überfällig sei.681 Doch auch in Nordrhein-Westfalen gab es erneut scharfe Proteste der Hochschulen gegen eine gesetzliche Beeinflussung. Die Landesrektoren drohten gar mit einer Verfassungsklage gegen das neue Gesetz.682 aa) „Entrümpelung“ Um die Studienzeiten verkürzen und die Regelstudienzeiten einhalten zu können, gewann im Zuge der Studienreformdiskussion der Begriff „Entrümpelung“ bzw. „Entschlackung“ von Studieninhalten Bedeutung. Dies müsste oberstes Ziel der Studienreform an Universitäten sein. Man wollte Ausbildungsgänge praxisnah gestalten, den Studierenden durch Zwischenprüfungen die Kontrolle über ihre eigenen Leistungen ermöglichen und mit diesem Angebot normal befähigte und durchschnittlich fleißige Studierende in die Lage versetzen, das Pensum in einer Regelstudienzeit von acht bis zehn Semestern zu absolvieren. Das Studium sollte wieder in der Regelstudienzeit „studierbar“, der Stoff übersichtlicher gestaltet und gestrafft werden. Auch die Studienreformkommissionen auf Hochschul-, Landes- und Bundesebene hatten sich mit diesem Problem beschäftigt, ohne dass dabei ein entscheidender Durchbruch erzielt worden wäre. Als Konsequenz aus den Überlegungen, das Studium auf eine Regelstudienzeit von grundsätzlich vier Jahren zu begrenzen und die Prüfungsphasen kurz zu halten, wurde der Begriff „4+3-Modell“ als Organisationsmodell für das universitäre Studium ersonnen. Die vier steht für ein berufsqualifizierendes grundständiges, vierjähriges Studium mit erstem berufsqualifizierendem Abschluss, die drei für eine dreimonatige Prüfungsphase. Da es den aktuellen Diskussionsstand wiedergab, fand das Modell breite Unterstützung. Trotz aller Bemühungen und Beteuerungen machte die Verkürzung der Studienzeiten in der Praxis kaum Fortschritte. So sah sich der Wissenschaftsrat 1988 veranlasst, unter großem Protest der betroffenen Hochschulen und Fachvertreter eine Statistik zur Fachstudiendauer nach Studiengängen und Hochschulen zu veröffentlichen. Als Ursachen der stetigen Verlängerung der Studienzeiten wurden ausgemacht:683 – die Ausdifferenzierung der vormals vergleichsweise kanonischen Curricula im Zuge der Öffnung der Hochschulen Ende der sechziger Jahre; – der starke Wissenszuwachs;
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dpa 22/93, S. 6 f. Ebda. Bierwirth, „Kurz und gut“ ist schön und gut – aber …, DUZ 17/1991, S. 18 ff.
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– die daraus resultierende signifikante Steigerung der Anforderungen in Magisterund Diplomarbeiten und – die komplizierten inneruniversitären Entscheidungsvorgänge durch eine zunehmende Bürokratisierung der Hochschulen, die notwendige Reformen erschwerten. Bei den Gründen für die Verlängerung der Studienzeit gibt es einen, den man schamhaft verschwieg: Die Ursachen für das überbordende Stoffangebot sind Jahrzehnte zuvor gelegt worden. Im Zuge der ersten großen Reformwelle an den Universitäten in den 1970ern wurde eine große Zahl neuer Stellen für Professoren geschaffen. Zusätzlich gab es sog. Überleitungen derart, dass Nachwuchswissenschaftler, in einigen Ländern ohne förmliches Berufungsverfahren, auf Stellen für Professoren gelangten. Die bisherigen Inhaber der Lehrstühle waren in der Regel nicht bereit, neben sich die volle Vertretung eines Fachs durch (minder besoldete) Nicht-Ordinarien anzuerkennen. Ihnen wurden nur die Vertretung eng umgrenzter Teile zugestanden. So kam es oft zu einer Aufsplitterung von Fächern. Wegen der Teilhabe an den zu verteilenden Mitteln erfolgte die Verankerung solcher Teildisziplinen in den Prüfungsordnungen. Für Studierende bedeutete dies eine Verbreiterung des Angebots, aber auch ein Mehr an Stoff. Selbst wenn nur ein Schein als Voraussetzung zur Zulassung zur Prüfung gefordert wurde, war damit ein größerer Zeitaufwand verbunden. Der Wissenschaftsrat machte 1995 zusätzlich auch die mangelnde materielle Absicherung der Studenten für die Tatsache verantwortlich, dass nur jeder zehnte Student den Abschluss in der Regelstudienzeit schaffe.684 Jedenfalls war man sich weitgehend einig, dass das Durchschnittsalter deutscher Hochschulabsolventen im internationalen Vergleich zu hoch und eine Studienzeitverkürzung deshalb unumgänglich sei.685 Doch gab es auch Zweifel. So konnte sich beispielsweise die GEW die Aufregung um die Studienzeitverkürzung Anfang der neunziger Jahre nicht erklären. Seien doch die Studienzeiten zwischen 1983 und 1991 trotz sich verschlechternder Studienbedingungen lediglich um ein halbes Jahr gestiegen.686 Kritisiert wurde, dass es bei der Studienreform vor allem um eine Verkürzung der Studienzeiten gehe, deren Leitmotiv vorwiegend ökonomische und finanzpolitische Gründe seien.687 Andere sahen in der Studienzeitverkürzung u. a. eine Abkehr vom wissenschaftlichen Anspruch des universitären Studiums. Demgegenüber beteuerte die hessische Wissenschaftsministerin Mayer (SPD), dass der Abbau von Ballast und unnötiger Spezialisierung nicht als Verzicht auf Wissenschaft missdeutet werden dürfe. Ziel der Studienzeit-
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dpa 10/95, S. 2 f. Rüttgers (dpa 33/96, S. 8 f.). Herdt, in „Bildung und Wissenschaft“, Juni 1993, S. 10. Herdt, Bildung und Wissenschaft, März 1993, S. 7 und Juni 1993, S. 10.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
verkürzung sei nicht die Einführung von „Schmalspur-Studiengängen“.688 Auch Bundesbildungsminister Laermann (FDP) sah im Zuge der Verkürzung der Studienzeiten kein „Discount-Examen“ drohen.689 bb) Freischuss Ein weiteres Mittel zur Verkürzung der Studienzeiten wurde Anfang der neunziger Jahre erdacht: der „freie Prüfungsversuch“, sog. Freischuss. Als man durch Untersuchungen erkannte, dass in Fächern mit einer großen Abschlussprüfung die Angst vor dem Versagen ein Hinausschieben des Prüfungstermins und damit eine Verlängerung der Studienzeit mit sich bringt, wurde diese Regelung eingeführt, wonach der Examensversuch, der spätestens nach dem achten Semester unternommen wird, im Fall des Nichtbestehens als „nicht unternommen“ gilt; damit behielt der gescheiterte Kandidat zwei Versuche. Im Fach Rechtswissenschaft, wo mit dieser Methode begonnen wurde, führte diese Regelung rasch zu einer deutlichen Verkürzung der Studienzeiten. Eine zusätzliche Erkenntnis lag darin, dass das Fach in der vorgegebenen Zeit bewältigt werden konnte und nicht etwa die Stofffülle allein verantwortlich für die langen Studienzeiten war. Auch andere Vorschläge zielten Anfang der neunziger Jahre auf eine Änderung des Prüfungssystems. So erhoffte sich der bayerische Wissenschaftsminister Zehetmair (CSU) eine erhebliche Studienzeitverkürzung durch Prüfungen, die in kleineren studienbegleitenden Tests zu Teilgebieten des Faches abgelegt werden sollten. Abschlussprüfungen würden so auf das Studium verteilt und die Examensvorbereitung merklich entlastet.690 Durchgesetzt hat sich letztlich jedoch nur der Freischuss. Ein Bundesgesetz zur Verkürzung der Juristenausbildung aus dem Jahr 1992691 sah vor, die erfolgreiche Freischuss-Regelung in allen Bundesländern einzuführen. Den Ländern wurde dabei freigestellt, jenen Freischuss, der lediglich zur Notenverbesserung unternommen wird, zu verbieten. Zunächst gab es den Freischuss allerdings nur in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus wurde überprüft, ob sich die Freischuss-Regelung auch auf andere Studiengänge übertragen ließe.692 688
dpa 23/93, S. 15 f. dpa 37/94, S. 15. 690 dpa 44/94, S. 15. 691 Gesetz zur Verkürzung der Juristenausbildung v. 22. 11. 1992, BGBl. I. Nr. 54 v. 27. 11. 1992, S. 1926. 692 dpa 33/92, S. 14. Die Freischuss-Regelung wurde zwar bald hinsichtlich der Verkürzung der Studiendauer als Erfolg angesehen. Sie hat jedoch z. B. in Baden-Württemberg die Landesregierung Mitte der neunziger Jahre vor das Problem gestellt, für die erhöhte Zahl erfolgreicher Absolventen (Jura und Lehramt) eine Warteschleife für den Zugang zu den aus finanziellen Gründen verknappten staatlichen Ausbildungsplätzen einzurichten. 689
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Ein Problem hinsichtlich der Freischuss-Regelung stellten anfänglich die Diplom- und Magisterstudiengänge dar, da diese nicht mit einer einheitlichen großen Prüfung, sondern mehreren abschichtenden Prüfungen abgeschlossen werden.693 Voraussetzung war ein gemeinsamer Beschluss von KMK und HRK vom 12. Juli 1993,694 der die Forderung nach einer Einführung der Freischuss-Regelung auch für universitäre Diplom- und Magisterprüfung zum Inhalt hatte und die verantwortlichen Stellen aufrief, entsprechende Änderungen der allgemeinen Bestimmungen für Diplom-Studiengänge vorzunehmen. Kritiker der Freischuss-Regelung erhoben gelegentlich den Vorwurf, die Studierenden würden die Regelung zur „Notenkosmetik“ missbrauchen und so den gewünschten Effekt der Studienzeitverkürzung wieder aufheben. Wieder andere bemängelten, dass die Kandidaten sich sehr gezielt nur auf den für das Examen relevanten Stoff konzentrierten und andere Bereiche unbeachtet ließen. cc) Zwangsmittel Neben dem Freischuss als Anreiz wurden von Beginn der neunziger Jahre an zunehmend auch Zwangsmittel zur Durchsetzung der Studienzeitverkürzung eingesetzt. Damit wurde an die alten Regelungen des 1980 abgeschafften § 17 Abs. 2 bis 4 HRG angeknüpft. So führte beispielsweise Berlin eine Pflichtberatung für Langzeitstudenten ein: Hatten Studierende die Prüfungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht abgelegt und einen Gesprächstermin nicht wahrgenommen, so konnte dies mit der Zwangsexmatrikulation geahndet werden.695 Eine praktisch identische Regelung wurde 1997 vom rot-grünen Senat der Stadt Hamburg eingeführt.696 In der Diskussion war auch die Einführung qualifizierter Leistungsnachweise ab dem zweiten Semester, um die Studienzeiten zu begrenzen.697 In Baden-Württemberg wurde gleich ein ganzes Bündel an Maßnahmen zur Studienzeitverkürzung eingeleitet.698 Neben der Entrümpelung der Studien- und 693
Hier übernahm die Universität Hohenheim eine Vorreiterrolle, als sie im Sommer 1993 als erste baden-württembergische Universität und eine der ersten Universitäten bundesweit eine Freiversuchs- bzw. Bonusregelung im Diplom-Studiengang Agrarwissenschaften einführte, dpa 33/93, S. 10 f. 694 KMK/HRK, Umsetzung der Studienstrukturreform. Beschluss der Kultusministerkonferenz, 2. Juli 1993. Beschluss der Hochschulrektorenkonferenz, 12. Juli 1993, HRK, Arbeitsbericht 1993, S. 51 ff. (66). 695 dpa 50/93, S. 15. Wozu das Fehlen einer gesetzlichen Regelung zur Studienzeitbegrenzung führen kann, zeigt der Fall eines 47-jährigen Hessen, der trotz einer Studiendauer von bereits 30 Semestern nicht von der Universität Marburg zwangsexmatrikuliert werden konnte. In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung hob das Verwaltungsgericht Gießen die Exmatrikulation wieder auf (dpa 51/92, S. 16). 696 § 45 Abs. 3 i. V. m. § 35 Abs. 2 Nr. 8 HmbHG (hierzu auch dpa 3/97, S. 17). 697 dpa 47/96, S. 5. 698 Ministerium für Wissenschaft und Forschung Baden-Württemberg (Hrsg.), Studienreform (Aktuelle Reihe Nr. 4), 1993.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Prüfungsordnungen, der Einführung des Freischusses und der Straffung des Prüfungswesens als Anreiz wurden als Sanktionsmaßnahmen die Möglichkeit des Fachwechsels eingeschränkt und als Modell sog. Bildungsgutscheine eingeführt. Letzteres bedeutete im Ergebnis Studiengebühren für Langzeitstudenten in der Regel ab dem 14. Studiensemester. Um die Akzeptanz für die Langzeitstudiengebühren zu erhöhen, wurde mit den Gebühreneinnahmen zugleich ein „Bündnis für Lehre“ geschaffen, d. h., es wurden Maßnahmen zur Steigerung der Lehrqualität finanziert, die auf Vorschlag von Hochschulen und Studenten ausgewählt wurden. Dies ermöglichte z. B. die Anschaffung neuer Bücher, die Einrichtung von Tutorenprogrammen und Stellen für Hilfskräfte etc. Die wissenschaftspolitische Sprecherin der SPD-Oppositionsfraktion kritisierte die Finanzierung dieser Maßnahmen; damit würden die Langzeitstudiengebühren „reingewaschen“699. Als Grundlage der Sanktionsinstrumente diente das Mitte 1993 vorgelegte „Eckwertepapier“ einer von den Ministerpräsidenten und dem Kanzleramt eingesetzten Arbeitsgruppe. Hiernach sollte z. B. auch die Wiederholbarkeit von Prüfungen eingeschränkt werden. Weiter waren enthalten Vorschläge zur Einführung von Studiengebühren bei zweisemestriger Überschreitung der Regelstudienzeit und eine Zwangsexmatrikulation bei viersemestriger Überschreitung der Regelstudienzeit.700 Hessens Wissenschaftsministerin Mayer (SPD) äußerte sich kritisch zu Sanktionsmechanismen. Ihres Erachtens waren alle Versuche, eine kürzere Studiendauer durch Sanktionen und Strafaktionen zu erzwingen, mehr oder weniger spektakulär gescheitert.701 Andere lehnten Sanktionen aus praktischen Erwägungen ab. Solange die Studienbedingungen ein Studium in der Regelstudienzeit unmöglich machten, könnten die Studierenden für eine Überschreitung nicht verantwortlich gemacht werden.702 Dieser Auffassung schlossen sich im Herbst 1993 – nicht zuletzt aufgrund massiver Proteste unter anderen der Hochschullehrer – auch die Ministerpräsidenten an.703 So wurde die Einführung von Sanktionen an die Herstellung „angemessener Studienbedingungen“ gekoppelt – und damit zunächst verschoben. Angesichts dieser Entwicklung fehlte es nicht an einer umfassenden Kritik am Ansatz der Studienreform durch Studienzeitverkürzung. Die Verbandsfunktionäre und „staatlichen Agenten“, so einer der Kritiker, hätten die Studienreform als eine Prozedur (miss)verstanden, die das Durchschleusen von Studenten durch die 699
dpa 31/32/99, S. 17. dpa 22/93, S. 1 f. 701 dpa 24/93, S. 14 f. 702 So z. B. Schleswig-Holsteins Wissenschaftsministerin Tidick (SPD), dpa 36/94, S. 14 f. 703 HRK, Zur aktuellen hochschulpolitischen Lage und zur Bildungspolitischen Erklärung der Regierungschefs der Länder vom 29. Oktober 1993. Entschließung des 171. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz. 8. November 1993, HRK, Arbeitsbericht 1993, S. 153 ff. Hierin zeigt sich die HRK u. a. enttäuscht darüber, dass die Regierungschefs keinerlei Bezug auf die im Juli 1993 von KMK und HRK gemeinsam verabschiedeten Empfehlungen genommen hatten. 700
III. Schule – Studium – Beruf
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Hochschulen beschleunige, den Aufenthalt der Lernenden so billig wie möglich gestalte und die Qualität von Ausbildung und Leistungsanforderungen für die Mehrzahl der Studenten auf dem schmalst vertretbaren Niveau festschreibe. Das heiße dann Studienzeitverkürzung, Straffung, Entrümpelung. Darüber hinaus bemühe man Eckwerte, die ausschließlich politische Setzungen seien und fast jeder empirischen Grundlage entbehrten. Und das gesamte Unternehmen diene dann angeblich einer Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Hochschulen im internationalen Kontext.704 Wenngleich diese Kritik überzogen war, so musste man doch eingestehen, dass die starke Reduktion der Studienreform auf Aspekte der Studienzeitverkürzung dem Anspruch der Universität als einer vor allem durch Inhalte prägend wirkenden Institution nicht gerecht wurde. Auch wurde im Lauf der Diskussion viel zu wenig berücksichtigt, welche Faktoren außerhalb des Bildungs- oder zumindest Hochschulsystems zu einer Erhöhung des durchschnittlichen Berufseintrittsalters geführt haben, nämlich u. a. die Schulzeit von 13 Jahren und der Militärdienst bei Wehrpflichtigen. dd) Kurzstudium Die Neuorganisation bzw. Neustrukturierung des Studiums war steter Gegenstand der hochschulpolitischen Diskussion. Mit Vorschlägen zu einer Differenzierung des Studiensystems sollte auf die veränderten Anforderungen der aufgrund der stetig steigenden Studierendenzahlen als Folge der Bildungsexpansion aufmerksam gemacht werden. So wurde immer wieder eine Aufteilung des Studiums mit dem Ziel angeregt, eine Qualifikation für einen Beruf nach einer ersten, relativ kurzen Studienphase zu ermöglichen. Die starke Forschungsorientierung deutscher Universitäten löste dabei fast schon zwangsläufig Konflikte aus. Um die unterschiedlichen Interessen und Anforderungen an die Universität auszugleichen, hatte der Wissenschaftsrat erstmals in seinen „Empfehlungen zur Neuordnung des Studiums an den Wissenschaftlichen Hochschulen“ im Jahr 1966 eine Gliederung des Studiums nach folgendem Muster vorgeschlagen:705 – ein Studium für alle Studenten, das mit einer die Berufsbefähigung bestätigenden Prüfung abschließt (Diplom, Magister oder Staatsexamen); – ein Aufbaustudium für Studenten, die an der Forschung interessiert und für sie befähigt sind und das nur einem kleinen Teil der Absolventen offen stehen sollte und – ein Kontaktstudium, das als Angebot an Absolventen wissenschaftlicher Hochschulen gedacht war, die im Beruf stehen; es sollte diesen die Möglichkeit geben, 704 705
Daxner, Ist die Uni noch zu retten? S. 28. Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Neuordnung des Studiums, S. 16.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
ihre wissenschaftliche Ausbildung in Abständen aufzufrischen und entsprechend dem Stand der Forschung zu ergänzen. In diesem Vorschlag wurde schon Ende der sechziger Jahre der mutigste Vorstoß vom Boden der traditionellen Bildungspolitik in eine neue, jedoch nicht radikal mit der Vergangenheit brechende Reformbewegung gesehen.706 Doch erhob sich nicht nur deutlicher Widerstand konservativer Professoren, sondern gar ein Proteststurm unter den studentischen Linken.707 Dennoch mahnte auch die CDU in ihren bildungspolitischen Leitsätzen von 1969708 eine Verkürzung der Studiengänge entsprechend den Bedürfnissen der einzelnen Ausbildungsziele an. Die Studiengänge seien nach Dauer und Berufsbezogenheit und nach Forschungsorientierung zu differenzieren und durchlässig zu gestalten. Das Studium solle sich entsprechend in Grund-, Haupt- und Aufbaustudium trennen. Erst das Aufbaustudium sollte dabei forschungsorientiert sein. Weder beim Vorschlag des Wissenschaftsrats noch beim Vorschlag der CDU war jedoch von einem berufsqualifizierenden Abschluss unterhalb von Diplom bzw. Magister die Rede. So sollte das „Grundstudium“ nach den Plänen des Wissenschaftsrates in der Regel vier Jahre dauern.709 Demgegenüber enthielt der 1967 verabschiedete Hochschulgesamtplan Baden-Württemberg bereits entsprechende Vorschläge zur Neustrukturierung des Studienangebots durch die Einführung von Kurzstudiengängen.710 Dieser Ansatz des Hochschulgesamtplans wurde seit Mitte der siebziger Jahre immer wieder – wenn auch in unterschiedlichem Gewande – aufgegriffen. Alle Vorschläge zielten dabei auf konsekutive Studiengänge ab, d. h. für den größeren Teil der Studierenden sollte ein erster berufsqualifizierender Abschluss bereits nach vier oder sechs Semestern erreicht sein. Vertreter der Fachhochschulen nannten diese Vorschläge mit deutlich kritischem Unterton „Abitur II“711. Dabei kam nicht zuletzt die Sorge zum Ausdruck, dass solcherlei Bewerber in Konkurrenz zu Fachhochschul-Absolventen treten könnten. Die neueren Vorschläge zur Einführung von Kurzstudiengängen waren u. a. auf dem Hintergrund der wachsenden Studentenzahlen an den Universitäten zu sehen. Die Hochschulen sollten für einen größeren Teil der Bevölkerung geöffnet werden; doch sollte der größere Teil davon möglichst keine forschungsorientierten Studiengänge besuchen. Die Diskussion fand schließlich Eingang in das Hochschulrahmengesetz von 1976 (§ 10 Abs. 4) und sämtliche darauf basierende Hochschulgesetze der Länder: Alle Texte sahen die Möglichkeit eines ersten berufsqualifizie706 707 708 709 710
S. 44 f.
So Maier/Zöller, S. 16. Maier/Zöller, a.a.O. CDU, Schule und Hochschule von morgen, S. 13. Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Neuordnung des Studiums, S. 27. Kultusministerium Baden-Württemberg, Hochschulgesamtplan Baden-Württemberg,
711 So Graubner, Differenzierung zwischen den Hochschultypen, WRK, Dokumente zur Hochschulreform 55/1984, S. 224.
III. Schule – Studium – Beruf
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renden Abschlusses nach drei Studienjahren vor. Allerdings blieben die gesetzlichen Regelungen ohne jede Auswirkung. Aus diesem Grund wurde immer wieder die Umsetzung der Vorschläge zur Einführung von Kurzstudiengängen gefordert.712 Diese sollten möglichst straff organisiert sein und Elemente der Verschulung aufweisen.713 Klare Zeitvorgaben, feste Prüfungstermine und eine entsprechende Organisation seien unerlässlich. Überzeugt von dieser Konzeption sprachen sich Anfang der achtziger Jahre sowohl der nordrhein-westfälische Kultusminister Schwier (SPD)714 als auch sein Berliner Kollege Kewenig (CDU)715 und der niedersächsische Kultusminister Oschatz (CDU)716 sozusagen parteiübergreifend für die Einführung von Kurzstudiengängen aus. Und auch der Wissenschaftsrat unterstützte seit seinen Empfehlungen zur Differenzierung des Studienangebots von 1978 nicht nur die von ihm eingebrachten gestuften Studiengänge, sondern auch die Einrichtung von Kurzstudiengängen.717 Doch wieder tat sich nichts. Unverständlich war die Position der Hochschulen Ende der siebziger Jahre: Einerseits beklagten sie sich über Belastungen durch zu viele Studenten, andererseits wehrten sie sich gegen Kurzstudiengänge für die erste Anfangsphase des Studiums bis zu einem ersten Abschluss.718 Auch die Interessenvertreter der Professoren liefen gegen eine Gliederung des Studiums Sturm, ohne dass sie Alternativen aufgezeigt hätten. Darüber hinaus wurden – wie schon bei der Diskussion um eine Verkürzung der Studienzeiten – immer wieder Befürchtungen hinsichtlich einer „Entwissenschaftlichung“ des Studiums laut.719 Dabei sparten die Kritiker nicht mit verbalen Breitseiten. Schiedermair, der Präsident des Hochschulverbandes, sprach von einem „Billigstudium“720, andere von einem „Discount-Studium“721. Der Bund Freiheit der Wissenschaft nannte die Einführung von Kurzstudiengängen an Universitäten einen 712 So Turner erstmals 1976 (vgl. Ein Plädoyer für Kurzstudiengänge, Hochschulmagazin Nr. 3/1976, S. 11; für eine Wende in der Bildungspolitik, DUZ 1976, S. 402 f.) und danach immer wieder (vgl. z. B. Das System der Hochschulausbildung – zeitgerecht oder überholt, DUZ 1979, S. 438 ff.); Chancen der Studienreform – Ziele, Modelle, Gefahren (Konstanzer Blätter für Hochschulfragen Nr. 71 – 72, November 1981, S. 43 ff.); Gespräch mit dem neuen WRK-Präsidenten (Bild der Wissenschaft Nr. 11/1979, S. 140 ff.); Kurzstudium (Capital, April 1982, S. 186 f.); Die Welt v. 12. 3. 1985, S. 25. 713 Turner, Verschulung ist kein Sakrileg, Die Welt v. 30. 4. 1993, B 6; ders., Nur eine Verschulung kann den deutschen Universitäten helfen, WamS v. 9. 1. 1994, S. 39. 714 Schwier, Überlegungen zur künftigen Struktur der Ausbildung an den Hochschulen, in: Hochschulpolitische Informationen Nr. 15/16, S. 12 ff. 715 Kewenig, Kreativ aus der Krise, Die Zeit v. 12. 8. 1983, S. 14. 716 dpa 31/83, S. 11 f. 717 Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Differenzierung des Studienangebots, 1978. 718 Hierzu Turner, Das System der Hochschulausbildung – zeitgerecht oder überholt? DUZ 1979, S. 438. 719 dpa 29/96, S. 14. 720 Schiedermair, MittHV 4/1983, S. 172. 721 So Mußgnug, Von der Überlast zur Dauerlast?, S. 95 ff. (100).
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
„Schildbürgerstreich“722 ; wieder andere warfen den Ministern, die sich für Kurzstudiengänge aussprachen, gar „mangelnde Seriosität“ vor.723 Den Kritikern wiederum wurde entgegengehalten, sie gäben ständig vor, die Wissenschaft retten zu wollen, hätten dabei aber vor allem die vordergründigen Interessen ihrer eigenen Klientel im Blick. Immer wieder erweckten sie so den falschen Eindruck, die Wissenschaft würde aus der Universität vertrieben, wenn das Studium besser organisiert und stärker reglementiert wäre.724 Doch gab es auch Widerstände von politischer Seite. So äußerte sich Bundesbildungsministerin Wilms (CDU) im November 1983 ablehnend zur Einführung von Kurzstudiengängen. Diese seien kein erfolgversprechender Weg. Noch auf der Jahresversammlung der WRK im Mai 1983 hatte sie hingegen zu entsprechenden Vorschlägen gesagt, dass zu prüfen wäre, ob die Gliederung des Studiums in einem Studiengang bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und in ein vertiefendes Aufbaustudium ein geeignetes Instrument sei, um den Aufgaben der Hochschulen von morgen gerecht zu werden.725 Zumindest skeptisch gegenüber Kurzstudiengängen zeigten sich zu Beginn der achtziger Jahre neben dem Hochschulverband726 auch der BDA727 sowie Vertreter der SPD728. Als wichtigste Gegenargumente wurden genannt:729 – Kurzstudiengänge führten zu einem Qualitätsverfall der Ausbildung; – die Entfaltungsmöglichkeiten besonders Befähigter würden zunichte gemacht; – verschulte Kurzstudiengänge führten nicht zur Berufsfähigkeit; – frühe berufsspezifische Spezialisierungen schränkten die Flexibilität und Mobilität ein; – auf dem Arbeitsmarkt gäbe es keinen Bedarf für Absolventen von Kurzstudiengängen; – solange die Laufbahnvorschriften des öffentlichen Dienstes und die Berufsprofile in der gewerblichen Wirtschaft nicht auf einen Hochschulabsolventen mit einem kürzeren Studium eingerichtet seien, vermittelten entsprechende Studiengänge keinen Abschluss, mit dem ein Beruf ergriffen werden könnte;
722
FAZ v. 16. 12. 1983, S. 6. So Neumann, Nach sechs Semestern ein Diplom …, Die Zeit v. 7. 10. 1983. 724 Turner, Hochschulpolitik, S. 64. 725 WRK, Hochschule und technologischer Wandel (Dokumente zur Hochschulreform 51/ 1983), 1983, S. 215. 726 Stellungnahme des Deutschen Hochschulverbands zur „Neuordnung der Studiengangstruktur“, in: MittHV 4/1983, S. 175 ff. 727 dpa 36/83, S. 17 f. 728 General-Anzeiger v. 12. 08. 1983. 729 Vgl. Turner, Massenuniversität, S. 106 ff. 723
III. Schule – Studium – Beruf
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– der Bildungsauftrag der Fachhochschulen wäre bei der parallelen Existenz von Kurzstudiengängen an Universitäten nicht mehr zu unterscheiden; – die meisten Studenten würden sich nach dem kürzeren Grundstudium dem Hauptstudium zuwenden, da das Kurzstudium als Schmalspurstudium abqualifiziert sei; – eine dreijährige Ausbildung würde nicht als abgeschlossenes Studium gewertet; Angesichts dieser Unwägbarkeiten bewirke die Einführung von Kurzstudiengängen letztlich genau das Gegenteil dessen, was beabsichtigt sei. Da die Absolventen von Kurzstudiengängen in eine weiterführende Ausbildung drängten, käme es zu einer Studienzeitverlängerung statt zu einer Entlastung der Hochschulen. Bemerkenswert war u. a. die Ablehnung von Kurzstudiengängen durch den BDA, der die Sicht der Abnehmer repräsentierte und damit jene, die von einer stärkeren Berufsbezogenheit des Studiums und dem geringeren Alter der Hochschulabsolventen hätten profitieren sollen. Seit dem Ende der neunziger Jahre äußert sich allerdings auch der BDA zustimmend zu gestuften Studiengängen. In seiner Kölner Erklärung vom Oktober 1999 begrüßte er die Einrichtung international vergleichbarer Studiengänge, wies aber darauf hin, dass eine bloße Übernahme des angloamerikanischen Systems dem Profil des deutschen Hochschulsystems nicht gerecht werde.730 Hintergrund des Sinneswandels war auch die Einschätzung, dass es im Gegensatz zur Diskussion Anfang der achtziger Jahre um konzeptionell ausgereifte sechssemestrige Studiengänge gehe, die europäischen Anforderungen genügten. Doch nicht nur Kurzstudiengänge waren umstritten. Auch die Kritik an einer Zweiteilung des universitären Studiums in ein berufsbezogenes Grundstudium für viele und ein forschungsorientiertes Aufbaustudium für eine kleinere Zahl begleitete die Diskussion bis in die neunziger Jahre. Eine solche Zweiteilung stelle die Einheit von Forschung und Lehre in Frage.731 Die Trennung in Standardausbildung und Promotionsstudium führe dazu, so beispielsweise der Konstanzer Philosoph und Wissenschaftspolitiker Mittelstraß, dass die Universität das sehr erfolgreiche und leistungsfähige Fachhochschulsystem in sich hinein- und sich selbst in die Doktorandenausbildung zurückziehe. Dadurch würde nicht etwa das Studium geteilt, wie es die Konstrukteure des Modells wollten, sondern die Universität an sich: in einen weitgehend entwissenschaftlichten allgemeinen Studienteil und ein Gelehrtenkolleg. Alles laufe auf ein „Fachhochschulmodell der Universität“ hinaus. Seine Realisierung wäre „nicht die bessere Universität, sondern eher schon das Ende der Universität“.732 Dabei bräuchten wir nicht in sich selbst immer weiter differenzierte Hochschulen, sondern ein differenziertes Hochschulsystem.
730
Königsfeld, Arbeitgeber 2/52 – 2000, S. 23 ff. So z. B. Schiedermair, MittHV 1985, S. 133, der in diesem Zusammenhang auch von einer „Billigprüfung“ sprach. 732 Mittelstraß, Die unzeitgemäße Universität, S. 16 f. 731
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Andere kritisierten, dass man mit der geplanten Zweiteilung des Studiums die Massenuniversität akzeptierte, wie sie sei, und sich ihren Gegebenheiten anpasse.733 Die Konsequenz wäre, dass die Universitäten zu einem streng berufsorientierten Fachhochschulstudium übergehen und das eigentliche wissenschaftliche Studium zu einem Aufbaustudium für eine handverlesene Elite umgestalten müssten. Die Handlungsweisen der Verantwortlichen glichen der Reaktion eines Autofahrers auf den Wintereinbruch: hier Temposenkung, dort Niveausenkung. Eine Verringerung der Studentenzahlen sei „politisch nicht machbar“, dabei aber der einzig richtige Weg. Schließlich verkürze man auch nicht die Marathonstrecke auf 1.000 m, damit selbst „die kurzatmigsten Raucher und dickleibigsten Biertrinker“ sie bewältigen und sich damit Marathonläufer nennen könnten.734 Angesichts dieser massiven Kritik an den Vorschlägen zur Reform der Studienorganisation Mitte der achtziger Jahre verwunderte der Vorschlag kaum, den Aufbau des Studiums weiterhin den Universitäten und den Fächern selbst zu überlassen.735 Man werde im Hintertreffen bleiben, wenn man glaube, Wettbewerb und Differenzierung durch planwirtschaftliche Studienreformen ersetzen zu können. Da auch andere Vorschläge zur Bewältigung der Massenuniversität, wie jener, die Zwischenprüfung in ein „Begabten- und Ausleseverfahren“ umzuwandeln736 oder den Hochschulzugangsberechtigten entsprechend ihrer tatsächlichen Eignung auf die unterschiedlichen Hochschularten zu verteilen,737 nicht weiter verfolgt wurden, behielten diejenigen, die keine grundlegende Veränderung wollten, trotz der zunehmenden Probleme letztlich Recht: Die Hochschulen konnten alleine weiterwursteln. So stellte man Mitte der achtziger Jahre ernüchtert fest, dass zwar eine Menge an Reformarbeit bei Studien- und Prüfungsordnungen geleistet worden war, dass aber nichts geschehen oder auch nur vorbereitet sei hinsichtlich der Frage, ob denn 30 Prozent eines Altersjahrgangs im tertiären Ausbildungssystem so ausgebildet werden sollen und können, wie früher drei Prozent. Das Problem der Massenuniversität und der ihr gemäßen Ausbildungsform sei zwischenzeitlich zwar erkannt, Vorschläge aber würden nicht umgesetzt.738 Nur ein kleiner Erfolg war zu verbuchen: In Anlehnung an Empfehlungen des Wissenschaftsrats von 1986 wurden zu dieser Zeit die ersten Graduiertenkollegs als eine Form des Aufbaustudiums entwickelt. Erst Anfang der neunziger Jahre gab es dann wirkliche Lichtblicke. So wurde an der Universität Augsburg im Jahr 1992 erstmals ein akademischer Titel unterhalb des
733 734 735 736 737 738
Mußgnug, Von der Überlast zur Dauerlast, S. 99. Mußgnug, S. 101. Reumann, Hilft ein Mini-Diplom? FAZ v. 21. 9. 1984, S. 1. SZ v. 23. 8. 1983. So Bächler, Maßstab muss die Praxis sein, DUZ 23/1983, S. 14 f. Turner, Massenuniversität, S. 86 ff.; ders., Hochschulpolitik, S. 61.
III. Schule – Studium – Beruf
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Diploms eingeführt: der „Baccalaureus oeconomicae“739 (Bac. oec.) für Absolventen des Vordiploms der Studiengänge BWL und Ökonomie.740 Damit sollte nicht nur ein Beitrag zur Studienzeitverkürzung geleistet werden, sondern auch Studierenden geholfen werden, die auf das Diplom verzichten wollen. Sie sollten fortan nicht mehr als Studienabbrecher gelten. Auch in Sachsen wurde 1993 in § 35 Abs. 2 SHG eine Rechtsgrundlage für die Einführung eines Baccalaureus-Abschlusses geschaffen.741 ee) Konsekutive Studiengänge Angestoßen wurde eine neue Diskussion im Oktober 1993, als die Ministerpräsidenten der Länder wenige Tage vor dem sog. Bildungsgipfel bei Bundeskanzler Kohl eine bildungspolitische Erklärung verabschiedeten. In deutlicher Anlehnung an das bereits 1966 vom Wissenschaftsrat vertretene Konzept wurde darin fast wortgleich eine Dreiteilung des Universitätsstudiums gefordert: Eine erste Phase sollte als „theoriebezogenes, berufsqualifizierendes Studium“ ausgestaltet sein, die zweite Phase sollte der „Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses“ dienen, der dritten Phase schließlich wurden „Angebote der wissenschaftlichen Weiterbildung“ zugeordnet.742 Über die Dauer der einzelnen Phasen schwiegen sich die Regierungschefs allerdings aus. Im Grundsatz lagen die Ministerpräsidenten damit jedoch ganz auf der neuen Linie der Bundesregierung. Denn Bundesbildungsminister Ortleb (FDP) hatte bereits 1992 in seinem Bericht „Zur Situation der Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland“743 geschrieben, der „forschungsorientierte“ Anspruch der Universität sei nicht mehr zeitgemäß. In der Praxis bedeute dies die Notwendigkeit der Teilung des Studiums in eine „berufsorientierte“ Anfangsphase für alle und ein „forschungsbezogenes Graduierten-Studium“ für die Besseren. Die Zeit schien so allmählich reif für die schon so oft geäußerten Vorschläge. (1) Anglo-amerikanisches System? Doch bedurfte es noch weiterer Impulse. Solche lieferte Mitte der neunziger Jahre die Diskussion über die Internationalisierung des deutschen Hochschulsystems. In diesem Kontext wurde immer wieder die Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen angeregt und damit eine Zweiteilung des Studiums nach anglo-amerikanischem Vorbild. Neu war die Begründung des Vorschlags: Die genannten Ab739
Die Bezeichnung „Bakkalaureus“ war bereits im Hochschulgesamtplan Baden-Württemberg als akademischer Grad nach drei Studienjahren vorgeschlagen worden (Kultusministerium Baden-Württemberg, Hochschulgesamtplan, 1967, S. 44). 740 dpa 18/92, S. 16 f. Eine dem Baccalaureat vergleichbare Regelung gab es bereits in den naturwissenschaftlichen Fächern. Dort ist mit dem Bestehen der Zwischenprüfung beispielsweise in Chemie der Status eines chemisch-technischen Assistenten (CTA) verbunden. 741 dpa 40/96, S. 18. 742 dpa 45/93, S. 1 f. 743 Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Zur Situation der Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Bericht an das Bundeskabinett vom 7. Oktober 1992.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
schlüsse sollten eingeführt werden, um mehr Studierende nach Deutschland zu locken und die in Deutschland erworbenen Abschlüsse für den internationalen Wettbewerb der Absolventen um Arbeitsplätze kompatibel zu machen. Vor allem im Bereich der Ingenieurwissenschaften wurde im Hinblick auf die Attraktivität deutscher Hochschulen und Abschlüsse immer wieder die Einführung der international üblichen Abschlüsse Bachelor und Master gefordert.744 So mancher Ingenieur-Professor hatte jedoch offensichtlich Probleme mit den neuen Abschlüssen: Bachelor-Studiengänge, die aus nur einem wissenschaftlichen Kernfach bestehen sollen, produzierten Fachidioten. Man überlege sich gerade im Gegenteil, ob den Ingenieuren im ersten Studienjahr nicht vielmehr zwanzig Prozent überfachlicher Unterricht in Philosophie, Sozialwissenschaften und so weiter verpasst werden solle. Denn die Wirtschaft wünsche sich mehr Generalisten als Spezialisten.745 Ungeachtet solcher Bedenken baute die neu gegründete Universität Erfurt Mitte der neunziger Jahre alle Studiengänge nach dem anglo-amerikanischen Muster auf. Relativ rasch folgten weitere Hochschulen und boten erste Bachelor- und Masterabschlüsse an, so z. B. die Gesamthochschule Kassel.746 Noch war man jedoch von einer flächendeckenden Einführung von Kurzstudiengängen bzw. gestuften Studiengängen weit entfernt. Es wurden auch wieder kritische Stimmen laut. Die Wissenschaftsminister Sachsens, Meyer (CDU), und Bayerns, Zehetmair (CSU), wandten sich im Februar 1999 gemeinsam gegen eine generelle Übernahme der Bachelor- und Masterabschlüsse in das deutsche Hochschulsystem. Zehetmair sah es gar als „Riesenrückschritt“ an, den Bachelor als Abschluss des Erststudiums etablieren zu wollen.747 Demgegenüber nahm sein Kollege Meyer – sicherlich bedingt durch seine zusätzliche Funktion als Präsident der KMK zu jener Zeit – eine zwar differenziertere, aber dadurch auch undeutlichere Position ein. Auf der einen Seite unterstützte Meyer im Grundsatz gestufte Studiengänge und eine Reform der deutschen akademischen Grade aus Gründen der internationalen Kompatibilität und Flexibilität.748 Zugleich erinnerte er jedoch daran, dass die Bezeichnungen Bachelor und Master für eine Vielfalt oder sogar „ein großes Durcheinander“ an Studienangeboten stünden.749 So 744 So die Forderungen des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), dpa 35/97, S. 17 und dpa 29/98, S. 18. 745 Tagesspiegel v. 16. 6. 1999 (HRK-Pressespiegel Nr. 24/1999, S. 2). 746 Hier war diese Änderung insofern wenig problematisch, als im Rahmen des dort praktizierten konsekutiven Modells auch bisher ein erster Diplom-Abschluss nach sechs Semestern erreicht werden konnte (dpa 7/98, S. 17). 747 dpa 6/99, S. 18. 748 dpa a.a.O. 749 Als Beleg hierfür mag der Vorschlag eines Kaiserslauterer Elektrotechnik-Professors aus dem Jahr 1993 dienen, der vorschlug, den Titel „Dipl.-Ing.“ beizubehalten, ihn aber dem Bachelor gleichzustellen (Wendt, Längere Studienzeiten für die Leistungsstarken, DUZ 19/ 1993, S. 22 ff.).
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warnte im Ergebnis auch er davor, durch die generelle Einführung von Kurzstudiengängen die Probleme der überfüllten Hochschulen lösen zu wollen. Dies würde den deutschen Wissenschaftsstandort ruinieren.750 Wieder andere stichelten, bei neueren Bachelor-Konzepten scheine es sich weithin um Abklatsche der bisherigen Diplom- und Magisterstudiengänge zu handeln, die um einige fachliche Veranstaltungen gekürzt und um den einen oder anderen fremdsprachlichen Kurs erweitert worden seien.751 Gegen solcherlei Anwürfe wehrten sich die betroffenen Hochschulen immer wieder; Bachelor-Studiengänge seien keine „Billig-Angebote“.752 Neben der Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen ging es bei der Internationalisierung des deutschen Hochschulsystems auch um die sog. Modularisierung. Um Studienleistungen anerkennen zu können, die im Ausland beispielsweise im Rahmen des von der EU finanzierten ERASMUS- bzw. SOKRATESAustauschprogramms erbracht wurden, forcierte man die Entwicklung eines Punktesystems.753 Dies sollte ermöglichen, einzelne Studienangebote und die zugehörigen Leistungsnachweise nach einem Punkteschlüssel zu bewerten. Voraussetzung hierfür war eine Modularisierung des Studiums, also eine stärkere Untergliederung des Studienstoffes in einzelne voneinander abtrennbare (Prüfungs-) Blöcke bzw. Module. Erste großangelegte Reformen dieser Art plante Niedersachsen Anfang 1999;754 bis dahin liefen bundesweit lediglich einige Modellversuche in einzelnen Fächern und Hochschulen. An der Universität Bonn sah man in einem Kreditpunktesystem gar eine Alternative zur Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, denn auch das Kreditpunktesystem trage zur angestrebten Internationalisierung des Studiums bei.755 Die HRK beschrieb 1997 in einer Entschließung756 die – z. T. über die Internationalisierung hinausgehenden – Ziele der Modularisierung wie folgt: – Verkürzung der Verweil- und Fachstudienzeiten an den Hochschulen; – Ermöglichung einer zeitlich und inhaltlich flexiblen Planung und Gestaltung des Studiums (z. B. Teilzeitstudium); – Gewährleistung der nationalen und internationalen Anerkennung von erfolgreich absolvierten Studienabschnitten oder -blöcken („Modulen“);
750
General-Anzeiger v. 9. 2. 1999 (HRK-Pressespiegel Nr. 6/1999, S. 1). Huber, Ludwig, Wer B. A. sagt, muss auch C sagen, Die Zeit v. 2. 6. 1999. 752 Frankenberg als Rektor der Universität Mannheim, dpa 21/98, S. 14. 753 In der EU „ECTS“ genannt (= European Credit Transfer System). 754 dpa 6/99, S. 18. 755 Lüdke, Kreditpunkte statt Bachelor, DUZ 13/1998, S. 19; allgemein: Turner, SandwichSystem, Wirtschaftswoche 1/2 1991, S. 30. 756 HRK, Zu Kredit-Punkte-Systemen und Modularisierung. Entschließung des 182. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz, 7. Juli 1997, HRK, Arbeitsbericht 1997, S. 83 ff. 751
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
– Ermöglichung einer schnelleren Reaktion der Hochschulen auf Anforderungen des Arbeitsmarkts und – Ermöglichung des Erwerbs weiterer Abschlüsse im Rahmen des lebenslangen Lernens. Im Januar 1999 unternahm der Wissenschaftsrat zum wiederholten Male einen Vorstoß und forderte ein neues Hochschulsystem, sprich: mehr Kurzzeitabschlüsse und gestufte Studiengänge.757 Erklärtes Ziel dieser neuerlichen Vorschläge war es, die Universität wieder zur „Ausbildungsstätte der Hochbegabten“ zu machen. Mit dem neuen Modell solle das deutsche Hochschulsystem zudem für das nächste Jahrtausend „funktionsfähig“ gemacht werden. Die Verbindung von Forschung und Lehre solle grundsätzlich auch im Bachelor-Studiengang beibehalten werden; dies sei auch in sechs Semestern möglich, wenn die Ziele klar gesetzt würden. Das Diplom könne im neuen System eventuell ganz entfallen. Sehr deutlich wurde zudem, dass maßgeblichen wissenschaftspolitischen Organisationen die Einführung von Kurzstudiengängen nicht schnell genug voran ging. So verkündete der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Schulze, dass man zwar noch Rücksicht auf die Unbeweglichkeit der deutschen Hochschulen nehmen müsse, über kurz oder lang aber die deutschen Abschlüsse durch die gestuften anglo-amerikanischen ersetzt würden.758 Der Generalsekretär des DAAD, Bode, befürwortete die Einführung gestufter Abschlüsse nach amerikanischem Vorbild ebenfalls „uneingeschränkt“. Und auch HRK-Präsident Landfried, der die gescholtenen Hochschulen zu vertreten hatte, sah ein, dass die Universitäten ihre „Mission“ neu bestimmen müssten: hin zu kurzen und praxisbezogenen Ausbildungsgängen, die schnell zur Berufsfähigkeit führen.759 Nicht leugnen wollte Schulze in diesem Zusammenhang, dass sich die Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen durch eine flächendeckende Einführung von Kurzstudiengängen weiter verwischen würden; dies sei aber bereits im neuen Hochschulrahmengesetz angelegt. Diese Äußerung ließ aufhorchen, als das Verhältnis von universitären Kurzstudiengängen und die Fachhochschulkonzeption von Beginn an strittig war. Nachdem sich die Fachhochschulen, die 1970/71 vorwiegend aus Ingenieurschulen und Höheren Wirtschaftsfachschulen hervorgegangen sind, zur berufsbezogenen Hochschulausbildung entwickelt hatten, mehrten sich Anfang der achtziger Jahre insbesondere bei den Vertretern der Wirtschaft die Sorgen um die weitere Existenz der Fachhochschulen und damit um die Differenzierung im tertiären Bereich: Man beobachtete eine Annäherung der Fachhochschule an das Konzept der Universität und befürchtete den Verlust der Praxisnähe des Fachhochschul-Studiums.760 An „der 757 758 759 760
dpa 5/99, S. 1. FR v. 11. 2. 1999 (HRK-Pressespiegel Nr. 7/1999, S. 4). FR a.a.O. Franz/Landsberg, Studienreform, S. 73.
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bewährten, arbeitsteiligen Ausbildung an Universitäten und Fachhochschule“ sollte festgehalten werden.761 Ein Grund für die Annäherung lag in der Praxis der Stellenbesetzung an den Fachhochschulen. Als Voraussetzung einer fünfjährigen Tätigkeit in der Praxis wurde zunehmend auch eine Beschäftigung an einem Universitätsinstitut anerkannt, nicht zuletzt, weil die Positionen an den Fachhochschulen für Kandidaten aus der Wirtschaft finanziell nicht attraktiv waren. So kam es zu immer mehr Wechsel von Assistenten oder wissenschaftlichen Mitarbeitern von Universitäten an die Fachhochschulen, auch von Habilitierten. Sie brachten ihre Arbeitsweise und damit auch ihre Vorstellungen von dem mit, was sie bisher betrieben hatten und ließen dabei außer Acht, dass die Fachhochschulen einen anderen Auftrag hatten als die Universitäten. (2) Ausbau der Fachhochschulen Als Alternative zur Einführung konsekutiver Studiengänge war schon im Lauf der siebziger Jahre immer wieder der verstärkte Ausbau der Fachhochschulen vorgeschlagen worden.762 Doch ging die Entwicklung den umgekehrten Weg: Statt die Fachhochschulen mit ihren durchschnittlich sechssemestrigen Kurzstudiengängen auszubauen, verlängerte man die Regelstudienzeit von sechs auf acht Semester. Dies hatte zur Folge, dass der Ausbau der Fachhochschulen von diesem Zeitpunkt an als Alternative deutlich weniger attraktiv erscheinen musste, da nun die Studienzeiten zumindest auf dem Papier denen an den Universitäten angeglichen waren. Die Standesvertreter der Fachhochschulen hatten sich in ihren Bemühungen um eine Annäherung der Fachhochschulen an die Universitäten insofern durchgesetzt. So verwunderte auch der nächste Annäherungsschritt nicht mehr sonderlich. In einer Entschließung vom November 1997 sprach sich die HRK dafür aus, Bachelorund Masterstudiengänge sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen ohne entsprechenden Zusatz („FH“) vorzusehen. Im Übrigen sollten die neuen Abschlüsse während einer Erprobungsphase zunächst parallel zu den deutschen Diplomstudiengängen angeboten werden.763 Für die Fachhochschulen bot die Berechtigung, Masterprogramme anzubieten, die zusätzliche Chance, Fachhochschul-Absolventen den Zugang zum höheren öffentlichen Dienst zu öffnen. Entsprechende Forderungen aus Fachhochschulkreisen ließen denn auch nicht lange auf sich warten.764 Dabei 761 Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Fachhochschule – Kurzstudiengänge, S. 4. 762 So z. B. von Mittelstraß, Die unzeitgemäße Universität, S. 17 f., der sogar die Etablierung der Fachhochschule als Regelhochschule forderte; vgl. hierzu auch Turner, Massenuniversität, S. 76 ff. 763 HRK, Zur Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen/-abschlüssen. Entschließung des 183. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz, 10. November 19997, HRK, Arbeitsbericht 1997, S. 135 ff. 764 Vgl. die Aussagen des Präsidenten des Hochschullehrerbundes (hlb), Kurtze (dpa 47/98, S. 20).
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verkannten manche Fachhochschul-Vertreter nicht, dass die Fachhochschulen ihr Studienangebot für die höherwertigen Masterabschlüsse inhaltlich aufstocken mussten, um das international übliche Master-Niveau zu erreichen.765 Ein weiterer Schritt, der das vom Vorsitzenden des Wissenschaftsrats, Schulze, konstatierte Verwischen der Profile von Fachhochschule und Universität dokumentiert, ist in einem Beschluss der KMK vom März 1999 zu sehen. Demnach berechtigt ein Masterabschluss nach einer Regelstudienzeit von höchstens fünf Jahren grundsätzlich zur Promotion – unabhängig davon, ob der Master an der Universität oder an einer Fachhochschule erworben wurde. Spätestens nun war der Damm gebrochen. Viele Fachhochschulen waren bereits aktiv geworden oder standen in den Startlöchern. So wurden Anfang 1999 in Deutschland schon Bachelorund Masterstudiengänge erprobt.766 Um die mittlerweile unüberschaubare Vielfalt an entstehenden Bachelor- und Masterprogrammen qualitativ zu überprüfen, wurde 1999 ein sog. Akkreditierungsrat geschaffen, um dessen Bildung und Zusammensetzung zunächst ein heftiger Streit zwischen der HRK und der KMK tobte. Dieser Akkreditierungsrat wird unterstützt durch Akkreditierungsagenturen, die möglichst flexibel neue Studiengänge genehmigen, nach einigen Jahren bewerten und den jeweiligen neuen Anforderungen anpassen sollen. Ein derartiges System ist nicht zwingend. Es hätte bei der Genehmigung von Studiengängen auch durchaus beim Zusammenwirken von Staat und Hochschulen bleiben können. Obwohl das Bundesverfassungsgericht die rechtliche Unzulänglichkeit des Systems festgestellt hat,767 haben sich weder KMK noch HRK entschließen könne, das bürokratisch aufwendige und teure Verfahren zu beenden. Es wird vielmehr nach einer rechtlich unbedenklichen Lösung unter Aufrechterhaltung des Agenturaufwands gesucht. (3) Übergänge Unklar und auch strittig im Zusammenhang mit der Einführung gestufter Studiengänge war insbesondere die Akzeptanz des Bachelorabschlusses und – damit zusammenhängend – die Frage des Übergangs vom Bachelor- in den Masterstudiengang. Noch Ende der neunziger Jahre gab es höchst unterschiedliche Auffassungen von den Berufschancen der Bachelorabsolventen. Insbesondere negative Erfahrungen mit dem neuen Abschluss in Dänemark ließen Zweifel aufkommen.768 Auch die 765
dpa 29/98, S. 18. Auch sonst zeigte die Diskussion über die Internationalisierung des deutschen Hochschulsystems rasch Wirkung. 1998 existierten in Deutschland an Fachhochschulen und Universitäten bereits 671 internationale Studiengänge, bei denen ein Großteil der Vorlesungen in Englisch abgehalten wurde. Dabei engagierten sich die Fachhochschulen stärker im grundständigen Bereich (240 Studiengänge zu 200 an Universitäten), während die Universitäten mit 158 Studiengängen mehr im postgraduierten Bereich tätig waren (FH: 73). 767 Beschluss v. 17. 2. 2016, 1 BvL 8/10. 768 Fritsche, Studium im Sauseschritt, Die Zeit v. 18. 2. 1999. 766
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Studenten selbst zeigten sich in einer Umfrage des HIS vom Sommer 1999 skeptisch gegenüber dem Bachelorabschluss. Nur jeder achte Student wollte demnach die Hochschule mit einem Bachelorgrad verlassen.769 Ähnliche Erfahrungen zeigten sich auch dort, wo die Abschlüsse bereits angeboten wurden. Solche Skepsis hielt Schulze für unbegründet. Gäbe es doch in dem weiten Bereich der Wirtschaft eine Reihe von Berufsangeboten, die mit einem qualifizierten Bachelor bedient werden könnten.770 Hinsichtlich des Übergangs vom Bachelor- in den Masterstudiengang ging man zunächst davon aus, dass für die Zulassung zum Masterprogramm eine Prüfung erforderlich sein sollte; freier Zugang bestünde demzufolge lediglich für das Bachelor-Programm. Der Übergang vom Bachelor zum Master sollte durch Selektivität gekennzeichnet sein. Aussagen dieser Art über harte Zulassungs- bzw. Auswahlverfahren für die Masterprogramme riefen ebenso Kritiker auf den Plan wie die Sorge um die Erhebung von Studiengebühren für das Masterprogramm (z. B. unter Deklarierung des Masterstudiengangs als Zweitstudium). Trotz zahlreicher und immer wiederkehrender Forderungen hat es bis zum Ende der neunziger Jahre gedauert, ehe man endlich eine Reform der Studienorganisation realisieren konnte. Interessant ist, wie sich die Begründungsstrategien für die Einführung von Kurz- bzw. Konsekutivstudiengängen im Lauf der Zeit verändert haben: Waren es Mitte der sechziger bis Mitte der siebziger Jahre zunächst Forderungen nach einer kürzeren und stärker berufsbezogenen Ausbildung (auch im Hinblick auf mögliche Kontakt- bzw. Weiterbildungsstudien), so standen am Ende der siebziger und in den achtziger Jahren die Probleme der Massenuniversität und der Unterfinanzierung der Hochschulen im Mittelpunkt der Argumentation. Anfang der neunziger Jahre kam dann der Druck einer wachsenden Internationalisierung des Studienangebots hinzu. Am Ende der neunziger Jahre schließlich traten erneut finanzpolitische Argumente in den Vordergrund. Die Bremer Wissenschaftssenatorin Kahrs (SPD) sprach 1998 offen über die Ziele der Einführung von Kurzstudiengängen, dass die neuen Studiengänge besonders in den Fächern geeignet seien, die hohe Verweilzahlen und Abbrecherquoten aufwiesen.771 Angesichts dessen ist es sicherlich nicht falsch zu sagen, dass die Strukturierung der Hochschullandschaft durch eine Trennung in berufsbildende Studienteile mit einem ersten Abschluss für die Mehrheit und ein forschungsorientiertes Graduiertenstudium für einen kleineren Teil der Studierenden zur Lösung der Finanzierungskrise wohl ebenso beitragen könnte wie eine stärkere Differenzierung der Studienangebote der einzelnen Hochschulen in einem nach Wettbewerbsregeln quasi marktgesteuerten System.772
769 770 771 772
dpa 31/32/99, S. 18 f. Der Tagesspiegel v. 17. 3. 1999 (HRK-Pressespiegel Nr. 11/1999, S. 3 f.). DUZ 7/1998, S. 12. MPI, Bildungswesen, S. 683.
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Jedenfalls gilt auch heute noch, was bereits im Jahr 1979 als Problem erkannt wurde:773 dass zur Durchsetzung bzw. Akzeptanz von kürzeren Studiengängen eine weitgehende Veränderung im Bewusstsein des Studierenden und der Öffentlichkeit vonnöten ist, nicht zuletzt was Besoldungs- und Laufbahnchancen angeht. Denn die Öffnung der Hochschulbildung soll vielen den Zugang zu einer Ausbildung ermöglichen, die emanzipatorische Wirkung verheißen könnte, ohne dass sich damit automatisch die Erwartung auf ein bestimmtes Tätigkeitsfeld mit entsprechender Einkommenshöhe verbinden darf. Die Lernenden müssten also ihr Anspruchsniveau an die Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten anpassen. Ob dies inzwischen tatsächlich allgemein anerkannt ist, bleibt unsicher. b) Bachelor/Master Im Juni 1999 haben sich 31 europäische Staaten in der gemeinsamen Erklärung von Bologna unter dem Titel „Der gemeinsame europäische Hochschulraum“ verpflichtet, bis zum Jahr 2010 vergleichbare Studienabschlüsse in Europa zu schaffen. Die darauf folgenden Aktivitäten pflegt man als Bologna-Prozess zu bezeichnen. Im Kern ging es bei der Reform um Folgendes: 1. Einführung eines „gestuften“ Studiensystems mit den Abschlüssen Bachelor und Master für die meisten Studiengänge. In einem auf drei Jahre angelegten Studium bis zum Bachelor sollte „eine für den europäischen Arbeitsmarkt relevante Qualifikationsebene“ erreicht und die Grundlagen für das weiterführende Studium zum Master gelegt werden. 2. Die zu schaffenden vergleichbaren Abschlüsse sollen durch ein „Diploma Supplement“ näher beschrieben werden. Das sind Zusätze zum Zeugnis mit der Erläuterung des Inhalts des Studiums und der Prüfungen. Dies ist allein deshalb nötig, weil die Abschlüsse Bachelor und Master sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen möglich sind. 3. Einführung eines Leistungspunktesystems im Anschluss an die jeweiligen Lehrveranstaltungen (Credit points), u. a. um einen Studienortwechsel innerhalb Europas zu erleichtern. Es war das erklärte Ziel der für die Hochschulen zuständigen Minister und Senatoren der Bundesländer, die vereinbarten Reformen bis zum Jahr 2010 einzuführen. Tatsächlich sind in den Universitäten und Fachhochschulen inzwischen die Diplom- oder Staatsexamen-Studiengänge entsprechend verändert und angepasst worden. Unabhängig davon gab es grundsätzliche Probleme
773
Turner, Das System der Hochschulausbildung, DUZ 14/79, S. 440.
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1. Einwände wurden insbesondere von den Technischen Universitäten erhoben, die nicht auf den „Dipl.-Ing.“ verzichten wollten. Dort, wie auch in anderen Fächern, wäre es in der Tat besser gewesen, das kürzere, praxisorientierte Studium (Bachelor) fände an den Fachhochschulen statt, das mehr wissenschaftlich angelegte zum Master an den Universitäten. Indem man dem Drängen der Fachhochschulen, ebenfalls Masterstudiengänge anzubieten, nachgegeben hat, beging man den ersten Sündenfall. Der zweite war, die Universitäten zu Bachelor-Programmen zu zwingen. 2. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition wurde 2005 festgehalten, dass für Juristen die Regelung nicht erforderlich sei. Demgegenüber haben bald danach zwei Justizlandesminister eine den Regeln des Bologna-Abkommens entsprechende Änderung der Ausbildung vorgeschlagen. Inzwischen bieten einige Universitäten ein juristisches Studium mit dem Abschluss „Bachelor“ an. Die Reform des Studiensystems mit der Ersetzung des Diploms oder anderer Examina durch Bachelor- und Masterabschlüsse und dem Ziel, einen ersten Abschluss nach sechs Semestern zu ermöglichen, richtete sich nicht nur an die Adresse der Studierenden, die in dieser Zeit ein bestimmtes Pensum erarbeiten müssen, sondern vor allem an die Professoren, den Stoff so zu gestalten, dass er in dem Zeitrahmen studierbar ist. Dass dies in vielen Fächern möglich ist, beweist das gesamte Ausland. Manche Hochschullehrer und viele Studierende sowie politisch Verantwortliche in Deutschland haben offenbar immer noch nicht begriffen, dass die Massenhochschule ein anderes Ausbildungssystem verlangt als die auf kleinere Zahlen ausgerichtete Universität der Vergangenheit. Innerhalb von fünfzig Jahren ist der Anteil der Studierenden an der gleichaltrigen Bevölkerungsgruppe von 5 % auf 50 % gestiegen bzw. von 300.000 auf inzwischen 2,85 Millionen. Diese Zahlen nach dem gleichen Schema ausbilden zu wollen wie überschaubare Gruppen, konnte nicht gelingen. Überlange Studienzeiten und ein hoher Anteil von Studienabbrechern waren die Folge. Der Hochschulverband hat im Jahr 2008 eine Vollbremsung bei der Einführung der gestuften Ausbildung gefordert. Nicht der Bachelor, der Abschluss als Master sollte nach Meinung des Verbands die Regel sein. Das neue System habe sich nicht bewährt. Dabei sind Bachelor und Master die richtigen Antworten auf die Bedingungen der Massenuniversität. Nur müssen die zu den Abschlüssen führenden Studien so angelegt sein, dass sie von durchschnittlich talentierten und entsprechend arbeitswilligen Studierenden auch bewältigt werden können. Fachvertreter werden immer dazu neigen, die von ihnen vertretene Disziplin für so wichtig zu halten, dass sie einen bestimmten Umfang nicht unterschreiten darf. Insofern war die Attacke des Hochschulverbands da einzuordnen, wo sie hingehört: Sie ist der Aufschrei der Betroffenen, die von der Untätigkeit eines Teils ihrer Klientel ablenken wollen. Daneben gab und gibt es weitere, immer wieder diskutierte Fragen: 1. Wie ist die Qualität der neuen Studiengänge im Vergleich zu den bisherigen Abschlüssen zu bewerten?
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2. Werden die neuen Abschlüsse von den Arbeitgebern akzeptiert? 3. Wird der Staat bei der Einstellung in den höheren Dienst den Bachelor als Voraussetzung gelten lassen? 4. Wird das Verhältnis von Universitäten und Fachhochschulen weiter eingeebnet? 5. Wie erfolgt ein Übergang vom Bachelor zum Master (nach Notendurchschnitt oder Quote)? Darauf beruhende Unsicherheiten haben im Herbst 2009 zu einem sog. Bildungsstreik geführt. Es kam zu Demonstrationen und Besetzungen von Räumlichkeiten an verschiedenen Universitäten. Die Kultusminister haben daraufhin auf ihrer Sitzung am 10. Dezember 2009 beschlossen, die Bologna-Reform zu überarbeiten. Die zum Teil berechtigten Klagen der Studierenden über Stofffülle, zu viele Prüfungen und damit ein – jedenfalls nach sechs Semestern – nicht zu absolvierendes Bachelor-Examen haben eines klar gemacht: Dort, wo man nicht konsequent nur so viel in die Studienpläne hineingenommen hat, wie es von durchschnittlich befähigten und fleißigen Studierenden bewältigt werden kann, sind sie überfrachtet. Die Kultusminister haben mit ihrer Entscheidung vom Dezember 2009 die Notbremse gezogen. Die starre Begrenzung auf sechs Semester sei aufzuheben. Stofffülle und Prüfungen sollten begrenzt werden. Die Rede war davon, dass ein Zeitrahmen, einschließlich des Selbststudiums, von 32 bis 39 Stunden pro Woche vorzusehen sei. Außerdem sollte die Zahl der Prüfungen für die Studenten sinken: Eine Lehreinheit, Modul genannt, soll nur noch mit einer Prüfung abgeschlossen werden, auch wenn mehrere Hochschullehrer daran beteiligt sind. Die Proteste der Studierenden und das teilweise begründete Verständnis dafür führten letztlich zu einem partiellen Nachgeben an der falschen Stelle. Man verlängert die Studienzeit, anstatt den Stoff zu reduzieren, mit der Folge, dass die Studiendauer wieder zunehmen und das Durchschnittsalter der Absolventen steigen wird. Der Mitte 2012 neu ins Amt gelangte Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Hippler, wich von der bisherigen Linie der HRK ab, indem er meinte, die Umstellung des Studiensystems habe mehr geschadet als genützt.774 Der Ansatz, junge Menschen flotter durchs Studium und in den Beruf zu bringen, sei falsch gewesen, die Zeit bis zum Bachelor reiche nicht aus, ein akademisches Studium nach früheren Maßstäben zu gewährleisten. Die Feststellungen mögen richtig sei, das Ergebnis war so gewollt. Man sollte sich an die Warnungen vor einiger Zeit erinnern: Die Studierenden in anderen Ländern verließen die Hochschulen mit Anfang 20, unsere Absolventen seien zu lange in der Ausbildung und deshalb zu alt beim Berufseintritt. Deshalb 774
Süddeutsche Zeitung v. 14. 8. 2012.
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wurden Reformen mit dem Ziel der Verkürzung von Schul- und Hochschulausbildungszeit für erforderlich gehalten und durchgeführt. Wenn nicht das Studium unter Berücksichtigung der Vorgabe neu konzipiert, sondern nur ein Teil des bisherigen Inhalts „abgeschnitten“ wurde, gestaltete man das Neue zum Torso. Der gleiche negative Effekt wurde erzielt, wenn man den auf acht Semestern ausgelegten Stoff nunmehr in sechs Semester presste. Kein Wunder, dass sich Unzufriedenheit bei Studierenden und Abnehmern einstellte. Durch diese Art des Unterlaufens ist es einem Teil der Fachvertreter gelungen, Zweifel an der Reform zu wecken. Hohe Quoten von Abbrechern und im Examen Gescheiterten mögen auf überfrachtete, nicht angepasste Studienpläne zurückzuführen sein, zum Teil aber sicher auch darauf, dass es manchen Kandidaten an der Studierfähigkeit mangelt – auch das gab es schon immer. Wenn der Repräsentant der Hochschulen das Scheitern der Reform verkündet, muss man feststellen, wer dafür verantwortlich ist: diejenigen, die er vertritt. Auch die Vorstellung, man könne „Persönlichkeiten“ von der Universität entlassen, wenn sie so wie früher, nämlich länger studierten, verkennt und verklärt die frühere Situation. Offenbar haben manche, die zu hochschulpolitischen Themen das Wort ergreifen, immer noch nicht gemerkt, dass die heutige Universität etwas anderes ist als die, die sie selbst durchlaufen haben. Als Hauptkritikpunkt bleibt, dass Bachelor-Studiengänge an Universitäten eingerichtet worden sind. Nachdem aber nicht die Fachhochschulen im erforderlichen Umfang ausgebaut worden sind, sondern die Universitäten, war dies unvermeidlich. Damit hat sich die Aufgabe der Universität verändert. Die Konsequenz wird eine Differenzierung, wenn nicht sogar eine Hierarchisierung der Universitäten sein775, aber auch eine Bestimmung der Wertigkeit der Abschlüsse. Wie nötig das ist, zeigt folgendes Beispiel776: Das Bundesinnenministerium des Inneren will Absolventen mit dem BachelorAbschluss den Zugang zum höheren Staatsdienst verwehren. Überwiegend wird das kritisiert, weil dadurch das zweigliedrige Hochschulsystem mit dem Bachelor als erstem berufsqualifizierendem Abschluss diskreditiert würde. Man sollte sich erinnern: Zur Übernahme in den höheren Dienst mit der Eingangsbesoldung A 13 war ein Universitätsabschluss bzw. ein Staatsexamen Voraussetzung. Absolventen von Fachhochschulen sollten mit A 12 in den gehobenen Dienst starten. Das für den öffentlichen Dienst geltende Recht eröffne vielfältige Möglichkeiten des Übergangs in die höhere Kategorie. Mit der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen geriet diese klare Differenzierung ins Wanken. So sollte auch für Inhaber von Bachelor-Zeugnissen der Zugang zum höheren Dienst offen stehen. In diese Richtung geht auch die Verein775 776
Siehe unten C. II. Turner, De Maizières Notbremse, HB v. 6. 1. 2016, S. 15.
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barung der schwarz-roten Koalition im Bund. Wenn der Innenminister jetzt auf die Bremse tritt, handelt es sich um eine Maßnahme, welche die Irrläufer der Hochschulpolitik deutlich macht und auf dem Hintergrund einer zum Teil fehlerhaften Bildungspolitik zu sehen ist. In Deutschland sind die falschen Hochschulen ausgebaut worden. Etwa zwei Drittel der 2,85 Millionen Studierenden befinden sich in universitären Studiengängen, nur ein Drittel an Fachhochschulen. Besser wäre ein umgekehrtes Verhältnis. Die lange Verweildauer der Studierenden (im Durchschnitt 14 Semester) und das hohe Alter der Absolventen (rund 28 Jahre) machte es seinerzeit erforderlich, das Ausbildungssystem den Gegebenheiten der großen Bewerberzahlen anzupassen. Die Konsequenz war die Gliederung des Studiums mit einem ersten Abschluss, dem Bachelor nach sechs Semestern. Vom Konzept und der Zielsetzung wäre es sachgerecht gewesen, die entsprechende Ausbildung an den Fachhochschulen anzusiedeln. Dies war aus Kapazitätsgründen nicht möglich. An den Universitäten hingegen waren entsprechende Ressourcen vorhanden. So war es naheliegend, dort eine Ausbildung vorzusehen, die von der Sache besser an den Fachhochschulen platziert gewesen wäre. Die Schwierigkeiten, die bei der Konzeption von Bachelor-Studiengängen an Universitäten aufgetreten sind, belegen dies nachdrücklich. Im Grunde gehören sie dort nicht hin. Da aber nur so der Fehler des Ausbaus der falschen Hochschulen korrigiert bzw. überspielt werden konnte, wurde keine Alternative gesehen. Das bedeutet aber auch, dass es sich beim universitären Bachelor-Abschluss eher um ein Zertifikat handelt, das dem FH-Zeugnis näher ist als dem früheren Diplom bzw. Staatsexamen. Dann ist es aber auch folgerichtig, die Inhaber im Staatsdienst entsprechend einzustufen: Bachelor nach A 12, Master nach A 13. Die Durchlässigkeit zwischen dem gehobenen und dem höheren Dienst gibt die Gewähr, dass eine solche Differenzierung beim Start keineswegs eine Sachgasse bedeutet. Die Position des Innenministers ist auf dem Hintergrund der Entwicklung sachgerecht. Die Vorgehensweise stellt ein Korrektiv dar, man kann es auch eine Notbremse nennen. Kultusminister- und Rektorenkonferenz haben im Juni 2016 erklärt, sie wollten die Ausbildung zum Bachelor reformieren. Statt eines verschulten, zu eng getackten Studiums mit ungewissen Berufsperspektiven soll es Freiräume für die Studierenden, mehr Gestaltungsmöglichkeiten der Hochschulen bei den Studienverläufen und eine Lockerung bei der Regelstudienzeit geben. Die Reform mit dem Ziel der Verkürzung der Ausbildung in Schule und Hochschule wurde in Gang gesetzt, weil das Durchschnittsalter der Absolventen mit 28 Jahren und einer Verweildauer an den Hochschulen von durchschnittlich 14 Semestern im Vergleich zu ausländischen Gegebenheiten als unerträglich erschien. Mit der Reform der Reform besteht die Gefahr, dass man sich in Richtung auf die früheren Verhältnisse bewegt. Auch wenn man es nicht eingestehen will: Das gestufte Studiensystem mit Bachelor und Master ist die richtige Antwort auf 50 % Studierende der relevanten
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Altersgruppe und damit die angemessene Ausbildungsform für den größten Teil der 2,85 Millionen; der Bachelor aber passt nicht an die Universität, wie man sie immer noch versteht. Eine Zuweisung der Ausbildung zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss mit der Bezeichnung „Bachelor“ nur an die Fachhochschulen konnte nicht gelingen, weil die größere Zahl der Studienplätze an den Universitäten eingerichtet ist. Eine Korrektur derart, dass von den mehr als 80 staatlichen Universitäten ein Teil zu Fachhochschulen „downgegradet“ wird, würde nicht zuletzt an rechtlichen Hürden scheitern. So waren alle Universitäten gehalten, eine Ausbildung anzubieten, die nicht ihrem bisherigen Auftrag entsprach. Das führte zu Unwillen bis hin zum Boykott. Die Exzellenzinitiative hat deutlich gemacht, dass eine Hierarchisierung der Universitäten unerlässlich ist. Die konsequente Umsetzung würde bedeuten, dass eine kleinere Zahl von Forschungs-Universitäten keine Bachelor-Programme anbieten, die übrigen zusammen mit den Fachhochschulen diese für die große Zahl der Studierenden als angemessene Ausbildung offerieren: ein stark strukturiertes Studium mit klar formulierten Anforderungen und entsprechenden Abschlüssen. Man sollte es endlich begreifen: Die Mehrzahl der Universitäten wird nicht die Funktion und den Status behalten können, den die klassische deutsche Universität hatte. 8. Akademikerbedarf Anlass für erste Erörterungen des Akademikerbedarfs gaben nach dem Sputnikschock777 von 1957 Prognosen der OECD vom Anfang der sechziger Jahre über den Bedarf an wissenschaftlichem und technischem Personal in ausgewählten Ländern. In Deutschland wurden diese Prognosen von Edding in die Diskussion eingeführt.778 Aber erst die schon erwähnte Schrift Pichts779 schreckte die Öffentlichkeit auf. In der Bildungsökonomie wurde fortan der Schlüssel für die Wohlstandsentwicklung gesehen. Mit dem Hinweis auf ein Akademikerdefizit wurde das populäre Zentralargument für die gesamte Bildungsreform gefunden. a) Prognosen Doch schon Anfang der siebziger Jahre – nach einer ersten Phase der Expansion – wandelte sich das Bild: Das Wort von der „Akademikerschwemme“ machte die 777
Darunter verstand man die Reaktionen der westlichen Welt auf das geglückte Raumfahrtprogramm der Sowjetunion mit dem ersten (unbemannten) Satelliten. 778 Ökonomie des Bildungswesens. Lehren und Lernen als Haushalt und als Investition, 1963. 779 Die deutsche Bildungskatastrophe, 1964.
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Runde; Ausdrücke wie „akademisches Proletariat“780 und „over-education“ waren weit verbreitet.781 Es wurde darauf hingewiesen, dass Hochschulabsolventen nicht mehr mit typischen Akademikerpositionen rechnen könnten.782 Man fragte, ob es denn richtig sei, so viele Akademiker auszubilden, die womöglich später keine ihrer Ausbildung entsprechende Beschäftigung fänden.783 Diese arbeitsmarkt- bzw. nachfrageorientierte Sicht ließ den Aspekt des insbesondere von Dahrendorf postulierten Bürgerrechts auf Bildung außer Betracht, denn dafür ist nicht entscheidend, ob der Ausbildung eine Tätigkeit folgt, in der sie direkt verwertet wird. Die Frage nach der sogenannten gesellschaftlichen Verwertbarkeit der Hochschulausbildung korrespondierte jedoch mit den tatsächlichen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Bis etwa Mitte der siebziger Jahre waren die Beschäftigungsaussichten für Hochschulabsolventen in der Bundesrepublik sehr günstig. Dabei war auch die Expansion der Bildungseinrichtungen selbst mit entsprechendem Personalbedarf mit entscheidend. In der Folgezeit verschlechterten sich die Chancen jedoch. Auch Akademiker waren von Arbeitslosigkeit betroffen – wenn auch in weitaus geringerem Maße als andere Qualifikationsgruppen. Insbesondere für Geisteswissenschaftler wurde der Arbeitsmarkt immer ungünstiger, mit der Ausnahme, dass Wirtschaftswissenschaftler eher gesucht waren.784 Es wurde immer deutlicher, dass das Gros der Hochschulabsolventen sogenannter Massenfächer nur dann beschäftigt werden konnte, wenn die Betroffenen bereit wären, Abstriche an Einkommenserwartungen zu machen und auch nicht-ausbildungs-adäquate Tätigkeiten anzunehmen – Tätigkeiten also, die früher von Nichtakademikern wahrgenommen wurden oder für die eine akademische Bildung nicht erforderlich ist. Es kam zu einer Verdrängung beruflich Ausgebildeter zugunsten akademisch Ausgebildeter.785 Zweifellos bietet eine breite Bildungsbeteiligung aller sozialen Schichten den Einbezogenen die Chance zur Weiterentwicklung und Persönlichkeitsentfaltung. Jedoch war die noch Ende der sechziger Jahre populäre Auffassung, dass ein höherer Akademisierungsgrad zwangsläufig auch einen positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes ausübe, nicht mehr unbestritten. Die in solcherlei Einwänden zum Ausdruck kommende Sorge hinsichtlich eines möglichen 780 Dieser Begriff geht (wohl) auf Reichskanzler Bismarck zurück; in die hochschulpolitische Debatte wurde er durch einen Beitrag in Die Zeit v. 4. 12. 1947 eingeführt; vgl. hierzu Friedeburg, Bildungsreform, S. 348. 781 Teichler, Zur Akademikerbeschäftigung und zum Akademikerbedarf, in: KonegenGrenier/Schlaffke, S. 24. 782 Tessaring, Die Zukunft der Akademikerbeschäftigung, S. 13. 783 Glaser, Von der Bildungsreform zur Bildungsmisere, in: Glaser (Hrsg.), Hochschulreform – und was nun? Berichte, Glossen, Perspektiven, S. 26 (31). 784 Tessaring, Akademikerbeschäftigung, S. 16 ff. 785 Hierzu schon Müller, Walter, Familie, Schule, Beruf, S. 64 ff., der auf den Zusammenhang mit der Diskussion über die soziale Chancengleichheit hinweist. Eine Verdrängung der Nichtakademiker von anspruchsvollen Berufspositionen verbaue geringer qualifizierten Personengruppen den Aufstieg, der ihnen bisher über berufsbezogene Weiterbildung o. ä. möglich war.
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Überangebots an Hochschulabsolventen klang erst gegen Ende der siebziger Jahre ab. Zwar hielt man die Zahl der Hochschulabsolventen in ihrer Höhe für nicht erforderlich, sie wurden aber nicht weiter als problematisch empfunden; es trat sozusagen eine Gewöhnung ein. Um dem wachsenden Ungleichgewicht von Absolventenzahlen und offenen Stellen auf dem Akademikerarbeitsmarkt zu begegnen, wurde immer wieder eine Anpassung der Einstellungssituation an die Zahl der Hochschulabsolventen angeregt. Soweit Absolventen für bestimmte Berufsfelder ausgebildet seien, dürften sie auch erwarten, dass entsprechend viele Arbeitsplätze zur Verfügung stünden.786 Diese Sicht verkennt allerdings die Unmöglichkeit, den Bedarf vorherzusehen.787 Eine Bedarfs- und Nachfrageschätzung gelang schon früher selbst in den Bereichen nicht, in denen der Staat ein Ausbildungs- und Beschäftigungsmonopol hat – es sei nur an die am Ende fast abenteuerlichen Fehlprognosen zur Beschäftigung von Lehrern erinnert. Ein eindrückliches Beispiel zur Problematik findet sich in der Diskrepanz zwischen der Akademikerbedarfsprognose der Schweizer Prognos AG, die im Auftrag des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nürnberg (IAB) erstellt wurde788, und einer im Auftrag des damaligen Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft erarbeiteten Studie von Weißhuhn und Wahse789. Beide Prognosen entstanden Ende der achtziger bzw. Anfang der neunziger Jahre.790 Während das IAB den Anteil an Hochschulabsolventen am gesamten Akademikerarbeitsmarkt im Jahr 2010 auf bis zu 18 Prozent prognostiziert, gehen Weißhuhn/ Wahse von nur 14,6 Prozent Akademikeranteil aus. In absoluten Zahlen macht dies eine Differenz von bis zu einer Million Akademikern aus. Ungeachtet der Schwierigkeiten bei der Ermittlung der zukünftigen Zahlen bezweifelten Vertreter der Wirtschaft einen stark wachsenden Akademikerbedarf ganz grundsätzlich und bemängelten etliche falsche Prämissen bei der Erstellung der
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So Meyer-Abich, Die Idee der Universität im öffentlichen Interesse, S. 37. Treffend daher der Ausspruch Langewiesches: „Keine Zeit, weder die Vergangenheit noch unsere Gegenwart, zeigte sich fähig, die Nachfrage der Studierwilligen und die Nachfrage nach Universitätsabsolventen zu planen oder zu steuern“, FAZ v. 21. 12. 1995. 788 Prognos AG u. a., Arbeitslandschaft bis 2010 nach Umfang und Tätigkeitsprofilen, Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, 1989. Erläuternd zur Projektion: Tessaring, MittAB 1/91, S. 45 ff.; eine erste Aktualisierung der IAB/ Prognos-Projektionen von 1989/91 erfolgte in MittAB 1/1994. 789 Weißhuhn/Wahse/König, Wirtschaftswachstum, Qualifikationen und berufliche Tätigkeiten im vereinten Deutschland bis zum Jahr 2010, 1994. Auf Grundlage dieser Studie legte die Bund/Länder-Kommission für Bildungsplanung im Dezember 1994 unter dem Titel „Beschäftigungsperspektiven der Absolventen des Bildungswesens. Analysen und Projektionen bis 2010 und Folgerungen für die Bildungspolitik“ einen Bericht vor, der die Bedarfsprojektionen mit dem voraussichtlichen Angebot an Arbeitskräften bis zum Jahr 2010 vergleicht. 790 Die von ihrem Prestige und ihrer Bedeutung her wichtigere Studie stellt die vom IAB in Auftrag gegebene Prognos-Studie dar. 787
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Prognosen.791 So wurde beispielsweise kritisiert, dass in der Ausgangsperiode der Prognosen der aktuelle Bestand an Hochschulabsolventen auf dem Arbeitsmarkt mit dem bestehenden Bedarf gleichgesetzt werde. Dies bedeute, dass die Strukturen der Qualifikation in der Erwerbsbevölkerung der Ausgangsperiode als bedarfsgerecht eingeschätzt würden.792 Vernachlässigt werde hierbei die Möglichkeit der Über- und Fehlqualifikation. Auch wurde immer wieder hervorgehoben, dass die Möglichkeiten einer Qualifizierung über berufliche Bildungsgänge und Weiterbildungsmaßnahmen in ihrer Bedeutung für eine hochwertige Qualifikation der Arbeitskräfte unterschätzt werde. Gerade in Deutschland könne hierfür nicht einseitig auf den Akademikerarbeitsmarkt bzw. die Hochschulausbildung abgestellt werden; es gelte, das duale System der beruflichen Bildung in die Überlegungen zur Qualifizierung junger Menschen einzubeziehen. Unstrittig war lediglich, dass die Chancen Ungelernter auf dem Arbeitsmarkt kontinuierlich abnehmen werden. Wie sehr trotz dieser Unwägbarkeiten insbesondere mit der Prognose des IAB Politik gemacht wurde, zeigen zahlreiche Äußerungen von Politikern und Hochschulvertretern, die auf das IAB Bezug nahmen, um ihre Interessen beispielsweise an einem Ausbau der Hochschulen oder zumindest an einer Erhöhung der Mittel öffentlichkeitswirksam zu vertreten. Kultusminister, Hochschulrektoren und Bundesbildungsminister Rüttgers (CDU) waren sich darin einig, dass die Zahl der Studierenden eher wachsen als sinken müsse.793 Für die HRK war diese Forderung allerdings schon angesichts der Aufkündigung des Öffnungsbeschlusses vom Herbst 1991 untrennbar an die Forderung nach deutlich mehr Geld für die Hochschulen gekoppelt. Dass Akademikerbedarfsprognosen immer wieder als willkommene Argumentationshilfe für bestimmte Positionen dienen, zeigte sich erneut im November 1998. Zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte die OECD eine neue Vergleichsstudie zum Bildungsbereich, die – zum wiederholten Male – besagte, dass deutsche Hochschulen im internationalen Vergleich „viel zu wenig Akademiker“ ausbildeten.794 Die Reaktionen erfolgten prompt Die gerade neu ins Amt gekommene Bundesbildungsministerin Bulmahn (SPD) nahm die Studie zum Anlass, dem politischen Gegner vorzuhalten, dass „das jahrelange Gerede der Konservativen von der Akademikerschwemme Unsinn“ sei.795 Wieder einmal war eine Bedarfsprognose Wasser auf die Mühlen von Vertretern einer generellen Expansion. Und wieder einmal war der Verweis auf vermeintlich höhere Studierquoten im Ausland und die darin gesehene Gefahr, international den Anschluss zu verpassen, stärkstes Argument für die 791 Weiß, Studieren und was dann? Beschäftigungschancen für Akademiker in der Privatwirtschaft?; ders., Beschäftigungssektor private Wirtschaft – Ergebnisse einer Unternehmensbefragung, in: Konegen-Grenier/Schlaffke (Hrsg.), S. 99 ff. 792 Bock, Fünf Bemerkungen zum Arbeitskräftebedarf, in: Konegen-Grenier/Schlaffke (Hrsg.), S. 116 ff. 793 dpa 18/96, S. 14 f. 794 dpa 49/98, S. 1. 795 dpa, a.a.O., S. 2.
III. Schule – Studium – Beruf
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Forderung nach einer weiteren Expansionspolitik im Hochschulbereich. Doch ließ auch die Kritik an der Kritik nicht lange auf sich warten. Den Äußerungen der OECD und Bulmahns widersprachen in ihrer Pauschalität neben CDU-Bildungspolitikern diesmal auch die deutschen Hochschulrektoren.796 Sie sahen einen Akademikermangel nur in speziellen Bereichen wie der Biotechnologie und der Informationstechnik.797 Auch ein anderer Aspekt rief die Kritiker überzogener Expansionsforderungen auf den Plan. Immer wieder wurde im Zusammenhang mit Bedarfsprognosen argumentiert, dass die Arbeitslosigkeit unter Akademikern deutlich geringer sei als bei Bevölkerungsgruppen mit niedrigerem Qualifikationsniveau. Dies sei zwar statistisch richtig, so die Kritiker, vernachlässige allerdings die Tatsache, dass sich Akademiker die Nachfrage erwiesenermaßen selbst schafften. Mit eben dieser Argumentation weigerte sich im Übrigen die Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates schon in den siebziger Jahren beharrlich, ihrem Auftrag aus dem Gründungsabkommen798 nachzukommen, Bedarfsanalysen zu erstellen. Zudem, so der Bildungsrat, sei eine weitgehende Entkoppelung von Bildungswesen und Arbeitsmarktbedürfnissen einschließlich einer möglichen Überqualifizierung gesellschaftspolitisch wünschenswert.799 Mit solcherlei Äußerungen entlarven sich die Expansionsvertreter selbst: Bedarfsprognosen dienen nicht der Bildungsplanung und damit der Unterstützung sachgerechter politischer Entscheidungen, sondern werden aus ideologischen Gründen instrumentalisiert. Bedenklich ist dies besonders dann, wenn die Motive in der öffentlichen Auseinandersetzung kaschiert werden. Eine einigermaßen exakte Prognose des Bedarfs an Akademikern wird es nie geben (ebenso wenig wie für andere Bereiche), nicht zuletzt deshalb, weil jede Prognose sofort Wirkung zeigt und sich damit selbst in Frage stellt. Dennoch ist eine ständige Beobachtung der Entwicklung geboten, die angepasst und fortgeschrieben werden muss. Die wichtigste Lehre ist, dass die Ausbildung nicht zu eng angelegt sein darf, weil sonst die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt eingeschränkt sind. b) Akademikerwahn Mit einer generellen Warnung vor einem Akademisierungswahn hat der frühere Kulturstaatsminister, Nida-Rümelin, im Jahr 2014 für Diskussionen gesorgt.800
796
dpa, a.a.O., S. 2 f. Zum Problem „Studentenberg-Akademikerlücke“ (bei naturwissenschaftlich-technischen Berufen) einerseits und „Akademikerschwemme und freie Berufe“ andererseits s. Turner, Umschau in Wissenschaft und Technik 1981, S. 209 ff. und in: Perspektiven – 40 Jahre Verband freier Berufe in Nordrhein-Westfalen, 1988, S. 115 ff. 798 Art. 2 Nr. 1 des Gründungsabkommens (zit. nach Hüfner/Naumann, Konjunkturen der Bildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Bd. 1, S. 70). 799 Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, S. 160. 800 Nida-Rümelin, Der Akademisierungswahn, 2014. 797
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Die deutsche Bildungspolitik sei auf dem Holzweg: Die berufliche Bildung werde vernachlässigt, die akademische Bildung wird immer beliebiger und flacher. Er plädiert für ein Bildungssystem, das sich konsequent an der Vielfalt von Begabungen, Interessen, Berufs- und Lebenswegen orientiert. Das könne durch eine gute und gründliche universitäre Ausbildung geschehen, die natürlich jedem begabten jungen Menschen, der studieren will, offenstehen müsse. Zu diesem System gehöre aber auch die berufliche Bildung, um die Deutschland in der ganzen Welt beneidet werde. Doch im eigenen Land schwinde die Anerkennung für diesen Weg in den Beruf – so entstehe eine Abwärtsspirale, die den Fachkräftemangel noch verstärke, der aus demografischen Gründen ohnehin drohe. Die Überlegungen von Nida-Rümelin waren nicht neu801, erregten aber aus dem Mund eines Mitglieds der Grundwertekommission der SPD beträchtliches Aufsehen. Er hat erneut deutlich gemacht, dass der Weg Abitur – Studium nicht alternativlos ist. Ob die erhoffte Wirkung eintritt, dass mehr Abiturienten eine Ausbildung im dualen System beginnen, erscheint mindestens ungewiss. Dies gilt auch deshalb, weil die von interessierter Seite ausgesandten Signale widersprüchlich sind. Vertreter der Wirtschaft beklagen, dass es zu wenig Abiturienten gibt, die eine Ausbildung im dualen System anstreben. Richtig ist, dass die Industrie unter Mangel an Auszubildenden leidet, die Universitäten hingegen „überlaufen“. Der Grund liegt nicht zuletzt in dem über lange Zeit aufgestellten Behauptungen der OECD, Deutschland habe im Vergleich zu anderen Industrieländern zu wenig Studierende. Berücksichtigt man, dass es andernorts keine entsprechenden Ausbildungsberufe gibt, sieht das Bild schon anders aus. Offenbar passt eine differenzierte Betrachtung nicht in das Konzept einer Ideologie, die mehr als 50 % eines Altersjahrgangs auf die Hochschulen befördern möchte. Auf junge Menschen wirkt es als Signal, ein Studium anzustreben. c) Kontraproduktives Verhalten Den oft zitierten Akademikerwahn haben aber auch Organisationen der Wirtschaft zu vertreten. Das markanteste Beispiel für ein kontraproduktives Vorgehen ist die Entwicklung der Berufsakademien in Baden-Württemberg. Weil die Fachhochschulen ihren Auftrag, ein berufsorientiertes Studium anzubieten, immer mehr vernachlässigten, wurde seinerzeit ein Kontrapunkt gesetzt. Die Berufsakademien mit der Kombination einer praktischen und theoretischen Ausbildung sollten eine Alternative zum Studium bilden. Die Ausbildung wurde auf drei Jahre angelegt, gegliedert in Unterrichtsphasen in der Berufsakademie und Ausbildungsblöcken im Unternehmen der Praxispartner. 801 So ist in Turners Thesen im Tagesspiegel an folgenden Daten zuvor auf das Problem aufmerksam gemacht worden: 8. 10. 2007; 20. 9. 2010; 1. 11. 2010; 29. 8. 2011; 5. 3. 2012; 8. 10. 2012; 14. 1. 2013; ferner 28. 4. 2014; 16. 6. 2014; 11. 8. 2014; später noch am 22. 9. 2014; 24. 8. 2015; 15. 8. 2016.
III. Schule – Studium – Beruf
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Andere Bundesländer übernahmen das Modell. Inzwischen hat man sich im Ursprungsland der Idee von dem Grundkonzept verabschiedet. Die Berufsakademien in Baden-Württemberg sind umgewandelt in die „Duale Hochschule Baden-Württemberg.“ Lange schon gab es das Bestreben aus den Reihen der Berufsakademien, den Hochschulen gleichgestellt zu werden. Zum Ausdruck kam das auch in der englischen Bezeichnung „universities of cooperative education“. Die Duale Hochschule BW ist eine eigenständige Einrichtung mit dem Privileg, dass die Teilnehmer ihrer Veranstaltungen einen vergüteten Ausbildungsplatz bei einem assoziierten Unternehmen haben. Das zwanghafte Bestreben, allen Ausbildungsstätten das Etikett „Hochschule“ zu verpassen, stellt die Ursprungsidee auf den Kopf: Nicht nur die Hochschulen sollten den Königsweg weisen. Mit der Abkehr von diesem Prinzip leisten sie der Vorstellung Vorschub, nur eine Hochschulausbildung führe zu herausragenden Positionen und senden ein falsches Signal. Und dann wundert man sich, dass Abiturienten den Weg über ein Studium suchen und nicht als Azubi ins Berufsleben starten. 9. Weiterbildung Die einschlägigen Gesetze nennen als ausdrückliche Aufgabe der Hochschulen auch die Weiterbildung. Angesichts der Tatsache, dass ein Studium infolge der Entwicklung der Wissenschaft und der sich rasch wandelnden Anforderungen des Arbeitsmarkts nicht mehr für ein ganzes Berufsleben qualifiziert, kommt der Weiterbildung als Qualifikationsanpassung und Vermittlung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse immer größere Bedeutung zu. Sie entspricht der Notwendigkeit des lebenslangen Lernens. Die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen entsprach dem, indem man davon ausging, nach dem Erwerb des Bachelor-Abschlusses werde der größte Teil der Absolventen zunächst eine berufliche Tätigkeit beginnen und später, ggf. zum Erwerb des Master-Abschlusses an die Hochschule zurückkehren. Die Wirklichkeit entspricht dem nicht. Viele versuchen, das Masterstudium direkt anzuschließen. Da Weiterbildung eine Aufgabe der Hochschulen ist, bedeutet die Wahrnehmung entsprechender Aufgaben auch die Erfüllung von Dienstaufgaben und ist auf das Lehrdeputat anzurechnen. Es werden deshalb Veranstaltungen, die sich auch an Teilnehmer richten, die nicht (mehr) Studierende sind, und die ebenso (nur) die Bezeichnung Seminar oder Übung tragen könnten, als Weiterbildungsangebot deklariert. Damit wird ein doppelter Effekt erreicht: Das Deputat wird erfüllt und die Veranstaltungen erfüllen zugleich die Forderung, die Hochschulen müssten auf dem Sektor der Weiterbildung tätig werden. Sofern private Weiterbildungseinrichtungen entsprechende Angebote machen, ist es für Hochschulmitglieder interessanter dort tätig zu sein, weil eine solche Nebentätigkeit eine besondere Vergütung zur Folge hat.
212
B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Eine vergleichbare Brisanz wie andere Themen der Hochschulpolitik hat die Weiterbildung (noch?) nicht. Deshalb kann es auch mit diesen wenigen Bemerkungen sein Bewenden haben.
IV. Das Verhältnis von Staat und Hochschulen 1. Finanzierung Trotz der bereits seit Ende der fünfziger Jahre zunehmenden Bildungsbeteiligung war der Anteil der Bildungsausgaben am Sozialprodukt der Bundesrepublik von 3,3 % im Jahr 1958 auf unter 3 % Anfang der sechziger Jahre gesunken.802 Diese Zahlen u. a. veranlassten Georg Picht zu seiner Schrift „Die Bildungskatastrophe“ mit den bekannten Folgen einer breiten öffentlichen Diskussion und deren Konsequenz, der Bildungsexpansion. So stieg das Gesamtvolumen der öffentlichen Bildungsfinanzierung durch Bund, Länder und Gemeinden zwischen 1965 und 1980 in absoluten Zahlen von 15,7 Mrd. DM auf 77,1 Mrd. DM.803 Der Anteil der Bildungsausgaben an allen öffentlichen Ausgaben stieg zwischen 1965 und 1975 von 11 % auf knapp 16 % mit außergewöhnlich hohen Steigerungsraten zwischen 1969 und 1973. 19 von 26 Universitäts-Neugründungen erfolgten, die erhebliche Kosten verursachten.804 Der Ausbau der Hochschulen wurde Anfang der siebziger Jahre bildungspolitisch deutlich bevorzugt. Während der Anteil der Ausgaben für den Schulbereich an den Bildungsausgaben zwischen 1965 und 1975 von 65 % auf 60 % sank, stieg derjenige für den Hochschulbereich von 22,6 % auf 24,2 %.805 Diese beachtliche Erweiterung führte zu einer Verdreifachung des wissenschaftlichen Personals zwischen 1961 und 1971. Als besonders ausgabenwirksam erwiesen sich neben der verstärkten Einstellung von Lehrpersonal und den allgemeinen Gehaltssteigerungen, der Ausbau der sachlich-materiellen Kapazitäten im Sekundar- und Hochschulbereich sowie die Einführung des BAföG.806 Aber bereits im Jahre 1976 stellte Hildegard Hamm-Brücher (FDP) ernüchtert fest, dass diese Kostenexplosion „keine rechten Früchte getragen“ habe.807 Insbesondere seien es nicht die groß angelegten Reformen, die den Bildungsbereich so sehr verteuert hätten. Damit bemängelte sie gleichzeitig die Art der Verwendung der erhöhten Bildungsausgaben, die zu keiner spürbaren Verbesserung der Leistung beigetragen hätten. 802
Vgl. v. Friedeburg, Bildungsreform, S. 347 f. Vgl. Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, Hochkonjunktur und Flaute, S. 106 ff. 804 Goldschmidt, Hochschulpolitik, in: Benz, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Band 1: Politik, 1989, S. 374 f. 805 Vgl. Hamm-Brücher, Bildung ist kein Luxus, S. 30. 806 Vgl. Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, S. 106 ff. 807 Hamm-Brücher, Bildung ist kein Luxus, S. 31 ff. 803
IV. Das Verhältnis von Staat und Hochschulen
213
Kritik richtete sich auch gegen die enge Ankopplung der Bildungs- und Finanzplanung an die Bund/Länder-Kommission (BLK) und den Deutschen Bildungsrat. Diese beiden Einrichtungen waren Anfang der siebziger Jahre unter anderem geschaffen worden, um die Bildungsexpansion bundesweit zu koordinieren und voranzutreiben.808 Die auf Grundlage des Art. 91 b GG errichtete BLK sollte Vorschläge für die Finanzierung und die Bereitstellung erforderlicher Mittel durch Bund und Länder erarbeiten.809 Bald schon wehrten sich jedoch die Länder, und hier insbesondere die CDU/CSU-regierten, gegen die Bonner Vorgaben und pochten auf ihre Kulturhoheit. Hamm-Brücher sah in der Errichtung der bundesstaatlichen Planungsgremien, die sie ja als Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium maßgeblich mitgestaltet hatte, schon früh die Gefahr einer Verhärtung der Länderpositionen untereinander und gegenüber dem Bund. Dies könne tendenziell sogar Reformvorhaben blockieren. Zudem führe die Schaffung von Bundeskompetenzen schon aufgrund der bildungspolitischen Unerfahrenheit des Bundes zur Stagnation.810 Auch aus diesen Gründen gab die CDU ihr zeitweiliges Liebäugeln mit einer bildungspolitischen Rahmenkompetenz des Bundes auf.811 Auch wurde der Streit um bildungspolitische Zielsetzungen – nach anfänglich breitem Konsens hinsichtlich der Bildungsexpansion – zunehmend Gegenstand einer ideologisch motivierten Auseinandersetzung zwischen den großen Parteien. Umso verwunderlicher war es, dass die CDU noch in ihrem Schul- und Hochschulreformprogramm von 1971 sogar eine „volkswirtschaftlich und sozial vertretbare Erhöhung der Steuerlastquote“ in Kauf nahm, um die als notwendig erkannten Erhöhungen der Bildungsausgaben finanzieren zu können. So sei „mindestens eine Verdopplung der Bildungsausgaben“ zwischen 1971 und 1976 erforderlich, um die „vordringlichen Maßnahmen im Bildungsbereich“ realisieren zu können.812 Dem Trend sinkender oder zumindest stagnierender öffentlicher Ausgaben für Bildung gemessen am Bruttosozialprodukt seit Mitte der siebziger Jahre entsprechend sank der Anteil der Nettoausgaben für die Hochschulen am Bruttosozialprodukt von 1,32 % im Jahr 1975 auf 0,93 % im Jahr 1992. Trotz insgesamt gestiegenem Bruttosozialprodukt konnten daher die Mehrkosten für die Betreuung einer wachsenden Studentenschaft nicht ausgeglichen werden. Während sich die Zahl der Studienanfänger von 1975 bis 1990 verdoppelt hatte, stiegen die Ausgaben 808
Vgl. hierzu beispielsweise die Schriften des Deutschen Bildungsrates „Bildungsplanung und Finanzplanung“, 1974 und „Sozialprodukt, öffentliche Haushalte und Bildungsaufgaben in der Bundesrepublik“, 1968, sowie die Schrift der BLK „Vorschläge zur Finanzierung der mittelfristigen Bildungsausgaben bis 1975“ (K 17/73), 1973. 809 Vgl. Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPI), Bildung in der Bundesrepublik Deutschland. Daten und Analysen, Band 1: Entwicklungen seit 1950, S. 135. 810 Hamm-Brücher, Unfähig zur Reform?, S. 32 ff.; hierzu auch Rudolph/Husemann, S. 99 f. 811 Jäger, Die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition 1969 – 1974, in: Bracher/Jäger/ Link, Bd. V/I, S. 130; Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, S. 67. 812 CDU-Bundesgeschäftsstelle (Hrsg.), Schul- und Hochschul-Reformprogramm der CDU, 1971, S. 16.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
für die Hochschulen in den alten Bundesländern inflationsbereinigt nur um ca. 20 %. Das Ergebnis dieser Politik ließ sich am Verhältnis der Lehrenden zu den Studierenden ablesen, das sich trotz gewisser Anstrengungen von 1977 bis 1990 an den Universitäten von 1:12,5 auf 1:20,5 verschlechtert hatte. Inzwischen ist diese Betreuungsrelation weit ungünstiger geworden. Die Haushaltszuwächse reichten zum Teil nicht einmal aus, um die Preissteigerungen auszugleichen. Ende der achtziger Jahre wollte vor allem die Finanzpolitiker die Hochschulen über das Finanzierungsdefizit hinwegtrösten, indem man auf den für die neunziger Jahre prognostizierten demographisch bedingten erwarteten Rückgang der Studienanfänger- und Studentenzahlen verwies. Dieser Einschätzung widersprach die WRK unter Hinweis auf einen weiter steigenden Anteil an Hochschulberechtigten am Altersjahrgang und die wachsende Studierneigung813 – wie sich später herausstellte, zu Recht. Dennoch blieb man bei dem rigiden Sparkurs. Die ständigen Ermahnungen der WRK an die politischen Entscheidungsträger, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen, blieben ungehört. Hätten die Politiker ihre Einsicht in die Notwendigkeit verstärkter Bildungsinvestitionen wirklich ernst genommen, so hätte dies zu überproportionalen Steigerungsraten im Bildungsetat führen müssen.814 Ein großer Teil der Ausgaben im Rahmen der Bildungsexpansion floss in den Hochschulbau. Bund und Länder wandten zwischen 1970 und 1986 gemeinsam insgesamt rund 40 Mrd. DM dafür auf.815 Die Rechtsgrundlage für die gemeinschaftliche Finanzierung wurde mit Art. 91a GG geschaffen. Auf dessen Basis wurde im Jahr 1969 nach zähem Ringen das Hochschulbauförderungsgesetz erlassen. Nach diesem Kraftakt stagnierte der Hochschulbau während der achtziger Jahre. Wenige Jahre später entzündete sich daher eine Diskussion über die dringend notwendige weitere Finanzierung dieses Bereichs. Bedingt durch die erhöhten Anforderungen in den neuen Bundesländern seit 1990 wurde für die Zeit ab Januar 1991 ein Hochschulsonderprogramm (sog. Möllemann-Programm II) aufgelegt, demgemäß u. a. der Hochschulbau bis zum Jahr 2000 im Verhältnis 60:40 statt bisher 50:50 von Bund und Ländern finanziert werden sollte. Das Programm drohte jedoch schon bald zum Stillstand zu kommen, weil der Bund wegen der allgemeinen Finanznot seine Verpflichtungen nicht im vorgesehenen Maße erfüllen konnte. Angesichts dessen machte der kurze Zeit amtierende Bundesbildungsminister Laermann (FDP) geltend, dass sich beim Hochschulbau einige bauliche Anforderungen und damit Ausgaben reduzieren ließen, um Mittel für andere Bereiche freizubekommen.
813 WRK, Die Zukunft der Hochschulen. Leitsätze einer zukunftsorientierten Hochschulpolitik. Beschluss des 155. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz, 4. Juli 1988, in: WRK, Empfehlungen, Stellungnahmen, Beschlüsse 1960 – 1989, Band I, S. 671 ff. (675). Dazu bereits Turner, Die Tunnelbauer werden sich wundern, Die Zeit v. 15. 10. 1982, S. 24. 814 WRK, a.a.O.; s. auch die Entschließung des WRK-Plenums „Zum Widerspruch von Bildungs- und Finanzpolitik“ v. 28. 6. 1982 (Stellungnahmen, Empfehlungen, Beschlüsse 1960 – 1989, Band I, S. 497 ff.). 815 Führ, Schulen und Hochschulen, S. 40.
IV. Das Verhältnis von Staat und Hochschulen
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Die hessische Wissenschaftsministerin Mayer (SPD) sprach in diesem Zusammenhang von einem „Ping-Pong-Spiel“ zwischen Bund und Ländern. Die Länder finanzierten Mitte der neunziger Jahre den fehlenden Bundesanteil mit Milliardenbeträgen vor. Wegen der Zinslast, die sie sich damit aufluden, neigten „reiche“ Länder wie Bayern und Baden-Württemberg dazu, dem Bund die Gemeinschaftsfinanzierung aufzukündigen und stattdessen den Länderfinanzausgleich neu zu regeln. Hiergegen sprachen sich die ärmeren Bundesländer wie auch die HRK aus, weil sie eine Gefährdung der gleichen Chancenverteilung befürchteten. Schon 1987 hatte der Bremer Bildungssenator Franke (SPD) auf die bestehende Kluft hingewiesen. Zur Lösung des Konflikts schlug der rheinland-pfälzische Bildungsminister Zöllner (SPD), damals Ländersprecher im Bund/Länder-Ausschuss für Hochschulbau, vor, die benötigten Hochschulbauten unter Staatsgarantie zu „leasen“.816 Dagegen wandte sich jedoch Bundesbildungsminister Rüttgers (CDU), der das fehlende Geld über eine BAföG-Verzinsung beschaffen wollte.817 Ein solches Vorhaben provozierte geradezu den Widerstand der Studierenden.818 Aber auch fast alle Wissenschaftsminister und der BAföG-Beirat der Bundesregierung sprachen sich gegen Rüttgers’ kühnen Plan aus.819 Schließlich ließ Rüttgers seine Idee wieder fallen. Die Entwicklung der Hochschulen bis zu Beginn der neunziger Jahre lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Zahl der Studierenden hatte seit 1977 um 70 % zugenommen, das Personal jedoch nur um 6 %, die Sachmittel nur um 17 % und die Studienplätze nur um 10 %.820 Der Anteil der Fixkosten wuchs über Jahre. Für Sach- und Betriebsmittel dagegen, die zur Aufrechterhaltung des Lehr- und Forschungsbetriebs dienen, stand immer weniger Geld zur Verfügung. Dafür wurden seit Anfang der 90er Jahre verstärkt nach neuen Finanzierungsquellen gesucht. Dabei rückte mehr und mehr die Einwerbung von Drittmitteln und Dienstleistungsgebühren ins Blickfeld. Die Bedeutung der Drittmittel für die Hochschulfinanzierung hatte in den voraufgegangenen 20 Jahren stetig zugenommen. Gleichzeitig wurde die Drittmittelfinanzierung auch zu einem der wichtigsten Elemente des Wettbewerbs unter den Hochschulen. Im Jahr 1994 erreichten Drittmitteleinnahmen knapp 14 % der Gesamtausgaben, die Hochschulen für Lehre und Forschung ansetzten.821 Bei den reinen Forschungsausgaben war dieser Anteil mit knapp einem Drittel naturgemäß höher. Die Schwankungen zwischen den einzelnen Hochschulen waren allerdings beträchtlich.
816
dpa 17/96, S. 9 f. dpa 51/52/95, S. 3 f. 818 dpa 6/96, S. 8 ff. 819 dpa 3/96, S. 1 f. 820 Vgl. Wissenschaftsrat, Daten und Kennzahlen zur finanziellen Ausstattung der Hochschulen: alte Länder 1980, 1985 und 1990; 1993. 821 Vgl. MPI, Bildungswesen, S. 124. 817
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Dabei hatte es noch zu Beginn der siebziger Jahre so ausgesehen, als wolle man den Hochschulen Drittmittel gänzlich vorenthalten. Drittmittel wurden als schädlich gegeißelt. Die Drittmittelfinanzierung beeinflusse, so die Kritik, sowohl Fragestellung als auch Ergebnis universitärer Forschung und sei daher von Übel. Dennoch wurde die Zulässigkeit der Drittmittelforschung im HRG von 1976 verankert (§ 25). Allerdings machten die Länder bei der landesrechtlichen Umsetzung dieser Vorschrift erhebliche Unterschiede. Entsprechend ihrer grundsätzlichen Skepsis gegen drittmittelfinanzierte Forschung enthielten beispielsweise die Hochschulgesetze der SPD-regierten Stadtstaaten Hamburg und Bremen in dieser Hinsicht deutlich restriktivere Regelungen als Gesetze in unions-regierten Ländern.822 Da ein Großteil der Drittmittel zunächst von öffentlichen Geldgebern stammte, gab es immer wieder Auseinandersetzungen über die Verwendung dieser Gelder. Politisch umstritten war im Laufe der Jahre oftmals, ob die Gelder der Finanzierung angewandter Forschung oder der Grundlagenforschung dienen sollten. Auch die politischen Mandatsträger wechselten dabei nicht nur einmal ihre Position. So verlagerte die sozial-liberale Bundesregierung die Forschungsschwerpunkte zum Ende der siebziger Jahre von der Grundlagenforschung hin zur angewandten Forschung, zur Projektförderung und zur Förderung der technologischen Entwicklung. Während die Grundlagenforschung 1975 noch 19,5 % der Forschungs- und Entwicklungsausgaben ausmachte, sank der Anteil gegen Ende der 70er Jahre auf unter 17 %.823 Später ist einmal – in Übertreibung der Situation – gesagt worden, man lebe in einer Zeit, in der in vielen Fällen über den goldenen Zügel des Geldes die Hochschulen auf bestimmte Fragestellungen hin gesteuert würden, vorwiegend naturwissenschaftlich-technologischer Art. Das gehe nach dem Motto: Entweder werde auf einem bestimmten Gebiet geforscht, das die Politik für wichtig erkannt habe, oder es folge Liebes- durch Geldentzug824. Ein weiteres Spannungsverhältnis baute sich im Lauf der Jahre zwischen der Forschungsförderung und der Tendenz zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben auf. Je mehr Forschungsvorhaben an den Universitäten über Drittmittel und hier insbesondere durch Auftragsforschung gefördert wurden, umso mehr profitierten auch jene Professoren durch zusätzliche Verdienstmöglichkeiten, die ihre Forschungsergebnisse mit Unterstützung der universitären Infrastruktur erbrachten und aufgrund von Steuerbefreiungen Leistungen günstiger anbieten konnten. Dies führte letztlich auch dazu, dass die Hochschulen bei der Vergabe von Forschungsprojekten 822 Hierzu im Einzelnen Avenarius, Hochschulen und Reformgesetzgebung. Zur Anpassung der Landeshochschulgesetze an das Hochschulrahmengesetz, 1979, S. 40 f. 823 Kritisch hierzu das WRK-Präsidium in einer Stellungnahme v. 12. 2. 1979, in: WRK, Arbeitsbericht 1979, S. 67 f. 824 So Erichsen laut dpa 38/90, S. 2. Erichsen versuchte immer wieder den Eindruck zu erwecken, er beträte mit seinen Äußerungen Neuland. Tatsächlich hatte es über anderthalb Jahrzehnte unter den Präsidenten Roellecke, Knopp, Steinlin, Turner, Berchem und Seidel eine kontinuierliche Politik gegeben, an die er anknüpfte und auf deren Grundlage in vielen Bereichen in seiner Amtszeit anfallende Entscheidungen vorgegeben waren.
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zu ernsthaften Konkurrenten der privaten Forschungseinrichtungen und damit der freien Wirtschaft wurden. Ungeachtet dessen blieb die Einwerbung insbesondere von privaten Drittmitteln schon deshalb wichtig, weil der Sparkurs auch in den neunziger Jahren fortgesetzt wurde. Im Zuge der Sparmaßnahmen ersann man sogar ein Instrument, um sich die Unterstützung der Hochschulen bei dem Sparkurs zu sichern: den sog. Solidarpakt. Vorreiter hierbei war Berlin, wo durch die Wiedervereinigung und die damit verbundene Entstehung einer Hochschullandschaft mit 13 Hochschulen aus zwei unterschiedlichen politischen Systemen der Druck auf den Haushalt enorm wuchs. Idee des Solidarpaktes war, Rahmenverträge zwischen dem Senat und den Berliner Hochschulen zu schließen, in denen den Bildungseinrichtungen von 1997 bis 2000 ein fester Betrag zugesichert werden sollte. Im Gegenzug wollte der Senat auf weitere Kürzungen im Haushaltsvollzug verzichten. Hierdurch sollten die Hochschulen in erster Linie Planungssicherheit erhalten.825 Die Initiative zu diesem Pakt zwischen Hochschulen und Universitäten ging von der Politik, und hier insbesondere von der CDU, aus und wurde von den Hochschulen zum Teil bereitwillig aufgenommen. Dennoch bestand auf Seiten der Hochschulen ein gewisses Misstrauen. Dies zeigte sich in Äußerungen über die schriftliche Fixierung der Absprache, dass ein Vertrag nötig sei, weil man Politikern weder in Berlin noch sonst wo trauen könne.826 Die Berliner Idee fand schon bald Nachahmer. So kam es im März 1997 auch in Baden-Württemberg zu einem auf zehn Jahre angelegten Solidarpakt zwischen der Regierung und den neun Universitäten des Landes.827 Der Pakt sah in erster Linie massive Stellenkürzungen als Gegenleistung für haushaltsrechtliche Planungssicherheit vor. Baden-Württemberg nutzte den Solidarpakt allerdings auch dazu, ein Drittel der durch Stellenkürzungen frei werdenden Mittel als Sachmittel wieder an die Universitäten zurückzugeben. Ein zweites Drittel der an den Universitäten eingesparten Stellen wurde zugunsten anderer Hochschularten und hier insbesondere zugunsten der Fachhochschulen und Berufsakademien umverteilt. Nur das letzte Drittel wurde somit wirklich eingespart. Auch in Hessen war es im Frühjahr 1999 eine der ersten Maßnahmen der neuen CDU/FDP-Koalition, Zielvereinbarungen mit den Hochschulen abzuschließen und die Ausgabenentwicklung im Hochschulbereich an die Inflation zu koppeln.828 Doch lief das Kräftemessen zwischen Politik und Hochschulen in Fragen der Hochschulfinanzierung nicht immer einvernehmlich ab. Zum Teil griffen die Hochschulen sogar zu etwas zweifelhaften Methoden, um mehr Geld vom Staat zu erhalten. So ließen einige der sächsischen Hochschulen im Jahr 1997 einzelne Studiengänge so „zulaufen“, dass die Politik um finanzielle Zugeständnisse nicht 825 826 827 828
dpa 18/97, S. 15. dpa 42/96, S. 15. dpa 18/97, S. 16. dpa 14/15/99, S. 17.
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herumkam. Der sächsische Wissenschaftsminister Meyer (CDU) sprach in diesem Zusammenhang von einem „unverantwortlichen Zulassungsgebaren“. Hier würden junge Leute als Geiseln missbraucht und zum Schutzschild von Verteilungskämpfen gemacht829. Inzwischen ist durch die verschiedenen Pakte830 mehr als deutlich geworden, dass einige Länder allein nicht in der Lage sind, ihre Hochschulen zu finanzieren. Das sind nicht nur die sog. finanzschwachen Bundesländer, sondern auch andere, die bei Neugründungen die finanziellen Folgen offenbar nicht immer bedacht haben. Dies wird besonders spürbar werden, wenn die sog. Schuldenbremse wirken wird und es zu konkreten Sparmaßnahmen kommen muss, um das gesteckte Ziel zu erreichen.831 Den Hochschulen wird ein Anteil auferlegt werden. Als Argument wird vermutlich ein (wahrscheinlich nur geringfügiger) Rückgang der Studierendenzahlen herhalten, wobei aus dem Gedächtnis verschwinden wird, dass über Jahrzehnte eine Überlast in Kauf genommen wurde. Die Finanzierung der Hochschulen wird ein Streit der Hochschulen untereinander und mit der jeweiligen Landesregierung und auch zwischen Bund und Ländern für Auseinandersetzungen sorgen. Mit Pakten kann zwar für bestimmte Zeiträume nicht nur Planungssicherheit, sondern auch Ruhe erreicht werden. Eine dauerhafte Lösung stellen sie aber nicht dar. Dennoch überwiegen die Bedenken, über die Aufhebung des Kooperationsverbots dem Bund mehr Einflussmöglichkeiten einzuräumen.832 2. Autonomie Das Verhältnis von Hochschule und Staat bestimmte nicht zuletzt aufgrund der Ereignisse von 1968 die hochschulpolitische Debatte Anfang der siebziger Jahre bis zur Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes in vielfältigen Schattierungen. Die dabei im Mittelpunkt stehende Frage, wie weit die grundgesetzlich verankerte Freiheit von Forschung und Lehre konkret gehen soll, wurde mit dem Begriff Hochschulautonomie umschrieben. Überlegungen zum Verhältnis von Hochschule und Staat gab es auch schon vor bzw. während der 68er Unruhen. So urteilte die KMK im Jahr 1968 in ihrem Konzept „Grundsätze für ein modernes Hochschulrecht und die strukturelle Neuordnung des Hochschulwesens“833 : „Die Entscheidungskompetenz der staatlichen Hochschulverwaltung und der zentralen Verwaltung in der Hochschule muss erweitert werden, um die Anpassung der vorhandenen und der zu schaffenden personellen und ma829
dpa 2/3/98, S. 17. s. o. B. I. 4. 831 Zur Systematik der Finanzierung der Hochschulen s. Pallme König, Fundraising und Sponsoring im Bereich der Hochschulen. 832 s. u. IV. 4. 833 Abgedr. in Schmidt/Thelen, S. 111 ff. 830
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teriellen Ausstattung der Hochschuleinrichtungen an die sich wandelnden Bedürfnisse von Forschung und Lehre zu erleichtern.“ Doch erst die Unruhen von 1968 zwangen die Politik, zum Verhältnis von Staat und Hochschule Stellung zu nehmen. Der in der Zeit danach schwelende Konflikt offenbarte sich besonders deutlich in den Worten des langjährigen baden-württembergischen Kultusministers Hahn. Seines Erachtens wurde die Autonomie der Hochschulen vielfach gegen Maßnahmen zur Sicherung der bedrohten Freiheit von Forschung und Lehre ausgespielt. „Der Staat muss den Hochschulen […] zur Erfüllung ihrer wesensmäßigen Aufgaben helfen. Dies setzt voraus, dass der Staat eine klar abgegrenzte Aufsichtspflicht, wenn nötig auch ein Eingriffsrecht und eine Eingriffspflicht hat. […] Hierzu muss ein System abgestufter Aufsichtsrechte geschaffen werden.“834 Eine Durchrationalisierung vor allem des Universitätsbetriebs und eine angemessene Kontrolle aller Mitglieder des Lehrkörpers, sei es durch die akademische Selbstverwaltung oder durch andere Instanzen, werde sich auf Dauer nicht vermeiden lassen.835 In die gleiche Richtung argumentierte Pfeifer (CDU), späterer Minister im Kanzleramt. Zur Sicherung der Freiheit von Forschung und Lehre gehöre die Erhaltung der Autonomie der Hochschulen. Aber Autonomie sei nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, sei institutionelle Form zur Sicherung der Freiheit.836 Diese Auffassung hatte auch das Bundesverfassungsgericht in einem viel beachteten Urteil aus dem Jahr 1973 vertreten.837 Danach sind Hochschulen „Gegenstand und Mittel einer öffentlich kontrollierten Bildungs- und Forschungspolitik“. Ganz ähnlich, wenn auch etwas vorsichtiger hinsichtlich der Aufsichtsrechte des Staates äußerte sich im Jahr 1969 die SPD. Das Verhältnis zwischen Staat und Hochschule sei weder auf der Grundlage eines weitreichenden staatlichen Dirigismus noch auf Basis eines unreflektierten und unbestimmten Autonomieanspruchs der Universität zu gestalten. Vielmehr müssten die staatlichen Instanzen – Legislative und Exekutive – und die Hochschulen gemeinsam die Verantwortung tragen.838 Dagegen legte das SPD-geführte Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft in seinem Bildungsbericht aus dem Jahr 1970 den Akzent eher auf die Stärkung der Hochschulautonomie sowie die Mitwirkung aller in der Hochschule Tätigen an den Entscheidungsprozessen.839 Während sich also Politik und Rechtsprechung zierten, den Hochschulen mehr Autonomie zu gewähren, waren sich Kreise aus den Hochschulen in ihrer Forderung 834
Hahn, Mehr Bildung, S. 140. Hahn, S. 145. 836 Pfeifer, Gedanken zur Hochschulgesetzgebung des Bundes, S. 194 ff. 837 BVerfGE 35, 79 (122). 838 Vorschläge des bildungspolitischen Ausschusses zur Reform der Hochschulen, Bonn, im April 1969, in: WRK, Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Programmen und Leitsätzen der Parteien (Dokumente zur Hochschulreform XI/1969), S. 33 ff. (38). 839 Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, S. 58. 835
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nach mehr Autonomie weitgehend einig. So versprachen sich beispielsweise die Studierenden, namentlich der Verband Deutscher Studentenschaft (vds), von mehr Autonomie auch mehr Demokratie. In seinen sechs Punkten für ein demokratisches Hochschulgesetz840 schrieb der vds: „In dem Maße, in dem an den Hochschulen in Wissenschaft und Ausbildung fortschrittliche, d. h. an den Interessen der arbeitenden Bevölkerung orientierte Bestrebungen an Boden zu gewinnen drohen, geht der mit den Monopolen verbundene Staat zum offenen Eingriff in die Rechte der Hochschulen über. Angesichts dieser Entwicklung wird die Autonomie der Hochschulen zur Kampfposition aller demokratischen Kräfte. Daher fordert der vds die Stärkung der Autonomie der Hochschulen.“841 Im Ziel nahezu identisch hatten eher konservative Hochschullehrer formuliert842: „Die freiheitliche Ausgestaltung des Gelehrtenberufs ist Bestandteil unseres Rechtsstaates. Eine Überwachung durch den Staat führt neben der äußeren Beschränkung auch zur Minderung der inneren Freiheit. Denn nur die rechtliche Freiheit im Staat vermag der Universität die geistige Freiheit vom Staat zu sichern.“ Es gehe nicht an, den Grundsatz der Freiheit der Wissenschaft für den Missbrauch durch einzelne ihrer Vertreter verantwortlich zu machen und deshalb die Freiheit und das Selbstverwaltungsrecht der Universitäten und der Hochschullehrer durch ein System staatsbehördlicher Autokratie zu ersetzen. Der Staat dürfe niemals mehr Macht bekommen als gerade eben notwendig. Ein Lippenbekenntnis zur Autonomie, das sich auf bloße Deklamation beschränke, habe keinen Wert. Obwohl sich also in den Autonomieforderungen sehr unterschiedliche Interessen artikulierten und die unterschiedlichsten Legitimationskonstruktionen herangezogen wurden, konnte man davon ausgehen, dass von der überwiegenden Mehrzahl der Gruppen von Hochschulangehörigen mehr Autonomie sozusagen als Abwehrkonzept gegen Staatseingriffe befürwortet wurde.843 Gegenstimmen aus Hochschulkreisen gab es nur vereinzelt. Deutlich kritisch äußerte sich Roellecke, Präsident der WRK. Die Hochschulautonomie sei als „der Anspruch auf einen rechtlich geschützten Freiraum für eine Gruppe von Leuten, die sich Wissenschaftler nennen, das Ende der Wissenschaft, besonders dann, wenn der Freiraum mit der gesellschaftlichen Relevanz von Wissenschaft begründet wird.“844 Einen etwas anderen Akzent setzte der Bund Freiheit der Wissenschaft (BFW). Er verstand Autonomie vor allem als persönliche Autonomie einzelner Wissenschaftler und setzte sich so dem Verdacht aus, Autonomie vor allem als Mittel zur Sicherung 840
Verband Deutscher Studentenschaften, 6 Punkte für ein demokratisches Hochschulgesetz (Rote Reihe 4). 841 Asche, Hochschulautonomie – Wissenschaftsfreiheit im Abseits, S. 22 ff. 842 Z. B. v. Lübtow, Autonomie oder Heteronomie der Universitäten? S. 73 ff. 843 Asche, S. 23. 844 Roellecke, Die Universität als Bezugsfeld von Gesellschaft und Staat, zit. nach Asche, S. 25.
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der Privilegien der Hochschullehrer zu begreifen.845 Gleichzeitig wurde dem Staat eine starke Kontrolle z. B. über Studien- und Prüfungsfragen eingeräumt mit der Begründung, dass Wissenschaft eine Angelegenheit der gesamten Gesellschaft und daher demokratische Kontrolle durch den Staat legitim und notwendig sei. Das Ergebnis der dargestellten Diskussion floss 1976 letztlich in das Hochschulrahmengesetz ein, das zwar Vorgaben zum Verhältnis von Hochschule und Staat enthielt, den Ländern aber einen relativ weiten Spielraum für die nähere Ausgestaltung ließ. Die Ländergesetze, die daraufhin erlassen wurden, warfen hinsichtlich des Selbstverwaltungsrechts der Universitäten das Problem der Balance von Hochschulautonomie und staatlicher Verantwortung immer wieder neu auf.846 Dabei wurde in der Tendenz ein Zurückdrängen der Autonomie erkennbar. Die WRK konstatierte im Jahr 1988, dass die Studentenunruhen von 1968 im Grunde noch 1988 das Bild der Hochschulen in der Öffentlichkeit prägten und belasteten; im Gefolge der Unruhen habe die Hochschulautonomie viel an Terrain verloren, das bis 1988 nicht zurückgewonnen werden konnte.847 Allerdings wurden auch Zweifel laut, ob die Hochschulen im Lauf der siebziger und achtziger Jahre von den ihnen gegebenen Möglichkeiten der autonomen Rechtsetzung hinreichend Gebrauch gemacht hätten, um dieses ihnen verfassungsrechtlich gem. Art. 5 Abs. 3 GG und den entsprechenden Regelungen in den Landesverfassungen zustehende Terrain zu bewahren.848 Ungeachtet dessen sei festzustellen, dass sich die mit einer Stärkung der staatlichen Verantwortung verbundenen Erwartungen von Politikern und Ministerialbürokratie nicht erfüllt hätten. Die Zunahme des Staatseinflusses und die Reduzierung der Entscheidungs- und Gestaltungskompetenzen der Hochschulen hätten gerade nicht dazu geführt, dass die Hochschulen in besonderem Maße gerüstet seien, den gewachsenen Anforderungen zu genügen. Zwar müsse ein starker Staatseinfluss auf die Angelegenheiten der Hochschulen per se nichts Schlechtes bedeuten; auf der anderen Seite sei die staatsfreie, körperschaftlich verfasste, mit dem Recht der Selbstverwaltung ausgestattete Hochschule auch kein Patentrezept zur Bewältigung der vielfachen Herausforderungen. Aber sie sei vielleicht ein Rezept, es besser zu machen als in der Vergangenheit. Nur wenn der Staat die notwendigen deregulie845
s. die entsprechende Kritik bei Asche, S. 26. Tomerius, Die Hochschulautonomie und ihre Einschränkungen beim Zusammenwirken von Land und Hochschule, S. 33. 847 WRK, Die Zukunft der Hochschulen. Überlegungen für eine zukunftsorientierte Hochschulpolitik. Beschluss des 155. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz, 4. Juli 1988, in: WRK, Stellungnahmen, Empfehlungen, Beschlüsse 1960 – 1989, Band I, S. 681 ff. (686); vgl. auch Turner, Studenten 82 – oder: was können sie dafür, dass es eine APO gab? SZ v. 3./4. 4. 1982. 848 So Erichsen, Mehr Autonomie für die Hochschulen – warum und wozu?, in: HRK, Mehr Autonomie für die Hochschulen. Zur Deregulierung im Hochschulrecht des Bundes und der Länder. Fachtagung der Hochschulrektorenkonferenz. Bonn, 14. November 1992, S. 9 ff. (9); ausführlich hierzu: Karpen/Freund, Hochschulgesetzgebung und Hochschulautonomie. Der verbliebene Spielraum des Hochschulsatzungsrechts, dargestellt am Beispiel der Hochschulgrundordnung. 846
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renden Maßnahmen durchführe und damit die Autonomie der Hochschulen stärke, also nicht nur Zuständigkeiten im Sinne von Bearbeitungskapazitäten verlagere, würden die Hochschulen für die Lösung der aufgezeigten Probleme einen entscheidenden Beitrag leisten können.849 Allerdings wurden die Probleme der Hochschulautonomie auch deutlich benannt: Eine Stärkung der Autonomie erhöhe das Konfliktpotenzial innerhalb der Hochschule. Denn Autonomie bedeute, selbst zu entscheiden und nicht als Mittel zur Konfliktvermeidung die notwendigen Entscheidungen der Ministerialebene zu überlassen. Dies führe u. a. zu einer Verschärfung der Verteilungskämpfe in der Hochschule, da die Prioritäten selbst gesetzt werden könnten und müssten. Diesen Befürchtungen wurde entgegengehalten, es werde immer wieder gesagt, wenn die ganzen Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten in den Hochschulen verteilt würden, dann werde es viel mehr Streit als bisher geben. Dies komme vor allem aus einer Ecke, die ansonsten immer die geradezu divinatorische Überhebung des deutschen Professorenstandes über die normalen Menschen in den Wissenschaften behaupte. Aber diese Gruppe traute sich die moralische Stärke nicht zu, Freiheit und Verantwortlichkeit tatsächlich zu tragen.850 Mitte der neunziger Jahre setzte sich jedenfalls die Erkenntnis durch, dass sich die Einengung der Hochschulen durch ein immer dichter geflochtenes Netz staatlicher Regulierungen und Einflussnahmen als kontraproduktiv erwiesen hatte und einer systematischen Korrektur bedurfte. Durch eine Reform sollte das Verhältnis von Staat und Hochschulen neu bestimmt und die Modernisierung von Organisation und Management im Großbetrieb Hochschule forciert werden.851 Den Hochschulen, in denen sehr viel individuelle Autonomie der Hochschullehrer verwirklicht sei, solle mehr kooperative Autonomie – also Handlungs- und Bewegungsspielraum – gegeben werden.852 Gefordert wurde der Übergang von einem Modell staatlicher Kontrolle zu einem Modell staatlicher Aufsicht, wobei der Unterschied zwischen beidem nicht recht deutlich ist. Auch die HRK vertrat nach anfänglicher Zurückhaltung die Auffassung, die Länder sollten den Hochschulen größere Autonomie einräumen, mehr Verantwortung übertragen, sich auf die Rechtsaufsicht sowie die Vereinbarung von Zielen und die Finanzierung im Rahmen eines Globalhaushalts beschränken.853 Kaum eine Gruppierung unterließ es Anfang der 90er Jahre, sich für mehr Autonomie auszusprechen. Unterschiedliche Akzente gab es nur bei der Begründung. 849
Erichsen, Autonomie, S. 14 ff. Daxner, Mehr Freiheit für die Hochschulen. Über Notwendigkeiten, Möglichkeiten und Probleme der Hochschulautonomie, S. 86 ff. (89). 851 Fangmann, Autonomie mit Augenmaß? DUZ 24/1994, S. 24 f. 852 Glotz, Im Kern verrottet? S. 106. 853 HRK, Organisations- und Leitungsstrukturen der Hochschulen, Empfehlungen des 183. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz am 10. 11. 1997, HRK, Arbeitsbericht 1997, S. 139 ff. (141). 850
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So setzte sich der DIHT gemeinsam mit der HRK für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen durch mehr Autonomie und den Abbau staatlicher Reglementierung ein.854 Der RCDS, der in seinem hochschulpolitischen Programm vom März 1992 ebenfalls für eine stärkere Autonomie der Hochschulen plädierte, erblickte in Eigenverantwortung und Leistungsfähigkeit eine „Perspektive für eine neue Hochschule“.855 Ein von der rot-grünen niedersächsischen Landesregierung bestellter wissenschaftlicher Beirat vertrat die Auffassung, dass die Hochschulen mehr Autonomie benötigten, um ihre Effektivität, Effizienz und Flexibilität zu steigern. Eine erweiterte Hochschulautonomie habe zur Folge, dass bestimmte Aufgaben, die zu ihrer Erfüllung notwendigen Kompetenzen und die damit verbundenen Verantwortlichkeiten von der Politik und den Verwaltungsbehörden an die einzelnen Hochschulen delegiert werden, die insoweit die Verantwortung übernehmen.856 Wie schwierig sich die Gewährung von Hochschulautonomie jedoch im Detail darstellte, zeigte gerade das Beispiel Niedersachsen. Der Entwurf der niedersächsischen Hochschulgesetz-Novelle zog im Jahr 1998 einige Kritik auf sich. Die Novelle beweise mit bürokratischer Feinsteuerung ein Übermaß an deutscher Perfektion. Ministerien und Landtag sollten mit mehr Vertrauen an die Selbstregulierung der Hochschulen gehen. Man bemerke Ängstlichkeit der Obrigkeit, die den Hochschulen im Gesetz Freiheiten zunächst einräume, diese aber zwei Sätze später wieder aufhebe,857 und dies obwohl die niedersächsische Wissenschaftsministerin Schuchardt noch 1992 gesagt hatte, dass die Hochschulen vor allem mehr Selbständigkeit benötigten, deshalb eine Entbürokratisierung von Staat und Hochschulen erforderlich sei und die staatliche Aufsicht auf das notwendige Maß beschränkt und die Hochschulleitung gestärkt werden müsse.858 Am Ende blieben hinsichtlich der Forderung nach mehr Hochschulautonomie nur wenige Skeptiker übrig. Der Politologe Kurt Sontheimer beispielsweise hatte bereits 1992 eine Kontrolle von außen angeregt, um den Missbrauch der Universitätsautonomie zu stoppen.859 Andere meinten, die Vorstellung, in den Universitäten Praktiken und Organisationsformen der freien Wirtschaft im Sinne einer effizienten Betriebsorganisation umzusetzen, sei nicht zu vereinbaren mit dem herkömmlichen Verständnis von autonomer Universität, wonach mit Hilfe der Autonomie das Verhältnis von Staat und Universität in einen angemessenen, der Wissenschaft dienli-
854
dpa 43/95, S. 15. dpa 13/92, S. 14. 856 Wissenschaftlicher Beirat zur Begleitung des Modellvorhabens für eine Erprobung der globalen Steuerung von Hochschulhaushalten im Land Niedersachsen, Zehn Empfehlungen zur Einführung von Hochschulräten, S. 6. 857 dpa 20/98, S. 16 f. 858 dpa 9/92, S. 14. 859 dpa 28/92, S. 12 f. 855
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chen Ausgleich zu bringen sei.860 Diese Haltung traf auf den Widerstand der Befürworter. Für viele, so die Entgegnung, erscheine ein Verbleib der Hochschulen in der Umarmung des Staates erstrebenswerter als eine aktive und offensiv geführte Ausgestaltung der Hochschulautonomie. Doch was gebraucht werde, seien Reformen statt Nostalgie.861 Der Hauptskeptiker Schiedermair ließ sich hiervon nicht beirren; er ging sogar noch einen Schritt weiter in seiner Kritik. In geradezu verführerischer Weise werde der Universität heute ihre Autonomie von Politik und Staat angetragen. Diese Autonomie sei jedoch nichts anderes als ein grandioses Täuschungsmanöver. Hier gehe es darum, unangenehme Entscheidungen, die in den Zeiten des knapp gewordenen Geldes längst fällig geworden sind, von der Politik, von den Regierungen und Parlamenten auf die Universitäten zu verlagern, um sich der eigenen Verantwortung zu entziehen. Die Politiker in den Parlamenten und Regierungen hätten offensichtlich die Nerven verloren.862 Mit einer Verbalkeule nahm Schiedermair schließlich die Bildungspolitiker in ihrer Gesamtheit ins Visier. Zur Habgier und Faulheit der für die Universitäten verantwortlichen Parlamente und Regierungen in den Ländern komme angesichts des Dargelegten noch Feigheit hinzu. Noch vor wenigen Jahren sei Autonomie ein Wort gewesen, das, wenn es von akademischer Seite vorgetragen wurde, nur allzu leicht Verdacht erregt hätte. Verbarg sich in diesem Wort nicht etwa eine List der Professoren, die mit dem Vorwand der Autonomie in Wahrheit nichts anderes im Sinne hatten, als die eigenen Pfründe zu sichern? Damit wurden die Vorbehalte aufgegriffen, denen der Bund Freiheit der Wissenschaft Anfang der siebziger Jahre begegnet war. Doch hatte sich der Wind in der Zwischenzeit deutlich gedreht. Die Professoren hatten sich – allen voran die in der HRK – mittlerweile wenigstens im Grundsatz zur Forderung nach Hochschulautonomie bekannt. Die bessere Wahrnehmung von Verantwortung im Hochschulbereich erfordere mehr Verantwortlichkeit der Hochschulen, die derzeit wegen der Überregulierung durch Bundes- und Ländergesetze und eine Fülle von Verordnungen nicht oder nicht hinreichend gegeben oder wahrgenommen werden könne.863 Schiedermairs Absicht, die Auseinandersetzung und Argumentation der siebziger Jahre wiederaufzunehmen, glich somit am Ende dem Versuch, eine längst verlorene Schlacht nochmals zu schlagen. Damit musste er scheitern. Inzwischen gewann ein anderes Verständnis vom Verhältnis Staat zu den Universitäten an Boden. Universitäten werden als autonom handelnde Organisationen begriffen, die unabhängig von staatlicher Detailsteuerung effizient und zielgerichtet agieren864. Als Beispiel gilt die Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes und die in 860
Schiedermair, Autonomie im Widerspruch, S. 15 ff. (16). So Müller-Böling/Küchler, S. 13 ff. (15 f.). 862 Schiedermair, Autonomie im Widerspruch, S. 17. 863 Lange, Transparenz und Effizienz – veränderte Rahmenbedingungen für die Hochschulen, S. 1 ff. (7). 864 Markova, Exzellenz durch Wettbewerb, S. 19. 861
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dem Zusammenhang von der damaligen Bundesministerin Annette Schavan vorgetragene Begründung: „Die Aufhebung des HRG ist Ausdruck einer Politik der Freiheit und Autonomie für die Hochschulen“. Damit sollten die Länder darin unterstützt werden, die Hochschulen aus der staatlichen Detailsteuerung zu entlassen865. Danach kann man Universitäten als Organisationen verstehen, die in der Lage sind, öffentliche Mittel effizient zu verwalten. Sie sind dann keine nachgeordnete Behörde, sondern eine selbständige, eigenverantwortliche Einrichtung, die über ihre Angelegenheiten eigenständig entscheidet. Es ist allerdings Sache der Länder, ob solchen Prinzipien gefolgt wird. Dass dies zur Verwirrung der Betroffenen wie in einem Wechselbad geschehen kann, hat das Land Nordrhein-Westfalen bewiesen. Die folgende Schilderung866 illustriert die Situation während der Zeit der rot-grünen Regierung unter der Ministerpräsidentin Kraft. „Nordrhein-Westfalens Hochschulen proben den Aufstand. Zunehmend zornig wird der Ton der Rektoren und Hochschulräte gegen ihre Wissenschaftsministerin Svenja Schulze. Der Entwurf ihres neuen ,Hochschulzukunftsgesetzes‘ hat eine Protestwelle von beispielloser Ge schlossenheit verursacht. Schon im Dezember hatte die Landesrektorenkonferenz sich geweigert, die nach dem geltenden ,Hochschulfreiheitsgesetz‘ vorgesehenen ,Ziel- und Leistungsvereinbarungen‘ zu unterzeichnen. Am Mittwoch hatten die Hochschulräte in einer Pressekonferenz davor gewarnt, dass das geplante neue Gesetz den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort schwächen werde. In einem Schreiben nennt Michael Pieper, Rektor der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, unterstützt in seltener Einigkeit vom Hochschulrat, Senat und sogar der Studentenvertretung, das Gesetz ,für alle Gruppen der Universität von den Studierenden bis zu den Hochschullehrern demotivierend‘. Die Ursache des Aufruhrs ist die berechtigte Befürchtung, die bundesweit einmalige und nach Ansicht vieler Wissenschaftler und Hochschulmanager vorbildliche Autonomie der nordrhein-westfälischen Hochschulen, werde durch das neue Gesetz bald von ministeriellem Dirigismus erstickt. Der Entwurf, den Schulze vorlegt ist, wie die Vorsitzende des Bielefelder Hochschulrates Annette Fugmann-Heesing sagt, ,vom Geist des Misstrauens geprägt‘ und schafft ,weder Vertrauen noch handlungs- und Risikobereitschaft‘. Ein Stein des Anstoßes für die Hochschulen ist der Plan, die Landesmittel nicht mehr in das Vermögen der Hochschulen zu übergeben. Sie verlören damit faktisch ihre budgetäre Selbstverantwortung. Noch größeren Aufruhr erregt das Vorhaben, Drittmittelgeber samt der Themen ihrer Forschungsprojekte im Vorhinein offenzulegen. Die Hochschulräte hatten zu ihrer Protest-Pressekonferenz den Unternehmer Arndt Kirchhoff mitgebracht, der in einem flammenden Appell ankündigte, unter diesen Bedingungen werde die heimische Industrie sich Universitäten außerhalb Nordrhein-Westfalens als Forschungspartner suchen. Wenn die Konkurrenz im Internet nachlesen kann, woran man gerade forscht, ist das nicht gerade attraktiv für Unternehmen. Man fragt sich, was eine Wissenschaftsministerin geritten hat, ein solches Gesetz in die Wege zu leiten, das ihr die Feindschaft aller derjenigen einbringt, für die sie zuständig ist. Zumal unter den lautesten Kritikern des Gesetzesvorhabens zahlreiche SPD-Mitglieder zu finden sind. Fugmann-Heesing war SPD-Finanzsenatorin in Berlin und Finanzministerin in 865 866
Markowa, S. 20. Knauß, Ferdinand, Uni-Aufstand in Nordrhein-Westfalen, im Internet.
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Hessen. Ein anderer, lauter Schulze-Kritiker, der Hochschulratsvorsitzende der Universität Bochum, Jürgen Schlegel, war zu Johannes Raus Regierungszeiten selbst jahrelang im Düsseldorfer Wissenschaftsministerium tätig. Zustimmung für diese masochistische Gesetzesinitiative von Ministerpräsidentin Kraft und ihrer Ministerin Schulze kommt nur vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Hier ist auch der einzige Nährboden für das Gesetz zu erkennen: das Gefühl im gewerkschaftsnahen Flügel der NRW-SPD, die Wirtschaft habe zu viel Einfluss auf die Hochschulen. Völlig aus der Luft gegriffen ist dieses Gefühl natürlich nicht. Gerade Schulzes Vorgänger, der Betriebswirtschaftsprofessor Andreas Pinkwart, gilt als Antreiber der totalen Ökonomisierung des Wissenschaftsbetriebes. Das unter seiner Ägide entstandene ,Hochschulfreiheitsgesetz‘ trieb die Umwandlung der Hochschulen zu Ausbildungs- und Forschungsdienstleistern der Wirtschaft voran. Bei den volkswirtschaftlich nicht verwertbaren und für Drittmittelgeber unattraktiven Fächern der Grundlagenforschung und der Geisteswissenschaften konnte der Betriebswirtschaftsprofessor Pinkwart wenig Sympathien gewinnen.“
Der von der Ministerin Schulze vorgelegte Gesetzentwurf ist mit einigen Korrekturen in Kraft getreten. Der Sturm legte sich danach. Dies zeigt die andere Seite eines zunächst laut vorgetragenen Protestes. Man arrangiert sich und scheut Konsequenzen, etwa den geschlossenen Rücktritt aller Rektoren vom Amt. Auch Rektoren sind keine Helden. Inzwischen ist die rot-grüne Landesregierung im Mai 2017 abgewählt worden. Eine neue Regierung mit entsprechender Mehrheit im Parlament wird voraussichtlich alsbald den Entwurf eines neuen Hochschulgesetzes einbringen – der übliche Kreislauf mit dann zum Teil völlig veränderten Rahmenbedingungen für die Hochschulen – bis zu einem erneuten Regierungswechsel. 3. Flexibilisierung/Globalhaushalt Kaum ein Diskussionsgegenstand betrifft die Interna der Hochschulen so unmittelbar in ihrem Selbstverwaltungsrecht wie das Thema Ökonomie und Management. Daneben ist die Finanzierung der Hochschulen und deren Autonomie beim Umgang mit den vom Staat zur Verfügung gestellten Mitteln durch die Thematisierung des Wettbewerbsgedankens noch mehr in den Vordergrund gerückt. Dabei sollen die Hochschulen u. a. durch die Bereitstellung eines globalen Zuschusses und Zielvereinbarungen dem Leistungsprinzip unterworfen werden und ihnen dafür bei der Verteilung der Gelder weitgehend freie Hand gelassen werden. Zuvor war es lange Zeit bei der hochschulökonomischen Diskussion darum gegangen, wie eine geringere Gliederungstiefe und Spezifikation der staatlichen Haushalte zu erreichen wäre. Als Instrumente hierfür wurden zunächst die Zusammenlegung und Vereinfachung von Haushaltstiteln und die erleichterte Deckungsfähigkeit von Titeln untereinander angesehen. Einen weiteren wichtigen Aspekt stellte die Übertragbarkeit von Haushaltsresten bzw. die Rücklagenbildung für Folgejahre dar, des Weiteren eine erleichterte Umwandlung von Personal- in
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Sachmittel oder umgekehrt.867 Im Unterschied zu einer hierdurch geschaffenen bloßen Flexibilisierung der Hochschulhaushalte hing ein Globalhaushalt entscheidend vom Ausmaß der Eigenverantwortlichkeit der Hochschulen bei der Aufstellung und dem Vollzug des Hochschulhaushaltes ab.868 Insofern sind die Themen Globalhaushalt und Hochschulautonomie eng miteinander verbunden.869 Mehr und mehr sah man in der Einführung von Globalhaushalten auch einen Weg, Mittel gezielter einzusetzen.870 Entsprechend zweideutig war die Äußerung der nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerin Brunn (SPD) in einem Interview vom Juli 1994 zu verstehen: „Der Konsumzwang entfällt – es darf gespart werden“.871 Hiermit war in erster Linie das sog. Dezemberfieber angesprochen, das auch an den Hochschulen aus Angst vor dem Verfall von Mitteln zu hektischen Ausgaben gegen Ende eines Haushaltsjahres führte; dies sollte durch die Einführung der Übertragbarkeit von Mitteln der Vergangenheit angehören. Die niedersächsische Regierung erwartete von mehr Finanzautonomie und Planungshoheit der Hochschulen eine Steigerung der Effizienz um mehr als 10 % in den Verwaltungen von Universitäten und Fachhochschulen;872 an der Universität Hamburg glaubte man, dass sich durch Globalhaushalte und andere Aspekte der Finanzautonomie die Produktivität beim Einsatz öffentlicher Mittel um 5 % steigern ließe.873 Allerdings gab es auch Stimmen, welche die Euphorie etwas zu dämpfen suchten. So erhoffte man sich von Globalhaushalten zwar einiges an Effizienz, aber keine Wunder.874 Auch sollte nicht übersehen werden, dass die Hochschulen bereits Anfang der siebziger Jahre intern vielfältige Anstrengungen unternommen haben, um ihre Abläufe zu rationalisieren und mit den vorhandenen Mitteln mehr zu erreichen.875 Allererste theoretische Ansätze zur Einführung globaler Zuschüsse an die Hochschulen hatte es bereits im sog. „Blauen Gutachten“876 aus dem Jahr 1948 gegeben, verfasst vom Studienausschuss für Hochschulreform. Demnach sollte der Staat die vom Parlament nach einer Überprüfung bewilligten Gelder an einen 867
Seidler, Rechtliche Grenzen der Haushalts-Globalisierung, S. 56 ff. Behrens, Globalisierung der Hochschulhaushalte, S. 130. 869 Deshalb wird hier ein weiter Begriff von Globalhaushalt zugrunde gelegt, Seidler, S. 56. 870 Ziegele, Hochschule und Finanzautonomie, S. 175. 871 Zit. nach SZ v. 16./17. 7. 1994, „Zwischenfrage“ (HRK-Pressespiegel Nr. 29/94, S. 5). 872 dpa 44/93, S. 16 f. 873 So der Präsident der Universität Hamburg, Lüthje, dpa 5/95, S. 16. 874 dpa 44/93, S. 16 f. 875 s. die bereits 1976 erschienene 3-bändige Studie „Ökonomie der Hochschule“ der Wibera-Projektgruppe, für die Anstoß das Gutachten über Organisation und Wirtschaftlichkeit der Universität Hohenheim in den Jahren 1972/73 war. Turner, Hochschulökonomie – Anmerkungen zum Weg der deutschen Hochschulen in den 90er Jahre, in: Technologie, Wachstum und Beschäftigung, Festschrift für Lothar Späth, 1987, S. 209 ff. 876 Gutachten zur Hochschulreform vom Studienausschuss für Hochschulreform, 1948 (auf blauem Papier). 868
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Hochschulrat als Verwaltungsbehörde der Hochschule „global zur Verwendung übergeben“. Wünschenswert sei weiter, dass nicht verausgabte Gelder ins nächste Jahr übertragen werden können.877 Dieser Vorschlag wurde jedoch von Vertretern der Rektoren auf der Hamburger Konferenz der Kultus- und Wissenschaftsminister im Jahr 1949 verworfen.878 Die Diskussion wurde unter anderem mit dem Hinweis darauf beendet, dass in erster Linie das Parlament für die Bewilligung der Hochschulmittel verantwortlich sei und damit sowohl das Recht als auch die Pflicht zur Beschäftigung mit den einzelnen Positionen der Hochschulhaushalte habe.879 Generell spielte das Thema Finanzverfassung in der Nachkriegszeit bis zum Beginn einer allgemeinen Finanzverfassungsreform eine deutlich untergeordnete Rolle.880 So kam die Diskussion über mehr finanzielle Eigenverantwortung der Hochschulen erst im Jahr 1968 neu auf, als der Tübinger Jurist Thomas Oppermann in einem Gutachten für die WRK den Begriff der „qualifizierten Finanzautonomie“ als Modell für die Weiterentwicklung des Systems der Hochschulfinanzierung prägte.881 Die Selbstverantwortung der Hochschulen sollte sich auch auf den finanziellen Bereich erstrecken. Als entscheidendes Element hierfür sah Oppermann den Globalhaushalt an. Die Mittelanforderung sollte ebenso wie die spätere Aufteilung des bewilligten Betrags zumindest in die Nähe der Hochschule gerückt werden; als Bindeglied sollte ein Kuratorium dienen.882 Doch lehnten die Hochschulrektoren Globalhaushalte als neue Form der Finanzierung in einer Empfehlung im Dezember 1969 erneut ab.883 Ein Globalhaushalt würde der Staatsverwaltung nicht nur jede Einsicht in das Finanzgebaren der Universitäten verweigern, sondern sie auch aus ihrer Mitverantwortung für die Universität und deren Entwicklung entlassen. Auch sei die Forderung einer Globalzuweisung ohne haushaltsmäßig vorgesehene und ausgewiesene Verwendungszwecke gegenüber dem Staat als Geldgeber nicht zu verantworten.884 Demgegenüber sahen die Empfehlungen der WRK Verfahrensregeln für die Aufstellung des Haushalts und der Mittelverteilung vor. Kerngedanke war dabei, dass Probleme bei der Haushaltsanforderung innerhalb der Universität bereits bei der Anmeldung des Bedarfs 877
Letzelter, Globalhaushalt – Ein alter Mythos neu aufgelegt? DUZ 3/1991, S. 34. Letzelter, a.a.O. 879 Behrens, S. 77. 880 Behrens, S. 78. 881 Oppermann, Gutachten zu den Gesetzentwürfen zur Haushaltsreform des Bundes, in: WRK, Dokumente zur Hochschulreform VI/1968, S. 37 ff. und Oppermann, Hochschulfinanzierung – Status, Tendenzen und Chancen, WissR Bd. 2 (1969), S. 1 ff. (8). 882 Oppermann, Hochschulfinanzierung, S. 9. 883 WRK, Empfehlungen zur Neuordnung der Universitätsorganisation. Entschließung der 68. Westdeutschen Rektorenkonferenz, Bonn-Bad Godesberg, 17. Dezember 1968, WRK, Stellungnahmen 1960 – 1989, Band I, 1989, S. 79 ff. 884 WRK, S. 84 (Erläuterungen zu § 12). 878
IV. Das Verhältnis von Staat und Hochschulen
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bewältigt sein müssten und nicht auf das spätere Stadium der Verteilung der zugewiesenen Mittel verlagert werden dürften. Zudem enthielten die Empfehlungen den Vorschlag, eine Mittelanforderung fortan zu begründen. Keiner dieser Ansätze fand jedoch Eingang in ein Gesetz. Weder das – von Oppermann als Ansatzpunkt genannte – Haushaltsgrundsätzegesetz von 1969 noch das Hochschulrahmengesetz von 1976 enthielten Regelungen über den Hochschulhaushalt. Vereinzelten Bemühungen, das Thema neu aufzurollen, war regelmäßig ein rasches Ende beschieden. So beispielsweise Mitte der siebziger Jahre, als die vollständige Integration der Hochschulen in die Landeshaushalte Gegenstand lebhafter Kritik war.885 Im Rückblick ist diese Zeit als „Phase eher pragmatischer und punktueller Ansätze zur Verbesserung der Haushaltsflexibilität“ bezeichnet worden.886 Im Jahr 1979 machte dann jedoch der Wissenschaftsrat durch Empfehlungen zum Mitteleinsatz an Hochschulen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit wieder auf das Thema aufmerksam.887 Sein Ziel war es, mehr Flexibilität im Hochschulfinanzwesen zu schaffen. Allerdings operierte der Wissenschaftsrat dabei – wohl auch angesichts der früheren Diskussionen – mit Verbesserungen auf der Grundlage des bestehenden Haushaltsrechts. Die Vorschläge betrafen im Einzelnen: – die gegenseitige Deckungsfähigkeit verwandter Titelgruppen; – die Verwendung der Mittel für nicht besetzte Stellen; – die Übertragbarkeit von Haushaltsmitteln; – mehrjährige Ansätze zur Finanzierung größerer Investitionen; – Investitionsmittel für Ersatzbeschaffungen; – die Verwendung der Einnahmen aus der Veräußerung von Gebrauchtgeräten. Erste Vorschläge zur Ausweitung der Übertragbarkeit und Deckungsfähigkeit waren bereits 1976 von der WIBERA-Projektgruppe gekommen.888 Zusammen mit den Empfehlungen des Wissenschaftsrats gaben sie im Jahr 1980 Veranlassung, einen Arbeitskreis der Kanzler und leitenden Verwaltungsbeamten der wissenschaftlichen Hochschulen zu gründen, der sich erstmals länderübergreifend intensiv mit den Details des Hochschulhaushaltsrechts befasste.889 Der Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe wurde 1984 veröffentlicht. In seiner Fortführung erstellte der 885 886
S. 24. 887
WIBERA-Projektgruppe/Bolsenkötter, Ökonomie der Hochschule. Band II, S. 503. So Sandberger, Globalhaushalt – Genügend Spielraum für Einfallsreiche, DUZ 5/1991,
Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Forschung und zum Mitteleinsatz, 1979, S. 47 ff. WIBERA-Projektgruppe/Bolsenkötter, Band III, S. 46. Diesen Vorschlägen schlossen sich im Jahr 1984 auch Vertreter der Wirtschaft an, vgl. z. B. Graf von Westphalen, Innere und äußere Differenzierung: Zu einigen Bedingungen verbesserter Hochschulleistungen, S. 98 ff. (108). 889 Behrens, S. 85. 888
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Kanzlerarbeitskreis „Verwaltungsvereinfachung“ im Jahre 1991 – also mehr als zehn Jahre nach den Empfehlungen von 1980 – einen zweiten Bericht zur Flexibilität der Hochschulhaushalte. Diese Entwicklung korrespondierte mit anderen Anstrengungen, die gegen Ende der achtziger Jahre unternommen wurden, um mehr Haushaltsflexibilität im Hochschulbereich zu erreichen. Erst jetzt rückte auch der – zunächst schwammige und zum Teil nur umschreibende – Begriff „Globalhaushalt“ ins Zentrum der Diskussion und erschien als wichtiger Bestandteil zur Bewältigung der Probleme des deutschen Hochschulwesens.890 Dabei war es sicherlich kein Zufall, dass die neuerliche Diskussion in der Zeit sich verstärkender Finanzkrisen des Staates einsetzte.891 Zumindest aber fiel sie nun endlich auf einen fruchtbaren Boden. Globalhaushalte wurden vielfach als Eckpunkt und Voraussetzung für eine stärkere Eigenverantwortung der Hochschulen und damit als wesentliches Element einer Hochschulreform betrachtet.892 Ablehnend gegenüber Globalhaushalten hatten sich aus Sorge um Mittelkürzungen bis dahin in aller Regel Vertreter der Hochschulen geäußert,893 während ein Streit zwischen den Parteien nahezu ausblieb.894 Ohnehin spielte das Thema in den Parteiprogrammen kaum eine Rolle. Eine Ausnahme bildeten die hochschulpolitischen Leitthesen der CDU Baden-Württemberg aus dem Jahr 1982.895 Hierin forderte die CDU mit dem Ziel eines effektiveren Einsatzes der vorhandenen Mittel „mehr Flexibilität im Haushalt“ – allerdings ohne entsprechend konkret zu werden. Kritik kam anfänglich auch von Seiten der Finanzministerien. Diese meldeten – wie schon die Kultus- und Wissenschaftsminister – rechtliche Bedenken vor allem bezüglich der Verletzung des parlamentarischen Budgetrechts sowie einer Überstrapazierung der Haushaltsgrundsätze an.896 Wesentlich massiver wurden jedoch finanzpolitische Bedenken vorgebracht. Da bei einem globalen Zuschuss nicht mehr über jeden einzelnen Haushaltstitel vom Parlament abgestimmt werden müsse, sei ein Globalhaushalt ein besonders verlockendes Objekt linearer Kürzungen.897 Es entbinde das Parlament von der Notwendigkeit, sich jeden Titel genau anzusehen und für jede Kürzung geradezustehen.898 Auch Oppermann hatte bereits das Problem gesehen, dass es für das Finanzministerium und den Landtag einfacher sein könnte, 890
Behrens, S. 125. So die Einschätzung von Behrens, a.a.O. 892 Behrens, S. V. 893 Z. B. die Äußerungen der Universitäten Freiburg und Tübingen, dpa 46/96, S. 13 ff. 894 Zeh, Finanzverfassung und Autonomie der Hochschule, S. 37 ff. 895 CDU Baden-Württemberg, Unserer Jugend die Zukunft öffnen, S. 21. 896 Behrens, S. 190 ff.; zu der Kompetenzverteilung zwischen Staat und Hochschule generell und zum Globalhaushalt im Besonderen Brinckmann, S. 101 ff. (104). 897 Ziegele, S. 175 ff.; Karpen, Wissenschaftsfreiheit und Hochschulfinanzierung: Überlegungen zu einem effektiveren Mitteleinsatz. 898 Letzelter, DUZ 3/1991, S. 35. 891
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eine Globalanforderung als einen detailliert begründeten einzelnen Posten zu kürzen.899 Allerdings sei anzumerken, dass die Finanzministerien auch im Rahmen von sog. Titel-Haushalten durch globale Minderausgaben de facto Streichungen vornehmen. Dass diese Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen waren, zeigten die Diskussionen in Hessen und in Thüringen Mitte der neunziger Jahre. So entbrannte im Herbst 1995 in Hessen ein heftiger Streit zwischen den Hochschulen und der rotgrünen Landesregierung über eine drohende Haushaltssperre, die anfänglich wohl auch jene Mittel betreffen sollte, die von den Hochschulen eingespart worden waren und für eine Übertragung auf das Folgejahr vorgesehen waren.900 Auch in Thüringen plante das Finanzministerium zunächst, die Hand auf das von den Hochschulen eingesparte Geld zu legen.901 Insofern verwundert es nicht einmal, dass selbst Mitglieder von Landesregierungen diese finanzpolitischen Bedenken zum Anlass nahmen, sich kritisch gegenüber Globalhaushalten zu äußern.902 Andere sahen die Gefahr, dass die Hochschulen durch Globalhaushalte von möglichen finanziellen Zusatzmaßnahmen auf Bundes- oder Landesebene abgekoppelt oder bei unerwarteten Ereignissen allein gelassen würden.903 Dem wurde entgegengehalten, diese Sorge wäre nur dann berechtigt, wenn man mit einem Globalzuschuss alle Risiken als abgedeckt ansehe.904 Ebenso wurde betont, dass auch die traditionelle Haushaltsabhängigkeit weder Kürzungen vermeiden konnte, noch eine dem Aufgabenwachstum parallel steigende Finanzausstattung zur Folge gehabt habe.905 Weitere Gegenargumente bezogen sich vor allem auf das Fehlen adäquater Entscheidungsstrukturen beim Umgang mit der durch Globalhaushalte neu gewonnenen Autonomie bei der Verteilung von Mitteln. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass ein Globalhaushalt ein Management voraussetze, das befugt und fähig ist, Entscheidungen auch gegen Mehrheiten durchzusetzen.906 Es wurden Zweifel geäußert, ob die Hochschulen mit ihren überkommenen Leitungsstrukturen 899
Oppermann, Gutachten, S. 54. Allerdings ist anzumerken, dass die Finanzministerien auch im Rahmen von sog. TitelHaushalten durch globale Minderausgaben de facto Streichungen vornehmen. 900 dpa 45/95, S. 13 f. 901 dpa 33/98, S. 20. 902 FR v. 19. 5. 1994, Jeder hat ein anderes Bild von Hochschule im Kopf (HRK-Pressespiegel Nr. 20/94, S. 1). 903 Vgl. hierzu die „Speyerer Empfehlungen II zur Flexibilität der Hochschulhaushalte“, in: Blümel/Bender/Behrens, Flexibilität der Hochschulhaushalte, S. 83 ff. 904 Behrens, S. 195. 905 Brinckmann, S. 145 ff. 906 So z. B. Turner, Universitäten in der Konkurrenz, S. 68; ähnlich auch schon WIBERAProjektgruppe/Bolsenkötter, Bd. II, S. 505 und WIBERA-Projektgruppe/Bolsenkötter, Ökonomie der Hochschule. Band III: Die Hochschule als Dienstleistungsbetrieb. Folgerungen aus einer betriebswirtschaftlichen Untersuchung, S. 47.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
die ihnen zugewiesenen Mittel sachgerecht verteilen könnten.907 Offen wurde gemutmaßt, die Hochschulen seien für den Globalhaushalt nicht gerüstet.908 Andere hatten das entscheidende Problem in einer offensichtlichen Überforderung der Kollegialität gesehen.909 Die Aufteilung und Bewirtschaftung eines Globalhaushaltes verlange von den akademischen Organen ein hohes Maß an Selbstdisziplin.910 Die Auswirkungen von Verteilungskämpfen innerhalb der Hochschulen auf die Funktionsfähigkeit der Selbstverwaltung seien nur schwer abschätzbar.911 Auch deshalb wurde in Hochschulkreisen immer wieder überlegt, ob es nicht besser sei, die Ministerien in der finanzpolitischen Verantwortung zu belassen.912 Die Vorteile eines Globalhaushaltes lägen ohnehin nicht in der Mittelaufbringung, sondern allenfalls in der Mittelverwendung. Dementsprechend gebühre dem Wettbewerb um systemimmanente Änderungen der Vorzug vor einem – am Reißbrett vielleicht stimmigen – in seinen Konsequenzen aber nicht absehbaren Modell Globalhaushalt.913 Die HRK zögerte mit einem Votum für die Einführung von Globalhaushalten. Die WRK bzw. HRK unterbreitete – ähnlich wie schon der Wissenschaftsrat 1979 – lediglich Vorschläge insbesondere zur besseren Übertragbarkeit und größeren Deckungsfähigkeit im Haushaltsrecht,914 wünschte mehr Globalsteuerung und eine stärkere Flexibilisierung der Hochschulhaushalte915 oder äußerte sich vorsichtig zustimmend zur Erprobung von Globalhaushalten.916 Hinzu kam, dass die Hochschulverwaltung zusätzliche Arbeit und die Ministerialverwaltung den Verlust von faktischer Entscheidungskompetenz befürchteten.917 907
Harms/Naumann, Globalhaushalte und das Problem der Wirtschaftlichkeit der Hochschulen, DÖV 1992, S. 822 ff. (823). 908 So Daxner, Die Wiederherstellung der Hochschule: Plädoyer für eine Rückkehr der Hochschulen in die Politik und die Gesellschaft, S. 209. 909 So schon Heppe im Jahr 1956, auf den Letzelter, DUZ 3/1991, S. 34, verweist. 910 Letzelter, a.a.O. 911 Letzelter, DUZ 3/1991, S. 35 mit weiteren kritischen Stimmen. 912 Landfried, Der Weg in die Autonomie, DUZ 18/1991, S. 15. 913 Sandberger, DUZ 5/1991, S. 26. 914 Alternativ-Thesen der WRK zu den Thesen des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft für ein Hochschulrahmengesetz des Bundes. Stellungnahme der 80. Westdeutschen Rektorenkonferenz, 12. Mai 1970, in: WRK, Stellungnahmen 1960 – 1989, Band I, S. 121 ff. (188); Zur Leistungsfähigkeit der Hochschulen unter veränderten finanziellen Rahmenbedingungen. Stellungnahme des 140. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz, 4./ 5. Juli 1983, in: WRK, Stellungnahmen 1960 – 1989, Band I, S. 537 ff. (540). 915 HRK, Zur Finanzierung der Hochschulen. Entschließung des 179. Plenums, 9. Juli 1996, HRK Arbeitsbericht 1996, S. 81 ff. (111). 916 So z. B. Erichsen bei der Eröffnung einer Fachtagung zum Thema Autonomie im November 1992, vgl. HRK, Mehr Autonomie für die Hochschulen. Zur Deregulierung im Hochschulrecht des Bundes und der Länder, Dokumente zur Hochschulreform 77/1992, S. 9 und DUZ 6/1991, S. 20. 917 Frackmann, S. 71.
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Die hessische Wissenschaftsministerin Mayer (SPD) sah nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt denn auch eine verhängnisvolle Allianz von Politik, Finanz- und Hochschulverwaltung als Ursache dafür an, dass sich die hessischen Hochschulen während ihrer Amtszeit nicht aus dem engen fiskalischen Korsett befreien konnten.918 Zu diesen institutionalisierten Vorbehalten kamen Bedenken der Studierenden und der Gewerkschaften. Der Vertreter des Hauptvorstands der GEW, Köhler, bezeichnete den Globalhaushalt noch 1993 als „zweischneidiges Schwert“. Wenn der Globalhaushalt nichts anderes als die Selbstverwaltung einer Mittelknappheit sei, sollte man sich eigentlich über den Staat unterhalten, der sich seiner Verantwortung gegenüber den Hochschulen entziehe.919 Bis zum Jahr 1996 überdachte er seine Position und fand fortan Globalhaushalte grundsätzlich sinnvoll.920 Andere wie beispielsweise der Präsident der Privaten Universität Witten-Herdecke, Schily, mussten sich aufgrund ihres Eintretens für mehr Finanzautonomie und Eigenverantwortung der Hochschulen den Vorwurf gefallen lassen, sie predigten „Sozialdarwinismus“.921 In dieser unglücklichen Gemengelage ließ sich jahrelang keine Reform durchsetzen. Den entscheidenden Durchbruch brachte erst ein zweiter Vorstoß des Wissenschaftsrats – fast 14 Jahre nach seinen Empfehlungen von 1979. In zehn Thesen äußerte er sich im Januar 1993 erneut zum Thema922 und forderte unter anderem mehr Budgetsouveränität für die Hochschulen durch eine „schrittweise Globalisierung der Haushalte und Deregulierung des Haushaltsvollzugs“. Noch im selben Jahr veröffentlichte eine Bund/Länder-Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des geplanten Bildungsgipfels der politischen Spitzen von Bund und Ländern das sog. Eckwertepapier. Hierin wurde insbesondere mehr Selbständigkeit und Flexibilität der Hochschulen in der Mittelverwendung gefordert. Hinsichtlich der Globalhaushalte war jedoch nur eine Prüfung der Einführung enthalten. Damit beschrieb das Eckwertepapier nur, was zu diesem Zeitpunkt von einigen Ländern bereits in Kraft gesetzt worden war.923 Schon Anfang der neunziger Jahre begannen einige Länder, Maßnahmen zur Haushaltsflexibilität umzusetzen – allen voran Baden-Württemberg, das als erstes Bundesland eine weitgehende Flexibilisierung der Hochschulhaushalte durch die Übertragbarkeit und Deckungsfähigkeit von Geldern einzelner Titelgruppen und 918 Süddeutsche Zeitung v. 15./16. 7. 1995, Wettbewerb statt akademische Planwirtschaft (HRK-Pressespiegel Nr. 29/95, S. 3 f.). 919 Zit. nach Gärtner, Bildung über Bord, DUZ 20/1993, S. 20 f. (20). 920 dpa 39/96, S. 16 ff. 921 Stuttgarter Zeitung v. 15./16. 7. 1995, Wettbewerb statt akademischer Planwirtschaft (HRK-Pressespiegel Nr. 29/95, S. 3 f.). 922 Wissenschaftsrat, 10 Thesen zur Hochschulpolitik. 923 Zu den Detailregelungen hinsichtlich des Globalhaushaltes in den einzelnen Ländern vgl. Blümel/Bender/Behrens, Flexibilität der Hochschulhaushalte. Auswertung der Gespräche mit den Finanz- und Wissenschaftsministern der Länder, 1993, S. 67 ff.
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Haushaltskapitel ermöglichte. Da insofern kein Handlungsbedarf bestand, hielt sich das Land bei der Einführung von Globalhaushalten zunächst zurück. So wurde noch Anfang 1993 von einer Haushaltsstrukturkommission die Einführung sog. Pauschalhaushalte abgelehnt. Das neue Universitätsgesetz (in Kraft seit 1. 1. 2000) enthielt dann aber eine Vorschrift, welche den Universitäten die dezentrale Finanzverantwortung für den flexiblen und eigenverantwortlichen Einsatz der im Staatshaushaltsplan ausgebrachten Stellen und veranschlagten Mittel übertrug (§ 8 Abs. 4 BW). Noch weitergehend wurden zwischenzeitlich erste Modellversuche zum Globalhaushalt in Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen eingeführt. Etwas später folgten eine Reihe der neuen Bundesländer. Diese waren sämtlich dadurch geprägt, dass die Verteilung der vom Staat zugewiesenen Mittel allein durch die Organe der Hochschule erfolgen sollte. Damit unterscheiden sie sich von Modellen einer globalen Bezuschussung, wie sie in Berlin und im Saarland als erste Spielarten eines Globalhaushalts bereits seit 1948 bzw. 1957 praktiziert wurden. In Berlin etwa erhielten die Hochschulen einen Globalzuschuss; die Grundlage für dessen Berechnung bildete ein Haushaltsplan, der für die jeweilige Hochschule erstellt wird. Die Haushaltsmittel wurden dann durch ein Kuratorium, in dem die Hochschulmitglieder in der Minderheit waren, entsprechend den Ansätzen in den Haushaltsplänen verteilt. Das Kuratorium trifft dabei nicht alle Entscheidungen selbst, sondern hat eine Vielzahl von Befugnissen auf eine sog. Hauptkommission bzw. den Präsidenten übertragen.924 Inzwischen gibt es in Berlin – dank der sog. Experimentierklausel – Kuratorien neuer Art mit veränderten Zuständigkeiten.925 Fast alle anderen Länder planten zumindest ab Mitte der neunziger Jahre die Einführung von Globalhaushalten. Nur Bayern ging einen Sonderweg. Im Interesse der Hochschulen sollte es in Bayern zunächst keine Globalhaushalte nach neuerem Verständnis geben.926 Dies war insofern bemerkenswert, als auch in Bayern die Hochschulen bereits seit Anfang der siebziger Jahre durch eine Form der globalen Bezuschussung finanziert wurden.927 Der zuständige bayrische Minister warf den anderen Ländern gar vor, sie bedienten sich der Globalhaushalte „allzu gern als Instrument verdeckter Haushaltskürzungen“.928 Unterstützt wurde diese Einschätzung vom niedersächsischen Wissenschaftsminister, der auf einer öffentlichen Veranstaltung mutmaßte, dass Globalhaushalte einrichte, wer an den Hochschulen sparen wolle.929 924
Behrens, Globalisierung der Hochschulhaushalte, S. 68 ff. Kritisch dazu Turner, Berliner Novitäten – oder was man darunter versteht, Tagesspiegel v. 18. 2. 1998, S. 28. 926 dpa 5/97, S. 17 f. 927 WIBERA-Projektgruppe/Bolsenkötter, Band II, S. 503. 928 dpa 5/97, S. 17 f. 929 dpa 39/96, S. 16 f. 925
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Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Substanz der über Jahrzehnte hinweg geführten Diskussion zum Globalhaushalt, so hat auch heute noch eine Bemerkung aus dem Jahr 1991 ihre Berechtigung: „Im Laufe der an Reformen und ,Reformen der Reformen‘ wahrhaft nicht kargen Jahre standen […] quantitative Aspekte der Hochschulfinanzierung gegenüber inhaltlichen der Hochschulfinanzverfassung eindeutig im Vordergrund“.930 4. Deregulierung und Föderalismus Die Forderung nach Autonomie für die Universitäten, wie sie in 1990er Jahren diskutiert wurde, erhielt noch einmal einen Schub durch eine Rede von Roman Herzog. In seiner Eigenschaft als Bundespräsident forderte er, die Universitäten „in die Freiheit zu entlassen“. Dieser Appell wurde einer breiten Öffentlichkeit in der Berliner Rede am 26. 4. 1997 verdeutlicht, eine Forderung, die zuvor auch von der Rektorenkonferenz, allerdings ohne große Wirkung erhoben worden war. Das Anliegen bestand darin, Bildung wieder zum „Mega-Thema der Gesellschaft“ zu machen und ihr einen „Ruck“ für den Aufbruch in das 21. Jahrhundert zu geben. Dies sollte u. a. dadurch geschehen, dass „Bildung“ von den Feuilletons in den Politikteil der Zeitungen wechselte, um ihm dadurch eine andere, weiterreichende Bedeutung beizumessen. Die Debatte um die Wichtigkeit der Bildung hatte eine bemerkenswerte Resonanz in der Öffentlichkeit931. Da durch den Wegfall des Hochschulrahmengesetzes die bisher von den Ländern einheitlich zu regelnden Bereiche entfallen sind, ist es durchaus möglich, dass mehr Spielarten des Hochschulwesens praktiziert werden. Dabei ist von Bedeutung, ob die Länder für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich verbindliche Regelungen treffen oder ob sie für bestimmte Fragen die Freiheiten an die Hochschulen weitergeben. Die Gefahr, dass politisch extreme Ausgestaltungen auftreten, erschien lange nicht besonders hoch einzuschätzen. Inzwischen machen sich erneut Stimmen bemerkbar, welche die Schlachten um Mitwirkung und Politisierung der Hochschulen erneut führen wollen. Das war z. B. an dem noch Ende 2015 im Hauruck-Verfahren verabschiedeten Hochschulgesetz für Schleswig-Holstein zu beobachten932. Dennoch ist mit einem flächendeckenden Missbrauch wohl nicht zu rechnen. Aber es gibt ein anderes Risiko, das unausweichlich ist. Mit dem nahezu völligen Wegfall eines verbindlichen Rahmens durch entsprechende Bestimmungen im HRG und die Existenz unterschiedlicher Regelungen in den Ländergesetzen nimmt die 930
Sandberger, Globalhaushalt, DUZ 5/1991, S. 24 ff. Zum wirksamen Einfluss der Rede auf die Hochschulpolitik s. Turner, Laudatio zu Ehren von Bundespräsident a.D. Prof. Dr. Roman Herzog oder Was heißt es, „die Universitäten in die Freiheit entlassen“? Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft, Kunst, Bildung, Nachrichten und Berichte, Neue Folge, Nr. 5., Okt. 2002, S. 69 ff. Zurückhaltend hinsichtlich des Einflusses der Rede: Neumann, Ariane, mit Zitaten, S. 188 Fn. 603. 932 Turner, Schleswig-Holstein macht was falsch, Tagesspiegel v. 28. 12. 2015, S. 21. 931
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Unübersichtlichkeit zu und das Erscheinungsbild der Hochschulen wird noch undeutlicher, als es bereits wirkt933. Die Informationen über die Hochschulen, insbesondere deren Selbstdarstellungen, machen es sehr schwer, ein objektives Bild zu gewinnen. Daran ändern auch sog. Rankinglisten nichts. Die Stärke der deutschen Universitäten in der Vergangenheit war deren weitgehend gleichwertige Qualität in ihrem Angebot und bei der Bewertung ihrer Abschlüsse. Das hat sich in den 1970er und 80er Jahren geändert und ist wohl nicht wieder erreichbar. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Erwartung von dem, was insbesondere Universitäten zu leisten haben, nämlich ob sie (nur) Stätten von Lehre und Forschung oder politische Experimentierplätze sein sollen – um extreme Positionen zu nennen. Strittig kann auch sein, ob die Hochschulen als Reparaturbetrieb für einen überfüllten Lehrstellenmarkt zu dienen haben und sie deshalb – trotz Überlast – offengehalten werden müssen, indem die Zulassungsvoraussetzungen zu Gunsten von Berufstätigen ohne Reifeprüfung verändert werden, um so eine emanzipatorische Wirkung zu erzielen.934 Es gibt eben kein einheitliches Bild von „den Universitäten“; deshalb bleibt keine andere Wahl, als mehr „Freiheit zu wagen“. Die Vielfalt ist verwirrend, aber andere Möglichkeiten sind verspielt. Die Länder wurden 2002 durch extreme Gesetzesvorhaben von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, SPD, aufgeschreckt (u. a. Verbot von Studiengebühren, Abschaffung der Habilitation, Einführung der verfassten Studierendenschaft als Zwangskörperschaft). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2005 sämtliche Änderungen des Hochschulrahmengesetzes für verfassungswidrig erklärt935. Dennoch war nachvollziehbar, dass die Länder entsprechenden Tendenzen einen Riegel vorschieben wollten. Die offizielle Lesart war die „Entflechtung des Kompetenz-Wirrwarrs“.936 Nicht bedacht wurde allerdings, dass auch einmal ein Land in der Bildungspolitik „verrücktspielen“ kann. Man denke an Tendenzen, die um 1970 in Bremen, Berlin, Niedersachsen und Hessen die Betroffenen verunsichert haben, indem u. a. die Drittelparität gefordert wurde. Namen wie Ludwig von Friedeburg und Peter von Oertzen standen in Hessen und Niedersachsen in den siebziger Jahren für eine aus den Fugen geratene Politik. Will man das verhindern, bedarf es eines Minimums an Gemeinsamkeit937. Dazu gehören u. a. Regeln über den Zugang zu den Hochschulen und die Abschlüsse, ebenso die Festlegung der Personalkategorien und das Dienstrecht. Ob die eingetretene Sprachverwirrung (so kann z. B. der hauptamtliche Leiter Präsident, Rektor oder Vorstandsvorsitzender heißen) als Ergebnis der den Universitäten gegebenen Freiheit wirklich sinnvoll ist, mag 933 Vgl. Kahl, Hochschule und Staat, S. 95, der von einem Wettbewerb der Länder um das modernste und innovativste Gesetz spricht. 934 s. o. B. III. 4. 935 Urteile v. 26. 1. 2005, 2 BvF 1/03. 936 So der bayerische Minister für Wissenschaft, Thomas Goppel, in einer Rede vor Präsidium und Senat der HRK am 20.2. 2006 in Bayreuth. 937 Seckelmann u. a., Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in der Wissenschaftsund Bildungspolitik, S. 15.
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dahinstehen. Zweifelhaft erschien von vornherein, ob es klug war, die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau aufzugeben, seinerzeit durch Art. 91a in das Grundgesetz eingefügt, nach der Föderalismusreform jedoch wieder weggefallen. Damit fehlte die rechtliche Basis für die anteilige finanzielle Beteiligung des Bundes. Die Hochschulen in den finanzschwachen Ländern werden sich wundern, so wurde vorhergesagt, woher ihre Landesparlamente die 100-prozentige Finanzierung nehmen938. Dieser Effekt ist eingetreten. Der frühere sächsische Minister Hans-Joachim Meyer hat die Föderalismusreform von 2006, jedenfalls für Wissenschaft und Hochschulen, als die größte politische Torheit seit Gründung der Bundesrepublik bezeichnet.939 Gleichgültig, in welchem Umfang die Länder gestärkt werden – sie müssen die ihnen zustehenden Kompetenzen auch aktiv wahrnehmen. Bisher haben sie weniger agiert als reagiert. Damit es nicht zu einem Flickenteppich in der Bildungspolitik kommt, muss der Kultusministerkonferenz höheres Gewicht beigemessen werden. Das gilt vor allem für den Schulbereich. Geschieht das nicht, so darf man spekulieren, wird bald wieder der Ruf nach größerer Zuständigkeit des Bundes ertönen. In der Vergangenheit geschah dies zwar nicht in der Weise, dass der Bund Rechte für sich reklamierte, aber doch insofern, als die Nachfolgerin von Edelgard Bulmahn, Annette Schavan, CDU, einheitliche Standards für die Schulen forderte. Sogar das bundesweit einheitliche Abitur kam im Jahr 2007 ins Gespräch940. Mit einem von Bundeskanzlerin Merkel angeregten Bildungsgipfel im Oktober 2008 sollten gemeinsame Ziele von Bund und Ländern festgelegt werden. Im Grunde war dies das Eingeständnis, dass es einer gewissen Koordination durch den Bund, wenn schon keiner Zuständigkeit bedarf. Dies wurde bereits kurz nach Amtsantritt der sog. schwarz-gelben Koalition von der Bundesbildungsministerin Schavan geäußert. Sie hatte sich seinerzeit als Landespolitikerin in Baden-Württemberg für die Föderalismusreform starkgemacht und bezeichnet dies später als Fehler941. In der Bevölkerung zeigte sich eine deutliche Tendenz für mehr Zentralismus sogar im Schulwesen, allerdings bei gleichzeitigem Protest einiger Kultusminister942. Die Föderalismusreform war in der Sackgasse gelandet943. Die Länder hatten die Möglichkeit der Gestaltung; ihnen fehlten aber zum Teil die Mittel dazu. Der Bund hatte das Geld, durfte aber nicht so, wie er gerne wollte – und es auch sinnvoll wäre. Die Befürworter eines aus einer solchen Situation abgeleiteten rigiden Zentralismus auf dem Gebiet der Bildung aber würden sich wundern, wenn der Bund einmal ganz 938 939 940 941 942
2010.
Burtscheidt, S. 149. In keiner Schublade, S. 431. FAZ/Sonntagszeitung v. 30. 11. 2007, S. 4. Interview in DIE ZEIT v. 12. 12. 2009. Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach, Süddeutsche Zeitung v. 1. 4.
943 Zu den Konsequenzen der Föderalismusreform für die Hochschulen s. die verschiedenen Untersuchungen bei Pasternack (Hrsg.), Hochschulen nach der Föderalismusreform.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
andere Saiten aufzöge. Das Gleichgewicht ist schwer herzustellen. Die Föderalismusreform des Jahres 2006 allerdings war mit Sicherheit falsch. Der Bund verfügt über hinreichend Mittel, die nach allen politischen Bekundungen zur Unterstützung der Hochschulen gedacht sind. Die Länder möchten das Geld gern ohne Zweckbindung einstreichen. Das wäre ein schwerer Fehler zu Lasten der Hochschulen, die unter einer Überlast ächzen. Nach der Föderalismusreform 2006 galt, dass der Bund „Vorhaben der wissenschaftliche Forschung“, und solche „der Wissenschaft … an Hochschulen“ fördern kann (Art. 91 b GG). Von dieser Kompetenz wurde schon kurz nach deren Verabschiedung in mehreren Sonderprogrammen Gebrauch gemacht (Exzellenz-Initiative, Hochschulpakt, Qualitätspakt Lehre, Forschungspakt944). Die Formulierung des Art. 91 b GG erlaubte aber nur befristete Hilfen („Vorhaben“) und keine dauerhafte Beteiligung des Bundes an der Grundfinanzierung der Hochschulen. Nach Art. 105 b darf der Bund Zuwendungen an die Länder nur gewähren, soweit er die Gesetzgebungskompetenz hat (sog. Kooperationsverbot). Noch gegen Ende der 2013 endenden Legislaturperiode legte die CDU/FDPgeführte Bundesregierung eine Gesetzesinitiative zur Änderung des Art. 91 b GG vor. Diese scheiterte jedoch am Widerstand der SPD-Opposition, die auch eine stärkere Bundesfinanzierung für die – bisher allein den Ländern vorbehaltenen – Schulen forderte. Im Bundestags-Wahlkampf 2013 haben sich alle Parteien für eine Aufhebung des Kooperationsverbots ausgesprochen, jedenfalls soweit es die Hochschulen betraf. Umso größer war die Enttäuschung, dass die Koalitionsvereinbarung vom November 2013 das Thema Föderalismusreform vollständig ausklammerte. Zwar wurden dort verstärkte Bundesinvestitionen in Bildung und Wissenschaft angekündigt, ausdrücklich auch in die Grundfinanzierung der Hochschulen. Unklar allerdings blieb, wie dies ohne Verfassungsänderung bewerkstelligt werden sollte. Zur Lösung der geschilderten Problematik hätte es genügt, den Artikel 91 b von seiner komplizierten Differenzierung zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu befreien, indem es nur heißt, „Bund und Länder wirken bei der Förderung von Hochschulen und sonstigen Einrichtungen der Wissenschaft zusammen“. Die Bundesregierung ist allerdings einen anderen Weg gegangen. Im Dezember 2014 hat der Bundesrat den vom Bundestag bereits zuvor beschlossenen Art. 91 b verabschiedet, wonach „Bund und Länder auf Grund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenwirken“ können – mit dem Pferdefuß, dass bei Vereinbarungen, welche die Hochschulen betreffen, alle Länder zustimmen müssen. Neid und Missgunst sind damit Tür und Tor geöffnet. Es besteht die Gefahr, dass sie nur nach Kuhhandel und Einsatz der Gießkanne geschlossen werden. Immerhin: Das Kooperationsverbot wurde für die Hochschulen gelockert. 944
s. o. B. I. 4.
IV. Das Verhältnis von Staat und Hochschulen
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Das Hin und Her zeigt, wie der Hochschulbereich ständigen Änderungen unterworfen ist. Es ist aber auch ein Zeichen dafür, wie wenig „die Politik“ zuweilen auf Sachkundige hört. Vor der Reform im Jahre 2006 gab es wohl niemanden aus dem Hochschulsektor, der nicht vor der Änderung warnte. Trotz der einhelligen Hinweise wurde die Reform damals „durchgezogen“. Kein ermutigendes Zeichen für die oft eingeforderte Politikberatung. Jetzt wird die Korrektur als wichtiger Fortschritt verkündet – bis zur nächsten Reform, von der man nicht weiß, was sie an Überraschungen bereit hält. Im Bundestagswahlkampf 2017 hat der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, vorgeschlagen, die Zuständigkeit für Bildung auf den Bund zu übertragen. Das würde bedeuten, dass die Bundesregierung mit ihrer parlamentarischen Mehrheit über Kindergarten bis zur Universität zu entscheiden hätte. Da es dazu einer Änderung des Grundgesetzes bedarf und die dafür erforderliche qualifizierte Mehrheit ohne die CDU nicht zu erreichen ist, diese aber bisher entsprechende Vorhaben stets abgelehnt hat und ein Sinneswandel nicht anzunehmen ist, konnte man den Versuch von vornherein als untauglich bezeichnen. Es ist zwar richtig, dass mehr Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse erstrebenswert ist. Besonders deutlich wird das beim Abitur, wenn man bedenkt, dass Zehntelnoten bei der Zulassung in einigen Fächern entscheiden, ob das Studium unmittelbar begonnen werden darf oder mehrere Jahre in der Warteschleife verbracht werden müssen.945 Wenn gefordert wird, dass das Niveau von Bildungsinhalten und Abschlüssen angeglichen werden sollten, stellt sich die Frage, auf welchem Level dies zu geschehen habe. Beim Vergleich der Länder fallen insbesondere die von der SPDBildungspolitik beherrschten Bundesländer deutlich ab: Das sind nicht nur die Stadtstaaten; auch in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gab es bei der letzten Wahl die Quittung; Baden-Württemberg stürzte bei PISA innerhalb einer Legislaturperiode ab. Soll etwa unter dem Einfluss der Bundeszuständigkeit das Niveau anderer, zum Teil deutlich besser bewerteter Länder dem in den Ländern angeglichen werden, die das Tabellenende zieren? Warum ist in jenen Ländern nicht mehr getan worden, das Niveau zu heben und Anschluss an die führenden zu gewinnen? Auch über die Kultusministerkonferenz hätte Einfluss genommen werden können. Die Hilflosigkeit bei der Bewältigung von Stundenausfall und Bewältigung des Lehrermangels in den betreffenden Ländern stimmt nicht hoffnungsfroh. Würde jemand, bisher zuständig in einem der genannten Länder, ein entsprechendes Bundesressort führen, wäre die Gefahr der Anpassung auf dem geringsten Nenner nicht nur theoretisch. Die föderale Struktur der Bundesregierung und die Zuständigkeit für Bildung bei den Ländern garantiert, dass kein flächendeckender Unfug geschieht.
945
s. o. III. 3. d).
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Es ist nicht die fehlende Einsicht in die Notwendigkeit einer „Bildungs-Allianz“, es ist das Misstrauen, dass ein SPD-geführtes Bundesressort zu einer flächendeckenden Senkung des Niveaus führt.946 Die Sachfrage nach einer größeren Beteiligung des Bundes an den Kosten für Bildung ist damit so stark mit anderen, zum Teil ideologisch anmutenden verknüpft, sodass hier keine Änderung der Gegebenheiten zu erwarten ist. D. h. es wird bestenfalls weiter Sonderprogramme geben. Für die Hochschulen bedeutet dies Unsicherheit und ständiges Suchen nach Finanzquellen, um die Aufgaben zu erfüllen.
V. Wettbewerb Wenn von „Wettbewerb im Hochschulbereich“ gesprochen wurde, war damit lange nur der Kampf um Studienplätze gemeint. Daneben gab es stets den Wettbewerb um Mittel, seien es Drittmittel von privater Seite oder solche, die der Staat bereit stellt. Denn in den Ländern, in denen es mehrere staatliche Hochschulen gibt, konkurrieren sie um Geld und Stellen, nicht selten verbunden um die politische Gunst von Entscheidungsträgern. Neben einem solchen externen Wettbewerb gibt es auch einen internen. Auch innerhalb von Institutionen geht es darum, in angemessener Weise an den verfügbaren Mitteln zu partizipieren. 1. Interner Wettbewerb Für den internen Wettbewerb ist von Bedeutung, wie die Positionen für die Träger der Wissenschaft ausgestattet sind, m. a. W. wie das Personalgefüge gestaltet ist und wie der wissenschaftliche Nachwuchs rekrutiert wird. Da hiervon Personen unmittelbar betroffen sind, wurden und werden die Auseinandersetzungen um Lösungen mit besonderer Anteilnahme und Heftigkeit geführt. a) Personalstruktur/Nachwuchsförderung Die Diskussion des Besoldungs- und Dienstrechts hängt eng zusammen mit der Entwicklung der Personal- bzw. Lehrkörperstruktur. Vor allem zu Beginn der siebziger Jahre ging es dabei um eine generelle Reform, wie sie seit den sechziger Jahren als Kernstück der Hochschulreform gefordert wurde.947 946 Turner, Der Föderalismus ist sinnvoll, Tagesspiegel v. 24. 7. 2017, S. 21; ders., Schule vom Bund? Bloß nicht! Tagesspiegel v. 4. 9. 2017, S. 21. 947 WRK, Zur Neuordnung der Besoldung im Hochschulbereich. Beschluss der 94. Westdeutschen Rektorenkonferenz, 25. Januar 1972, in: WRK, Arbeitsbericht 1971/1972, S. 219 und WRK, Zur Neuordnung des Besoldungswesens im Hochschulbereich. Stellungnahme der 103. Westdeutschen Rektorenkonferenz, 17. April 1973, in: WRK, Arbeitsbericht 1973, S. 167.
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Der Grund für den Ruf nach einer neuen Personalstruktur war zum einen die unübersehbare Vielfalt an Funktionen948 und die unklare Aufgabenverteilung unter dem wissenschaftlichen Personal an den Hochschulen, zum anderen die als mangelhaft angesehene Nachwuchsförderung im Bereich des akademischen Mittelbaus. So kritisierte die Bundesassistentenkonferenz (BAK) als damals noch präsente Interessenvertretung des Mittelbaus im Jahr 1970949, dass das bestehende Nachwuchsförderungssystem die Rekrutierungsprobleme der Zukunft nicht lösen könne.950 Die FDP-Politikerin Hamm-Brücher problematisierte wie viele andere
948 So sah beispielsweise das baden-württembergische Hochschulgesetz von 1968, eines der ersten, das von einem Landesparlament verabschiedet wurde, in § 16 als hauptberufliches wissenschaftliches Personal vor: – Ordentliche und außerordentliche Professoren (in der Regel Beamte auf Lebenszeit). – Abteilungsvorsteher und Wissenschaftliche Räte (Beamte auf Lebenszeit; Qualifikation: in der Regel Habilitation). Diese Funktionen bzw. Amtsbezeichnungen gehen zurück auf Empfehlungen des Wissenschaftsrates vom 11. März 1960 (Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen. Teil 1: Wissenschaftliche Hochschulen, 1960, S. 63). – Universitätsdozenten (Beamte auf Widerruf). – Akademische Räte und Oberräte (Beamte auf Lebenszeit). – Wissenschaftliche Assistenten (Beamte auf Widerruf; Qualifikation: in der Regel Promotion; „Sie sind zur eigenen wissenschaftlichen Arbeit und Fortbildung verpflichtet und unterstützen Universitätslehrer, denen sie zugeordnet sind, in den Aufgaben, die sich aus deren Stellung als Universitätslehrer ergeben.“). – Oberassistenten und Oberingenieure (Beamte auf Widerruf; Qualifikation: in der Regel Habilitation und mindestens dreijährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Assistent). – Wissenschaftliche Angestellte (Qualifikation: Hochschulabschluss). Daneben sah das Gesetz als nicht hauptberuflich tätiges wissenschaftliches Personal vor: – Honorarprofessoren. – Außerplanmäßige Professoren (Qualifikation: Habilitation und in der Regel sechsjährige Lehrtätigkeit). – Privatdozenten. – Lehrbeauftragte. – Gastprofessoren und Gastdozenten. Dagegen kannte das hamburgische Universitätsgesetz von 1969 nur Professoren, Dozenten und Wissenschaftliche Assistenten (§ 7). Auch in Hessen waren im Hochschulgesetz von 1970 nur Professoren (als Beamte auf Lebenszeit), Dozenten (als Beamte auf Widerruf), Honorarprofessoren und Wissenschaftliche Bedienstete vorgesehen (§§ 39, 43 und 45). Nordrhein-Westfalen sah in seinem Hochschulgesetz von 1970 als hauptamtliches oder hauptberuflich tätiges wissenschaftliches Personal ebenfalls nur Professoren und Dozenten als Hochschullehrer und wissenschaftliche Mitarbeiter (als Beamte oder Angestellte mit abgeschlossener Hochschulausbildung) vor. 949 Als Mitte der siebziger Jahre im Zuge der Bildungsexpansion zahlreiche Stellen für junge Wissenschaftler geschaffen wurden und sich die Situation für den akademischen Mittelbau merklich entspannte, löste sich die BAK auf. Erst Ende der achtziger Jahre wurde wieder eine Vertretung gegründet: die „Bundesvertretung Akademischer Mittelbau“. 950 Bundesassistentenkonferenz, Reform der Lehrkörper- und Personalstruktur, 1970, S. 14.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
auch die starke Abhängigkeit junger Nachwuchswissenschaftler von den Lehrstuhlinhabern.951 aa) Assistenzprofessur Anfang der siebziger Jahre ging es also vorrangig darum, die „Helotentätigkeit des vom Ordinarius abhängigen Assistenten“ abzuschaffen und ihm möglichst viel Eigenständigkeit einzuräumen. Eine klare Beschreibung der Rechte und Pflichten der „Pultträger und Knechte“952 wurde gefordert. Dazu sollte die Trennung von Qualifikation (durch Promotion bzw. Habilitation) und Dienstleistung in der Lehre (durch Zuarbeit für den Professor etc.) dienen. Hierfür hatte die Bundesassistentenkonferenz bereits 1968 eine Neuordnung des wissenschaftlichen Personals in Assistenzprofessoren auf Zeit und Professoren in Dauerstellung vorgeschlagen. Beide Gruppen sollten grundsätzlich gleiche Rechte und Pflichten haben. Idealbild war der „einheitliche Lehrkörper“ mit innerer Differenzierung, Ziel eine Dauerbeschäftigung für den Großteil der Wissenschaftler und damit vor allem für den Mittelbau.953 Die lediglich auf sechs Jahre befristet eingestellten Assistenzprofessoren sollten sich während dieser Zeit für die dauernde Übernahme einer Lehrtätigkeit qualifizieren. Dazu hätten sie im Rahmen des Fachbereichs selbständig Aufgaben in Forschung und Lehre wahrzunehmen. Insbesondere aber sollten sie keine Hilfsfunktionen mehr für die regulären Professoren ausüben. Die Tätigkeit als Assistenzprofessor wäre jedoch nicht zwingend Voraussetzung für eine Berufung zum Professor. Der Wissenschaftsrat griff damals den Vorschlag der BAK in seinen 1970 vorgelegten „Empfehlungen zur Struktur und zum Ausbau des Bildungswesens im Hochschulbereich nach 1970“954 auf. Bei der Neuordnung der Personalstruktur sollte es als hauptberufliche Beschäftigte nur noch gleichberechtigte Professoren und Assistenzprofessoren sowie weisungsgebundene wissenschaftliche Mitarbeiter geben. Auch Hamm-Brücher schloss sich 1972 diesen Forderungen an.955 Vorschläge der SPD zur Reform der Hochschulen vom April 1969 waren in eine ganz ähnliche Richtung gegangen. Langfristiges Ziel sei es, die Promotion mit einer obligatorischen, befristeten Assistentenzeit zu verknüpfen. Im Allgemeinen sollte die Assistententätigkeit vier bis sechs Jahre dauern. Darüber hinaus sollte es nach Auffassung
951
Hamm-Brücher, Unfähig zur Reform, S. 122. So pflegte ein bekannter Hamburger Historiker seine Mitarbeiter zu titulieren, zit. nach Wilhelmi, Krisenherd Hochschule, S. 103. 953 Bundesassistentenkonferenz (BAK), Kreuznacher Hochschulkonzept, 1968, S. 31 ff. (33). 954 Band 1: Empfehlungen, 1970, S. 28, 122 f. 955 Hamm-Brücher, Unfähig zur Reform, S. 122. 952
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der SPD am Ende der Entwicklung neben den Assistenten keine wissenschaftlichen Mitarbeiter in Dauerstellung mehr geben.956 Demgegenüber sprach sich der Arbeitskreis Hochschulgesamtplan in BadenWürttemberg 1967 dafür aus, an der „diffusen Aufgabenstellung der Eingangsstufe“ festzuhalten, da die unterschiedlichen Aufgaben durch „fungible Positionen“ besser und auch ökonomischer zu bewältigen seien.957 Schon dies zeigt, wie unterschiedlich die Prämissen waren, unter denen eine Reform der Lehrkörperstruktur diskutiert wurde. Erste Versuche mit Assistenzprofessuren wurden Anfang der siebziger Jahre in einzelnen Ländern gestartet. So sah z. B. das Berliner Universitätsgesetz bzw. Hochschullehrergesetz von 1969 die Einführung von Assistenzprofessoren vor (§ 3 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. § 51). Auch Rheinland-Pfalz, das Saarland und SchleswigHolstein schufen in ihren Hochschulgesetzen von 1970, 1971 und 1973 die Voraussetzung für die Einrichtung von Assistenzprofessuren, deren Inhaber als Beamte auf Zeit für die Dauer von sechs Jahren ernannt werden sollten. Voraussetzung für eine Ernennung war in der Regel die Promotion; diese konnte jedoch auch durch gleichwertige Leistungen ersetzt werden. In jener Zeit gab es nur vereinzelte Gegenstimmen zum Konzept der Assistenzprofessur. Einer der wenigen Kritiker war der baden-württembergische Kultusminister Hahn (CDU), der insbesondere auf die Notwendigkeit einer engen Bindung zwischen Professor und Assistent als Quelle der Wissenschaft hinwies.958 Doch außerhalb Baden-Württembergs sprach sich auch die CDU im „Schwerpunktprogramm für Wissenschaftspolitik, Kulturpolitik und Publizistik der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion“ vom August 1969 für die Einführung von Assistenzprofessuren aus.959 Im Lauf der Jahre verlor das Konzept jedoch immer mehr Befürworter. Ursache hierfür war vor allem, dass sich die in einzelnen Ländern erprobten Assistenzprofessuren als verkappte Mittelbaustellen auf Zeit entpuppt hatten, die praktisch keinen Unterschied gegenüber anderen befristeten Konstruktionen darstellten. Außerdem habe das mit der Assistenzprofessur verbundene zusätzliche Lehrdeputat von vier Stunden dem Nachwuchs schon damals den „ruhigen“ Forschungsraum geraubt.960 Auch wurde das Modell durch Forderungen der Gewerkschaftsseite diskreditiert. So setzte sich die GEW bald nicht nur für die Dauerbeschäftigung eines Großteils der Wissenschaftler ein, sondern mit Rücksicht auf ihre Klientel im akademischen Mittelbau über das Modell der Assistenzprofessur auch für ständig neue Auf956
WRK, Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Programmen und Leitsätzen der Parteien (Dokumente zur Hochschulreform XI/1969, S. 42 ff.). 957 Kultusministerium Baden-Württemberg, S. 79. 958 Hahn, Erinnerungen, S. 253. 959 WRK, Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Programmen und Leitsätzen der Parteien (Dokumente zur Hochschulreform XI/1969, S. 14, 22). 960 Schiedermair, zit. nach DUZ 14/1998, S. 10.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
stiegsprozeduren in den Professorenstand. Es wurde zunehmend versucht, die ursprünglich durchaus als Chance und Risiko betrachtete Konstruktion ihres Risikocharakters zu entkleiden bis hin zu der Forderung, alle Assistenzprofessoren müssten in Dauerstellen übergeleitet werden. Angesichts dieser negativen Erfahrungen rückten einige der Länder wieder von dem Konzept der Assistenzprofessur ab. Der WRK gelang es schließlich, die Einführung von Assistenzprofessuren, wie sie noch im Entwurf zum Hochschulrahmengesetz von 1976 zur Ersetzung der wissenschaftlichen Assistenten vorgesehen war, zu verhindern.961 Die WRK sah vor allem ein Problem hinsichtlich der „qualitativen Homogenität als Hochschullehrer“. Auch sorgte man sich um ein ausgewogenes Verhältnis der Stellen von Assistenzprofessoren und regulären Professoren. Mit dem Hochschulrahmengesetz von 1976 konnte das Ziel einer Vereinheitlichung der Personalstruktur erreicht werden. Für das hauptberuflich962 tätige wissenschaftliche Personal wurden die unzähligen Funktionen und Funktionsbezeichnungen durch nur noch vier Kategorien ersetzt: – Professoren, – Hochschulassistenten, – Wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter sowie – Lehrkräfte für besondere Aufgaben. Nach den voraufgegangenen Turbulenzen waren die achtziger Jahre eher durch viele Experimente im Kleinen gekennzeichnet, mit denen vor allem versucht wurde, die Probleme im Zusammenhang mit der zunehmenden Zahl der Studenten und dem dadurch steigenden Lehr- und Betreuungsbedarf zu bewältigen. So wurde im Jahr 1985 das sog. Zeitvertragsgesetz erlassen, das mit Hilfe befristeter Arbeitsverträge für wissenschaftliches Personal an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen das Arbeitsfeld des akademischen Mittelbaus flexibler gestalten sollte.963 Wissenschaftliche Hilfskräfte wurden mit geringem Stundendeputat eingestellt und fielen so unter die Kategorie „geringfügig Beschäftigte“. Als Folge mussten die Hochschulen keine Sozialabgaben mehr entrichten. Versuche der GEW, mit den Ländern Tarifverträge für die befristet Beschäftigten auszuhandeln, blieben erfolglos.964 Das HRG i. d. F. von 1987 brachte sogar wieder eine Erweiterung der Lehrkörperstruktur mit sich. Eingeführt wurde der „Hochschuldozent“ und der „Oberas961
WRK, Zum Regierungsentwurf eines Hochschulrahmengesetzes vom 30. August 1973. Stellungnahme der 107. Westdeutschen Rektorenkonferenz, 6. November 1973, in: WRK, Arbeitsbericht 1973, S. 125 ff. (128); WRK, Arbeitsbericht 1974, S. 31. 962 Sonstiges wissenschaftliches Personal: Honorarprofessoren, Privatdozenten, Gastprofessoren, Lehrbeauftragte, Wissenschaftliche Hilfskräfte und Tutoren. 963 Wilhelmi, S. 105. 964 Im Hochschulrahmengesetz i. d. F. von 1987 wurden einschränkende Voraussetzungen für den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichen Mitarbeitern und Wissenschaftlichen Hilfskräften verankert. (§§ 57a bis 57 f.).
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sistent“ bzw. „Oberingenieur“.965 Die Differenzierung in wissenschaftliche Assistenten und Oberassistenten wurde als ein erneuter Versuch der Nachwuchsförderung verstanden. War es in den siebziger und achtziger Jahren bei der Diskussion um eine neue Lehrkörperstruktur vorrangig darum gegangen, dem akademischen Mittelbau mit Modellen wie der Assistenzprofessur bessere Zukunftschancen zu geben966, so war das Bemühen Anfang der neunziger Jahre verstärkt darauf gerichtet, besonders qualifizierte Hochschulabsolventen zu gewinnen. Denn in dieser Zeit, als nach der Wende in den neuen Bundesländern zum Teil ganze Fakultäten aufgebaut werden mussten, hatten sich die Aussichten des akademischen Mittelbaus deutlich verbessert. Gleichzeitig strebten immer mehr befähigte Nachwuchswissenschaftler eine Tätigkeit außerhalb der Hochschule an.967 So entbrannte eine neue Diskussion um die Nachwuchsförderung, diesmal aus Sorge um die Gewinnung eines qualifizierten akademischen Nachwuchses. bb) Hilfskonstruktionen Ein besonderes Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses seit Mitte der 1980er Jahre war die sog. Fiebiger-Professur, benannt nach dem sei965 Somit gab es seit dem HRG von 1987 unterhalb der Professoren folgende Gruppen innerhalb des wissenschaftlichen Personals: – Wissenschaftliche Mitarbeiter mit in der Regel Zeitverträgen (die Möglichkeit, „Gelegenheit zur Vorbereitung der Promotion“ zu geben, ist gesetzlich verankert). Daneben: – Akademische Räte als Beamte auf Lebenszeit; – Wissenschaftliche Assistenten, die sich als Beamte auf Zeit mit Dreijahres-Verträgen und der Option auf eine Verlängerung um drei Jahre (und damit de facto Sechsjahres-Verträgen) habilitieren (gleiche Stellung wie früher Hochschulassistenten); – Oberassistenten (Beamte auf Zeit mit Vierjahres-Verträgen; halten Lehrveranstaltungen ab, die sie selbständig durchführen, und erbringen wissenschaftliche Dienstleistungen; Qualifikation: Habilitation) bzw. Oberingenieure (Sechsjahres-Verträge); – Hochschuldozenten (Beamte auf Zeit mit Sechsjahres-Verträgen; Einstellungsvoraussetzungen wie für Professoren). 966 Vor diesem Hintergrund legte die Westdeutsche Rektorenkonferenz im Jahr 1979 einen Plan vor, der die befristete Schaffung weiterer Stellen in den achtziger Jahren vorsah, die Lösung des Nachwuchsproblems mit der Bewältigung des Studentenberges verband und dabei keine langfristige Stellenaufstockung präjudizierte (basierend auf dem sog. Fiebiger-Plan, s. WRK, Zur gesetzlichen Neuregelung der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in den wissenschaftlichen Hochschulen, Stellungnahme des 131. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz v. 7./8. Juli 1980, WRK, Arbeitsbericht 1980, S. 85 ff.). Die meisten Bundesländer sind an die Umsetzung dieses Plans gegangen, ohne dass dadurch ein befriedigender Zustand eingetreten wäre. 967 Maßgebliche Motive waren dabei nicht nur die finanziellen Anreize außeruniversitärer Forschungseinrichtungen und deren häufig überlegene technische Infrastruktur. Demotivierend für eine Tätigkeit an der Universität wirkte sich bei vielen der wachsende Betreuungsaufwand gegenüber den Studenten aus, ohne dass eine Entlastung in Sicht war. Der Verbleib an der Hochschule konnte dann leicht als Karriereknick empfunden werden.
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nerzeitigen Präsidenten der Universität Erlangen-Nürnberg. Durch vorgezogene Einstellungen zusätzlicher Professoren (Parallelbesetzungen) sollte sowohl dem Problem steigender Studentenzahlen Rechnung getragen als auch eine kontinuierliche Erneuerung des Lehrkörpers erreicht werden, wobei zum Ausgleich zu einem späteren Zeitpunkt eine frei werdende Professorenstelle im selben Fach wegfallen sollte. Berechnungen des Wissenschaftsrats, wonach bis 2005 etwa 50 Prozent des wissenschaftlichen Personals aus Altersgründen ausgewechselt werden müssten, führten zu intensiveren Bemühungen zur Nachwuchsförderung. Wenn nichts geschehe, so musste man fürchten, stünde in zehn Jahren kein qualifizierter wissenschaftlicher Nachwuchs für Professorenämter zur Verfügung, um den Standard der Universitäten zu halten. Unter anderem um dies zu verhindern, hatte Bundesbildungsminister Möllemann schon 1989 ein Sonderprogramm für die Einstellung von 10.000 Nachwuchskräften aufgestellt.968 Im Jahr 1990 initiierte er mit einem weiteren Hochschulsonderprogramm, „Möllemann II“ genannt, zahlreiche Graduiertenkollegs, die breitangelegt durch die DFG gefördert wurden.969 Der Hochschulverband überraschte im Sommer 1999 mit einem Angebot, die Altersgrenze der Professoren von 65 auf 68 Jahre anzuheben und das eingesparte Geld dem wissenschaftlichen Nachwuchs zugutekommen zu lassen.970 Andere Vorschläge fanden Eingang in die „Zehn Thesen zur künftigen Gestaltung des Hochschulrechts in Bund und Ländern“971 der HRK von 1997. Es wurde mehr Flexibilität für alle Funktionsbereiche der Hochschule gefordert, z. B. durch Schaffung von hinreichend attraktiven Professuren auf Zeit und Teilzeitprofessuren. cc) Habilitation Auch wurde in der Diskussion über die Nachwuchsförderung immer wieder die Notwendigkeit der Habilitation als Berufungs- und Einstellungsvoraussetzung in Frage gestellt.972 Das HRG war schließlich einverstanden, einen Lehrstuhl ohne Habilitation zu besetzen; allerdings war dies als Ausnahme gedacht (§ 44 Abs. Nr. 4). Auf dieser Basis schufen die Länder Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen und Baden-Württemberg veränderte Voraussetzungen. Je nach den Anforderungen der Stelle bestand nun die Möglichkeit, besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in einer mindestens fünfjährigen Berufspraxis genügen zu lassen (statt der Habilitation oder gleichwertiger wissen968
Daneben sollte auch der Überlast an den Hochschulen begegnet werden. Mitte 1991 gab es bereits über 100 Graduiertenkollegs, DUZ 13/1991, S. 14. 970 dpa 33/99, S. 6. 971 HRK Arbeitsbericht 1997, S. 39 ff. (41). 972 WRK, Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Programmen und Leitsätzen der Parteien (Dokumente zur Hochschulreform XI/1969, S. 14, 22). 969
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schaftlicher Leistungen). Viele CDU- bzw. CSU-regierte Länder hielten demgegenüber für die Einstellung an wissenschaftlichen Hochschulen an der Habilitation fest.973 Auch die Universitäten selbst zeigten sich zurückhaltend bei der Anwendung der neuen Möglichkeiten. So behielt man ungeachtet der im Lauf der siebziger und achtziger Jahre immer wieder geäußerten Kritik die Habilitation als Regelvoraussetzung bei. Sowohl die großen hochschulpolitischen Verbände wie auch die Hochschulen selbst wollten nicht von ihr lassen. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Schulze, betrachtete die Einschaltung einer zweiten Stufe nach der Doktorarbeit als unverzichtbar.974 Schon 1993 räumte der Wissenschaftsrat in seinen „10 Thesen zur Hochschulpolitik“ allerdings auch ein, dass der wissenschaftliche Nachwuchs vielfach durch die Quantität der Lehraufgaben daran gehindert werde, sich auf die Forschung und die damit verbundene Qualifikation zu konzentrieren. Dennoch wandte er sich noch im November 1996 gegen eine „generelle Abschaffung“ der Habilitation und regte stattdessen eine Umgestaltung an. Konkret bedeutete dies, „alternative Zugangswege“ zur schriftlichen Habilitationsarbeit stärker zu berücksichtigen und zu fördern.975 Auch der DHV bekräftigte im Frühjahr 1995, an der Habilitation festhalten zu wollen.976 Demgegenüber vertrat die GEW die Auffassung, dass die Habilitation als „Ritual der professoralen Selbstkooptation im Großbetrieb Wissenschaft“ überholt sei977 GEW-Bundesvorstandsmitglied Köhler vertrat die Auffassung, dass sich die Habilitation als „Ritual der professoralen Selbstkooptation im Großbetrieb Wissenschaft“ überlebt habe. Neue Formen der Nachwuchsrekrutierung, der Personalentwicklung und des Personalmanagements seien notwendig, wenn die Hochschulen im Wettbewerb um kluge Köpfe bestehen wollten. Köhler betonte, schon im Generationswechsel liege eine Chance, die „verkrusteten Strukturen der derzeitigen Handwerksordnung im Wissenschaftsbetrieb zu Gunsten einer den Arbeitnehmerinteressen gerecht werdenden Personalpolitik zu überwinden“.978 Der Weg zum Hochschullehrer sei zu lang und mit zu hohen Risiken behaftet; er sei durch eine „lange Adoleszenz und eine hohe Kindersterblichkeit charakterisiert.“979 Die hessische Wissenschaftsministerin Hohmann-Dennhardt (SPD) meinte, die Habilitation als Einbahnstraße zum Professorenberuf habe keine Berechtigung mehr.980 973 974 975 976 977 978 979 980
Avenarius, Hochschulen und Reformgesetzgebung, S. 54 ff. DUZ 14/1998, S. 10. dpa 48/96, S. 8 ff. dpa 14/95, S. 17. DUZ 14/1998, S. 9 ff. (11). dpa 31/95, S. 13 f. So Enders lt. dpa 31/95, S. 14. dpa 38/96, S. 4 ff.
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Waren es bis dahin eher linke Gruppen, die sich für eine Abschaffung der Habilitation einsetzten, so sprach sich im September 1999 auch die Rektorenkonferenz gegen die klassische Habilitation aus.981 Einer der namhaftesten Kritiker der Habilitation, der Präsident der DFG, Winnacker, wollte öffentlich den Beweis antreten, dass man auf die Habilitation verzichten könne. Zusammen mit Bildungsminister Rüttgers, CDU, beförderte er das sog. Emmy-Noether-Programm.982,983 Positiv dazu äußerte sich die neue Bundesbildungsministerin Bulmahn, SPD.984 Ende des Jahrzehnts kam es zu einer wundersamen Annäherung an das Modell der Assistenzprofessur.985 So forderte beispielsweise die HRK im Jahr 1999 in Abkehr von ihrer früher geäußerten Ablehnung die Einführung sog. Assistenz- oder Qualifizierungsprofessuren, um die Überdehnung der Zeiten bis zur Habilitation zu beenden. Die Hochschulen sollten, so die Empfehlung, die Promotionsphase auf drei Jahre verkürzen und anschließend die Zeit für die weitere Qualifizierung der jungen Wissenschaftler zum Professor auf sechs Jahre begrenzen. Dabei dürfe die – international unübliche – Habilitation nicht mehr die Regel sein. Die Fächer sollten vielmehr eigene Verfahren entwickeln, über die die Qualifikation zum Professor festgestellt werden könnte. Assistenz- oder Habilitationsprofessoren sollten nach einer herausragenden Promotion und nach einem Hochschulwechsel Stellen für vier bis sechs Jahre erhalten, die ihnen genügend Selbständigkeit böten.986 Diesen Weg war Rheinland-Pfalz gegangen, wo Ende der neunziger Jahre innerhalb eines Jahres zahlreiche Assistentenstellen in C2-Stellen für Habilitanden umgewandelt wurden.987 981
dpa 36/99, S. 2. DUZ 14/1998, S. 12 f. (Amalie Emmy Noether, 1882 – 1935, war eine deutsche Mathematikerin, die grundlegende Beiträge zur abstrakten Algebra und zur theoretischen Physik lieferte.) 983 Die Änderung des HRG 1998 brachte nur geringfügige Verbesserungen mit sich. So war die Habilitation nicht mehr als Regelqualifikation nachzuweisen; zusätzliche wissenschaftliche Leistungen konnten seither auch in einer Tätigkeit außerhalb des Hochschulbereichs erbracht werden. Außerdem wurde die Möglichkeit eingeräumt, wissenschaftlichen Assistenten und wiss. Mitarbeitern in begründeten Fällen die selbständige Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung und Lehre zu übertragen (§ 47 I 5 bzw. § 53 II 4 HRG). 984 DUZ 21/1998, S. 14. Später scheiterte sie mit dem Versuch, die Habilitation per Gesetz zu verbieten (Urteil des BVerfG v. 21. 5. 2005, 2 BvF 1/03). 985 Z. T. wurde auch von „Junior-Professoren“ gesprochen. s. dazu Burkhardt, Die Juniorprofessur. 986 Der Tagesspiegel v. 12. 7. 1999, Schneller zum Professor (in: HRK-Pressespiegel Nr. 28/ 1999 v. 15. 7. 1999, S. 5); DUZ 14/1998, S. 11. 987 DUZ 14/1998, S. 11. Ähnliche Ansätze verfolgte das von Privatdozenten und Zeitprofessoren Anfang der neunziger Jahre ausgearbeitete sog. „Münsteraner Selektionsmodell“. Demnach sollten die C2-Stellen wegfallen und durch einen Pool sog. Cn-Stellen für Postdoktoranden ersetzt werden. Diesen würde nach sechs Jahren C1-Assistentur mit Zustimmung des Fachbereichs eine Option auf eine C2-Stelle zugestanden, die sich ohne zeitraubende Warteschleifen unmittelbar anschließen und fünf bis sechs Jahre besetzt werden sollte. Des 982
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In der Forderung nach mehr Habilitationsstellen in Form von Qualifizierungsprofessuren sah sich Landfried ausnahmsweise einig mit Schiedermair.988 Auch Bundesbildungsministerin Bulmahn begrüßte diesen Vorstoß. Die Assistenz- oder Qualifizierungsprofessur sollte als Tätigkeit die Habilitation und als Funktion den Wissenschaftlichen Assistenten bzw. Hochschulassistenten ersetzen.989 Die Assistenzprofessur sollte als „kleiner Lehrstuhl“ ausgestattet sein und die Möglichkeit bieten, selbständig zu unterrichten und zu lehren. Die Jungsozialisten begrüßten diese Vorschläge im Herbst 1999.990 Die GEW hatte ohnehin immer an ihrer Forderung nach Assistenzprofessuren festgehalten.991 Dies Position der Juniorprofessur innerhalb der Gruppe der Hochschullehrer wurde 2002 mit der fünften Novelle des HRG von 2002 eingeführt, um jungen Wissenschaftlern mit herausragender Promotion ohne die bisher übliche Habilitation direkt unabhängige Forschung und Lehre an Hochschulen zu ermöglichen und sich für die Berufung auf eine Lebenszeitprofessur zu qualifizieren. dd) Unvollkommene Folgenbeseitigung Inzwischen erfolgt eine Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses mit der Bereitstellung von Mitteln für Tenure Track992-Positionen durch den Bund993. Diese als „erstmals neue“ Möglichkeit, an der eigenen Hochschule eine Lebenszeitstelle zu erhalten, ist so „neu“ nicht. Auch im früheren System der C-Besoldung konnten Habilitierte Dauerstellen der Kategorie C2 oder C3 an der eigenen Hochschule erreichen; nur bei Berufungen auf einen Lehrstuhl (C4) galt das Hausberufungsverbot. Keinesfalls kann mit der Konstruktion das aktuelle Problem des Mittelbaus flächendeckend gelöst werden. Die Stellen sollen immer wieder ausgeschrieben werden. Für derzeitige Stelleninhaber, sollen sie bei Bewährung übernommen werden, müssen vorhandene Stellen eingesetzt werden. Es ist zu befürchten, dass im Zuge der Schaffung von Dauerstellen im Haushalt der betreffenden Universität Zeitstellen, die
Weiteren sollten sog. Einstein-Professuren für besonders hochqualifizierte oder ältere Dozenten, die noch keinen Ruf auf eine C3- oder C4-Stelle erhalten hätten, geschaffen werden (DUZ 6/1991, S. 14 f.). 988 DUZ 14/1998, S. 11. 989 Bulmahn, SZ v. 22. 6. 1999, S. 2. 990 dpa 38/99, S. 2. 991 Wilhelmi, S. 107. 992 Tenure Track (tenure = Besitz, Inhaberschaft; track = Spur) bedeutet die Zusage, nach einer befristeten Bewährungszeit eine Lebenszeitprofessur zu erhalten. Man befindet sich auf der „sicheren Fährte“. 993 Im September 2017 wurden 468 Stellen geschaffen. Die Zahl soll auf 1.000 aufgestockt werden (dpa 39/2017, S. 25). 75 Universitäten hatten Anträge gestellt, 34 haben einen Zuschlag erhalten.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
für den sog. Mittelbau typisch sind, geopfert werden. Die gar nicht so neue Prozedur löst nicht das Problem, sie verschiebt es nur.994 Es rächen sich jetzt früher begangene Fehler: Mehr Professoren waren seinerzeit erforderlich, um mehr Studierende auszubilden. Aber im „Begleitprogramm“ wurden auch mehr Mitarbeiterstellen eingerichtet. Das führte zunächst zu mehr Promotionen, in der Folge zu einem Anstieg von Habilitationen. Die so Qualifizierten erhoffen sich Professorenstellen, die es nicht gibt. Schon geisterte der Begriff des akademischen Prekariats nicht nur durch die Flure der Hohen Schulen. In der Tat sieht es in bestimmten Fächern nicht gut aus für Nachwuchswissenschaftler, die eine feste Position im Hochschulbereich anstreben. Die reflexartige Reaktion der Politik besteht üblicherweise darin, ein „Programm“ mit einem passenden Namen aufzulegen. So etwas kann aber immer nur die konkrete Situation entkrampfen; das Grundsatzproblem wird meist nicht erkannt, geschweige denn gelöst. Mit der Abschaffung der sog. Ordinarien-Universität hat man zwar die Alleinvertretung der Professoren der höchsten Besoldungsklasse beendet, nicht aber das Lehrstuhlprinzip. Dies bedeutet, dass einer Professur Mitarbeiter zugeordnet werden, eben auch wissenschaftliche Mitarbeiter. Für bestimmte Fächer und auch mit Rücksicht auf große Zahlen von Studierenden bedurfte es einer solchen Ausstattung. Nicht in allen Fächern und bei allen neuen Stellen für Professoren aber war es zwingend, einen „Hofstaat“ einzurichten. Solche Begehrlichkeiten hatten auch Prestigegründe: Man wollte möglichst so dastehen wie frühere Professoren-Generationen; gelegentlich wirkte es zwanghaft, selbst Mitarbeiter zum Dr. geleiten und Habilitanden als „Schüler“ zu generieren – mit der Folge einer „Überproduktion“. Richtiger wäre gewesen, einen Teil neu geschaffener Professorenstellen ohne zusätzliches Personal einzurichten, nach dem Motto: „Selber forschen“. So sind auch bei dem jetzt akuten Problem die Konsequenzen einer Hochschulpolitik festzustellen, die in der Regel nur auf ein gerade akutes Anliegen geblickt hat (seinerzeit: zu wenig Professoren) und nicht bedachte, was aus der einen oder anderen getroffenen Maßnahme folgt. Leidtragende sind dann die, die sich auf das Abenteuer einer wissenschaftlichen Laufbahn eingelassen haben. Sie sind qualifiziert; Stellen, auf die sie berufen werden können, fehlen. Von einer befriedigenden Lösung der Personalstruktur und der Nachwuchsförderung ist das deutsche Hochschulrecht weit entfernt. So wird, wenn Stellen entfristet werden, damit die Inhaber eine gesicherte Dauerstellung erhalten, nicht beachtet, dass es für die nächstfolgende Generation von Nachwuchswissenschaftlern an Stellen fehlt, selbst an befristeten. Es ist nicht in erster Linie fehlendes Geld, sondern ein zum Teil unübersichtliches und nicht ausgewogenes System der Stellen. Eine dauerhaft haltbare Personalstruktur kann nur erreicht werden, wenn von den einzelnen Fächern ausgegangen wird und danach bestimmt wird, wie viele Professuren 994
Turner, Tagesspiegel v. 2. 10. 2017, S. 23.
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eingerichtet werden. Auch auf Dauer angelegte Professuren müssen nicht zwingend eine Ausstattung mit Assistenten haben. Bei der Zahl der Nachwuchswissenschaftler muss es Zeit- und Dauerstellen geben, deren Verhältnis zueinander allerdings nicht ständig einer Änderung unterzogen werden darf. Zu einer Chancengewährung für den Nachwuchs gehört auch Übersichtlichkeit und Berechenbarkeit des Tableaus der Stellen. Daran aber fehlt es, wenn permanent neue Vorschläge, die noch dazu nur bestimmte Aspekte berücksichtigen, umgesetzt werden. Bleibt es bei dem derzeitigen Zustand der ständigen Reformen wird es für potentiell hochqualifizierten Nachwuchs immer unattraktiver, sich auf das Wagnis der Wissenschaft an Universitäten einzulassen. Besser bezahlte Positionen in Wirtschaft und Industrie und Positionen in außeruniversitären Forschungseinrichtungen ziehen dann die Besten ab. Welche Unsicherheiten hinsichtlich einer übersichtlichen und tragfähigen Personalstruktur herrschen, belegt der Entwurf einer Novelle zum baden-württembergischen Hochschulgesetz. Nachwuchswissenschaftler sollen stärker gewürdigt werden, indem Doktoranden einen eigenen Status als Hochschulgruppe erhalten und damit einen eigenen Vertreter im Senat bekommen.995 Das ist eher ein Versuch, aus Verlegenheit etwas an „Reform“ zu erbringen als ein konstruktiver Vorschlag996. b) Vergütungssystem Die Frage nach einem geeigneten System der Besoldung für das wissenschaftliche Personal wurde in der Öffentlichkeit lange Zeit wenig diskutiert. Doch wirkte die Debatte über mehr Wettbewerb und Effizienz im Hochschulbereich ebenso wie eine stärkere Betonung der Lehre gegenüber der Forschung Mitte der neunziger Jahre wie eine Initialzündung und brachte das Thema in die Debatte. Dabei spielte vor allem die Frage der Berücksichtigung individueller Leistungen bei der Besoldung eine zentrale Rolle. Neu waren die Überlegungen zu einer leistungsorientierten Bezahlung der Professoren jedoch nicht. Der Wissenschaftsrat hatte sich bereits 1970 in seinen „Empfehlungen zur Struktur und zum Ausbau des Bildungswesens im Hochschulbereich nach 1970“997 zum geltenden Besoldungsrecht geäußert: Allein die Tatsache, dass Wissenschaftler vielfach in relativ frühem Lebensalter ihre größte Leistungsfähigkeit erreichen, verbiete es, im Hochschulbereich ein lediglich vom Alter abhängiges Besoldungssystem anzuwenden. Der Wissenschaftsrat forderte daher, die starre Bindung der Besoldungssteigerung an die Dauer der Dienstzeit durch eine Vorwegnahme der Dienstaltersstufen sowie durch eine flexible Handhabung der zur Besoldung gehörenden Zulagen aufzulockern. Es müsse ein Besoldungssystem vorgesehen werden, das ermögliche, die Bezüge des Einzelnen unabhängig von 995 996 997
Stuttgarter Zeitung v. 1. 9. 2017. s. o. B. II. 1. c). S. 129.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
seinem dienstrechtlichen Status und der Dauer der Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst entsprechend der Leistung und entsprechend den übernommenen Aufgaben festzulegen. Mit diesen Vorstellungen gab der Wissenschaftsrat den Rahmen für alle Diskussionen vor, die ab 1970 zu dem Thema geführt wurden. Vor allem während der Beratung des Hochschulrahmengesetzes von 1976 wurde intensiv um ein neues Besoldungssystem für Hochschullehrer gerungen. Das Hochschulrahmengesetz bzw. das zeitgleich verabschiedete Bundesbesoldungsgesetz schuf drei Besoldungsgruppen für Professoren (C2, C3 und C4). Dabei wurde – entgegen dem Votum der WRK998 – auch geregelt, für Professoren an Fachhochschulen nur die Besoldungsgruppen C2 und C3 einzurichten. Vorausgegangen waren Vorschläge der KMK und ein Gesetzentwurf des Bundesrats zur Neuordnung des Beamten- und Besoldungsrechts im Hochschulbereich. Die Entscheidung darüber, wer in welche Besoldungsgruppe eingestuft wird, sollte abhängig sein von der Tätigkeit. Auch wurde geregelt, dass mögliche Zuschüsse zum Grundgehalt (z. B. aufgrund von Rufen oder Bleibeverhandlungen) nur für die Besoldungsgruppe C4 gewährt werden. Bis dato gab es als Anreiz nur sog. Kolleggelder, die vor allem die Zahl der Studenten nach Maßgabe der belegten Lehrveranstaltungen berücksichtigte. Die Kolleggelder waren jedoch bereits Ende der sechziger Jahre abgeschafft worden.999 Die Überlast an den Hochschulen und die damit einhergehende wachsende Bedeutung der Lehre verursachten immer häufiger Kritik an der Arbeitseinstellung einzelner Professoren. So kritisierte der bekannte Münchner Soziologe Sontheimer, dass jemand, der zum Professor avanciert sei, keine ernsthafte Kritik seiner Tätigkeit mehr zu fürchten habe.1000 Das Dienst- und Beamtenrecht erschien zu schwerfällig, um z. B. Disziplinarverstöße mit Entlassungen zu ahnden. aa) Leistungsorientierte Besoldung Eine breitere Diskussion kam in Gang, nachdem die HRK im Januar 1997 in ihren „Zehn Thesen zur künftigen Gestaltung des Hochschulrechts in Bund und Ländern“1001 eine stärkere Leistungsorientierung im Hochschuldienstrecht gefordert hatte. Eine leistungsorientierte Mittelvergabe müsse ergänzt werden um leistungs998
WRK, Zur Neuordnung der Hochschullehrerbesoldung im Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Zweites Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern. Stellungnahme der Westdeutschen Rektorenkonferenz, verabschiedet in der 195. Sitzung des Präsidiums am 1. August 1974; gebilligt vom 5. Senat der Westdeutschen Rektorenkonferenz, 22. Oktober 1974,WRK, Arbeitsbericht 1974, S. 143 ff. (144 f.). 999 Rosigkeit, Reformdefizite der deutschen Hochschulen, S. 183. 1000 dpa 28/92, S. 12 f. 1001 HRK, Zehn Thesen zur künftigen Gestaltung des Hochschulrechts in Bund und Ländern. Beschluss des 80. Senats der Hochschulrektorenkonferenz. 28. Januar 1997, in: HRK, Arbeitsbericht 1997, S. 39 ff. (41).
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bezogene Bezahlung und Leistungsanreize. Die HRK wollte den Hochschulen auch die Verantwortung für Personalangelegenheiten (incl. Personalbemessung und Dienstherreneigenschaft) übertragen. Der Vorschlag sah vor, dass Professoren nicht mehr beim Land, sondern bei den Hochschulen beschäftigt werden.1002 Die Forderungen der HRK wurden von der Politik aufgegriffen. So befürwortete der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Zöllner ebenfalls eine Reform des Vergütungssystems. Mit einem Zuschuss sollten überdurchschnittliches Engagement in der Lehre, besonders aufwendige Seminare und eine hohe Zahl von Examenskandidaten belohnt werden.1003 Das früher gewährte Hörer- oder Kolleggeld sei eher ein „Kopfgeld“ gewesen. Für seine Vorschläge erhielt Zöllner Beifall von allen Seiten.1004 Bundesbildungsminister Rüttgers und Wissenschaftspolitiker aus Bund und Ländern unterstützten den Vorstoß ebenso wie HRK-Präsident Erichsen. Zusätzlich wurde angeregt, dass auch Auszeichnungen, Patente und Veröffentlichungen Einfluss auf das Einkommen „nach oben und unten“ haben sollten.1005 Praktisch jedoch geschah nichts. So ergriff der neue HRK-Präsident Landfried im Sommer 1997 wiederum die Initiative.1006 Im November 1998 verabschiedete die HRK „Empfehlungen zum Dienst- und Tarif-, Besoldungs- und Vergütungsrecht sowie zur Personalstruktur in den Hochschulen“.1007 Inhalt war die leistungsorientierte Besoldung der Hochschullehrer. Dazu sollten die bisher geltenden Besoldungsgruppen und die Alterszulagen durch ein einheitliches Basisgrundgehalt und durch Leistungs-, Belastungs- oder Funktionszulagen abgelöst werden. Letztere seien „variabel, befristet oder auf Dauer“ zu vereinbaren. Das Basisgehalt musste danach niedriger ausfallen als das bisher übliche Gehalt.1008 Nach der Veröffentlichung der Empfehlungen gerieten zunächst der HRK-Präsident Landfried und der DHV-Präsident Schiedermair heftig aneinander.1009 Vor der Abstimmung im HRK-Plenum hatte Schiedermair noch versucht, Landfried von 1002
dpa 35/97, S. 16. dpa 8/97, S. 1 f. 1004 dpa 9/97, S. 8 f. 1005 dpa 47/96, S. 6. 1006 dpa 35/97, S. 7 f. 1007 HRK, Entschließung des 186. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz v. 2. November 1998. Turner, Für Ärger bei den Professoren ist gesorgt, Der Tagesspiegel v. 22. 3. 1999, S. 28. 1008 Andere Vorschläge zielten auf ein sogenanntes „business re-engineering“ ab, d. h. eine Neustrukturierung der Besoldung anhand von Kriterien für Forschung, Lehre, Beratung, Management und Organisation in der Hochschule (so der Hamburger Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftspolitik Pfähler [HRK-Pressespiegel Nr. 41/96, S. 7 f.]). 1009 DUZ 22/1998, S. 9 ff. Eine ähnliche Kontroverse hatte es zwischen WRK und DHV bereits um die Bewertung der Präsidialverfassung gegeben, vgl. Turner, FR v. 4. 8. 1982, S. 15. 1003
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seinem Vorhaben abzubringen. Auch der Hochschullehrerbund (hlb) als Vertretung der Fachhochschul-Professoren, der zuvor einen detaillierten Gegenentwurf zum Dienstrecht präsentiert hatte, versuchte, die HRK-Spitze umzustimmen. Und selbst innerhalb der HRK sorgte das Papier wie kaum ein anderes zuvor für Streit.1010 So brach im Anschluss an die Veröffentlichung ein Sturm der Entrüstung los. Die Kommentare von Hochschulvertretern reichten von „Kampfansage“ über „Mogelpackung“ bis zu „unglaublicher Vorgang“ und „nicht akzeptabel“.1011 Kritik entzündete sich vor allem daran, dass die HRK andere Verbände im Vorfeld nicht ausreichend an der Entscheidungsfindung beteiligt habe. Der Vorsitzende des Verbands Hochschule und Wissenschaft im Deutschen Beamtenbund bezeichnete das Vorgehen der HRK deswegen gar als „ungeheuerlich“. Eine Dienstrechtsreform könne nur „evolutionär mit den Betroffenen“ durchgesetzt werden.1012 Die Professorenverbände fürchteten vor allem, dass die Empfehlungen am Ende nur den Finanzministern in die Hände spielten. Die Politik werde auf die Absenkung der Eingangsbesoldung jauchzend eingehen. Dass die eingesparten Mittel den Präsidenten und Rektoren zur Verfügung gestellt werden, um dann Leistungen prämieren zu können, glaube doch kein Mensch.1013 Bereits in einem Vorschlag im Frühjahr 1998 einer von Bund und Ländern eingesetzten Arbeitsgruppe waren ähnliche Reformen enthalten,1014 die jetzt heftig kritisiert wurden. Sie sahen ebenfalls die Zusammensetzung des Gehalts aus einer leistungsunabhängigen Grundvergütung und einer Leistungsvergütung vor und hatten zur Voraussetzung, dass das neue Besoldungssystem nicht mehr kosten dürfe als das alte. Abgelehnt wurde eine einheitliche Grundvergütung von Fachhochschulund Universitätsprofessoren nach C2.1015 Demgegenüber liefen andere Vorschläge gerade auf ein einheitliches Grundgehalt für Universitäts- und Fachhochschulprofessoren oder auf die Herabstufung des Grundgehalts für Universitätsprofessoren auf C3 und desjenigen für FachhochschulProfessoren auf C2 hinaus.1016 So unterstützte etwa die GEW Forderungen nach einer 1010
DUZ 22/1998, S. 9 ff. (10). DUZ 22/1998, S. 10. 1012 Zit. nach DUZ 22/1998, S. 11. 1013 Schiedermair, zit. nach DUZ 22/1998, S. 11. 1014 „Leistungsorientierte Besoldung von Professoren sowie Mitgliedern von Hochschulund Fachbereichsleistungen“ (DUZ 8/1998, S. 8 f.). 1015 Zu den Einzelheiten vgl. DUZ 8/1998, S. 8 f. (9). 1016 Auf einem Nebenschauplatz kochte auch bei diesem Thema der Streit zwischen den Fachhochschul- und den Universitätsprofessoren hoch. Schiedermair wehrte sich gegen die Vorstellung eines identischen Grundgehalts für Fachhochschul- und Universitätsprofessoren, da sie die Unterschiedlichkeit der Aufgaben und den Unterschied der Berufe verkenne. Aber, so der DHV-Präsident, man wisse ja um den großen Einfluss der Fachhochschulen in der HRK. Die Standesvertreter der Fachhochschulen beklagten demgegenüber die mangelnde Solidarität der Universitäten, eine gemeinsame Besoldungsbasis aufzubauen, und fühlten sich einmal mehr in der HRK nicht gut vertreten. 1011
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einheitlichen Grundvergütung für Universitäts- und Fachhochschul-Professoren.1017 Die SPD hatte bereits in ihren Vorschlägen zur Reform der Hochschulen von 1969 betont, dass Differenzierungen in den persönlichen Bezügen, etwa über Hörgeldpauschalen oder Sondervereinbarungen möglich und im Interesse einer fruchtbaren Konkurrenz sogar wünschenswert seien, es darüber hinausgehende Unterschiede jedoch nicht mehr geben solle.1018 Eine neue Runde im Streit zwischen HRK und dem DHV läutete im Sommer 1999 HRK-Präsident Landfried ein, als er in einem Interview die Auffassung vertrat, dass als letztes Mittel, „faulen Professoren der Rausschmiss“ drohen müsse. Dabei gerieten insbesondere Schiedermairs Angriffe deutlich unter die Gürtellinie“.1019 Es ging dabei um das Ansehen der Professoren in der Öffentlichkeit und um eine Auseinandersetzung zwischen einem Amtsträger (HRK-Präsident) und einem Sprecher der Professoren-Gewerkschaft. Unterdessen zog der Streit Kreise. Landfried wurde vom HRK-Präsidium gegen die Anwürfe Schiedermairs in Schutz genommen und in seinen Äußerungen zur Dienstrechtsreform gestützt.1020 Abweichend davon reagierte der Rektor der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, Kaiser, in einem Rundschreiben an alle Hochschullehrer mit großem Unverständnis auf Landfrieds Aussagen.1021 Doch konnten auch solche Äußerungen nicht verhindern, dass in der Öffentlichkeit immer häufiger faule Professoren gegeißelt wurden.1022 Die Kritik blieb nicht anonym. Da sich Ende der neunziger Jahre eine ganze Anzahl von Gerichten mit Dienstpflichtverletzungen von Professoren zu beschäftigen hatte, bekamen die schwarzen Schafe Namen1023. Aufgrund der lebhaften öffentlichen Debatte nahm sich im Sommer 1999 auch die neue rot-grüne Bundesregierung mit Bildungsministerin Bulmahn, SPD, an der Spitze in einer der ersten Aktionen auf dem Gebiet der Hochschulpolitik des Themas an. Unterstützt wurden ihre Vorstöße zu einer leistungsgerechten Besoldung nicht nur von der Rektorenkonferenz, sondern auch von der GEW, der ÖTV1024 und den Jungsozialisten1025. 1017
dpa 36/99, S. 2. WRK, Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Programmen und Leitsätzen der Parteien (Dokumente zur Hochschulreform XI/1969, S. 45). 1019 dpa 33/99, S. 6. 1020 dpa 38/99, S. 1. 1021 dpa 38/99, S. 1. 1022 Bremer Nachrichten v. 28. 7. 1999, „Faule Professoren öffentlich brandmarken“ (HRKPressespiegel Nr. 33/1999, S. 4). 1023 Besonders spektakulär waren die Fälle von Hajo Schmidt (Heidelberg), Horst Albert Glaser (Essen) und Dietrich Schwanitz (Hamburg). Turner, Schlechte Professorenleistungen müssen bestraft werden, HB v. 26. 1. 2000. 1024 dpa 36/99, S. 2. 1025 dpa 38/99, S. 2. 1018
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Im Spätsommer 1999 berief Bulmahn eine Expertenkommission zum neuen Dienstrecht ein. Die Ministerin sah zu diesem Zeitpunkt eine „Jahrhundertchance“ für eine Reform, da bis zum Jahr 2005 rund die Hälfte der Professoren in den Ruhestand gehe.1026 Vor diesem Generationswechsel müsse ein neues Dienstrecht auf den Weg gebracht sein. Ziel sei die Abschaffung der automatischen Gehaltserhöhungen bei Hochschullehrern. Mehr Geld solle es – neben einem Grundgehalt – nur noch bei entsprechendem Engagement geben. Doch sei nicht etwa daran gedacht, die Besoldung der Professoren abzusenken;1027 die angestrebte Reform sei „keine Aktion zur Senkung der Professorengehälter“1028. Damit entkräftete sie Befürchtungen, die unter anderen Schiedermair geäußert hatte. Doch dieser blieb bei seiner Haltung. In Wahrheit gehe es um den Versuch, im öffentlichen Dienst eine echte Gehaltskürzung vorzunehmen.1029 Ähnlich äußerte sich auch der Rektor der Universität Freiburg.1030 Landfried räumte hierzu ein, dass eine Veränderung des Vergütungssystems ein politisches Risiko enthalte. Möglich sei es immer, dass der Staat entgegen allen Lippenbekenntnissen die Mittel für die Wissenschaft zusammenstreiche. Um in Einzelfällen höhere Gehälter finanzieren zu können, müsse man das Personal an den Hochschulen reduzieren. Weniger Leute müssten mehr verdienen.1031 Diese Argumentation lief darauf hinaus, den Professoren im Ergebnis nicht weniger, sondern mehr Geld zu versprechen. Und bei Vorschlägen zur Erhöhung der Professorengehälter wollte der DHV nicht nachstehen. So schlug Schiedermair schon Anfang 1999 vor, die Besoldungsgruppe C4 für alle Universitätsprofessoren und C3 für alle Fachhochschul-Professoren einzuführen. Darüber hinaus sollten alle Berufungssperren und Berufungsgrenzen wegfallen, ebenso alle Grenzen für die Gewährung von Zuschüssen für besondere wissenschaftliche Leistungen. Diese Forderungen gingen dem Hochschullehrerverbund (hlb) jedoch noch nicht weit genug. Sein Präsident forderte vielmehr eine Grundvergütung für FachhochschulProfessoren, die so hoch anzusetzen sei, dass sie für eine Führungsperson aus der Wirtschaft, die sich im Alter von vierzig Jahren bewirbt, attraktiv erscheint.1032 Trotz aller Versuche, die Professoren für eine Reform des Besoldungssystems zu gewinnen, ebbte die Kritik nicht ab. Die Forderung nach einer leistungsgerechten Bezahlung von Hochschulprofessoren stelle den vorläufigen Gipfel der Demontage der Universität als Einrichtung dar. Offenbar wolle sich unsere Gesellschaft unter
1026
DUZ 18/1999, S. 13. dpa 36/99, S. 1. 1028 DUZ 7/99, S. 6. 1029 Die Welt v. 4. 8. 1999, Professoren brauchen keine Stechuhr (HRK-Pressespiegel Nr. 31/1999, S. 3). 1030 Badische Zeitung v. 1. 9. 1999, Wie viel ist ein Professor wert? (HRK-Pressespiegel Nr. 36/1999, S. 5 f.). 1031 Badische Zeitung v. 1. 9. 1999. 1032 DUZ 18/1999, S. 13. 1027
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Führung eines Kartells der Mittelmäßigen keine geistige Elite in der Wissenschaft mehr leisten.1033 Über solcherlei Blockierer hatte sich Bundesminister Rüttgers bereits 1996 geärgert. Es könne nicht angehen, dass eine Ansammlung von Besitzstandswahrern grundlegende Reformen verhindere. Diejenigen, die 1968 einmal angetreten seien, die Welt zu verändern, hätten sich inzwischen im Mief der eigenen Unzulänglichkeiten in den Universitäten eingenistet.1034 Demgegenüber nahm der GEW-Vorsitzende Wunder die Professoren in Schutz. Nach den Lehrern seien jetzt offensichtlich die Hochschullehrer Ziel von öffentlichen Beschimpfungen.1035 Als Kompromiss zwischen den unversöhnlich scheinenden Positionen von HRK auf der einen und dem DHV bzw. etlichen Professoren auf der anderen Seite deutete sich im Herbst 1999 an, dass den im Dienst befindlichen Hochschullehrern bei Einführung des neuen Besoldungssystems im Jahr 2001 eine Wahlmöglichkeit zwischen dem alten und dem neuen Dienstrecht eingeräumt werden sollte.1036 So war der Streit am Ende der neunziger Jahre noch nicht ausgefochten. Auch blieb strittig, wofür die Zulagen gezahlt werden sollten, nach welchen Kriterien die Leistung gemessen werden und wer über die Zulagen entscheiden sollte. Nach den Vorstellungen der HRK hätte darüber die Hochschulleitung zu befinden, gegebenenfalls auf Vorschlag einer von dieser eingesetzten Kommission. Damit mache man, so der Einwand der Kritiker, aus der Universität langsam aber sicher ein hierarchisch geführtes Unternehmen. Um die Professoren stärker an ihre Lehrverpflichtungen zu erinnern, wurde jedoch nicht nur an Anreizsysteme wie die leistungsgerechte Besoldung gedacht, sondern auch mit verpflichtenden Maßnahmen zur Sicherstellung des Lehrangebots und der Präsenz der Professoren an den Hochschulen operiert. So wurden in den Grundsätzen der Bundesministerien für Bildung und Wissenschaft sowie Forschung und Technologie von 1993 Regelungen zu Präsenzpflichten von Professoren, die Prüfung einer Erhöhung des Lehrdeputats für Professoren an Universitäten und die Gewährleistung des Lehrangebots angemahnt.1037 Forderungen, die Hochschullehrer in ihrer Freiheit bei der zeitlichen Gestaltung ihres Lehrauftrags zu beschneiden und Anwesenheitskontrollen durchzuführen, wurden vereinzelt bereits 1995 erhoben1038 In einem Brief der Kultus- und Finanzminister der Länder an die Bundesregierung vom Oktober 1992 heißt es zur „Umsetzung der Studienstrukturreform“ u. a., dass das Lehrdeputat vordringlich in den nach den Studienordnungen relevanten Bereichen erbracht werden soll; ausgefallene 1033 So ein Passauer Rechtswissenschaftler im HB v. 7. 9. 1999, S. 2 (HRK-Pressespiegel Nr. 36/1999, S. 3). 1034 dpa 35/96, S. 1 f. 1035 dpa, a.a.O. 1036 dpa 36/99, S. 1. 1037 Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft und Bundesministerium für Forschung und Technologie, Grundsätze zur Bildungs- und Forschungspolitik, 1993, S. 13. 1038 HRK-Pressespiegel Nr. 34/1995, S. 7 und Nr. 44/1995, S. 15.
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Stunden sollten im Folgesemester das Angebot in diesen Bereichen erhöhen, nicht nachgefragte Veranstaltungen künftig gestrichen werden. Auch die Präsenzpflicht der Hochschullehrer wurde schon erwogen. So schlug beispielsweise eine Bund/ Länder-Arbeitsgruppe zur Dienstrechtsreform Anfang der neunziger Jahre vor, die Präsenzpflicht bei der Erfüllung des Lehrangebots zu regeln, die Genehmigung von Nebentätigkeiten und Forschungsfreisemestern von der Erfüllung der Lehrverpflichtungen abhängig zu machen und die Leistungen in der Lehre bei Bleibeverhandlungen zu berücksichtigen.1039 Eine weitere Forderung, die in diesem Zusammenhang immer wieder erhoben wurde, wegen ihrer Brisanz jedoch stets rasch in der Schublade verschwand, wurde von der parteilosen niedersächsischen Wissenschaftsministerin Schuchardt im Herbst 1994 vorgetragen1040 : die Erhöhung der Lehrverpflichtung der Universitätsprofessoren von acht auf neun Pflichtstunden. Auch die Absicht der Finanzminister der Länder, zum Teil realisiert, zielte darauf ab, durch eine Veränderung des Lehrdeputats rein rechnerisch die Mehrbelastung aufzufangen. Gesetzliche Regelungen zur Einführung zusätzlicher Dienstverpflichtungen ließen jedoch bis Ende der neunziger Jahre auf sich warten. So wurde beispielsweise in Nordrhein-Westfalen im Sommer 1999 eine Verordnung erlassen, mit der die Dozenten ab dem Wintersemester 1999/2000 verpflichtet wurden, an mindestens drei Tagen pro Woche Lehrveranstaltungen anzubieten und an vier Tagen für die Betreuung und Beratung der Studenten zur Verfügung zu stehen. Schon in der Hochschulgesetz-Novelle vom Juli 1999 war im Saarland die Einführung einer Präsenzpflicht für Professoren vorgesehen gewesen; dies wurde aber zugunsten der Erteilung des Aufsichts- und Weisungsrechts für Hochschulleiter wieder fallengelassen.1041 Skeptisch zu derlei Vorhaben äußerte sich HRK-Präsident Landfried.1042 Statt mehr Zuwendung an die Studenten zu schaffen, könne diese Neuregelung zu einer „Stechkartenmentalität“ bei den Hochschullehrern führen. In Baden-Württemberg gab es bereits seit Juli 1997 – ähnlich wie in NordrheinWestfalen vor der neuen Verordnung – einen Erlass über die Dienstpflichten der Professoren. Auch in Hessen führte die rot-grüne Landesregierung schon im November 1998 eine Regelung im Hochschulgesetz ein, wonach Professoren zwei Stunden pro Woche für die Betreuung von Studienanfängern aufwenden sollen.1043 Von schärferen Einzelkontrollen der Arbeits- und Anwesenheitszeiten von Professoren wollte Hessens neue FDP-Wissenschaftsministerin Wagner nach dem Re-
1039 „Aktualisierungen des Dienstrechts für Hochschullehrer unter Leistungsgesichtspunkten“, zit. nach Frankfurter Institut für wirtschaftspolitische Forschung e.V., S. 25. 1040 dpa 46/94, S. 3. 1041 DUZ 14/1999, S. 11. 1042 dpa 28/99, S. 13. 1043 dpa 52/97 – 01/98, S. 16 f.
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gierungswechsel 1999 jedoch nichts wissen; die eingeführten Regelungen seien ausreichend.1044 Wirklich neu war in Nordrhein-Westfalen nur die Verpflichtung der vollzeitbeschäftigten Professoren, ihr Lehrangebot an mindestens drei Tagen pro Woche zu erbringen. Allerdings wurden aufgrund der fehlenden Sanktionsmechanismen Zweifel an der Wirksamkeit der Verordnung laut. Diese versuchte das Wissenschaftsministerium zu entkräften. Komme der Professor seinen Dienstpflichten nicht nach, könne ihm der Dekan vorübergehend oder auf Dauer Sach- und Personalmittel entziehen, so der zuständige Staatssekretär.1045 War zum Ende der neunziger Jahre die Notwendigkeit einer Dienstrechts- und Besoldungsreform letztlich unstrittig, so blieb doch unklar, wie anders als durch eine leistungsorientierte Besoldung und die Einführung zusätzlicher Dienstverpflichtungen die Situation an den Hochschulen nachhaltig zu verbessern wäre. Denn die Kritik am bestehenden Dienstrecht, wie sie der CHE-Vorsitzende Müller-Böling im September 1999 treffend zusammenfasste, zielte ja auch darüber hinaus: Hochschulautonomie in den Grenzen des heutigen Dienstrechts bedeute, dass Wissenschaftler im Namen der Wissenschaftsfreiheit uneingeschränkte Individualrechte ohne jede Kollektivverantwortung reklamieren könnten.1046 bb) Lösungsversuche Angesichts solcher Befunde wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, ob man den bekannten Missständen nicht durch eine Abschaffung des Beamtenstatus wirksamer begegnen könne. Diese Forderung war ebenfalls nicht neu und aus unterschiedlichen Erwägungen im Lauf der letzten dreißig Jahre schon häufig erhoben worden. Das verwundert insofern nicht, als der Status der Hochschullehrer sowohl in finanzieller wie auch in beamtenrechtlicher Hinsicht schon seit längerer Zeit ein Problem darstellte. Immer wieder wurde überlegt, ob Hochschullehrer überhaupt Beamte sein müssen und – falls ja – ob sie denn Beamte auf Lebenszeit sein müssten. Schon 1970 hatte der Wissenschaftsrat dafür plädiert, für das Dienstverhältnis der an den Hochschulen tätigen Wissenschaftler verschiedene Möglichkeiten vorzusehen. Eine Einstellung als Angestellter sollte neben einer Ernennung zum Beamten auf Zeit und einer Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit bestehen. Damit hätten auch Professoren Angestellte sein können.1047 Ebenso sah das Hochschulrahmengesetz von 1976 in seinem § 46 wenigstens die Möglichkeit vor, Professoren nicht nur auf Lebenszeit, sondern auch auf Zeit zu ernennen. 1044
dpa 33/99, S. 6. DUZ 14/1999, S. 9. 1046 Die Zeit v. 2. 9. 1999, Den Muff aus den Talaren (HRK-Pressespiegel Nr. 35/1999, S. 7). 1047 Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Struktur und zum Ausbau des Bildungswesens im Hochschulbereich nach 1970, Bd. 1: Empfehlungen, 1970, S. 128. 1045
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Doch erst zur Zeit der Wende 1989/90, als hinsichtlich der Entwicklung in den neuen Ländern und deren Auswirkungen auf die westdeutschen Länder vieles offen war oder doch in Frage gestellt wurde, gab es von Regierungsseite gewichtige Äußerungen dagegen, eine Verbeamtung von Hochschullehrern auf Lebenszeit fortzusetzen. So forderte Lammert (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, das Angestelltenverhältnis bei Professoren zur Norm zu machen.1048 Auch Rühe, damals Generalsekretär der CDU, vertrat im März 1992 die Auffassung, dass die Unkündbarkeit von Professoren unabhängig von ihrer Leistung nicht mehr zeitgemäß sei.1049 In diesem Sinn sah auch der wenig später veröffentlichte CDU-Programmentwurf vor, dass die Verbeamtung von Professoren nur noch die Ausnahme bilden sollte.1050 Der sächsische Ministerpräsident Biedenkopf und sein Wissenschaftsminister Meyer (beide CDU) plädierten dafür, die Verbeamtung nur als „definierte Ausnahme“ bundeseinheitlich zu regeln. Auch die gemeinsamen Grundsätze des FDP-geführten Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft sowie des CDU-geführten Bundesministeriums für Forschung und Technologie enthielten die Anregung, eine Überprüfung der Verbeamtung von Professoren vorzunehmen.1051 Die Grünen forderten im November 1995 ebenfalls die Abschaffung des Beamtenstatus. Der anstehende altersbedingte Personalwechsel müsse zu einer Reform der Personalstruktur und des Dienstrechts genutzt werden.1052 In der SPD meldete sich die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Simonis (SPD) im Jahr 1995 mit entsprechenden Vorschlägen zu Wort. Wegen der steigenden Belastung durch Pensionskosten schlug sie vor, die den Beamtenstatus erfordernden „hoheitlichen Aufgaben“ auf den Polizei-, Justiz- und Finanzdienst zu begrenzen. Diese Vorschläge entsprachen dem Tenor der in Nordrhein-Westfalen eingerichteten Kommission „Zukunft der Bildung“ zum Status der Lehrer. Auch für die hessische SPD-Wissenschaftsministerin Hohmann-Dennhardt sollten „Lebzeitprofessuren“ nicht mehr länger die Regel sein.1053 Die baden-württembergische SPD begründete ihre Abkehr vom Beamtenstatus und das Votum für Professuren auf Probe mit dem Argument, Hochschulen müssten sich auch von Professoren trennen können.1054 Damit rückten sie von ihren Vorschlägen zur Reform der Hochschulen aus dem Jahr
1048
dpa 5/92, S. 17. dpa 11/92, S. 13 f. 1050 dpa 21/92, S. 5. 1051 Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft und Bundesministerium für Forschung und Technologie, Grundsätze zur Bildungs- und Forschungspolitik, 1993, S. 13. 1052 dpa 48/95, S. 17 f.; dpa 46/96, S. 3 f. 1053 dpa 38/96, S. 4 ff. 1054 Focus v. 12. 9. 1994 (HRK-Pressespiegel Nr. 37/1994, S. 9 f.). 1049
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1969 ab, wo Professoren noch als „in der Regel hauptberuflich in Forschung und Lehre tätige Beamte auf Lebenszeit“ beschrieben wurden.1055 Derweil machte die regierende CDU wieder eine Kehrtwende. Minister Rüttgers wollte 1996 nicht mehr am Beamtenstatus der Professoren rütteln.1056 Dagegen forderte der langjährige baden-württembergische Ministerpräsident und spätere Industriemanager Lothar Späth (CDU) nach seinem Ausscheiden aus der Politik im Jahr 1997, die Verbeamtung aufzuheben, um die Voraussetzungen für einen echten Leistungswettbewerb zu schaffen.1057 Haushaltsautonomie bleibe ohne die Abschaffung des Beamtentums eine halbe Sache. Der Lehr- und Forschungsberuf bilde eine geschützte Kaste von Menschen heran, die von der Praxis abgekoppelt und dem normalen Leistungswettbewerb entzogen seien. Die HRK unternahm Ende der neunziger Jahre ebenfalls einen neuen Vorstoß. Das Problem beim Dienstrecht sei, so HRK-Präsident Landfried, dass sich einzelne Professoren ihren Pflichten ohne Folge entziehen könnten.1058 Nur mit der Abschaffung des Beamtenstatus für Professoren könne der Stagnation und Verkrustung in Hochschule und Forschung begegnet werden.1059 Unterstützung erhielt Landfried vom fzs (freier zusammenschluss von studentInnenschaften), den Jungen Liberalen und dem Berliner Wissenschaftssenator Radunski (CDU).1060 Hingegen sprach der bayrische Wissenschaftsminister Zehetmair von „durchsichtigem Populismus“. Die Verschärfung des Disziplinarrechts sei eine „reine Schaufenster-Aktion“, die in der Praxis nichts bewirke und die Professorenschaft insgesamt demotiviere.1061 Schiedermaier sah in Landfrieds Vorstoß in erster Linie eine „Diffamierungskampagne gegen Hochschullehrer“. Professoren, die ihre Dienstpflichten nicht erfüllten, könnten schon heute entlassen werden, auch wenn der HRK-Präsident in Unkenntnis des geltenden Dienstrechts immer wieder das Gegenteil beteuere.1062 Der Schritt aus dem Beamtenstatus hinaus in das Angestelltenverhältnis hinein sei ein verkehrter Weg, weil die eigentlichen Verkrustungen ihre Ursache im Tarifrecht und nicht im Beamtenrecht hätten.1063 Auch andere Professoren erhofften sich von der 1055 WRK, Hochschul- und Wissenschaftspolitik in Programmen und Leitsätzen der Parteien (Dokumente zur Hochschulreform XI/1969), 1969, S. 45. 1056 dpa 47/96, S. 6. 1057 Späth, Ende der Reformen. Ein Vorschlag für einen hochschulpolitischen Neuansatz, in: Hollerith (Hrsg.), Leistungsfähige Hochschulen – aber wie? Beiträge zur Hochschulstrukturreform, 1997, S. 51 ff. (57). 1058 Badische Zeitung v. 1. 9. 1999, Wie viel ist ein Professor wert? (HRK-Pressespiegel Nr. 36/1999, S. 5 f.). 1059 dpa 31/32/99, S. 2. 1060 dpa, a.a.O., S. 3. 1061 dpa, a.a.O. 1062 dpa, a.a.O., S. 2. 1063 Die Welt v. 4. 8. 1999, Professoren brauchen keine Stechuhr (HRK-Pressespiegel Nr. 31/1999, S. 3).
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Abschaffung des Beamtenstatus nicht allzu viel, da der Angestelltenstatus hierzulande ohnehin schon fast Beamtenqualität erreicht habe.1064 Einen möglichen Kompromiss zwischen Gegnern und Befürwortern formulierte die Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Schipanski, im August 1996. Demnach sollten Hochschuldozenten erst in einem Lebensalter zwischen 45 und 50 verbeamtet werden.1065 GEW-Vorstandsmitglied Köhler wies Forderungen nach einer längeren Probezeit für Professoren zurück. Zusätzliche Hürden würden die besten Nachwuchswissenschaftler ins Ausland drängen.1066 Der Vorsitzende des DHV-Landesverbands Hessen empfand den Ruf nach stärkerer Kontrolle der Hochschullehrer durch befristete Probearbeitsverhältnisse gar als empörend.1067 Gegen den „Professor auf Probe“ wandte sich auch das Frankfurter Institut für wirtschaftspolitische Forschung. Dies würde die ohnehin bestehende Unsicherheit des wissenschaftlichen Nachwuchses verstärken und den Nachwuchsmangel weiter verschärfen.1068 cc) Derzeitiger (Zwischen-)Stand Einen vorläufigen Abschluss bildete das Professorenbesoldungsreformgesetz im Jahr 2002. Als Ersatz für die Besoldungsordnung C wurde die W-Besoldung („W“ steht für Wissenschaft) mit den Stufen 1 bis 3 eingeführt. Die Entlohnung ist in der Besoldungsordnung W in der Regel niedriger als in der früheren Besoldungsordnung C. Die Grundgehälter sind bei W im Gegensatz zu C altersunabhängig und können bei W 2 und W 3 um Zulagen erhöht werden, die bis zu maximal 40 % des Grundgehaltssatzes ruhegehaltfähig sind. Bei den Besoldungsgruppen W 2 und W 3 können in folgenden Fällen Leistungsbezüge hinzukommen: – aus Anlass von Berufungs- und Bleibeverhandlungen; – für besondere Leistungen in Forschung, Lehre, Weiterbildung, Kunst und Nachwuchsförderung; – für die Übernahme von Funktionen in der akademischen Selbstverwaltung (z. B. als Dekan). Die W 1-Besoldung ist für Juniorprofessuren vorgesehen.
1064
Badische Zeitung v. 1. 9. 1999, Wie viel ist ein Professor wert? (HRK-Pressespiegel Nr. 36/1999, S. 5 f.). 1065 dpa 35/96, S. 1 f.; dpa 36/96, S. 5 f. 1066 dpa 36/96, S. 5 f. 1067 dpa 38/96, S. 4 ff. 1068 Frankfurter Institut für wirtschaftspolitische Forschung e.V., Zur Reform der Hochschulen, 1993, S. 25 f.
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Das BVerfG1069 hat im Jahr 2015 in Bezug auf die hessische W-Besoldung entschieden, dass die Regelung nicht dem Alimentationsprinzip entspricht, weil der Mindestbezug evident unzureichend sei. Neben einer solchen rechtlichen Frage, die korrigierbar ist, bleiben andere offen: Welche Maßstäbe gelten für Zulagen? Welche internen Probleme entstehen, wenn die Entscheidung über Zulagen von der Hochschulleitung getroffen wird, die ihrerseits von einem Wahlkörper abhängig ist, in dem Betroffene Mitglieder sein können. Auch hier wird deutlich, dass bei der Verlagerung von Kompetenzen von den Ministerien an die Hochschulen nicht alle Konsequenzen bedacht worden sind. Gar nicht angesprochen ist die Problematik eines Vergleichs der Einkommen im Hochschulbereich und in der Wirtschaft. Von vornherein abwegig ist es, eine in der Höhe vergleichbare Besoldung im öffentlichen Bereich anzustreben. Bisher sind alle Versuche gescheitert, einen Wechsel von Spitzenmanagern aus der Wirtschaft in die Politik dadurch attraktiver zu machen, dass politische Ämter besser besoldet werden. Solche Versuche müssen misslingen. Man sollte sie gar nicht unternehmen, weil „das Geld“ hierbei kaum der richtige Anreiz ist. Ebenso verhält es sich mit dem Vergleich der Vergütung von Wissenschaftlern und in Wirtschaft und Industrie Tätigen. Die bisherigen Möglichkeiten reichen aus, bei entsprechenden Angeboten erfolgreich zu konkurrieren. c) Mittelverteilung und Verwendung Bei der Einführung von Globalhaushalten stellt sich zugleich die Frage, nach welchen (neuen?) Kriterien die globalen staatlichen Zuschüsse auf die einzelnen Hochschulen verteilt werden sollen und wie diese das ihnen zugewiesene Geld intern an die einzelnen Fakultäten, Institute etc. weitergeben. So wurde während der neunziger Jahre die Neuverteilung der laufenden Mittel für Lehre und Forschung nach Ergebnis- oder Leistungskriterien in mehreren Bundesländern eingehend diskutiert. Befördert wurde die Entwicklung durch die Finanzmittelknappheit und einige gute ausländische Erfahrungen mit einer leistungsgebundenen Mittelverteilung, so z. B. in den Niederlanden. Zum ersten Mal hatte schon im Jahr 1979 der Wissenschaftsrat empfohlen, die Mittelzuweisung an die in Forschung und Lehre erbrachten Leistungen zu knüpfen und das kameralistische Rechnungswesen zu einer Hochschulkostenrechnung weiterzuentwickeln. Auch das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft veröffentlichte bereits 1980 eine Studie zur leistungsorientierten Hochschulfinanzierung.1070 Den Empfehlungen waren mitunter auch Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Hochschulen vorangegangen.1071 Diese wurden u. a. ausgelöst von kritischen 1069
BvL17/09. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.), Hochschulfinanzierung auf der Grundlage leistungsorientierter Kennziffern. 1071 Hierzu Karpen, Hochschulfinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 34. 1070
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Äußerungen einzelner Rechnungshöfe.1072 Dabei fiel insbesondere die z. T. polemische Abfassung der Rechnungshof-Denkschriften auf, die gelegentlich den Charakter einer Kampfschrift annahmen.1073 Mit einer leistungsgebundenen Mittelzuweisung verband sich auch die Hoffnung der Politik, Geld effizienter einzusetzen. Nicht zuletzt deshalb fanden diese Vorschläge den Beifall der Wirtschaft, die ebenfalls eine ergebnisorientierte Finanzierung der Hochschulen und die Bindung der Ressourcenzuteilung an deren Leistungen forderte.1074 Mitte der neunziger Jahre schloss sich auch die HRK den Forderungen nach mehr Leistungsorientierung im Rahmen einer „formelgebundenen Mittelzuweisung“ an.1075 Schon bald stellte sich jedoch das Problem, aussagekräftige und konsensfähige Kriterien sowie Berechnungs- bzw. Erhebungsmethoden für eine Leistungsbemessung im Hochschulwesen zu finden.1076 So wurden zunächst etliche Modelle entwickelt und Studien verfasst; ein Wettbewerb um das beste Modell von Leistungsindikatoren setzte ein.1077 Auf diesem Hintergrund legte im Januar 1996 die KMK ein Papier zur „Differenzierung der Mittelverteilung im Hochschulbereich“ vor. Ungeachtet mancher Schwierigkeiten startete Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland bereits 1992 einen Modellversuch zur leistungsgebundenen Mittelzuweisung zumindest eines kleinen Anteils am Hochschulhaushalt. Bemessungsgrundlage war eine Mischung aus leistungs- und belastungsbezogenen Indikatoren. Es folgten Niedersachsen (Modellversuch an drei Hochschulen seit 1993), Rheinland-Pfalz (seit 1994), Sachsen (seit 1995) und Hamburg. In Niedersachsen wurden die Modellteilnehmer in Landesbetriebe gem. § 26 LHO umgewandelt; sie konnten so von der kameralistischen Buchführung Abschied nehmen und nach den Grundsätzen des kaufmännischen Rechnungswesens bewirtschaftet werden.1078 Baden1072 Denkschrift 1988 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Baden-Württemberg mit Bemerkungen zur Haushaltsrechnung 1986, S. 75 ff. 1073 So z. B. Denkschrift Baden-Württemberg 1975, S. 42 f.; vgl. auch FAZ v. 8. 10. 1975, „Angriffe auf die Universitäten, Vorwürfe gegen das baden-württembergische Kultusministerium“: Der in Baden-Württemberg eingesetzte Untersuchungsausschuss kam zu dem Ergebnis, der Rechnungshof sollte die Universitäten häufiger und intensiver prüfen angesichts „der Höhe der den Universitäten zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und ihrem Bestreben, sich nicht in allen Bereichen in die Akten schauen zu lassen“. Der Ausschuss bemängelt zudem, dass das Kultusministerium dem „Reservatsdenken der Universitäten nicht konsequent genug entgegenwirke“. 1074 Bundesverband der Deutschen Industrie u. a., S. 16. 1075 HRK, Zur Finanzierung der Hochschulen. Entschließung des 179. Plenums. 9. Juli 1996, HRK, Arbeitsbericht 1996, S. 81 ff. 1076 Hüfner, Inter- und intra-universitäre Kennzahlen-Systeme zwischen Anspruch und Wirklichkeit, S. 73 ff. und Müller-Böling/Ziegele, Einführung: Notwendigkeit und Typisierung neuer Modelle staatlicher Finanzierung, HIS-Kurzinformation A 9, 10/97, S. 6 ff. 1077 Hödl, Ökonomische Anreize zur Hochschulsteuerung, S. 147 ff. 1078 Zu den einzelnen Modellversuchen Blümel/Bender/Behrens, S. 72 ff. und Palandt, Hochschulautonomie im Spannungsfeld von Staat und Hochschule, S. 19 ff. (25 f.).
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Württemberg führte im Jahr 2000 eine Leistungs- und Kostenrechnung mitsamt Controllinginstrumenten ein – aus der Überlegung, dass die kaufmännische Buchführung am besten geeignet sei, Leistungen und Kosten miteinander zu vergleichen und damit eine interne Verteilung der den Hochschulen zugewiesenen Mittel nach Leistungskriterien zu erleichtern. Die Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens wurde aber nicht von allen für zwingend notwendig befunden; denkbar sei mit ähnlichem Erfolg auch eine Verfeinerung des kameralistischen Systems.1079 Vom Jahr 2001 an wurde auch in Hessen neben einem sog. Hochschul-Programmhaushalt ein zweistufiges Budgetierungssystem eingeführt, in dem das Land nach leistungsorientierten Kennzahlen Mittel an die Hochschulen verteilt. Zudem wurden ab diesem Zeitpunkt auch die hessischen Hochschulen als Landesbetriebe gem. § 26 LHO geführt und die kameralistische Buchführung durch ein kaufmännisches Rechnungswesen ersetzt.1080 Der Anteil der formelgebundenen Finanzzuweisungen an die Hochschulen im Rahmen der Modellversuche bzw. der ersten gesetzlichen Regelungen war zunächst nur gering. So betrug er anfänglich weniger als 1 % des Hochschulhaushalts in Niedersachsen und nur 2,8 % in Nordrhein-Westfalen, 5,2 % in Sachsen und 5,8 % in Rheinland-Pfalz.1081 Baden-Württemberg hingegen sah in seinem Entwurf zur Hochschulgesetz-Novellierung für den Doppelhaushalt 2000/2001 einen Anteil von zunächst 14 % leistungsgebundener Mittelzuweisungen vor. Dies hatte zuvor eine Hochschulstrukturkommission empfohlen. Ab dem Doppelhaushalt 2002/2003 stieg der Anteil auf 21 %, ab 2004/2005 dann bereits auf 28 %. Dieser leistungsgebundene Anteil unterteilt sich in einen „Volumenteil“, der bei der Mittelzuweisung anhand von Indikatoren (wie der Zahl der Studierenden, der Absolventen und der Promotionen sowie der Höhe der eingeworbenen Drittmittel) auf den Umfang der in Lehre und Forschung erbrachten Leistungen abstellt, und einen „Anreizteil“, der die jährliche Leistungsentwicklung innerhalb der einzelnen Universitäten zur Verwirklichung der hochschulpolitischen Ziele zum Maßstab nimmt. Im Anreizteil sollen insbesondere Faktoren gelten, wie die Verbesserung des Verhältnisses der Absolventenzahl zur Studierendenzahl, die Verringerung der Zahl der Langzeitstudierenden, die Erhöhung der Zahl der ausländischen Studierenden und des Anteils der Drittmittel pro Zuschuss.1082 Einige weitere Indikatoren betreffen die Verbesserung der Situation der Frauen an den Hochschulen. Bei diesem Anreizteil soll kein Vergleich der Universitäten untereinander erfolgen, sondern eine Bewertung der Leistungsbilder jeder einzelnen Universität.
1079 Müller, Manfred, Wirkungsvolle Integration der Rechnungssysteme, VOP 7 – 8/98, S. 39 ff. am Beispiel eines Kulturamtes. 1080 CHE, Check up 1/99, S. 10. 1081 KMK, Differenzierung der Mittelverteilung im Hochschulbereich, S. 4. 1082 Hierzu auch die generellen Ausführungen von Hödl, S. 153 ff.
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Diese Vorschläge wurden von den Hochschulrektoren im Land ohne großes Murren akzeptiert.1083 Die anfängliche Skepsis wich der Hoffnung auf neue finanzielle Spielräume. So sah man auch darüber hinweg, dass Wissenschaftsminister v. Trotha (CDU) davon sprach, die Universitäten auf Dienstleistung trimmen zu wollen.1084 Nicht alle Hochschulvertreter mochten jedoch an dieser Entwicklung Gefallen finden. Nicht wenige sahen in der gesamten ökonomischen Diskussion einen Angriff auf die Idee der Universität. Deren Aufgabe gehe weiter als nur kostengünstig produzierte und unmittelbar verwertbare Produkte herzustellen. Deshalb sei es schlicht unsinnig, manche Parameter wie in der Industrie zu berechnen.1085 Für einen großen Fehler wurde es gehalten, den lauthals verkündeten Forderungen nachzugeben, die Universitäten nur noch unter den betriebswirtschaftlichen Kategorien einer Input-Output-Rechnung zu betrachten und zu steuern.1086 Man sah die Hochschulen zu Aktiengesellschaften verkommen und die Lehre und Forschung am Gängelband der Wirtschaft.1087 Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Schiedermair, bezeichnete „das Gerede von der Autonomie“ gar als die Kunst, einem den Strick als Halskette zu verkaufen.1088 Jedenfalls konnte diese Kritik nicht verhindern, dass auch das HRG in der Neufassung vom August 1998 nunmehr in seinem § 5 die leistungsgebundene Mittelzuweisung unter Berücksichtigung des Gleichstellungsauftrags vorsah. Ungeklärt blieb jedoch in den meisten Landeshochschulgesetzen wie auch im HRG die Frage der hochschulinternen Verteilung der zugewiesenen Mittel. Hier wollte man wohl den Hochschulen eine autonome Entscheidung vorbehalten. Bei allen Diskussionen über mehr Wirtschaftlichkeit im Bereich der Hochschulen ist eine wesentliche Grundentscheidung letztlich nicht getroffen worden, nämlich ob die Hochschulen mehr politische Gebilde oder mehr betriebswirtschaftlich orientierte Einrichtungen sein sollen. Dabei konnte es angesichts der Entwicklung über Jahrzehnte nicht um ein Entweder/Oder gehen. Vielmehr wäre es darauf angekommen, mit möglichst geringem gesetzgeberischem Aufwand die Tendenz in die gewünschte Richtung zu verstärken,1089 wobei die Kernaufgabe, Lehre und Forschung zu betreiben, im Mittelpunkt zu stehen hat. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass übersehen wurde, wo die Grenzen für mehr Wirtschaftlichkeit 1083
Stuttgarter Zeitung v. 1. 6. 1999, S. 6. HB v. 1. 6. 1999, S. 7. 1085 FR v. 8. 10. 1998, Nach der Herrschaft der Juristen das Diktat der Betriebswirte? (HRKPressespiegel Nr. 41/98, S. 10). 1086 Ebda. 1087 FR v. 4. 6. 1998, Die Seele der Uni nicht an die Wirtschaft verkauft (HRK-Pressespiegel Nr. 23/98, S. 3). 1088 Stuttgarter Zeitung v. 16./17. 7. 1994, Zwischenfrage, S. 184 (HRK-Pressespiegel Nr. 29/94, S. 5). 1089 Turner, Hochschulpolitik, S. 80. 1084
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liegen. So bleibt am Ende nur zu hoffen, dass einerseits wissenschaftliche Arbeit nicht sachfremden Regeln unterworfen wird und andererseits die Verteidigung der Freiheit der Wissenschaft effizienzorientierte Maßnahmen nicht blockiert. d) Evaluation der Lehre und Qualitätssicherung Im Kontext der wachsenden Wettbewerbsorientierung der deutschen Hochschulen und der Diskussion über eine Studienreform rückte auch die Hochschullehre unter dem Aspekt der Bewertung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Hochschulpolitik. So forderte beispielsweise Bundesbildungsminister Ortleb (FDP) im Jahr 1993, die Hochschullehrer mehr nach ihrer Leistung in Forschung und Lehre zu bewerten.1090 Man interessierte sich nun verstärkt für die Leistungen, die einzelne Hochschulen und Fachbereiche in der Lehre erbrachten sowie für deren Qualität und Effizienz – auch und gerade im Vergleich der Hochschulen.1091 Dabei stand man vielerorts erst am Anfang. Über die Qualität in Lehre und Studium wussten die Hochschulen selbst zu wenig.1092 Als Mittel zur Überprüfung der Lehrqualität dient die Evaluation. Diese geht über das reine Controlling hinaus, d. h., es geht um mehr als die ressourcenbezogene Leistungs- und Kosteninformation, um mehr als die Überprüfung der Zielerreichung und der Messung an selbstgesetzten Maßstäben der Institution.1093 Da Evaluation die Verbesserung der Lehrqualität zum Ziel hat, ist sie fast untrennbar mit der Qualitätssicherung verbunden. Zu unterscheiden ist zwischen einer nur nach innen wirkenden Evaluation und einer nach außen wirkenden – sprich: einer für die Mittelzuweisung maßgeblichen – Evaluation. Die externen Evaluationen werden von sog. Peer Groups durchgeführt; zu diesen sind auch Hochschulstrukturkommissionen zu zählen, die beispielsweise alle Hochschulen eines Landes evaluieren – auch um Einsparpotenziale auszuloten. Im benachbarten Europa gelten Evaluationen und Ranglisten für Fakultäten bereits seit vielen Jahren als eine Selbstverständlichkeit. Für Deutschland, wo Evaluation als Begriff erst Anfang der neunziger Jahre aufkam1094 und zunächst fast ausschließlich die Bewertung der DDR-Hochschulen bezeichnete, könnte man den Schluss ziehen, dass Untersuchungen auf seriöser Grundlage buchstäblich unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor sich gingen und nicht zuletzt deshalb praktisch folgenlos blieben. Eine Ausnahme bildete lediglich das 1993 von Wissenschaftsministerin Brunn (SPD) in Nordrhein-Westfalen angestoßene Pilotprojekt zur
1090 1091 1092 1093 1094
dpa 37/1993, S. 4. Hoffmann, Transparenz, Evaluation, S. 137. Lüthje, Evaluation im Verbund, S. 149. Brinckmann, Die neue Freiheit der Universität, S. 170. Rindermann, Lehrevaluation an Hochschulen, S. 233.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Messung der „Qualität der Lehre“, das erstmals eine von Regierungsseite1095 verordnete studentische Veranstaltungskritik etablierte und damit Studierende in den Prozess der Verbesserung der Lehre einbeziehen wollte.1096 Die etwa 9,5 Mio. Mark teure und per Ministerialerlass verfügte Studentenbefragung mit dem Ziel, Verbesserungsmöglichkeiten für die Lehre zu finden, hat sowohl an den Hochschulen wie auch in der Kultusbürokratie für erhebliche Unruhe gesorgt. Angesichts des Widerstands, der sich unter den „Evaluierten“ regte, verfolgte Brunn ihr Projekt bald nur noch halbherzig. Zwar hat die Wirkungskontrolle des Pilotprojekts gewisse Trends ergeben; von einer allgemein gelungenen Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse konnte jedoch weder in Nordrhein-Westfalen noch anderswo die Rede sein. Der hochschulpolitische Sprecher der nordrheinwestfälischen CDU-Landtagsfraktion sprach denn auch von einem „millionenteuren Unding“.1097 Problematisch war hinsichtlich der Lehrbewertung lange Zeit, dass Kriterien für eine Evaluation fehlten. Entsprechend begannen in den neunziger Jahren viele Institutionen und Verbände in Bund und Ländern damit, sich in einer Vielzahl von Veranstaltungen mit Verfahren zur Qualitätsevaluation und -sicherung zu beschäftigen.1098 Selbst die Europäische Union startete Anfang 1995 ein Pilotprojekt zur Evaluation der Lehre. Kritische Stimmen sprachen deshalb schon von einem sich verselbständigenden „Evaluations-Aktionismus.“1099 In anderen europäischen Ländern wie insbesondere den Niederlanden und auch in den USA hatte diese Diskussion schon gut zehn Jahre früher eingesetzt. In den Niederlanden wurde die Entwicklung eines Systems der Qualitätskontrolle gar zur Voraussetzung für die Gewährung von mehr Autonomie für die Hochschulen gemacht. Anders als teilweise in Deutschland stehen bei der niederländischen Qualitätsevaluation im Übrigen ausdrücklich nicht das Ranking und die Umverteilung von Mitteln durch die Erforschung von Einsparmöglichkeiten im Vordergrund.1100 Die Ziele der Evaluation an deutschen Hochschulen hatte die HRK 1995 präzisiert: – die Leistungen der Fachbereiche umfassend zu dokumentieren; – Aufschluss über die Mittelverwendung zu geben sowie – Maßstäbe für die aufgabenbezogene Bewertung der Qualität und Verfahren zur Qualitätssicherung auf Fach-, Fachbereichs- und Hochschulebene zu entwickeln.1101
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Ähnlich aber schon die Aktion „Prüf den Prof“ des RCDS, dpa 20/93, S. 14. dpa 30/93, S. 16. dpa, a.a.O. Richter, Qualitätssorge in der Lehre, S. VIII. Rheinischer Merkur v. 18. 2. 1994 (HRK-Pressespiegel 8/94, S. 6). Richter, S. IX ff. HRK, Arbeitsbericht 1995, 1996, S. 82.
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Diese Ziele wurden in einen Rahmenbeschluss gegossen, in dem die Prinzipien der Evaluation und ihr positiver Initialcharakter für weitergehende Hochschulreformen bestätigt wurden. Im Jahr 1997 veröffentlichte auch der Wissenschaftsrat Empfehlungen zur Stärkung der Lehre durch Evaluation. Zur Überprüfung der erreichten Ergebnisse legte die HRK 1998 einen Bericht zur Qualitätsbewertung und Qualitätsentwicklung an deutschen Hochschulen vor.1102 Einen deutlichen Akzent legte die HRK bei all ihren Empfehlungen auf die Aspekte Wettbewerb und Profilbildung.1103 Vorreiter bei der Evaluation waren einige norddeutsche Hochschulen, die sich im Juni 1994 mit dem Ziel interner Evaluationen im Rahmen des sog. Nordverbundes (Rostock, Kiel, Hamburg, Bremen und Oldenburg) zu einem Evaluationsverbund zusammengeschlossen hatten.1104 Frei von staatlicher Intervention und Vereinnahmung sollte eine selbstgestaltete Evaluation durchgeführt werden. Diese Pläne ließen sich jedoch nicht durchsetzen. Denn schon bald trat die niedersächsische Wissenschaftsverwaltung auf den Plan und schuf eine zwar autonom arbeitende, jedoch vom Ministerium kontrollierte und von diesem finanziell abhängige „Evaluationsagentur“. Alle Universitäten des Nordverbundes wurden zur Mitgliedschaft in dieser Agentur gezwungen – ein Musterbeispiel für die Schwierigkeiten der Hochschulverwaltung, Autonomie zu gewähren. Darüber hinaus war es mancherorts – etwa an der Universität Aachen oder an der WHU Koblenz – längst gängige Praxis, Veranstaltungen intern zu bewerten. Erste Initiativen zur Messung der Leistung innerhalb von Hochschulen gab es übrigens bereits früher, so zum Beispiel studentische Vorlesungsrezensionen über Inhalte und ihre gesellschaftliche Relevanz in den sechziger Jahren. Diese arteten allerdings an manchen Orten in Störungen und gewaltsamen Boykott unliebsamer Professoren aus. In der Folgezeit konzentrierte die – an Bedeutung zunehmende – Hochschul-Didaktik ihre Untersuchungen im Zusammenhang mit den neugegründeten Reformuniversitäten mehr auf diese Aspekte. Erst die Entwicklung zur Massenhochschule der achtziger Jahre lenkte die Aufmerksamkeit auf die insgesamt unbefriedigende Situation im Lehrbereich, wie sie jedenfalls vom Gros der Studentenschaft empfunden wurde. Jetzt gingen die Bestrebungen auch dahin, durch Evaluation und Qualitätssicherung die Situation der Studierenden zu verbessern. Nicht zuletzt seit einer „Spiegel“-Umfrage wurden von den verschiedensten Seiten Vorschläge unterbreitet, 1102 HRK, Evaluation: Sachstandsbericht zur Qualitätsbewertung und Qualitätsentwicklung in deutschen Hochschulen (Dokumente und Informationen 1/1998); vgl. auch HRK, Evaluation und Qualitätssicherung an den Hochschulen in Deutschland: Stand und Perspektiven. Nationales Expertenseminar der Hochschulrektorenkonferenz, 29. Mai 1998 (Beiträge zur Hochschulpolitik 6/1998). 1103 Hierzu schon HRK, Profilbildung im internationalen Vergleich: Fachtagung der Hochschulrektorenkonferenz am 24. Februar 1994 (Dokumente zur Hochschulreform 98/ 1994). 1104 Daxner, Ist die Uni noch zu retten? S. 67 ff.
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wie man durch eine stärkere Betonung der Lehre gegenüber der Forschung oder durch Preise für gute Lehre die Studiensituation verbessern könne.1105 In BadenWürttemberg griff man diese Vorschläge auf und verlieh zur Stärkung der Lehre im Wintersemester 1993 erstmals einen Landeslehrpreis, der besondere Leistungen in der Lehre würdigt.1106 Etwas später wurde die Funktion eines sog. Studiendekans geschaffen, der die Qualität der Lehre überwachen und Ansprechpartner für Beschwerden von Studierenden und Studienkommissionen sein soll.1107 Schon Anfang der neunziger Jahre wurden vom baden-württembergischen Wissenschaftsministerium jährlich drei Millionen Mark zur Verfügung gestellt, um Bemühungen der Hochschulen zur Verkürzung der Studienzeiten durch gut strukturierte Studien- und Prüfungsordnungen zu belohnen.1108 Der Wissenschaftsrat hat mit den im Jahr 2008 vorgelegten Empfehlungen Wege aufgezeigt, um die Qualität von Lehre und Studium weiterzuentwickeln. Evaluation und Qualitätssicherung haben, auch wenn ein Vergleich über die Grenzen der eigenen Hochschule angestellt wird, immer auch einen internen Effekt. Schneiden einzelne Fächer oder Personen im überinstitutionellen Vergleich gut ab, hat das auch interne Wirkung, ggf. auch bei der Zuteilung von Mitteln. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass durch die Befragungen und Evaluationen das Interesse an der Lehre gegenüber der Forschung an Interesse gewonnen hat. Dies ist insofern bedeutsam, als der Qualität der Lehre ein entscheidender Anteil an der Profilierung der einzelnen Hochschulen und damit eine Hauptrolle beim angestrebten interuniversitären Wettbewerb zugeschrieben wird. Dabei wird leicht übersehen, dass Selbststudium und Lektüre die wichtigsten Elemente für den individuellen Erfolg der Studierenden sind. Immerhin: Auch dafür ist eine qualitätsvolle Einführung und Anleitung wichtig. So hat der Wissenschaftsrat ausdrücklich betont, dass Lehrende das selbstorganisierte Lernen fördern sollten.1109 2. Externe Konkurrenz Der Beginn der Diskussion um Wettbewerb im Hochschulbereich lässt sich zeitlich in etwa mit dem Regierungswechsel in Bonn 1982/83 in Verbindung bringen. Unter Hinweis auf die „Gleichmacherei“ und „Elitenfeindlichkeit“ der vorangegangenen sozial-liberalen Expansionspolitik befürworteten sowohl CDU als auch FDP bei ihrem Regierungsantritt Wettbewerbs- und Marktprinzipien im Bildungsoder zumindest Hochschulbereich.1110 So überschrieb die neue CDU/FDP-Koalition 1105 1106 1107 1108 1109 1110
Richter, S. VII f. dpa 43/93, S. 19 f. dpa 36/94, S. 15. Lennings, Elemente einer Wettbewerbsordnung für die Hochschullehre, S. 7 ff. (10). Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium. MPI, Bildungswesen, S. 680.
V. Wettbewerb
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1983 ihre Leitlinien für die zukünftige Bildungspolitik mit dem Titel: „Wettbewerb statt Bürokratie“. Es wurde konstatiert, dass das bestehende System Wettbewerbselemente nur in geringem Maße zulasse. Anton Pfeifer (CDU), Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, erläuterte die Ziele der Bundesregierung wie folgt: „Uns geht es vielmehr darum, durch gezielte Einfügung von wettbewerblichen Elementen in die Hochschullandschaft ihre Leistungsfähigkeit insgesamt, ihre Verzahnung mit Wirtschaft und Gesellschaft und die Lebensfähigkeit und Selbstbestimmung der einzelnen Hochschulen längerfristig zu verbessern und zu sichern“1111. Tatsächlich jedoch stand hinter der Diskussion um mehr Wettbewerb im Hochschulbereich schon von Beginn an das Problem der Verknappung der öffentlichen Mittel. Durch Wettbewerb erhoffte man sich eine messbare Verbesserung des Verhältnisses zwischen den Ausgaben für den Hochschulbereich und den Leistungen der Hochschulen. Die Diskussion verlief im Großen und Ganzen ohne den bei anderen hochschulpolitischen Themen üblichen Parteienstreit. Nur selten hörte man Sätze wie: „Unter dem Deckmantel der Wettbewerbsförderung werden existierende Bildungsprivilegien zementiert“1112. Auch sah kaum jemand durch mehr Wettbewerb ein Zwei- oder gar Mehr-Klassen-Hochschulsystem heraufziehen. Allerdings meldete sich während der Anfangsphase der Diskussion der eine oder andere Politiker in vorsichtiger Nachdenklichkeit zu Wort. So beispielsweise der ehemalige niedersächsische Kultusminister und Präsident der Kultusministerkonferenz, Oschatz (CDU), auf der Jahresversammlung der WRK 1984 in Hannover: „Es kann auch nicht darum gehen, alles das, was unter den Ansprüchen von Chancengleichheit und Demokratisierung in den letzten Jahren erreicht wurde, umzukehren oder auch in seinen Grundtatbeständen in Frage zu stellen.“1113 Solche etwas kritischeren Stimmen deuten jedoch nicht auf fehlende Einsicht hin. Der Notwendigkeit von Leistungsvergleichen zur Steigerung der Effizienz konnte sich keine Partei verschließen. Wenn überhaupt, so verlief eine Trennlinie zwischen der Politik und den Hochschulen. Denn mit ihren Zielsetzungen forderte die Bundesregierung eine Reaktion der Hochschulen geradezu heraus. Dementsprechend nahm die WRK bereits ihre Jahrestagung 1984 zum Anlass, sich intensiv mit dem Thema „Differenzierung und Wettbewerb im Hochschulbereich“ zu beschäftigen. Nur zögerlich mochten sich die Hochschulen den Rufen nach mehr Transparenz und Leistungsmessung anschließen. Unter Verweis auf die deutliche Unterfinanzierung und eine damit verbundene Bringschuld der Politik weigerten sie sich zunächst, Forderungen nach mehr Effizienz im Zeichen des Wettbewerbs zu akzeptieren. Manche Beobachter sprachen in diesem Zusammenhang von einem Wettbewerb „im 1111
Pfeifer, Effizienzsteigerung der Hochschulen und Bewältigung der steigenden Studentenzahlen, S. 19 f. 1112 So eine Studentin auf der WRK-Jahresversammlung 1984, WRK, Differenzierung und Wettbewerb im Hochschulbereich. Dokumente zur Hochschulreform 55/1984, S. 294. 1113 WRK, Differenzierung und Wettbewerb im Hochschulbereich, S. 31.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Zeichen von Masse und Mangel“, einem „Wettbewerb der Habenichtse“.1114 Da die freie Fächerwahl zur Schimäre geworden sei und die Verteilung der Studierwilligen auf die Hochschulen des Landes ein verwalteter Mangel, werde das freie Spiel von Angebot und Nachfrage ohnehin konterkariert. Im Jahr 1985 schaltete sich auch der Wissenschaftsrat mit Empfehlungen zur Stärkung des Wettbewerbs in Forschung und Lehre in die Diskussion ein.1115 Dabei differenzierte er hinsichtlich der Träger des Wettbewerbs zwischen Hochschulen, Bundesländern, Hochschullehrern und Studenten.1116 Hauptstoßrichtung der Argumentation des Wissenschaftsrates war die Forderung nach mehr Elementen quasimarktwirtschaftlicher Steuerung des Hochschulsystems durch mehr Wettbewerb der einzelnen Hochschulen um Studierende und größere Anteile der Finanzierungsmittel sowie eine verbesserte Transparenz der Leistungen der Hochschulen.1117 Die Vorschläge des Wissenschaftsrats fanden jedoch zunächst wenig Widerhall in Hochschulkreisen. So warnte die WRK in einer Stellungnahme vom Februar 19861118 vor den Grenzen des Wettbewerbs, ohne sich allerdings der Forderung nach mehr Wettbewerbs- und Leistungsmesselementen gänzlich zu verschließen. Für eine weitere Stellungnahme vom Juli 1986 entwickelte sie daher selbst Ansätze zur Leistungsbewertung und -messung von Hochschulen.1119 Immer wieder wies die WRK jedoch auf den Widerspruch zwischen dem hohen Reglementierungsbedürfnis durch die staatliche Hochschulpolitik auf der einen und deren Forderung nach Wettbewerb auf der anderen Seite hin. Mehr Wettbewerb setze notwendigerweise eine Dereglementierung des Hochschulsektors und damit eine verstärkte Hochschulautonomie voraus.1120 Hierin sah man sich mit dem Wissenschaftsrat einig, der ebenfalls mehrfach betonte, dass Wettbewerb ein gewisses Maß an Handlungsfreiheit für die am Wettbewerb Beteiligten voraussetze.1121 Hochschulvertreter hatten insbesondere die Befürchtung, dass mehr Wettbewerb gegen die an den Hochschulen zwingend notwendige Kooperation ausgespielt werde.1122 Man konnte aber auch in einer „betulichen Kollegialität“ ein Hindernis für mehr Wettbewerb sehen und stattdessen ein „effektives Management“ fordern.1123 Gemeinsam war den Hochschulvertretern eine gewisse Sorge über die Auswirkungen eines verstärkten Wettbewerbs. Dies äußerte sich auch in einer deutlichen 1114
Wilhelmi, S. 81. Wissenschaftsrat, Empfehlungen zum Wettbewerb im deutschen Hochschulsystem. 1116 S. 9 ff. 1117 Vgl. MPI, Bildungswesen, S. 679. 1118 WRK, Arbeitsbericht 1986, S. 29 ff. 1119 WRK, S. 41 ff. 1120 WRK, S. 32. 1121 Wissenschaftsrat, Empfehlungen zum Wettbewerb, S. 7. 1122 Berchem in einem Referat zum Thema „Qualität und Wettbewerb in Forschung und Lehre“ auf einer FDP-Veranstaltung im Oktober 1988 in Wiesbaden, S. 73 ff. (80 f.). 1123 Turner, Rahmen für Wettbewerb schaffen, HB v. 6./7. 5. 1994, S. 2. 1115
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Skepsis gegenüber externen Bewertungen. So stellte der Wissenschaftsrat im Jahr 1985 fest, dass Versuche, eine Rangfolge deutscher Hochschulen oder Fakultäten nach ihrer Reputation zu ermitteln, an den Hochschulen vor allem dann auf Interesse stießen, wenn die Projekte in den Hochschulen selbst durchgeführt, nicht öffentlich diskutiert wurden und keine Auswirkungen auf die staatliche Finanzierung zu erwarten waren.1124 Man war sich uneinig, wie sich Erfolg im Rahmen des Wettbewerbs auszahlen solle. Immer wieder wurde in Hochschulkreisen betont, dass ein Wettbewerb dazu führen müsse, dass besondere Leistungen honoriert, nicht aber, dass durch gezielte Honorierung Leistungsunterschiede erst bewirkt würden.1125 Wettbewerb fordern heiße allerdings nicht nur, Leistungen prämieren, sondern auch Schwächen ahnden.1126 Wettbewerb habe seinen Preis, nicht jeder könne gewinnen.1127 Im Übrigen verwahrten sich die Hochschulvertreter gegen die Behauptung der damaligen Bundesbildungsministerin Wilms (CDU), dass an den Hochschulen kaum mehr Wettbewerb möglich sei. Insbesondere in der Forschung herrsche bereits ein hohes Maß an Wettbewerb. Der Wettbewerb um Forschungs- bzw. Drittmittel sei schon seit langer Zeit im Gange, nicht so jedoch der Wettbewerb um Studierende. Ein Wettbewerbsdefizit bestehe daher vor allem in der Lehre.1128 Bei diesen komplizierten Interessenstrukturen und den Vorbehalten an den Hochschulen waren Forderungen nach mehr Wettbewerb in den achtziger Jahren (noch) nicht mehrheitsfähig. Dies belegte auch eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung aus dem Jahr 1984/85. Nur ein knappes Drittel der befragten Soziologen, Physiker und Politologen befürwortete eine stärkere Differenzierung und Wettbewerbsorientierung der Hochschulen.1129 Dennoch nahm der Wissenschaftsrat seine Empfehlungen von 1985 im Jahr 1988 erneut auf. Von besonderer Bedeutung war hierbei die Forderung, Leistungs- und Qualitätsunterschiede zwischen den Hochschulen bei der staatlichen Mittelzuweisung zu berücksichtigen. Dies erfordere zunächst eine Messung der Leistungsunterschiede. Dazu diente eine 1990 vom Bundesbildungsministerium veröffentlichte Broschüre zur „Leistungstransparenz von Hochschulen“,1130 die aufgrund objektiver Daten der Hochschulstatistik aussagekräftige Leistungsindikatoren festzustellen suchte. 1124
Wissenschaftsrat, Empfehlungen zum Wettbewerb, S. 10. Berchem, S. 73 ff. (92). 1126 Turner, HB v. 6./7. 5. 1994, S. 2; ders., Die gute Leistung prämieren und die Schwächen ahnden, bereits in HB v. 21./22. 12. 1984, S. 25. 1127 Graf Kielmansegg, Adam Smith und Wilhelm von Humboldt, S. 41 ff. (48). 1128 Turner, Universitäten in der Konkurrenz, S. 35; Erhardt, Wer Humboldt für alle will, der kriegt ihn für keinen, S. 39 ff., stellte hierzu fest: „In der Forschung gibt es Wettbewerb: die guten Forscher werden belohnt mit Reputation, Rufen und Drittmitteln, Sonderforschungsbereichen und Graduiertenkollegs“. 1129 MPI, Bildungswesen, S. 680. 1130 Block/Hornbostel/Neidhardt, Leistungstransparenz von Hochschulen: Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Vergleichende Bewertung von Leistungen der Hochschulen“. 1125
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a) Ranking Nicht zuletzt in diesem Zusammenhang entstanden im Laufe der Jahre immer wieder Ranglisten („Rankings“) deutscher Hochschulen und insbesondere der Universitäten. Ihre Zahl ist nur noch schwer zu überblicken. Auch dieses Thema hat die hochschulpolitischen Debatten und die Öffentlichkeit in den letzten Jahren reichlich beschäftigt. Bereits 1985 wurde in der Deutschen Universitäts-Zeitung in einem Beitrag zur Leistungsmessung an Hochschulen von den „in Mode kommenden Ranglisten von Hochschulen“ berichtet.1131 Keine dieser Listen hat eine vergleichbare Wirkung in der Öffentlichkeit hervorgerufen wie die Ende 1989 vom „Spiegel“ bei EMNID in Auftrag gegebene Studentenbefragung über Dozenten und Studienbedingungen an deutschen Hochschulen, die im März 1990 als „Spiegel-Spezial“ unter dem Titel „Rangliste der westdeutschen Hochschulen“ herausgegeben wurde. Zwar erfuhr sie besonders wegen ihrer Methodik, die die Rahmenbedingungen an den Hochschulen vernachlässigte, viel Kritik. Dennoch folgten ihr zahlreiche Nachahmungen – wenn auch zum Teil auf anderer Datengrundlage und mit anderer Zielrichtung. Dazu gehörten aus dem Hochschulbereich unter anderem: – eine vom Bundesbildungsministerium geförderte EMNID-Umfrage für den RCDS (Initiativen „Mehr Ehre für die Lehre“ und „Prüf den Prof“) über Studienort, Rahmenbedingungen, Qualität der Fachbereiche und der Lehre (befragt wurden 26.000 Studenten aus 72 Fachbereichen); – eine – methodisch als gut bewertete – gemeinsam von „aiesec“ und „geva“ veröffentlichte Studie aus dem Jahr 1991 für den Bereich der Wirtschaftswissenschaften und – das ebenfalls 1991 gestartete Pilotprojekt „Profilbildung der Hochschulen“ der HRK, dem die Anfänger- bzw. Absolventenquote, die Höhe der eingeworbenen Drittmittel sowie Studiendauer und Betreuungsrelation zugrunde lagen.1132 Außer diesen – in der Regel seriösen – Untersuchungen wurden angesichts des großen öffentlichen Interesses fast schon zwangsläufig zahlreiche PrintmedienRankings veröffentlicht, so z. B. – eine – schlecht bewertete – Umfrage des „Stern“ aus dem Jahr 1993 (befragt wurden 700 Hochschullehrer); – die Wiederholungen der „Spiegel“-Umfrage in den Jahren 1993 und 19981133 sowie
1131 1132 1133
DUZ 5/1985, S. 15. dpa 23/94, S. 1 f. 20/1998, S. 15.
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– eine – ähnlich wie die „Spiegel“-Rankings – Wirbel verursachende „Focus“Studie mit „Hitliste“, basierend auf der Anzahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Im Frühjahr 1998 fühlte sich sogar die Stiftung Warentest bemüßigt, eine Rangliste von Fachbereichen zu erstellen und einen entsprechenden Studienführer aufzulegen. Hauptproblem vieler der Studien war, dass sie Unvergleichbares miteinander in Konkurrenz stellten. Während sich etwa der „Spiegel“ bei seinen Ranglisten der Universitätsfachbereiche auf Studentenbefragungen stützte, gründete der „Stern“ seine Rangliste auf die Einschätzung des wissenschaftlichen Renommees von Fachbereichen aus der Sicht von Professoren. Dennoch erfüllten diese Studien einen wichtigen Zweck. Denn im Laufe der Zeit wurden Fragen des universitären Rankings immer mehr zu einer Argumentationshilfe in der hochschulpolitischen Debatte und im Kampf um die finanzielle Ausstattung der Hochschulen. So öffneten sich die Hochschulen mehr und mehr für einen Wettbewerb durch Profil- und Schwerpunktbildung; sie begriffen dies zunehmend auch als Chance für ihre eigene Entwicklung. Auch im Hochschulbereich gibt es keinen besseren Weg zur Generierung von Leistung, Qualität und Vielfalt als den Wettbewerb.1134 Weiter befördert wurde die Entwicklung hin zu mehr Wettbewerb durch die sich deutlich zuspitzende Lage der öffentlichen Haushalte. Die staatliche Finanzierung der Hochschulen sei keine Selbstverständlichkeit mehr, vielmehr käme es immer mehr zu einem Wettbewerb der Hochschulen um Haushaltsmittel. Diese würden nach Leistungskriterien vergeben werden, die in der Öffentlichkeit vermittelbar sein müssten.1135 aa) Kriterien Eine Bewertung einer wissenschaftlichen Einheit muss zwischen Leistungen in Forschung und Lehre differenzieren und ferner objektive und subjektive Merkmale berücksichtigen. Wenn ermittelt werden soll, welche Fakultät ihre Aufgabe am besten erfüllt, ist zu fragen, wer die beste Qualifikation für die Studierenden garantiert, herausragende Forschungsergebnisse aufweist und praxisrelevante Forschungsresultate produziert. Aussagen über die Qualität der Forschung hängen dabei im Wesentlichen von folgenden Kriterien ab: Zahl der Forschungsprojekte und Sonderforschungsbereiche, Höhe der eingeworbenen Drittmittel, Anzahl der Preise und Ehrungen, Forschungsaufenthalte, Dissertationen, Habilitationen, Stipendien, Publikationen (Anzahl, Wirkung = Zitatenindex, Reputation der Publikationsorgane) sowie ergangene bzw. abgelehnte Rufe. 1134 1135
Erhardt, S. 45. Erichsen, Qualitätssicherung in Forschung, Lehre und Management, S. 19 ff. (19 f.).
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Zu den messbaren Daten gehören auch die auf Grund von Statistiken gewonnenen Erkenntnisse. So könnte ein Kerndatensatz mit Angaben über Beschäftigte, Drittmittel, Publikationen usw. für ein Forschungsrating eingesetzt werden und damit Forscher, Fächer und Universitäten vergleichbar machen und bei der Mittelvergabe verwendet werden1136. Neben den eindeutig objektiv messbaren Daten gibt es subjektive Beurteilungen, die das Ansehen von Hochschulen bestimmen. Das kann sich auf eine Fakultät als Ganzes, einzelne Fachgebiete oder Wissenschaftler beziehen. Wichtig ist dabei die Beurteilung durch die Gemeinschaft der Wissenschaftler und die Bewertung durch Dritte, wie zum Beispiel Fachjournalisten oder Politiker. Für die Bewertung der Lehre kommt es darauf an, dass man objektive Merkmale vergleicht. Hier bietet sich zum Beispiel das Verhältnis der Studienbewerberzahl zu der Anzahl der zugelassenen Studierenden, das Verhältnis der Studienanfängerzahl zu der Absolventenzahl (Schwund durch Ortswechsel, Studienabbrecher), der Notenspiegel (Verteilung der Noten auf Absolventen; Durchschnitt) oder die Quote der Stipendiaten (z. B. die Hochbegabtenförderung) an. Als zusätzliche objektive Bewertungskriterien für die Lehre lassen sich darüber hinaus folgende Faktoren heranziehen: die Zahl der ausländischen Studierenden, die Studiendauer, die Personalund Sachmittelausstattung, die Bibliotheksbestände, die Lehrbuchautoren der Fakultät, das Niveau des beruflichen Einstiegs sowie die berufliche Entwicklung der Absolventen (Langzeitbeobachtung). Subjektive Aussagen, die allerdings durchaus konkrete Wirkung haben können, sind: Beurteilung der Studierenden, Bewertung durch Absolventen, Einschätzung durch Fachkollegen anderer Universitäten, Bewertung durch Dritte, zum Beispiel Praktiker, insbesondere Personalchefs. Wenn aus einem solchen Katalog nur ein Kriterium ausgewählt wird und vom Ergebnis der Untersuchung eines solchen Einzelaspekts eine Aussage über „die beste Fakultät“ getroffen wird, ist das mehr als irreführend.1137 Sollen brauchbare Aussagen zustande kommen, muss ein möglichst breiter Ansatz gesucht werden. Aus der Summierung von Einzelaussagen lassen sich dann – jedenfalls in der Tendenz – Gesamtbewertungen über fachliche Bereiche, d. h. Institute bzw. entsprechende Einrichtungen treffen. Eine Aussage über eine ganze Fakultät ist schon schwieriger, über eine Universität ist sie nur insofern möglich, als Ergebnisse der fachlichen Bereiche addiert werden.
1136 Thiel, Vermessene Hochschulen, FAZ vom 24. 2. 2016; generell: Krull, Die vermessene Universität. 1137 Turner/Wiswede, Universitäten: Kriterien sind zu finden, DUZ 3/1986, S. 20 ff.; Turner, Wo ist der Champion?, Die Zeit v. 7. 3. 1986, S. 49; ders., Zuviel Dilettantismus, Wirtschaftswoche 1995, Nr. 10, S. 77; ders., Noch kein zuverlässiges Ranking, Der Tagesspiegel v. 16. 5. 1997, S. 28; ders., Phys. Bl. 53/1997, Nr. 7/8, S. 619 f. Zu den Unterschieden im methodischen Vorgehen ausführlich Rosigkeit, Reformdefizite der deutschen Hochschulen.
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Werden lediglich objektive Urteile einbezogen, greifen die Indikatoren zu kurz, weil wichtige Aspekte der Resonanz und Außenwirkung nicht berücksichtigt sind. Verlässt man sich nur auf subjektive Einschätzungen, unterliegt man der Gefahr einer vordergründigen Marketing-Perspektive. Das kann – je nach Fragestellung – zu ganz unterschiedlichen Rangplätzen führen. Eine Imageanalyse bei Studenten über die Lehrsituation an Fakultäten einer Massenuniversität führt regelmäßig zu einer schlechten Beurteilung; eine Befragung von Professoren über das Renommee von Universitäten kann ein überwiegend positives Zeugnis für die nämliche Einheit ergeben. Beides ist vom jeweiligen Standpunkt nachvollziehbar. bb) Gewichtung Die Auslotung von einzelnen Merkmalen ist allerdings ein sehr arbeits- und zeitaufwendiges Unterfangen. Ob es sich lohnt, ist vor allem deshalb zweifelhaft, weil über die Gewichtung der Kriterien gestritten werden kann. Daran kranken fast alle bisher veröffentlichten sog. Hitlisten oder „Bundesliga“-Tabellen der deutschen Hochschulen. Eine „Verrechnung“ durch Gewichtung erweckt den Eindruck, als gäbe es hier Kompensationen, dass z. B. überfüllte Hörsäle – und damit schlechte Studienbedingungen – durch ein Angebot attraktiver Kneipen – unter Freizeitwert der Hochschulstadt einzuordnen – im Rahmen einer Bewertung der Hochschulen ausgeglichen werden könnte. Auf einen bestimmten Punkt bezogene Fragestellungen können durchaus interessant sein, also z. B. die nach den Studienbedingungen unter dem Aspekt der Ausstattung der Bibliotheken oder dem Angebot für ausländische Studierende. Wenn Erhebungen in ihrem Ergebnis auf das beschränkt bleiben, was sie aussagen können, kann das hilfreich für persönliche Entscheidungen sein. Es kommt letztlich auch nicht darauf an, ob eine Fakultät den 17. oder 18. Platz in einem Ranking einnimmt. Zufriedenstellend ist es schon, wenn man begründet sagen kann, welche Fakultäten besonders gut, mittelmäßig oder weniger gut sind, m. a. W. wenn der Trend erkennbar ist. Wenn eine Institution bei der Erhebung einzelner Kriterien fast immer in der Spitzengruppe auftaucht, ist das Urteil fundierter, als wenn aus dem Ergebnis der Erhebung zu e i n e m Merkmal, also z. B. der Drittmittel, ein Schluss gezogen wird. Ein Ausreißer etwa bei der unterschiedlichen Bewertung derselben Fakultät durch Professoren einerseits und Studenten andererseits spielt dann keine entscheidende Rolle. Bei einer Beurteilung, welches sog. Spitzenuniversitäten sind, gehören dann zu diesem Kreis solche Einrichtungen, die eine größere Zahl exzellenter fachlicher Bereiche aufzuweisen haben. Naturgemäß werden das in erster Linie große Universitäten mit einem breiten Fächerspektrum sein. International hängt die Reputation u. U. auch von anderen, auf den ersten Blick fachfremden Kriterien ab. Das kann der Name der Stadt, die Geschichte der alma
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mater sein, wie es z. B. bei Heidelberg der Fall ist. Dabei ist eine Wechselwirkung durchaus denkbar: Weil Stadt, Historie oder Name eine gewisse Strahlkraft haben, zieht es Größen des Faches an. Einen Bonus kann auch der Name von Institutionen, wie bei der Humboldt-Universität, mit sich bringen. Sicher wird niemand behaupten, an Universitäten, die mehrere hervorragende Fakultäten aufweisen oder in der Einschätzung von außen besonders gut wegkommen, seien alle Fächer erstklassig besetzt. Andererseits können Universitäten, die als durchschnittlich gelten, in bestimmten Disziplinen Spitzenkräfte oder herausragende Institute aufweisen. cc) Falsche Signale An der Jiao-Tong-Universität in Schanghai glaubt man, den Stein der Weisen gefunden zu haben und maßt sich an, eine Tabelle der besten Universitäten weltweit aufzustellen1138. Dabei werden vor allem Nobelpreise und andere hochkarätige Wissenschaftspreise, auch aus „grauer Vorzeit“, in die Wertung einbezogen sowie Veröffentlichungen in englischsprachigen Fachzeitschriften. Erlaubte sich eine deutsche Einrichtung wie z. B. das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh ein so dilettantisches Vorgehen, würde sie mit Sicherheit – und zu Recht – „in der Luft zerrissen“. Ganz anders bei der „internationalen“ Sehweise. Überwiegend wird das, was man ein Ergebnis nennt, alle Jahre wieder gläubig und kommentarlos nacherzählt. Womöglich ziehen manche noch Schlüsse daraus, die sich finanziell auswirken. Wie unsinnig und widersprüchlich die Ergebnisse aussehen, lässt sich schon an einem Beispiel demonstrieren. Die Universität Freiburg hat in einer der jährlich veröffentlichten Liste Platz 99 erklommen, aus dem Niemandsland der Nummern 101 bis 150 kommend, wo – anders als bei den ersten Hundert – nur nach Ranggruppen und nicht nach Einzelplatzierungen sortiert wird. In Deutschland hatte Freiburg gerade den Exzellenz-Status verloren. Beide Entscheidungen sind in gleicher Weise problematisch und zeigen die Absurdität solcher Tabellen wie Schanghai sie liefert und die Unangemessenheit, über „Elite“ allein nach dem Vorliegen von Clustern oder Zukunftskonzepten zu entscheiden1139. In Deutschland hat das Ranking von anfänglich unsinnigen Tabellen, die sich allein nach einem Kriterium richteten (z. B. Anzahl der ausländischen Gastwissenschaftler oder Drittmittel) inzwischen einen relativ hohen Qualitätsstandard erreicht. Führend ist dabei das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), nicht zuletzt auch, weil man dort inzwischen eingesehen hat, dass es nicht darauf ankommt, exakte Platzierungen vorzunehmen oder womöglich ganze Institutionen zu bewerten. Vielmehr ist interessant und lässt Schlüsse zu, wie einzelne Fächer in ihrem Verbund 1138 Das versuchet u. a. auch das Times Higher Education World University Ranking – mit ebenso mäßigem Erfolg. 1139 s. dazu unten V.2.b).
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einzuordnen sind. Wenn sich einzelne Hochschulen oder Fächergruppen nicht mehr an den Erhebungen beteiligen, ist das letztlich kurzsichtig, weil die Aussagen von Gütersloh durchaus politisch, und damit auch finanziell bei der Ausstattung beachtet werden. Soweit es Schwächen in der Methode gibt, wären insbesondere die Vertreter der Sozialwissenschaften aufgerufen, Verbesserungsvorschläge zu machen. dd) Entscheidungsgrundlagen Je mehr der Eindruck entstand, dass auch im Hochschulbereich der Wettbewerb eine größere Rolle zu spielen habe, desto deutlicher rückte die Frage in den Mittelpunkt, nach welchen Kriterien der Wettbewerb zwischen den Hochschulen zu entscheiden sei. So wurden immer wieder folgende (Vor-)Bedingungen zur Verwirklichung eines Wettbewerbs genannt: – Möglichkeit der Hochschulen, Studienbewerber selbst auszuwählen; – Möglichkeit der Studienbewerber, Hochschulen selbst auszuwählen; – größere Autonomie der Hochschulen i. S. institutioneller Selbständigkeit sowie finanzieller und organisatorischer Selbstverwaltung; – Herstellung von Transparenz und Bewertbarkeit von Hochschuldienstleistungen mit Hilfe von Qualitätsstandards; – die Ermächtigung der Hochschulen zur Erhebung von sozialverträglichen Studiengebühren.1140 Zur Durchsetzung der hierfür erforderlichen Strukturen seien wesentlich mehr Flexibilität der Landeshochschulverwaltungen und mehr Freiraum für die Bundesländer innerhalb des föderalen Systems notwendig. In diesem Zusammenhang richtete sich immer wieder Kritik gegen die KMK; sie sei ein „Kartell zur Verhinderung von Wettbewerb“. Sie nutze den Föderalismus nicht als wettbewerbliches System, sondern als Instrument zur Vereinheitlichung und Nivellierung der Verhältnisse.1141 Mit ähnlicher Stoßrichtung verlangten die Hochschulrektoren – wenn sie sich schon einem stärkeren Wettbewerb stellen sollten – immer wieder ein schlankeres Hochschulrecht. Die Hochschulen könnten ihre Effizienz nur steigern, wenn das enge Korsett staatlicher Vorschriften gelockert werde. Seit Mitte der sechziger Jahre aber sei der Freiraum der Universitäten immer mehr eingeengt worden.1142 Mit solchen Haltungen war allmählich der Boden bereitet für erste gesetzliche Regelungen. Den Hochschulen wurde beispielsweise das Recht zugebilligt, einen Teil der Studierenden selbst auszusuchen; in einigen Bundesländern wurde den Hochschulen Flexibilität im Haushalt gewährt und die Leitungsstrukturen der 1140 1141 1142
Erhardt, S. 42. Erhardt, a.a.O. dpa 6/97, S. 3.
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Hochschulen Schritt für Schritt effektiven Management-Strukturen angeglichen. Daneben konzentrierte man sich auf eine Forderung, die immer wieder Gegenstand der Debatte war: die teilweise Koppelung der Vergabe von Haushaltsmitteln an Leistungskriterien. Diesen Vorschlag griff zunächst im März 1997 der thüringische Wissenschaftsminister Schuchardt (SPD) auf, als er den Entwurf eines neuen Landes-Hochschulgesetzes präsentierte.1143 Im Mai 1999 legte dann auch BadenWürttembergs Wissenschaftsminister v. Trotha (CDU) einen Gesetzentwurf vor, der vorsah, einen Teil der Mittel für die Hochschulen des Landes nach Leistungskriterien zu vergeben. Herangezogen werden sollten beispielsweise die Zahl der Studierenden zwischen dem ersten und dem zehnten Semester, die Zahl der Absolventen, die Höhe der eingeworbenen Drittmittel und die Zahl der Promotionen. All diese Regelungen entsprachen nicht zuletzt Forderungen aus wirtschaftsnahen Kreisen, die „staatlichen Hochschulen einem Wettbewerbsdruck von außen zu unterwerfen.“1144 Unter Hinweis auf die „kartellähnlichen Vereinbarungen zwischen den Bundesländern“ prangerten sie zunehmende Wettbewerbshemmungen an, denen wirksam zu begegnen sei. Eine „ergebnisorientierte Finanzierung“ der Hochschulen und eine „Bindung der Ressourcenzuteilung an Hochschulleistungen“ hatten die Spitzenverbände der Wirtschaft bereits in einem bildungspolitischen Positionspapier vom Januar 1992 angemahnt.1145 Zu betonen ist, dass es unabhängig von der neueren Entwicklung auch im Hochschulbereich bereits seit Jahren einen Wettbewerb gab. Denn überall, wo an den Hochschulen ein Vorbingen zu Lasten anderer den Vorzug erhalten hat, gab es eine Konkurrenz, einen Wettbewerb, der entschieden wurde. Soweit ein Vergleich bei der Beurteilung möglich war – und damit im Einzelfall eine höhere Priorität, ein dringlicheres Anliegen, eine bessere Begründung oder höhere Qualität den Ausschlag für eine Institution gegeben haben –, soll unterstellt werden, dass versucht wurde, die Konkurrenz auf sachlicher Basis zu entscheiden. Problematisch war jedoch, dass die Entscheidung darüber, welche Hochschule bei konkurrierenden Anliegen obsiegte, nicht immer nach Maßstäben getroffen wurde, die nachvollziehbar waren und auf einem Vergleich beruhte, wer die besseren Argumente hatte. Es fehlte sozusagen an „immanenten“ Kriterien insofern, als nicht qualitative Maßstäbe gesetzt waren, von deren Erreichen es abhing, wer den Zuschlag erhält. Oft waren es regionalpolitische Rücksichten; gelegentlich setzte sich auch der bessere „politische Draht“ zum Regierungschef durch. Im wirtschaftlichen Wettbewerb kann die Relation von Qualität und Preis über den Erfolg entscheiden; im Wettbewerb der Hochschulen untereinander war ein 1143 dpa 11/97, S. 13; diese Forderung wurde im Mai 1997 von HIS und CHE gemeinsam erneuert, dpa 19/97, S. 5. 1144 Frankfurter Institut für wirtschaftspolitische Forschung e.V., S. 20. 1145 Bundesverband der Deutschen Industrie u. a., Differenzierung, Durchlässigkeit, Leistung, S. 16; vgl. hierzu auch: Institut der Deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Streitsache: Effizienz der Hochschule.
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vergleichbarer Ansatz lange Zeit nicht erkennbar. Zur Entwicklung eines Konzepts für den Wettbewerb zwischen Hochschulen gehört darum vor allem, wie Wettbewerbe entschieden werden.1146 Jedenfalls sollte sich ein Wettbewerb zwischen Hochschulen nicht auf die Gunst politischer Entscheidungsträger konzentrieren, damit nicht (partei-)politische, sondern allein qualitative Kriterien1147 den Ausschlag geben. Die Grundlagen hierfür sind trotz erkennbarer Fortschritte noch nicht weit genug entwickelt. Hätten Professoren die Hochschule und damit auch die einzelnen Erscheinungen mehr zum Objekt ihrer Forschung gemacht, so wie es die Elemente anderer Körperschaften sind, gäbe es auf diesem Gebiet wohl nicht so viel Dilettantismus, fehlerhafte Aussagen und unrichtige Schlussfolgerungen. b) Exzellenzinitiative1148 Anfang des Jahres 2004 überraschte die SPD mit der Forderung, Spitzenuniversitäten zu gründen bzw. auszumachen. Sie war von der damaligen Bundesministerin Bulmahn im Zusammenhang mit der Absicht ins Spiel gebracht worden, eine Spitzen- bzw. Eliteuniversität neu zu gründen. Dieser unrealistische Vorschlag hatte sich schnell erledigt, nicht aber der Grundgedanke. Die Idee wurde von der damaligen Bundesregierung (rot/grün) übernommen. Bund und Länder einigten sich schließlich, „bis zu zehn“ Universitäten besonders zu fördern1149. Der Hintergrund lässt sich – vereinfacht – folgendermaßen beschreiben: Es gab in Deutschland zum damaligen Zeitpunkt 333 Hochschulen, nämlich 118 Universitäten, 158 Fachhochschulen sowie 57 Kunst- und Musikhochschulen. 235 befanden sich in staatlicher Trägerschaft, 98 waren nicht staatliche, aber staatlich anerkannte Hochschulen, davon 54 private und 44 kirchliche. Dadurch, dass Universitäten und Fachhochschulen sowohl Bachelor- als auch Masterstudiengänge anbieten durften, wurden die Unterschiede undeutlicher. Ein zusätzlicher Schritt war die selbst gewählte Bezeichnung „universities of applied sciences“ durch die Fachhochschulen, die nach und nach in den meisten Bundesländern nur noch die Bezeichnung „Hochschulen“ erhielten. Private Universitäten waren ganz überwiegend Kleinst-Einrichtungen was das Fächerspektrum (meist nur Teile der Wirtschaftswissenschaften) und die Anzahl der Studierenden anging; viele hatten unausgereifte Konzepte. Auffällig war bei den meisten das nahezu völlige Fehlen von Forschungsaktivitäten; die finanziellen Grundlagen waren nur selten dauerhaft gesichert. Dennoch wurde oft der Begriff 1146 1147 1148 1149
stellt.
Turner, Universitäten in der Konkurrenz, S. 83 ff. Rüegg (Hrsg.), Konkurrenz der Kopfarbeiter, S. 57 ff. Ausführlich dazu Turner, Von der Universität zur university, S. 68 ff. Zur verfassungsrechtlichen Problematik s. Marzlin, die die rechtlichen Defizite dar-
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„privat“ mit „Elite“ gleichgesetzt. Einige von ihnen bewegten sich hart an der Grenze zur Hochstapelei. Was früher als Aus- oder Weiterbildungsprogramm für Führungskräfte bekannt war, wurde vor allem von Konzernen zunehmend mehr als Corporate University, Firmen-Universität oder in Verbindung mit dem Branchennamen wie bei Volkswagen als Auto-Uni bezeichnet. Das war oft sehr hochgegriffen und suggerierte ein Niveau bei Angebot und Inhalt, das bei näherem Zusehen nicht immer zu entdecken war. aa) Auswahlverfahren Mit der Exzellenzinitiative wurde ein anderer Weg beschritten als beim Ranking. Damit hatte man versucht, die Qualität von Universitäten oder Fakultäten nach unterschiedlichen Kriterien und Methoden zu messen, um Ranglisten aufzustellen. Der neue Wettbewerb wurde aufgeteilt in die drei Förderlinien „Exzellenzcluster“ (Förderung der Forschung zu einem Themenkomplex), „Graduiertenschulen“ (Förderung von Doktoranden in einem breiten Wissenschaftsgebiet) und „Zukunftskonzepte“ (Entwicklung der Gesamtuniversität). Neun deutsche Universitäten sind zunächst als Sieger aus diesem Wettbewerb hervorgegangen. Sie wurden in der Öffentlichkeit von Beginn an als „Eliteuniversitäten“ bezeichnet. Dabei ist der Begriff von den die Entscheidung tragenden Institutionen, Deutsche Forschungsgemeinschaft und Wissenschaftsrat, nie offiziell verwendet worden. In der Öffentlichkeit hält er sich beharrlich. (1) Sieger der 1. Runde Schon 2006 wurden die beiden Münchener Universitäten und die in Karlsruhe in einer Art Vorab-Verfahren ausgewählt; im Herbst 2007 sind dazugekommen Aachen, Freiburg, Göttingen, Heidelberg, Konstanz und die Freie Universität Berlin. Sie mussten je ein Exzellenzcluster und eine Graduiertenschule aufweisen, um dann mit einem guten Zukunftskonzept andere Universitäten, die ansonsten ebenfalls erfolgreich waren, zu übertrumpfen. Die Benennung von neun Universitäten, die in allen drei Förderstufen vorne lagen, hatte nicht nur unmittelbare finanzielle Folgen, indem jede fünf Jahre lang jeweils rund 21 Millionen Euro erwarten durfte, sondern wirkte sich auch im Hinblick darauf aus, dass Drittmittelgeber ihre Unterstützung an den Exzellenzstatus knüpften. Die öffentliche Wahrnehmung konzentrierte sich ganz wesentlich auf die Ausgewählten. Von den Endrundenteilnehmern beider Jahre waren nicht erfolgreich die HumboldtUniversität zu Berlin, Bochum, Bremen, Würzburg und Tübingen. Diese fünf hatten offenbar lediglich nicht so überzeugende Zukunftskonzepte vorgelegt wie die Gewinner. Universitäten, die nicht die Endrunde erreicht haben oder gar nicht in dieser dritten Förderlinie angetreten sind, konnten ebenfalls bewilligte Cluster und Schulen vorweisen.
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Im Wissenschaftsbetrieb ist es gang und gäbe, dass Hochschulen mit Anträgen scheitern und andere Erfolg haben. Daran knüpfen sich regelmäßig aber nicht solche Effekte wie bei der Entscheidung über die Zukunftskonzepte. Für manche wirkt es schon wie ein Fallbeil, wenn konkurrierende Einrichtungen in den erlauchten Kreis gelangen und ihnen in der Öffentlichkeit das Etikett „Elite“ angeheftet wird und andere insoweit leer ausgehen. Immerhin haben (neben den in der Endrunde gescheiterten) elf weitere Universitäten sowohl ein Forschungscluster als auch eine Graduiertenschule bewilligt bekommen: Bielefeld, TU Berlin, Bonn, Darmstadt, Dresden, Erlangen, Gießen, Med. Hochschule Hannover, Kiel, Saarbrücken und Stuttgart. Weitere 12 waren wenigstens in einer der Förderlinien erfolgreich: Bayreuth, Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover, Jena, Köln, Leipzig, Lübeck, Mainz, Mannheim, Münster, Ulm. Aber selbst Universitäten, die in den Listen mit Forschungsclustern und Graduiertenschulen nicht erscheinen, zeichnen sich durch Schwerpunkte und zum Teil hervorragend vertretene Spezialdisziplinen aus, die weltweit Anerkennung finden1150. (2) Blankoscheck Zweifellos hat der Wettbewerb zu großen Anstrengungen in den Universitäten geführt und viele Kräfte mobilisiert. Der Erfolg allerdings war hauptsächlich abhängig von der Qualität von Anträgen, nicht von bereits erbrachter wissenschaftlicher Leistung. So hat denn der frühere Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und Max Planck Gesellschaft (MPG), Hubert Markl, das Verfahren gegeißelt, indem er davon sprach, dass die „zeitgeistschlüpfigsten Anträge“ honoriert worden seien. Die Folgen sind gravierend. Die einen werden hochgejubelt, die andern gehören zum „Rest“. Aus einem auf die Zukunft gezogenen Scheck wurde ein Schluss gezogen, der nachhaltige Wirkungen entfaltet. Die ersten beiden Förderstufen, Graduiertenschulen und Forschungscluster, passen in das bisherige System und sind grundsätzlich nicht zu kritisieren. Das Ärgernis sind die Zukunftskonzepte, an die der Exzellenzstatus geknüpft ist1151. Dabei fehlt es an einheitlichen Maßstäben, sodass man offenbar eine Art Feldexperiment durchgeführt hat1152 : Mal sehen, was dabei herauskommt … Der Begriff „Elite“ wird, bezogen auf die Auserkorenen im Übrigen in einem sehr eingeschränkten Sinn gebraucht. An einer Institution, die eine solche Bezeichnung verdient, sollten nur die Besten ihres Fachs versammelt sein. Ob unter solchen Aspekten an den Universitäten, die das Rennen gemacht haben, in der Vergangenheit stets berufen worden ist, mag man noch nicht einmal unterstellen. Auf jeden Fall befinden sich dort nicht nur die leistungsstärksten Studierenden. Solange die Fa1150
Beispiele dafür sind die Universität Hohenheim und die TU Clausthal. Markowa, Exzellenz durch Wettbewerb und Autonomie, S. 251, listet die gängigen Kritikpunkte auf. 1152 Schreiterer, Exzellente Zukunft, S. 87 f. s. auch die Fundamentalkritik von Münch, Die akademische Elite. 1151
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kultäten nicht sämtliche Bewerber nach von ihnen gesetzten Maßstäben auswählen, sondern eine Zulassung notfalls per Gericht erstritten werden kann, wird die Studierfähigkeit unterschiedlich sein. Daneben gibt es weitere Elemente, die insbesondere beim Vergleich mit den Spitzeneinrichtungen in den USA auffallen. Das ist z. B. der Gesamteindruck, was Ordnung und Sauberkeit angeht. Wenn Schmierereien und Müll als tolerierbare Zeichen von Subkultur verstanden werden, fehlt wohl doch ein Grundverständnis. Solche Nachwehen eines Geistes, der den sog. 68er zugeschrieben wird, sind an manchen Orten immer noch zu besichtigen. Gewiss kann man der Haltung etwas abgewinnen, dass bestimmte „alte Zöpfe“ abgeschnitten werden mussten. Darunter versteht man Äußerlichkeiten wie Kleidung, Umgangsformen usw. Soweit verstaubte Regeln einer gewissen Lässigkeit Platz gemacht haben, mag man das begrüßen; zu oft aber begegnet man statt Lässigkeit purer Nachlässigkeit. Es muss in der Universität nicht so zugehen wie auf dem Kasernenhof, aber es kann auch nicht so sein, dass jeder macht, was er will. Von manchen Mitgliedern der Universitäten ist auch nicht erkannt, dass eine corporate identity und das Bekenntnis der Mitglieder zu „ihrer“ Universität zu dem gehört, was eine Eliteeinrichtung ausmacht. „Elite“ fordert mehr als Forschungscluster und Graduierten-Schulen. (3) Ländergefälle Die neun mit dem Gütesiegel versehenen Universitäten lagen in fünf Bundesländern: Bayern (2), Baden-Württemberg (4), Nordrhein-Westfalen (1), Niedersachsen (1) und Berlin (1). Elf Länder waren leer ausgegangen. Da verwunderte es, dass kein Protest von den Ministerpräsidenten ausgegangen ist, in deren Ländern keine Universität den begehrten Status erlangen konnte. Dabei hat es durchaus Proteste von Fachleuten gegen das Verfahren gegeben, die allerdings zu keiner Änderung des Ergebnisses geführt haben. Bei dem Stillhalten der nicht Begünstigten könnte man meinen, dass wohl die Einsicht überwogen habe, die Entscheidungen seien richtig. Das aber trifft nicht zu. „Unter der Decke“ rumorte es gewaltig. Offen aber mochte sich niemand äußern, einmal, weil es als gegen Qualität gerichtet verstanden werden konnte, wenn man die Honorierung von Exzellenz kritisiert, zum anderen aber auch, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, man sei ein schlechter Verlierer. Beispiele, wie man sich aus der Affäre zieht, waren die Überlegung in Hessen, der Universität Frankfurt einen Sonderstatus zu geben und sie damit aus der Konkurrenz zu nehmen, und in Berlin (wegen des schlechten Abschneidens der Humboldt-Universität) eine sog. Super-Uni durch Zusammenführung besonders leistungsfähiger Bereiche zu gründen. Nachdem das scheiterte, war die Einstein-Stiftung mit der Aufgabe, besonders hochkarätige Forschung zu fördern, die Reaktion1153. Alles Zeichen der Unzufriedenheit und der begründeten Kritik an einem problematischen Verfahren. 1153 Vgl. Burtscheidt, Humboldts falsche Erben, S. 391, die darauf hinweist, dass die Universitäten fürchteten, durch die Ausgliederung von Vorzeigeinstituten zu einer Art höheren Lehranstalt zu werden.
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(4) Die 2. Runde Auch die Fortführung der Exzellenzinitiative hatte zu keiner Änderung des Verfahrens geführt. Aus dem Kreis der neun bisher in der Öffentlichkeit als Eliteuniversitäten bezeichneten Hohen Schulen sind im Juni 2012 drei eliminiert worden: Freiburg, Karlsruhe und Göttingen sind „abgestiegen“1154 ; sechs aus der ersten Runde galten weiter als Spitze: Aachen, die Freie Universität Berlin, Heidelberg, Konstanz und die beiden Münchner Universitäten. In die höchste deutsche Universitätsklasse aufgestiegen sind die Humboldt-Universität zu Berlin, Bremen, Dresden, Köln und Tübingen. Die nach der zweiten Entscheidungsrunde mit dem Gütesiegel versehenen elf Universitäten befinden sich in sechs Bundesländern: Baden-Württemberg (3), Bayern (2), Berlin (2), Nordrhein-Westfalen (2), Sachsen (1) Bremen (1) – die beiden letzten sind neu dazugekommen. Zehn Länder sind leer ausgegangen. Außer den Nord-Ländern Schleswig-Holstein und Hamburg sind die „neuen“ Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen, ferner Niedersachsen (nach dem Ausschluss von Göttingen), Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland „exzellenzfreie Zonen“. Die Auswahl in den abgelaufenen Runden trug deutliche Merkmale von Planwirtschaft, indem eine Anzahl vorgegeben wurde – „bis zu zwölf“ insgesamt und „höchstens fünf neue“. Die nunmehr fixierten elf Universitäten werden in der Öffentlichkeit als die besten wahrgenommen. Sie stehen im Fokus des Interesses. Dabei haftet dem Exzellenzwettbewerb von Anfang an der Makel der unlauteren Hilfestellung an: Das galt, Insidern zufolge, besonders für die TU München und Karlsruhe. Die letztere wurde im Jahr 2006 trotz Mängel beim Cluster zu Lasten anderer Konkurrenten in die 1. Liga befördert. Manche nannten das Schiebung. Später rächte es sich beim „Abstieg“. Vor allem ist die Basis, auf der die jeweilige Entscheidung beruht, viel zu schmal, um ein Urteil über eine Universität als Ganze abzugeben. Ein Cluster bedeutet die Bündelung der Aktivitäten auf einem bestimmten, abgegrenzten Gebiet. Nicht anders ist es bei den Graduiertenschulen. Zwei Beispiele: Bremen hat mit der „International Graduate School of Social Sciences“, dem Forschungscluster „Der Ozean im Endsystem“ und dem Zukunftskonzept „Ambitioniert und agil“ das Rennen gemacht. Bei der TU München waren es die „International School of Science and Engineering“, „Ursprung und Struktur des Universums“ und „The Entrepeneurial University“. So vorzüglich jeder der Titel und der dahinter stehende Inhalt sein mögen – ein Bild über die Universität als Ganze ergibt 1154
Das Prinzip von Ab- und Aufstieg wollte Hippler, Präsident der HRK, offenbar auf die Spitze treiben, indem er vorschlug, dass Universitäten, die ihre Forschung vernachlässigen, zu Fachhochschulen herabgestuft werden und Fachhochschulen, an denen Professoren exzellent forschen, den Universitätsstatus erhalten (zitiert nach Geis, Hochschulen im Wettbewerb, S. 195). Dieser beurteilt den Vorschlag als „vorschnell gedacht“.
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sich daraus nicht. Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, wie man auf einer solch schmalen Basis von Exzellenzuniversitäten zu sprechen wagt. Klammheimlich wollte man sich 2014 von der Idee verabschieden. Aus dem Wissenschaftsrat war zu hören, dass die Förderlinie „Zukunftskonzepte“ nicht fortgeführt werde. Bei den Elite-Titeln sei „eine Denkpause nötig“, so der neue Vorsitzende, Prenzel. Auch so kann man einen Fehler einräumen. In der Koalition wurden die Positionen für die Fortführung des Exzellenzwettbewerbs im Sommer 2015 abgesteckt: In der SPD hielt man nichts mehr von ganzen Exzellenz-Universitäten, Abgeordnete der Union wollten dagegen nur vier bis fünf Spitzenzentren statt rund zehn. Was aber ist mit den Universitäten, die auf Grund ihrer Zukunftskonzepte den Exzellenz-Status erhalten haben bzw. in der Öffentlichkeit Elite-Universitäten genannt werden und bei denen später die Voraussetzungen fehlten? Im Grunde war die Basis entfallen, weil sich das Konzept als nicht tragfähig erwiesen hat. Da muss an verschiedenen Orten neues Briefpapier ohne die Zusatzbezeichnung geordert werden. Nachdem anfangs zu befürchten war, dass ausländische Universitäten und Wissenschaftler dem Exzellenzstatus eine unangemessene Bedeutung zumessen könnten, scheint insoweit der Realitätssinn zu überwiegen. Bei der Feststellung, wohin es ausländische Wissenschaftler im besonderen Maße zieht, sind es keineswegs die seinerzeit hervorgehobenen Institutionen. Es zeigt sich, dass die fachlichen Beziehungen und das Wissen um die Qualität an bestimmten Orten ausschlaggebend sind und nicht eine mehr oder weniger zufällige, manchmal willkürlich anmutende Auswahl. Das korrespondiert mit dem Eindruck, wenn man alle geförderten Universitäten betrachtet: 39 Universitäten aus 13 Bundesländern waren erfolgreich: 45 Graduiertenschulen und 43 Exzellenzcluster wurden insgesamt bewilligt. Von den 43 Clustern sind 12 neu, 31 alt – von 38 aus der ersten Runde; bei den Graduiertenschulen ein ähnliches Verhältnis: 12 neu, 33 alt – von ursprünglich 40. Neben den elf Exzellenz-Universitäten haben sowohl eine Graduiertenschule als auch ein oder mehrere Cluster: die Absteiger und die in der Endrunde gescheiterten Bochum und Mainz, ferner Bielefeld, TU Berlin, Erlangen, Gießen, Kiel, Saarbrücken und Stuttgart. Wenigstens ein Cluster haben: Bonn, Chemnitz, Frankfurt/M, Hamburg, Med. Hochschule Hannover, Münster, Oldenburg und Würzburg. Mindestens eine Graduiertenschule weisen auf: Bamberg, Bayreuth, Darmstadt, Jena, Mannheim und Ulm. In sog. Ko-Sprecherschaft sind dabei: Düsseldorf und Regensburg. Die Universitäten in den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt sind vollständig leer ausgegangen.
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Betrachtet man die in den verschiedenen Durchgängen mit Clustern oder Schools erfolgreichen Universitäten, so ergibt dies ein wechselndes Bild: Zum Teil konnten Vorhaben weitergeführt werden, manche mussten beendet werden, neue sind dazu gekommen. Daraus kann auf Stärken und Qualität geschlossen werden. Die Abstände sind fließend und ständigen Positionsänderungen unterworfen. Wie will man erklären, dass z. B. Köln exzellent ist und Bonn sowie Münster demgegenüber nur in die 2. Liga gehören? Warum ist Freiburg plötzlich schlechter als Tübingen und war es zuvor umgekehrt – und weshalb steht Göttingen hinter Bremen? Die Liste der Beispiele ließe sich fortführen. Die dritte Förderlinie kann folgenreiche, negative Ergebnisse für das deutsche Hochschulwesen haben, weil sie eine sachlich nicht begründbare Differenzierung der Universitäten bedeutet und eine scharfe Trennlinie zieht. Es gibt Unterschiede von Fach zu Fach. Die Einordnung ganzer Universitäten nach Zukunftskonzepten, mag man sie Pläne oder Visionen nennen, ist der falsche Weg. Was den Hasardeuren der Hochschulpolitik in den 1970ern durch unreflektierte Reformen nicht gelungen ist, nämlich einen Teil der deutschen Universitäten auf Dauer zu beschädigen, geschieht mit einer über das Ziel hinausschießenden Förderpolitik und einem pseudo-wissenschaftlichen Verfahren. Unsinnige Gesetze kann man aufheben, mindestens novellieren oder revidieren. Die Nichtaufnahme in den Kreis der Exzellenz-Universitäten, schlimmer noch die Herabstufung, bleibt nicht folgenlos. Auch die nur moderate Ausweitung auf insgesamt elf Universitäten zeigt die Absurdität des Verfahrens und einer solchen Entscheidung. Gemessen an dem, was vor allem in der anglo-amerikanischen Welt als Elite angesehen wird, könnten, so schätzen es Kenner beider Seiten ein, hierzulande wohl drei bis fünf Einrichtungen mithalten, allerdings nicht beim status quo. Dann bedürfte es einer Konzentration der besten Fachvertreter an nur wenigen Plätzen. Selbst wenn einige der mit dem Prädikat versehenen Hohen Schulen versuchen wollten, ihre vielleicht etwas schwächeren Disziplinen durch Abwerbungen von anderen Orten aufzuwerten – der Erfolg wird nicht im Handumdrehen eintreten. Das deutsche Universitätssystem hat seinen weltweit guten Ruf dadurch erworben, dass an unterschiedlichen Orten Exzellentes geleistet wurde. Leuchttürme in der Provinz halten Zentralisten für ein Ergebnis von Kleinstaaterei, Befürworter für die segensreiche Konsequenz des Föderalismus. Dass es dennoch dazu kommt, dass sich an einigen Plätzen mehr hervorragende Wissenschaftler zusammenfinden als an anderen, ist kein Widerspruch. Dort, wo eine Reputation von Fachdisziplinen bzw. deren Vertretern besteht, ist der Anschluss an die international führenden Universitäten gegeben. Das hängt nicht von formalen Entscheidungen auf nationaler Ebene ab, wer „Spitze“ sein soll, sondern von der informellen Anerkennung durch die scientific community. Die Spitzenuniversitäten in den USA wirken in ihrer Attraktivität als gesamte Institution, nicht nur wegen einzelner Fächer. Nur gibt es einen gravierenden Un-
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terschied zu den in Deutschland auserkorenen Exzellenz-Universitäten. Kein Gremium hat Harvard oder Berkeley zur Eliteuniversität ernannt; sie sind es dank der an ihnen vertretenen Fächer und ihrer dort tätigen Wissenschaftler in einem über Jahrhunderte dauernden Prozess geworden. Die Zäsur des Exzellenzwettbewerbs führt dazu, dass vieles, was an nicht berücksichtigten Universitäten mit hoher Qualität aufgebaut worden ist, übergangen wird. Solche Nebenwirkungen führen auf jeden Fall zu (Kollateral-)Schäden. bb) „Nebenwirkungen“ Nicht zuletzt weil die kleinen Hochschulen bei dem Exzellenzwettbewerb in Vergessenheit zu geraten drohten, hat der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zusammen mit der Heinz-Nixdorf-Stiftung den Preis „Profil und Kooperation“ ausgelobt. Der angesprochene Kreis müsse Gebrauch von seinen Stärken machen, wenn man in der härter werdenden Konkurrenz um Studenten und Forschungsgelder bestehen wolle. Der Wettbewerb, eine Art Exzellenzinitiative für die Kleinen, sollte ihnen dabei helfen – wobei der Vergleich hinkt. Es wurde nicht Exzellenz in der Forschung prämiert, sondern es sollen exzellente Strategien zum Überleben unterstützt werden. 64 Teilnehmer, darunter viele Fachhochschulen, haben ihre Zukunftskonzepte beim Stifterverband eingereicht, elf von ihnen kamen in die Endrunde. Den fünf Siegern winkten jeweils 400.000 Euro, verteilt auf zwei Jahre. Die Initiative des Stifterverbandes belegt das Unbehagen über die Exzellenzinitiative, die vor allem bei der Auswahl der Cluster in der ersten Runde die Natur- und Ingenieurwissenschaften bevorzugte. Die Geisteswissenschaften, besonders die sog. kleinen Fächer, auch Orchideenfächer genannt, blieben weitgehend auf der Strecke. Sie sind zum Teil auch gar nicht „clusterfähig“. Oft ist es ein einzelner Wissenschaftler, der Weltruhm genießt und das Ansehen des Faches bestimmt. In solchen Fällen erweist sich die Exzellenzinitiative als Dampfwalze. (1) „Trittbrettfahrer“ Beim Ranking von Universitäten, also dem Versuch, die Leistung zu messen, sind sich alle ernst zu nehmenden Experten einig, dass ein Urteil über ganze Universitäten nicht abgegeben werden kann, weil sie zu heterogen sind, was Größe, Fächervielfalt und Rahmenbedingungen angeht. Deshalb sind seriöse Aussagen allenfalls möglich, indem Fächer verglichen werden. Beim Exzellenzwettbewerb allerdings soll der Eindruck erweckt werden, man könne Universitäten als Ganze vergleichen und beurteilen. Die Folge ist, dass Fächer, die nur eine mittlere Qualität aufweisen, u. U. als Trittbrettfahrer einer sog. Elite-Universität mitreisen, so z. B. bei der Universität Karlsruhe die dort vertretene Betriebswirtschaftslehre1155. Ohne den Vertretern dieses Faches nahetreten zu wollen: Es besteht wohl kein Zweifel, dass die Nachbar1155 Inzwischen hat dieses Beispiel nur historischen Wert, weil Karlsruhe seit 2012 den Exzellenzstatus verloren hat.
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Universität Mannheim die bekanntere, nach allgemeiner Einschätzung auch leistungsfähigere Fakultät hat. Mannheim aber hatte wegen der nicht gegebenen Größe überhaupt keine Chance, in den Kandidatenkreis zu gelangen. Andererseits verlieren besonders gut vertretene Fächer an Universitäten, die nicht das Exzellenz-Etikett tragen, an Bedeutung, selbst wenn sie in der Konkurrenz um Cluster und Schulen erfolgreich waren. (2) Das böse Erwachen Im Jahr 2017 waren es mehr als zehn Jahre her, seitdem von bestimmten Einrichtungen als Eliteuniversitäten gesprochen wurde. Solange erhielten sie für Forschungscluster und Graduiertenschulen sowie ihre Zukunftskonzepte erhebliche finanzielle Mittel. Dieses Geld wurde in Ausstattung und Personal investiert. Auch bei einer Überbrückung zur Fortsetzung der Exzellenzinitiative, kann es zu Problemen kommen, vor allem, wenn Vorhaben nicht weitergeführt werden. Nur einem Teil der Beschäftigten wird man feste Stellen anbieten können. Dies wird dadurch geschehen, dass verfügbare, zufällig freie Stellen verwendet werden, und zwar auch aus anderen als den geförderten Bereichen. Das bedeutet zwangsläufig eine weitere Verschiebung der Gewichte zu Gunsten der schon bis dahin besonders geförderten fachlichen Bereiche. Solche Effekte gibt es auch sonst, wenn zusätzliche Fördermittel auslaufen. Allerdings ist die Größenordnung nach den aufgrund der Exzellenzinitiative eingerichteten und dann wegfallenden Stellen eine andere als z. B. bei der Beendigung von Sonderforschungsbereichen. Solche Folgen der befristeten Förderung im Rahmen der Exzellenzinitiative sind bekannt. Diese Fakten dürfen nicht verdrängt werden, soll es nicht ein böses Erwachen geben. Aber selbst wenn eine vorausschauende Personalplanung die eintretende Situation berücksichtigt, werden sich die Gewichte innerhalb der Universitäten verschieben. Durch die Exzellenzinitiative werden an jeder einzelnen sog. Eliteuniversität Verwerfungen eintreten, die abzusehen waren. Ob entsprechend gegengesteuert wird und inwiefern das überhaupt möglich war, ist Sache jeder einzelnen betroffenen Institution. cc) Der „Rest“ Eine große Zahl von Einrichtungen, die ebenfalls gute Leistungen aufzuweisen haben, ist nicht mit dem Etikett „Elite“ ausgezeichnet. Sie sind dem „Rest“ zuzurechnen, zu dem auch diejenigen gehören, die sich erst gar nicht dem Wettbewerb gestellt haben. Die überwiegende Zahl der Universitäten, darunter international auf bestimmten Gebieten höchst renommierte Einrichtungen, sind nicht unter den Exzellenz-Universitäten. Verschärft wird das Problem durch die Existenz der Fachhochschulen. Von den insgesamt 2,7 Millionen Studierenden waren zum Zeitpunkt der Entscheidung rund 1,77 Millionen an den Universitäten und 929.000 an den Fach-
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hochschulen eingeschrieben. Das waren fast 98 % der „Teilnehmer an höherer Bildung“. Die restlichen entfielen auf die Kunst- und Musikhochschulen und die Theologischen Hochschulen. Das Verhältnis von Universitäten und Fachhochschulen war und ist nicht frei von ungeklärten Zuständigkeiten, Vorbehalten, Spannungen und Missverständnissen. Sofern eine Frage zum Selbstverständnis der Fachhochschulen gestellt wird, die nur einen Hauch von Zweifel oder Kritik enthält, reagieren ihre Vertreter allergisch. Es kommt nicht darauf an, Unterschiede zwischen den Hochschularten einzuebnen, sondern die Differenzierung aufrechtzuerhalten, die sich aus der unterschiedlichen Aufgabenstellung ergibt. Die Tatsache, dass an beiden Hochschularten sowohl Master- als auch Bachelorexamen möglich sind, trägt nicht zur Klarheit der Aufgabenverteilung bei1156. Eine Annäherung, womöglich eine Gleichstellung, hätte zur Folge, dass eine neue Hochschulart gegründet werden müsste, welche die (ursprünglichen) Aufgaben der Fachhochschulen übernimmt. Die Einrichtung von Berufsakademien in einigen Bundesländern war eine Antwort darauf, dass die Fachhochschulen sich von den ihnen bei der Gründung zugeschriebenen Aufgaben entfernt hatten. Die Tatsache, dass sich die Fachhochschulen selbst universities of applied sciences nennen, dass es eine Diskussion um eine bestimmte Zahl von sog. EliteUniversitäten gibt und – bei Verstetigung – es Universitäten 1. und 2. Klasse geben wird und die Fachhochschulen nicht gerne die Nr. 3 in der Reihenfolge sein mögen, sowie die nachgiebige Haltung der Politik gegenüber Bestrebungen der Fachhochschulen nach Angleichung an die Universitäten spricht von vornherein dafür, dass die Vermischung mit den Universitäten fortschreitet. Es wäre dies dann ein weiteres Beispiel dafür, dass sich letztlich Prestigedenken, vermeintliche Benachteiligung, Forderungen nach Angleichung der Besoldung und Druck auf Politiker durchsetzen. Die Kultusminister der Länder hatten bereits im Frühjahr 2004 eine wichtige Unterscheidung zwischen Universitäten und Fachhochschulen aufgegeben. Ursprünglich galt, dass Studiengänge an Fachhochschulen stärker anwendungsorientiert, solche an Universitäten stärker forschungsorientiert sein sollten. Diese Differenzierung sollte nunmehr nur noch für die Masterstudiengänge, nicht aber für die Ausbildung zum Bachelor gelten. Der Sprachgebrauch, wonach alles, was nach der Schule kommt, als „Uni“ bezeichnet wird, trägt mit zu einer Verwässerung bei. Wir bewegen uns insoweit auf amerikanische Verhältnisse zu: Alles, was zum tertiären Bildungsbereich gehört, wird „university“ genannt werden. Eine Differenzierung wird es allerdings zunehmend geben, und zwar zwischen einer kleinen Zahl von Universitäten, die besonders gefördert werden, und dem Rest, der den gleichen Bedingungen unterliegt wie bisher.
1156 So wird von Verfachhochschulisierung oder Fachhochschulisierung der Universitäten gesprochen, Burtscheidt, S. 388.
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Innerhalb dieses „Restes“ haben einstweilen noch einzelne Institutionen ein besonderes Profil. Das sind Fakultäten oder Fächer, die qualitativ herausragen. (1) Sortierung Je mehr es zur Angleichung von Fachhochschulen und Universitäten kommt, desto deutlicher werden klassische, bekannte Universitäten versuchen, sich abzusondern. Bei den Technischen Universitäten konnte man das bereits im Jahr 2005 beobachten: Die neun bekanntesten haben sich als Verein zusammengeschlossen („TU 9 German Institutes of Technology e.V.“ mit Sitz in Berlin)1157, um gemeinsam die speziellen Interessen forschungsorientierter ingenieur- und naturwissenschaftlich orientierter Universitäten in Deutschland zu vertreten, u. a. um Position gegen die Ersetzung des Diploms durch Bachelor und Master zu beziehen. Andere, kleinere Universitäten, die auf Spezialgebieten durchaus Weltniveau erreichen, wurden nicht eingeladen. Eine ähnliche Entwicklung war daneben abzusehen. Die wohl eher durch Zuruf als aufgrund sachlicher Erwägungen zustande gekommene Höchstzahl 12 (es wurden nur 11 „ernannt“) in Bezug auf die Auswahl von Exzellenzuniversitäten war zufällig und wirkt dennoch wie eine Zäsur. Auch und gerade wenn sich alle Einrichtungen des tertiären Bereichs „Universität“ oder „University“ nennen,1158 wird die Notwendigkeit der Differenzierung unumgänglich. Mit der Auswahl von Spitzenuniversitäten war der erste, allerdings problematische Schritt getan. Es war vorauszusehen, dass sich eine weitere Gruppierung bilden würde, zu der insbesondere sog. Klassische Universitäten mit Jahrhunderte langer Tradition und Ansehen gehören, gewissermaßen die Kategorie I. b). Mit der Zielsetzung, die Bedingungen für Wissenschaft, Forschung und Lehre zu verbessern, vertreten 15 große forschungsorientierte und medizinführende Universitäten in Deutschland ihre strategischen Interessen nun gemeinsam1159. Ihr Anliegen ist es, die Lehr- und Forschungsleistungen, das gesellschaftliche Wirken sowie die Wissen schaffenden und ökonomischen Potentiale der führenden deutschen Volluniversitäten der Politik ebenso wie der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft stärker bewusst zu machen. Zur Gruppe der „U 15“ gehören auch einige der Exzellenz-Universitäten1160.
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Mitgliedshochschulen sind die Technischen Universitäten RWTH Aachen, TU Berlin, TU Braunschweig, TU Darmstadt, TU Dresden, U Hannover, U Karlsruhe (TH), TU München und U Stuttgart. 1158 In Großbritannien wurden die sog. Polytechnics, den deutschen Fachhochschulen vergleichbar, nach dem Erlass des Further and Higher Education Act im Jahr 1992 nominell zu „Universities“. 1159 FU Berlin, HU Berlin, U Bonn, Frankfurt, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Heidelberg, Köln, Leipzig, Mainz, Ludwig-Maximilians-Universität München, Universität Münster, Universität Tübingen, Universität Würzburg. 1160 Das sind: Freie und Humboldt-Universität in Berlin, Heidelberg, Köln, Univ. München und Tübingen.
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Es wäre immerhin eine gewisse Begradigung der aus der dritten Förderstufe der Exzellenzinitiative (Zukunftskonzepte) gezogenen falschen Schlussfolgerung, wenn nicht (nur) die elf auserkorenen sog. Elite-Universitäten als erste Garnitur verstanden würden. Auch wenn TU 9 und U 15 nicht „das letzte Wort“ sind und es zu Korrekturen kommt, so verdeutlichen die neuen Orientierungen den Trend. Es wird einen Kreis von Universitäten geben, die in der ersten Liga spielen und einen großen „Rest“. Die qualitativen Unterschiede zwischen diesem Gros der Universitäten und den Fachhochschulen werden zunehmend weniger interessieren. Zusammen werden sie vornehmlich Ausbildungsstätten, zu denen sich im Zuge der Akademisierung Ausbildungsgänge gesellen, die bisher im dualen System angesiedelt waren. Forschungsuniversitäten und der „Rest“ werden dann im Verhältnis 1/3 zu 2/3 stehen. Diese Art der Gruppenbildung muss zu einer Belastung des Zusammenschlusses aller Hochschulen, der Hochschulrektorenkonferenz, führen. Wenn sich bei U15 die „forschungsstärksten“ Universitäten versammeln wollen, mag man die nicht aufgeführten (nicht aufgenommenen?) Exzellenz-Universitäten Konstanz und Bremen (nicht Medizin führend) vermissen, wohl aber auch Institutionen, die in den Endrunden gescheitert sind (Bochum), ferner solche wie Bielefeld, Erlangen, Kiel oder Saarbrücken. Was soll man von einer Organisation halten, deren Teile machen, was sie wollen? Dies ist zurzeit bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zu beobachten. Ein weiteres Beispiel neben TU 9 und U 15: Sieben „Hochschulen für angewandte Wissenschaft“ – das sind Fachhochschulen, die umettikettiert worden sind – haben sich in der „Hochschulallianz für den Mittelstand“ (HAfM) zusammen gefunden. Sie sind zugleich Mitglieder in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und nicht die ersten, die zweispurig operieren. Auch im Kreis der Fachhochschulen gab es bereits vor der HAfM Erscheinungen, die wie Separationsbestrebungen wirkten: Das waren die UAS7 e.V (Seven Universities of Applied Sciences), sieben große deutsche Fachhochschulen mit internationaler Ausrichtung, die über einen technischen Schwerpunkt verfügen.1161 Nach dem Grundsatz „Gemeinsam sind wir stärker“ bilden sie seit der Gründung eines gemeinsamen Verbindungsbüros in New York im Jahr 2005 eine strategische Allianz und arbeiten in ausgewählten Bereichen zusammen. In den Zusammenhang gehört auch die HochschulAllianz für Angewandte Wissenschaften (HAWtech). Sie ist ein im Dezember 2009 gegründeter Zusammenschluss von deutschen Fachhochschulen, die über einen technischen Schwerpunkt verfügen1162. 1161
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Hochschule Bremen, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Fachhochschule Köln, Hochschule München, Fachhochschule Münster und Hochschule Osnabrück. 1162 FH Aachen, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Hochschule Darmstadt, Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, Hochschule Esslingen, Hochschule Karlsruhe.
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Wie ernst die Separationsbestrebungen auch immer sind und wie nachhaltig sie betrieben werden mögen, wird sich zeigen. Auf jeden Fall entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck eines allmählichen wenn nicht Auflösens, so doch Auseinanderdriftens der unter dem Dach der Hochschulrektorenkonferenz versammelten Mitgliedshochschulen. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) firmiert als „Stimme der Hochschulen“. Das war sie über Jahrzehnte; inzwischen herrscht Kakophonie. Der Grund: Sie zerfällt zunehmend in Gruppen, die eigene Interessen haben. Vielleicht befinden sich weitere Verbünde im Entstehen. Wo bleiben die „kleinen“, die auch knapp 10.000 Studierende haben? Wo sind die mit Autobahnanschluss oder solche, die das generische Femininum eingeführt haben? Warum verstecken sich andere, die Politiker/ innen wegen nachgewiesener Plagiate den Dr. aberkannt haben? Da muss man schon hinsehen, wer nicht einem der Grüppchen angehört. Ist es nicht Zeit, einen Club der „Blockfreien“ zu gründen? Dem Erscheinungsbild der HRK und ihrer Wahrnehmung und Durchschlagskraft dient das Club- und Gruppenwesen nicht. Begünstigt wurden die Separationen dadurch, dass der Präsident, der sämtliche Hochschulen zu vertreten hat, als früherer Rektor einer Universität bei der Gründung eines der „Clubs“ mitwirkt hat. Die Grüppchen bestätigen den Trend zur Hierarchisierung der Hochschulen. In Zukunft läuft es auf eine Privilegierung von Forschungsuniversitäten hinaus – hoffentlich nicht nur auf „acht bis elf“ mit dem Exzellenzbutton. Geeigneter wäre der Ansatz über German U15 plus TU 9, allerdings mit Korrekturen. Nicht alle, die sich selbst ernannt haben, sind „forschungsstark“. Es ist abzusehen, dass Gewinner dieser Entwicklung die Fachhochschulen sein werden, die neben der begehrten Bezeichnung „university“ vermutlich über kurz oder lang auch andere Rechte bekommen werden wie das Promotionsrecht; Verlierer werden manche Technische Universität, viele Neugründungen und Universitäten mit einem lediglich speziellen Angebot sein, die aus quantitativen Gründen nicht in die „erste Liga“ gelangen. Der quantitativ weit größere Teil der deutschen Hochschulen macht den „Rest“ aus. (2) Verdeckte Absicht: Fehlerbereinigung Bereits jetzt zeichnet sich eine Kluft zwischen den Bevorzugten und den anderen, dem überwiegenden Teil der Universitäten ab. Das entspricht auch durchaus manchen bildungspolitischen Vorstellungen, die nur nicht öffentlich geäußert werden: Es genüge doch, wenn Deutschland eine kleinere Zahl von Hochschulen habe, die weltweit vor allem in der Forschung als erstklassig anerkannt wären; daneben könne die Mehrheit in erster Linie Lehraufgaben wahrnehmen, nicht zuletzt, um die anstehenden geburtenstarken Jahrgänge zu bedienen. Inzwischen ist die 2,8-Millionen-Rekordmarke überschritten. Die Zahl der Studienanfänger hatte mit 518.700 (= 50 % des Jahrgangs) bereits im Winter-Semester
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2011/12 eine Rekordhöhe. Die Kultusministerkonferenz geht bis zum Jahr 2020 von 450.000 Erstsemestern pro Jahr aus. Das bedeutet eine besondere Herausforderung für die Hochschulen in ihrer Ausbildungsfunktion. Eine solche Entwicklung führt zwangsläufig zu einer Einebnung der Unterschiede zwischen den so „abgewerteten“ Universitäten und den Fachhochschulen. In gewisser Weise bedeutete der Exzellenzwettbewerb mit seinen Konsequenzen sogar die Korrektur eines Anfangsfehlers zu Beginn der Reformen: Die Studierenden an Universitäten und Fachhochschulen verteilen sich etwa im Verhältnis 2/3 zu 1/3 auf Universitäten und Fachhochschulen mit der Tendenz 60:40. Besser wäre eine umgekehrte Relation. Um das zu erreichen, hätte man vorrangig die Fachhochschulen ausbauen müssen. Vor der Expansion des tertiären Bereichs, um das Jahr 1960, gab es rund zwei Dutzend Universitäten. Hinzu kamen die Technischen Hochschulen und Spezialhochschulen mit Universitätsrang. Später wurden die Fachhochschulen gegründet mit dem Auftrag, eine berufsbezogene Ausbildung anzubieten1163. Indem seinerzeit die Universitäten und nicht die Fachhochschulen massiv ausgebaut worden sind, hat man den ersten Fehler gemacht. Damit war vorgegeben, dass die Universitäten vor allem für das Gros der Studienberechtigten Plätze bereit halten müssen. Konsequent war dann zwar, muss aber als zweiter Fehler registriert werden, dass im Zuge der Bologna-Reform auch die Universitäten Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor“ anbieten müssen. Der dritte Fehler ist, dass die Fachhochschulen auch Master-Abschlüsse offerieren und davon reichlich Gebrauch machen. Richtig wäre gewesen, mit Beginn der Expansion die Fachhochschulen auszubauen und dort, und nur dort, als ersten berufsqualifizierenden Abschluss den Bachelor vorzusehen. Indem auch die Universitäten diesen Abschluss ermöglichen, der die Antwort auf das Anwachsen der Studierendenzahl ist, wurde die klassische Universität mit ihrem Bildungskonzept verabschiedet. Das bedeutete: „Opas Universität war tot“. Nachdem man merkte, was angerichtet worden war, vor allem, dass die Massenuniversität dazu geeignet war, den Wissenschaftsstandort Deutschland zu gefährden, verfiel man auf die Idee der Exzellenzinitiative. Dabei erweist sich die dritte Förderlinie, die Honorierung von Zukunftskonzepten, als Fehler Nr. 4. Zwar hilft es grundsätzlich wenig, in eine Diskussion über „hätte“ und „wäre“ einzutreten; dennoch kann es für die Zukunft nützlich sein, sich die Alternativen früherer Entscheidungen vor Augen zu führen. Das wären ein behutsamer Ausbau der Universitäten und eine deutlich stärkere Expansion des Fachhochschulbereichs gewesen. Dann hätte man heute einen breiten Bereich des tertiären Sektors, der durch 1163
Die quantitative Ausweitung hat als Nebeneffekt auch eine Provinzialisierung mit sich gebracht (Rüegg, Geschichte der Universität in Europa, S. 37). Besonders kommt das in der Regionalisierung zum Ausdruck. Kein „Zentrum“, das nicht „Hochschulstadt“ sein möchte. Fehlt nur noch eine allgemeine Kennzeichnung für Orte mit einer Hochschullokalität wie „Bad“ bei jedem Ort, der über leidlich saubere Luft verfügt.
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anwendungsbezogene Lehre auf berufliche Tätigkeiten vorbereitet, und einen quantitativ geringeren, der eine universitäre Ausbildung vorsieht. Die finanziellen Mittel des Staates wären effektiver eingesetzt. Auch ein flächendeckender bundesweiter Ausbau der Berufsakademien bzw. der Dualen Hochschule wäre sinnvoller gewesen. Das alles ist Vergangenheit; hier wurden Chancen verspielt. Dabei kann man nicht sagen, dass es nicht seinerzeit entsprechende Vorschläge gegeben hat1164. Wenn die Entwicklung so verläuft, wie sie sich abzeichnet, führt das exakt zu dem, was man längst hätte haben können: eine große Zahl von Einrichtungen des tertiären Bereichs, der in erster Linie eine Ausbildungsfunktion hat, und eine kleinere Anzahl von Institutionen, denen das Etikett „Universität“ im klassischen Sinn zusteht. Umwege sind meistens teuer und kosten Zeit. In diesem Fall schon mehr als ein halbes Jahrhundert. dd) Fortführung des Programms (1) Position des Wissenschaftsrats Der Wissenschaftsrat wollte mit der Vorlage der „Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems“ im Jahr 2013 Abschied von den Zukunftskonzepten nehmen, die entscheidend für die Auswahl von elf Exzellenz-Universitäten waren. Zuvor war das in einem Entwurf deutlich ausgesprochen: Eine Hierarchisierung der Hochschulen sei unerlässlich. Neben 2 bis 5 Spitzenuniversitäten sollten 20 bis 25 forschungsstarke Institutionen das Bild bestimmen. Daneben müsse die Mehrheit in erster Linie Lehraufgaben wahrnehmen, um die anstehenden geburtenstarken Jahrgänge zu bedienen. Mit einer solchen Richtungsänderung hätte der Wissenschaftsrat eine von ihm in den 1960er Jahren begangenen Fehlsteuerung korrigiert, indem die Universitäten und nicht die Fachhochschulen massiv ausgebaut worden sind. Dem Wissenschaftsrat war inzwischen wohl der Mut abhanden gekommen, die fällige Reparatur des Hochschulsystems zu empfehlen. Mit seinen Empfehlungen Mitte des Jahres 2013 hat das Gremium die Chance vertan, zukunftsweisend zu wirken. Er ist bei der Behandlung bestimmter Probleme mutlos geworden und manchen Fragen trotz Handlungsbedarf nicht nachgegangen. Das gilt nicht zuletzt im Hinblick auf die Beendigung der Zukunftskonzepte im Rahmen der Exzellenzinitiative. Wenn der Wissenschaftsrat zaghaft wirkt, darf das nicht verwundern. Der Grund ist die Konstruktion des Gremiums. Es besteht aus zwei Kommissionen, der Wissenschaftlichen und der Verwaltungskommission, die in der Vollversammlung zusammentreten und dort gemeinsame Beschlüsse fassen. 1164 Die in der zweiten Hälfte der 1960er von Ralf Dahrendorf für Baden-Württemberg entwickelten Hochschulgesamtpläne wiesen diese Richtung. Auch die Gründung von Gesamthochschulen in Nordrhein-Westfalen und Hessen waren von diesem Ziel bestimmt, sind später aber sämtlich in Universitäten umbenannt worden.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Die Wissenschaftliche Kommission hat 32 Mitglieder. Sie werden vom Bundespräsidenten berufen, und zwar 24 Mitglieder aus der Wissenschaft auf gemeinsamen Vorschlag der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, der Hochschulrektorenkonferenz, der Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, der Fraunhofer-Gesellschaft und der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz sowie acht Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auf gemeinsamen Vorschlag der Bundesregierung und der Landesregierungen. Die in den Wissenschaftsrat berufenen Wissenschaftler/innen sollen weder Interessenvertreter eines Faches noch einer bestimmten Institution oder Organisation sein. Es wird von ihnen erwartet, dass sie wissenschaftliche Exzellenz mit wissenschaftspolitischer Kompetenz und Erfahrung verbinden. Die Verwaltungskommission besteht aus 22 Mitgliedern, wobei die Vertreter der sechzehn Länder jeweils eine Stimme und die sechs Vertreter des Bundes sechzehn Stimmen haben. Die Vollversammlung hat somit 54 Mitglieder, die zusammen 64 Stimmen führen. Die Beschlüsse werden in der Vollversammlung mit Zweidrittelmehrheit gefasst. Dies verlangt die Suche nach konsensfähigen Lösungen. Eben darin liegt die Krux. Es kommt kein „lupenreiner“ Vorschlag mehr als Empfehlung „aus der Wissenschaft“ zustande, sondern ein Ergebnis, von der Staatsseite bereits bereinigt, ergänzt oder „weich gespült“. Die Empfehlungen richten sich an Bund und Länder. Dann wäre es konsequent, ihre Vertreter nicht schon bei der Erarbeitung zu beteiligen. Angebracht wäre eine Empfehlung des Wissenschaftsrats zur Reform seiner selbst. (2) Die Imboden-Kommission Die sog. Imboden-Kommission1165, eingesetzt zur Bewertung der Exzellenzinitiative, hat vorgeschlagen, die dritte Förderlinie in der bisherigen Form nicht fortzuführen. Das bedeutet, dass Universitäten nicht mehr auf Grund mehr oder weniger vager Vorstellungen den Exzellenzstatus zugesprochen erhalten und in der Öffentlichkeit als Elite-Universitäten durchgehen. In Zukunft sollte auf der Basis erbrachter Leistungen ein Urteil gefällt werden. Gedacht war an zehn Universitäten, die eine Exzellenzprämie erhalten könnten. Damit war auch dem unglücklichen Gedanken eine Absage erteilt, Regionen oder Zentren in einem solchen Wettbewerb als Orientierung zu wählen, der erstklassige Forschung fördern soll. Gern wird, wenn es um „Elite“ geht, das Beispiel der USA gebraucht. Da kommt aber niemand auf die Idee, Cambridge/Mass. zu fördern, auch wenn es dort neben Harvard noch die ebenfalls renommierte University of Boston gibt. Die einzelne Institution wird bewertet. Das gilt für Berkeley im „Raum“ San Franzisco ebenso wie für Stanford (und das Silicon Valley).
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Benannt nach ihrem Vorsitzenden, dem Schweizer Physiker Dieter Imboden.
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Legt man den Maßstab an, dass Leistungen in der Vergangenheit maßgebend sein sollen, und klammert die seinerzeit für den Exzellenzstatus entscheidenden Zukunftskonzepte aus, zeigt dies den schwankenden Boden der früheren Entscheidung über Exzellenz. Das verdeutlicht noch einmal die folgende Übersicht: Neben den elf „Siegern“ (LMU und TU München, FU und HU Berlin, Heidelberg, Tübingen, Konstanz, Aachen, Köln, Dresden und Bremen) hatten vergleichbare Voraussetzungen die „Absteiger“ Freiburg, Karlsruhe und Göttingen). In der Endrunde des letzten Wettbewerbs waren – eben wegen nicht goutierter Zukunftskonzepte – Bochum und Mainz ausgeschieden. Aus dem gleichen Grund – mangels „überzeugender“ Zukunftskonzepte – waren gar nicht in die Finalrunde gelangt: Bielefeld, TU Berlin, Erlangen, Gießen, Kiel, Saarbrücken, Stuttgart. Ansonsten lagen auch sie, was Cluster und Graduiertenschulen anging, mit vorn. Die eine oder andere Universität mag vermisst werden. Wo sind z. B. Bonn, Münster, Würzburg, Darmstadt, Frankfurt/Main? Exzellenz oder Elite kann nicht verordnet, sondern nur festgestellt werden. Drittmittel und Preise mögen dabei Kriterien bilden; allein genügen sie nicht. In eine entsprechende Konkurrenz gehören mehr als zehn deutsche Universitäten. Man kommt leicht auf etwa 25, die alle das Zeug zur Spitze haben. Einige unter ihnen mögen „spitzer“ als andere sein; sie heben sich aber nicht so deutlich ab, als dass ein Fallbeil nach zehn Auserwählten angesetzt werden dürfte. Imboden hat das so ausgedrückt: Auf Grund von Anträgen allein wird man die Besten nicht von den Guten unterscheiden können.1166 (3) Die Entscheidung Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten haben sich am 16. 6. 2016 darauf geeinigt, das von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz vorgelegte Konzept zu übernehmen, wonach in der nächsten Runde ab 2019 elf Universitäten den begehrten Titel „Exzellenzuniversität“ erreichen können1167. Nach sieben Jahren wird geprüft, ob sie tatsächlich „Spitzenleistungen“ erbracht haben. Ist das der Fall, behalten sie den Status. Daneben können vier weitere Universitäten die hohen
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Spiegel-Interview (Pressemitteilung HRK v. 2. 5. 2016). Im September 2016 haben DFG und WR die Antragsvoraussetzungen und Förderkriterien sowie einen Zeitplan veröffentlicht. Bis zum 3. 4. 2017 konnten die Universitäten Antragsskizzen für die Exzellenzcluster einzureichen. Es sind 195 Anträge von 63 Universitäten eingegangen. Ende September 2017 hat ein Expertengremium darüber entschieden, dass 88 Antragsskizzen bis zum 21. 2. 2018 als (Voll-)Anträge ausgearbeitet eingereicht werden können. Sie stammen von 41 Universitäten aus 13 Bundesländern. Die vollständig ausgearbeiteten Anträge gelangen im September 2018 in die Endausscheidung, wonach 45 – 50 Exzellenzcluster mit je drei bis fünf Millionen Euro jährlich gefördert werden sollen. Insgesamt stehen jährlich 385 Millionen Euro zur Verfügung. Die Förderung der Cluster beginnt am 1. 1. 2019. Wenn die Anzahl der Cluster feststeht, können bis Dezember 2018 die Anträge für die Exzellenzuniversitäten abgegeben werden, über die im Juli 2019 entschieden wird. 1167
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Weihen zugesprochen bekommen. Bisher war in der Diskussion, dass neue nur in den erlauchten Kreis gelangen können, wenn bisherige Titelhalter absteigen1168. Bei der Einigung, ob als politischer Kompromiss oder Kuhhandel bezeichnet, sollte man den Zweck der Übung nicht aus den Augen verlieren. Mit der Exzellenzinitiative sollte der Abstand der deutschen Hohen Schulen vor allem zu USamerikanischer Eliteuniversitäten verringert werden; an ein Aufholen war hinsichtlich der finanziellen Ausstattung ohnehin nicht zu denken. Im Ergebnis wird das Gegenteil erreicht werden: Dem deutschen Universitätssystem, das aus historischen Gründen und wegen der föderalen Struktur der Bundesrepublik keine „Leuchttürme“ nur an wenigen Orten ausweist, sondern an vielen Plätzen fachlich Hervorragendes zu bieten hat, wird Schaden zugefügt. Schon die Auswahl der elf wird eine Zäsur bedeuten, die, wie die Vergangenheit gezeigt hat, mehr als Zweifel aufkommen lässt. Eine Differenzierung, sogar Hierarchisierung des deutschen Universitätssystems ist zwar unerlässlich, weil es mit über 80 staatlichen Universitäten zu viele gibt und nicht alle das Niveau von Forschungsuniversitäten haben. Diesen Fehler beim Ausbau und bei den Neugründungen kann man aber nicht durch eine neuerliche Fehlentscheidung korrigieren. Richtig wäre es, Qualität dort zu belohnen und zu fördern, wo sie nachweislich vorhanden ist. Das ist an den Universitäten in unterschiedlichem Maß der Fall; mit Sicherheit nicht auf elf beschränkt und dort auch nicht in allen Disziplinen. Die in Aussicht genommene Auswahl von elf und die maximale Erweiterung um vier bedeutet, dass diese Universitäten einen Sonderstatus erhalten werden. Alle Bedenken, die bereits gegen die bisherige Differenzierung und die Folgen vorgebracht worden sind, bleiben bestehen. Mit der Entscheidung wird eine Hochschullandschaft zementiert, die nicht auf einer organischen Entwicklung beruht, sondern das Ergebnis politischer Entscheidung ist. Dabei wird das außer Acht gelassen, was ansonsten gefordert wird: eine Folgenabschätzung. So bleibt das deutsche Hochschulsystem weiterhin verkorkst.
1168 Die Änderung kam auf Druck von Hamburg zustande, das gedroht hatte, das Verfahren zu „kippen“ (dpa 24/2016, S. 6). Ob die Universität Hamburg, auf deren angeblichen Druck der Senat der Hansestadt sein Veto ankündigte, sich dabei Vorteile versprechen darf, muss sich erst noch zeigen, hatte ihr doch der WR nur ein „gemischtes Zeugnis“ ausgestellt (dpa 5/2017, S. 33). Beschlossen wurde ferner das Programm „Innovative Hochschule“ für kleinere Universitäten und Fachhochschulen sowie der Pakt zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses mit 1.000 sog. Tenure-Track-Stellen mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Von 118 Bewerbungen von 168 Hochschulen wurde 29 als „Innovative Hochschule“ ausgewählt, an denen 48 Hochschulen beteiligt sind. Die Förderinitiative beträgt 550 Millionen Euro (Laufzeit: zweimal fünf Jahre) Die einzelnen Projekte erhalten jährlich bis zu 2 Millionen Euro (im Verbund: 3 Mio.). 90 Prozent dieser Gelder stellt der Bund, 10 Prozent das Sitzland (dpa 28/2017, S29).
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c) Private Hochschulen Bis Mitte der achtziger Jahre wurde die Idee einer privaten Hochschule in der politischen Diskussion weitgehend ausgespart. Eine der wenigen Ausnahmen stellte die Debatte um eine sog. „Stiftungsuniversität“ Ende der sechziger Jahre dar.1169 Zu Beginn vorwiegend in kirchlichen Kreisen und von dem nordrhein-westfälischen Kultusminister Mikat (CDU) entwickelt, wurde das Konzept einer Stiftungsuniversität ab 1967 vom FDP-Abgeordneten Moersch weiterverfolgt. Die staatlichen Instanzen allein seien von den großen Aufgaben, die gelöst werden müssten, um ein modernes leistungsfähiges Bildungssystem zu schaffen, überfordert. Kein Zweifel könne daran bestehen, dass eine privatrechtliche und aus privaten Mitteln finanzierte Institution ein stimulierendes Element für alle Arten von Reformen in Lehre und Forschung darstellte.1170 Daraufhin bereitete die FDP-Bundestagsfraktion einen Entschließungsantrag vor, in dem die Bundesregierung ersucht wurde, die Gründung einer Stiftungshochschule mit Modellcharakter nach Kräften zu fördern. Dem Vorhaben war jedoch schon wegen der fehlenden Kompetenz des Bundes kein Erfolg beschieden. So ergriff auf Seiten der Länder der damalige Kultusminister von Rheinland-Pfalz, Vogel (CDU), die Initiative und versuchte, unter Beteiligung der „gesellschaftlich relevanten Kräfte“ Kirche, Industrie und DGB auf dem Bildungssektor ein Beispiel zu setzen.1171 Für dieses Modell strebte man einen Kapitalstock von 350 Mio. DM an, dessen Zinsen den Betrieb unterhalten sollten. Gedacht war an alle Fakultäten außer der (zu teuren) Medizin. Befürworter sahen Vorteile vor allem in der Entlassung einer solchen Hochschule aus den herkömmlichen öffentlich-rechtlichen Bindungen, was Innovationsprozesse beschleunige.1172 Doch die Diskussion ebbte ohne Ergebnis wieder ab.1173 Bedenken aus der Industrie taten ein Übriges. So hielt ein Bildungsexperte des BDI das Vorhaben für „eine utopische Angelegenheit“1174. In der Folge standen eher Reformvorhaben für die bestehende Hochschulstruktur – wie die Gruppenuniversität – oder Reformen der einzelnen Studiengänge im Vordergrund.
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van Rin/Urban, Die Stiftungsuniversität in der bildungspolitischen Diskussion, S. 29 ff. van Rin/Urban, S. 39 f. 1171 Der Spiegel Nr. 48/1968, Stiftungsuniversität. Lösung in der Luft, S. 77 f. 1172 Zur Übersicht über die verschiedenen Meinungen und juristische Analyse der Möglichkeiten vgl. Erhardt, Stiftungsuniversität bürgerlichen Rechts?, WissR 1970, S. 97 ff. 1173 Flämig, Alternative Stiftungsuniversität?, WissR 1975, S. 1 ff. (1). 1174 von Rin/Urban, S. 49. 1170
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aa) Beispiele1175 (1) Laufende Vorhaben Neue Impulse erhielt die Diskussion erst wieder durch die Gründung der Privatuniversität Witten-Herdecke im Jahr 1982.1176 Ihre Entwicklung beschreibt in beispielhafter Weise den Wandel des Verständnisses von Privathochschulen in den achtziger und neunziger Jahren, aber auch das Auseinanderfallen von erklärter Absicht und Wirklichkeit. In der konzeptuellen Ausrichtung und im Selbstverständnis unterschied sich Witten-Herdecke von Beginn an von staatlichen Universitäten; die geringe Gruppengröße im Studium und die durch Studentenauswahl erhöhte Motivation wurden und werden als das entscheidende Plus in der Ausbildung betrachtet.1177 Mittlerweile studieren in Witten rund 1.700 Personen.1178 Obwohl sich Witten-Herdecke offiziell nie als Ausbildungsstätte „der Wirtschaft für die Wirtschaft“ verstand, konnte sich die Universität anfangs auf eine Förderung insbesondere durch die Deutsche Bank und Bertelsmann stützen.1179 Die Privathochschule verpflichtete sich zu Beginn gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen, auf Studiengebühren und staatliche Zuschüsse zu verzichten. Diese hehren Vorsätze mussten allerdings Anfang der neunziger Jahre mehr und mehr aufgegeben werden. Denn bereits 1989, also gerade sieben Jahre nach ihrer Gründung, machte die Hochschule auf Finanzprobleme aufmerksam und wollte deshalb nun doch Studiengebühren in Höhe von 11.000 DM pro Jahr erheben. Dies konnte nur verhindert werden, indem die Privatuniversität in das staatliche Hochschulbauverzeichnis aufgenommen wurde. Damit verbunden war die hälftige Finanzierung notwendiger neuer Universitätsgebäude in Höhe von 34,5 Mio. DM 1175 Als nicht-staatliche Hochschulen sind auch kirchliche Hochschulen zu erwähnen, die teils auf Konkordaten, teils auf landesverfassungsrechtlichen Garantien beruhen und in der weiteren Betrachtung nicht berücksichtigt werden. Da die Zuständigkeit für das Hochschulwesen bei den Ländern liegt, sind auch die Bundeswehrhochschulen in diesem Sinne nicht-staatliche Hochschulen. Sie sind unselbständige Einrichtungen im Dienstbereich des Bundesministers der Verteidigung. Auch sie sind aus der Betrachtung ausgeklammert. 1176 Unabhängig davon schlug der frühere Außenminister Genscher die Gründung zweier eng strukturierter naturwissenschaftlich-technischer Privatuniversitäten vor. Dazu Turner, Die Substanz einer Sternschnuppe, DUZ 1984, Heft 1/2, S. 5; ders., Wir brauchen keine Privatuniversitäten, um Spitzenleistungen hervorzubringen, HB v. 4. 4. 1984, S. 12. 1177 Seminargrößen von 10 bis 15 Teilnehmern erlauben eine entsprechende Betreuung der einzelnen Studierenden. Besonders die Medizinausbildung hat wegen ihrer praktischen Ausrichtung Anerkennung gefunden; die Hochschule arbeitet hier im Verbund mit dem an der anthroposophischen Lehre Steiners orientierten Privatkrankenhaus Herdecke. Aber auch in den Wirtschaftswissenschaften versuchte sich die Universität zu positionieren. 1178 Gesundheit, Wirtschaftswissenschaft, Kulturreflexion, und Studium fundamentale. 1179 Die Bertelsmann-Stiftung spendete in den Jahren bis 1994 jeweils 5 Mio. DM jährlich. Der sich gern als Universitätsgründer darstellende Konrad Schily bemerkte hierzu, die Wittener Studenten seien „keine gedrillten Industriesklaven“ (dpa 9/96, S. 3). Der eigentliche Gründer war Gerhard Kienle. Nach dessen plötzlichem Tod übernahm Konrad Schily dessen Rolle.
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durch Bund und Land.1180 Der Bau wurde 1993 öffentlichkeitswirksam von Bundeskanzler Kohl eröffnet, der in diesem Zusammenhang von einer „Pionierrolle“ der kleinen Universitäten sprach.1181 Von der Privatuniversität könne man Eigenverantwortung für die einzelne Hochschule, Wettbewerb und Effizienz lernen. Auch Landfried, damals noch Vizepräsident der HRK, äußerte bei dieser Gelegenheit Sympathie für das Modell Privathochschule. Er wollte die Handlungsfreiheit des privatwirtschaftlich rechnenden Wittener Universitätspräsidenten auch an den Staatshochschulen realisiert sehen. Es dürfe kein Tabu sein, dass sich die staatlichen Hochschulen von nachgeordneten Dienststellen zu Stiftungen oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einer gescheiten Buchführung entwickeln.1182 MüllerBöling, damals Rektor der Nachbaruniversität Dortmund, gestand angesichts der äußerst zügigen Umsetzung des Universitätsneubaus Neid ein. Er verglich dies mit dem „siebenjährigen Papierkrieg“, den er zur Errichtung eines neuen Gebäudes mit der staatlichen Bauverwaltung zu führen hatte.1183 Doch der schöne Schein trog. Schon im Jahr 1994 geriet Witten-Herdecke erneut in finanzielle Schwierigkeiten und sah sich einer Unterdeckung von 7 Mio. DM gegenüber.1184 In dieser Situation wurde erneut nach dem wohlwollenden Staat als Helfer gerufen. Lösungsvorschläge der Landesregierung sahen nun als ultima ratio auch die Erlaubnis zur Erhebung von Studiengebühren in eigener Verantwortung vor. Dies war besonders pikant, da sich die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Brunn (SPD) an anderer Stelle stets massiv gegen Studiengebühren, gleich welcher Art, gewehrt hatte. Das Land bewilligte zusätzlich einen Zuschuss in Höhe von 25 Prozent der nachgewiesenen Einnahmen und damit eine Finanzspritze von 6 Mio. DM im Jahr 1995. Dies solle helfen, den Bestand der Privatuniversität langfristig zu sichern.1185 Ein weiterer Zuschuss von 6 Mio. DM folgte für das Jahr 1996. Nach dem Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft drohten ohne gravierende Änderung des Ausbildungskonzepts weitere Millionenverluste, da das Spendenaufkommen überschätzt worden sei. Als Ausweg wurde eine Verdoppelung der Studiengebühren von 3.000 DM auf 6.000 DM pro Semester und Student empfohlen.1186 Erst jetzt äußerte sich Brunn skeptisch.1187 Unterdessen verschärften sich die finanziellen Probleme noch weiter. So ging Witten-Herdecke 1997 erneut in die Offensive und forderte vom Land NordrheinWestfalen Unterstützung für die nachfolgenden zehn Jahre in Höhe von jeweils 10
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dpa 12/92, S. 15. dpa 44/93, S. 14 f. dpa, a.a.O. dpa, a.a.O. dpa 40/94, S. 1 f. dpa 14/95, S. 2. dpa 8/96, S. 1 f. dpa 9/96, S. 2 f.
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Mio. DM jährlich.1188 Der Zuschuss sei trotz der Einnahmen der Hochschule für die nächsten fünf Jahre aus Spendenzusagen in Höhe von 75 Mio. DM und 56 Mio. DM aus Forschungsaufträgen für die Arbeit der Hochschule erforderlich.1189 Darüber hinaus strebe die Universität den Aufbau eines Stiftungsvermögens in Höhe von 200 Mio. DM an, um die Finanzierung langfristig sicherzustellen. Die Forderung der Privatuniversität löste in der nordrhein-westfälischen Landesrektorenkonferenz große Verärgerung aus, da ein Student in Witten somit stärker subventioniert würde als ein Student an einer staatlichen Hochschule. Dem hielt Schily entgegen, dass mit dem Landeszuschuss eine erhebliche Strukturhilfe für die Region geleistet werde. Das Land blieb zunächst unschlüssig und machte seine weitere Unterstützung von einem Votum des Wissenschaftsrats abhängig. Dieses fiel zwar positiv aus, doch empfahl der Wissenschaftsrat, dass die staatlichen Zuschüsse durch ihre Höhe nicht den privaten Charakter der Hochschule in Frage stellen dürften.1190 Wenig später sagte Brunn Finanzhilfen in Höhe von 50 Mio. DM für die nächsten fünf Jahre bis 2001 zu.1191 Die Mittel seien so bemessen, dass dies keine Besserstellung gegenüber staatlichen Hochschulen bedeute. Darüber hinaus knüpfte sie die Mittelvergabe an die zusätzliche Einwerbung privater Mittel, den Aufbau einer dauerhaften Unabhängigkeit durch die neue Stiftung, die Nicht-Erhöhung der Studiengebühr bis 2001 und die jährliche Offenlegung des Finanz- und Entwicklungsstandes. Damit konnte Witten zunächst vor der Schließung bewahrt werden. Inzwischen scheinen sich die Verhältnisse stabilisiert zu haben. Mittlerweile existieren einige weitere Hochschulen mit einem reduzierten Fakultätsspektrum. Die Ausrichtung hierbei ist vorwiegend wirtschaftswissenschaftlich.1192 Gemeinsam ist diesen Hochschulen der Anspruch, Führungsnachwuchskräfte in einem international ausgerichteten und straff organisierten Studium auszubilden, das mit Pflichtpraktika ergänzt wird. Als Beispiele seien die folgenden genannt: Bereits seit 1984 gibt es die „Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung“ (WHU) in Vallendar bei Koblenz. Als private Hochschule mit Promotions- und Habilitationsrecht versteht sie sich sowohl als deutsche Hochschule mit Universitätsrang wie auch als international agierende, weltoffene Business School, die Generalisten ausbilden möchte. Eingeschrieben sind hier etwa 1.500 Studenten.
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dpa 39/96, S. 18 f. dpa 39/96, S. 19. 1190 dpa 29/96, S. 4 f. 1191 dpa 49/96, S. 18 f. 1192 Bode/Habbich/Kathöfer/Rüland/Schlüter, Universitäten in Deutschland, S. 303 ff. Darüber hinaus bestehen private Hochschulen für die Journalistenausbildung und mit religiöser Zielsetzung. 1189
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Sie ist bisher eine der wenigen Privathochschulen, die sich vollständig privat finanziert.1193 Ein weiteres Beispiel ist die „European Business School“ (EBS) in OestrichWinkel, eine staatlich anerkannte private wissenschaftliche Hochschule für Betriebswirtschaftslehre. Sie wurde 1971 (als Fachhochschule) gegründet und hat etwa 2.000 Studenten.1194 Mit großem Aufwand wurde die Gründung der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin begangen. Neben den Spitzen der Gründerunternehmen, darunter Allianz, Deutsche Bank, Eon und Siemens adelte auch Bundespräsident Rau die neue Kaderschmiede mit seiner Anwesenheit, die sich gern „Harvard an der Spree“ nennen ließ. In zehn Jahren wollte man zu den „Top 10“ in der Welt gehören. Die ersten Jahre sind vornehmlich mit dem Umbau des früheren Staatsratsgebäudes verstrichen. Was wurde da nicht alles herumschwadroniert! Die deutschen Universitäten bildeten keine Spitzenkräfte aus; die müsse man aus dem Ausland holen und deshalb brauche man eine solche Einrichtung, ließ sich der frühere Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, vernehmen. Wobei er im Einzelfall Recht haben mag: Er ist Absolvent einer deutschen Universität, sein Nachfolger kommt von St. Gallen. Kritische Fragen wurden abgebügelt, die Berliner Universitäten mehr oder weniger als nicht satisfaktionsfähig übergangen. Der Wissenschaftsrat hat der ESMT ursprünglich wenig Schmeichelhaftes ins Stammbuch geschrieben. Das Vorhaben sei „ambitioniert“, „ehrgeizig“, „nicht realistisch“. Der Managementaspekt werde durch die bisherigen Professoren „nur unzureichend ab1193
Die Finanzierung erfolgt zu 80 Prozent aus den Erträgen des Stiftungskapitals, das 1993 durch eine 50-Millionen-Stiftung des Metro-Konzernchefs Otto Beisheim auf 57 Mio. DM erhöht wurde (dpa 22/93 v. 1. 6. 1993, S. 18). Die restlichen 20 Prozent kommen aus Studiengebühren in Höhe von 5.500 DM pro Semester. 1194 Weitere Modelle seien informationshalber erwähnt. So die „Europäische Wirtschaftshochschule“ in Berlin (EAP), die neben Paris, Oxford und Madrid ein Standort der „Ecole des Affaires de Paris“ ist; diese wurde 1973 von der Industrie- und Handelskammer Paris gegründet. Die Idee der EAP ist die Vermittlung von europäischem Managementwissen und interkultureller Kompetenz. Hauptstudiengang mit einer dreijährigen Ausbildung nach dem Vordiplom ist Internationale Betriebswirtschaft; daneben gibt es die Möglichkeit, länderspezifische Master-Abschlüsse während der obligatorischen Auslandsaufenthalte zu erwerben. Seit 1988 ist der Abschluss in Deutschland staatlich anerkannt. An der EAP studieren etwa 100 Personen. Ein weiteres Projekt wurde 1992 in Pinneberg mit der Errichtung der privaten „Fachhochschule Nordakademie“ realisiert (dpa 9/93, S. 15 f.). Getragen von 28 Unternehmen aus Hamburg und Schleswig-Holstein soll die Fachhochschule Nachwuchskräfte aus den beteiligten Betrieben für mittlere und gehobene Führungspositionen ausbilden. Die anerkannten Abschlüsse umfassen Wirtschaftsingenieurwesen, Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaft. Die laufenden Kosten werden über Studiengebühren gedeckt, die von den Ausbildungsbetrieben entrichtet werden. Der Hochschulaufbau wurde ausschließlich mit Eigenmitteln ohne Hilfe von Bund oder Ländern finanziert. Mittelfristig geplant ist der Ausbau auf 500 Studienplätze. Die enge Verknüpfung mit den die Ausbildung finanzierenden Unternehmen erinnert an das Modell der Berufsakademie in Baden-Württemberg und unterscheidet das Projekt von Privathochschulen wie Witten-Herdecke oder Vallendar.
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gebildet“. Gerügt wurden fehlende Profilbildung, eine zu unklare Programmstrategie, mäßige Forschungsleistungen. Inzwischen ist die ESMT voll etabliert und anerkannt. Die vom Wissenschaftsrat seinerzeit aufgelisteten Defizite waren Geburtsfehler, die der ursprünglichen Leitung anzulasten sind. Erfolgreich ist die private Hochschule zur Juristenausbildung in Hamburg unter dem Namen „Gerd Bucerius International Law School“,1195 nicht zuletzt auch, weil die Finanzierung über die ZEIT-Stiftung trotz niedriger Zinsen auf Kapital gesichert scheint. Neue Initiativen auf privater Seite markierten Mitte der neunziger Jahre die Bestrebungen zur Gründung der Handelshochschule Leipzig. Nach den Worten des sächsischen Wissenschaftsministers Meyer als „Elitehochschule“ in freier Trägerschaft geplant, soll Leipzig damit wieder ein Zentrum der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung werden.1196 (2) Gescheiterte Versuche Andere Konzepte für Privathochschulen zu Beginn der neunziger Jahre scheiterten schon im Ansatz, so z. B. die Pläne für eine Universität in Fulda, die Überlegungen für eine Medizinische Hochschule in Ingolstadt, eine PrivatuniversitätsInitiative in Mannheim sowie die Nordische Universität in Flensburg/Neumünster.1197 So erging es auch der Idee einer „Ostseeuniversität Rügen“ als privater Fernuniversität für Berufstätige in Mecklenburg-Vorpommern. Problematisch erschien dem dortigen Kultusministerium insbesondere die Zulassung als Universität mit Promotionsrecht; demgegenüber wäre eine Genehmigung auf Fachhochschulniveau problemlos möglich gewesen.1198 Der Versuch, das Projekt im Rang einer Fachhochschule mit Promotionsrecht in Baden-Württemberg umzusetzen, misslang ebenfalls.1199
1195 dpa 19/99, S. 14 f. und Die Welt v. 13. 1. 1999, Private Juristen-Uni will Modell der Zukunft schaffen (HRK-Pressespiegel Nr. 2/1999, S. 16). Dieses Konzept soll ein juristisches Studium in Trimestern mit dem ersten juristischen Staatsexamen als Abschluss ermöglichen und inhaltlich Praxisnähe, Internationalität und Bezug zur Wirtschaft Priorität einräumen. Die Finanzierung soll über Studiengebühren (etwa 20.000 DM pro Jahr) und durch Förderung der Wirtschaft sowie Unterstützung durch die Zeit-Stiftung erfolgen. Es ist geplant, keine öffentlichen Mittel in Anspruch zu nehmen. Ein ähnliches Konzept verfolgt die Hanse Law School in Bremen/Groningen (Studiengebühr: 3.200 DM pro Jahr). Diese will Studenten zum niederländischen Jura-Examen und zum „Diplom-Jurist“ ausbilden. Die Institution ist eine wissenschaftliche Einrichtung niederländischen Rechts. 1196 dpa 10/93, S. 13 f. (14). 1197 Kreis, Private Universitäten – wohin? DUZ 7/1991, S. 34 f. 1198 dpa 25/93, S. 17 und 24/93, S. 17 f.; Schulze, Bald reif für die Insel, DUZ 13/1993, S. 20 f. 1199 dpa 36/93, S. 14 f. und 34/1994, S. 10.
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Die Liste der Flops von privaten Hochschulen ist nach unten offen. Schlusslicht ist wohl die sog. Hanse-Universität in Rostock, deren Studierende man an den Fingern einer Hand abzählen konnte. Kleinere Projekte entstanden auch in Bayern1200 und Niedersachsen1201. Die Pläne für eine internationale Privathochschule in Weimar hatten sich schon frühzeitig zerschlagen1202 ; ebenso scheiterte ein Projekt in Nordrhein-Westfalen am fehlenden Kapital.1203 Auch in Hamburg gab es neben der Bucerius Law School Ende der neunziger Jahre gleich mehrere Gründungsvorhaben. Neben einem „International Center for Graduate Studies“ der Universität Hamburg mit interdisziplinären Studiengängen wie Law and Economics, Intercultural Studies etc. gab es Bestrebungen der TU Hamburg-Harburg, ein „Northern Institute of Technology“ zu gründen, das sich an einem Konzept des „Global Engineering“ als einer Art generalistischer Ingenieursausbildung orientiert und sich an ausländische Studenten richtet. Der Präsident der Universität Hamburg, Lüthje, kritisierte dieses Projekt der TU. Der Weg, Studierende aus anderen Ländern in einer privaten Elite-Uni zu isolieren, sei falsch.1204 bb) Modellcharakter? In der Hochschulpolitik blieben die privaten Institutionen lange Zeit eher unberücksichtigt. Man schien die in Teilbereichen funktionierenden PrivathochschulModelle zwar zu begrüßen, daraus aber keine weitergehenden Konzepte für eine zukünftige Hochschulpolitik zu entwickeln. Noch im Jahr 1994 konnte Glotz zum Konzept der Privatuniversität Witten-Herdecke unken, dass es in Deutschland nicht genügend Konzerne geben werde, die bereit sind, für derartige Hochschulen zu bezahlen.1205
1200
Dort erhielt die „Europäische Betriebswirtschafts-Akademie“ mit Sitz in München als private Hochschule im Sommer 1999 ihre staatliche Anerkennung. Sie finanziert sich ausschließlich über Studiengebühren und erhält keine staatlichen Zuschüsse. Der Studiengang „Internationale Betriebswirtschaft“ schließt mit dem Diplom-Betriebswirt (FH) ab. 1201 Dort wurde im Mai 1999 in Zusammenarbeit mit der „Krannert Business School“ aus Indiana eine private Hochschule für Management und Verwaltung mit Sitz in Hannover auf den Weg gebracht (dpa 42/98, S. 20 f. und 19/99, S. 15). Auch hier ist die Zielsetzung, graduierte Interessenten anzusprechen; die Unterrichtssprache ist Englisch. Die Einrichtung einer entsprechenden Stiftung wurde durch die Landesregierung beschlossen. 1202 dpa 49/98, S. 16 f. 1203 In Dortmund war ein „Center for Advanced Management, Projects and Utility Studies“ (kurz: C.A.M.P.U.S.) geplant. Dieses Konzept ging teilweise über den Hochschulbereich hinaus; es sollten Managerschule, Weiterbildungsinstitut, Laborkooperation mit Firmen und ein Institute for Advanced Studies kombiniert werden. 1204 dpa 38/97, S. 16 f. und 23/98, S. 18. 1205 Glotz, Im Kern verrottet? S. 78.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Erst seit Mitte der neunziger Jahre wurde verstärkt der Modellcharakter solcher Hochschulen betont. So stellte beispielsweise Bundeskanzler Kohl bei seinem Besuch in Vallendar die WHU als gutes Beispiel für die Ausbildung von Leistungseliten heraus.1206 Allerdings blieb man eine weitergehende Analyse zur Zukunft des Hochschulsystems auf einer solchen Basis schuldig. Dessen ungeachtet entwickelten immer mehr Bundesländer Interesse an der Ansiedlung von Privathochschulen. Seit 1997 kann von einem regelrechten Gründungsboom bei privaten Hochschulen gesprochen werden. Allerdings blieben Gründungen, an denen nur private Investoren beteiligt waren, weiterhin selten. Die „privaten“ Hochschulen erhielten vielmehr erhebliche staatliche Geburtshilfe durch die einzelnen Bundesländer. Es entstand eine Art föderaler Wettbewerb um die lukrativste Neuansiedlung unter Gewährung großzügiger Förderungen. So dauerte es nicht lange, bis das Wort „Etikettenschwindel“ die Runde machte.1207 Die Zuschüsse drohten zudem, die ohnehin knappen Mittel der staatlichen Hochschulen weiter zu beschneiden. Die WRK hatte vor einer solchen Entwicklung bereits 1988 in einer Presseerklärung gewarnt1208 und es angesichts der unzureichenden Mittel der Hochschulen als schwer zu rechtfertigen bezeichnet, wenn private Hochschulen aus staatlichen Geldern alimentiert würden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn über die Finanzierung hinaus den Privathochschulen alle die hochschulpolitischen Freiräume zugestanden würden, die man den staatlichen Hochschulen verweigere. Bundesbildungsministerin Bulmahn betonte, dass sie sich zwar Impulse von dem privaten Gründungsboom verspreche, ihre Aufgabe jedoch nicht die Förderung von Privatuniversitäten sei, sondern die Modernisierung der staatlichen Universitäten. Da die privaten Einrichtungen nicht unter staatlicher Verantwortung stünden, sei für die Finanzierung allein der Betreiber zuständig.1209 Ähnliche Projekte wie mit der Handelshochschule in Leipzig folgten auch in anderen Bundesländern.1210 So z. B. in Baden-Württemberg, wo man sich seit Mitte der neunziger Jahre mit dem Konzept einer internationalen Universität im Großraum
1206 Zit. nach Finetti, Chance vertan, DUZ 20/1996, S. 12; s. Turner, Die Förderung der Privatuniversitäten ist kein Ersatz für Hochschulreform, HB v. 26. 2. 1998, S. 2. 1207 Gießener Anzeiger v. 19. 6. 1999, Etikettenschwindel ,Privathochschule‘ (HRK-Pressespiegel Nr. 30/1999, S. 22). 1208 WRK, Kein Auf- und Ausbau von Privathochschulen zu Lasten staatlicher Hochschulen. Presse-Erklärung zum 154. Plenum der Westdeutschen Rektorenkonferenz. Bonn, 18. Februar 1988, WRK, Stellungnahmen, 1960 – 1989. Band I, S. 669. 1209 Focus v. 7. 12. 1998, „Wir zahlen keinen Pfennig“ (HRK-Pressespiegel Nr. 50/1998, S. 12). 1210 Übersicht über einige Projekte in: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (Hrsg.), Private internationale Hochschulen – Profile und Gesichtspunkte zur Bewertung von Gründungsinitiativen; Focus v. 7. 12. 1998, Die neuen Privat-Unis (HRK-Pressespiegel Nr. 50/1998, S. 11 ff.).
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Stuttgart beschäftigte.1211 Kern der neuen Hochschule sollte nach den Worten von Wissenschaftsminister v. Trotha ihre internationale Ausrichtung sein. Der Unterricht sollte in Englisch gehalten werden, Praktika und Abschlüsse müssten denen des englischsprachigen Raumes entsprechen. Trotha wandte sich gegen den Einwand, mit der neuen Hochschule werde eine „selbsternannte Elite“ mit akademischen Abschlüssen versorgt; vielmehr gehe es darum, jungen Leuten ein zukunftsweisendes Bildungskonzept anzubieten.1212 Auch müssten Studenten aus anderen Ländern ins Land geholt werden. Die neue Hochschule könne für die bestehenden Universitäten im Land ein Anreiz sein, sich noch intensiver dem internationalen Austausch zu widmen. Eine Förderung privat geführter Institutionen durch das Land machte v. Trotha allerdings davon abhängig, inwieweit diese auch den staatlichen Hochschulen nützten.1213 In der Folge kam es aufgrund persönlicher Differenzen der ehemals gemeinsam agierenden Initiatoren, an denen vor allem die Leiterin von Bruchsal, eine frühere Rektorin der Universität Stuttgart, beteiligt war, zu zwei konkurrierenden Projekten. Im Ergebnis entstanden so 1998 zwei internationale Privathochschulen:1214 die „International University in Germany“ in Bruchsal, die mit anfänglich 40 Studenten1215 im Herbst 1998 ihren Studienbetrieb aufnahm, und das „Stuttgart Institute of Management and Technology“ (SIMT), eine in Stuttgart angesiedelte gemeinnützige GmbH, die mit 50 Studenten1216 zum Studienjahr 1999/2000 startete. Beide Einrichtungen boten MBA-Abschlüsse an und setzten ein abgeschlossenes Hochschulstudium voraus.1217 Bei der Einweihung der International University betonte v. Trotha, die Internationalisierung müsse Breitenwirkung in der ganzen Hochschullandschaft entfalten, damit die Konkurrenzfähigkeit Baden-Württembergs als Studien- und Wissen1211 dpa 13/14/97, S. 13. Hier hatte es bereits Anfang der siebziger Jahre einen erfolglosen Versuch gegeben, vgl. Turner, Contra Privatuniversität unter falsche Flagge, Hochschulmagazin 1972, Nr. 7, S. 7. 1212 dpa 13/14/97, S. 13. 1213 dpa 48/97, S. 18. 1214 dpa 8/98, S. 16 f. 1215 In der Ausbaustufe waren bis zu 400 Studienplätze vorgesehen. 1216 Nach dem geplanten Ausbau sollten es 300 Studenten sein. 1217 In der Finanzierung unterschieden sich beide Institute. Die International University stützte sich auf einen Förderkreis von Unternehmen sowie Studiengebühren und sollte bis zum Jahr 2000 rein privat finanziert werden. Die Kosten von 55 Mio. DM sollten zu 50 Prozent aus Beiträgen der Unternehmen, zu 35 Prozent aus Studiengebühren (6.000 DM pro Trimester) und zu 15 Prozent vom Land übernommen werden. Nach 2000 sollte das Projekt vom Land maximal fünf Jahre lang einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 2 Mio. DM erhalten. Die International University ist als eine gemeinnützige GmbH konzipiert gewesen. Das SIMT sollte durch einen Kapitalstock in Höhe von 40 Mio. DM unterhalten werden. Beteiligt daran waren mit 15 Mio. DM das Land, mit 5 Mio. DM die Stadt Stuttgart; den Restbetrag sollte die Wirtschaft aufbringen. Auch hier sollten Studiengebühren erhoben werden.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
schaftsstandort nachhaltig gewährleistet bleibe.1218 Nach fünf Jahren sollten beide Projekte auf den Prüfstand. Stattdessen sind beide einst hochgejubelte Mini-Gründungen inzwischen – nach mehreren Beinah-Pleiten – sanft entschlafen. In regelmäßigen Abständen singen Protagonisten von Privatuniversitäten das hohe Lied solcher Einrichtungen und kanzeln das staatliche Hochschulsystem als ineffektiv und nicht leistungsfähig ab. Richtig ist, dass die staatlichen Universitäten manche Krise zu durchstehen hatten und haben, nicht selten durch politisch motivierte, unsachgemäße Gesetzgebung verursacht. Manche Ungereimtheiten hat es auch „vor Ort“ gegeben, insbesondere wenn Präsidenten oder Rektoren gewählt worden sind, die ihr Fähnchen allzu sehr dem parteipolitischen Wind angepasst haben. Zweifelsfrei ist ebenso, dass die Errichtung privater Bildungseinrichtungen eine sinnvolle Ergänzung zum öffentlichen System sein kann. Allerdings ist es falsch, wenn behauptet wird, man brauche private Einrichtungen, weil die staatlichen keine hinreichend gut ausgebildeten Absolventen entließen. Diese gibt es durchaus. Nur darf nicht vergessen werden, dass die staatlichen Hochschulen alle Bewerber nehmen müssen, solange Plätze verfügbar sind, die privaten hingegen sich ihre Kandidaten auswählen dürfen. Die Befürworter privater Institute nehmen nicht nur in dem Zusammenhang oft den Mund zu voll. Zum einen haben solche Institutionen meist nur ein sehr schmales Fächerangebot und auch nur wenige hundert Studierende. Zum anderen erweisen sich hochtrabende Pläne oft als Luftnummern oder Seifenblasen. Überlebenschancen haben nur diejenigen Institutionen, deren finanzielle Basis gesichert ist. Als Beispiele galten die International University in Bremen dank der Spende der Jacobs-Foundation, ebenso die Bucerius Law-School, die von der ZEITStiftung lebt, und die WHU in Vallendar bei Koblenz, die nach einer Spende den Namen des Wohltäters, Otto Beisheim School of Management, trägt. Auch wenn ein Unternehmen hinter der Idee steht, ist das noch keine Garantie auch nur für den mittelfristigen Bestand. Das zeigt der Fall der sog. Auto-Uni des Volkswagen-Konzerns. Da war von einem großangelegten akademischen Netzwerk die Rede, von einer global agierenden international anerkannten wissenschaftlichen Hochschule mit drei Fakultäten. Übrig geblieben ist das, was man auf keinen Fall wollte, nämlich ein firmeneigener Seminarbetrieb. Kleinlaut reduziert man das als Corporate University deklarierte Gebilde zu einer schlichten Weiterbildungseinrichtung des Unternehmens. Da drängt sich das branchentypische Bild von CrashVersuchen auf: Mit Karacho an die Wand. In allen Fällen des Scheiterns lagen die Gründe vor allem in der zu schmalen finanziellen Basis bzw. im Rückzug von Unternehmen, letztlich ebenfalls aus finanziellen Erwägungen. So wird es möglicherweise auch noch anderen Einrichtungen ergehen, die zunächst mit großem Getöse aus der Taufe gehoben worden sind. Unabhängig von der finanziellen Absicherung dürfte auch wichtig sein, ob die 1218
dpa 37/98 v. 7. 9. 1998, S. 14.
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Programme das halten, was man versprochen hat. Sofern sie nur unwesentliche Varianten zu dem bieten, was die staatlichen Fakultäten offerieren, wird sich schnell die Frage nach dem Verhältnis von Kosten und Nutzen stellen. Die wird nicht nur von den Gebührenzahlern, also den Studierenden, sondern auch von den Trägern erhoben werden. Ein weiterer Aspekt wird hinzukommen: Infolge der Exzellenzinitiative und dem damit vernehmbareren Wettbewerb werden Fakultäten staatlicher Universitäten ihre Stärken deutlicher ausspielen. Das werden die Breite des Angebots und der Bezug zur Forschung sein, womit private Institute in der Regel nicht konkurrieren können. Und es kommt schließlich noch eine andere Überlegung hinzu: Die handverlesene Auswahl der Studierenden an privaten Einrichtungen garantiert zwar Lernfähigkeit und Einsatzbereitschaft. Sie bedeutet ebenso Homogenität der Lerngruppen, die sich positiv auf den Erfolg auswirkt, weil es generell kein großes Gefälle in den Leistungen gibt. Dieses „Unter-sich-sein“ hat aber auch den Nachteil der Abschottung, die dazu führt, dass manches, was auch zu den Erfahrungen eines Studiums an öffentlichen Einrichtungen gehört, gar nicht wahrgenommen wird. Ob sich unter solchen Bedingungen soziale Kompetenzen so entwickeln können, wie sie von späteren Führungskräften erwartet werden, ist eine mindestens offene Frage. In Anbetracht der zahlreichen Vorhaben wurde davon gesprochen, dass in Deutschland eine „politisch angeheizte Goldgräberstimmung“ grassiere.1219 Gemeinsam seien den unterschiedlichen Projekten die „schicken englischen Namen“ und die konsequent internationalen Konzepte sowie der entschiedene Wille zur Erhebung von Studiengebühren.1220 Wegen des Buhlens fast aller Neugründungen um staatliche Finanzspritzen kam Kritik bei den staatlichen Hochschulen auf; so äußerte sich die HRK z. B. Anfang 1999 gegen die Bevorzugung privater Hochschulen.1221 Der Staat gewähre neugegründeten Privatuniversitäten umfangreiche finanzielle Förderung, gleichzeitig gebe es aber an den öffentlichen Hochschulen, die immerhin noch 98 Prozent der Studenten in Deutschland ausbildeten, Mittelkürzungen und Personalabbau. Es stelle sich die Frage der Verhältnismäßigkeit, wenn eine kleine Privatuniversität mit wenigen Studenten Investitionsmittel wie eine mittelgroße öffentliche Universität erhalte und obendrein noch Studiengebühren von bis zu 20.000 DM jährlich erheben dürfe, so HRK-Präsident Landfried. Diese finanzielle Bevorzugung sei der Weg in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft von Hochschulen, die jegliche Rücksicht auf die Leistungsmöglichkeiten der Studierenden 1219
S. 23).
SZ v. 21. 4. 1999, Ein paar Mark mehr für die Elite (HRK-Pressespiegel Nr. 16/17/1999,
1220 Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die meisten Projekte ein Stipendiensystem anbieten, das die Bewerber unterstützen soll. (Zur Höhe der jeweiligen Studiengebühr und zum geplanten Umfang des Stipendienprogramms: Focus v. 7. 12. 1998, Die neuen Privat-Unis [HRK-Pressespiegel Nr. 50/1998, S. 11 ff.]). 1221 FAZ v. 25. 2. 1999, Privat-Universitäten werden bevorzugt (HRK-Pressespiegel Nr. 8/ 1999, S. 1) und SZ v. 25. 2. 1999, Rektoren rügen Privathochschulen (HRK-Pressespiegel Nr. 8/ 1999, S. 1).
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
und ihrer Eltern vermissen lasse. Staatliche Subventionen für private Universitäten seien nur dann gerechtfertigt, wenn die privaten Einrichtungen bessere Angebote als die staatlichen Hochschulen machten oder ihre Ausbildung kostengünstiger sei. Dies sei jedoch bei keinem der bekannten Projekte der Fall. Landfrieds Vorgänger als Präsident der HRK, Erichsen, hielt den Finanzbedarf der Neugründungen für „abenteuerlich“ und prognostizierte, dass die ohnehin geringe Bereitschaft privater Financiers, sich zu engagieren, eher ab- als zunehmen werde. Vertreter des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft warnten, dass die Wirtschaft auf Dauer nur die „Bundesliga, nicht aber die Kreisklasse“ finanzieren werde.1222 Trotz ihrer Bedenken wollte sich die HRK nicht gänzlich gegen private Hochschulen stellen. Landfried hoffte wie andere auch auf neue Impulse und eine „Lockerung des staatlichen Gängelbandes“. Gegen Subventionen sei nichts einzuwenden, solange die Hochschulen unter dem Strich für den Steuerzahler günstiger seien oder herausragende Leistungen brächten. Allerdings müsse man genau beobachten, was für das Gemeinwohl herausspringe; immerhin würden Privathochschulen in erheblichem Umfang öffentliche Bibliotheken, Labors oder Rechenzentren nutzen.1223 In diesem Zusammenhang mahnte der Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, Erhardt, dass die Privathochschulen selbstverständlich nicht zu „Schmarotzern“ werden dürften. Es müssten „saubere Kooperationsverträge“ geschlossen werden, mit Entgelt für die Nutzung von solchen Einrichtungen.1224 Der Gründungsboom sei im Übrigen die Antwort auf das Elend, das man täglich an den staatlichen Universitäten besichtigen könne. Unproblematisch sei die Mischfinanzierung bis zur Hälfte der Kosten, sofern wissenschaftlich solide und wirtschaftlich transparent gearbeitet werde. Im Übrigen erhielten auch private Schulen und Kindergärten bis zu 80 Prozent Staatszuschüsse, ohne dass sich jemand aufrege. Das Problem der Höhe der Studiengebühren löse sich nach seiner Meinung über den Marktmechanismus; die Studenten wählen Universitäten, bei denen das Preis-Leistungsverhältnis stimme. Auch sonst werde der Markt es richten. Bildungspolitischer Wettbewerb sei genau das, was in Deutschland bisher fehle. Manchen konnte die Privatisierung im Hochschulbereich nicht schnell genug vonstattengehen. So vertrat beispielsweise der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Möllemann die Auffassung, dass die private Hochschule als Grundmodell zu verstehen sei. Als Konsequenz müssten alle staatlichen Hochschulen privatisiert werden.1225 Er forderte, die rechtlichen Rahmenbedingungen für Hochschul-Akti1222
S. 23). 1223
SZ v. 21. 4. 1999, Ein paar Mark mehr für die Elite (HRK-Pressespiegel Nr. 16/17/1999,
Ebda. SZ v. 15. 6. 1999, Sind Privat-Unis Schmarotzer, Herr Erhardt? (HRK-Pressespiegel Nr. 24/1999, S. 3). 1225 dpa, 26/98, S. 7 f. 1224
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engesellschaften oder Stiftungsuniversitäten zu schaffen, um ein „Riesendefizit“, das durch jahrelanges falsches Sparen entstanden sei, über eine „Privatisierung für eine Mark“ mit Hilfe privater Investoren zu schließen. Diese Forderungen standen im Zusammenhang mit der allgemeinen Privatisierungsdebatte der neunziger Jahre1226 und spiegelten eine immer wiederkehrende Tendenz der hochschulpolitischen Diskussion wider, das Heil in der Privatisierung zu sehen.1227 In der Konsequenz würde dies, so die Befürchtungen der Gegner, eine radikale Differenzierung der Bildungschancen bedeuten – mit teurem Zugang zu den guten Hochschulen. Zwar konnten sich solche radikalen Vorstellungen nicht durchsetzen. Dennoch blieb manchen am Ende nur die Hoffnung, dass sich eine Hochschulreform nicht allein an modischen Schlagwörtern wie Effizienz, Deregulierung und Management orientieren möge und dass die Universität nicht allzu unreflektiert mit einem Wirtschaftsunternehmen gleichgesetzt und entsprechend gleichbehandelt wird.1228 In der neueren hochschulpolitischen Diskussion werden privat organisierte Institute im In- und Ausland häufig als Vergleichsmaßstab für die Reform der staatlichen Hochschulen bemüht. Auch in der Politik erfreuen sich Privathochschulen auffälliger Beliebtheit. Das begann zur Regierungszeit von Helmut Kohl. So waren zwei der drei Hochschulen, die er in seiner Amtszeit besuchte, privater Natur. Das faktische staatliche Monopol im Hochschulbereich wurde im Lauf der Jahre zusehends aufgeweicht. Aus dem Grundgesetz ist weder ein Verbot noch eine Verpflichtung abzuleiten, private Hochschulen anzuerkennen. Die Länder sind ermächtigt, privaten Einrichtungen auf Hochschulniveau unter bestimmten Voraussetzungen den Status staatlich anerkannter Hochschulen zu verleihen.1229 Dennoch dominieren, schon allein aufgrund der Studentenzahlen, nach wie vor die staatlichen Einrichtungen den Hochschulbereich. Während an den staatlichen Hochschulen 2,85 Mio. Studenten immatrikuliert sind, studierten an den deutschen Privathochschulen (ohne kirchliche Hochschulen und Hochschulen der Bundeswehr) nur ca. 200.000. Man kann daher das deutsche Hochschulwesen als ein höchst komplexes System öffentlicher Körperschaften mit wenigen privaten Einsprengseln bezeichnen. Private Hochschulen rückten erst seit Mitte der 1980er Jahre als Alternative zu staatlichen Einrichtungen überhaupt in das öffentliche Bewusstsein.1230 cc) Eliteschmieden? Der Stifterverband hat eine Bewertung der privaten Hochschulen vorgenommen, nach der „nicht alle ihre Autonomie für wirkliche Innovationen und Qualitätsver1226 1227 1228 1229 1230
Thieme, Privathochschulen in Deutschland, S. 3. Glotz, Im Kern verrottet? S. 81. Herzog, dpa 12/97, S. 1. MPI, Bildungswesen, S. 126. Kreis, Private Universitäten – wohin? DUZ 7/1991, S. 34 f.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
besserung“ nutzen. Das ist noch freundlich formuliert Was nennt sich nicht alles Universität oder „University“. Bei näherem Hinsehen ist die Ernüchterung groß: Die meisten sind Mini-Einrichtungen was das Fächerspektrum und die Anzahl der Studierenden angeht; viele haben unausgereifte, aber vollmundig verkündete Konzepte. Viel zu großzügig ist manchen Einrichtungen auch das Recht der Titelvergabe, wie das Promotionsrecht, durch den Staat verliehen worden. Doktorgrade in Schnellbleiche sind die Folge. Darüber hinaus ist das Konzept der Privathochschulen in einigen Bereichen untrennbar mit dem Begriff der Elite-Universität verknüpft worden; insbesondere in der Berichterstattung über private Hochschulprojekte wurden die Begriffe teilweise sogar synonym verwendet.1231 Der überwiegende Teil der existierenden Privathochschulen versteht sich in der Tat als Stätte der Elitenausbildung; einige der Projekte versuchten sich als solche zu profilieren – sei es durch entsprechend geplante Auswahlstandards1232 oder zumindest durch den Anspruch, den „Führungsnachwuchs“ respektive die „zukünftige Elite“ auszubilden. Hierbei orientiert man sich am Selbstverständnis der amerikanischen Eliteuniversitäten.1233 Gegner von Privathochschulen setzen dieses Eliteverständnis mit der regelmäßigen Erhebung von Studiengebühren in Verbindung und berufen sich auf die dadurch erfolgende „soziale Selektion“. Kritik an der „sozialen Selektion“ wird vor allem entgegnet, dass durch die Studiengebühr ein Anspruch von Seiten der Studierenden bzw. ihrer Eltern an die Hochschule entstehe, die wiederum den einzelnen Studenten fordern müsse, damit dieser etwas leiste. So entstehe ein Verhältnis gegenseitiger Herausforderung, das auf die Leistung stimulierend wirke.1234 Wieder andere sehen die Privathochschulen als Impulsgeber und betonten deren Funktion als gutes Beispiel für die Leistungseliten, die unser Land so dringend brauche, um die Zukunft zu meistern.1235 In den wirtschaftswissenschaftlichen Fächern werden private Institute, die sich trotz ihres schmalen Fächerspektrums „Universität“ nennen, von Dritten qualitativ nicht selten vor den staatlichen eingeordnet. Auch die Bucerius Law-School in Hamburg hat vermeldet, dass bereits der erste Juristen-Absolventenjahrgang hervorragende Ergebnisse im Examen erbracht hat. Das ist nicht erstaunlich. Die Erklärung liegt keineswegs – wie eine vordergründige und voreingenommene Kritik gern suggerieren möchte – in der Tatsache begründet, dass private Hochschulen Studiengebühren erheben und deshalb besser als staatliche Universitäten in der Lage sind, einen intensiven Paukbetrieb vorzuhalten. Sicher ist das Programm besonders dicht, die zeitliche Inanspruchnahme der Studierenden extrem groß. Das Geheimnis 1231
dpa 38/97, S. 16 f. dpa 19/99, S. 14 f. 1233 Z. B. den für Zulassung zuständigen Dekan der Harvard-University: „Wir sind in dem Geschäft, die Führungskräfte des 21. Jahrhunderts auszuwählen“, dpa 21/96, S. 15 f. 1234 So z. B. Thieme, Privathochschulen, S. 60. 1235 DUZ 20/1996, S. 12. 1232
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des Erfolgs aber liegt in der Möglichkeit, die Studierenden auszuwählen. Wer die Prozedur mit Erfolg hinter sich bringt, fühlt sich bestätigt in der Wahl des Studienfachs und bringt gute Voraussetzungen für den Lernerfolg mit. Die Gruppe der Studierenden ist, was Leistungsvermögen und Einstellung zu der zu erbringenden Arbeitsleistung angeht, weitgehend homogen. Ganz anders an den staatlichen Hochschulen. Die Studierenden sind von ihren Kenntnissen und ihrem Leistungsvermögen und -willen bunt zusammengewürfelt. Beim Abschluss reicht die Skala von herausragend bis unzureichend. Die Leistungen hervorragender Absolventen sind im Grunde höher zu bewerten als die von privaten Einrichtungen, weil sie nicht jene gezielte, individuelle Anleitung und Förderung erfahren und weil sie im täglichen Betrieb manche Hürde selbst beseitigen müssen. Es ist allerdings eine Illusion anzunehmen, man könne das Studium an den staatlichen Hochschulen so gestalten wie an privaten. Es müsste dann den Fakultäten erlaubt sein, ihre Studenten selbst auszusuchen und nur diejenigen zuzulassen, die qualitativ hohen Anforderungen genügen. Dies ist für den staatlichen Bereich nicht durchsetzbar. Solange freie Studienplätze vorhanden sind, müssen sie an Bewerber mit einer Hochschulberechtigung vergeben werden. Das garantiert das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Deshalb herrschen dort Bedingungen der Massenuniversität. Das gilt es zu beachten, wenn von sehr guten Ergebnissen fast aller Absolventen privater und weit auseinander fallenden bei denen von staatlichen Hochschulen berichtet wird. Umstritten war und ist der zugrundeliegende Elitebegriff mit dem in Bezug auf private Hochschulen operiert wird. Sprachlich unproblematisch, in der Sache aber höchst heikel bleibt dieser nur, wenn man ihn mit einer Art von Korpsgeist gleichsetzt, der natürlicherweise an einer kleinen Hochschule entsteht.1236 Der Wissenschaftsrat urteilte Anfang der siebziger Jahre, dass außergewöhnliche Befähigung bei einem jungen Menschen in der Regel nicht von vornherein gegeben sei. Erst in einem Prozess der Erziehung und Selbsterziehung bildeten sich solche Fähigkeiten heraus, die gesellschaftlich gewünschte Spitzenleistungen ermöglichten.1237 Solche Entwicklungen sahen manche durch den Massenandrang an den Universitäten und die daraus resultierende Stagnation der qualitativ hochwertigen Forschung gefährdet. Dies führe zu einer Verwässerung der Bildungsmöglichkeiten des Einzelnen.1238 Kritiker entgegneten, dass schon der Begriff Elite an sich mit einem falschen Demokratieverständnis verknüpft sei.1239 Die Forderung nach „Funktions-, Leistungs- und Verantwortungseliten“ in Politik und Gesellschaft sei falsch. Elitenausbildung sei nicht einfach ein Synonym für das Bemühen um eine möglichst gute Ausbildung, sondern eine auf Entstehung und Erhaltung einer Elite 1236 1237 1238 1239
So Thieme, Privathochschulen, S. 59. dpa 27/95, S. 15 f. Kaltefleiter, Elitenausbildung – Verantwortung der Universitäten, S. 345 ff. (356 f.). Kunkel, Elitenausbildung – eine Gefahr für die Demokratie?, Radius 2/1984, S. 22 ff.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
ausgerichtete Ausbildung. Elitenausbildung sei damit nicht primär ein bildungspolitisches Konzept zur Förderung der für eine Gesellschaft notwendigen außergewöhnlichen Leistung, sondern ein gesellschaftliches Konzept, das einer Minderheit, der Elite eben, Macht über eine Mehrheit verschaffe. Elitenausbildung bedeute stärkere (soziale) Selektion, stärkere Hierarchisierung der Gesellschaft und die Erhaltung oder Wiederherstellung schichtenspezifischer Bildungsprivilegien.1240 Mancher Bedenken zum Trotz fand der Elitebegriff in den neunziger Jahren Eingang in die politische Diskussion, allerdings in abgeschwächter Form. So hielt Bundesbildungsminister Ortleb (FDP) 1993 eine vorurteilsfreie Neubestimmung des Elitebegriffs in Deutschland für erforderlich.1241 Während Eliten im Sport akzeptiert und bejubelt würden, begegneten ihnen in anderen Bereichen der Gesellschaft häufig Vorbehalte. Als Ursache für diese Vorbehalte sah Ortleb „diffuse Befürchtungen“, die von einem „überkommenen Eliteverständnis“ herrührten. Es sei an der Zeit, dieses endlich zu entstauben. Allein Begabung, Fähigkeit und Leistung machten eine Elite aus; Bildung und Wissenschaft müssten deshalb Forscherdrang, Kreativität und Leistungswillen genügend Raum geben. Ein einheitliches Niveau für alle bringe die Gesellschaft um Entwicklungschancen. Neben der Breitenförderung müsse es daher in einem ausgewogenen Verhältnis die Förderung der besonders Begabten geben. In eine ähnliche Richtung gingen Überlegungen des sächsischen Wissenschaftsministers Meyer und seines damaligen Berliner Kollegen Ehrhardt, die beide auf einer Tagung des CHE im Sommer 1995 den Gedanken eines „Abitur Plus“ entwickelten.1242 Dieser durch Auswahlgespräche, Tests und Eignungsprüfungen ergänzte Abschluss sollte dazu beitragen, die besten Studenten zu den besten Professoren zu führen und somit aus der Masse der Studienanfänger die Richtigen für eine Art Elitestudium herauszufiltern. Auch der thüringische Ministerpräsident Vogel forderte 1997 mehr Wettbewerb um die besten Universitäten und die besten Studenten.1243 Bundespräsident Herzog plädierte grundsätzlich für einen offeneren Umgang mit dem Elitebegriff.1244 Gerade vor dem Hintergrund der negativen geschichtlichen Erfahrung mit der NS-Zeit sei es auch für die deutsche Gesellschaft unabweisbar, 1240 Dies bedeute insgesamt einen Verlust von schöpferischer Kraft bei der Gesamtgesellschaft durch die „negativ Selektierten“. Auch sei die Verwirklichung der (Bildungs-)Ziele des Einzelnen, seine freie Entfaltung der Persönlichkeit, dadurch eingeschränkt. Ein hochselektives Bildungssystem zwinge durch den Selektionsdruck weiterhin zur Distanzierung zu den Konkurrenten und beeinträchtige mitmenschliches, gesellschaftlich verantwortliches Verhalten. Elitenausbildung stehe deshalb im Widerspruch zu den Bildungszielen einer demokratischen Gesellschaft (Kunkel, Radius 2/19984, S. 28). Turner, Massenuniversität und Elitebildung, DUZ 1983, Heft 7, S. 14 ff.; ders., Warum Deutschlands Universitäten sich so schwer tun, Eliten zu fördern, Rhein. Merkur v. 9. 2. 1984, S. 17. 1241 dpa 40/93, S. 4 f. 1242 Sog. Leipziger Erklärung, dpa 27/95, S. 15 f. 1243 dpa 18/97, S. 14 f. 1244 dpa 24/96, S. 13.
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über Bedeutung, Gewinnung und Qualifizierung von Eliten zu diskutieren. Herzog beklagte, dass in deutschen Diskussionen der Begriff Elite lange Zeit auf so viel Abwehr gestoßen sei. Die Nachbarländer und die USA täten sich viel leichter. Indem man aber den Begriff öffentlich meide, könne man sich über die Tatsache, dass Eliten in dieser oder jener Form immer existieren, höchstens hinwegtäuschen. Die Gesellschaft brauche eine verlässliche Werthaltung ihrer Eliten; ihre Förderung im Bildungssystem sei ein Wechsel auf die Zukunft. Staatliche Begabtenförderung sei keine Belohnung für vergangene gute Noten, sondern eine Hoffnung auf einen zukünftigen, bedeutsamen Beitrag zum Gemeinwesen, zu dem nicht nur fachliche, sondern auch soziale Kompetenz gehöre. Im Übrigen bestand – bei allen Differenzen über die Notwendigkeit und Art der Elitenausbildung bzw. der Elitendefinition – Einigkeit über ein Defizit in der Förderung von Hochbegabung im Wissenschaftsbetrieb. Es gebe eine Marktlücke in qualitativer Hinsicht.1245 Deutsche Hochschulen hätten in ihrer Breite zwar ein gutes Niveau, dennoch könnte Deutschland durchaus ein paar Elitehochschulen gebrauchen.1246 Anderen schien dieses Defizit auf einem Missverständnis zu beruhen. So betonte Mittelstraß, dass die Förderung der Hochleistung als Elitenausbildung zu einer zeitgemäßen Theorie der Universität gehöre. Eine Förderung der Hochleistung in der Wissenschaft sei das Normale, nicht das Ungewöhnliche.1247 Auf diese Weise entstehe ein Wettbewerb zwischen (allen) Universitäten um wissenschaftliche Exzellenz. In diesen Wettbewerb passten die Elite-Universitäten nicht hinein, da deren Erfolg immer mit der Provinzialisierung anderer Universitäten bezahlt werde; dies sei ein Bruch mit der deutschen Tradition. Trotz dieses Plädoyers für die staatlichen Hochschulen als Ort der Elitenausbildung bleibt die Frage, ob neue Einrichtungen dafür notwendig sind und wenn ja, ob sie in privater oder staatlicher Trägerschaft entstehen und mit welcher Zielsetzung sie geführt werden sollen. Derzeit ist dazu lediglich festzustellen, dass einige der neuen Institute, so z. B. die Gerd Bucerius International Law School oder das International Center for Graduate Studies als Elite-Universitäten verstanden wissen wollen. Inwieweit sie diesen Anspruch auch tatsächlich einlösen können, muss sich dauerhaft noch zeigen. In den vergangenen Jahren zeigte sich folgender Trend: Die meisten Privathochschulen konzentrieren sich auf Studienfächer, für die Papier und Bleistift, respektive Tablet reichen. Teure Ausstattungen für Labors oder gar Investitionen in die Forschung rechnen sich nicht, die überlässt man gern den öffentlichen Hochschulen. Als vor mehr als 30 Jahren die Privatuniversität Witten/Herdecke gegründet wurde, 1245
Thieme, Privathochschulen, S. 56. SZ v. 24. 2. 1999, Interview mit Dagmar Schipanski, „Deutschland braucht Elite-Universitäten“ (HRK-Pressespiegel Nr. 8/1999, S. 6). 1247 Mittelstraß, Die unzeitgemäße Universität, S. 27. 1246
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
hofften die Pioniere noch darauf, dass privat finanzierte Spitzenuniversitäten zu Leuchttürmen in der deutschen Hochschullandschaft würden. Die Idee darf man getrost als gescheitert betrachten. Der Boom der Privathochschulen findet nicht an der Spitze, sondern an der Basis statt. Studierten 1996 erst 16.000 Studentinnen und Studenten an einer privaten Hochschule, sind es heute rund 200.000. Davon 85 Prozent an Fachhochschulen. Das Geschäft machen die Privathochschulen mit berufsbegleitenden und praxisorientierten Studiengängen ohne Glamour. Sie bieten akademische Hausmannskost statt Sterneküche.1248 Eine klare Erkenntnis und Bestätigung, dass manches was in Bezug auf die meisten privaten Hochschulen erklärt wird, eine eindeutige (Selbst-)Überschätzung ist. dd) Konzentration? Die Konkurrenz von staatlichen und privaten Hochschulen könnte man dem freien Spiel der Kräfte überlassen und abwarten, wer auf der Strecke bleibt und welche Einrichtungen sich dauerhaft etablieren werden. Das hat allerdings zwei Nachteile: Zum einen werden manche Studierende fehlgeleitet; sie fallen auf zum Teil marktschreierische Ankündigungen herein und stellen später fest, dass ihr Zertifikat nicht viel wert ist. Zum anderen sind die Geldgeber für die privaten Institutionen fast immer dieselben. Die praktizierte Gießkanne führt dazu, dass die schwachen immer noch zu viel bekommen, sodass sie überleben, die guten aber zu wenig, um international Anschluss zu finden und zu halten. In der Tat wäre es ein Gewinn für die deutsche Hochschullandschaft, wenn es eine private Universität gäbe, die alle fachlichen Merkmale enthält, wie sie der Begriff Universität im klassischen Sinne voraussetzt. Von einem entsprechend breiten Fächerspektrum sind selbst die meilenweit entfernt, die mehrere Studienrichtungen anbieten. Es besteht aber kaum eine Aussicht, dass solche Arrondierungen stattfinden, die an einem Ort zu einem Gebilde führen, das als einer klassischen Universität vergleichbar angesehen werden kann. Eine Illusion jedenfalls ist es, eine privat finanzierte Institution anzustreben, die an einem Platz – nach dem Vorbild US-amerikanischer Spitzenuniversitäten – die wichtigsten Fächer vereinigt. Das Kapital für eine solche Gründung, aus dem der laufende Betrieb finanziert werden könnte, ist schlicht nicht aufzubringen. Bei laufenden Kosten von einer halben Milliarde Euro pro Jahr wären das bei einem Zinssatz von (derzeitig unrealistischen) 5 % zehn Milliarden Euro Grundkapital. Deshalb liegt der Gedanke nahe, einen anderen Ansatz zu wählen. Warum arbeiten nicht zunächst die Einrichtungen zusammen, die im Wesentlichen von Geldgebern finanziert werden, die wirtschaftlich miteinander verbunden sind? Warum konzentrieren Firmen, die bei mehreren Institutionen engagiert sind, nicht ihre Mittel auf die beste? Damit könnte erreicht werden, dass Fächer in einen Ver1248
Thomas Kerstan, ZEIT-Chancen v. 25. 2. 2016.
VI. Struktur des tertiären Bereichs
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bund gelangen, die zusammen zwar noch nicht das Spektrum einer Volluniversität ergeben, aber doch nicht so schmalbrüstig wären wie fast alle der existierenden privaten Hochschulen. So könnte sich ein Netz von Einrichtungen ergeben, die sich untereinander ergänzen. Das setzte allerdings auch den Mut der Geldgeber voraus, sich für oder gegen die eine oder andere bisher unterstützte Einheit auszusprechen. Neben dem Verbund ergäbe sich so auch eine gewisse Marktbereinigung. Im Ergebnis könnte dann einmal so etwas entstehen wie eine Universität, die an verschiedenen Standorten unterschiedliche Fächer vorhält. So wie die Max-PlanckGesellschaft eine Organisation ist, die ihre Institute mit unterschiedlicher Ausrichtung an verschiedenen Orten unterhält, ist auch eine Universität vorstellbar, die an verschiedenen Plätzen zu Hause ist. Der Vorteil wäre eine Konzentration der finanziellen Kräfte. Es würde im Idealfall jeweils nur noch ein oder zwei Fachgebiete von ein und demselben Finanzier unterstützt. Eine solche Bündelung der Kräfte hätte sicher auch Folgen für die Qualität des jeweils geförderten Bereichs. Die Überlegungen, welche der existierenden Einrichtungen in einen Verbund einer privaten deutschen Universität gehören, könnte helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen.
VI. Struktur des tertiären Bereichs 1. Hochschularten neben Universitäten Die gängige Unterscheidung bis in die 1960er Jahre war: Universitäten, Pädagogische Hochschulen, Kunst- und Musikhochschulen und Kirchliche Hochschulen. Im Rahmen dieser Abhandlung bedarf es keines besonderen Eingehens auf die Kunst- und Musikhochschulen. sie sind den Universitäten gleichgestellt, Mitglieder der Hochschulrektorenkonferenz und führen, ihren speziellen Aufgaben entsprechend, ein gewisses Eigenleben. Das gilt auch für die Kirchlichen Hochschulen. Für die hier erörterte Hochschulreform als politisches Phänomen spielen beide insofern keine Rolle. Die Vorgänger der heutigen Fachhochschulen, die Ingenieurschulen oder vergleichbare Einrichtungen für andere Fächer, wurden nicht zum tertiären Bereich gerechnet. Dies änderte sich erst mit der Gründung der Fachhochschulen. Parallel dazu hat lange eine Neustrukturierung des tertiären Bildungsbereichs die Debatte beherrscht – die Gründung von Gesamthochschulen. a) Gesamthochschule Die Gesamthochschule war ein Reformkonzept der sechziger und siebziger Jahre. Die Idee zielte darauf ab, die verschiedenen Hochschularten – Universitäten, Pädagogische Hochschulen, Kunst-, Musik- und Fachhochschulen sowie Fachhochschulen – zu verbinden. Es sollten Begabungen und Wünsche der Studenten, Ka-
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
pazitäten der Hochschulen und der Bedarf der Praxis in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden. Einen entscheidenden Impuls erhielten erste Überlegungen hierzu 1966. In diesem Jahr hatte eine Kommission unter Leitung von Ralf Dahrendorf damit begonnen, über einen Hochschulgesamtplan für Baden-Württemberg zu beraten. Neben Neugründungen sollten im bestehenden System Veränderungen vorgenommen werden.1249 Einer der Grundsätze der Beratungen lautete: erst Umbau, dann Ausbau. Kultusminister Hahn (CDU) wollte mit seiner „Politik des Umbaus“ die Leistungsfähigkeit der Hochschulen vor allem durch eine Veränderung ihrer Struktur verbessern.1250 Strukturreformen sollten als Hebel bei der Anpassung der Hochschulen an die veränderten Rahmenbedingungen wirken. Mit dem neuen Strukturund Organisationsmodell der Hochschulen wollte man „die großen Zahlen von Studienanfängern … in überschaubarer Zeit zu sinnvollen Abschlüssen“ führen. Um dies zu erreichen, wurden im Hochschulgesamtplan für Baden-Württemberg unter anderem sog. differenzierte Gesamthochschulen vorgeschlagen mit der Absicht, durch die „organisatorische Verbindung“ und „effektive Verschränkung“ unterschiedlicher Hochschultypen zur Beförderung der Durchlässigkeit beizutragen. Hochschulen verschiedener Aufgabenstellung und Ausbildungsdauer sollten so zu Hochschulverbünden zusammengefasst werden.1251 Treibende Kraft war der Amtschef im Kultusministerium, Ministerialdirektor Paul-Harro Piazolo. Die öffentliche Meinung reagierte mit einer Mischung aus Euphorie und Aufbruchsstimmung; Baden-Württemberg war bundesweit in aller Munde und wurde seinem Ruf als „akademisches Musterländle“ gerecht.1252 Die anschließenden lähmenden Diskussionen zerstörten die Hoffnungen jedoch rasch. Auf Initiative der Universität Heidelberg bildete sich 1970 zunächst die informelle Landeshochschulkonferenz, in der – sozusagen als Ausdruck der Kooperations- und Selbstorganisierung der Hochschulen – alle Hochschularten und -gruppen zur gemeinsamen Willensbildung zusammenkamen. Bald schon entstanden Spannungen zwischen der Landeshochschulkonferenz und dem baden-württembergischen Kultusministerium. Manche sahen in der Konferenz gar eine Koalition der Hochschulen gegen das Ministerium. Dabei waren die Universitäten trotz der Furcht vor einer Nivellierung und dem Verlust ihrer Sonderstellung in Forschung und Lehre noch 1970 grundsätzlich bereit zu einer strukturellen Hochschulreform – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass ihre Dominanz gewahrt bliebe. Da das Gewicht der Universitäten nach wie vor groß war, bestand ohnehin keine Chance, Reformen gegen sie durchzusetzen. Im Winter 1970/ 1249
Ralf Dahrendorf darf als der eigentliche Vordenker der Hochschulreform bezeichnet werden. 1250 Kultusministerium Baden-Württemberg, Hochschulgesamtplan Baden-Württemberg, S. 15 f. 1251 Kultusministerium Baden-Württemberg, S. 37 ff., S. 58 ff. 1252 So das Handelsblatt v. 2. 8. 1967 (zit. in: Kultusministerium BW, S. 182).
VI. Struktur des tertiären Bereichs
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71 wurden dann ein Gesamthochschulrat und Regionalkommissionen gebildet, um konkrete Pläne zur Entwicklung von Gesamthochschulen auszuarbeiten. Allerdings wurde die Arbeit für diesen sog. Gesamthochschulplan II von vornherein nur auf die Vorbereitung und evtl. Durchführung von Modellversuchen angelegt. Insgesamt erwies sich der vom Kultusministerium vorgegebene zeitliche, finanzielle, rechtliche und organisatorische Rahmen als zu eng. Die Reformbereitschaft der Beteiligten sank, die Verfahren wurden bürokratisiert. Als dann die Widerstände aus den Universitäten wuchsen, verband sich das Kultusministerium mit den Kritikern des Hochschulgesamtplanes und rechtfertigte so die Beibehaltung des Status quo. Die baden-württembergische Regierungspartei CDU wehrte sich ohnehin gegen die vom Wissenschaftsrat und zeitweilig auch von der sozial-liberalen Bundesregierung verfochtenen Pläne zur generellen Einführung von Gesamthochschulen. So liefen im Ergebnis zwar vereinzelte Modellversuche; diese scheiterten jedoch allesamt am letztlich fehlenden Reformwillen der Hochschulen selbst oder aber an der Intervention durch die Kultusverwaltung. Das Konzept differenzierter Gesamthochschulen in Baden-Württemberg war spätestens im Jahre 1975 erledigt.1253 Mittlerweile wurde das Land auch von anderen Bundesländern überholt. Andernorts war nämlich das Ziel nicht aufgegeben worden, das Hochschulsystem nach dem Organisationsmodell der Gesamthochschule von Grund auf und durchgängig umzubauen. Im Zuge des Hochschulausbaus wurden immer wieder weitreichende Vorschläge laut, die Expansion – wie in Baden-Württemberg angedacht – mit einer grundlegenden Strukturreform zu verknüpfen.1254 Für den Wissenschaftsrat stand die Forderung nach der Einrichtung von Gesamthochschulen im Vordergrund. Im Gegensatz zu den Überlegungen aus Baden-Württemberg favorisierte der Wissenschaftsrat jedoch eine grundlegende Neugestaltung des Hochschulwesens nach dem Prinzip der integrierten Gesamthochschule.1255 Damit wollte er entgegen seinen ursprünglichen Plänen einer Differenzierung im Hochschulbereich den Fähigkeiten und Neigungen der Studierenden entsprechen. Letztlich kapitulierte der Wissenschaftsrat damit vor dem verstärkten Zulauf an die Hochschulen. Die WRK folgte der Linie des Wissenschaftsrates und gab im Jahre 1971 eine Grundsatzerklärung zur integrierten Gesamthochschule ab.1256 Auch die sozial-liberale Bundesregierung sprach sich im Bildungsbericht von 1970 für die Einrichtung von Gesamthochschulen aus; anders als der Wissenschaftsrat und die WRK sah man diese jedoch anfänglich nur als Ergänzung zu den bestehenden Hochschulen an.1257 Ebenfalls forderte die CDU auf Bundesebene in ihrem Schul- und Hochschulreformprogramm von 1971 eine inhaltlich differenzierte, organisatorisch zusammengefasste Gesamthochschule und folgte damit dem 1253
Heymann/Karcher, Das Scheitern der Hochschulreform, S. 235. Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Struktur und zum Ausbau des Hochschulwesens nach 1970. 1255 Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, Hochkonjunktur und Flaute, S. 176. 1256 WRK, Arbeitsbericht 1971/72, S. 99 ff. 1257 Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, S. 57. 1254
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Vorschlag Baden-Württembergs. Allerdings zeigte sich die Bundes-CDU im Gegensatz zur Landes-CDU auch offen für die Erprobung integrierter Formen einer Gesamthochschule.1258 Die integrierte Gesamthochschule verfolgte einen anderen Ansatz als die differenzierte (kooperative) Gesamthochschule: Sie sollte innerhalb einer jeden in ihr vertretenen Fachrichtung durch Unterscheidung von Studiengängen nach Ziel, Inhalt und Länge auf mehrere berufliche Tätigkeitsfelder hin ausbilden. Ziel dieser Gesamthochschulform war es, den Studierenden durch Vielgestaltigkeit und horizontale Integrationen verschiedener Studiengänge innerhalb derselben Fachrichtung die Möglichkeit zu bieten, noch während des Studiums die Fachwahl nach Interesse und Fähigkeit unter Anrechnung erbrachter Studienleistungen zu korrigieren. Möglichst früh sollte ein berufsqualifizierender Abschluss erreicht werden.1259 Getragen vom breiten Reformkonsens entstanden in Deutschland zwischen 1971 und 1974 insgesamt elf Gesamthochschulen – vornehmlich im SPD-regierten Nordrhein-Westfalen1260. Dabei handelte es sich stets nicht um Erweiterungen bestehender Universitäten. Allerdings wurden keine vollständig neuen Einrichtungen geschaffen, sondern bestehende und zuvor selbständige Hochschulen und Fachhochschulen zusammengefasst.1261 Die angestrebte Integration der Studiengänge erfolgte überwiegend nach dem sog. Y-Modell, bei dem sich nach einem gemeinsamen Grundstudium die Studien in einen längeren und einen kürzeren Ast gabeln. Der kürzere führt zum Fachhochschul-Diplom (D1), der längere zum klassischen Universitäts-Diplom (D2). Lübbe, zuvor Staatssekretär in Nordrhein-Westfalen, kritisierte die „Gesamthochschul-Gründungsbewegung“ schon 1976 als nicht den Zweckmäßigkeiten folgend, sondern „dem Druck verbandspolitisch organisierter Interessen an der Nivellierung von Status- und Einkommensdifferenzen im Hochschulbereich auf dem derzeit höchsten, nämlich universitären Niveau“1262. Unbeeindruckt von der zu dieser Zeit ohnehin nur vereinzelt geäußerten Kritik an den Gesamthochschulen enthielt das HRG von 1976 klare Entwicklungsziele der Hochschulpolitik in Hinblick auf die Gesamthochschule: Die Studiengänge sollten gemäß § 5 möglichst überall in Gesamthochschulen zusammengeführt werden. Dieses Ziel blieb in der Praxis jedoch ohne nennenswerte Wirkung1263 und wurde bei der Novelle des HRG im Jahre 1987 wieder gestrichen. Im Vorwort zum HRG von 1987 hieß es nunmehr, dass die „Entwicklung eines differenzierten, auf Wettbewerb gerichteten Hochschulwesens“ zu fördern sei; jede Hochschulart habe ihren eigenen Stellenwert. Dies hing auch mit den neuen Mehrheiten in Bonn zusammen, war doch 1258
Hüfner/Naumann/Köhler/Pfeffer, S. 67. WRK, Grundsatzerklärung zur integrierten Gesamthochschule, WRK, Arbeitsbericht 1971/72, S. 99 ff. 1260 Essen, Duisburg, Paderborn, Siegen, Wuppertal. 1261 Führ, Schulen und Hochschulen in der Bundesrepublik, S. 173 f. 1262 Lübbe, Die stille Kulturrevolution, S. 49. 1263 Teichler, Das Hochschulwesen in der Bundesrepublik Deutschland, S. 17. 1259
VI. Struktur des tertiären Bereichs
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die CDU trotz ihrer Forderungen im Programm von 1971 letztlich nie von der Idee der Gesamthochschule überzeugt. Die Streichung des Ziels der Gesamthochschule im HRG wurde auch von der WRK begrüßt, die angesichts der Entwicklung ebenfalls von ihrer früheren Position abrückte.1264 In all dem wurde deutlich, dass den Gesamthochschulen keine Zukunft beschieden sein würde. Dies zeigte sich auch darin, dass die Gesamthochschulen seit Anfang der achtziger Jahre zusätzlich den Namen „Universität“ führten: Die Bezeichnung „Gesamthochschule“ wurde als Reformrelikt gewissermaßen obsolet. Auch existierten im Jahre 1987 nur noch sieben der einstmals elf Gesamthochschulen unter dieser Bezeichnung.1265 Die wenigen Expertenstimmen, die sich auch dann noch für Modelle einer internen Differenzierung aussprachen, als die Gesamthochschulidee schon lange zu Grabe getragen war, verhallten ungehört. Dort, wo Einrichtungen (noch) diesen Namen trugen, war die Idee verwässert, weil vieles darauf angelegt war, dass die Studierenden in die universitären Studiengänge gelangten. Dies zeigte sich gerade in den integrierten Studiengängen der Gesamthochschulen in Nordrhein-Westfalen. Weil die meisten der Studierenden nach dem gemeinsamen viersemestrigen Grundstudium nicht mehr den Weg zum kürzeren FH-Diplom (D1) wählten, erwog die Gesamthochschule Duisburg im Februar 1999, Abschied von den integrierten Reformstudiengängen zu nehmen und die Hochschule zu einer Universität zu entwickeln.1266 Damit wurde das offiziell vollzogen, was den Gesamthochschulen immer vorgeworfen wurde: dass sie sich in der Praxis als Universitäten gerierten. Hinderlich für einen Ausbau von Gesamthochschulen scheint im Rückblick neben der zu langen Diskussion um ihre Bildung vor allem die Annahme, dass sie den Universitäten keinen Vorteil brächten und dass sie für die Fachhochschulen ebenfalls keinen Nutzen mehr hätten, nachdem diesen die Befugnis zuerkannt war, das Diplom zu verleihen. Erschwerend war zudem, dass die Debatte um Sinn und Zweck in die parteipolitische Auseinandersetzung zwischen unionsregierten und sozial-liberalregierten Ländern geriet.1267 Damit war auch die flächendeckende Einführung eines konsekutiven Modells mit Abgangsmöglichkeiten nach einer ersten Phase für die große Zahl der Studenten und einem Postgraduiertenstudium nach angloamerikanischem Vorbild Illusion geblieben.1268 Das ist insofern zu bedauern, als dieses gestuft aufgebaute Studienangebot ein angemessener Lösungsversuch und eine richtige Ergänzung war zu der berechtigten Forderung, den Anteil der Studierenden an der gleichaltrigen Bevölkerung 1264
WRK, Arbeitsbericht 1985, S. 67 u. 82. Teichler, Hochschulwesen, S. 21; MPI, Bildungswesen, S. 634. 1266 dpa 99, S. 1 f. 1267 Jäger, Die Innenpolitik der sozial-liberalen Koalition 1974 – 1982, Bd. V/II, S. 132. 1268 Eigen, die deutsche Universität, S. 73 ff. (S. 94), der in der Übernahme des amerikanischen Modells die Möglichkeit sah, eine konturreichere Universitätslandschaft zu bewahren. 1265
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
erheblich zu steigern.1269 Ihre Nichteinführung und der stattdessen überproportionale Ausbau der Universitäten haben zu den heute zu beobachtenden Problemen geführt. Die hätten möglicherweise vermieden werden können, wenn man sich Ende der sechziger Jahre ernsthaft konsekutiven Hochschulmodellen zugewendet hätte, statt sich der Frage zu stellen, ob man die Reform eher in Richtung Elite-Universität lenken oder der Massenuniversität den Vorzug geben sollte.1270 So blieb das Modell der Gesamthochschule auf der Strecke. Wie wenig weitsichtig dies war, zeigte sich später, als im Zuge der Diskussion über Bachelor- und Master-Studiengänge die Diskussion – in veränderter Form – wieder aufgenommen wurde.1271 b) Fachhochschulen Da sich die Idee der Gesamthochschule letztlich aufgrund der aufgezeigten Widerstände und Entwicklungen nicht bundesweit durchsetzen konnte, rückten andere Konzepte in den Vordergrund, mit denen dem Problem der wachsenden Studierendenzahlen begegnet werden sollte. Der Konsens über die Öffnung der Hochschulen machte eine intensive bundesweite Hochschulplanung unentbehrlich.1272 So wurden bereits Mitte der sechziger Jahre erste Überlegungen zur Errichtung von Fachhochschulen als praxis- und berufsbezogene Einrichtungen des tertiären Bildungsbereichs angestellt. Durch einen Staatsvertrag der Länder im Jahr 1968 wurde die Fachhochschule als neue Hochschulart offiziell geschaffen.1273 In der Praxis wurden die Fachhochschulen zunächst aus einem Teil der Höheren Fachschulen und aus den früheren Ingenieurschulen entwickelt. Hiermit wollte man auch die Technischen Hochschulen quantitativ entlasten.1274 aa) Ursprünglicher Auftrag Der weitere Ausbau der Fachhochschulen Anfang der siebziger Jahre trug vor allem den kontinuierlich steigenden Zahlen der Studienanfänger zwischen 1968 und 1976 Rechnung. Er war jedoch auch Folge der erhöhten Aufmerksamkeit in Gesellschaft und Politik für praxisorientierte Studiengänge. Seither haben die Fachhochschulen eine stetige Zunahme an Studienanfängern zu verzeichnen, ohne dass es allerdings zu einer Entlastung der Universitäten gekommen wäre. Zwischen 1975 und 1999 stieg die Anzahl der Fachhochschulen allein in den alten Ländern von 97
1269 1270 1271 1272 1273 1274
Hitpaß, Deutschlands Bildungswesen, S. 28 f. Eigen, S. 94. s. o. B. III. 7. b). Teichler, Hochschulwesen, S. 15. Führ, Bildungswesen, S. 222. Finkenstaedt, Lehre und Studium, S. 153 ff. (S. 158).
VI. Struktur des tertiären Bereichs
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auf 126, in den neuen Ländern von 17 im Jahre 1991 auf 26 im Jahre 1999.1275 Inzwischen sind es insgesamt 216. Der Wissenschaftsrat hatte zu Beginn der neunziger Jahre den Fachhochschulen eine Hauptrolle bei der gehobenen, aber nicht ausgesprochen wissenschaftlichen Ausbildung zugewiesen; hierfür wurde der Begriff „wissenschaftsbasierte Lehre“ geprägt. Der damalige Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Simon, attestierte den Fachhochschulen, „Zukunftsmodell in der deutschen Hochschullandschaft zu sein“1276 DFG-Präsident Markl sah in den Fachhochschulen „angewandte Wissenschaft mit Rückkopplung an die Wirtschaft, kurz: Berufsausbildung“. Vertreter der Wirtschaft beschrieben das besondere Profil der Fachhochschulen so: „straffes Stoffangebot, begrenzte Studiendauer, Berufsorientierung und überschaubare Lerngruppen“1277 Die Fachhochschulen seien deshalb besonders geeignet, sich auf die Veränderungen des Arbeitsmarktes flexibel einzustellen. Die starke Praxisbezogenheit des Studiums und die gute Strukturierung des Studienaufbaus haben dazu beigetragen, dass die bereits in den achtziger Jahren stark expandierten Fachhochschulen sich immer mehr zum Magneten auch für (Voll)Abiturienten entwickelten, die infolgedessen den Fachabiturienten die Studienplätze streitig machten. Dies führte dazu, dass der Zugang zu den Fachhochschulen durch einen zum Teil sehr harten Numerus clausus geregelt werden musste. Damit wurden, so die Kritik, Minderqualifizierte an die Universitäten abgeschoben.1278 Als zunehmend problematisch erwies sich beim Ausbau der Fachhochschulen, dass der unterschiedliche Auftrag der einzelnen Hochschultypen nur unzureichend definiert war. Das HRG überließ dies in § 2 den einzelnen Landeshochschulgesetzen, was im Lauf der Jahre zu ganz unterschiedlichen Ausgestaltungen führte. Virulent wurde dieses Problem allerdings erst Ende der achtziger Jahre, weil die Fachhochschulen erst seit der Neufassung des HRG im Jahr 1987 in § 1 unter dem Begriff Hochschule erfasst wurden. Im HRG von 1976 war lediglich von einer Gleichwertigkeit von Universitäten und Fachhochschulen die Rede. Dies veranlasste den Wissenschaftsrat damals, die gängige Formel zu prägen, Fachhochschulen seien „andersartig, aber gleichwertig“.1279 Angesichts dieser Entwicklung drängte der Hochschulverband 1996 während der Diskussionen über die neue HRG-Novelle auf eine klare Beschreibung des Auftrags der Universitäten in § 2 HRG.1280 Dem folgte
1275
Führ, Bildungswesen, S. 223. DUZ 1 – 2/1999, S. 21. 1277 Stuttgarter Zeitung v. 26. 10. 1993. 1278 Mußgnug, Von der Überlast zur Dauerlast, S. 109, der hier von einem „Unding“ spricht. 1279 Vom Wissenschaftsrat wurde dieses Motto erstmals in den „Empfehlungen zu Aufgaben und Stellung der Fachhochschulen“, 1981, propagiert; es geht zurück auf den langjährigen Rektor der FH Pforzheim, Huth (vgl. DUZ 1 – 2/1999, S. 20). Kritisch zu dieser Formel: Gellert, Andersartig aber gleichwertig, S. 1 ff. 1280 dpa 50/96, S. 2. 1276
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
die Bundesregierung allerdings nicht. Nach wie vor sind dort nur die Aufgaben der Hochschulen insgesamt beschrieben. bb) Streben nach Gleichwertigkeit mit Universitäten Schon im Jahre 1993 forderte der Verband Hochschule und Wissenschaft (VHW) unter Bezugnahme auf die unterschiedlichen Aufträge der Hochschultypen die Durchsetzung der Gleichwertigkeit.1281 Lehre und Forschung an der Universität sei theoriebezogen, an der Fachhochschule anwendungsbezogen. Dabei stehe an den Fachhochschulen die Lehre im Vordergrund. Entsprechend wurden die Aufgaben der Fachhochschulen in Umkehrung zum Universitätsprinzip „Forschung und Lehre“ auch durch das Schlagwort „Lehre und Forschung“ gekennzeichnet.1282 Einen anderen Ansatz wählte die HRK: Die Universität sei im Gegensatz zur Fachhochschule auch im Bereich der Berufsvorbereitung „vorrangig theorieorientiert“ im Sinne einer „theoretischen Durchdringung insbesondere der Grundlagen des Faches“1283. Diesen Formulierungsbemühungen zum Trotz blieb eine klare Definition der unterschiedlichen Bildungsaufträge aus. Da die Unterschiede letztlich nicht sauber herausgearbeitet wurden und vielleicht auch gar nicht herausgearbeitet werden sollten, kam es im Lauf der Zeit zu gewissen Verwerfungen und auch Begehrlichkeiten. Die Fachhochschulen erhofften sich eine Zunahme ihrer anwendungsbezogenen Forschungsfunktion und die Verwischung der Unterschiede in Studiendauer und Wertigkeit des Abschlusses zu den Universitäten. Die Gehälter der Fachhochschul-Professoren sollten steigen, die Lehrdeputate sinken, und die Promotionsmöglichkeiten ihrer Absolventen sich verbessern. In solcherlei Hoffnungen wurde teilweise bereits ein „Einstieg in den Ausstieg“ aus den Fachhochschulen gewittert.1284 Wasser auf die Mühlen der Kritiker war die Forderung des Hochschullehrerbundes, der Standesvertretung der Fachhochschul-Professoren, auch an den Fachhochschulen Graduiertenkollegs einzurichten.1285 Andere wiederum störten sich an der Bezeichnung „Fachhochschule“, da diese leicht zu Verwechslungen mit „Fachschulen“ führe und zudem im In- und Ausland nicht bekannt sei. Deshalb wollte sich die Fachhochschule Hamburg schon 1996 nur noch „Hochschule“ nennen.1286 Andere forderten – aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit – die Bezeichnung „university“. Beides ist zwischenzeitlich Realität geworden, als „Hochschule für angewandte Wissenschaften“ (HAW) und „university of applied sciences“. 1281
Stuttgarter Zeitung v. 1. 6. 1993. Graubner, WRK, Differenzierung und Wettbewerb im Hochschulbereich, Dokumente zur Hochschulreform 55/1984, S. 221. 1283 HRK, Konzept zur Entwicklung der Hochschulen in Deutschland, Dokumente zur Hochschulreform 75/1992, S. 23. 1284 Teichler, Differenzierung des Hochschulwesens, S. 13 f. (16). 1285 dpa 10/95, S. 14. 1286 dpa 9/96, S. 16. 1282
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Im Hinblick auf den stetigen Ausbau und die wachsenden Ambitionen der Fachhochschulen sah sich die WRK bereits im Jahre 1986 veranlasst, in einem Plenumsbeschluss potenzielle Konfliktpunkte im Verhältnis zwischen Universitäten und Fachhochschulen zu benennen.1287 Dies waren insbesondere die Themen: – Promotionsmöglichkeiten von Fachhochschulabsolventen, – Art und Ausmaß der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten an Fachhochschulen,1288 – Erweiterung des Fächerangebots an Fachhochschulen und – Außenvertretung der Fachhochschulen durch die FRK und die WRK. Hinzu kamen die von den Fachhochschulen als diskriminierend empfundenen Unterschied zur Universität in der deutlich höheren Lehrverpflichtung der Fachhochschul-Professoren bei niedrigerer Besoldung und in den schlechteren Einstiegsvoraussetzungen der Fachhochschul-Absolventen gegenüber den UniversitätsAbsolventen beim Berufseintritt, insbesondere im öffentlichen Dienst. In ihrem „Konzept zur Entwicklung der Hochschulen in Deutschland“1289 nahm die HRK viele dieser kritischen Punkte auf und empfahl eine Änderung im Sinne der Fachhochschulen, um diese zu stärken. So wurde z. B. ein Promotionsrecht für Fachhochschul-Absolventen und eine Reduktion des Lehrdeputats von Fachhochschul-Professoren angeregt. Eine ähnliche Intention verfolgte der Wissenschaftsrat mit seinen „Empfehlungen zur Entwicklung der Fachhochschulen in den neunziger Jahren“. Hierin wurde gefordert: – die Fachhochschulen rasch auszubauen,1290 – ihr Fächerspektrum unter Orientierung an den beruflichen Qualifikationserfordernissen auszuweiten und auch neue Studiengangmodelle zu entwickeln, – das Profil der Hochschule mit dem Schwerpunkt in der Lehre und einer eigenständigen, an den Anforderungen der Praxis orientierten Bildungs- und Ausbildungsidee nachhaltig zu sichern, – die Durchlässigkeit zwischen Fachhochschulen und Universitäten zu verbessern, – den Fachhochschulen mehr Möglichkeiten zu eröffnen, sich in der Weiterbildung zu engagieren, – die gesetzlichen und materiellen Bedingungen für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an Fragestellungen der Praxis zu verbessern und 1287
WRK, Arbeitsbericht 1987, S. 31 f. s. dazu später HRK, Arbeitsbericht 1997, S. 171 ff. (Entschließung 1997/19: „Zur Forschung der Fachhochschulen“). 1289 HRK, Dokumente zur Hochschulreform 75/1992. 1290 Diese Forderung wiederholte der Wissenschaftsrat auch in seinen „10 Thesen zur Hochschulpolitik“. 1288
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
– das Potenzial für den Wissenschafts- und Technologietransfer aus den Fachhochschulen in die Wirtschaft zu fördern. Auch die KMK wollte den Anteil der Fachhochschul-Studierenden von 25 % im Jahre 1993 auf 35 % im Jahre 2000 steigern. Für später war ein Verhältnis 4:6 von Fachhochschul- zu Universitäts-Studierenden geplant.1291 Einzelne Länder, wie Niedersachsen, strebten sogar eine Quote von 50 zu 50 an.1292 Unterdessen war in den sog. Neuen Ländern bereits 1994 das Ziel erreicht, 40 % des Studienplatzangebots an Fachhochschulen einzurichten.1293 Dieser breite Konsens ließ Bayerns Wissenschaftsminister Zehetmair 1994 zufrieden feststellen, dass es zwischen Wissenschafts- und Finanzministern der Länder, Hochschulrektoren und Experten noch nie so großes Einvernehmen über die Ziele der Hochschulreform gegeben habe.1294 Die Bemühungen gingen aber trotz des Konsenses betreffend den Ausbau der Fachhochschulen vielerorts über Lippenbekenntnisse nicht hinaus. So kritisierte z. B. die GEW 1995 die Ausbaubemühungen als „Verbalausbau“.1295 Auch der frühere Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Neuweiler, sagte schon 1994: „Wenn die Fachhochschulen im bisherigen Tempo ausgebaut werden, genießen frühestens unsere Urenkel sie im Jahr 2032 als Regelhochschule.“1296 In der Tat wurde dem Ausbau der Fachhochschulen in den Länderhaushalten trotz der zahlreichen Solidaritätsbekundungen fast nirgendwo Priorität eingeräumt. Ebenso wenig stellte in den bundesweiten Rahmenplänen für den Hochschulbau der Fachhochschulausbau ein vorrangiges Ziel dar. Denn ein Problem blieb ungelöst: Wie sollte ein Ausbau finanziert werden, wenn zur gleichen Zeit die Überlast an den Universitäten ausgeglichen werden musste? So wurde die Entwicklung der Fachhochschulen durch die Beschränkung der Finanzen des Bundes und der Länder spürbar gehemmt. Ohne die nötige Ausstattung konnte von einer Förderung der Fachhochschulen im Sinn der Empfehlungen des Wissenschaftsrats nicht die Rede sein. Solange die finanz- und wissenschaftspolitischen Prioritäten nicht entsprechend gesetzt werden, sind die Ausbauvorstellungen halbherzig und unrealistisch, erwecken falsche Vorstellungen und tragen nicht zur Lösung eines seit langem bekannten und immer noch offenen Problems bei. Die GEW, die „das Modell Fachhochschule“ gefährdet sah, forderte daher die Neuauflage eines längerfristigen, länderübergreifenden Hochschulgesamtplans.1297 Dabei hielt Bildungsminister Ortleb (FDP) trotz schwieriger Haushaltslage noch 1291 Die HRK sah 1992 ein Verhältnis von 1 zu 2 als realistisch an, vgl. HRK, Dokumente zur Hochschulreform 75/1992, S. 34. 1292 dpa 19/96, S. 18. 1293 dpa 27/94, S. 13. 1294 dpa 3/94, S. 5. 1295 dpa 45/95, S. 1 f. 1296 dpa 22/94, S. 10; Turner, Ausbau der Fachhochschulen löst die Probleme nicht, HB v. 30./31. 12. 1983, S. 27 f. 1297 dpa 22/94, S. 10.
VI. Struktur des tertiären Bereichs
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Anfang 1994 am Ausbauziel fest.1298 Und auch sein Nachfolger Laermann (FDP) setzte sich für den weiteren Ausbau der Fachhochschulen ein.1299 Währenddessen machte nur Bayern ernst. Die Landesregierung beschloss im Januar 1994 die Errichtung sechs neuer Fachhochschulen mit 6.500 Studienplätzen. Nur wenig später wollte Bayern die Anzahl der Fachhochschul-Studienplätze noch um 12.500 auf 36.000 erhöhen, um den Anteil von 28 % auf 40 % im Verhältnis zu den Plätzen an Universitäten nach dem Jahr 2000 zu steigern.1300 Auch Nordrhein-Westfalen gründete weitere Einrichtungen dieses Hochschultyps.1301 So wurden Ende der neunziger Jahre zwar Fortschritte erzielt; die eingetretene Entwicklung hin zur sog. Massen-Universitäten ließ sich jedoch nicht korrigieren. Den Zugang zu den Universitäten drastisch zu erschweren, schien nicht opportun. In Anbetracht der finanzpolitischen Realität blieb so eigentlich nur die Forderung, einen erheblichen Teil der Kapazitäten an die Fachhochschulen umzuschichten1302. Und tatsächlich gab es gewichtige Stimmen, die an eine Auslagerung größerer Teile der Universitätsausbildung in die Fachhochschulen dachten.1303 Wie schwer eine solche Umwandlung in der Praxis durchzusetzen war, zeigte sich an der Diskussion über die Zukunft der Berufsschullehrerausbildung Anfang der neunziger Jahre. Sie entbrannte an Überlegungen der KMK auf entsprechende Vorschläge des Wissenschaftsrats. Um den vom Wissenschaftsrat anvisierten 40prozentigen Anteil an Fachhochschulstudierenden zu erreichen, erschien dem amtierenden KMK-Präsidenten Zehetmair die Verlegung der Berufsschullehrerausbildung von der Universität an die Fachhochschule als zweckmäßig.1304 Gegen dieses Vorhaben wandte sich sogleich der Bundesverband der Lehrer an beruflichen Schulen. Entsprechende Pläne seien von „finanzpolitisch kurzfristigem Denken geprägt.“1305 Der Kritik schloss sich auch die Kommission Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswesen an.1306 Zehetmairs Vorstoß zielte darauf ab, die allseits geäußerte Forderung nach einem Ausbau der Fachhochschulen zu erfüllen. Hierzu sei vor allem das Fächerspektrum der Fachhochschulen zu erweitern, „auch in Konkurrenz zu den klassischen Universitäten“.1307 Der sog. Technologierat (Rat für Forschung, Technologie und In1298
dpa 4/94, S. 2. dpa 27/94, S. 12. 1300 dpa 26/94, S. 3. 1301 Hamm-Lippstadt, Nördlicher Niederrhein (Kleve, Kamp-Lintfort) und Westliches Ruhrgebiet (Mülheim, Bottrop). 1302 In gewisser Weise ist die Zusammenlegung der Universität Cottbus mit der FH Senftenberg ein solches Vorhaben. 1303 Mittelstraß, Die unzeitgemäße Universität, S. 17 f. 1304 dpa 26/94, S. 2. 1305 dpa, a.a.O., S. 1. 1306 dpa, a.a.O. 1307 dpa 26/94, S. 2. 1299
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
novation beim Bundeskanzler) sprach sich 1998 ebenfalls für eine Stärkung der Fachhochschulen, notfalls zu Lasten der Universitäten, aus.1308 Bis dahin waren an den Fachhochschulen die Fachbereiche Maschinenbau und Verfahrenstechnik, Elektrotechnik, Wirtschaftswissenschaften und Sozialwesen quantitativ am wichtigsten. Hier waren die Ausbauanstrengungen bereits so weit vorangekommen, dass eine Steigerung kaum noch möglich schien. So kamen im Jahr 1993 auf der einen Seite etwa 75 % aller Ingenieure und rund die Hälfte aller Betriebswirte und Informatiker von den Fachhochschulen. An den Fachhochschulen waren andererseits bestimmte Fächer gar nicht oder nur in quantitativ geringem Umfang vertreten. Deshalb musste auch nach neuen Studiengängen für die Fachhochschulen gesucht werden. Eine vom baden-württembergischen Wissenschaftsministerium zur „Erweiterung des Fächerspektrums an Fachhochschulen“ eingesetzte Kommission nahm sich des Themas an. Im Ergebnis nannte sie als Erweiterungsschwerpunkte etwa die Fächer Design/Medien, Informations- und Dokumentationswesen, Ernährung und Gesundheitswesen sowie Umweltschutz.1309 Auch angewandte Weltwirtschaftssprachen und Wirtschaftsrecht wurden als mögliche Ausbaubereiche genannt.1310 Ferner zog man Fächer wie Jura und Medizin sowie das Lehramt für Berufe ohne eine staatliche Prüfung als mögliche neue Fachhochschulstudiengänge in Betracht. Im Januar 1994 sprachen sich die Arbeitgeberverbände in NordrheinWestfalen für die verstärkte Erprobung neuer, wirtschaftsnaher Studiengänge an Fachhochschulen aus. Zudem wurden die Fachhochschulen zunehmend als Standortfaktor für die Entwicklung der regionalen Wirtschaft entdeckt;1311 Auch dies trug zur Entwicklung neuer Studiengänge und zur wachsenden Reputation bei. Mit der Ansiedlung von Fachhochschulen wurde auf diese Weise mehr und mehr auch Struktur-, Regional- und Wirtschaftsförderungspolitik betrieben. So sind Fachhochschulen bzw. Standorte in wirtschaftlichen Oberzentren und in der Nähe von Weltmarktführenden errichtet worden. Wenngleich der Ausbau der Fachhochschulen ohne gravierende Widersprüche erfolgte, gab es doch auch kritische Stimmen. Diese sahen besonders in bestehenden Statusproblemen von Fachhochschul-Absolventen gegenüber Universitäts-Absolventen Schwierigkeiten für die grundsätzliche Legitimation und Attraktivität der Fachhochschulen. Derartige Statusprobleme manifestieren sich vor allem im öffentlichen Dienst. So bleibt den Fachhochschul-Absolventen bis heute – von wenigen Ausnahmen abgesehen – der Zugang zum Höheren Dienst verwehrt.1312 Über Jahre mahnten daher insbesondere Bildungspolitiker immer wieder, eine Reform des 1308
DUZ 17/1998, S. 9. Mußgnug, S. 108, verweist in diesem Zusammenhang auf die „healing sciences“ in den USA; in Frage kämen auch Studiengänge für Orthoptisten, Logopäden, Pflegeberufe und Dentisten. 1310 Stuttgarter Zeitung v. 26. 10. 1993. 1311 dpa 3/94, S. 20. 1312 s. dazu Turner, De Maizières Notbremse, HB v. 6. 1. 2016, S. 15, hinsichtlich des Zugangs von Absolventen mit Bachelor-Abschluss zum höheren Dienst. 1309
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Laufbahnrechts an, um die Fachhochschulen aufzuwerten.1313 Auch die HRK forderte wiederholt eine Angleichung der Eingangsbesoldung im öffentlichen Dienst.1314 Die Bemühungen blieben wegen der zu erwartenden Kosten anhaltend erfolglos. Die Zunahme der Anfängerzahlen an den Fachhochschulen widerlegt die Befürchtung nachlassender Attraktivität nicht. Viele, denen bewusst war, dass sie ohne einen universitären Abschluss nicht ohne weiteres die Hürde zum Höheren Dienst (A 13) überspringen können, strebten einen entsprechenden Abschluss an, um sich ihrer Chancen nicht zu begeben. Dies wurde auch an den integrierten Gesamthochschulen Nordrhein-Westfalens deutlich, wo das Interesse am Fachhochschul-Diplom (D1) im Lauf der Jahre erheblich sank.1315 Deshalb forderte der Hochschullehrerbund, dass Ämter und Funktionen im öffentlichen Dienst „hochschulartenunabhängig nach Leistung und Eignungsprofil“ der Bewerber besetzt werden sollten. Diese Idee wurde jedoch ebenso wenig umgesetzt wie Vorschläge, den Absolventen der Fachhochschulen zwar nicht den direkten Zugang zum Höheren Dienst zu ermöglichen, stattdessen aber die Eingangsstufe für Universitätsabsolventen zu senken, damit es wenigstens zu einer – kostensparenden – Annäherung käme (Fachhochschule = A10/ 11; Universität = A11/A12).1316 So blieb das Thema Aufwertung der Fachhochschulen ständig auf der Tagesordnung, wie entsprechende Äußerungen der CDU vom Dezember 1996 zeigen.1317 Der Bund müsse seine Hausaufgaben im Bereich des Laufbahnrechts des öffentlichen Dienstes machen. Die CDU regte wenigstens eine „Durchstiegsmöglichkeit“ an. Die Erweiterung des Fächerspektrums der Fachhochschulen müsse mit einer Reform des Laufbahnrechts „Hand in Hand gehen“. Doch obwohl die CDU die Bundesregierung stellte, konnte oder wollte die Partei ihre eigenen Forderungen nicht durchsetzen. Erst mit der Diskussion über die Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen kam auch in diese Frage Bewegung. So forderte beispielsweise der Hochschullehrerbund die Möglichkeit für Absolventen aus Bachelor- oder Master-Studiengängen, sich ohne Rücksicht auf den jeweiligen Hochschultyp für den Höheren Dienst bewerben zu können.1318 Der Hintergrund war klar: Zukünftig sollte beim Zugang zum Höheren Dienst die Trennlinie nicht mehr zwischen Universität und Fachhochschule verlaufen, sondern zwischen denjenigen Fachhochschulen, die einen Master-Abschluss anbieten (dürfen), und denen, die keinen verleihen.
1313
dpa 4/94, S. 3. HRK, Dokumente zur Hochschulreform 75/1992, S. 36. 1315 dpa 8/99, S. 1 f. 1316 Turner, Hochschulpolitik, S. 57; ders., Warum denn immer nach der Uni schielen?, Die Welt v. 30. 2. 1987, S. 6. 1317 dpa 50/96, S. 2. 1318 dpa 47/98, S. 20. 1314
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Trotz der dargestellten Probleme und der vereinzelt geäußerten Kritik an der Differenzierung im Hochschulbereich als Antwort auf die steigende Nachfrage nach Hochschulbildungsgängen hat sich das Konzept des Ausbaus der Fachhochschulen am Ende als tragfähig erwiesen. Denn letztlich konnte sich die Differenzierung der Hochschulausbildung nur durchsetzen, weil sie für unterschiedliche Anforderungen in Wirtschaft und Industrie in der Tat zweckmäßig war. So stellte die HRK schon 1992 und noch immer zutreffend fest, dass ein „eindimensionales Hochschulkonzept“ an den Erfordernissen eines modernen Wirtschaftssystems vorbeigehe.1319 Deshalb betonte sie in den letzten Jahren immer wieder die Andersartigkeit von Fachhochschul- und Universitätsausbildung, ohne zu leugnen, dass Universitäten immer auch Einrichtungen der Berufsvorbereitung geworden seien. Damit verband sich die – nicht unbegründete – Sorge der HRK, dass die Unterschiede zwischen den Hochschularten durch die Aufwertung der Fachhochschulen und die zunehmende Internationalisierung des Hochschulsystems infolge der Einführung international gebräuchlicher Abschlüsse mehr und mehr verwischt würden. Letztlich ist trotz der Jahrzehnte langen Bemühungen um eine klare Abgrenzung von Universitäten und Fachhochschulen eher ein gegenläufiger Trend zu erkennen: Die Fachhochschulen versuchen, immer mehr sich den Universitäten anzunähern und vernachlässigen dabei ihre ursprünglichen und weiter geltenden Aufgaben. Ein Beleg ist die hohe Abbrecherquote. Der Anteil ist drei Mal in Folge gestiegen, zuletzt innerhalb von fünf Jahren von 19 % auf 27 % aller an dieser Hochschulart Studierenden. Als Gründe werden ungenügende schulische Vorbereitung, insbesondere bei denen ausgemacht, die das Reifezeugnis nicht an einem Gymnasium erworben haben. Auch an den Universitäten ist die Quote erschreckend hoch, aber immerhin rückläufig. cc) Fehlsteuerungen Bei den Fachhochschulen ist besonders auffällig der hohe Anteil der Abbrecher mit Migrationshintergrund (43 %). Als Ursache wird seitens der Fachhochschulen das Fehlen von Professoren ausgemacht. Einer anderen Ursache wird wohlweislich nicht nachgegangen, nämlich der nicht den Aufgaben der Fachhochschulen entsprechenden Auswahl der Lehrpersonen. Die Studierendenschaft rekrutiert sich zu einem nicht unbeachtlichen Teil aus Nicht-Akademikerfamilien. Für viele ist die Fachhochschule die Einrichtung, in der Angehörige als erste aus einer Familie eine Hochschulausbildung beginnen. Fachhochschulen sollten auch immer den Weg für Bewerber offen halten, die nicht über das am Gymnasium erworbene Abitur verfügen. Auf eine solche Klientel haben sich die Vorgängereinrichtungen der Fachhochschulen und auch diese in den ersten Jahren ihres Bestehens gut einzurichten gewusst. Je mehr sie aber versuchen, sich den Universitäten anzunähern, desto erkennbarer vernachlässigen sie diesen Auftrag. Am 1319
HRK, Dokumente zur Hochschulreform 75/1992, S. 22.
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deutlichsten wird dies durch die Personalauswahl. Wenn Nachwuchskräfte aus dem Kreis des Mittelbaus der Universitäten gewonnen werden, denen von der grundsätzlich geforderten fünfjährigen Berufspraxis mehrere Jahre ihrer Assistententätigkeit an der Universität als Praxis anerkannt werden, darf man sich über die Entwicklung nicht wundern. Die Folge ist einerseits die Betonung, dass man – so wie Universitäten – Forschung betreibe und die Forderung nach einem eigenen Promotionsrecht, andererseits die nicht an den Erfordernissen des Fachhochschulstudiums orientierten Lehrangebote. Es ist so, als wollten Gymnasiallehrer Grundschüler unterrichten, ohne sich auf die Aufgabe einzulassen. Wenn beklagt wird, dass es schwierig ist, geeignete, d. h. Praxis vermittelnde Professoren für die Fachhochschulen zu gewinnen, ist nach der Ursache dafür zu suchen. Besoldung und/oder Arbeitsmöglichkeiten sind nicht sonderlich attraktiv für Kandidaten aus der Praxis. Statt danach zu sehen, ob man Habilitierte für Positionen an Fachschulen gewinnen kann, wie es versucht wird, um Argumente dafür zu sammeln, dass man sich mit den Universitäten „auf Augenhöhe“ befinde, sollte man sich an den ursprünglichen Auftrag erinnern. Das gilt nicht nur für die Fachhochschulen und ihre Lobbyisten; auch die zuständigen Politiker sind nicht unbeteiligt an der Misere. Noch immer sehen sie tatenlos zu, wie eine Hochschulart sich von ihrem Auftrag entfernt. Die Tatsache, dass sie ausgerechnet bei der Klientel versagt, der sie sich besonders annehmen sollte, ist die Quittung für eine verfehlte Politik. Noch schwerwiegender kann sich ein anderes Begehren der Fachhochschulen auswirken, die Forderung nach einem eigenen Promotionsrecht1320. Den „Dr. machen“ kann man in Deutschland nur an Universitäten. Dieses Monopol greifen die Fachhochschulen an. Zunehmend mehr Hochschullehrer an Fachhochschulen kommen von Universitäten, wo sie nicht die Karriere haben machen können, die sie sich vorgestellt haben. Bleiben sie dauerhaft an FHs, nagt der Zweifel weiter und das Gefühl, zur B-Mannschaft zu gehören, sucht ein Ventil. Ohne Zweifel gibt es in bestimmten Bereichen anerkannte Forschungsleistungen. Davon, dass „forschungsstarke“ Mitglieder von FHs Rufe an Universitäten erhalten haben, hört man allerdings auffällig wenig. Die Universitäten haben leider versäumt, in der Forschung ausgewiesene FH-Mitglieder zu Honorarprofessoren zu machen, die dann an den entsprechenden Fakultäten, „ihre“ Doktoranden zur Promotion führen könnten. Das Problem wäre mindestens entkrampfter. Sofern die für die Wissenschaft zuständigen Mitglieder von Landesregierungen in Aussicht stellen, dass einzelne Fachbereiche an FHs das Promotionsrecht erhalten 1320
Als neu ins Amt gekommene Fachministerin von Schleswig-Holstein, Wende, hat sie Anfang 2013 eine entsprechende Absicht erkennen lassen. Zuvor hatte auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan Sympathie für eine solche Lösung geäußert. Inzwischen gibt es ein eingeschränktes Promotionsrecht an Fachhochschulen in SchleswigHolstein und Hessen. s. dazu Turner, Hessen irrt mit dem „Dr. care“, Tagesspiegel v. 15. 6. 2015; ders., Schleswig-Holstein macht was falsch, Tagespiegel v. 28. 12. 2015. Das neue badenwürttembergische Hochschulgesetz räumt Verbünden von Fachhochschulen im Rahmen einer Experimentierklausel ein Promotionsrecht ein.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
sollen, – Hessen bietet mit der Idee, die Promotion z. B. im Fach Pflege zu ermöglichen, ein besonders bizarres Beispiel1321 – haben sie nicht begriffen, wie der Kern der Universität verspielt wird. Sollten die Fachhochschulen Erfolg haben, wird dies die großen Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck-Gesellschaft, die Helmholtz- und die LeibnizGemeinschaft nicht untätig sein lassen. Auch sie werden das Promotionsrecht fordern. Erste Anzeichen, auch wenn das noch geleugnet wird, gibt es bei der MPG mit den Research Schools. Dann brauchen sie aber auch nicht mehr die enge Zusammenarbeit mit den Universitäten durch die Verknüpfung über die Doktoranden. Dieses Scharnier ist nicht zu unterschätzen. Es droht, für MPG & Co uninteressant zu werden. Dissertationsthemen zu finden und Arbeiten zu betreuen will gelernt und geübt sein. Auch die Fachhochschulen profitieren derzeit bei kooperativen Promotionsverfahren von dem „Scharnier“ auf der anderen Seite. So wird Qualität und Ansehen der Dissertationen garantiert. Gibt die Politik dem Prestigestreben der FHs nach, werden die Universitäten mehr und mehr nur Ausbildungsstätten. So etwas konnte man vor nicht allzu langer Zeit im sog. Ostblock, auch in der DDR, besichtigen: Forschung fand zu einem beachtlichen Teil in den Akademien statt; die Universitäten waren zu einem großen Teil Lehranstalten. Wie naiv muss man sein, diese Entwicklung nicht zu sehen, die das gesamte Wissenschaftssystem erschüttern kann. Was den „fortschrittlichen Kräften“ der Hochschulpolitik in den 1970ern nicht gelungen ist, nämlich die Universitäten zu schleifen, das könnten nachgiebige Landespolitiker jetzt schaffen. c) Berufsakademien Aus Zweckmäßigkeitserwägungen entwickelten sich neben den Fachhochschulen auch andere Hochschultypen. Die wachsenden Studierendenzahlen und das Bedürfnis nach berufsnahen verkürzten Studiengängen hatten bereits 1974 zur Gründung der ersten beiden Berufsakademien in Baden-Württemberg geführt.1322 Dabei darf nicht übersehen werden, dass der Versuch der Fachhochschulen, sich den Universitäten anzunähern und ihr nachlassender Praxisbezug, entscheidende Motive waren. Hätten die Fachhochschulen insoweit ihre Aufgaben nicht vernachlässigt, wäre es nicht zu der Einrichtung von Berufsakademien gekommen. Ursprünglich waren die Berufsakademien Einrichtungen des tertiären Bildungsbereichs außerhalb 1321 So ist die Einrichtung von Promotionszentren an Fachhochschulen (dpa 39/2017, S. 26) ein weiterer Schritt in die falsche Richtung. 1322 Erste Standorte waren Stuttgart und Karlsruhe; bereits 1972 startete die Studienakademie der württembergischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie als Vorläufereinrichtung ihren Betrieb.
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der Hochschulen.1323 Mit einem baden-württembergischen Gesetz vom April 1982 wurden sie zu Regeleinrichtungen des tertiären Bildungsbereichs. Nach und nach wurden weitere Berufsakademien gegründet; inzwischen gab es in Baden-Württemberg neun Berufsakademien mit über 12.000 Studienplätzen. Allerdings konnten sich die Berufsakademien erst in den neunziger Jahren langsam bundesweit durchsetzen, als auch eine Diskussion um die Anerkennung ihrer Abschlüsse aufkam. Berlin und Sachsen übernahmen 1993 das Modell Baden-Württembergs. Die baden-württembergische Landesregierung strebte seit Beginn der neunziger Jahre verstärkt die Annäherung der Berufsakademien an den Status der anderen Hochschulen an. Hiergegen wandte sich insbesondere die GEW mit dem Argument, damit würde der ursprüngliche Ansatz, Abiturienten eine Alternative zum Hochschulstudium zu bieten, endgültig aufgegeben.1324 Deshalb wollte die GEW auch nicht der Überführung der Berufsakademien in den Bereich der Fachhochschulen das Wort reden. Um das Ziel einer Gleichstellung der Berufsakademien mit den Fachhochschulen zu forcieren, erbat das baden-württembergische Wirtschaftsministerium im Mai 1994 eine Studie vom Wissenschaftsrat, welche die Frage beantworten sollte, ob die baden-württembergischen Berufsakademien als Hochschulen anerkannt werden könnten. In seinem Gutachten erteilte der Wissenschaftsrat den Berufsakademien gute Noten.1325 Auf Grundlage dieses Gutachtens einigte sich die KMK im Herbst 1995 darauf, die Abschlüsse der Berufsakademien nach dem Modell Baden-Württembergs als Abschlüsse im tertiären Bereich bundesweit anzuerkennen und eine Gleichbehandlung der Berufsakademie-Absolventen mit Fachhochschul-Absolventen zu empfehlen.1326 Demnach konnten die Berufsakademie-Abschlüsse wie Fachhochschul-Abschlüsse gewertet werden.1327 Auch konnte fortan die staatliche Abschlussbezeichnung „Diplom (BA)“ verliehen werden. Damit ging ein mehrjähriger Streit in der KMK zu Ende.1328 Im Anschluss daran nahm auch die HRK zur Anerkennung der BerufsakademieAbschlüsse Stellung.1329 Dabei wehrte sich die HRK insbesondere gegen die Gleichstellung der Berufsakademie- mit den Fachhochschul-Absolventen in Bezug 1323
Führ, Bildungswesen, S. 223. Stuttgarter Zeitung v. 8. 7. 1993. 1325 Stuttgarter Zeitung v. 21. 5. 1994. 1326 dpa 40/95, S. 1 f.; die Berufsakademie in Schleswig-Holstein, die von Beginn an nur sehr wenige Studienplätze anbot, fiel nicht unter diesen Beschluss. 1327 Hintergrund dieser Verständigung war die Richtlinie 89/48/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften v. 21. 12. 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung von Hochschuldiplomen, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen. Um die europaweite Anerkennung von BA-Abschlüssen im Sinne dieser Richtlinie zu gewährleisten, musste die Frage der Anerkennung bzw. Gleichwertigkeit zunächst innerhalb Deutschlands geklärt werden. 1328 dpa 42/95, S. 19 f. 1329 HRK, Arbeitsbericht 1995, S. 193 ff. 1324
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
auf die Anrechnung von Studien- und Prüfungsleistungen. Eine solche könne nur im Wege der Einzelfallprüfung erfolgen. Hinsichtlich der mangelnden wissenschaftlichen Gleichwertigkeit der Abschlüsse von Berufsakademie und Fachhochschule bezog sich die HRK auf das Gutachten des Wissenschaftsrats aus dem Jahr 1994, der festgestellt hatte, dass eine wissenschaftliche Gleichwertigkeit der Abschlüsse nicht gegeben sei. Hintergrund dieser Stellungnahme war die Sorge, dass die von der HRK angestrebte Ausprägung der „profilierenden Konturen“ innerhalb des differenzierten Hochschulsystems verwässert würde. Dass dies nicht völlig fern lag, zeigte die Diskussion um die Einführung eines Promotionsrechts für Berufsakademie-Absolventen im Jahre 1994.1330 Dieses Vorhaben wurde von der LRK allerdings entschieden abgelehnt 1331 und auch von den Berufsakademien selbst in der Folgezeit nicht ernsthaft weiter verfolgt. In Anlehnung an das ursprüngliche Konzept der Berufsakademie empfahl der Wissenschaftsrat im Jahr 1996 auch eine weitere Differenzierung innerhalb der Fachhochschulen. Hierzu wurde der Aus- und Aufbau dualer Fachhochschulstudiengänge vorgeschlagen, also Modelle eines Wechsels von Lernphasen in Hochschule und Betrieb.1332 Bundesbildungsminister Rüttgers (CDU) sah dies insbesondere als Beitrag zur Vermeidung zeitintensiver und teurer Doppelqualifikationen1333 – stieg doch die Zahl derer, die vor einem Studium eine Lehre absolvierten, seit Beginn der neunziger Jahre stetig an. Eine völlige Lösung vom Grundkonzept stellt die Gründung der Dualen Hochschule Baden-Württemberg dar.1334 Sie bündelt die bisherigen Berufsakademien und ist damit zwischenzeitlich die größte Hochschule Baden-Württembergs. Das zwanghafte Bestreben, allen Ausbildungsstätten das Etikett „Hochschule“ zu verpassen, stellt allerdings die Ursprungsidee auf den Kopf: Dieses war, dass nicht nur die Hochschulen den Königsweg weisen. Mit der Abkehr von diesem Prinzip leisten die Erfinder der Dualen Hochschule der Vorstellung Vorschub, nur eine Hochschulausbildung führe zu herausragenden Positionen und geben ein falsches Signal. Und dann wundert man sich, dass Abiturienten den Weg über ein Studium suchen und nicht als Azubi ins Berufsleben starten.
1330 So noch der Vorschlag in einem Entwurf zur Novelle der Hochschulgesetze des Landes Baden-Württemberg, dpa 13/94, S. 15. 1331 dpa, a.a.O. 1332 dpa 30/96, S. 16. 1333 dpa, a.a.O. 1334 Turner, Schluss mit dem Akademikerwahn, Der Tagesspiegel v. 11. 8. 2014, S. 21.
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d) Pädagogische Hochschulen1335 Während bei der Hochschulstruktur die Tendenz seit Mitte der siebziger Jahre offiziell immer deutlicher zur Differenzierung ging, nahmen die Pädagogischen Hochschulen eine gänzlich andere Entwicklung: Sie wurden größtenteils zwischen 1970 und 1980, also während der Diskussionen um die Errichtung von Gesamthochschulen, in die Universitäten übergeführt – teils vollständig durch Eingliederung in verschiedene Fachbereiche bzw. Fakultäten, teils durch die Gründung eigener erziehungswissenschaftlicher Fachbereiche oder Fakultäten.1336 Diese Entwicklung beruht auf dem großen Interesse der Pädagogischen Hochschulen daran, ihren Status und den ihrer Professoren durch eine Annäherung an die Universitäten zu verbessern. Nachdem sich die Integration der Pädagogischen Hochschulen in Gesamthochschulen aufgrund der oben dargestellten Entwicklung nur vereinzelt hatte verwirklichen lassen, war eine Überführung in die Universitäten der einzige Weg, dieses Ziel zu erreichen. Selbst Bayern hat diesem Druck schließlich nachgegeben, sich in diesem Bereich gegen die Differenzierung entschieden und die Pädagogischen Hochschulen aufgelöst. Baden-Württemberg blieb das einzige Land, das seine Pädagogischen Hochschulen als selbständige Einrichtungen bewahrte. Das CDU/SPD-Kabinett beschloss im Mai 1994 einstimmig ihren Erhalt, obwohl der Koalitionspartner SPD seit langem die Integration der Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten gefordert hatte.1337 Die Landesregierung und insbesondere die CDU ließen sich bei ihrer Entscheidung nicht einmal von der eigens eingesetzten Kommission „Lehrerbildung 2000“ beirren. Diese hatte sich in ihrem Abschlussbericht vom Spätsommer 1993 für eine Integration der Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten des Landes als eigenständige erziehungswissenschaftliche Fakultäten ausgesprochen.1338 Unterstützt wurde sie dabei von der Landesrektorenkonferenz der Pädagogischen Hochschulen sowie der Landespartei der Grünen. Um den kaum verwunderlichen Unmut und das Unverständnis an den Pädagogischen Hochschulen über diese politische Entscheidung in Grenzen zu halten, wertete die Landesregierung im Gegenzug die Pädagogischen Hochschulen deutlich auf;1339 sie erhielten mehr Rechte, so insbesondere ein Habilitationsrecht (in Kooperation mit den Universitäten). Da die Pädagogischen Hochschulen ursprünglich kein selbständiges Promotions- und Habilitationsrecht besaßen, war die – mittlerweile in § 1 des HRG dokumentierte – Anerkennung der Pädagogischen Hoch1335 Mit der Verleihung von Promotions- und Habilitationsrecht stehen die PHs auf gleicher Stufe wie die Universitäten. Sie werden hier als „Hochschulen neben den Universitäten“ behandelt, weil sich im konkreten Fall zeigt, dass rechtliche Gleichstellung nicht die gegebenen Unterschiede beseitigt: das Promotionsrecht. 1336 Finkenstaedt, S. 153 ff. (S. 157). 1337 dpa 23/94, S. 16. 1338 dpa 37/93, S. 18. 1339 v. Friedeburg, Bildungsreform, S. 380.
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schulen als „wissenschaftliche Hochschule“ lange Zeit umstritten. Im Zuge der Aufwertung wurde den Pädagogischen Hochschulen darüber hinaus das Recht zuerkannt, wissenschaftliche Assistenten und Hochschuldozenten zu beschäftigen. Diese Maßnahmen der Landesregierung wurde als den „krampfhaften Versuch kritisiert, eine Antiquität kosmetisch wieder fein zu machen“; Baden-Württemberg klammere sich an ein „Auslaufmodell.“1340 Nichtsdestotrotz konnten sich die Pädagogischen Hochschulen bis heute als eigenständiger Hochschultyp halten. Die Abgesänge einflussreicher Kritiker ließen die Politiker kalt. Das Ergebnis wird als Bestätigung gesehen, weil an anderen Orten nach Lösungen gesucht wird, die Lehrerausbildung durch Zentren für Lehrerbildung oder Colleges institutionell zu verselbständigen. Am Beispiel der Pädagogischen Hochschulen lässt sich allerdings auch demonstrieren, dass es nicht ausreicht, mit einem Federstrich den Rechtsstatus zu verändern. Aufgaben müssen organisch anwachsen. Das gilt nicht zuletzt für das Promotionsrecht. Dissertationsthemen zu finden und Arbeiten zu betreuen will gelernt und geübt sein. Ein prominentes Beispiel zeigt, wohin es führen kann, wenn man sich „übernimmt“. Das war offenbar bei der Auswahl des Themas und der Beurteilung im Fall Schavan durch einen früheren PH-Professor der Fall,1341 unabhängig davon, welche Fehler dem jeweiligen Doktoranden zuzuschreiben sind. Die Besorgnis, dass in Promotionssachen ungeübte FH-Professoren ähnliche Fehlleistungen produzieren, ist nicht von der Hand zu weisen. Leidtragende sind diejenigen, die sich auf ein solches Verfahren einlassen. e) Ressorthochschulen Die Mehrzahl der Universitäten befindet sich in staatlicher Trägerschaft; zwei, die beiden Bundeswehruniversitäten1342 sind in Trägerschaft des Bundes. Bestimmte Ressorts auf Bundes- und Landesebene nennen die Ausbildungsstätten für den eigenen Nachwuchs „Hochschulen“. So gibt es ca. 30 Ressorthochschulen von Bund und Ländern als Ausbildungsstätten für den Gehobenen Dienst. Die Besonderheit besteht darin, dass die „Studierenden“ in einem festen Ausbildungsverhältnis zu dem jeweiligen Ressort stehen. Dieser Hochschultyp wird hier nicht näher behandelt.
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dpa 23/94, S. 16. Turner, Der Spiegel 5/2013. s. o. V.2.c) Fn. 229.
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2. Strukturreformen Wegen der wachsenden Probleme der öffentlichen Haushalte nach der deutschen Wiedervereinigung verstärkten sich die Rufe nach Einsparungen auch im Hochschulbereich. Neben Forderungen nach einer Kostenbeteiligung von Studierenden standen dabei vor allem Vorschläge zur Konzentration von Studiengängen und zur inhaltlichen Profilierung der Hochschulen im Vordergrund. Die Diskussion hierüber wurde – ähnlich wie die Debatte der sechziger und siebziger Jahre um die Gesamthochschulen – unter dem Schlagwort „Hochschulstrukturreform“ geführt. Nach dem Motto „Wenn man kein Geld hat, muss man konzentrieren“1343 sprossen allerorten Strukturkommissionen aus dem Boden. Befördert wurden die Überlegungen durch zwischenzeitlich leicht rückläufige Studierendenzahlen seit Anfang der neunziger Jahre und die aufkommende Debatte um die Attraktivität des Hochschulstandorts Deutschland im internationalen Vergleich. In Berlin wurden bereits im Jahr 1994 erste Überlegungen zur Konzentration im Hochschulbereich angestellt. Die CDU/SPD-Koalition plante die Einsetzung einer Kommission aus Senats-, Parteien- und Universitätsvertretern, um über die Veränderung, Verlagerung und Aufhebung von Studiengängen oder Teilen von Studiengängen zu beraten. Die im Frühjahr 1995 bekannt gewordenen Vorschläge stießen auf erhebliche Proteste. Die Humboldt-Universität zeigte sich „fassungslos“ angesichts des Sparkonzepts. Bis zum Jahr 2003 sollten 342 der 1.715 Professuren und 18.600 der 115.000 Studienplätze an den Berliner Universitäten abgebaut1344 werden. Insbesondere Doppel- und Dreifachangebote sollten vermindert werden.1345 Die Berliner SPD, die sich in Gestalt ihres Fraktionsvorsitzenden Böger zunächst für eine Schließung einer der drei Berliner Universitäten ausgesprochen hatte, da diese „in ihrer jetzigen Form kontraproduktiv und nicht mehr finanzierbar seien“, schloss eine solche Schließung nur eine Woche nach diesen Äußerungen „gegenwärtig und zukünftig“ aus.1346 Ein beredtes Beispiel für die Ernsthaftigkeit von Vorschlägen und die Standhaftigkeit der Politik. Auch in Niedersachsen stellte man erste Überlegungen zur Konzentration von Studiengängen bereits 1994 an.1347 Im Jahr 1995 wurde entschieden, den Fachbereich Informatik an der Universität Hildesheim, die erst 1989 von der Pädagogischen Hochschule zur Universität umgewandelt worden war, zu schließen.1348 Der Grund war die – durchaus selbstkritische – Erkenntnis der Landeshochschulkonferenz, dass in den achtziger Jahren Hochschulen gegründet worden seien, ohne die Finanzplanung danach auszurichten. Die Hochschulkonferenz zeigte sich gegenüber der 1343 1344 1345 1346 1347 1348
So die Landeshochschulkonferenz in Niedersachsen, dpa 45/95, S. 16. dpa 11/95, S. 14. dpa 36/94, S. 17. dpa 22/96, S. 18. dpa 4/95, S. 13 f. dpa 45/95, S. 16.
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
Landesregierung hier kooperativ. Im Juli 1996 einigte sich die Konferenz dann intern auf Maßnahmen zur Kostensenkung und Konzentration1349 im Hochschulbereich und leistete damit ein erhebliches Stück an Vorarbeit für Einsparungen. In Baden-Württemberg wurde die Hochschulstrukturkommission im Herbst 1996 eingesetzt. Auftrag war auch hier die Erarbeitung von Vorschlägen zur Neuordnung des Hochschulangebots. Auch sollte das Hochschulsystem im Land quantitativ bewertet und die Aufgabenverteilung zwischen verschiedenen Hochschulen untersucht werden.1350 Pikant wurde die Diskussion, als sich der Präsident des Landesrechnungshofs, Lonhard, in die Debatte einschaltete und unter Hinweis auf die „zu ausgedehnte“ baden-württembergische Hochschullandschaft eine Fusion der Universitäten Stuttgart und Hohenheim sowie Heidelberg und Mannheim vorschlug.1351 Die Universität Hohenheim konterte mit dem Vorwurf, es handele sich hierbei um „eine Neuauflage der längst überwundenen Idee der Massenuniversität“. Auch Wissenschaftsminister v. Trotha wandte sich gegen den Vorschlag; er sprach von der Gefahr, dass ein „diffuses Geflecht“ entstehe.1352 Nicht nur hinter vorgehaltener Hand äußerte man Unmut über den Rechnungshof-Präsidenten, der sich auch in anderen Fällen als nicht sehr sachverständig in Bezug auf Vorgänge in den Hochschulen erwiesen hätte1353 und verbat sich jegliche Einmischung. Nachdem sich die Aufregung gelegt hatte, war man sich zumindest darüber einig, dass die Kooperation der Hochschulen verstärkt werden müsse. In Hessen sprach sich die Hochschulstrukturkommission dafür aus, sog. kleine Fächer nur noch an einer der Universitäten des Landes anzubieten.1354 Ähnliche Vorstellungen zur Strukturreform entwickelte man auch in Mecklenburg-Vorpommern.1355 Nicht immer zeigten sich die Hochschulen hierbei zur Zusammenarbeit bereit. In Nordrhein-Westfalen wollte Bildungsministerin Behler deshalb die Hochschulen ihres Landes mit einem Vorstoß Anfang 1999 zur Konzentration und Kooperation zwingen:1356 Innerhalb von zehn Jahren sollten insgesamt rund 2.000 der zu dieser Zeit über 60.000 Stellen an den Hochschulen des Landes wegfallen. Im Gegenzug wollte Behler den Hochschulen auf Basis des Landeshaushalts 1999 langfristige Planungssicherheit garantieren. Unter der Bezeichnung „Solidarpakt“ war ein solches Konzept bereits in Baden-Württemberg und Berlin umgesetzt worden. Behler sah die Hochschulen darin überfordert, Entscheidungen über die 1349
dpa 29/96, S. 12. dpa 46/96, S. 13. 1351 dpa 13/98, S. 13. 1352 dpa, a.a.O. 1353 So hatte die von ihm geleitete Behörde mit seiner Billigung nicht einsehen wollen, dass ein Ruf auf einen Lehrstuhl an eine auswärtige Universität in der Regel Bleibeverhandlungen zur Folge hat. 1354 dpa 29/96, S. 14. 1355 dpa 50/96, S. 17. 1356 dpa 1/2/99, S. 1. 1350
VI. Struktur des tertiären Bereichs
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Einstellung oder Fortführung von Studiengängen aus eigener Kraft zu treffen. Die Lösung von Problemen würde entweder immer wieder aufgeschoben oder aber so gestaltet, dass die Besitzstände aller Betroffenen gewahrt blieben. Alles andere hätte nach der Erfahrung von 30 Jahren Hochschulpolitik überrascht. Insgesamt wurden durch die sog. Strukturreformen seit Mitte der neunziger Jahre Ausgaben in Milliardenhöhe eingespart. Allerdings betonten Politiker aller Couleur immer wieder, dass bei den Maßnahmen nicht der Sparzwang im Vordergrund stehe, sondern der Wunsch nach mehr Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen. Dies sollte gelingen durch die Konzentration von Studiengängen und das Besinnen auf die Stärken der jeweiligen Hochschulen. All die Maßnahmen führen jedoch nicht nur zu einer Strukturreform, sondern auch zu einer allmählichen Abkehr von der Universität als Voll-Universität mit breitem und umfassendem Fächerspektrum. Dies zeigt eine Äußerung des HRK-Präsidenten Landfried vom Mai 1998: „Die Universität der Zukunft wird eine unvollständige sein und daher Kooperationspartner suchen“1357. Es gelte Abschied zu nehmen von der Vorstellung, eine einzelne Universität könne auch in Zukunft für sich ein vollständiges Fächerspektrum anbieten.1358 Er wünschte sich eine „unvollständige, wettbewerbsorientierte Hochschule mit geschärftem Leistungsprofil“. In der Praxis meinte dies: das Herunterfahren leistungsschwächerer Fächer oder Bereiche und die Konzentration auf leistungsstarke. Mit seiner Auffassung stand er nicht etwa allein. Die Hochschulrektoren begrüßten auf ihrer Jahresversammlung fast einstimmig das bereits begonnene Konzept von Profilbildung und Kooperation. Strittig war nur, inwieweit Universitäten und Fachhochschulen stärker zusammenarbeiten sollten;1359 hier schienen längst beendete Debatten wieder aufzuleben. Trotz Konzentration und Profilbildung plädierte die HRK jedoch entschieden für die Beibehaltung der Einheit von Forschung und Lehre an den Universitäten als wichtiger Grundlage für die Kreativität der Wissenschaft. Entsprechend wehrte man sich gegen den Ausspruch von Bildungsminister Rüttgers „Humboldts Universität ist tot“.1360 Schon Landfrieds Vorgänger Erichsen hatte 1992 spitzfindig erklärt, Humboldt sei nicht tot, sondern „in der Masse erstickt“, wobei zu fragen bleibt, ob ein Ende durch Ersticken nicht ebenso dazu führt, dass jemand „tot“ ist. Dieser kleine Disput offenbart, wie wenig griffig der Auftrag der Hochschule und insbesondere der Universität zu Beginn des 21. Jahrhunderts formuliert ist. Die sich hieraus und aus der eingeleiteten Entwicklung ergebenden Gefahren wurden durchaus erkannt. Glotz sah in der „Verhinderung der Isolierung, Erstarrung und Atomisierung der Fächer“ (als Folge der – von vielen als notwendig erachteten – 1357
DUZ 12/1998, S. 8. dpa 20/98, S. 1. 1359 dpa, a.a.O. 1360 dpa 18/97, S. 2. Der Ausspruch „Humboldt ist tot“ fand sich im Übrigen bereits in den Diskussionen Ende der 60er Jahre, vgl. FAZ v. 5. 8. 1967, zit. in: Kultusministerium BadenWürttemberg, S. 188 f. 1358
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B. Die Reformprojekte – Gegenstände der Hochschulpolitik
zunehmenden Spezialisierung) die einzige Chance zur Rettung der Universität.1361 Für Glotz lag in der Ordnung des Wissens in Disziplinaritäten und Fachlichkeiten ganz grundsätzlich die Ursache für die Krise der Universität. Er propagierte den „lebenswichtigen Dialog“ und die „arbeitsteilige Kooperation der Disziplinen“. Auch deshalb wehrte er sich gegen ein dreiteiliges Konzept, in dem die bisherige Universität Berufs- und Fachschule wird, die Forschung in selbständige Forschungsanstalten abwandert und im Übrigen reine Bildungsanstalten mit Volkshochschulcharakter die Aufgabe der „geistigen Synthese“ wahrnähmen1362 – und das nur, weil sich die Humboldtsche Universität nicht mehr in Reinform realisieren lasse. Das eine habe mit dem anderen nicht notwendigerweise zu tun. Deshalb sei es leichtfertig, die Idee der Universität mit Humboldt und seinen Reformen gleichzusetzen und die sog. Humboldtsche Universität für erledigt zu erklären. An der Notwendigkeit einer Selbsterneuerung aber besteht kein Zweifel. Die Frage ist nur, ob die Politik den Hochschulen und insbesondere der Universität den Spielraum zu solch einer Erneuerung lassen wird – und diese in der Lage wäre, die ihnen überlassene Aufgabe zu erfüllen. Die dargestellten Ansätze einer groß angelegten Strukturreform mögen hier nur teilweise Hoffnung geben. Zu heiß sind die Maßnahmen oftmals gestrickt – von erfreulichen Ausnahmen abgesehen1363 – und zu einflussreich sind die Bewahrer. Offen ist auch die Frage, inwieweit die Exzellenzinitiative die Selbstreflektion der Universitäten und damit auch Strukturreformen auf Dauer positiv befördert1364. Jedenfalls waren die teilnehmenden Universitäten im Rahmen der Formulierung ihrer Zukunftskonzepte gezwungen, sich auf ihre Stärken zu besinnen.
1361
Glotz, Im Kern verrottet, 1996, S. 35 ff. Glotz, a.a.O. S. 70. Die Angst vor einer zunehmenden Auslagerung der Forschung aus den Universitäten beschäftigte auch die HRK immer wieder, vgl. z. B. HRK, Dokumente zur Hochschulreform 75/1992, S. 32 f. 1363 So legte die Strukturkommission der Universität Konstanz Ende 1998 ein eigenes Konzept zur strukturellen Weiterentwicklung der Universität vor; vgl. Modell Konstanz: Empfehlungen zur strukturellen Weiterentwicklung der Universität, Konstanz 1998. 1364 s. o. V. 2. b). 1362
C. Ergebnis: Perspektive I. Universität der Zukunft Die Universität der Zukunft ist kein Gebilde, das heute neu konzipiert wird. Sie ist in ihren konkreten Ausformungen und mit all ihren Eigenarten und Auffälligkeiten ein Produkt ihrer Geschichte. Diese lässt sich nicht abschütteln. Die handelnden Personen bringen ihr Wissen und ihre Erfahrungen ein. Diejenigen, die in dem magischen Jahr 1968 zwischen 20 und 25 Jahre alt waren, haben inzwischen die 70 erreicht oder überschritten. Sie und die nachfolgenden Studentengenerationen kennen nur den Typ Universität, die ständig reformiert wurde. Sie haben Universität nur erfahren als Gegenstand der Auseinandersetzung und als vom Zickzackkurs der Politik bestimmte Institution. Es wird nicht d i e Universität der Zukunft geben. Unsere Ausbildungs- und Forschungsstätten werden zwar eine einheitliche Bezeichnung tragen, sich aber in noch größerem Maße als bisher voneinander unterscheiden. Es wird auch nicht etwa Ruhe eintreten. Vielmehr wird weiter permanent Neues vorgeschlagen und auch umgesetzt werden. Seit mehr als fünfzig Jahren wird über Hochschulpolitik geredet, wird reformiert und das Reformierte wieder reformiert. Niemand ist zufrieden mit den Ergebnissen. Das wird so bleiben. Der wesentliche Grund liegt darin, dass Vorstellung und Wirklichkeit von unterschiedlichen Interessen bestimmt werden. Keine der denkbaren Möglichkeiten, die nicht bereits irgendwo eingeführt, verworfen, u. U. anderenorts – trotz negativer Erfahrung hier und da – probiert wird. Man sollte meinen, aus dem Mosaik an Gestaltungsmöglichkeiten müsste durch zielgerichtete Auswahl eine perfekte Lösung zu finden sein. Das aber scheitert daran, dass es keinen allgemein gültigen Hauptnenner gibt bzw. man sich politisch darauf nicht einigen kann. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Erwartung von dem, was Universitäten zu leisten haben. Es gibt kein einheitliches Bild von d e r Universität. Über das Interesse der Universitätsmitglieder am hochschulpolitischen Geschehen und den Auswirkungen auf die Institution kann man streiten. Legt man bei den Studierenden die Wahlbeteiligung als Maßstab an, erscheint die Mehrheit uninteressiert. Bei den Professoren steht das eigene Fach im Vordergrund. Die Betroffenheit durch Ereignisse, die die Einrichtung als Ganzes angehen oder ihr Ansehen berühren, scheint sich in Grenzen zu halten, möglicherweise ein Zeichen nachlassender Identifikation. Während zu Zeiten exzessiver Ausschreitungen in den 1970ern und
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C. Ergebnis: Perspektive
80ern die innere Emigration von Professoren eine zu beobachtende Erscheinung war, könnte jetzt – als Reaktion auf vermeintliche oder tatsächliche Fremdbestimmung konstatiert werden –, dass die Universität lediglich als Arbeitsplatz betrachtet wird, den man von mehr oder weniger weit entfernt zur Erledigung seiner Dienstaufgaben ansteuert. Man kann Wetten darüber abschließen, welche (politischen) Forderungen, als Reformvorhaben deklariert, in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren die Gemüter bewegen werden. Es wird zum Teil Altes neu aufgetischt werden. Das wird die Regel sein und bleiben. Deshalb ist es eine Reform ohne Ende1, allerdings stets mit unterschiedlichen Zielen, je nachdem wer aus welchem Blickwinkel Vorstellungen formuliert. Insofern ist es nicht anders als in sonstigen Politikbereichen. Für die Universitäten ist dies immer noch ungewohnt. Der Wissenschaftssektor, vor allem die Universitäten, ist kein Reservat, in das die Politik nicht eindringt. Im Gegenteil – sie hat sich seiner bemächtigt, mit allen Konsequenzen und ohne dass eine Änderung, geschweige denn Rückkehr zu den Verhältnissen ex ante vorstellbar wäre. Daran ändert sich auch nichts durch die Gewährung von Freiheiten. Soweit eine Entstaatlichung und zugleich Ökonomisierung der Universitäten stattfindet, bedeutet dies eine Verschiebung der Akzente2. Wie lange das hält und wann eine neue „Philosophie“ Platz greift, mag spekulativ beantwortet werden. Zur Kenntnis nehmen muss man, dass der Wandel in der Hochschulpolitik das einzig Beständige bleiben wird.
II. Hierarchisierung Zunehmend deutlicher zeichnet sich eine Differenzierung in Forschungs- und Lehreinrichtungen ab. Die sog. Exzellenz-Universitäten bzw. diejenigen, die zukünftig in besonderer Weise hervorgehoben und gefördert werden, wird man in der Öffentlichkeit, nicht zuletzt dank eigener Darstellung, als Institutionen ansehen, die Träger der Forschung sind. Neben dieser Güteklasse I a wird es eine Gruppe von Universitäten geben, die man als I b bezeichnen könnte. Dazu darf man vor allem diejenigen zählen, die „abgestiegen“ sind und diejenigen, die im Exzellenz-Wettbewerb bis in die Endrunde gelangt und erst dort gescheitert sind. Mitglieder von German U 15 und TU 9 gehören nach ihrem Selbstverständnis dazu. Die eine oder andere Universität, die es nicht geschafft hat, wenigstens in die Kategorie I b vorzustoßen, sich aber besonderer Förderung durch die jeweilige Landesregierung erfreut, wird man ebenfalls einbeziehen können. 1 Bereits 1953 hatte der Göttinger Jurist Rudolf Smend geäußert, „dass die Hochschulreformbemühungen in Deutschland zu keinem rechten Ende komme wollen“ und damit Seherqualität bewiesen (vgl. Kahl, Hochschule und Staat, S. 114). 2 Auch diese Erkenntnis ist nicht neu. E. R. Huber hat bereits in der 1969 erschienenen Deutschen Verfassungsgeschichte (Bd. 4, S. 929) formuliert: „Die Differenz zwischen … Wirtschaftsunternehmen und Institutionen von Forschung und Lehre wird systematisch eliminiert“.
II. Hierarchisierung
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Solche, die im Exzellenz-Wettbewerb ohne Trophäen bleiben, dürften sich beim Rest wiederfinden, zusammen mit den Fachhochschulen. Die qualitativen Unterschiede zwischen dem Gros der Universitäten und den Fachhochschulen werden kaum noch interessieren. Zusammen sind sie die Ausbildungsstätten, die das Auffangbecken bilden, zu denen sich im Zuge der Akademisierung von Abschlüssen zusätzlich Ausbildungsgänge gesellen werden, die bisher im dualen System angesiedelt waren. Die Unübersichtlichkeit wird zunehmen und das Erscheinungsbild der Hochschulen noch verwirrender sein, als es das jetzt schon ist. Das wird nicht nur die interessierte Öffentlichkeit zu spüren bekommen, das werden Personalchefs in noch größerem Maße als bisher zu beachten haben; vor allem aber werden es die Studierwilligen und die Studierenden erfahren. Das ist der Preis für eine Expansion des tertiären Bereichs, wie er in den letzten mehr als 50 Jahren stattgefunden hat. Die Stärke der deutschen Universitäten – in allerdings nicht mehr ganz so junger Vergangenheit – war deren Garantie für weitgehend gleichwertige Qualität in ihrem Angebot und bei der Bewertung ihrer Abschlüsse. Das hat sich geändert und ist nicht wieder herstellbar. Auch ein anderes „heißes Eisen“ wird eine flächendeckende Lösung erfahren. Die Fachhochschulen lassen nicht locker: Sie wollen ein eigenständiges Promotionsrecht und nicht darauf angewiesen sein, dass ihre Absolventen nur an Universitäten den Doktorgrad erwerben können. Folgendes ist abzusehen: Über kurz oder lang wird die Politik weich und räumt den Fachhochschulen scheibchenweise das Promotionsrecht ein; erst nur einzelnen Fachbereichen, dann einer ganzen Institution und schließlich allen, auch der letzten Klitsche im viel zitierten Klein-Kleckersdorf. Das können die großen Forschungsverbünde wie die genannten MPG, Helmholtz sowie Leibniz und Fraunhofer mit Recht nicht tatenlos hinnehmen. Sie werden ebenfalls das Promotionsrecht fordern, auch wenn das derzeitig noch dementiert wird. Die eine oder andere Organisation wird sich möglicherweise als Graduierten-Universität etikettieren. Die Wertigkeit der Promotionen wird, wen wundert das, unterschiedlich sein, auf jeden Fall differenziert angesehen werden: Der Dr. von einer FH wird mit Achselzucken zur Kenntnis genommen werden, der von den Universitäten in Bezug auf einige Fächer, nicht zuletzt durch spektakuläre Plagiatsfälle ins Gerede gekommen, mit einer auch schon jetzt zu beobachtenden Skepsis und der von den renommierten Wissenschaftsorganisationen verliehene mit Respekt. Dieser Dr. ist dann etwas wert, die anderen werden unter „ferner liefen“ einsortiert. Um die Qualitätsunterschiede deutlich zu machen, wird dem Dr. die Herkunft beigefügt, also z. B. Dr. (MPG) oder man entscheidet sich zur besseren Kenntlichmachung der Qualität für die Verleihung des PhD. Soll man eine solche Entwicklung wollen? „Eigentlich“ nicht, aber sie wird eintreten, weil in zwei Lagern wenn nicht Unvernunft, so doch Starrheit herrscht. Für die Kämpfer aus den Fachhochschulen ist es eine Prestigefrage, dass sie das Pro-
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C. Ergebnis: Perspektive
motionsrecht erstreiten. Dabei ist ihr schwächstes Argument, an ihren Einrichtungen gäbe es so viele Habilitierte. Das ist, soweit es zutrifft, das Ergebnis einer falschen Besetzungspolitik, denn dort sollten nach dem Gründungskonzept vor allem Dozenten aus der Praxis gewonnen werden. Die Universitäten sind zum Teil zu restriktiv, den Brückenschlag zu den Fachhochschulen über personelle Beziehungen zu finden, nämlich durch Ernennung von Honorarprofessoren. Bewegt sich bei solcher Frontstellung niemand, darf man sich nicht wundern, wenn Ergebnisse eintreten, die man „eigentlich“ nicht wollen sollte. Alles das, was man als Universität oder university bezeichnen wird, muss dem Betrachter zunächst undifferenziert und nicht strukturiert erscheinen. Hier werden sich aber sehr bald Differenzierungen und Hierarchisierungen ergeben. Die Spitze werden vermutlich einige renommierte Institutionen bilden, die weltweit bekannt sind. Diesen Rang werden die ab 2019 durch die Exzellenzstrategie herausgehobenen elf Institutionen für sich in Anspruch nehmen. Wenn es keine bürokratischen oder politischen Eingriffe mit der Festlegung auf eine bestimmte Zahl gäbe, die fatal an Vorgaben einer Planwirtschaft erinnert, wären das eher rund 25 als elf. Die zukünftigen Exzellenzuniversitäten werden die Universitäten traditionellen Verständnisses bilden, die obere Schicht des tertiären Bildungsbereichs. Da der Begriff „quartärer“ Bereich bereits für die Weiterbildung verwendet wird, bedarf es hier einer griffigen Bezeichnung. „Exzellenz“ ist bereits wegen der vielfältigen Verwendung zu abgegriffen; vielleicht: „First-class-Universitäten“. Alle anderen werden mehr oder weniger Ausbildungsfunktionen zu erfüllen haben.
III. Anfälligkeit für Reformen Beim Hochschulsektor fällt auf, dass hier besonders häufig novelliert und drastisch korrigiert wird. Diese Materie ist offenbar besonders anfällig für grundsätzliche Änderungen. Die betroffenen Institutionen erfahren dies als Wechselbäder. Einige Gründe für die Anfälligkeit dieses Bereichs bzw. ihrer Vertreter sind objektiver Art und leicht erkennbar. Das Hochschulrecht war bis Ende der 1960er Jahre ganz überwiegend Satzungsrecht und unterlag kaum Veränderungen. Die Studentenrevolte mit dem Höhepunkt im Jahr 1968 zielte vor allem auf organisatorische Reformen und hat damit Hochschulgesetze in den Ländern produziert. Für die inhaltliche Ausgestaltung gab es kaum Orientierungen. So wurden für die Universitäten als „Körperschaften“ Anleihen im Kommunalrecht gesucht; durch die Fixierung der Gruppen als eine Art „Universitätsstände“, fälschlicherweise als „Demokratisierung“ bezeichnet, wurde der Eindruck eines ständig veränderbaren, unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzten Gestaltungsobjekts vermittelt. Ein weiterer Grund für die Anfälligkeit des Hochschulsektors für ständige Reformen liegt darin, dass dieser Gegenstand zu den wenigen Regelungsbereichen
III. Anfälligkeit für Reformen
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gehört, die den Ländern verblieben sind. Um also nach einer Wahl Aktivität und Entschlusskraft zu demonstrieren, wird eine Novellierung des Hochschulrechts angekündigt und später verwirklicht. Das mag verständlich erscheinen, wenn es sich um einen „Politikwechsel“ handelt, also eine politisch anders gefärbte Regierung als die Vorgängerin ins Amt kommt. Aber auch bei gleicher Parteienkonstellation sind Änderungen durchaus üblich, wie es in Bayern und Baden-Württemberg zu beobachten war. Dabei handelt es sich gelegentlich um bildungspolitische Modeerscheinungen, manchmal auch nur „Gags“ wie den Ersatz des Begriffs „Rektor“ durch „Vorstandvorsitzenden“, um den Eindruck der „unternehmerischen“ Hochschule zu suggerieren. Auffällig ist, dass bei neuen Gesetzesvorhaben so wenig aus der Geschichte gelernt wird. Das geht so weit, dass Bildungspolitiker sich z. B. dahin äußern, die Reform des Hochschulwesens habe Mitte der 1990er begonnen. Richtig ist daran allenfalls, dass diese Politiker selbst zu dem entsprechenden Zeitpunkt angefangen haben, sich dafür zu interessieren. Die ersten Ansätze Ende der 1950er, die Ziele und die Ergebnisse eingeleiteter Schritte, auch das Scheitern von Vorhaben, werden größtenteils nicht zur Kenntnis genommen, geschweige denn für die Beurteilung akuter Probleme und deren Lösung genutzt.. Das mag auch daran liegen, dass inzwischen mehr oder weniger „fachfremde“ Politiker in verantwortliche Positionen auf diesem Sachgebiet gekommen sind bzw. dorthin verfrachtet werden. Es müssen keineswegs immer „Fachleute“ sein, die entsprechende Ressorts verantworten. Ebenso, wenn nicht vielleicht sogar wirkungsvoller, können „politische Hochkaräter“ für die Interessen der Hochschulen sein. Oft aber sind regionale Proporzüberlegungen oder die Erfüllung irgendwelcher Quoten Grund für eine Besetzung. Fehlende Kenntnisse von der Materie mit der Konsequenz der Überforderung sind die Folge. Zwar gibt es auch in anderen Politikfeldern Quereinsteiger, denen das anvertraute Gebiet fremd ist. Dort ist dann aber die Materie gefestigt, weil sie sich allmählich entwickelt hat. Die Universitäten sind zwar über Jahrhunderte gewachsene Einrichtungen; ihre Organisation aber hat um 1970 eine dramatische Neuordnung erfahren. Ob diese richtig war und in welcher Weise sie zu ändern ist, unterliegt ständigen Zweifeln und Wünschen. Dabei fehlt es an einem Mindestmaß an Übereinstimmung unter den Akteuren der verschiedenen politischen Lager. Solange das der Fall ist, wird dieser Bereich anfällig bleiben und nicht zu einem Normalmaß an Ruhe finden.
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Personenverzeichnis Namen in Fußnoten sind nur berücksichtigt, soweit sie nicht im Literaturverzeichnis als Autoren erscheinen. Adam, Konrad 81 Adorno, Theodor 25, 53 f. Allewell, Karl 67 Bauer, Theresa 63 Behler, Gabriele 95 f., 99, 131, 167, 338 Berchem, Theodor 67, 216 Berninger, Mathias 162, 166 Biedenkopf, Kurt 52, 260 Bloch, Ernst 25 Bode, Christian 196 Böger, Klaus 337 Böning, Eberhard 33 Bookmann, Hartmut 20 Brandt, Willi 23,32, 34, 52, 62, 87, 112 Breitenbach, Dieter 44, 132 Breuer, Rolf 303 Brunn, Anke 44, 117, 177, 132 ff., 136, 139, 149, 155, 163, 182, 227, 267 f., 301 f. Bulmahn, Edelgard 131, 137, 164, 166 f., 208 f., 236, 255 f., 281, 306 Buttler, Friedrich 155 Dahrendorf, Ralf 31, 53, 71, 90, 141, 206, 318 Daxner, Michael 158 Dohnany, Klaus v. 34 Döring, Walter 138, 154, 168 Dutschke, Rudi 25, 52 ff. Edding, Friedrich 205 Ehmke, Horst 34 Eichel, Hans 105, 167 Engholm 120 Engler, Helmut 173 Erhard, Ludwig 27 Erhardt, Manfred 118, 129, 155,165, 310, 314
Erichsen, Hans-Uwe 97, 133, 134, 150, 216, 157, 253, 310, 339 Fiebiger, Nikolaus 245 Filbinger, Hans 88 Fischer, Joschka 28 Fischer-Appelt, Peter 61 Franke, Horst-Werner 215 Freud, Sigmund 53 Frick, Rolf 85 Friderichs, Hans 102, 128 Friedeburg, Ludwig v. 54, 58, 173, 177, 236 Friedrich, Gerhard 159 Fugmann-Heesing, Annette 138, 225 Gabriel, Sigmar 137 Genscher, Hans-Dietrich 300 Gerhardt, Wolfgang 108, 128, 168 Glaser, Albert 255 Glotz, Peter 43, 115 f., 132, 150 ff., 305, 339 f. Goppel, Thomas 131, 236 Granzow, Hermann 146 Habermas, Jürgen 25, 53, 54, 56 Hahn, Wilhelm 32, 87 ff., 219, 243, 318 Hajen, Leonhard 155 Hamm-Brücher, Hildegard 61, 124, 212 f., 241 Harms, Gerd 108 Hegel 53 Herrmann, Wolfgang A. 140 Herzog, Roman 73, 136, 163, 235, 314 f. Hilsberg, Stephan 164 Hippler, Horst 140, 202 Hoffmann, Karl-Heinz 133 Hohmann-Dennhardt, Christine 132, 247, 260
366
Personenverzeichnis
Holzapfel, Hartmut 94, 99, 107 Horkheimer, Max 25, 53 Humboldt, Wilhelm v. 17, 339, 340 Hundt, Dieter 137 Huth, Rupert 323 Imboden, Dieter
74, 296 f
Jaspers, Karl 18 Jürgens-Pieper, Renate
99
Kahrs, Bringfriede 199 Kaiser, Gerd 255 Kewenig, Wilhelm 189 Kirchhoff, Arndt 225 Kleiner, Ulrich 33 Knopp, Werner 43, 216 Kohl, Helmut 44, 46, 154, 159, 169, 193, 301, 306, 311 Köhler, Gerd 117,156, 233, 247, 261 Kraft, Hannelore 225 f. Kraus, Josef 121 Kreibich, Rolf 61, 66 Kretschmann, Winfried 28 Kurras, Karl-Heinz 24 Kurtze, Werner 197 Laermann, Karl-Heinz 149, 169, 184,214, 327 Lafontaine, Oskar 105, 135 Lambsdorff, Otto Graf 149 Lammert, Norbert 149, 260 Landfried, Klaus 70, 115, 134 f., 160 f., 167 f., 196, 249, 253, 255, 258, 261, 301, 309 ff., 339 Leussink, Hans 23, 91, 177 Leuze, Dieter 70 Lonhard, Otto-Günter 338 Lübbe, Hermann 320 Lüthje, Jürgen 158, 305 Maier, Hans 43, 60, 171, 173 Maihofer, Werner 62, 63 Maizière, Thomas de 203, 328 Marcuse, Herbert 25 Markl, Hubert 128, 283, 323 Marquardt, Wolfgang 140 Marx, Karl 53
Matthöfer, Hans 34 Maurer, Uli 107 Mayer, Evelies 123, 132, 183, 186, 215, 233 Mayer-Vorfelder, Gerhard 107 Merkel, Angela 169, 237 Meyer, Hans-Joachim 45, 115 f., 135, 154, 194, 218, 237, 260, 304, 314 Mikat, Paul 32, 299 Milbradt, Georg 105, 145 Mittelstraß, Jürgen 70 f., 315 Mlynek, Jürgen 49 Moersch, Karl 299 Möllemann, Jürgen 46, 149, 157, 167, 169, 214, 246, 310 Müller-Böling, Detlef 259, 301 Mutius, Albert v. 149, 151 f Neumann, Bernd 118 Neuweiler, Gerhard 326 Nida-Rümelin, Julian 209 Odendahl, Doris 150 ff., 162 Oertzen, Peter v. 236 Oettinger, Günther 108 Ohnesorge, Benno 24 Oppermann, Thomas, Prof. 228 ff. Oppermann, Thomas, SPD 137 Ortleb, Rainer 105, 123, 149,169, 193, 267, 314, 326 Oschatz, Georg-Berndt 189, 271 Pfeifer, Anton 60, 62, 219, 271 Piazolo, Paul Harro 33, 318 Picht, Georg 21, 90, 141, 205, 212 Pieper, Michael 225 Pinkwart, Andreas 226 Prenzel, Manfred 286 Raab, Rosemarie 154 Radunski, Peter 261 Rau, Johannes 226, 303 Reck, Karl-Heinz 104 Reiche, Steffen 73 Reul, Herbert 94 Reumann, Kurt 70 Rinkens, Hans-Dieter 162 Roellecke, Gerd 171 ff., 179 f., 216, 220 Rohde, Helmut 34
Personenverzeichnis
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Rößler, Mathias 95, 104 Ruegg, Walter 56, 58 Rühe, Volker 260 Rumpf, Hans 62 Rüttgers, Jürgen 94, 103, 116, 117, 135, 151 ff., 160, 162, 165, 168, 208, 215, 248, 253, 257, 261, 334, 339
Simon, Dieter 128, 133, 135, 323 Simonis, Heide 108, 260 Sontheimer, Kurt 252 Späth, Lothar 261 Steinlin, Hansjürg 43, 216 Stoiber, Edmund 117, 135 Streibl, Max 107
Schah von Persien 24 Scharping, Rudolf 132, 151 Schaumann, Fritz 44 Schavan, Annette 98, 103, 106, 225, 237, 336 Schelsky, Helmut 53, 56, 67 Schiedermaier, Hartmut 70, 72, 78 f., 100, 131, 189, 224, 249, 253, 255 f., 261, 266 Schily, Konrad 233, 302 Schipanski, Dagmar 133, 262 Schlegel, Jürgen 226 Schmidt, Hajo 255 Schmidt, Helmut 34 f., 146, 177 Schnoor, Steffie 104 Schröder, Gerhard 168 Schuchardt, Gerd 280 Schuchardt, Helga 133, 155, 159 f., 223, 258 Schultz-Hektor, Marianne 107 Schulz, Martin 239 Schulze, Svenja 225 f. Schulze, Winfried 196, 198 f., 247 Schütte, Ernst 59 Schwanitz, Dietrich 41, 255 Schwarz, Hans-Peter 18 Schwier, Hans 189 Seidel, Hinrich 46, 133, 216 Siebke, Jürgen 77
Teufel, Erwin 99, 105 Thieme, Werner 58 Tidick, Marianne 151 ff. Trittin, Jürgen 28 Trotha, Klaus v. 77, 84, 107, 114, 116, 129, 132, 155, 168, 178, 185, 266, 280, 307, 338 Vogel, Bernhard
299, 314
Wagner, Ruth 258 Waigel, Theodor 150 f., 160 Wanka, Johanna 169 Wehner, Herbert 87 Weimer, Gerd 132 Wernstedt, Rolf 97 Wilms, Dorothee 146, 169, 190, 273 Wimmer, Brigitte 164 Winnacker, Ludwig 248 Wittkowski, Alexander 61 Wolff, Hans 76 f. Wunder, Dieter 257 Zehetmaier, Hans 44, 94, 98 f., 107, 117, 131 ff., 149, 154, 163, 179, 194, 261, 326, 327 Zingel, Rudolf 66 Zöllner, Jürgen 97, 103, 107, 132, 215, 253
Stichwortverzeichnis Kursive Ziffern bedeuten eine schwerpunktmäßige Darstellung. Aachen 269, 282, 285, 297 Abbrecher 3, 199, 201, 203, 330 Abendland 41 Abitur 20, 21, 89, 91, 92, 97, 99 , 100, 115, 121, 127, 239 – Abitur II 91, 188 – Abitur plus 314 – Begabten-Abitur 109 – Durchschnitsnote 93, 113, 119 – Fachabitur 323 – Gewichtung 116 – Ost-Abitur 104, 105, 106, 110 – Prüfungsfächer 98 – Zentralabitur 94 f., 237 Abiturienten 30, 41, 97 – Zahlen 21, 42, 90, 92, 106 Abwahlrecht (Rektor) 63, 64 Abwicklung 47 Achtundsechziger 23 f., 28, 29, 30 Akademiker – Arbeitdslosigkeit 206, 209 – Bedarf 39, 42, 48, 89, 124, 205, 207, 209 – Prekariat 206, 250 – Schwemme 205, 208 – Steuer 138 f. Akademikerwahn 209 f. Akademische Räte 55 Akademisierung 48, 122, 154, 292 Akkreditierung 75, 198 Aktionen 25,26 A-Länder 33 Alimentationsprinzip 263 Allgemeinbildung 20, 91, 93, 95, 96, 98, 100, 120 Alliierte 17 Alte Zöpfe 26, 284 Altersrente 152, 246 Amtsdauer 65, 66, 67, 78, 73 Angestellte 22
Anglo-amerikanisch 191, 191 ff., 196, 287, 321 Anstalt 87 Antiautoritär 29, 52 Antifaschismus 25 Antiimperialismus 25 Antikapitalismus 25 Anwesenheitspflicht 73, 83 – Professoren 257 f. – Studierende 83 Arbeiterkinder 22, 141, 145, 148 Arbeiterschaft 22, 26 Arbeitslosengeld 150 Arbeitsmarkt 45, 124, 145, 180, 196, 202, 209 Assistenzprofessor 66, 242, 248 ASTA/ASTen 75, 81, 84 Aufbaustudium 130, 187 ff. Aufklärung 17 Aufnahmekapazität siehe Kapazität Aufnahmeprüfung 89, 92, 97 Aufsichtsrat 37, 49 Aufsteiger 22 Augsburg 192 Ausbau 21, 30, 38, 40, 42, 46 Ausbildung 22, 41 f, 112 Ausbildungsförderung 55, 141 ff., 149, 155, 158 f. – BAföG – Beirat für ~ 148, 157, 215 Ausbildungskasse 153, 158, 166 Ausbildungsrevolution 21, 22 Auslandsaufenthalt 107 Auslese 22, 117 Ausschließlichkeit 57 Ausschreibung 55 Außerparlamentarische Opposition (APO) 24 ff., 26, 27, 29, 52 Australien (Gebührenmodell) 134 f., 138
Stichwortverzeichnis Auswahlgespräch 117 Auswahlverfahren 111, 117 – Allgemeines 113, 116 – Besonderes 113 Autonomie 18, 37, 55, 58, 65, 67, 69, 71, 72, 73, 76, 80, 88, 218 ff., 225, 235, 266, 272 Auto-Uni 308 Baccalaureus oeconomicus 193 Bachelor 37, 194, 198, 200 ff., 281 Baden-Württemberg 32, 88, 90, 103, 108, 110, 140, 233, 239, 241, 246, 264 f., 270, 285, 338 – Abwahlrecht 63 – Berufsakademie 48, 333 – Doktoranden 63 f. – Hochschulgesamtplan 188, 193 – Hochschulgesetz 63, 241 – Hochschulräte 76 – Landeslehrpreis 270 – Pädagogische Hochschulen 335 – Professorenmehrheit 318 – Schule 98, 103, 106 ff. – Studentenschaft 84 f. – Studiengebühren 129, 130, 135 BAföG 31, 128, 135,141 ff., 160 ff., 164, 212 – Bankenlösung 146 f., 155 – Darlehen 143 f. – Drei Körbe-Modell 158, 162, 166 – Dreistufen-Modell 153 – Volldarlehen 36, 145, 149, 150 – Zinsmodell 154 ff. – Zuschuss 37, 148, 150 Bamberg 286 Bausteine 179 Bayern 135, 140, 161, 215, 234, 284, 327, 338 – Hochschulräte 78 – Schule 90, 98, 102, 107 – Studentenschaft 84 f. Bayreuth 283, 286 BDA siehe Wirtschaftsverbände BDI siehe Wirtschaftsverbände Beamte 22 Beamtenstatus 259 f. Bedarfsprognosen 31, 39, 209 Bedarfssätze 142, 150, 162
369
Befristung siehe Entfristung Begabtenförderung 104, 192, 314 f. Berkeley 24, 288, 296 Berlin 24, 32, 46, 60, 104, 131, 135, 150, 156, 337, 181, 217, 243, 246, 234 – FU 26, 61, 66, 282, 285, 297 – HU 74, 278, 282, 285, 297, 337 – TU 61, 283, 286, 297 Bertelsmann-Stiftung 139, 300 Beruf 17,18, 22 Berufsakademie 48, 122, 210 f., 217, 290, 332 ff. Berufsqualifikation 17, 92, 187 f., 196 Berufsschule 17, 95, 148, 327 Berufstätige 37, 39 Berufsverbot 28 Berufswahl 112 Berufung 56, 81 Berufungswesen 37, 183 Besatzungszone(n) 17 Beschäftigungssystem 38, 45, 154, 173, 175, 180 Besetzungen 26 Besoldung 200, 240, 251, 262 Betroffenheit 62 Betreuungsverhältnis 43, 114, 214 Bewältigung der Vergangenheit 23 Bibliothek 20 Bielefeld 283, 286, 292, 297 Bildung 17, 41 ff., 46, 125 – akademische/berufliche 39, 46, 120 f., 124, 154, 210 Bildungsaufwendungen 40 Bildungsausgaben 21, 212 ff. Bildungsbarriere 22 Bildungsberichte 59, 91, 102, 17, 219, 319 Bildungsbeteiligung 212 Bildungsbürger 42 Bildungsentzug 127 Bildungsexpansion 38, 187 Bildungsferne Schichten 41, 140 Bildungsgesamtplan 36, 111 Bildungsgipfel 45, 193, 233 – Kohl 44, 178 – Merkel 237 Bildungsgutscheine 129 f., 137, 186 Bildungsinhalte 20 Bildungskatastrophe 21, 42, 141, 212
370
Stichwortverzeichnis
Bildungskonjunkturzyklus 34 Bildungsnachfrage 43 Bildungsniveau 40 Bildungsnotstand 21 Bildungspanik 21 Bildungsplanung 31, 111, 144 Bildungspolitik 23, 31 ff, 35, 42, 46, 95, 99, 105 Bildungspolitiker 23, 32, 42 Bildungsrat 31, 36, 39, 209, 213 Bildungsreserven 30 Bildungssparen 136, 158, 165 Bildungsstandards 41 Bildungssystem 21, 120, 125 Bildungsweg – Dritter 122 – Zweiter 91, 122 Bildungswesen 19, 30, 35 Billigstudium 189, 195 B-Länder 33 Blaues Gutachten 227 Bleibeverhandlung 252, 262 Board 78 Bochum 282, 286, 292, 297 Bologna 202, 294 – Prozess 200, 294 – Reform (der Reform) 202, 204 Bombenanschläge 26 Bonn 195, 283, 286 f., 297 Bonner Vereinbarung 90 Boykott 26, 269 Brandenburg 73, 103, 286 Bremen 32, 60, 62, 131, 246, 282, 285, 287, 292, 297 Briten 17 Brückenkurse 125 Bruttosozialprodukt 21, 212 f. Bucerius-Law-School 304, 312, 315 Budgetrecht 230 Bummelstudent 127,130 Bund 19,30 Bund Freiheit der Wissenschaft 25 60, 189, 220, 224 Bundesassistentenkonferenz 60, 241 Bundesausbildungsförderungsfonds (BAFF) 166 Bundesausbildungsförderungsgesetz siehe BAföG
Bundeskanzlerin 297 Bundeskompetenz 29, 30, 34 Bundesländer – alte 37, 45, 47, 97 – neue 37, 46, 47, 97, 102 Bundespräsident 296, 303 Bundesrat 150, 62 Bundesregierung 28, 33,59 Bundesrepublik 18, 24 Bundesverfassungsgericht 64, 112, 198, 236, 313 – Akkredietierung 75 – Besoldung 263 – Familienlastenausgleich 166 – Funktionsgerechte Mitsprache 34 – Gruppenuniversität 62, 219 – Niedersächsisches Vorschaltgesetz 34 – Zulassungsbeschränkung 112 Bundeswehr-Hochschulen 336 Bund/Länder-Kommission (BLK) 31, 33, 36, 111, 144, 213 Bündnis 90/Die Grünen 79, 131, 136 ff., 163, 166 Bürgerrecht auf Bildung 22, 31 Bürgerschreck 26 Bürokratie 29, 60, 183, 271 Burschenschafter 24 Cartellverband katholischer Studentenverbindungen (CV) 56 C-Besoldung 248 f., 252 CDU 33, 62, 116, 146, 167, 171, 177, 213, 243 – Abitur 97 – Ausbildungsförderung 142 – Chancengerechtigkeit 35, 39 – Gesamthochschule 319 – Hochschulleitung 66 – Mitbestimmung 61 – Ordnungsrecht 86, 135 – Schule (Pflichtkurse) 98 – Schulzeitverkürzung 102, 105, 108 – Studiengebühren 135 – Studienreform 188 – Zentralabitur 94 Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) 72, 76, 138, 165, 278 Chancenausgleich 40, 41 f., 215
Stichwortverzeichnis Chancengerechtigkeit 35, 39, 109 Chancengleichheit 35, 39 f., 120 f., 124, 141, 147, 166, 271 Chemnitz 286 Clausthal 283 Controlling 265, 267 Corporate identity 80, 282, 284 Creditpoints 200 CSU 33, 85, 98, 107, 167 Curricularnormwert 114, 144 Dänemark 68, 198 Dänen-Ampel 83 Darlehen 37, 135, 143 ff. Darmstadt 283, 286, 297 DDR 18, 29, 30, 31, 39, 47, 102, 267, 332 Deckungsfähigkeit 226 Dekan/Dekanat 37, 65, 68, 70, 72 Demografie 30, 38, 180 Demokratisierung 22, 27, 29, 30, 33, 51, 55, 58, 59, 60, 62, 80, 81, 172, 271 Deregulierung 235 Deutsch 41 Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) 136 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 50, 282, 296 Deutscher Beamtenbund 144 Deutscher Hochschulverband (DHV) siehe Hochschulverband Deutsches Studentenwerk (DSW) 146, 153, 156, 160 ff., 170 Dezember-Fieber 227 Dezentralisierung 72 DGB siehe Gewerkschaft Dialogorientirtes Serviceverfahren 119 Dienstleistung 67 Dienstrecht 72, 256, 258 DIHT siehe Wirtschaftsverbände Dipl.-Ing. 194, 201 Diplom 183, 185, 197, 200 Diploma supplement 200 Dirigismus 35, 55, 219 Discountprofessoren 82 Discountstudium 189 Dissertation 64 Disziplinarrecht 86 Doctrina 17 f.
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Doktoranden 63, 64, 251 Doppelqualifikation 95, 334 Dortmund 301 Drei-Körbe-Modell 158, 161 ff., 168 Drei-Stufen-Modell 153, 158 Dresden 283, 285, 297 Dritte Welt 25 Drittelparität 51, 55 ff., 63, 81, 236 Drittes Reich 18 Drittmittel 215 ff., 240, 273, 275 Duale Ausbildung (Lehre) 45, 48, 121 f., 208, 210 Duale Hochschule 211, 295, 334 Duale Studiengänge 332 f. Duisburg 321 Durchlässigkeit 204 Durchschnittsalter 183, 202, 204 Düsseldorf 286 Eckwerte 72, 186, 233 Egalitarismus 39 Eignungsprüfung/-test 115 Eingangsprüfungen 37 Einheitshaushalt 37 Einheitsschule 39 Einigungsvertrag 37, 47 Einkommen 22, 153 Einsamkeit der forschenden Arbeit 17 Einschreibgebühren 131 Einstein-Stiftung 284 Eliteuniversität 18, 192, 282, 311 Eliteverständnis 313 ff. Elternfreibetrag 151, 155, 159, 167 Elternhaus 41 Emanzipation 35, 172 f., 200 Emmy-Nöther-Programm 248 Entfristung 250 Entideologisierung 23 Entnazifizierung 20 Entrümpelung 182, 185 Entsolidarisierung 80 Erasmus-Programm 195 Erfurt 194 Erkenntnissuche 18 Erlangen 283, 286, 292, 297 Erneuerung 18 Erwartungsdruck 32 Europa 47, 108, 122, 200, 268
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Stichwortverzeichnis
European Business School 303 European School of Management and Technology (ESMT) 303 Evaluation 267 ff. Exmatrikulation 86 Experimentierklausel 62, 77 Externe Hochschulräte 75, 77 f. Externe Minister 37 Extremistenbeschluss 27, 87 Exzellenzcluster 282, 285 Exzellenzinitiative/-strategie 44, 49, 74, 205, 238, 281 ff., 340, 342 Exzellenzuniversität 281 Fachaufsicht 37, 76, 88, 89 Fachbereich 30, 67 Fachhochschule (FH) 31, 42, 159, 188 ff., 217, 281, 288 f., 294, 317, 322, 343 – Akademisierung dualer Ausbildung 48 – Angleichung an Universitäten 126, 127, 191 f., 196 f., 202, 324 – Fachhochschulreife 92 – Gründung 31, 177 – Zugang für Nicht-Abiturienten 122 Fachidiot 181, 194 Fachkräftemangel 122, 126, 210 Fachschaft 56 Fachwechsel 92 Fakultät 30, 56, 67, 68 FDP 85, 87, 93, 99 f., 108, 142, 146, 156, 164, 168, 299 – BAföG 168 – Mitbestimmung 61 – Notenterror 93 – Schule 93, 100, 108 – Studentenschaft 85 Fensterreden 83 Fernstudien 180 Feststellungsverfahren 119 Fiebiger-Professur 245 f. Finanzautonomie 228 Finanzierung 18, 33, 37, 40, 105, 199, 212 Finanzminister 43, 44, 105 ff., 133 f., 157, 162, 230 Finanzpolitik 46 Flexibilisierung 226 f., 229, 233 Föderalismus 19, 36, 118, 235 ff., 287 Föderalismusreform 19, 36, 237, 297
Fonds-Modell siehe BAföG Förderstufe 392 Förderung 30 Förderungshöchstdauer siehe BAföG Forschung 17, 18, 50, 216, 68, 81, 275 Forschungsförderung 31 Forschungsfreiheit 60 Forschungspakt 50, 238 Frankfurt/Main 32, 46, 283 f., 286, 297 Frankfurter Schule 53 Frauenbeauftragte 266 Fraunhofer-Gesellschaft 50, 296, 343 Freibeträge 148 Freiburg 278, 282, 284, 287, 297 Freier Zusammenschluss von StudenInnenschaften (fzs) 152, 156, 159, 261 Freiheit der Studiengestaltung 17 Freiheit der Wissenschaft 34, 54, 63, 171 Freischuss 184 ff. Friedrich-Ebert-Stiftung 138 Fünftelparität 64 Funktionsgerechte Mitsprache 57, 58, 61, 62 Ganztagsschule 41 Geburtenstarke Jahrgänge 45 Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) 36, 49, 297 Gemeinschaftsaufgabe 31, 36, 215, 237 Generation Praktikum 127 Generationenkonflikt 23, 55 Geringfügig Beschäftigte 244 German U 15 291 Gesamthochschule 30, 32, 35, 43, 317 ff. Gesellschaftskonzept 47, 53, 54, 58 Gesetzgebungszuständigkeit 164 Geschichte 41 GEW 75, 96 f., 233, 243, 247, 249, 255, 333 – Abitur 106 – BAföG 143, 152, 159 ff., 164 – Fachhochschulen 326 – Gymnasium109 – Prüfungen 117 – Studiengebühren 136 – Studienreform 175, 183 Gewalt 24 f., 27, 53, 54, 86 Gewerkschaft 51, 71, 75, 80, 81, 96, 120, 136, 143, 151, 156, 172, 176, 226
Stichwortverzeichnis Gießen 67, 283, 286, 297 Gießkannenprinzip 37, 173, 238, 316 Gleichheit 40 Globalhaushalt 37, 69, 226 f., 263 Godesberger Erklärung 57 Göttingen 20, 282, 284, 287, 297 Graduiertenförderung 36 Graduiertenkolleg/-schule 192, 246, 282, 324 Großbetrieb Universität 67 ff., 72, 222, 266 Großbritannien 68 Große Koalition 24, 30 Grundfinanzierung 50 Grundgesetz 31, 49, 50, 54, 56, 67, 171, 214, 221, 313 – Art. 5 Abs. 3 17, 34, 221 – Art. 12 112 – Art. 74 118, 141 – Art. 75 112 – Art. 91 b 49, 213, 238 – Art. 105 b 238 Grundkurse 90, 96, 98 Grundlagenforschung 18 Grundordnung siehe Hochschulverfassung Grundsätze für Studien und Prüfungen 175 Gruppenuniversität 22, 30, 49, 51, 60, 62, 66 ff., 80, 88, 173 Gymnasium 89 f., 98 – Dauer 103 – Oberstufe 89 – Typen 90 f., 95 – Zugang 90 Habilitation 55, 56, 236, 246 f. Hamburg 32, 61, 66, 227, 234, 246, 264, 283, 285 f., 298, 305 Handwerk, Zentralverband siehe Wirtschaftsverbände Hannover – Med. Hochschule 283, 286 – Universität 283 Happening 29 Härtefall Harvard 288, 296 Hausberufung 249 Haushaltsgrundsätzegesetz 229 Haushaltsplan 226, 229, 234 Haushaltssperre 231
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Haushaltstitel 226 Hausrecht 86, 89 Heidelberg 18, 32, 77, 88, 278, 282, 234, 246, 263, 265, 285, 332, 338 Helmholtz-Gemeinschaft 50, 296, 332, 343 Herkunft 40 Herrschaftsverhältnis 52, 53, 55 Hessen 60, 81, 103, 110, 137, 231, 234, 246, 263, 285, 332 265, 338 Hierarchisierung 203, 205, 295, 298, 342 Hildesheim 337 Hochschulabschluss 22 Hochschulbau 31, 34, 36, 4246, 151, 156, 214, 237 Hochschulbauförderung 31, 214 Hochschuldidaktik 269 Hochschuldozent 244 Hochschule für Angewandte Wissenschaft (HAW) 324 Hochschuleingangsprüfung 97, 100, 106, 113 Hochschulerneuerungsprogramm 46 Hochschulfreiheitsgesetz 225 f. Hochschulgesamtplan 188, 193, 243, 318 Hochschul-Informations-System (HIS) 199 Hochschullehrerbund 254, 256, 324, 328 Hochschulleitung 63, 72, 73, 76, 272 Hochschulmanagement siehe Management Hochschulpakt 49, 119, 238 Hochschulplanung 32, 38 Hochschulrahmengesetz (HRG) 36, 37, 70, 73, 81, 84, 85, 89, 112, 118, 136, 174, 185 f., 218, 224 f., 229, 235, 266 – Gesetz 1976 32, 35, 61 f., 66, 86, 89, 119, 216, 221, 119, 320 – Novelle 1985 36, 176, 180 – Novelle 1998 38, 48, 73 266 Hochschulrat 37, 63, 75, 76, 79 f. Hochschulreife 80 89, 90 f, 92, 95, 102 Hochschulrektorenkonferenz (HRK) 224, 232, 268, 274, 292, 296 siehe auch WRK – Abitur 96 – BAföG 151, 157 – Evaluation 268 – Fachhochschulen 197, 324 – Finanzausstattung 44 – Gesamthochshcule 320
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Stichwortverzeichnis
– Hochschuleingangsprüfung 106, 122 – Hochschulleitung 69, 73 – Hochschulräte 76, 78 – Hochschulzugang Nichtabiturienten 122 – Öffnungsbeschluss 44, 114 – Studiengebühren 132 ff. – Vertetungsanspruch 75 Hochschulselbstverwaltung 30, 58, 61, 68, 73, 77, 80, 81, 224 Hochschulsonderprogramme 46, 154 ff., 214 Hochschulstruktur 327 Hochschulverband 58, 82, 201, 246, 323 – Altersgrenze 246 – Bachelor/Master 201 – Fachhoschule 323 – Gruppenuniversität 66, 82 – Gymnasium 93, 96 – Hochschuleingangsprüfungen 122 – Hochschulleitung 66, 69 f. – Mitbestimmung 58 – Vertretungsanspruch 74, 75 Hochschulverfassung 64 Hochschulverträge 217 Hochschulzugang 37, 91, 92, 99, 106, 115, 117, 120, 125, 151, 192 – Berufstätige 37, 39, 120 ff., – Nicht-Abiturienten 37, 120 ff. Hochschulzukunftsgesetz 225 Hochschulzulassung 37, 92, 119 Höchstlast 114 Hohenheim 283, 338 Höherer Dienst 197, 202, 203, 325, 328 Homogenität (des Wissens) 20 Honnefer Modell 141 Humboldtsche Universität 17, 18, 26, 74, 79, 340
IM 24 Imboden-Kommission 296 Industrienation 21, 38 Ingenieurschulen 141, 317 Inkompatibilität 37 Innenpolitik 22 Innovative Hochschule 298 Institutsbesetzungen 53 Interdisziplinarität 30
Internationalität InvestiF 165
193 f., 198 f., 307
Jacobs-Foundation 300 Jahrgangsanteil – Abiturienten 30 – Studierende 42 Jena 283, 286 Jugendrevolte 54 Junge Liberale 156, 261 Junge Union 105 Juniorprofessur 249, 262 Juristenausbildung 184, 201, 312 Juso-Hochschulgruppe 85 Jusos 155, 166, 249255 Kaiserreich 22 Kameralistik 264 f. Kapazität 42 – 45, 111, 113 f. – Berechnung 44, 112 f. – Verordnung 114 Kapitalismus 24, 25, 27 Karlsruhe 282, 284 f., 288, 297 Karteileichen 129 Kassel 194 Katholisches Mädchen vom Land 30 Kaufmännische Buchführung 265 f. Kennzahlen 265 Kernfächer 93, 96, 97, 100 K-Gruppen 27 Kiel 283, 286, 292, 297 Kindererziehung 123 Kindergeld 153 ff., 158, 167 ff. Kirchliche Hochschulen 317 Klassenkampf 18, 23, 53, 56 Klassenverband 98, 99, 100 Koblenz (WHU) 269, 302 Kolleggeld 142, 252 Kollegialität 70, 79, 232, 272 Kollegialorgan 65 – 67, 69, 70 Kollegschule 95 Kollektivierung 39 Köln 283, 285, 287, 297 Kommune 26 Kommunismus 27 Kommunistische Partei Deutschklands (KPD) 27, 28 Kommunistischer Arbeiterbund (KAB)
27
Stichwortverzeichnis Kommunistischer Bund Westdeutschlands (KBW) 23 Kompatibilität 71 Kompetenz 56, 72, 236 Konjunktur 24, 128 Konkurenz 32, 187 – internationale 48 ff. Konsekutive Studiengänge 188, 193, 199, 321 f. Konstanz 32, 70, 78, 282, 285, 292, 297 Kontaktstudium 187 Konzentration 339 Konzert 41 Kooperationsverbot 51, 218, 238 Körperschaft 81, 82 Kostenrechnung 263 KPD/Marxisten-Lininisten (KPD/ML) 27 Krankenkassenbeiträge 130 Krankenschwester 48 Kriegsteilnehmer 17, 19 Kritische Theorie 53 Kulturhoheit 213 Kulturpolitik 31 Kultusminister 23 Kultusministerkonferenz (KMK) 19, 51, 99, 112, 120 ff., 158, 170, 176, 237, 239, 279 – Drittelparität 57 – Gymnasium 90 ff., 97, 105, 109 – Hochschulleitung 67, 218 – Medizinertest 113 – Mitbestimmung 58, 61 – Prognosen 44 Kunst- und Musik 41 Kunst- und Musikhochschulen 141, 290, 317 Kuratorium 76 Kurssystem 90, 93, 96, 98 Kurzstudium 181, 187 f., 196 Länderfinanzausgleich 215 Länderzuständigekeit 19, 34, 35 Landesfördergesetz (LAföG) 168 Landeshochschulgesetze 35, 37, 38, 51, 59, 60, 62, 73, 83, 112, 180, 221, 234, 243, 266 Landeslehrpreis 179, 270 Landfremde 23 Langzeitstudierende 129 ff., 140, 185 f.
375
Laufbahn 190, 200, 329 Lebensstil 29 Lehramt 51, 100 f. Lehrangebot 257 Lehrberichte 178 Lehrdeputat 211, 257 Lehre 51, 56, 72, 81, 170, 178, 186, 238, 267, 274 f., 323 f. Lehrer 21 – Ausbildung 100 ff. Lehrfreiheit 171, 181 Lehrkörperstruktur 30 Lehrling 45 Lehrmethoden 21 Lehrqualität 186 Lehrstuhl 55, 250 Lehrverpflichtung 257 f. Leibniz-Gemeinschaft 50, 296, 332, 343 Leipzig 283, 304 Leistungskurse 90, 96, 98 Leistungsnachweise 161, 185 Leistungsprinzip 37, 48, 52, 72, 80, 251 f., 263 ff., 274, 280 Leitungsstruktur 37, 49, 64 – 69, 71, 76, 78 Lektoren 55 Lektüre 41 Lernqualität 18 Leuchttürme 49, 287, 298, 316 Liberale Hochschulgruppe 85, 152 Liberalität 18 Linke, Die ~ 29 Linke, dogmatische/undogmatische 25 52, 88 Losverfahren 113 Lübeck 283 Lübecker Beschlüsse 93
Magister 183, 185 Mainz 283, 286, 297, Majorisierung 57 Management 70, 72, 73, 226, 231, 280 siehe auch Hochschulleitung, siehe auch Professionalisierung Mandarinentum 21 Mannheim 77, 283, 286, 289, 338 Marburg 20, 32, 58 Marburger Manifest 58
376
Stichwortverzeichnis
Marsch durch die Institutionen 24, 27, 28, 54 Marxismus 24, 25, 27 Marxisten-Lininisten Deutschlands (MLD) 27 Massenuniversität 29, 40, 125, 180, 192, 201, 269, 294, 313, 327 Master 37, 194, 199 ff., 281 Max-Planck-Gesellschaft (MPG) 50, 296, 317, 332, 343 Mecklenburg-Vorpommern 103 f., 181, 285, 338 Medizinertest 113 Mehrfachbewerbungen 119 Meinungsterror 25 Meister-BAföG 154 Migrationshintergrund 39, 330 Ministerpräsidenten/-konferenz – BAföG 159, 161 – Eckwertepapier 186 – Exzellenzstrategie 284, 297 – Leitungsstruktur 67 – Öffnungsbeschluss 43 – Schulzeit 102 Missbrauchsgebühr 131 Mitarbeiter 30 Mitbestimmung 30, 37, 51, 55, 59, 61, 83 Mitgliedsbeiträge 88 Mitläufer 24 Mittelbau 30, 55, 242 f., 250 Mittelschicht 22 Mittelverteilung 37, 67, 263 f., 266 Mobilität 40, 100 Modernisierung 33 Modul/Modularisierung 195 Mofa-Förderung 144 Monitoring 50 München 46 – LMU 20, 282, 285, 297 – TU 282, 285, 297 Münster 283, 286 f., 297 Museum 41 Mythos 22, 23 Nachkriegszeit 17 ff. Nachrückverfahren 119 Nachwuchsförderung 240 Nachwuchskräfte 21, 38
Nationalsozialismus 17, 18, 19, 20 Nebentätigkeit 211, 258 Neue Länder 46 f., 97, 102, 109, 140, 214, 245, 285, 326 Neugründungen 40 Neuordnung 32, 71 Nichtordinarien 30, 59, 183 Nichtwissenschaftliches Personal 51, 62, 71 Niederlande 68, 263, 268 Niedersachsen 60, 111, 128, 140, 264, 284, 337 – Autonomie 223 – Hochschulräte 76 – Leitungstruktur 72 – Studiengebühren 131 – Vorschaltgesetz 34 Niveau 38 Nobelpreis 278 Nordrhein-Westfalen 32, 99, 102, 104, 181, 239, 264, 268, 284, 301, 320, 338 – Anwesenheitspflicht 83 – Autonomie 225 – Leitungstruktur 73 – Schule 95, 99, 110, 102 – Studienreform 181 f. Nordverbund 269 Notendurchschnitt 93 Notenterror 93 Notgemeinschaft 26 Notstandsgesetze 26 NS-Zeit 25, 314 Numerus Clausus (NC) 37, 43 f., 114 ff., 134, 323 – Medizin 119 – Sozialer nc 127 Oberassistent 244 Oberschicht 22 Oberstufe/Oberstufenreform 89, 90, 91, 93, 94, 95 ff., 100, 116 OECD 47, 48, 205, 208 f. Öffentlicher Dienst 28 Öffentlichkeit 22, 29, 32, 37, 44, 45, 54, 88 Öffentlichkeit (von Sitzungen) 83 Öffnung der Hochschulen 30, 42, 122, 134 Öffnungsbeschluss 43, 44, 114 Ökonomie 226 f.
Stichwortverzeichnis Oldenburg 286 Ölkrise 33 Optionsklausel 78 Orchideenfächer 288, 338 Ordinarienuniversität 18, 22, 25, 29, 51, 55, 56, 59, 64, 65, 67, 68, 82, 250 Ordnungsbeauftragter 88 Ordnungsrecht 51, 86, 88 Organisationsstruktur 32, 65, 72 Osnabrück 77 Ost/West-Auseinandersetzung 31 ÖTV 255 Over-education 206 Pädagogische Hochschulen 141, 317, 335 f. Pakt für Forschung und Innovation 50, 238 Pakt für wissenschaftlichen Nachwuchs 50 Paris 24 Paritäten 37, 57 ff., 62 Parteilose 23 Parteipolitik 32 Partizipation 29, 61, 68 Peer Group 267 Personalabbau 43 Personalstellen 34, 40 f. Personalstruktur 32, 240 ff. Personalvertretung 37, 71 Persönlichkeitsbildung 203, 206 Pflege von Angehörigen 123 Pflichtberatung 185 Pflichtfächer (Schule) 41, 89, 91, 93, 94, 96, 97, 98, 99 Philologenverband 93, 94, 97, 106,109 – Bund 93, 97 – BW 94, 106, 109 Physiker 126 Pisa-Studie(n) 95, 239 Plagiat 64, 336, 343 Planstudienzeit 128 Planungssicherheit 217, 219 Polarisierung 32 Politisches Mandat 75, 84, 88 Politisierung 51, 53, 61, 85, 235 Präsenzpflicht 257 f. Präsident/Präsidialverfassung 37, 65 Praxisorientierung 46, 175, 177, 182, 196 Preise 275 Prestige 22
377
Preußisch 17 Priorität 34 Private Hochschulen 281, 299 ff. Privatisierung öffentlicher Aufgaben 216, 311 Privilegien 61, 68, 221 Probestudium 123 Professionalisierung 65, 68 , 69, 72, 73, 79 Professor 22, 51, 53, 55, 72, 73, 76, 80, 81 Professorenmehrheit 81 Profilbildung 115, 269, 275, 288, 304, 339 Prognosen 44, 207, 246, 294 siehe auch Bedarfsprognosen Promotionsordnung 76 Promotionsrecht 198, 293, 312, 331, 333, 336, 343 Proporz 57 Protestantisch 17 Prüfung 180 – studienbegleitend 184 Prüfungsordnung 170, 178, 186 Punkte-System 195, 200 Qualifikation 62 Qualifizierungsoffensive 125 Qualitative Repräsentation 57 Qualitätskontrolle/-sicherung 48, 267 f. Qualitätspakt Lehre 51 Quorum 37 Radikalenerlass 28, 87 RAF 27, 54 Rahmengesetzgebung 30, 38, 86, 118, 213 Rahmenpläne 36 Rahmenstudien- und Prüfungsordnung(en) 174 Ranglisten 236, 267, 273 f. Ranking 274 ff. Rätesystem 52, 58 RCDS 155, 160, 223, 274 – BAföG 149, 152, 155 – Drittelparität 56 – Studentenparlamente 85 – Studiengebühren 130, 136 f. Rechenschaft 69, 71 Rechnungshöfe 264, 338 Rechnungswesen 264 Rechtsaufsicht 37, 89, 222
378
Stichwortverzeichnis
Rechtsstaat 89, 220 Re-Education 17 Regelstudienzeit 129 ff., 134 f., 175, 179 ff., 186, 197 Regelverletzung, begrenzte 53 Regensburg 286 Regierungschefs 87, 125, 174 Regierungskoalitionen (Bund und Länder) – Bund – CDU/FDP 116, 118, 123, 136, 149, 150 237 f., 270 – Große Koalition 24, 31, 201, 204 – SPD/FDP 32, 33, 61, 62, 112, 142, 171 f., 216, 319 – SPD/Grüne 28, 118, 165, 168 f., 255, 281 – Länder – CDU/FDP – Bay 85 – BW 99 – HE 81, 135, 217 – Große Koalition – BW 84, 86, 88, 129, 130 – MeckVorpomm 104 – SPD/Grüne – HE 131, 137, 258 – Nieders 223 – NRW 226 – Saarl 104 Regionalpolitik 280, 302, 328 Reifeprüfung 37 Rekrutierung 22 Rektor/Rektoratsverfassung 37, 63, 65 Religion 25, 41 Republikaner 85 Reputation 275, 287 Research-Schools 332 Ressort-Hochschulen 336 Ressort-Zuständigkeit 70 Revolution 22, 25 Rezession 46 Rheinland-Pfalz 103, 106, 107, 243, 248, 264, 283, 285 Richtlinien 69 Richtwerte 114 – Flächen/Personal Ring christlich demokratischer Studenten siehe RCDS
Röhndorfer Modell 141 Rote-Armee-Fraktion (RAF) 27, 54 Rückmeldegebühren 131 Rückmeldung 119 Ruck-Rede 73, 235 Ruf 275 Saarbrücken 283, 286, 292, 297 Saarland 62, 103, 234, 243, 285 Sachmittel 34 Sachsen 96, 99, 103, f., 135, 161, 264, 285 Sachsen-Anhalt 84, 103 f., 108, 285 Sachverstand 56, 57 Sachverständigenrat 136 Schanghai-Ranking 278 Schichtenzuordnung 22 Schleswig-Holstein 83, 110, 235, 239, 243, 285 Schnellläufer-Klassen siehe Turbo-Gymnasium Schulausschuss (KMK) 94 Schuldenbremse 218 Schulfächer 91 ff., 105, 110, 126 Schulsystem 36, 39, 187 Schulversuche 95, 102, 103, 108 Schulwissen 41 Schulzeitverkürzung 102, 103, 104, 105, 107 Schweinezyklus 101, 126 Scientific community 288 SDS siehe Sozialistischer Deutscher Studentenbund Sekundaroberschule 95 Sekundarstufe II 92 Selbstbedienung 82 Selbstbestimmung 55 Selbststudium 270 Selbstverwirklichung 41 Sokrates-Programm 195 Solidarität 172 Solidarpakt 104, 217, 338 Sonderforschungsbereich (SFB) 275, 289 Sonderprogramme 238, 246 Sowjet 18 Sozialchancen 173 Soziale Auslese 22, 39, 312 Sozialistischer Deutscher Studentenbund (SDS) 25 f., 52, 54
Stichwortverzeichnis Sozialistischer Hochschulbund (SHB) 52, 54 Sozial-liberal 32, 33, 34, 35, 61 f., 81, 112, 143, 171 f. Sozialprodukt sieheBruttosozialprodukt Sozialstaatsgebot 112, 156, 169 Sozialwissenschaft 23 Sparpolitik 48 SPD 33, 109, 130, 132, 136, 281, 286 – Gruppenuniversität 59 – Hochschulräte 79 – Leitungstruktur 65 – Ordnungsrecht 86 – Radikalenerlass 87 – SPD/SDS 24 – Schule 95 ff., 104 – Studentenschaft 84 Spitzenforschung 49 Spitzenuniversitäten 277, 81, 287, 291, 295, 316 Sponti 24 Sprachkompetenz 92 Sputnikschock 205 Staatsexamen 200, 203 Staatsgewalt 55 Staatssicherheitsdienst 24 Staatsverträge – Gesamthochschulen 322 – Länder 45, 119 – Zulassungsverfahren 45 – ZVS 112 f. Stabilitätspolitik 33 Stadtstaaten 239 Ständekampf 173 Ständestaatliches Modell 59, 64, 82 Ständige Kommission (KMK/WRK) 94, 174 f. Status 22 Stifterverband für die deutsche Wissenschaft 140, 288, 310 – BAföG 165 – Modell Leitung 77 – Studiengebühren 138 Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) 119 Stiftungshochschulen 48, 299, 311 Stipendien 140 Stofffülle 130, 181, 183, 202 Störungen 86, 87, 269
379
Straffung 175 Strafgebühr 128 ff., 134, 137 Straftat 27 Straßenschlachten 24 Strukturreform 39 Student aufs Land 30 Studenten/Studierende 20, 30, 55, 59, 62 Studentenberatung 178 Studentenberg 40, 44, 46, 180 Studentengehalt 26, 153 Studentenprotest 22, 23, 24, 157 Studentenschaft/Studierendenschaft 20, 37, 58, 84, 236 Studentenstreik 26 Studentenzahl(en) 17, 20, 25, 40, 42, 44 – 46, 48, 49, 68, 119, 125, 147, 151, 213, 215, 289, 293 f. Studienabbrecher 193 Studienanfänger 40, 48, 49, 91, 92 Studienbedingungen 51 Studienbefähigung 92 Studienberechtigung 92, 104 Studiendauer 68, 170, 179, 182, 191, 202, 204 Studiendekan 178, 270 Studiengänge 35 Studiengebühren 37, 127 f., 155, 168, 236, 300 f., 309, 312 – EU-Ausländer 140 – Langzeitstudenten 129 f., 140 – Master 199 – Strafgebühr 128 ff., 134, 137, 140 Studienkommissionen 174 ff., 178 Studienordnung 35, 76, 170, 185 Studienpläne 176 Studienplätze 43, 44, 48, 92, 111, 327 Studienreform 32, 35, 170 ff. Studienrefomkommissionen 57, 174 Studiensystem 187, 192, 194 Studienzeit 22, 35, 130, 159, 160, 170, 185, 201 Studienzeitverkürzung 150, 170 ff., 183, 185, 188, 191 Studierbarkeit 134, 182, 201 f. Studierende siehe Studentenschaft Studierfähigkeit 91, 92 – 94, 96, 98, 100, 115 f., 127, 203, 284 Studierneigung 214
380
Stichwortverzeichnis
Studium generale 20, 179 Stuttgart 283, 286, 297338 Subkultur 29 Substituierung 98 Sympathisantentum 24, 27 Tankwart 126 Taxifahrer 126 Technische Hochschulen 291 Technologierat 327 Teilhabe 83 Teilzeitstudien 195 Tenure Track 50, 249, 298 Terrorismus 27, 54 Test 115 Theater 41 Thüringen 103 f., 231, 282, 285 Transferleistungen 158 Transparenz 30, 56, 61 TU 9 291 Tübingen 20, 285, 287, 297 Tugenden 25 Turbo-Abitur 103 f., 108 Tutoren-Programm 179, 186 Tutzinger Maturitätskatalog 90, 96 Überlast 42, 43, 45, 114, 115, 122, 218, 326 Überleitung 55, 82, 183 Überprivilegierung 40 Übertragbarkeit 226, 229, 233, Ulm 283, 286 Umfunktionieren 27, 88 Umsturz 59 Umwidmungen 45, 327 Universität – klassische 17, 18 – Verfassung 21 Universitätsabschluss 22 Universitätskanzler 69, 70, 74, 76, 229 Universitätsrat siehe Hochschulrat University of Applied Sciences 281, 324 University of Cooperative Education 211 Unruhestifter 54 Unterfinanzierung 127, 134, 199, 271 Unternehmensstruktur 72 Untertunnelung 43, 44, 46 USA 72, 268, 284, 290, 296, 298, 316 Utopien 25, 29, 55
Valendar (WHU) siehe Koblenz Verantwortung 62, 69, 70, 72, 80, 81 Verband deutscher Studentenschaften (VDS) 28, 55, 58, 220 Verband Hochschule und Wissenschaft 254, 324 Verfasste Studentenschaft/Studierendenschaft siehe Studentenschaft Verfassungstreue 27, 28, Vergabeverfahren 113, 119 Vergangenheitsbewältigung 23 Vergütung 251 ff. Verkürzung (des Studiums) 30, 35, 203, 230 siehe auch Studiendauer Verschuldung 181, 189 Verteilung (Mittel) 222, 231 Verteilungsverfahren 112 f., 116 Verweildauer siehe Studiendauer Verwissenschaftlichung 30 Verzinsungsmodell 155 Viermächtestatus 24 Viertelparität 55 Vietnam 24 Volksparteien 24, 27 Volldarlehen 36 Voll-Universität 339 Vorabquote 113 Vorlesungsrezension 268 f. Vorlesungsstörung 25, 26, 53 Vorschaltgesetz 34 Vorstand 49, 236 VW-Stiftung 67 Wachstum 31 Warentest 275 Wartezeit 113, 116, 118, 120, 130 W-Besoldung 262 Wehrpflicht 24, 187 Weibliche Studierende 20 Weimarer Republik 17 Weisungsrecht 73 Weiterbildung 108, 125, 193, 211 Weltanschaung 19, 25 Werte 23, 29, 30 Westdeutsche Rektorenkonferenz (WRK) 19, 46, 56, 61, 128, 170, 175, 271, 306 siehe auch HRK – BAföG 144
Stichwortverzeichnis – Gymnasium 91, 93 – Mitbestimmung 57, 58 – Numerus clausus 111 – Öffnungsbeschluss 43 – Studiengebühren 129 – Studierfähigkeit 94 Wettbewerb 38, 50, 69, 115, 192, 215, 240 ff., 267, 270, 279 ff. – Schule 100, 117 – Studiengebühren 139 – Studierende 116 ff. Wibera 227, 229 Wiedervereinigung 29, 47, 102, 148, 337 Wirtschaft 78, 81 – Aufschwung 21 – Konkurenzfähigkeit 21 Wirtschaftlichkeit 229 Wirtschaftsordnung 25, 31 Wirtschaftsverbände 96 f., 105, 128, 210, 223, 280, 299 – BAföG 144 – Eingangsprüfungen 122 – Fachkräftemangel 127 – Studienreform 177, 191 Wirtschaftsweisen 136 Wissenschaft 17, 18 Wissenschaftliche Mitarbeiter 46, 50, 51, 56, 64 Wissenschaftlicher Nachwuchs 141, 240 Wissenschaftsfreiheit 63 Wissenschaftsrat 22, 31, 36, 51, 66, 170 f., 187, 229, 233, 242, 251, 269, 272, 282, 286 – Exzellenzinititive 295 – Gesamthochschule 319 – Hochschulleitung 66 f., 72 – Kapazität 111 – Studiengebühren 128 f. – Studienreform 178, 182 f., 196
381
– Studenten/Finanzen 46 Witten-Herdecke 117, 300, 315 Wohngemeinschaft (WG) 26 Würzburg 282, 286, 297 WZB 140 Y-Modell
320
Zeitgeist 62 ZEIT-Stiftung 304 Zeitvertragsgesetz 244 Zentralabitur – bundesweit 237 – landesweit 94 f. Zentrale Registrierstelle (WRK) 112 Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) 112 f., 116, 119 Zick-zack-Kurs 33, 83 Zielvereinbarung 226 Zitatenindex 275 Zugangsbeschränkung 37, 112, 115 Zukunftskonzepte 282 ff., 287, 294 Zulassung 37, 113, 119 Zulassungsbeschränkung 45, 93, 111 f, 114, 116, 119, 123 siehe auch numerus clausus – örtliche 116, 119 Zusatzprüfung 98 Zusatzqualifikation 116, 118, 123 Zuschuss 37 ZVS siehe Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen Zwangsexmatrikulation 185 f. Zwangskörperschaft 84, 88, 236 Zwangsmitgliedschaft 84, 88 Zweiter Weltkrieg 17 Zweitstudium 30, 130, 135, 137, 199 Zwischenprüfung 170, 182, 192