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German Pages 266 Year 2019
Dorothea Steffen Tradierte Institutionen, moderne Gebäude
Histoire | Band 149
Dorothea Steffen (Dr. phil.), geb. 1971, lebt in Berlin. Die promovierte Historikerin war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin und Forschungsreferentin am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer (FÖV). Schwerpunktmäßig beschäftigt sie sich mit interdisziplinären Fragestellungen aus den Bereichen Geschichte, Rechts- und Kunstgeschichte.
Dorothea Steffen
Tradierte Institutionen, moderne Gebäude Verwaltung und Verwaltungsbauten der Bundesrepublik in den frühen 1950er Jahren
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Inhalt Vorbemerkung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 9 1.
Der »doppelte« Wiederaufbau der Verwaltung in der jungen Bundesrepublik Thema, Fragestellung und Methode....................................................... 11
1.1 Die Bundesrepublik im »Wiederaufbau«.................................................... 11 1.2 Die institutionelle (Wieder-)Errichtung der Verwaltung … ............................. 22 1.2.1 … im Spannungsfeld von Neubeginn und Kontinuität.......................... 22 1.2.2 … und ihr Verhältnis zu Staat, Recht, Gesellschaft und Demokratie.......... 28 1.3 Die bauliche (Wieder-)Errichtung der Verwaltung … .................................... 40 1.3.1 … im Spannungsfeld von Neubeginn und Kontinuität.......................... 40 1.3.2 … und das Verhältnis von moderner Architektur zum demokratischen Staat und zur demokratischen Politik............................................. 46 1.3.3 Die Errichtung und die Auseinandersetzung um das Bonner Bundeshaus als paradigmatische Ereignisse................ 56 1.4 Fragestellung, Vorgehen und Quellen...................................................... 62
2. Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden.............................................. 73 2.1 Die institutionelle Errichtung................................................................ 73 2.1.1 Die Entscheidung für eine zentrale kriminalpolizeiliche Organisation....... 73 2.1.2 Das BKA-Gesetz.......................................................................... 76 2.1.3 Die Entscheidung über den Sitz des BKA........................................... 79 2.2 Planung und Errichtung des BKA-Gebäudes.............................................. 83 2.2.1 Wiesbaden und das BKA.............................................................. 83 2.2.2 Bauüberwachung, Architekt und Gebäude........................................ 88 2.3 Die Wahrnehmung und Einordnung des BKA............................................... 96 2.3.1 Die Wiesbadener Presse und das BKA.............................................. 96 2.3.1.1 Die Auseinandersetzung mit dem Gebäude..................................... 96 2.3.1.2 Die Auseinandersetzung mit der Institution.................................. 100 2.3.1.3 Hintergründe und Bedeutung der Wahrnehmung des BKA................ 105 2.3.2 Das BKA, die zeitgenössische Architektur und Gesellschaftsordnung in der Deutung von Herbert Rimpl................................................. 109
2.3.2.1 Der Ausgangspunkt: die Rückkehr zur Natürlichkeit....................... 109 2.3.2.2 Die zeitgenössische »natürliche« Architektur............................... 116 2.3.2.3 Die zeitgenössische »natürliche« Gesellschaft und Gesellschaftsordnung............................................................. 126 2.3.3 Zusammenfassung: Das BKA in der Deutung der Presse und des Architekten.................................................................. 134
3. Der Bundesrechnungshof in Frankfurt am Main................................ 139 3.1 Die institutionelle Errichtung............................................................... 139 3.1.1 Die Entscheidung für eine zentrale Institution der Rechnungsprüfung... 139 3.1.2 Die Entscheidung über den Sitz des Bundesrechnungshofs................. 143 3.1.3 Implikationen der Debatte über den Sitz des Bundesrechnungshofs....... 147 3.2 Planung und Errichtung des Gebäudes des Bundesrechnungshofs................ 149 3.2.1 Frankfurt und der Bundesrechnungshof......................................... 149 3.2.2 Planung, Organisation und Architekten des Neubaus......................... 155 3.2.3 Lage und Gestaltung des Gebäudes............................................... 160 3.3 Die Wahrnehmung und Einordnung des Bundesrechnungshofs...................... 170 3.3.1 Die Auseinandersetzung mit dem Gebäude....................................... 170 3.3.1.1 Das Gebäude in der Wahrnehmung der Presse............................... 170 3.3.1.2 Das Gebäude in der Wahrnehmung der Vertreter von Politik, Staat und Institution............................................................... 177 3.3.2 Die Auseinandersetzung mit der Institution..................................... 185 3.3.2.1 Fritz Schäffer, Theodor Heuss und die Bedeutung der Finanzkontrolle für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie............ 185 3.3.2.2 Die Zeitungen und die Bedeutung der Finanzkontrolle in der bundesrepublikanische (Normal-)Staatlichkeit.............................. 192 3.3.3 Die Einordnung der Institution als Hintergrund für die Auseinandersetzung mit dem Gebäude................................. 200
4. Der (Wieder-)Aufbau von BKA und Bundesrechnungshof Die Allgegenwärtigkeit von Sachlichkeit und Nüchternheit und die Frage nach der Gestalt(ung) der jungen Bundesrepublik................................ 207 4.1 Die Charakteristika: Die Dominanz der Exekutive und die Nachrangigkeit gestalterischer Fragen....................................................................... 207 4.2 Das rationale Staatshandeln und das Problem der Gestalt(ung).................... 214 4.2.1 … in der Auseinandersetzung mit der (nationalsozialistischen) Vergangenheit.......................................................................... 214 4.2.2 … in der Auseinandersetzung mit der Gegenwart:............................. 219 4.2.2.1 Wieder- oder Neugewinn des rational handelnden Staates … ............ 219 4.2.2.2 … und sein Preis.................................................................... 222 4.3 Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen............................................. 227
5. Quellen- und Literaturverzeichnis.................................................. 233 Archivbestände � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 233 Gedruckte Quellen und Literatur � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 234
Vorbemerkung Diese Untersuchung führt ein Projekt zu Ende, das von Dennis Kutting M.A., Mag. rer. publ. am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer (FÖV) initiiert, von Prof. Dr. Stefan Fisch betreut und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft wesentlich gefördert wurde. Mit dem Wechsel des Bearbeiters/der Bearbeiterin wurden die Fragestellung und die Konzeption modifiziert und weitere Quellen herangezogen. Die Untersuchung baut daher in Teilen auf dem von Dennis Kutting umrissenen Feld und den von ihm ausgewerteten Aktenbeständen auf, setzt aber gegenüber der ursprünglichen Anlage veränderte Akzente.1 Mein Dank gilt sowohl Herrn Professor Dr. Stefan Fisch für die geduldige Begleitung und die ausführlichen Diskussionen über die Ausrichtung, Methode, die möglichen Erkenntnisgegenstände und in Frage kommenden Quellen als auch Dennis Kutting für die zur Verfügung gestellten Materialien (die angesprochenen Aktenbestände und das umfangreiche Bildmaterial) sowie für die Gespräche und den damit ermöglichten leichten Einstieg in die Thematik. Frau Privatdozentin Dr. Margrit Seckelmann vom FÖV danke ich ganz herzlich dafür, dass sie jederzeit bereit war, entstandene Texte zu lesen und auch noch die abseitigsten Fragen mit mir zu erörtern. Für die sachkundige, freundliche Betreuung und Beratung und insbesondere für die bisweilen f lexible Interpretation der Öffnungszeiten möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Stadtarchivs Wiesbaden, des Instituts für Stadtgeschichte und des Bauarchivs in Frankfurt a.M. bedanken. Enrico Santifaller, Jo Sollich, Martin Bredenbeck, Andreas Kübler und Marco Walter schulde ich Dank für die aufschlussreichen Gespräche und das zur Verfügung gestellte Material, Juliane Moldrzyk dafür, dass sie mir ihre Belegarbeit »My Desk is my Castle?!« so spontan überlassen hat. Herzlich bedanken möchte ich mich auch beim Bundesrechnungshof, der mir die Fotos »seines« alten Dienstgebäudes in Frankfurt a.M. zur Verfügung gestellt hat, und insbesondere bei Frau
1 Dennis Kutting, Staatliche Verwaltungsarchitektur der 1950er Jahre in der Bundesrepublik. Forschungsstand, Problemstellungen und Perspektiven, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer 2011.
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Dr. Petra Oepen, die diese Bilder und einschlägige Texte so schnell und unkompliziert herausgesucht hat. Für die kompetente Unterstützung bei der Klärung aller notwendigen bürokratischen Fragen möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des FÖV bedanken – stellvertretend auch hier bei Margrit Seckelmann, aber auch bei Andreas Jug, Christian Wagner, Silvia Brecht-Weinschütz, Elke Kabamba und Bernhard Wolf. Last but not least gilt mein Dank Herrn Professor Dr. Jan Ziekow, dem Direktor des FÖV, und Frau Privatdozentin Dr. Margrit Seckelmann, der Geschäftsführerin des FÖV, für das spontan in mich gesetzte Vertrauen und ihre Geduld, was die Fertigstellung der Arbeit anging, und Frau Anke Poppen und anderen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Verlags transcript, der sich so schnell bereit erklärt hat, den Text zu veröffentlichen (und so lange auf ihn warten musste).
1. Der »doppelte« Wiederaufbau der Verwaltung in der jungen Bundesrepublik Thema, Fragestellung und Methode
1.1 Die Bundesrepublik im »Wiederaufbau« Die junge Bundesrepublik war ein Gemeinwesen im »Wiederauf bau«1: Dieser prägte die Politik, Bund, Länder, Kommunen und die Bevölkerung, im Alltag wie in der Wahrnehmung und Ref lexion. Nicht nur die Städte, Infrastrukturen, politisch-staatliche Institutionen, Ordnungen und Handlungsmuster etc. waren zerstört oder schwer beschädigt, auch Selbstbilder, Identitäten, Orientierungen und Bezugsgrößen waren diskreditiert oder in Frage gestellt worden. Das Scheitern der Weimarer Republik, Herrschaft und Verbrechen der Nationalsozialisten, Krieg und Zerstörungen, Niederlage, staatliche Teilung, Flucht und Vertreibung hatten überkommene gesamtgesellschaftliche Strukturen und Ordnungen ebenso faktisch hinweggefegt wie in ihrer Legitimität erschüttert. Beides musste neu oder wieder aufgebaut werden und stand dabei in einem Wechselverhältnis: Der 1 Zum Begriff und zum Folgenden vgl. »Wiederaufbau«, in: Dieter Felbick, Schlagwörter der Nachkriegszeit 1945-1949, Berlin/New York 2003, S. 551-555. Zu dem im Folgenden geschilderten vgl. Wolfgang Benz (Hg.), Die Geschichte der Bundesrepublik, Bd. 1: Politik, Neuausgabe, Frankfurt a.M. 1989; Karin Böke/Frank Liedtke/Martin Wengeler, Politische Leitvokabeln in der Adenauer-Ära, Berlin 1996; Konrad Jarausch, Die Umkehr. Deutsche Wandlungen 1945-1995, Bonn 2004; Eckhard Jesse, Systemwechsel in Deutschland 1918/19 – 1933 – 1945/49 – 1989/90, Köln 2010; Paul Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbstbeschreibung im 20. Jahrhundert, München 2000; Wilfried Röhrich, Die Demokratie der Westdeutschen. Geschichte und politisches Klima einer Republik, München 1988, bes. S. 7-46; Hans Karl Rupp, Politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 4. Auflage, München 2009, bes. S. 208390; Axel Schildt/Arnold Sywottek (Hg.), Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre, Bonn 1993; Kurt Sontheimer, Die Adenauer-Ära. Grundlegung der Bundesrepublik, 3. Auflage, München 2003; Dietrich Thränhardt, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a.M. 1986; Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5: Bundesrepublik und DDR 1949-1990, Bonn 1990; Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen, Bd. 2: Deutsche Geschichte vom »Dritten Reich« bis zur Wiedervereinigung, 4. Auflage, München 2002, S. 116-205.
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strukturelle und institutionelle Neu- oder Wiederauf bau und der von Selbstbildern und Vorstellungen ref lektierten und prägten einander.2 Einigkeit bestand dabei, verkürzt ausgedrückt, vor allem über die Notwendigkeit eines Neubeginns und über die Negativdefinition der neuen politischen, staatlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Ordnung: Sie musste, in zentralen Teilen, anders aussehen als die der vergangenen Jahre. Sie positiv zu entwerfen, sich über Wesen, Selbstverständnis, Grundlagen und Ziele, Organisation und Spielregeln, kurz das Sein und Sollen der Bundesrepublik klar zu werden, war schwieriger. Die entsprechenden Bemühungen kreisten, direkt oder indirekt, (auch) um Fragen nach der Notwendigkeit und/oder Möglichkeit von Kontinuitätswahrung und (Neuauf-)Bruch. Dabei ging es weniger um eine einmalige, grundsätzliche und ausschließliche Entscheidung für eines dieser Momente. Denn, wie die Forschung in den letzten Jahrzehnten herausgearbeitet hat, lässt sich die junge Bundesrepublik weder mit dem Bild der »Stunde Null« noch mit dem einer lediglich oberf lächlichen Neuorientierung, die das tatsächliche Weiterleben oder die Restauration überkommener Strukturen nur camouf lierte, angemessen beschreiben. (Neuauf-)Bruch und Kontinuität waren vielmehr eng miteinander verbunden, mitunter sogar verzahnt.3 Das galt auch und gerade in der politisch-staatlichen Sphäre. Die Bundesrepublik Deutschland (und die Deutsche Demokratische Republik) waren staatlich-politische Neuanfänge, wollten und sollten es sein. Als solche waren sie gleichzeitig Reaktionen auf kollektive wie individuelle Erfahrungen. Ihre Gründungen wiesen in die Zukunft – und zogen die Konsequenzen aus der Vergangenheit. Von beidem aus erhielten sie ihre Gestalt und ihre Legitimität. Das Grundgesetz griff zwar bewusst auf abgebrochene, vor allem auf demokratische Traditionslinien zurück, band diese aber in ein im Vergleich mit der bisherigen staatlich-politi-
2 Zu solchen Wechselwirkungen vgl. auch Nolte, der die (sprachliche) Selbstreflexion über die soziale Ordnung als Ergebnis wie Voraussetzung des rapiden gesellschaftlichen Wandels seit dem 19. Jahrhundert untersucht, Nolte, Ordnung, bes. S. 11-29. 3 Vgl. dazu Arnold Sywottek, Wege in die 50er Jahre, in: Schildt/ders. (Hg.), Modernisierung, S. 1339. S. auch Winfried Nerdinger, Aufbrüche und Kontinuitäten – Positionen der Nachkriegsarchitektur in der Bundesrepublik Deutschland, in: ders. (Hg.) in Zusammenarbeit mit Inez Florschütz, Architektur der Wunderkinder. Aufbruch und Verdrängung in Bayern 1945-1960. Katalog zur Ausstellung des Architekturmuseums der TU München in der Pinakothek der Moderne, 3. Februar bis 30. April 2005, München 2005, S. 9-23 (zur Herkunft des Begriffs der »Stunde Null«, s. ebd., S. 9); Nolte, Ordnung, S. 212-214; Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 4: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in West und Ost 1945-1990, München 2012, S. 25-37; Dirk van Laak, Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, Berlin 1993, S. 13-23.
1. Der »doppelte« Wiederaufbau der Verwaltung in der jungen Bundesrepublik
schen Entwicklung in Deutschland entscheidend verändertes System ein:4 Die vorangestellten Grundrechte, die umfassende Rechtsschutzgarantie in Artikel 19 IV, die klare Entscheidung für eine parlamentarische Demokratie, die Anerkennung und Ausgestaltung der Legislative als dritte Gewalt, die Anerkennung der Parteien und die Schaffung eines Verfassungsgerichts waren Neuerungen und sollten sich als zentrale Weichenstellungen erweisen. Das allerdings geschah weder von selbst noch sofort. Denn die beschriebenen Entscheidungen waren, auf bundesdeutscher Seite, von den wenigen überzeugten Demokraten, zumeist Politiker und Politikerinnen, und vor allen Dingen von den Alliierten durchgesetzt worden.5 Sie bezogen sich auf eine Bevölkerung, die, bei aller Entschlossenheit, »nach vorne zu sehen«, von der Vergangenheit geprägt war und diese in sehr unterschiedlicher Weise »verarbeitete«. »Land und Leute« waren, wiewohl geteilt und (persönlich, moralisch, sozial) fundamental erschüttert, ja nicht erst 1949 »vom Himmel gefallen«. Überkommene – und über den Nationalsozialismus hinaus-, in die Weimarer Republik und ins Kaiserreich zurückreichende – politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen waren nicht ausgelöscht, Erinnerungen, Prägungen, Selbstbilder, Denk-, Wert- und Deutungsmuster erst recht nicht. Und die Fragen, in welchem Ausmaß und in welcher Art und Weise sie zu ref lektieren und welche Konsequenzen für die Gegenwart und Zukunft zu ziehen waren, wurden in individuellen und kollektiven und mehr oder weniger zeitaufwändigen Prozessen ventiliert. Die angesprochenen normativen Weichenstellungen, insbesondere die neue parlamentarisch-demokratische Ordnung, wurden dabei »als selbstverständliche Gegebenheiten hingenommen« (Röhrich): Sie stießen keinesfalls auf ungeteilte Begeisterung,6 sondern wurden aus verschiedenen Gründen skeptisch beäugt: Sorgen um die Erfolgsaussichten eines zweiten deutschen Versuchs mit Demokratie und Republik trafen auf Skep4 Zur Entstehung des Grundgesetzes vgl. statt aller Stolleis, Geschichte, Bd. 4, S. 122-125. Zu seiner Einordnung vgl. auch Frieder Günther, Denken vom Staat her. Die bundesdeutsche Staatsrechtslehre zwischen Dezision und Integration 1949-1970, München 2004, S. 77-81; van Laak, Gespräche, S. 157. 5 S. dazu Wilhelm Hennis, Die Rolle des Parlaments und die Parteiendemokratie, in: Richard Löwenthal/Hans-Peter Schwarz (Hg.), Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz, Stuttgart 1974, S. 203-235, bes. S. 209-221; Bernd Stöver, Die Bundesrepublik Deutschland, Darmstadt 2002, S. 46f. 6 Röhrich, Demokratie, S. 27f. und S. 41-46, das Zitat ist von S. 42. Vgl. auch Detlef Garbe, Äußerliche Abkehr, Erinnerungsverweigerung und »Vergangenheitsbewältigung«: Der Umgang mit dem Nationalsozialismus in der frühen Bundesrepublik, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 693-716, hier S. 713f.; M. Rainer Lepsius, Die Prägung der politischen Kultur der Bundesrepublik durch institutionelle Ordnungen, in: ders., Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990, passim. Vgl. auch die Feststellung Noltes, dass die Diskussionen um die soziale Ordnung vom 19. Jahrhundert bis in die 1950er Jahre in denselben Kategorien stattfanden, Nolte, Ordnung, S. 2529.
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sis gegenüber jeder (Partei-)Politik, auf unref lektierte Ablehnung und auf prinzipielle Vorbehalte gegenüber der (pluralistischen) Demokratie. Ausmaß und Intensität dieser Zurückhaltung der bundesdeutschen Bevölkerung gegenüber den »alliierten Zwangsimporten« sind vielfach, empirisch wie ideengeschichtlich, nachgewiesen und erörtert worden.7 Zwar verhinderten die Erfahrungen von Nationalsozialismus, Krieg, (moralischer) Niederlage, die zunehmende Blockkonfrontation und nicht zuletzt Wachsamkeit und Entschlossenheit der Alliierten, dass sich solche Vorbehalte praktisch und/oder theoretisch zu einer Systemopposition verdichteten und zu einer echten gesellschaftlichen und/oder politischen Potenz wurden.8 Unterhalb dieser Schwelle, bei der »Realisierung« der neuen demokratischen Ordnung, entfalteten nichtsdestoweniger Bedeutung – und wurden, umgekehrt, davon beeinf lusst. Von daher war der (politisch-staatliche) Neu- oder Wiederauf bau auch ein Klärungsprozess: Fragen, was wie neu zu entwickeln war, wo wie und an welche Kontinuitäts- und Traditionslinien angeknüpft werden konnte oder sollte, und wie das aufeinander abzustimmen war, mussten immer wieder diskutiert, ausgehandelt und entschieden werden – und die Ausgestaltung der jungen Bundesrepublik war Gegenstand
7 Vgl. dazu Theodor Eschenburg, Der bürokratische Rückhalt, in: Löwenthal, Richard/Schwarz, Hans-Peter (Hg.), Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz, Stuttgart 1974, S. 64-94, hier S. 88f.; Jarausch, Umkehr, S. 171-203; Christoph Kleßmann, Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955-1970, Bonn 1988, S. 85f.; Lepsius, Prägung, bes. S. 745f.; Nolte, Ordnung, S. 217f.; Röhrich, Demokratie, S. 27-46; Sywottek, Wege, S. 16. Zu Versuchen, im Parlamentarischen Rat die Vorbehalte gegenüber der parlamentarischen Demokratie im Grundgesetz wirksam werden zu lassen, vgl. auch Hans Mommsen, Von Weimar nach Bonn. Zum Demokratieverständnis der Deutschen, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 745-758, hier S. 754; Klaus von Beyme, Die politische Willensbildung der Bundesrepublik Deutschland der 50er Jahre im internationalen Vergleich, in: ebd., S. 819-833, hier S. 819-821; Elke Seefried, Verfassungsrevision statt Verfassungsschöpfung – Exilverfassungsrechtler und -politiker, in: Christoph Gusy (Hg.), Weimars lange Schatten – »Weimar« als Argument nach 1945, Baden-Baden 2003, S. 6891. Als Analyse der spezifischen deutschen Tradition des politisch-staatlichen Denkens (und als Entwurf eines pluralistischen Gegenmodells) vgl. die 1964 erstmals erschienene Schrift von Ernst Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, 9. Auflage, Baden-Baden 2011. Zu Fraenkel (1898-1975), s. Alfons Söllner, Ernst Fraenkel und die Verwestlichung der politischen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland, in: Margrit Seckelmann/Johannes Platz (Hg.), Remigration und Demokratie in der Bundesrepublik nach 1945. Ordnungsvorstellungen zu Staat und Verwaltung im transatlantischen Transfer, Bielefeld 2017, S. 99-130. S. auch Hennis, Rolle, S. 207f. 8 Ansätze gab es durchaus: Die 1949 gegründete, offen in der Tradition der NSDAP stehende Sozialistische Reichspartei Deutschlands (SRPD/SRP) konnte bis zu ihrem Verbot 1952 insbesondere in Norddeutschland reüssieren. 1953 beendete die britische Besatzungsmacht den Versuch des »Gauleiter-Kreises« um Werner Naumann (1909-1982), die nordrhein-westfälische FDP zu unterwandern, vgl. Norbert Frei, Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, 2. Auflage, München 1997, S. 361-396.
1. Der »doppelte« Wiederaufbau der Verwaltung in der jungen Bundesrepublik
zahlreicher und konkurrierender gesellschaftlicher, wissenschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen und Entwicklungen.9 Mit der »Ausgestaltung« ist ein weiterer und bereits angedeuteter Punkt angesprochen: Der in Rede stehende Neu- oder Wiederauf bau war nicht nur ein struktureller, organisatorischer, sondern auch ein materieller: Auf- oder wiederaufgebaut wurde die staatliche, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung und – damit – ganz wörtlich Wohnungen, Fabriken, Kirchen, Verkehrswege sowie, nicht zuletzt, öffentliche Bauten, darunter Amts- und Bürogebäude. Sie machten die junge Bundesrepublik und ihre Institutionen sichtbar und erfahrbar, verliehen ihnen (räumliche) Gestalt. Die junge Bundesrepublik wurde also in und mit staatlich-politischen und baulichen Prozesse und Entscheidungen gestaltet und geordnet;10 diese standen nicht unverbunden nebeneinander, fielen aber auch nicht restlos zusammen. Sie unterschieden sich im Hinblick auf die Akteure, Problem- und Aufgabenlagen, unterlagen (deshalb) jeweils eigenen Logiken und Dynamiken und entfalteten jeweils eigenständige Prägekräfte. Besonders spannungsreich, so jedenfalls die These, war dieser doppelte (Wieder-)Auf bau im Fall der öffentlichen Verwaltung: Sie wurde zum einen sehr früh, vielfach schon während der Besatzungszeit in den entstehenden Ländern, institutionell und nach der Gründung der Bundesrepublik auch baulich (wieder-)errichtet und hatte daher einen »Vorsprung« vor den (neuen) politisch-staatlichen Strukturen. Zum anderen, und in der hier gewählten Perspektive vor allen Dingen, ließ sich ein bemerkenswerter Gegensatz beobachten: Institutionell verfügten Verwaltung und einzelne Behörden über mehr oder weniger ausgeprägte Traditionen, entsprechende Selbstbilder – und wurden in der Bundesrepublik sehr kontinuitätswahrend reorganisiert. Die Überzeugung, dass diese Restauration – moralisch und politisch gesehen – sowohl notwendig wie problemlos möglich war, spielte dabei eine entscheidende Rolle. Damit wurde zugleich eine Aussage über die (jüngste) Vergangenheit, über die Gegenwart und über die Frage nach der Einordnung beider getroffen. Denn mit dem bewusst und nach weitverbreiteter Ansicht legitimen kontinuitätswahrenden institutionellen Wiederauf bau der Verwaltung wurde zumindest potenziell mehr als nur eine Antwort auf die Frage nach dem Wie des staatlichen Handelns und der staatlichen Aufgabenerfüllung 9 Dazu s. Nolte, Ordnung, S. 208-390, bes. S. 216-221. Zu den Debatten vgl. auch Teil 2.2 dieser Einführung. 10 Vgl. dazu Christian Freigang, Die Moderne. 1800 bis heute. Baukunst – Technik – Gesellschaft, Darmstadt 2015, S. 255. Zum Verhältnis von Architektur und Ordnungen/Ordnungsvorstellungen, den entsprechenden Konzeptionen und Diskussionen s. auch Zygmunt Baumann, Moderne und Macht: die Geschichte einer gescheiterten Romanze, in: Romana Schneider/Wilfried Wang (Hg.), Moderne Architektur in Deutschland 1900-2000. Macht und Monument. Katalog zur Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt a.M., 24. Januar bis 5. April 1998, Stuttgart 1998, S. 12-31 und die Nachweise in Fußnote Nr. 27.
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gegeben: Einige der in den 1950er Jahren geführten Auseinandersetzungen zeigten, dass die Verbindung zu Staat/Staatlichkeit, zum neutralen und exekutivischen Rechtsstaat (oder, schärfer, zur »obrigkeitsstaatlichen Orientierung«11) und ein Spannungsverhältnis zu Gesellschaft und Demokratie, die Verwaltung und Beamtentum in Deutschland geprägt hatten, auch in der Bundesrepublik zum Tragen kommen konnten. Kurz: Mit dem stark kontinuitätswahrenden institutionellen Wiederauf bau der Verwaltung war – in Tiefe, Umfang und Bedeutung erst einmal unbestimmt – auch eine Restitution des »hegelianischen Anspruch[s]« von Beamtenschaft und Verwaltung, den tradierten Staat und »die [überkommene] ›Staatsidee‹ zu repräsentieren«12 verbunden – und damit die Möglichkeit (oder Notwendigkeit) eröffnet, zu fragen, ob und, wenn ja, wo, wie und inwieweit ihnen ansonsten Rechnung zu tragen war. Ganz anders war es um die bauliche Seite der (Wieder-)Errichtung der Verwaltung bestellt: Hier stand cum grano salis der (Neuauf-)Bruch im Vordergrund: Die Behörden wurden in vielen Städten untergebracht (die Vorgängerinstitutionen hatten sich zumeist in Berlin oder Potsdam befunden) – und dort vielfach in typischen, in gewisser Weise idealtypischen Bauten der bundesdeutschen »Nachkriegsmoderne«13: Die grundsätzliche geltende Forderung nach bescheiden ausgestatteten, zurückhaltenden, »einfachen und schlichten«14 und (damit) nicht 11 Kleßmann, Staaten, S. 59, vgl. auch Curt Garner, Der öffentliche Dienst in den 50er Jahren: Politische Weichenstellungen und ihre sozialgeschichtlichen Folgen, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 759-790, hier S. 787. 12 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 12. 13 Zum Begriff der »Nachkriegsmoderne« vgl. Roman Hillmann, Die erste Nachkriegsmoderne. Ästhetik und Wahrnehmung der westdeutschen Architektur 1945-63, Petersberg 2011, bes. S. 5363. Zur praktischen wie theoretischen Bedeutung der Bürobauten für diese vgl. ebd. sowie Werner Durth, Kontraste und Parallelen. Architektur und Städtebau in West- und Ostdeutschland, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 596-611, S. 603; Juliane Moldrzyk, »My Desk is my Castle?!« Die Entwicklung des Bürowesens und ihr Ausdruck in der Architektur, Belegarbeit Kunstgeschichte, November 2001; [unveröffentlicht, von der Verfasserin zur Verfügung gestellt]; Jörg Schulze, Verwaltungsbauten der fünfziger Jahre in Düsseldorf, in: Jahrbuch der Rheinischen Denkmalpflege 33 (1989), S. 99-127, bes. S. 99. Zu zeitgenössischen Urteilen vgl. Friedrich Wilhelm Kraemer, Bauten der Wirtschaft und Verwaltung, in: Handbuch moderner Architektur, Berlin 1957, S. 309-344; Peter Krieger, »Wirtschaftswunderlicher« Wiederaufbau-Wettbewerb. Architektur und Städtebau der 1950er Jahre in Hamburg, Univ. Diss., Hamburg 1995, S. 135, abrufbar unter: http://ediss.sub.uni-hamburg.de/volltexte/1998/13/#?, abgerufen am 1.6.2018. 14 Das war die Einschätzung des Haushaltsausschusses des Bundestags, s. Schreiben des Bundesfinanzministers an den Staatsekretär des Innern im Bundeskanzleramt vom 14.7.1950, in: BArch B 157/36, fol. 329-331. Vgl. auch ebd., fol. 380; Fritz M. Sitte/Wolfgang Leuschner, Stein auf Stein. Ein Bildbericht über Bauaufgaben und Bauten des Bundes 1949-1964, hg. in Zusammenarbeit mit dem Bundesschatzministerium (Bundesbauverwaltung), Berlin/Wien 1964, S. 16f. Zur »Bescheidenheit« in der Architektur s. auch Philipp Nielsen, Bonner Bauten: Demokratie und die Architektur der Bescheidenheit, in: Geschichte der Gefühle – Einblicke in die Forschung, Janu-
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repräsentativen15 Bauten prägte die die neuen Amtsgebäude in besonderer Weise – und sie prägte sich in ihnen in besonderer, zweifacher, Weise aus, nämlich gestalterisch und typologisch: Die neu errichteten Amtsbauten waren, anders als frühere, nicht nur bescheidene Gebäude, sondern Bürogebäude16 (beziehungsweise auf den ersten Blick und unzweideutig als solche zu erkennen). Bei ihnen stand die Funktion, nicht eine Zeichenhaftigkeit im Vordergrund, sie wurden von der »alltäglichen Zweckbestimmung«17, nicht von (emotionalen) Wirkungsabsichten her entwickelt: Den Ausgangspunkt bildete der Flächenbedarf eines Arbeitsplatar 2014, DOI: http://dx.doi.org/10.14280/08241.17. Zum bundesdeutschen Baugeschehen vgl. (neben den bisher und im Folgenden genannten Titeln) auch Werner Durth/Niels Gutschow, Architektur und Städtebau der Fünfziger Jahre. Dokumentation der Tagung des deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz im Rahmen der »Constructa« in Hannover 2.–4. Februar Bonn 1990, hg. vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz, Bonn 1990; Werner Durth/ Paul Sigel, Baukultur. Spiegel gesellschaftlichen Wandels, aktualisierte und erweiterte Neuausgabe, Berlin 2016, S. 351-355; Ingeborg Flagge/Jean Wolfgang Stock (Hg.), Architektur und Demokratie. Bauen für die Politik von der amerikanischen Revolution bis zur Gegenwart, hg. für den Deutschen Bundestag, Bonn 1987; Schneider/Wang, Architektur (wie in Fußnote Nr. 10); Ideen, Orte, Entwürfe. Architektur und Städtebau in der Bundesrepublik Deutschland, Katalog einer Ausstellung, Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau/Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen in Zusammenarbeit mit Bund Deutscher Architekten/Bundesarchitektenkammer/Deutsches Architekturmuseum, Berlin 1990. 15 Zur zeitgenössischen Überzeugung, die »modernen« Bauten seien das Gegenteil »repräsentativer« s. Stephanie Warnke, Stein gegen Stein. Architektur und Medien im geteilten Berlin 1950-1970, Frankfurt a.M./New York, bes. S. 67 und S. 77. Vgl. auch ihren Hinweis von S. 86, dass »repräsentative« Bauten, wie die Berliner Kongresshalle nur von nicht-deutschen Architekten (in diesem Fall von Hugh Stubbins) errichtet werden konnten. Zum Repräsentationsbegriff vgl. Fußnote Nr. 34, zum Verhältnis von Bürobauten und Repräsentation vgl. Freigang, Moderne, S. 242-246 und S. 276-280, Meyer zu Knolle, Vertikale, bes. S. 8-30 und S. 39; Moldrzyk, Desk, bes. S. 18; Christian Welzbacher, Die Staatsarchitektur der Weimarer Republik, Berlin 2006, bes. S. 12-14. 16 Zur typologischen Architekturbetrachtung und zum »Typus« Bürobau vgl. Nikolaus Pevsner, Funktion und Form. Die Geschichte der Bauwerke des Westens. Mit einem Nachwort von Karen Michels, Hamburg 1998, bes. S. 35-63 und S. 213-224; Anna Brus, Verwaltungsgebäude, in: Ernst Seidl (Hg.), Lexikon der Bautypen. Funktionen und Formen der Architektur, Stuttgart 2006, S. 526-528; Ernst Seidl, Der Bautypus als Ordnungsprinzip, in: ebd., S. 11-18. Vgl. auch Modrzyk, Desk. 17 Kraemer, Bauten, S. 316. Zum Kraemer, dem für seine eleganten, sachlichen Bauten bekannten Architekten und Mitbegründer der Braunschweiger Schule, vgl. Jan Lubitz, Friedrich Wilhelm Kraemer. 1907-1990, abrufbar unter: www.architekten-portrait.de/friedrich_wilhelm_krae mer/, abgerufen am 31.5.2018). Herbert Rimpl grenzte Verwaltungsbauten ausdrücklich von den als Zeichen zu verstehenden Kirchen und Grabmälern ab, s. Herbert Rimpl, Die geistigen Grundlagen der Baukunst unserer Zeit München 1953, S. 13f. und S. 21 (zu diesem Buch s. auch Kapitel 2.2.2), Freigang zufolge wurde bei solchen Bauten (Kirchen und Gedenkstätten) die emotionale Dimension nach dem Krieg besonders entfaltet, s. Freigang, Moderne, S. 19.
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zes, die »Büroachse«. Sie bestimmte Breite, Tiefe, damit indirekt auch die Höhe der Büros wie die des gesamten Gebäudes – und oft auch das Äußere: Sofern sie mit der Fensterachse identisch war, konstituierte sie den berühmt-berüchtigten Raster, der, gerade bei Stahlbetonskelettbauten, in vielen Fällen von außen unmittelbar zu sehen war.18 Die Entscheidung für diese »modernen« Bürobauten war einerseits pragmatisch motiviert: Sie waren f lexibel und relativ schnell, leicht und preiswert zu errichten, was angesichts der Dringlichkeit der Baumaßnahmen und vor allem angesichts der Lage der öffentlichen Finanzen bis zum »Durchschlagen« des »Wirtschaftswunders« von elementarer Bedeutung war.19 Das galt nicht zuletzt für die Kommunen, in denen die Behörden angesiedelt wurden und die zum Teil an der Errichtung der Gebäude direkt beteiligt und an einer möglichen Nachnutzung interessiert waren.20 (Für sie kam hinzu, dass die neuen Gebäude in einer – mehr oder weniger noch vorhandenen – spezifischen städtischen Umgebung entstanden und diese mitformten. Als moderne Neubauten waren sie dabei oft integraler Teil einer sozioökonomischen wie städtebaulichen Neuorientierung.21) Gleichzeitig war die moderne Gestaltung und Konstruktion Programm. Denn die 18 Der Raster wurde von Stütze, Decke, Brüstung und Fenster gebildet. Die Achsabstände lagen in der Regel im Bereich von 1,70 bis 2,20 m, s. dazu Kraemer, Bauten, S. 342. Zum Bau von Bürogebäuden vgl. (als zeitgenössische Werke) Walther Schmidt, Amtsbauten. Aus Betriebsvorgängen gestaltet, dargestellt am Beispiel der Bayerischen Postbauten, Ravensburg 1949; Herbert Rimpl, Verwaltungsbauten. Organisation – Entwurf – Konstruktion – Ausgeführte Bauten und Projekte, Berlin 1959. Speziell zur Rasterfassade vgl. auch Dirk Dorsemagen, Büro- und Geschäftshausfassaden der 50er Jahre. Konservatorische Probleme am Beispiel West-Berlin, Univ. Diss. Technische Universität Berlin 2004. Abrufbar unter: https://depositonce.tu-berlin.de/hand le/11303/1242, abgerufen am 31.5.2018, S. 19f.; Hillmann, Nachkriegsmoderne, S. 24-26 und S. 52. 19 S. dazu Vittorio Magnago Lampugnani, Architektur und Stadtplanung, in: Wolfgang Benz (Hg.), Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4: Kultur, Neuausgabe, Frankfurt a.M. 1989, S. 200-242, S. 205. Vgl. auch Peter Krieger, Spiegelnde Curtain Walls als Projektionsflächen für politische Schlagbilder, in: Hermann Hipp/Ernst Seidl (Hg.), Architektur als politische Kultur. Philosophia Practica, Berlin 1996, S. 297-310, S. 301; ders., Wiederaufbau-Wettbewerb, S. 65-73. 20 Anders als bei Mietsbürohäusern stand bei der Planung der Amtsbauten fest, welche Räume in welcher Anzahl und Größe benötigt wurden. Damit wurden differenziertere Raumprogramme und individuellere Gestaltungen möglich, die (weiteren) Nutzungsmöglichkeiten aber eingeschränkt. Dazu s. Kraemer, Bauten, S. 342. 21 Trotz aller Unterschiede war der Wiederaufbau der Städte viel weniger ein Neuaufbau als der der Bundesrepublik insgesamt. Eine Orientierung an der überkommenen Infrastruktur, an Grundstücksgrenzen und Verfügungsrechten war (soweit das alles noch vorhanden war) einfacher und günstiger und machte Pläne für einen völligen Neuaufbau, wie sie zum Beispiel für Berlin ventiliert wurden, bald obsolet. Vgl. dazu Warnke, Stein, S. 33f. Zum Wiederaufbau einzelner Städte vgl. (statt aller) Klaus von Beyme/Werner Durth/Niels Gutschow/Winfried Nerdinger/Thomas Topfstedt (Hg.), Neue Städte aus Ruinen. Deutscher Städtebau der Nachkriegszeit, München 1992.
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neuen Amtsgebäude sollten sich absetzen – von den narrativen historistischen, etwa im Stil der Neorenaissance oder des Neobarock gehaltenen Verwaltungsbauten des Kaiserreichs,22 vor allen Dingen aber von den (Amts-)Gebäuden, wie sie im Nationalsozialismus errichtet worden waren: Von der »Art, mit der im Dritten Reich Geld ausgegeben und Bauten erstellt wurden«, müsse sich die Bundesrepublik, so die zeitgenössische Forderung, vollständig »distanzieren«23. Mit dem Verzicht auf Symmetrien, Axialitäten und Monumentalität, kurz: auf jedes Imponiergehabe,24 mit der Betonung von Maß und Funktionalität, von »Schlichtheit und Wahrheit, Leichtigkeit und Transparenz«25 sollte der dort überstrapazierte bis pervertierte monumentale Neoklassizismus konterkariert werden. Gleichzeitig waren die Neubauten »den Grundsätzen einer klassizistischen und repräsentativen«26 Gestaltung entgegengesetzt, die Anfang der 1950er Jahre die Bau22 Als Beispiel für einen im Stil der Neorenaissance gehaltenen Bau gilt das in den 1870er Jahren in Berlin errichtete (im Krieg zerstörte) Statistische Reichsamt, als Beispiel für ein neobarockes Gebäude das von 1903 bis 1905 ebenfalls in Berlin erbaute Reichspatentamt, vgl. Welzbacher, Staatsarchitektur, S. 18-20. Vgl. auch Barbara Kündiger, Fassaden der Macht. Architektur der Herrschenden, Leipzig 2001, S. 22-31. 23 So formulierte es der Abgeordnete [Paul Traugott?] Bausch am 13.7.1950 in einer Sitzung des Haushaltausschusses des Bundestages, s. BArch B 157/36, fol. 380, s. auch ebd., fol. 329-331 bzw. Fußnote Nr. 14. Zur nationalsozialistischen Architektur und der Frage, ob von einer solchen überhaupt gesprochen werden kann (oder muss) vgl. beispielhaft Hartmut Frank, Monument und Moderne, in: Schneider/Wang (Hg.), Architektur, S. 220-233; Ulrich Hartung, Bausteine für Führerkult und Gemeinschaftsglaube. Ausdrucksformen der NS-Ideologie in der deutschen Architektur von 1933 bis 1945, in: kunsttexte.de, Nr. 3, 2010, abrufbar unter: www. kunsttexte.de/index.php?id=6&tx_zjdspaceviewer_viewer%5Buuid%5D=2e5eb25d-567143c3-a621-d62ac7993313&tx_zjdspaceviewer_viewer%5Baction%5D=showItem&tx_zjdspa ceviewer_viewer%5Bcontroller%5D=Viewer&cHash=ebe8c57a8c015adcd99195a3c7553435, abgerufen am 25.4.2018; Vittorio Magnago Lampugnani, Die Abenteuer der Bedeutung – Die entnazifizierte Baugeschichte, in: Christian Süsstrunk/Benedikt Huber/Eidgenössische Technische Hochschule Zürich. Abteilung Architektur u.a. (Hg.), Die Bedeutung der Form, Zürich 1988, S. 10-29; Hans-Ernst Mittig, Industriearchitektur des NS-Regimes: Das Volkswagenwerk, in: Gabi Dolff-Bonekämper/Hiltrud Kier (Hg.), Städtebau und Staatsbau im 20. Jahrhundert, München/Berlin 1996, S. 77-112; Hans-Ernst Mittig, NS-Stil als Machtmittel, in: Schneider/Wang (Hg.), Architektur, S. 100-115; Christian Welzbacher, Monumente der Macht. Eine politische Architekturgeschichte Deutschlands 1920-1960, Berlin 2016, bes. S. 8f. 24 Werner Durth, Utopie der Gemeinschaft. Überlegungen zur Neugestaltung deutscher Städte 1900-1950, in: Schneider/Wang (Hg.), Architektur, S. 135-160, S. 152. Vgl. auch Kündiger, Fassaden, S. 22-30. 25 Dorsemagen, Geschäftshausfassaden, S. 20. 26 Freigang, Moderne, S. 269. Zur Stalinallee (und zur »Antwort« des Westens, dem Hansaviertel) vgl. ebd., S. 267-277 sowie Werner Durth, Von der Auflösung der Städte zur Architektur des Wiederaufbaus, in: Dolff-Bonekämper/Kier (Hg.), Städtebau (wie in Fußnote Nr. 23), besonders S. 17-37 und Andreas Tönnesmann, Bundesrepublik und DDR: Ihre Staatsbauten in der Konkurrenz der Systeme, in: ebd., S. 193-212; Kay Richter, Raumtypen der Werte. Zur Staats- und Gesell-
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tätigkeit in der DDR prägte und, für die Zeitgenossen besonders markant, mit der Ostberliner Stalinallee exemplarisch verwirklicht wurde. Die neuen bundesdeutschen (Verwaltungs-)Gebäude waren also »politisch imprägniert«27, ja, um es mit Martin Warnke auszudrücken, zu einem guten Teil »Gegenbauten«28: Sie entstanden als Reaktion auf andere Bauten und sollten und wollten den Neuauf bruch, die Abkehr von der nationalsozialistischen Vergangenheit und von der »sozialistischen Gegenwart« der DDR, also den Anschluss und die Zugehörigkeit des jungen (Teil-)Staates zur westlichen Welt vollziehen und im buchstäblichen Sinn verkörpern. (Implizit definierten sie damit »die« nationalsozialistische, »die« realsozialistische sowie »die« moderne Architektur29 und ordneten erstere einander zu.) Diese Bedeutung war bei den Verwaltungsbauten besonders ausgeprägt – und besonders auf Staat und Politik bezogen: Sie entstanden in der jungen Bundesrepublik erstens nicht nur in ausgesprochen hoher Anzahl, sondern bildeten auch den allergrößten Teil der Neubauten, die der neue Staat »für sich« errichtete.30 (Die Legislativen der Länder residierten ebenso wie die höchsten bundesdeutschen Gerichte zumeist in ihren angestammten oder in anderen bereits bestehenschaftsrepräsentation in Stadtzentren der DDR, in: Seidl (Hg.), Raumtypen (wie in Fußnote Nr. 15), S. 121-130; Warnke, Stein, S. 94-141. 27 Klaus von Beyme, Der Wiederaufbau. Architektur und Städtebaupolitik in beiden deutschen Staaten, München/Zürich 1987, S. 9. Das Verhältnis von Politik und Architektur und die Frage, ob und wie es beschrieben und untersucht werden kann, wurde und wird in so verschiedenen Hinsichten und unter verschiedenen Perspektiven thematisiert, dass eine Darstellung den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde. Vgl. aber die bisherigen und die folgenden Hinweise. die Sammelbände von Dolff-Bonekämper/Kier (Hg.), Städtebau; Seidl (Hg.), Raumtypen sowie Klaus von Beyme, Die Kunst der Macht und die Gegenmacht der Kunst. Studien zum Spannungsverhältnis von Kunst und Politik, Frankfurt a.M. 1998. Als zeitgenössische Äußerungen vgl. z.B. die Rede, die Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht am 28.8.1953 bei der Einweihung des Continentalgebäudes in Hannover hielt, s. dazu Sigrid Meyer zu Knolle, Die gebändigte Vertikale. Materialien zum frühen Hochhausbau in Frankfurt, Univ. Diss. Marburg 1998, S. 288-296 und S. 380-384 (Teilabdruck), abrufbar unter: https://d-nb.info/972807284/34, abgerufen am 31.5.2018. Zu Rudolf Hillebrecht (1910-1999) s. auch Fußnote Nr. 143. 28 Martin Warnke, Bau und Gegenbau, in: Hermann Hipp/Ernst Seidl (Hg.), Architektur als politische Kultur. Philosophia Practica, Berlin 1996, S. 11-18. Vgl. auch Anders Åman, Die osteuropäische Architektur der Stalinzeit als kunsthistorisches Problem, in: Dolff-Bonekämper/Kier (Hg.), Städtebau, S. 131-150, bes. S. 147f. 29 Zur Wahrnehmung der im Nationalsozialismus entstandenen Bauten und der der Nachkriegsarchitektur s. Winfried Nerdinger, »Ein deutlicher Strich durch die Achse der Herrscher«. Diskussionen um Symmetrie, Achse und Monumentalität zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik, in: Schneider/Wang (Hg.), Architektur, S. 86-99, bes. S. 97. Vgl. auch Hartmut Frank, Gebaute Demokratie? Anmerkungen zur Architektur der Bundesrepublik Deutschland, in: Ideen, Orte, Entwürfe, S. 12-25, bes. S. 13. 30 Jedenfalls wenn man Otto Mayers Negativdefinition der Verwaltung zugrunde legt und unter ihr alles staatliche Handeln fasst, was nicht Judikative, Legislative oder Regierung ist.
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den Gebäuden, Neubauten wurden erst ab Anfang der 1960er Jahre errichtet.31 Eine noch zu behandelnde Ausnahme war das Bonner Bundeshaus, hinzu kamen einige wenige Bauten in Bonn wie das Bundespostministerium und das Auswärtige Amt.) Zweitens wurden gerade die Verwaltungsgebäude ganz direkt und eng mit der gesamtgesellschaftlichen Ordnung und der politisch-staatlichen Sphäre in Zusammenhang gebracht: Die Überzeugung, dass sie dem »gesellschaftlichen Selbstverständnis Ausdruck«32 gaben und in ihrer »Gebäudeerscheinung« speziell die »Bedeutung des Staates […] darstell[t]en«33, war eine zeitgenössische Selbstverständlichkeit. Und sie war eine, die mit der, wie erwähnt, ebenfalls allgemeinen Überzeugung, dass moderne Bauten das Gegenteil repräsentativer Bauten waren, nicht ganz leicht zur Deckung zu bringen war – beziehungsweise Fragen nach dem Staat, seiner Bedeutung, seiner Repräsentation im neuen Gemeinwesen und/oder nach der Repräsentation insgesamt aufwerfen konnte.34 31 In Bayern bezog der Landtag 1949 das Maximilianeum, in den neugebildeten Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz jeweils alte Schlossbauten, in Niedersachsen das alte Leineschloss (dem nur einige Anbauten hinzugefügt wurden). Im Saarland war und ist ein Altbau von 1866 Sitz des Landtages, der Landtag von Schleswig-Holstein bezog 1950 das Kieler Landeshaus, die ehemalige Marineakademie der kaiserlichen Marine. Das nordrhein-westfälische Landesparlament fand seinen Sitz im Ständehaus, dem ehemaligen Gebäude des Provinziallandtages der preußischen Rheinlande (das im Krieg bis auf die Außenmauern niedergebrannt und von Hans Schwippert in modifizierter Form wiederaufgebaut worden war). Die Berliner Abgeordneten tagten bis 1993 im Rathaus Schöneberg, die Hamburgische Bürgerschaft blieb ihrem Rathaus treu. Der erste Neubau war das 1961 in Stuttgart nach Plänen von Horst Linde erbaute »Haus des Landtages«. Im selben Jahr wurde in Bremen mit dem Neubau des von Wassili Luckhardt entworfenen Hauses der Bürgerschaft begonnen, das 1966 fertig gestellt wurde, s. dazu Klaus von Beyme, Architektur und Demokratie, in: Ideen, Orte, Entwürfe, S. 42-53, S. 46. Der 1950 errichtete Bundesgerichtshof bezog das Erbgroßherzogliche Palais in Karlsruhe (der moderne Anbau, das sog. Westgebäude entstand 1958/60 nach Plänen von Erich Schelling). Das 1951 errichtete Bundesverfassungsgericht residierte zunächst im Prinz-Max-Palais und zog erst Ende der 1960er Jahre in den von 1965 bis 1969 nach Plänen von Paul Baumgarten errichteten Neubau. Der 1950 errichtete, bis 1970 dem Bundesfinanzministerium unterstellte Bundesfinanzhof wurde in einem historischen Gebäude in München untergebracht. Das 1952 errichtete Bundesverwaltungsgericht arbeitete ab 1953 vom Gebäude des ehemaligen Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Berlin aus (seine Wehrsenate wurden in München angesiedelt). Das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht, die 1954 ihre Arbeit aufnahmen, fanden ihren Sitz im »Generalkommando«, dem von 1935 bis 1938 errichteten Gebäude des Wehrkreises Kassel. Vgl. zu diesen Bauten auch Bernhard Schäfers, Architektursoziologie, Bd. 1: Grundlagen – Epochen – Themen, Opladen 2003, S. 175-178. 32 Andreas Butter/Christoph Bernhardt, Eine markante Ecke, in: Leibniz-Gemeinschaft (Hg.), Berlin, Chausseestraße 111. Willkommen bei der Leibniz-Gemeinschaft, 2. überarbeitete Auflage, Berlin 2011, S. 18-39, hier S. 26. 33 Kraemer, Bauten, S. 344. 34 Zum Repräsentations- und Staatsbegriff vgl. Hasso Hofmann, Repräsentation. Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Berlin 1974, bes. S. 15-37;
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Wenn sich an die Verwaltung als Institution also Vorstellungen über das Sein und Sollen des neuen Staates knüpften, visualisierten, ja verkörperten die Amtsgebäude Verwaltung und Staat – wenn überhaupt – in einer ganz anderen Weise. Anders gesagt: Grundlegende Fragen nach dem Wesen, der Bedeutung und Identität von Verwaltung, Staat und damit der jungen Bundesrepublik insgesamt wurden durch ihren (Wieder-)Auf bau zweifach berührt und zumindest potenziell verschieden beantwortet. Das soll im Folgenden noch einmal näher skizziert werden, wobei zwei, bereits angedeutete, Dimensionen im Vordergrund stehen: das jeweilige Verhältnis von Kontinuität und Neuauf bruch und die jeweilige Weise, in der der institutionelle und der bauliche (Wieder-)Auf bau der Verwaltung mit grundsätzlichen Fragen nach dem Sein und Sollen des neuen Gemeinwesens verbunden war und/oder hier für jeweils eigene Antworten in Anspruch genommen werden konnte.
1.2 Die institutionelle (Wieder-)Errichtung der Verwaltung … 1.2.1 … im Spannungsfeld von Neubeginn und Kontinuität Schon ein kurzer Blick auf den institutionellen Wiederauf bau der Verwaltung zeigt, wie ausgeprägt und augenfällig die angesprochenen Kontinuitäten in personeller und organisatorischer Hinsicht waren – und sein sollten.35 Die (Berufs-) Günther, Denken, bes. S. 126f. und passim; Christian Lankes, Politik und Architektur. Eine Studie zur Wirkung politischer Kommunikation auf Bauten staatlicher Repräsentation, München 1995, S. 34-45; Hans Meyer, Repräsentation und Demokratie, in: Horst Dreier (Hg.), Rechts- und staatstheoretische Schlüsselbegriffe: Legitimität – Repräsentation – Freiheit. Symposium für Hasso Hofmann zum 70. Geburtstag, Berlin 2005, S. 99-112; Wolfgang Sonne, Hauptstadtplanungen 1900-1914. Die Repräsentation des Staates in der Stadt, Diss. ETH Zürich 2001, DOI: http://dx.doi.org/10.3929/ethz-a-004176323, S. 10-18; Michael Stolleis, Staatsbild und Staatswirklichkeit in Westdeutschland (1945-1960), in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte/Germanistische Abteilung (ZRG GA) 124 (2007), S. 223-245, hier S. 232 (jeweils m w. N.). Vgl. auch Fußnote Nr. 15. 35 Zum Folgenden vgl. Wilhelm Bleek, Verwaltung und öffentlicher Dienst, in: Wolfgang Benz (Hg.), Die Geschichte der Bundesrepublik, Bd. 1: Politik, Neuausgabe, Frankfurt a.M. 1989, S. 151180; Eschenburg, Rückhalt; Garner, Dienst; Rudolf Morsey, Gefährdung und Sicherung des Berufsbeamtentums. Entwürfe und Reformkonzepte für den öffentlichen Dienst 1945-1953, in: DÖV 46 (1993), S. 1061-1070; Michael Ruck, Kontinuität und Wandel – Westdeutsche Verwaltungseliten unter dem NS-Regime und in der alten Bundesrepublik, in: Wilfried Loth/Bernd-A. Rusinek (Hg.), Verwandlungspolitik. NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, Frankfurt a.M. 1998, S. 117-142; Arnold Sywottek, Politik und Verwaltung, in: Schildt/ders., Modernisierung, S. 735-744; Georg Christoph von Unruh, Die Lage der deutschen Verwaltung zwischen 1945 und 1949, in: Kurt G. A. Jeserich/Hans Pohl/Georg Christoph von Unruh, Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5: Die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1987, S. 70-86. Zum
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Biografien der in der jungen Bundesrepublik tätigen Beamten waren, anders als etwa die zahlreicher bundesdeutscher Spitzenpolitiker, kaum gebrochen: Zumeist im Kaiserreich geboren und in der Weimarer Republik ausgebildet, hatten sie dort erste Berufserfahrungen gesammelt. Im »Dritten Reich« hatten sie im Arbeitsleben und in unterschiedlicher Nähe oder Distanz zum Nationalsozialismus gestanden. Auch durch das Kriegsende änderte sich nicht viel. Die mitunter sehr umfangreich und gründlich angelegte Entnazifizierung versandete bekanntlich bald,36 sodass die meisten Beamten – sofern sie sich grundsätzlich an die Bundesrepublik anzupassen bereit waren – ihre Karrieren mehr oder weniger nahtlos fortsetzen konnten. (Soweit sie aktive Nationalsozialisten gewesen waren, gelangten sie dabei aber nicht unbedingt und/oder sofort in Spitzenpositionen.) Ähnlich kontinuitätswahrend verlief die organisatorische (Wieder-)Errichtung. Schon die Alliierten hatten die überkommenen Formen und Institutionen in hohem Maß restituiert. Zwar war die deutsche Bürokratie in den Augen der Besatzungsmächte, insbesondere der Briten und US-Amerikaner, ausgesprochen reformbedürftig – und durchaus als Faktor für die Etablierung und Stabilisierung der nationalsozialistischen Herrschaft zu betrachten.37 Zugleich aber war sie ausgesprochen praktisch: Eine funktionsfähige und (politisch) zuverlässige Verwaltung, die über Sachkenntnisse und ein feststehendes und erprobtes Reservoir an Handlungsformen verfügte, erschien angesichts der zahlreichen, drängenden und oft existenziellen Aufgaben und Probleme in der Nachkriegszeit und
Stand der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Ministerien und Behörden vgl. Christian Mentel/Niels Weise, Die zentralen deutschen Behörden und der Nationalsozialismus. Stand und Perspektiven der Forschung, hg. von Frank Bösch/Martin Sabrow/Andreas Wirsching, München/Potsdam 2015, abrufbar unter: https://zzf-potsdam.de/sites/default/files/forschung/Di rektion/2016_02_13_zzf_ifz_bkm-studie.pdf, abgerufen am 26.1.2018. 36 Zu den Entnazifizierungsmaßnahmen in den einzelnen Besatzungszonen (und zu deren Unterschieden) vgl. Stefan Fisch, Verwaltungsaufbau nach 1945 in Deutschland, in: Klaus König (Hg.), Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, Baden Baden 2002, S. 11-32, bes. S. 18-28; Garner, Dienst, bes. S. 760-769; Eschenburg, Rückhalt, S. 66-69; Morsey, Gefährdung, S. 1066f.; Stöver, Bundesrepublik, S. 47-49 und S. 61-64. Zu den (parallelen) »deutschen« Debatten um eine angebliche »Siegerjustiz« und zur weitgehenden Einstellung, wenn nicht gar »Rückabwicklung« der Entnazifizierung vgl. Axel Schildt, Der Umgang mit der NS-Vergangenheit in der Öffentlichkeit der Nachkriegszeit, in: Wilfried Loth/Bernd-A. Rusinek (Hg.), Verwandlungspolitik. NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, Frankfurt a.M. 1998, S. 19-54; Frei, Vergangenheitspolitik, S. 29-69. 37 Gerade die US-Amerikaner kritisierten das autoritäre Selbstverständnis der Beamten, die fehlende Transparenz ihres Handelns, ihre Privilegierung gegenüber Angestellten, die mehr an Formalqualifikationen als an Leistungen anknüpfende Einstellungs- und Beförderungspraxis, das Juristenmonopol und die Möglichkeit der politischen Betätigung, s. dazu Fisch, Verwaltungsaufbau, S. 30.
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der sich abzeichnenden Blockkonfrontation schlicht als unabdingbar.38 Etwas anders lagen die Dinge auf der west- und dann bundesdeutschen Seite. In der Einschätzung der überwiegenden Mehrheit (und nicht zuletzt der Beamtenschaft selbst) war die deutsche Verwaltung wenig bis gar nicht für den »Erfolg« der Nationalsozialisten verantwortlich zu machen, sondern hatte sich vielmehr um die Bewahrung der überkommenen Rechts- und »Normal«-Staatlichkeit bemüht.39 Der traditionswahrende Wiederauf bau der Verwaltung war deshalb weniger ein pragmatisch als ein programmatischer:40 Weite Teile von Politik und Verwaltung verfolgten ihn ebenso bewusst wie entschlossen und erfolgreich. Pläne gerade der Briten und US-Amerikaner, die im Entstehen begriffene Bundesrepublik auf den Umbau der deutschen Verwaltung in Richtung eines civil service zu verpf lichten, wurden ebenso diskret wie zielgerichtet ausgehebelt.41 Und das Grundgesetz stellte die »hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums« unter seinen Schutz (Artikel 33) und eröffnete die Möglichkeit, neben gef lüchteten und vertriebenen Beamten, nationalsozialistisch belastete einzugliedern (Artikel 133).42 Das ent38 Vgl. die bei Thränhardt zitierte Zusammenfassung der Erfahrungen des Besatzungsoffiziers und späteren US-amerikanischen Historikers Leonhard Krieger: »›Das traditionelle deutsche Verwaltungssystem war wunderbar geeignet für die Notlage der Alliierten: es hatte bis zum Zusammenbruch funktioniert und konnte schnell wiederaufgebaut werden; es hatte ein Erfahrungsmonopol […], das den […] Militärregierungsbeamten fehlte; es war gegenüber höchster staatlicher Autorität, die jetzt die Militärregierung ausübte, immer zugänglich, andererseits gegenüber gesellschaftlichen Bewegungen, denen jetzt die Militärbewegung kritisch gegenüberstand, unzugänglich gewesen‹«, Thränhardt, Geschichte, S. 22. 39 Die erste wissenschaftliche Kritik an dieser Sichtweise formulierte Karl Dietrich Bracher 1955, als er die Bürokratie als Faktor beschrieb, der zum Untergang der Weimarer Republik beitrug, s. Karl Dietrich Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, Berlin 1955, hier die 3. Auflage von 1960, bes. S. 174-191. Zu einer grundsätzlichen Neubewertung kam 1966 Hans Mommsen in seiner Habilitationsschrift, s. Hans Mommsen, Beamtenpolitik im Dritten Reich. Mit ausgewählten Quellen zur nationalsozialistischen Beamtenpolitik, Stuttgart 1966. Zur weiteren Entwicklung der Forschung vgl. Michael Kißener, Das Dritte Reich, Darmstadt 2005, bes. S. 51f. 40 Vgl. dazu von Unruh, Lage und (die in Perspektive und Beurteilung völlig anders gelagerte knappe Darstellung von) Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 11-14. Vgl. auch Eschenburg, Rückhalt, S. 80-87. 41 Von westdeutscher Seite wurden schon die von britischer und US-amerikanischer Seite geplanten, von der Politik unabhängigen Personalämter abgelehnt und hintertrieben, dasselbe galt für das von beiden Militärgouverneuren erlassene Gesetz Nr. 15, das am 15.3.1949 in Kraft trat, formal auf die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes beschränkt war, aber durch die in Gründung befindliche Bundesrepublik (eigentlich) beachtet werden sollte. Vgl. dazu Fisch, Verwaltungsaufbau, S. 28-31; Morsey, Gefährdungen, S. 1068f.; Eschenburg, Rückhalt, S. 81f.; Garner, Dienst, S. 761-763; Hennis, Rolle, S. 211; Thränhardt, Geschichte, S. 62f. 42 Die von den Nationalsozialisten entlassenen Beamten waren demgegenüber auf den (dornigen) Weg der Wiedergutmachung verwiesen, s. dazu Frei, Vergangenheitspolitik, S. 69-93.
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sprechende Ausführungsgesetz vom 11. Mai 1951, das »131er Gesetz«, billigte den ehemaligen Beamten (mit Ausnahme der schwer Belasteten, das waren allerdings nur 0,4 Prozent und 1227 Personen) einen Rechtsanspruch auf Beschäftigung zu.43 Dank einer wohl absichtlich im Kleingedruckten untergebrachten Bestimmung machte es sogar die Wiederbeschäftigung von Beamten möglich, die der Gestapo und der Waffen-SS angehört hatten und eigentlich hatten ausgeschlossen werden sollen.44 Höhe- und Schlusspunkt der Restitution bildete das Bundesbeamtengesetz vom 14. Juli 1953, das das tradierte Beamtenrecht nahezu unverändert enthielt – und alle Debatten um eine grundsätzliche Reform des Beamtenwesens erst einmal beendete.45 Wie traditionswahrend der Wiederauf bau war, illustriert auch die Entwicklung der Finanzverwaltung beziehungsweise der Finanzbauverwaltung: Sie war von allen (westlichen) Besatzungsmächten sehr früh wiedererrichtet worden und bestand bei der Gründung der Bundesrepublik in allen Ländern im überkommenen dreistufigen Auf bau.46 Nach 1949 knüpfte der Bund für seine – eigenständige – Finanzbauverwaltung an das Vorbild der 1930 geschaffenen Reichsbauverwaltung an: Noch 1950 wurde im Bundesfinanzministerium eine Baugruppe geschaffen,47 im selben Jahr wurden die Finanzbauverwaltungen der Länder, soweit sie 43 Das »Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen« (»131er-Gesetz«) vom 11.5.1951 trat (rückwirkend) zum 1.4.1951 in Kraft. Durch das Gesetz wurden ca. 430.000 Beamte wieder eingegliedert, 55.000, die wegen der Entnazifizierungsergebnisse eigentlich nicht aufgenommen werden sollten, wurden wegen der Kosten der auch ohne entsprechende Tätigkeit fälligen Übergangsgehälter (die nicht der Bund, sondern die früheren Dienststellen zu tragen hatten) dann doch wieder beschäftigt. Vgl. dazu Garner, Dienst, S. 769-778; Frei, Vergangenheitspolitik, S. 69-100. Zu den Folgen, zur Verdrängung (verheirateter) Frauen aus dem Beamtenstatus sowie zur hohen Anzahl von ehemaligen Mitgliedern der NSDAP in den bundesdeutschen (Ministerial-)Verwaltungen und zur Bildung entsprechender Netzwerke, vgl. Garner, Dienst, S. 767-769 und S. 776-785; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 12-14. 44 S. dazu Frei, Vergangenheitspolitik, S. 79f.; Garner, Dienst, S. 774. Gemeint ist § 67, der die Wiedereingliederung möglich machte, sofern die Betroffenen »von Amts wegen« in die entsprechenden Organisationen versetzt worden waren. 45 Fisch, Verwaltungsaufbau, S. 31. 46 Vgl. dazu Andreas Kübler, Chronik Bau und Raum. Geschichte und Vorgeschichte des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, hg. vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Tübingen 2007, S. 116-124; Fisch, Verwaltungsaufbau, S. 18-28; Kutting, Verwaltungsarchitektur S. 39-48. Zum (ähnlich kontinuitätswahrenden) Wiederaufbau der kommunalen Bauverwaltungen s. von Beyme, Wiederaufbau, S. 47. Zur Bauverwaltung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik s. Welzbacher, Staatsarchitektur, S. 17-35. 47 Aus der Baugruppe entstand zunächst die Unterabteilung II D der Haushaltsabteilung (sie wurde von 1952 bis 1970 von Johannes Rossig geleitet), dann, Mitte der 1950er Jahre, eine selbstständige Bauabteilung. Diese wurde im Oktober 1957 als Abteilung III in das neu gegründete Bundesministerium für wirtschaftlichen Besitz des Bundes integriert, das 1961 in Bundes-
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im Auftrag des Bundes Bauten errichteten, dem Ministerium unterstellt. Damit bildete das Bundesfinanzministerium die oberste Instanz der entweder ein- oder zweizügigen dreiinstanzlichen Gliederung des staatlichen Bauwesens. Als Ortsinstanzen fungierten die jeweiligen Hochbauämter, als mittlere Instanzen die Oberfinanzdirektionen, die mit dem am 6. September 1950 ergangenen Finanzverwaltungsgesetz »für die Bauaufgaben des Bundes, insbesondere für nachgeordnete Bundesinstitutionen und Verteidigungsbauten«48 zuständig wurden. Geleitet wurde die gerade erwähnte Baugruppe Theodor Weil. Der Ministerialrat kam nicht nur selbst aus der Reichsbauverwaltung. Er schrieb sich die Einbindung früherer und damit sachkundiger und mit der Materie und den Abläufen vertrauter Kollegen auch explizit auf die Fahnen.49 Damit ist zumindest angedeutet, wie sehr die Wahrung von Kontinuität auch (und, für diese Untersuchung, vor allem) im Hinblick auf die (Selbst-)Bilder von Verwaltung und Beamtenschaft eine Rolle spielte. Zwar hatten der Zusammenbruch des Reiches, die Kritik am deutschen Beamtentum und soziale Verschiebungen das tradierte »Selbstbewußtsein«50 in Mitleidenschaft. Schon mit den geschilderten alliierten Maßnahmen wurde aber die (Selbst-)Einschätzung sozusagen offiziell bestätigt, derzufolge die Verwaltung Garant, wenn nicht Verkörperung von Sachlichkeit, Objektivität, Neutralität, Rationalität und Effizienz war. Erst recht sorgten die genannten bundesdeutschen Entscheidungen und Regelungen dafür, dass das Selbstbild wieder stabilisiert wurde: Wie Fritz Erler 1952 im Bundestag erklärte, »fühl[ten] und ben[ahmen]« sich viele Beamte (des Auswärtigen Amts) »als direkte Fortsetzer der Tradition eines Berliner Ministeriums«51.
schatzministerium umbenannt wurde. Als letzteres 1969 aufgelöst wurde, wurde die Bauabteilung als Abteilung VIII wieder dem BMF zugeordnet. 1972 wurde sie erneut verlegt, dieses Mal ins Bundesbauministerium, vgl. dazu Kübler, Chronik, S. 118-122. 48 S. dazu Kübler, Chronik, S. 122, von dort auch das Zitat. 49 Auf seine Empfehlung wurde beispielsweise Karl Badberger zum Leiter der 1950 geschaffenen Bundesbaudirektion berufen. Er war im Reichsfinanzministerium für die Bauangelegenheiten der Waffen-SS und der Konzentrationslager zuständig gewesen, s. dazu Kübler, Chronik, S. 126. Auch seine Nachfolger, Franz Sales Meyer und Carl Mertz waren in der Reichsbauverwaltung beschäftigt gewesen. Zu den personellen Kontinuitäten vgl. auch Kutting, Verwaltungsarchitektur, S. 41-45. 50 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 12. Vgl. auch Eschenburg, Rückhalt, S. 79; Garner, Dienst, S. 763 und S. 775. 51 Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, Stenografischer Bericht/Plenarprotokoll vom 22.10.1952 (234. Sitzung), S. 10728f., abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/01/01234.pdf, abgerufen am 24.5.2018. Zu den personellen Kontinuitäten speziell im Auswärtigen Amt vgl. Eckart Conze, Das Auswärtige Amt. Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart, München 2013, S. 102138; Gottfried Niedhardt, Außenpolitik in der Ära Adenauer, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 805-818, S. 806-808.
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Dieses »Selbstbewußtsein« betraf dabei weit mehr als habituelle Fragen. Das wurde 1953 schlaglichtartig erhellt, als sich um das »131er-Gesetz« eine »atemverschlagende Kontroverse« (Frei)52 entspann. Beamte und Versorgungsempfänger, die (völlig unangefochten von der Kritik an den großzügigen Regelungen) weitere Verbesserungen erreichen wollten, machten geltend, durch das Gesetz in ihren Grundrechten verletzt worden zu sein. Die Grundlage bildete dabei die Überzeugung, dass die Rechtsverhältnisse der Beamten 1945 nicht untergegangen und die Parlamentarier daher zur Neuregelung nicht berechtigt gewesen seien. Als das Bundesverfassungsgericht beides entschieden verneinte, entfesselte es einen Sturm der Entrüstung. Gleichzeitig wurde deutlich, welche, und welche grundlegenden, Punkte von der Restitution des tradierten (Selbst-)Bilds der Beamten berührt werden konnten – und wie eng und direkt aufeinander bezogen Fragen nach der Einordnung der nationalsozialistischen Vergangenheit und nach der der Bundesrepublik waren. Denn während das Gericht die Befugnis des Gesetzgebers zur umfassenden Regelung der Beamtenverhältnisse mit der Umformung – oder Korrumpierung – des Beamtentums im Nationalsozialismus begründete, führten die Kritiker des »131er-Gesetzes« und der Entscheidung das (Selbst-)Bild der Verwaltung als einer »allein staatsbezogene[n]«53 und damit vom Nationalsozialismus gänzlich unbeeinf lussten Instanz ins Feld. Das war an sich schon nicht unproblematisch, hinzukam, dass – damit – »der Staat«, und zwar auch der der Gegenwart, in sehr spezifischer Weise beschrieben wurde, nämlich als unpolitische, bürokratische Anstalt. Und spätestens als das alles gegen die »demokratische […] Neugestaltung«54 des öffentlichen Dienstes, also gegen die Legislative ins Feld geführt wurde, war deutlich, welche Implikationen der traditionswahrende Wiederauf bau der Verwaltung haben konnte: Wenigstens der Möglichkeit nach war er eben nicht »systemneutral« und mehr als »nur« eine Entscheidung über den Modus, das »Wie« des staatlich-politischen Handelns, sondern konnte unmittelbare Bedeutung für das (Selbst-)Verständnis und die Ausgestaltung des neuen Gemeinwesens insgesamt entfalten: Zwar war eine vollständige Restitution der »klassischen« Staatsidee unmöglich. Fragen danach, wie etwa das Demokratieprinzip eigentlich zu verstehen war, welche Reichweite ihm zukommen soll52 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 93. Zu den Geschehnissen vgl. ebd., S. 93-99; Günther, Denken, S. 107-109; Peter Hurrelbrink, Der 8. Mai 1945. Befreiung durch Erinnerung. Ein Gedenktag und seine Bedeutung für das politisch-kulturelle Selbstverständnis in Deutschland, Bonn 2005, S. 81-83; Christian Möllers, Der vermisste Leviathan. Staatstheorie in der Bundesrepublik, Frankfurt a.M. 2008, S. 35-37; Stolleis, Geschichte, Bd. 4, S. 161-164. 53 Günther, Denken, S. 108. Gegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.1953 wandte sich der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 20.5.1954, auch auf der Tübinger Tagung der Staatsrechtslehrervereinigung 1954 wurde sie heftig angegriffen. 1957 bestätigte das Bundesverfassungsgericht seine Auffassung. 54 Möller, Leviathan, S. 36.
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te, wie es um das Verhältnis der staatlichen Gewalten bestellt war, ließen sich aber stellen und mussten beantwortet werden. Anders gesagt: Auch der institutionelle Wiederauf bau der Verwaltung warf fundamentale Fragen auf und war Teil und Motor entsprechender Meinungsbildungs- und Gruppenbildungsprozesse sowie entsprechender Auseinandersetzungen.55
1.2.2 … und ihr Verhältnis zu Staat, Recht, Gesellschaft und Demokratie Wenn, wie gerade beschrieben, Verwaltung und Beamtentum in der jungen Bundesrepublik tendenziell etatistisch gedacht und Demokratie und Parlamentarismus gegenübergestellt wurden, hatte auch das Tradition: Ideell wie faktisch waren Verwaltung, Beamtentum und Staat in Deutschland so entwickelt – und dabei mit einem Begriff positiv verbunden worden, der auch in der jungen Bundesrepublik von eminenter Bedeutung war, nämlich mit dem des Rechtsstaats.56 Im Einzelnen: »Der Staat« war in Deutschland bekanntlich lange Zeit die monarchische und bürokratische Exekutive. Seit dem 19. Jahrhundert unterlag diese Exekutive einer Selbstbindung des Souveräns, war die Verwaltung eine gesetzmäßige und der Staat – damit – Rechtsstaat.57 Für die Gesellschaft hieß das, dass sie 55 Zum nahezu zeitgleich stattfindenden Streit um die Wiederbewaffnung, in dem auch das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative zur Debatte stand, s. Günther, Denken, S. 105-107; Stolleis, Geschichte, Bd. 4, S. 160f. Dazu und zur (auch) um das Demokratieprinzip kreisenden Auseinandersetzung um die Zulässigkeit des politischen Streiks s. auch Florian Meinel, Der Jurist in der industriellen Gesellschaft. Ernst Forsthoff und seine Zeit, Berlin 2011, S. 360-363 und S. 402-404. 56 Zum Rechtsstaat und zur (mit ihm direkt zusammenhängenden) Unterscheidung von Staat und Gesellschaft vgl. Ernst Wolfgang Böckenförde, Entstehung und Wandel des Rechtsstaatsbegriffs, in: ders., Recht, Staat, Freiheit. Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte, Frankfurt a.M. 1991, S. 143-169; ders., Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, in: ebd., S. 209-243; Hans Heinrich Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Grundlagen von Staat und Verfassung, Heidelberg 1987, S. 1187-1223; Dieter Grimm, Zur politischen Funktion der Trennung von öffentlichem und privatem Recht in Deutschland, in: ders., Recht und Staat in der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt 1987, S. 84-103. 57 S. dazu Möllers, Leviathan, 15-22. Zur Entwicklung der Staatslehre im Kaiserreich vgl. auch Udo di Fabio, Die Staatsrechtslehre und der Staat, Paderborn/München/Wien/Zürich 2003, bes. S. 25-37; Günther, Denken, S. 29-33; Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft 1800-1914, München 1992, S. 322-459. Vgl. auch Görg Haverkate, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem. 2. Mitbericht, in: Die Bedeutung gliedstaatlichen Verfassungsrechts in der Gegenwart. Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem: Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Passau vom 7. bis 10. Oktober 1987, Berlin 1988, S. 217-258; Peter Becker, »Das größte Problem ist die Hauptwortsucht«. Zur Geschichte der Verwaltungssprache
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vom Staat (und seiner Rechtsordnung) gleichzeitig geschützt und klar getrennt wurde: Sie war Entfaltungsraum divergierender, individueller und partikularer, Interessen, von diesen bestimmt – und (daher) unfähig, diese Gegensätze (politisch) produktiv werden zu lassen. Die einzelnen Interessen mussten vielmehr vom Staat neutralisiert werden, dieser verfolgte (und definierte) das Gemeinwohl und war der Gesellschaft damit gegenübergestellt und übergeordnet. Idealtypisch und zugespitzt ausgedrückt, war »der Staat« theoretischer Bezugspunkt der konstitutionellen Monarchie des Kaiserreiches, Korrelat der »bürgerlichen Gesellschaft«, (als solcher) eine objektive und vielfach seinshafte Größe58 und, als Rechtsstaat, Kompensation für die ausbleibende vollständige Parlamentarisierung und Demokratisierung. Gegen die (auf immer stärkere Resonanz stoßenden und bisweilen erfolgreichen Forderungen) der Gesellschaft, den Staat und sein Handeln mitbestimmen zu können, musste er vielmehr abgeschottet werden. Denn Demokratie war ihrerseits gleichbedeutend mit dem Einbruch der Massen und der Herrschaft ihrer Interessen und Irrationalitäten, gefährdete den bürokratischen Rechtsstaat also in seinem Wesen und seiner Existenz. Sie stand also nicht nur real, sondern auch konzeptionell in einem Spannungsverhältnis, wenn nicht im Gegensatz zum Rechtsstaat und »seiner« Verwaltung. Dieses Spannungsverhältnis wurde auch in der Weimarer Republik, nicht aufgelöst,59 weder konzeptionell noch im Erleben der Allgemeinheit oder der Beamtenschaft. Obwohl die Artikel 129 bis 131 der Reichsverfassung die Rechte letzterer garantierten, standen viele der – »›gut qualifizierte[n] – Fachbeamte[n] der Demokratie innerlich fern‹« und in einer »Seelensympathie zur Rechten«60. Diese und ihrer Reformen, 1750-2000, in: ders. (Hg.), Sprachvollzug im Amt. Kommunikation und Verwaltung im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2011, S. 219-244. Zu den entsprechenden Gesellschaftskonzeptionen vgl. Nolte, Ordnung, S. 30-60. 58 Methodisch begründet bzw. abgesichert wurde die Konstruktion durch die in erster Linie von C. F. v. Gerber und Paul Laband entwickelte und »mit dem Souveränitätsbegriff verbundene Vorstellung eines einheitlichen [staatlichen] ›Willens‹« (Stolleis, Geschichte, Bd. 2, S. 458). Sie war allerdings, schon angesichts der dualistischen Verfassungsstruktur, nicht problem- und konkurrenzlos, zu ihr, ihren verschiedenen Ausprägungen und zum als Letztbegründung herangezogenen Gottesgnadentum und dessen Erosion vgl. Stolleis, Geschichte, Bd. 2, S. 330-378 und S. 423-459, bes. S. 458; Möllers, Leviathan, S. 17-19. 59 Zum Systemwechsel, seinen Problemen und der rechtswissenschaftlichen »Verarbeitung« vgl. Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur 1914-1945, München 1999, S. 74-124. 60 Eschenburg, Rückhalt, S. 74 und S. 75. Das erste Zitat stammt dabei von Arnold Brecht (18841977), zu ihm s. Corinna R. Unger, Arnold Brechts Vorschläge zur westdeutschen Verwaltung und Verfassung im Spannungsfeld von Expertise und Erfahrung, in: Margrit Seckelmann/Johannes Platz (Hg.), Remigration und Demokratie in der Bundesrepublik nach 1945. Ordnungsvorstellungen zu Staat und Verwaltung im transatlantischen Transfer, Bielefeld 2017, S. 155-170. Zu den Bemühungen der preußischen Staatsregierung um eine »Republikanisierung« der Verwaltung
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grundsätzliche Ablehnung, die der Republik bei Verwaltung und Beamtenschaft entgegenschlug, war zum einen deshalb von so großer Bedeutung, weil sie breit geteilt wurde. Um Möglichkeit, Wege, Ziele und Zulässigkeit einer demokratischen Staatskonzeption entspann sich bekanntlich eine heftige, die Stabilität, Legitimität und schließlich die Existenz der jungen Republik direkt berührende Debatte: Während Teile der Linken den neuen Staat (als repräsentative Demokratie, die weitreichende Sozialreformen zudem vermied) als eine auf halbem Weg steckengebliebene Neuerung ansahen, war dieser (als parlamentarische Demokratie und Republik) für weite Teile der politischen Rechten ein unzulässiger Bruch mit der tradierten Ordnung und den tradierten Ordnungsvorstellungen,61 deren Hort – also eben nicht nur in der Selbstwahrnehmung – die Verwaltung war. Die Auseinandersetzungen waren, und damit ist der zweite Punkt angesprochen, auch deshalb so heftig und schwerwiegend, weil sie um offene Verfassungsfragen kreisten, beziehungsweise an solchen ansetzten konnten: Die Reichsverfassung hatte den Reichspräsidenten bewusst als starkes Gegengewicht zum Reichstag konzipiert: Dieser verfügte, wie der Reichstag, über eine eigene demokratische Legitimation – und über das Notverordnungsrecht. Beides wurde in der politischen Realität immer wichtiger und bot nicht nur parlamentarisch-demokratischen, sondern auch konservativ-autoritären Interpretationen und Konzeptionen Anknüpfungspunkte. Fragen, wie das Verhältnis von Exekutive und Legislative, von Reichstag, Reichsregierung und Reichspräsident zu beschreiben war, waren also berechtigt, auf verschiedene Weise zu beantworten und in ganz grundsätzliche (rechtswissenschaftliche) Fragen übersetzbar. Diese Fragen stellten sich, drittens, auf doppelte Weise, da der Systemwechsel von 1918/19 ebenso als sachliches wie als methodisches Problem behandelt werden musste – und/oder konnte:62 Die Debatten s. Hagen Schulze, Otto Braun oder Preußens demokratische Sendung, Frankfurt a.M./Berlin/ Wien 1977, bes. S. 562-583 (das Zitat ist von S. 566); Albert Grzesinski, Im Kampf um die deutsche Republik. Erinnerungen eines Sozialdemokraten, hg. von Eberhard Kolb, München 2001, bes. S. 196-207. 61 Die Linke war dabei gespalten, bei einem Teil blieb die Forderung nach einer Räterepublik und umfassender Vergesellschaftung aktuell, die Kritik der die Republik tragenden Sozialdemokratie entzündete sich mehrheitlich am Ausbleiben durchgreifender wirtschaftlicher und sozialer Reformen. Rechte wie linke Wahrnehmungen wurden durch die (damit zusammenhängenden, aber auch strukturell bedingten) Schwierigkeiten, wenn nicht gar Dysfunktionalitäten des Weimarer Systems eher bestätigt als relativiert, vgl. zu den Entwicklungen (statt aller) Hans Mommsen, Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar 1918-1933, 3. Auflage, Berlin 2009, bes. S. 271-328; Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen, Bd. 1: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, München 2000, S. 378-551. 62 Oliver Lepsius, Die Wiederentdeckung Weimars durch die bundesdeutsche Staatsrechtslehre, in: Christoph Gusy (Hg.), Weimars lange Schatten – »Weimar« als Argument nach 1945, Baden-Baden 2003, S. 354-394, bes. S. 356.
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kreisten nicht nur um die Frage, »ob und wie die Begriffswelt […] aus dem dualistischen System des Konstitutionalismus«63 in die Republik übernommen werden konnte, sondern um das Ob und Wie der Entstehung, Durchsetzung und Wirksamkeit (staats-)rechtlicher Normen an sich.64 Damit erhielten seit langem geführte Diskussionen eine neue Aktualität, Brisanz und Dynamik.65 Staatsrechtslehrer wie Hans Kelsen, Hermann Heller, Carl Schmitt und Rudolf Smend entwickelten ganz neue (theoretische) Ansätze, um das Spannungsverhältnis von Staat und parlamentarischer Demokratie gänzlich – und in beide Richtungen – aufzulösen.66 Ihre Positionen lassen sich dabei kaum linear darstellen.67 Hans Kelsen und Hermann Heller votierten beide für die Republik und eine offene, in parlamentarischer und parteipolitischer Auseinandersetzung erfolgende Willensbildung. Beide reformulierten oder -definierten auf dieser Basis Staat und Staatsrechts63 So die konkret auf die Begriffswelt des Parlamentarismus bezogene Formulierung von Michael Stolleis, Stolleis, Geschichte, Bd. 3, S. 104. 64 Zu den im Kaiserreich geführten Debatten vgl. Stolleis, Geschichte, Bd. 2, bes. S. 330-378 und S. 423-459. S. auch Philipp Blom, Der taumelnde Kontinent. Europa 1900-1914, 7. Auflage, München 2015, passim. Diskutiert wurde insbesondere das Verhältnis der tradierten Methodik zur Realität. Dabei kamen sowohl politische Orientierungen wie soziologische Erkenntnisse und philosophische, insbesondere erkenntnistheoretische Umbrüche zum Tragen. Grob gesagt, versuchten die neuen Ansätze entweder die Realität (neu) zu beschreiben und die Methode an sie anzupassen. Oder sie problematisierten gerade solche Beschreibungsversuche, genauer die Möglichkeit, zu allgemeingültigen Aussagen zu kommen, und aktualisierten die erkenntnistheoretische Unterscheidung von Sein und Sollen. 65 Ein wichtiger Punkt war, dass die verschiedenen Methoden mit dem Systemwechsel sozusagen die Fronten gewechselt hatten: War mit dem (tradierten) Positivismus bisher die konstitutionelle Monarchie mitgetragen worden, war es nun die Republik. Wie Michael Stolleis betont, hatten viele Juristen damit auch keine Probleme, sie waren auf praktische Fragen orientiert und arbeiteten (mit dem tradierten Arsenal) im Rahmen der neuen Verhältnisse, manche, wie z.B. Gerhard Anschütz, sogar aus Überzeugung, s. Stolleis, Geschichte, Bd. 3, S. 114-116. Zu (entgegenstehenden) Versuchen, die Gründung der Republik »positivistisch« als Rechtsbruch zu begreifen, s. ebd., S. 162f. 66 Zu den Entwicklungen in der Staatsrechtswissenschaft und den insbesondere zwischen Hermann Heller (1891-1933), Hans Kelsen (1881-1973), Carl Schmitt (1888-1985) und Rudolf Smend (1882-1975) geführten Debatten vgl. Stolleis, Geschichte, Bd. 3, S. 38-202, bes. S. 153-202; ders., Im Bauch des Leviathan – Staatsrechtslehre im Nationalsozialismus, in: ders., Recht im Unrecht. Studien zur Rechtsgeschichte des Nationalsozialismus, Frankfurt a.M. 1994, S. 126-146; Günther, Denken, S. 29-56; Lepsius, Wiederentdeckung; Möllers, Leviathan, S. 23-26, jeweils m. w. N. Vgl. auch die knappe Schilderung des Streits bei Nolte, Ordnung, S. 154-156. Speziell zu Heller s. Christoph Müller/Ilse Staff (Hg.), Staatslehre in der Weimarer Republik. Hermann Heller zu ehren, Frankfurt a.M. 1985. 67 Sie unterschieden sich in Bezug auf die ins Zentrum gerückten Gegenstände, in der Perspektive, aus der diese ausgeleuchtet wurden, im Erkenntnisinteresse und der (politischen) Zielrichtung. Lepsius systematisiert das in Form einer Matrix, dem folgt diese Darstellung, vgl. Lepsius, Wiederentdeckung.
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lehre, allerdings in völlig verschiedener Weise und bewusstem Gegensatz. Während Heller, vom Staat ausgehend und dessen (sozialreformerisches) Sollen in den Mittelpunkt rückend, eine materiale Staatstheorie entwickelte, verband Kelsen demokratietheoretische Einsichten in die Relativität von Wertentscheidungen mit einem konsequenten Positivismus. Er verabschiedete den Staat nicht nur als vorgegebene, sondern als seinshafte Kategorie und begriff ihn als Ergebnis demokratisch-parlamentarisch geschaffener rechtlicher Sollenssätze. Ähnlich disparat sahen die Konzepte der anderen, die Republik, Demokratie, Parlamentarismus, Parteien und Pluralismus skeptisch bis ablehnend beäugenden Seite aus. Für Rudolf Smend war der Staat Ergebnis einer – (den einzelnen) aufgegebenen wie zwingenden – »geistigen Integration« in ihn und sowohl konkrete Wirklichkeit wie »überempirisch-zeitloser Sinnzusammenhang«68. Nicht nur weil sich damit die Staatsqualität der Weimarer Republik bestreiten ließ, sondern auch weil ein so verstandener Staat letzten Endes auf Homogenität, nicht auf Konf likte (beziehungsweise auf deren Ausgleich) zielte, also antipluralistisch gedacht wurde, konnte zum Beispiel Hans Kelsen diese Theorie als eine direkt gegen die Weimarer Reichsverfassung gerichtete begreifen. Rhetorisch zugespitzter, polemischer und wieder anders argumentierte bekanntlich Carl Schmitt. Er stellte die Weimarer Republik den klassischen liberal-konservativen Ansichten von Staat und Gesellschaft nicht gegenüber, sondern rückte sie in deren Kontinuität. Entsprechend war auch sein Gegenmodell nicht rückwärtsgewandt und auf den liberalen und bürgerlichen Rechtsstaat des 19. Jahrhunderts (oder dessen Restitution) ausgerichtet, sondern verabschiedete diesen sozusagen gleich mit. Zugespitzt ausgedrückt, polte Schmitt den Staat vom Recht auf die Politik um:69 Der Staat entstand durch politische Entscheidungen (nicht durch rechtliche) und war »die den Ausnahmezustand bändigende dämonische Macht«70. Diese politische Macht (Schmitts »Erkenntnisgegenstand«71) war im Kern Dezision, inhaltlich im Voraus nicht bestimmbar. Sofern diese Entscheidungen die Zustimmung der Regierten fanden, war der aus ihnen entstehende Staat ein demokratischer, beziehungsweise ein demokratisch legitimierter. Für den Demokratiebegriff hieß das, dass er weder als pluralistischer noch als ein auf Gestaltung orientierter zu verstehen 68 Günther, Denken, S. 40f. 69 Etwas weniger zugespitzt ausgedrückt, betrieb Schmitt praktisch wie theoretisch (rechtsphilosophisch) eine Politisierung des Rechts, dazu vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Der Begriff des Politischen als Schlüssel zum staatsrechtlichen Werk Carl Schmitts, in: ders., Recht, Staat, Freiheit. Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte, Frankfurt a.M. 1991, S. 344-366; di Fabio, Staatsrechtslehre, S. 40-45; Bernd Rüthers, Entartetes Recht. Rechtslehren und Kronjuristen im Dritten Reich, München 1994, bes. S. 62-76 und S. 103-120. 70 Stolleis, Geschichte, Bd. 3, S. 178. 71 Lepsius, Wiederentdeckung, S. 360. Zum folgenden vgl. ebd., passim, und Günther, Denken, bes. S. 34-44.
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war, er zielte also gerade nicht auf kontroverse Diskussionen und Entscheidungen über Ziele und Mittel staatlich-politischen Handelns und das entsprechende Personal. Vielmehr setzte er (in dieser Beziehung ähnelte sein Konzept dem Smends) politische Einigkeit, also Homogenität, voraus und bestand in der Identität von Regierenden und Regierten. Damit musste die repräsentative Demokratie Weimars als Widerspruch in sich erscheinen.72 Und ein neuer, starker bis autoritärer Staat, beziehungsweise der Ruf nach einem solchen, ließen sich grundsätzlich, tatsächliche Schritte in diese Richtung, wie eine Präsidialdiktatur und der »Preußenschlag«, konkret rechtfertigen.73 Schmitt konzentrierte sich bei seinem Neuentwurf einer konservativ-autoritären Ordnung direkt auf den Staat. Dagegen entwickelten seine Schüler eine solche von der Verwaltung aus (weiter): Ernst Forsthoff und Ernst Rudolf Huber74 gingen sozusagen einen Schritt zurück und ließen Staat und Verwaltung bewusst nicht restlos in der (nationalsozialistischen) Politik aufgehen. Gleichzeitig passten sie die klassischen Begriffe und Kategorien an die veränderten Gegebenheiten an und schlossen, von der überkommenen Verwaltungsrechtswissenschaft aus gesehen, eine immer offensichtlicher werdende Lücke. Deren berühmtester Repräsentant, Otto Mayer, hatte zwar das tradierte Verständnis der Verwaltung als Kern, Hort oder Garant »des Staates« – und diesen damit gleich mit – in die Republik gerettet, indem er dem Systemwechsel jede Bedeutung für Verwaltung und Verwaltungsrecht abgesprochen hatte. Er hatte allerdings nicht nur die politischen Veränderungen »planmäßig« unberücksichtigt (Mayer) gelassen, sondern auch die – immer deutlicher zu Tage tretenden – fundamentalen Veränderungen der Staats- beziehungsweise Verwaltungstätigkeit.75 Hier setzten (neben anderen) Forsthoff und Huber an: Sie ref lektierten die Entstehung neuer Rechtsgebiete und dogmatischer Neuerungen, erkannten und begriffen sie als tiefgreifende 72 Zum von Schmitt (u.a.) zugrunde gelegten Repräsentationsbegriff vgl. die Nachweise in Fußnote Nr. 15 und Nr. 34. 73 Das tat Schmitt bekanntlich, er war Prozessvertreter der Reichsregierung, als der Staatsgerichtshof sich 1932 mit dem »Preußenschlag« beschäftigte (»Preußen contra Reich«). Dort traf er auf Hermann Heller, der die Gegenseite, die SPD-Fraktion im preußischen Landtag, vertrat. Vgl. dazu Stolleis, Geschichte, Bd. 3, S. 121f. m. w. N. 74 Zu Ernst Forsthoff (1902-1974) s. Meinel, Jurist, hier bes. S. 36-47 und S. 101-222. Zu ihm und zu Ernst Rudolf Huber (1903-1990) vgl. auch Stolleis, Geschichte, Bd. 3, passim; Günther, Denken, S. 51-56. 75 Bekannt in diesem Zusammenhang ist das Vorwort des 1924 in 3. Auflage erschienenem Lehrbuchs Deutsches Verwaltungsrecht von Otto Mayer (1846-1924), dazu vgl. Stolleis, Geschichte, Bd. 2, S. 403-410. Zur Entwicklung von Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtslehre in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus s. Stolleis, Geschichte, Bd. 3, S. 203-245 und S. 351-380, ders., Verwaltungsrechtswissenschaft im Nationalsozialismus, in: ders., Recht im Unrecht. Studien zur Rechtsgeschichte des Nationalsozialismus, Frankfurt a.M. 1994, S. 147-170; ders., Die »Wiederbelebung der Verwaltungslehre« im Nationalsozialismus, in: ebd., S. 171-189.
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Veränderungen, banden sie theoretisch zurück und verdichteten sie zu einem neuen, die Trennung vom 19. Jahrhundert vollziehenden System. Konzentrierte Huber sich dabei auf die »Außensicht« – auf den Entwurf eines »dritten Weges zwischen Kapitalismus und Bolschewismus«76 – verfuhr Forsthoff »philosophisch nüchterner« (Stolleis77): Er stellte die Binnenperspektive in den Vordergrund und die (die Teilhabe des einzelnen sichernde) staatliche Leistung als zentral heraus. Diese »Daseinsvorsorge« (1938) ließ eine starke, handlungsfähige Verwaltung nicht nur als berechtigt, sondern als notwendig erscheinen. Die Trennung von Staat und Gesellschaft relativierte er also, ohne den Staat aber demokratisch zu konstruieren und unter Wahrung von Rest- oder Kernbeständen klassischer Staatlichkeit. Er entwarf also eine moderne (die gesamtgesellschaftlichen Veränderungen ref lektierende) Version einer autoritären, aber rechtsgebundenen staatlichen Ordnung. Solche Ansätze, also Konzepte, die die Verwaltung als Zentrum und/oder Ausgangspunkt von (Rechts-)Staatlichkeit begriffen, waren nach 1945 von elementarer Bedeutung für die Debatten um Wesen, Struktur und Ziele des neuen Gemeinwesens – beziehungsweise Folge, Ausdruck und Ausgangspunkt der starken konservativ-etatistischen Ausrichtung dieser Diskussionen.78 Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen bildeten die explizit parlamentarisch-demokratischen Konzepte gerade keine Anknüpfungspunkte – oder wurden gerade nicht als solche betrachtet. Das Werk des im Exil verstorbenen Hermann Heller war in großen Teilen verschüttet. Und das »staatstheoretische Erbe« Hans Kelsens, der im US-amerikanischen Exil blieb, wurde, auch wegen der so verbreiteten wie sachlich unberechtigten Vorstellung, der Positivismus habe die deutschen Juristen »wehrlos«79 gemacht, in Deutschland mit »bemerkenswerter Gründlichkeit […]
76 Konkret war bei Huber der im »Entscheidungskampf« mit der Privatwirtschaft siegreiche – beziehungsweise neu entstandene – starke bis autoritäre Staat in der Lage, die problematischen Auswüchse des Kapitalismus zu neutralisieren und damit gleichermaßen eine Alternative zum »Amerikanismus« wie zum »Bolschewismus« zu bilden, dazu Stolleis, Geschichte, Bd. 3, S. 229f. 77 Stolleis, Geschichte, Bd. 3, S. 367. 78 Vgl. dazu Günther, Denken, S. 57-210; Stolleis, Geschichte, Bd. 4, S. 37-289. S. auch Lena Foljanty, Recht oder Gesetz. Juristische Identität und Autorität in den Naturrechtsdebatten der Nachkriegszeit, Tübingen 2013. 79 Zur Wehrlosigkeitsthese, der Positivismusdebatte und deren Bedeutung (der bündigen Formulierung Foljantys nach wurden aus »den Opfern des Nationalsozialismus […] nachträglich Täter gemacht«) vgl. Foljanty, Recht, bes. S. 19-50 (das Zitat ist von S. 38). Vgl. auch Manfred Walther, Hat der juristische Positivismus die deutschen Juristen im »Dritten Reich« wehrlos gemacht?, in: Horst Dreier/Wolfgang Sellert (Hg.), Recht und Justiz im »Dritten Reich«, Frankfurt a.M. 1989, S. 323-354; Ingeborg Maus, Gesetzesbindung der Justiz und die Struktur nationalsozialistischer Rechtsnormen, in: ebd., S. 80-103.
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fast vollständig ignoriert«80. (Hinzu kam, dass die (wenigen) entschiedenen Demokraten unter den Juristen, die aus der Emigration zurückkehrten, sich, jedenfalls in Bezug auf die staatsrechtlichen Diskussionen, im wissenschaftlichen Abseits wiederfanden, nämlich in der von vielen Juristen als nicht satisfaktionsfähig betrachteten Politologie.81) Auch außerhalb der juristischen Zirkel kreiste die Debatte um die Ausgestaltung der politisch-staatlichen Neuordnung gerade nicht um die Demokratie: Obwohl letztere im Grundgesetz eindeutig fixiert und das »wichtigste[…] und frequentierteste[…] Hochwertwort der [unmittelbaren] Nachkriegszeit«82 war, blieb sie letzteres sozusagen auch. (Praktisch) erstrebt und (konzeptionell) entwickelt wurde nicht die Demokratie, sondern der Rechtsstaat: Er, beziehungsweise seine Wiederherstellung, galt nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus allgemein und über alle Unterschiede in politischen und methodischen Ansätzen und Zielen hinweg als primäre, essenzielle und absolute Notwendigkeit.83 Und an ihn wurde angeknüpft, wenn es darum ging, Staat und
80 Möllers, Leviathan, S. 32. Vgl. auch Matthias Jestaedt, »Des Wandermüden letzte Ruhestätte«. Die Nicht-Remigration Hans Kelsens, in: Margrit Seckelmann/Johannes Platz (Hg.), Remigration und Demokratie in der Bundesrepublik nach 1945. Ordnungsvorstellungen zu Staat und Verwaltung im transatlantischen Transfer, Bielefeld 2017, S. 239-262. Zur Bedeutung, die (demgegenüber) Carl Schmitt und Rudolf Smend, in der Bundesrepublik Bedeutung entfalteten, s. Günther, Denken, bes. S. 112-191; Lepsius, Wiederentdeckung, S. 363. 81 Das galt zum Beispiel für den bereits genannten Ernst Fraenkel (s. Fußnote Nr. 7). 82 Felbick, Schlagwörter, S. 175. 83 Zum Rechtsstaatsbegriff und seiner Bedeutung in der jungen Bundesrepublik vgl. Karl Dietrich Bracher, Die Kanzlerdemokratie, in: Richard Löwenthal/Hans-Peter Schwarz (Hg.), Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz, Stuttgart 1974, S. 170-201, S. 189; Günther, Denken, S. 91-93; Anna-Bettina Kaiser, Die Kommunikation der Verwaltung. Diskurse zu den Kommunikationsbeziehungen zwischen staatlicher Verwaltung und Privaten in der Verwaltungsrechtswissenschaft der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 2009, S. 80-110; Axel Schildt, Ende der Ideologien? Politisch-Ideologische Strömungen in den 50er Jahren, in: ders./Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 627-635; Michael Stolleis, Nach der Sintflut, in: ders., Ausgewählte Aufsätze und Beiträge, hg. von Stefan Rupp und Miloš Vec, Frankfurt a.M. 2011, S. 635-650; ders., Staatsbild; ders., Geschichte, Bd. 4, S. 211-289; ders., Verwaltungsrechtswissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland, in: Dieter Simon (Hg.), Rechtswissenschaft in der Bonner Republik. Studien zur Wissenschaftsgeschichte der Jurisprudenz, Frankfurt a.M. 1994, S. 227-258, bes. S. 236-252; von Beyme, Willensbildung, S. 823-832; Rainer Wahl, Herausforderungen und Antworten: Das Öffentliche Recht der letzten fünf Jahrzehnte. Überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrages, gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 12. Januar 2005, Berlin 2006, S. 16-41. Vgl. auch die Nachweise in Fußnote Nr. 56. Speziell zur Bedeutung des Rechtsstaatsbegriffs in den Auseinandersetzungen um die Bestrafung nationalsozialistischer Verbrechen bzw. für die Formulierung konservativer Positionen vgl. auch Foljanty, Recht, S. 51-81; Lenk, Konservatismus, S. 636f.; Dirk van Laak, Trotz und Nachurteil. Rechtsintellektuelle im Anschluß an das »Dritte Reich«, in: Wilfried Loth/Bernd-A. Rusinek (Hg.), Ver-
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Gesellschaft, Sein und Sollen (in) der jungen Bundesrepublik zu bestimmen und gegeneinander zu verorten und entsprechende Vorstellungen zu entwickeln.84 War die Berufung auf den Rechtsstaat an sich schon ein Rückgriff, kam hinzu, dass auch das Verhältnis zwischen ihm und parlamentarischer Demokratie tendenziell als ein spannungsreiches begriffen wurde. Zwar dachten einige Politiker (wie Theodor Heuss85) und Juristen (wie Wolfgang Abendroth) den Rechtsstaat mit der Demokratie (in Abendroths Fall auch mit dem Sozialstaat) zusammen.86 Die Mehrheit grenzte ihn aber – in verschiedener Intensität, Deutlichkeit und mit verschiedenen Akzentsetzungen – von der parlamentarischen Demokratie und ihrem Gestaltungswillen ab. Zum klassischen (formalen) Rechtsstaat(sbegriff) – dem des wohlgeordneten Verwaltungsrechts – wollte dabei nur eine Minderheit zurückkehren. Die überwiegende Mehrheit ref lektierte die Entwicklungen und Umwälzungen der letzten Jahrzehnte und wollte den Begriff in diesem Sinne verstanden wissen. Die theoretisch wahrscheinlich anspruchsvollste Möglichkeit, in oder mit der Verwaltung einen Restbestand an Staatlichkeit zu bewahren und diesen sowohl gegen den Zugriff des Parlaments (und damit der Gesellschaft) als auch gegen den der Justiz abzuschirmen, entwickelte dabei wiederum Ernst Forsthoff.87 Er grenzte, vereinfacht gesagt, den Rechtsstaat seiner Qualität, seiwandlungspolitik. NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, Frankfurt a.M. 1998, S. 55-77, hier S. 64. 84 Zu den zeitgenössischen Debatten vgl. die Nachweise in der vorangegangenen Fußnote sowie Lepsius, Wiederentdeckung, S. 378-381; Meinel, Jurist, S. 355-399; Möllers, Leviathan, S. 31-43; John Philipp Thurn, Welcher Sozialstaat? Ideologie und Wissenschaftsverständnis in den Debatten der bundesdeutschen Staatsrechtslehre 1949-1990, Tübingen 2013, bes. S. 22-118; Birgit von Bülow, Die Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit (1945-1952), Berlin/Baden-Baden 1996. 85 Theodor Heuss (1884-1963) begriff und forderte einen starken Rechtsstaat als Garantie der parlamentarischen Demokratie, s. dazu Ulrich Baumgärtner, Von einer Republik zur anderen: Theodor Heussʼ Wahrnehmung und Deutung der Weimarer Republik, in: Christoph Gusy, Weimars lange Schatten – »Weimar« als Argument nach 1945, Baden-Baden 2003, S. 92-117; Ernst Wolfgang Becker, Theodor Heuss. Bürger im Zeitalter der Extreme, Stuttgart 2011, bes. S. 111156; Joachim Radkau, Theodor Heuss, München 2013, bes. S. 302-319. Vgl. auch Kapitel 3.2.3. 86 Zu Wolfgang Abendroth (1906-1985) und seinen Mitstreiter, zu denen auch der ehemalige Mitarbeiter Hellers, Martin Drath (1902-1976) gehörte, s. Günther, Denken, S. 73f. und S. 94-96. Vgl. auch die Nachweise in Fußnote Nr. 84. Zum dahinterstehenden Unterschied zwischen dem deutschen Rechtsstaatsbegriff und dem anglo-amerikanischen »rule of law« s. auch Hennis, Rolle, S. 207f. Zu einzelnen und vorsichtigen Versuchen, sich Pluralismus und Demokratie »naturrechtlich« zu nähern, s. Foljanty, Recht, S. 117-136. 87 S. dazu Meinel, Jurist, bes. S. 355-400. Vgl. auch Lepsius, Wiederentdeckung, S. 378-381; Christian Schütte, Progressive Verwaltungsrechtswissenschaft auf konservativer Grundlage. Zur Verwaltungsrechtslehre Ernst Forsthoffs, Berlin 2006, passim; Werner Skuhr, Die Stellung zur Demokratie in der deutschen Nachkriegsdiskussion über den »demokratischen und sozialen Rechtsstaat«, dargestellt unter besonderer Berücksichtigung der Beiträge Ernst Forsthoffs, Berlin 1961; Ulrich Storost, Die Verwaltungsrechtslehre Ernst Forsthoffs als Ausdruck eines politischen
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nem Rang und seiner (rechtlichen) Struktur nach klar vom Sozialstaat ab. Ersteren ordnete er der Legislative zu und beschränkte diese (dadurch) auf Eingriffe in Eigentum und Freiheit der einzelnen. Letzteren begriff er weniger als Prinzip denn als bereits existentes (und der Verfassung vorausgehendes) Faktum. Ihn – und damit die eigentliche und kaum justiziable Gestaltungsmacht – verortete er bei der Verwaltung, trennte diese also von ihrem klassischen Bezugspunkt, dem Rechtsstaat. Zwar konnte sich Forsthoff damit nicht durchsetzen: Seine Vorstellungen wurden zum einen durch die »Konstitutionalisierung und umfassende[…] grundrechtliche[…] Subjektivierung« des Verwaltungsrechts »durch Rechtsprechung und Rechtswissenschaft«88 konterkariert. Zum anderen blieben sie nicht unwidersprochen: Dass Forsthoff dem Rechtsstaat im Grunde absprach, eine zentrale Bedeutung für die zeitgenössische Staats- und Gesellschaftsordnung zu entfalten, und die (damit zusammenhängende) Tatsache, dass er den Rechtsstaat nicht als materialen, als einen auf eine überpositive Gerechtigkeit verpf lichteten und orientierten dachte,89 unterschied ihn von der überwiegenden Mehrheit, die Verfassungsmodells, in: Erk Volkmar Heyen (Hg.), Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem Ancien Régime, Frankfurt a.M. 1984, S. 163-188; Dirk van Laak, From the Conservative Revolution to technocratic Conservatism, in: Jan-Werner Müller (Hg.), German Ideologies since 1945: Studies in the Political Thought and Culture of the Bonn Republic, New York/Basingstoke 2003, S. 147-160, bes. S. 154-156. Mit Florian Meinel lässt sich Forsthoffs Konzeption folgendermaßen skizzieren: Die Grundlage bildet die Analyse des von der Entstehung der Industriegesellschaft und Massendemokratie ausgelösten fundamentalen Wandels: Die Notwendigkeit der Daseinsvorsorge, die existenzielle Bindung der Staatsbürger an den staatlichen Verwaltungsapparat, hat eine soziologische, anthropologische und (damit) eine politisch-staatliche Dimension. Sie ist die Grundbedingung des gesellschaftlichen Lebens wie der (individuellen) Erwartungshaltungen. Die nur durch die Befriedigung letzterer (nicht mehr durch Diskussion und Öffentlichkeit) herzustellende gesellschaftliche Kohäsion ist ihrerseits die – neue – politische Substanz des Staates. Der – im Rousseau’schen Sinne als volonté générale verstandene – »›Volkswille war damit als Grundlage der politischen Ordnung endgültig diskreditiert‹« (Forsthoff, 1948, zitiert bei Meinel, Jurist, S. 331), das – seiner eigentlichen Aufgabe damit beraubte – Parlament nur mehr als Spielplatz für Ideologen aller Art denkbar. Seiner Macht und insbesondere seinen zwangsläufig erfolgenden Versuchen, »sich der Daseinsvorsorge zu bemächtigen« (Meinel, Jurist, ebd.), sind daher enge Grenzen zu setzen. In späteren Veröffentlichungen Forsthoffs brachte der zu einer Funktion der Gesellschaft gewordene Staat mit seiner Daseinsvorsorge überhaupt keine »geistige Konzeption einer sozialen Ordnung mehr« hervor und fiel als »Träger einer Idee des Sozialen« aus (Meinel, Jurist, S. 221). 88 Meinel, Jurist, S. 219f. Zur (sonstigen) Kritik an Forsthoffs Modell s. ebd., 383-385. 89 Um ihn gegen »den Zugriff sozialer Legitimitätsansprüche absichern zu können«, konzipierte, Meinel zufolge, Forsthoff den Rechtsstaat als Eigenwert, als Relikt einer ganz anders strukturierten Epoche. In der Gegenwart verfügte er also über keine jede soziologische und anthropologische Basis mehr und entfaltete (daher) keine begründende Kraft. Dagegen, dass Forsthoff der »rechtsstaatlich verfassten Massendemokratie« damit die »politische[…] Legitimität« aberkannte, also die »spezifische Aufeinanderbezogenheit«, ein praktisch wie theoretisch akzeptiertes und funktionierendes Ineinandergreifen »von rechtlicher, sozialer und politischer Ver-
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genau das tat und für angemessen hielt.90 Im Ergebnis lagen, jedenfalls in Bezug auf die parlamentarische Demokratie, die »juristische« Mehrheit und Forsthoff allerdings gar nicht weit auseinander: Auch mit der Betonung der Objektivität des (Rechts-)Staats (oder dessen Verpf lichtung auf sie) ließ sich das Bild einer neutralen »wahrhaft unparteiischen Staatsführung […], die sich über allem Parteiwesen als unantastbarer Hort der Gerechtigkeit erhebt«91, wenigstens potenziell, revitalisieren, die Handlungsfreiheit »des Staates« gegen den erstarkenden gesellschaftlichen Pluralismus sichern und der Spielraum der – demokratisch gewählten und in Parteien beziehungsweise Fraktionen organisierten – Legislative einschränken. Gleichzeitig – und zweitens – brach sich der unter anderem von Forsthoff beobachtete sozioökonomische Wandel weiter Bahn, und zwar in der Praxis wie in der (wissenschaftlichen) Ref lexion: In letzterer verdichteten sich die seit Jahrzehnten und von verschiedenen Disziplinen mit verschiedenen Methoden und (politischen) Zielrichtungen aus geführten Debatten um sein Ausmaß, seine Reichweite, seine Ursachen und Konsequenzen, kurz um die Kontur und Struktur der »industriellen Gesellschaft«, zu einer »intellektuell-politische[n] Gesamtdiagnose«92. Einprägsame Formulierungen, wie die der »nivellierten Mittelstandsgesellschaft« und der »industriell-bürokratischen Gesellschaft«93, die Helmut fassung« leugnete, formulierte erst Jürgen Habermas den entscheidenden Einwand, s. Meinel, Jurist, bes. S. 379-383, die Zitate sind von S. 383f.; Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit: Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft; mit einem Vorwort zur Neuauflage 1990, 4. Auflage, Frankfurt a.M. 1995, S. 326-342. 90 Hier überschnitten sich die Diskussionen um den Rechtsstaat mit denen, die um das Naturrecht geführt wurden, s. dazu Foljanty, Recht, bes. S. 41-50 und S. 84f. Vgl. auch Hasso Hofmann, Rechtsphilosophie nach 1945. Zur Geistesgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2012, bes., S. 7-25; Ulfried Neumann, Rechtsphilosophie in Deutschland seit 1945, in: Dieter Simon (Hg.), Rechtswissenschaft in der Bonner Republik. Studien zur Wissenschaftsgeschichte der Jurisprudenz, Frankfurt a.M. 1994, S. 145-187, bes. S. 145-164; Regina Ogorek, Rechtsgeschichte in der Bundesrepublik (1945-1990), in: ebd., S. 12-99, bes., S. 37-45. 91 So die Formulierung des Reichskanzlers von Papens in einer (ursprünglich als Regierungserklärung konzipierten) Rundfunkrede vom 12.9.1932, abrufbar unter: www.bundesarchiv.de/akten reichskanzlei/1919-1933/v1a/vpa/vpa2p/kap1_1/para2_6.html#d8e36, abgerufen am 4.5.2017. 92 Zu den Entwicklungen und Diskussionen vgl. Nolte, Ordnung, S. 208-390, bes. S. 273-317, das Zitat ist von S. 274; Bernhard Schäfers, Die westdeutsche Gesellschaft: Strukturen und Formen, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 307-348. Vgl. auch Everhard Holtmann, Flüchtlinge in den 50er Jahren: Aspekte ihrer gesellschaftlichen und politischen Integration, in: ebd., S. 349-361. 93 Die Begriffe entstammten der 1953 publizierten und weithin rezipierten Untersuchung Schelskys »Wandlungen der deutschen Familie in der Gegenwart«. Schelsky verarbeitete dabei auch die 1941 erschienene Monographie von Jens Burnham (1905-1987) »The Managerial Revolution«. Zu Helmut Schelsky (1912-1984) und zu seinen Thesen und Theorien vgl. die in der vorangegangenen Fußnote genannte Literatur sowie Hans Braun, Helmut Schelskys Konzept der »nivellier-
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Schelsky 1953 gelangen, beschrieben zwar mehr einen Orientierungspunkt als die Wirklichkeit. Sie verarbeiteten aber die Umbrüche, die Industrialisierung, Technisierung und die Tatsache bewirkten, dass einstmals wichtige Strukturelemente wie Militär, Konfession, Milieus nach dem Krieg »so nicht restauriert«94 wurden, – und machten diese »realer«95. An der Verwaltung anknüpfende Ansätze – wie die Forsthoffs – waren also inhaltlich und politisch anschlussfähig. Letztere waren es zudem, wie Forsthoff selbstbewusst betonte, auch moralisch. Schließlich hatte er sie in bewusster Abgrenzung vom nationalsozialistischen Staatsverständnis (und zum Teil vom nationalsozialistischen Staatshandeln) entwickelt.96 Drittens wurde ein »(Rechtstaats-)Denken von der Verwaltung her«, auch den Problemen gerecht, denen der Wille, am »Staat« festzuhalten, begegnete. Denn angesichts von Teilung, Niederlage und Kapitulation ließ sich mit guten Gründen bezweifeln, ob die Bundesrepublik überhaupt als Staat gelten konnte.97 Zudem hatte sich das Grundgesetz sehr viel klarer für die parlamentarische Demokratie, Parteien und Pluralismus entschieden, als es in der Weimarer Reichsverfassung der Fall gewesen war.98 Außerdem waren wichtige Bezugspunkte eines traditionellen, »starken« exekutivisch gedachten Staats gekappt worden: Auf einen Kaiser oder kaiserähnlichen Reichspräsidenten hatten die Mütter und Väter des Grundgesetzes sehr bewusst verzichtet. Auch der mit »dem Staat« klassischerweise korrelierende Begriff der Nation war ideell (nach der nationalsozialistischen Herrschaft) faktisch (durch die Teilung) keine selbstverständliche Größe mehr.99 Verwaltung und Beamtentum waren damit die einzig verbliebenen Bezugspunkte etatistischen Denkens. Zudem (und viertens) waren sie unverfängliche Bezugspunkte: Da Grundgesetz und Bundesrepublik, wie geschildert, über eine ten Mittelstandsgesellschaft« und die Bundesrepublik Deutschland der 50er Jahre, in: Archiv für Sozialgeschichte 29 (1983), S. 199-223. 94 Schäfers, Gesellschaft, S. 315. 95 Zur Bedeutung von Wahrnehmung und der sprachlichen Fassung für die »Wirklichkeit« s. Fußnote Nr. 2 und Kapitel 1.4 dieser Arbeit. 96 Vgl. die Einleitung in: Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1: Allgemeiner Teil, München 1950. Zu diesem Buch s. Stolleis, Geschichte, Bd. 4, S. 178-185. 97 Diese Frage war in völkerrechtlicher Hinsicht wie in Bezug auf innere Rechtsverhältnisse von Bedeutung (und ließ sich nur mit dem tradierten staatsrechtlichem Vorverständnis bejahen). Als einer der prominentesten Staatsrechtler verneinte sie Hans Kelsen, was seiner Beliebtheit in der Bundesrepublik weiteren Abbruch tat. Vgl. dazu Lepsius, Wiederentdeckung, S. 369f. und S. 375f.; Möllers, Leviathan, S. 34-37; Stolleis, Geschichte, Bd. 4, S. 32-37. 98 Ehemals grundsätzliche Streitpunkte waren damit entschieden oder so herabgestuft, dass sie nicht mehr als theoretische, sondern als Auslegungsfragen zu behandeln waren. Hinzu kam die liberalisierende und durchsetzungsfreudige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, s. dazu (statt aller) Stolleis, Geschichte, Bd. 4, S. 145-171. 99 Vgl. dazu Jarausch, Umkehr, S. 76-96, zum Verzicht Adenauers auf den Nationalstaat als Bezugspunkt der Außenpolitik s. Neidhart, Außenpolitik, S. 816.
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ganz andere Legitimität als die Weimarer Reichsverfassung verfügten, waren offene, strikte Frontstellungen gegen Republik, Parlamentarismus und Demokratie, wie sie sich in Weimar geltend gemacht hatten, obsolet.100 Konzepte, die die Verwaltung ins Zentrum stellten, knüpfte also auch an die »tieferstapelnde« bundesdeutsche Diskussionskultur an und boten eine Möglichkeit, etatistische Vorstellungen nicht in Form »systemalternativer« Ansätze, sondern im Rahmen des Grundgesetzes und der damit installierten demokratisch-parlamentarischen Ordnung zu entfalten. Um es zusammenzufassen: Personell, organisatorisch, aber auch ideell war die Verwaltung ein Hort der Kontinuität. Sie wurde etatistisch gedacht und Versuche, an etatistische Vorstellungen anzuknüpfen, die Bundesrepublik als neutralen bis objektiven exekutivischen (Rechts-)Staat zu konzipieren, setzten an ihr an. Als solche wurde sie gegen die (pluralistische) Demokratie, Parteien und Parlament zwar nicht, wie in Weimar, offen »in Stellung gebracht«, aber mehrheitlich auch nicht auf deren Entfaltung verpf lichtet. Stattdessen wurde ein Spannungsverhältnis angenommen und/oder wurde die so gedachte Verwaltung als Gegengewichte oder Korrektive betrachtet und entwickelt. Mit anderen Worten: Als Institution spiele die Verwaltung primär in Überlegungen eine Rolle, die etatistisch-konservative Vorstellungen auch in der neuen parlamentarischen Demokratie zu Geltung bringen wollten.
1.3 Die bauliche (Wieder-)Errichtung der Verwaltung … 1.3.1 … im Spannungsfeld von Neubeginn und Kontinuität Wie gesagt: Ganz anders als in institutioneller »präsentierte« sich die Verwaltung in baulicher Hinsicht: Hier stand statt Kontinuität und bewusster Kontinuitätswahrung der (Neuauf-)Bruch im Vordergrund. Und auch das ließ sich als Aussage über das gesamtgesellschaftliche Sein und Sollen verstehen. Schlussfolgerungen, dass sich Verwaltung und Staat mit den modernen Neubauten als »neue« und »moderne« präsentierten und damit »neu« und »modern« sein sollten und wollten, verfügten also über eine gewisse Plausibilität und Legitimität.
100 Das zeigten gerade die Reaktionen auf das Grundgesetz. Eine offene Kritik, wie sie Werner Weber (1904-1967) in seiner Göttinger Antrittsvorlesung 1949 formulierte, war zum einen eine Ausnahme. Zweitens begründete auch Weber seine Vorbehalte letztlich mit der Sorge um die Stabilität der durch das Grundgesetz installierten Ordnung. Zu den Reaktionen auf Weber s. Günther, Denken, S. 84f. und S. 176-180. Insgesamt zu den Reaktionen auf das Grundgesetz vgl. ebd., S. 83-93; Kurt Lenk, Zum westdeutschen Konservatismus, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 636-645, bes. S. 637-642; Stolleis, Geschichte, Bd. 4, S. 125-136.
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Allerdings galt das nur mit einigen Einschränkungen. Mehr als bei der institutionellen (Wieder-)Errichtung der Verwaltung existierten auf der baulichen Seite Faktoren, die den »modernen«, »kontinuitätsbrechenden Aussagewert« der Gebäude schmälerten oder verunklarten. Zum einen stieß eine moderne architektonische Gestaltung bei den Zeitgenossen auf weit weniger Zustimmung, als es bei dem kontinuitätswahrenden institutionellen Wiederauf bau von Beamtentum und Verwaltung der Fall war.101 Zweitens waren, knapp gesagt, »modern« und »Modernität« in Bezug auf die Architektur der 1950er Jahre schillernde und uneindeutige Begriffe. Sofern die »Modernität« der Nachkriegsarchitektur so gedeutet wurde, dass letztere den Anschluss an internationale Entwicklungen, an eine internationale Normalität vollzog oder etwas ganz Neues und Eigenständiges darstellte, lag der Akzent oft auf der Zukunftsgerichtetheit der Gegenwart. Die Natur dieser Gegenwart und/oder Zukunft wurde hingegen nicht weiter thematisiert, genauso wenig wie die jüngste Vergangenheit. Der Bruch mit letzterer war also ein impliziter. Die modernen Bauten waren daher, wie etwa Hannah Arendt kritisch anmerkte, auch eine Art Flucht: Sie suggerierten eine »von den Belastungen der jüngsten Vergangenheit scheinbar freie Welt«, eine selbstverständliche und »schuldenfreie«102 Zugehörigkeit zur westlichen Welt, verkörperten sozusagen die ohnehin weitverbreitete Weigerung, sich mit dem Nationalsozialismus tiefer auseinanderzusetzen.103 Ähnliches ergab sich, wenn »modern« und »Modernität« als Verweise auf eine sehr konkrete Vergangenheit verstanden und beschrieben wurden – auf progressive architektonische und städtebauliche Ansätze, wie sie sich auch und gerade in Deutschland seit Anfang des 19. Jahrhundert entwickelt hatten. Dann wurde die 101 S. dazu Christoph Hackelsberger, Die aufgeschobene Moderne. Ein Versuch zur Einordnung der Architektur der Fünfziger Jahre, München/Berlin 1985, S. 15-18. Vgl. auch Krieger, Wiederaufbau-Wettbewerb, S. 252f.; Klaus von Beyme, Umrisse einer Kunstpolitologie, in: ders., Kunst, S. 7-37, hier S. 26f. 102 Das analysierte Hannah Arendt in ihrem 1950 in New York erschienenen Essay, vgl. Hannah Arendt, Besuch in Deutschland, Berlin 1993, s. dazu auch Dieter Bartetzko, Ein Symbol der Republik, Geschichte und Gestalt der Frankfurter Paulskirche, in: Flagge/Stock (Hg.), Architektur, S. 108-125, die Zitate sind von S. 123. Vgl. auch die kritische Analyse von Jost Hermand, Kultur im Wiederaufbau, München 1986. 103 Vgl. dazu Frei, Vergangenheitspolitik; Garbe, Abkehr; Peter Reichel, Nach Diktatur, Krieg und Gewaltverbrechen. Wiederaufbau, politischer Wandel und Vergangenheitsbewältigung: die Bundesrepublik in den fünfziger Jahren, in: Winfried Nerdinger (Hg.) in Zusammenarbeit mit Inez Florschütz, Architektur der Wunderkinder. Aufbruch und Verdrängung in Bayern 19451960. Katalog zur Ausstellung des Architekturmuseums der TU München in der Pinakothek der Moderne, 3. Februar bis 30. April 2005, München 2005, S. 44-57; ders., Zwischen Dämonisierung und Verharmlosung: Das NS-Bild und seine politische Funktion in den 50er Jahren. Eine Skizze, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 679-692; Hurrelbrink, Der 8. Mai; Schildt, Umgang; Sontheimer, Adenauer-Ära, S. 213-218; Winkler, Weg, Bd. 2, S. 109-115 und S. 167-172.
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Nachkriegsarchitektur als eine begriffen, die am Anspruch der Klassischen Moderne ansetzte, einen eigenen, endgültigen, zeitlosen Formenkanon entwickelt zu haben,104 und/oder als eine, die eine eigene, unbelastete und von den Nationalsozialisten verfolgte Traditionslinie fortzusetzte.105 Last but not least wurde die Nachkriegsarchitektur auch als harmonische Verbindung der Klassischen Moderne mit traditionalistischen Richtungen beschrieben, die sich ebenfalls von den Nationalsozialisten verfolgt gesehen oder gefühlt hatten.106 Alle diese Varianten waren allerdings nicht unproblematisch und zu einem guten Teil konstruierte, was zumindest den (architektonisch) gebildeteren Zeitgenossen auch bewusst war. Denn architektonische und städtebauliche Ansätze und Berufsbiographien reichten nicht nur, sozusagen über den Nationalsozialismus hinweg, in die Bundesrepublik hinein. Sie wurden im erstgenannten auch wirksam, mitunter weiterentwickelt – und, mehr oder weniger bewusst, mit verschiedenen Akzentsetzungen und in einem neuen Rahmen in der Bundesrepublik fortgesetzt. Gestalterische, personelle und strukturelle Kontinuitäten existierten also auch hier und waren im Ausmaß zum Teil »[e]rschreckend[…]«107. Um es konkreter zu machen: Wie die Mehrheit der Verwaltungsangehörigen hatten auch die Architekten, traditionalistische, aber auch moderne, während der nationalsozialistischen Herrschaft (in mehr oder weniger herausgehobenen Positionen) im Arbeitsleben gestanden. Und auch für sie bedeutete das Kriegsende keinen völligen Bruch.108 Ähnliches ließ sich in konzeptioneller und gestalterischer Hinsicht sagen. Die Stadtplanung (die für Lage und Zuschnitt der für die Verwaltungsneubauten in Frage kommenden Grundstücke von Bedeutung war, aber auch Auswirkungen auf deren Gestaltung, insbesondere auf die Höhenentwicklung hatte) war beispielsweise einem Leitbild verpf lichtet, das weder eine Neuerfindung noch ausschließlich von »moderner« Seite aus verfolgt worden war: Die auf eine Durchdringung von Stadt und Landschaft und auf eine strikte Funktionstrennung beziehungsweise -entf lechtung 104 Vgl. dazu Benedikt Huber, Die doppelte Bedeutung der Form, in: Christian Süsstrunk/Benedikt Huber/Eidgenössische Technische Hochschule Zürich. Abteilung Architektur u.a. (Hg.), Die Bedeutung der Form, Zürich 1988, S. 6-9, bes. S. 7; Heinrich Klotz, Architektur als Bedeutungsträger – Architektur als Fiktion, in: ebd., S. 60-71, bes. S. 66. 105 Vgl. dazu Hillmann, Nachkriegsmoderne, S. 32-48. 106 S. dazu Lampugnani, Abenteuer, S. 15f. 107 Winfried Nerdinger, Materialästhetik und Rasterbauweise – Zum Charakter der Architektur der 50er Jahre, in: Durth/Gutschow, Architektur, S. 38-49, hier S. 40. Vgl. auch Lampugnani, Architektur, S. 201-205, von Beyme, Wiederaufbau, S. 47-59. 108 Vgl. dazu die grundlegende Studie von Werner Durth, Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900-1970, Neuausgabe München 1998, die die Tätigkeiten deutscher Architekten während und nach der nationalsozialistischen Zeit sowie Netzwerk- und Gruppenbildungen systematisch dargestellt und vor diesem Hintergrund die zeitgenössischen Auseinandersetzungen untersucht.
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abzielende »gegliederte und aufgelockerte Stadt«109 war zwar von progressiven Architekten in der Charta von Athen systematisch entwickelt worden.110 Unter anderen Vorzeichen (und eine monumentale Gestaltung anderer städtischer Bereiche einschließend) war das Konzept aber auch im nationalsozialistischen Deutschland entfaltet worden:111 Die Idee, die Städte weiträumig anzulegen, locker zu bebauen und Arbeit und Wohnen zu trennen, erschien nach den ersten Erfahrungen mit dem Luftkrieg (ab 1942) geradezu zwingend – und wurde, zumindest ansatzweise, realisiert: Entsprechende Vorstellungen wurden rechtlich fixiert112 und durch den 1943 ins Leben gerufenen und Albert Speer unterstellten »Arbeitsstab für den Wiederauf bau bombenzerstörter Städte« für einzelne Städte konkretisiert.113 Diese Pläne waren auch nach dem Krieg noch von Bedeutung, da viele ehemalige Mitarbeiter Speers in den Städten, für die sie im Arbeitsstab zuständig gewesen waren, als Dezernenten den Wiederauf bau leiteten.114 Auch die für die Nachkriegsarchitektur charakteristischen Konstruktionsweisen und Gestaltungselemente waren im nationalsozialistischen Deutschland üblich oder zumindest bekannt gewesen. Rationalisierung und Normierung prägten die Bau109 So der Titel des 1957 erschienenen einflussreichen Buches von Johannes Göderitz, Roland Rainer und Hubert Hoffmann. Ihren Anfang hatte die Idee, Wohnen, Arbeiten und Verkehr getrennt voneinander zu organisieren, in der Gartenstadtbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts. Vgl. dazu Werner Durth, Die Stadtlandschaft. Zum Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt, in: ders./Gutschow, Architektur, S. 24-37; ders., Auflösung; ders., Entwicklungslinien in Architektur und Städtebau. Ein Rückblick als Skizze, in: Ideen, Orte, Entwürfe, S. 11-41; ders., Utopie; ders./Niels Gutschow, Architektur und Städtebau der Fünfziger Jahre, Bonn 1987, S. 28-33. Zur Bedeutung der Landschaft – und damit der Ästhetisierung der Natur – für die Ausbildung individueller und kollektiver Identitäten s. Irene Nierhaus, Pastor/ ale – das soziale Grün als biopolitischer Raum, in: Seidl (Hg.), Raumtypen, S. 111-119. Vgl. auch Sonja Hnilica, Metaphern für die Stadt. Zur Bedeutung von Denkmodellen in der Architekturtheorie, Bielefeld 2012, S. 103-142. 110 Die Charta von Athen wurde 1933 auf dem IV. Congrès International d’Architecture Moderne (CIAM) beschlossen. 1943 in modifizierter Form von Le Corbusier (Charles-Eduard Jeanneret, 1887-1965) publiziert, entfaltete sie vor allem in der Nachkriegszeit Bedeutung (eine deutsche Ausgabe erschien 1962). Vgl. dazu Hanno-Walter Kruft, Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart, 6. ergänzte Auflage, München 2013, S. 456-465. 111 Vgl. dazu die Nachweise in Fußnote Nr. 109 sowie Marcus Termeer, Gartenstadt als Disziplinar-Raum. Zur politischen Wirkmacht von »Heimatschutz«-Siedlungen, in: Seidl (Hg.), Raumtypen, S. 71-86. 112 Das geschah vor allem dadurch, dass bereits bestehende Richtlinien in diesem Sinne geändert wurden. S. dazu Durth, Architekten, bes. S. 252-257. 113 Dieser Arbeitsstab steht im Mittelpunkt der in Fußnote Nr. 108 genannten Untersuchung Durths und dessen These einer starken, über Netzwerke vermittelten architektonischen und stadtplanerischen Kontinuität; dazu vgl., allerdings skeptisch, Hillmann, Nachkriegsmoderne, S. 50f. und Nerdinger, Aufbruch. 114 Dazu s. Durth, Deutsche Architekten, passim.
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tätigkeit nicht erst seit den 1950er Jahren, das Standardwerk, die Bauentwurfslehre von Ernst Neufert (»der Neufert«) war 1936 in erster Auf lage erschienen.115 Und die gerade für Amtsgebäude der 1950er Jahre so typische Rasterbauweise war bereits erprobt, entsprechende Bauten existierten in Deutschland seit Anfang des 20. Jahrhunderts.116 Andere Elemente waren in den 1930er Jahren in Skandinavien und in der Schweiz üblich und in Deutschland bekannt geworden.117 Zudem, und das war noch wichtiger, existierten auch in umgekehrter Richtung Kontinuitäten: Direkt im Nationalsozialismus »eingeübte Formen« wurden in Nachkriegsbauten mehr oder weniger »unauffällig adaptiert« (Hillmann)118 oder ganz unverhohlen aufgegriffen. Dass, anderslautenden Beteuerungen zum Trotz in der bundesdeutschen – modernen – Nachkriegsarchitektur Anknüpfungen an im Nationalsozialismus errichtete Bauten zu beobachten waren, sorgte, wie gesagt, schon bei den Zeitgenossen, vor allem, aber nicht nur bei informierteren und architektonisch (aus)gebildeten, immer wieder für Irritationen und Diskussionen. Gleichzeitig machte es eine Charakterisierung der Nachkriegsarchitektur über viele Jahre schwierig und
115 Ernst Neufert (1900-1986) war von 1936 bis 1944 als selbstständiger Architekt vor allem im Industriebau tätig. Obwohl er in gestalterischer Hinsicht seinen bauhäuslerischen Überzeugungen treu blieb (und auch nicht in die NSDAP eintrat), wurde er in das nationalsozialistische Bauwesen eingebunden und gefördert und konnte mit seinen Methoden die (Industrie-)Baupraxis revolutionieren. 1944 wurde er mit Zuständigkeit für den Bereich Normung Mitglied des genannten Arbeitsstabes für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte. Zu ihm s. Durth, Architekten, S. 511 und passim; von Beyme, Wiederaufbau, S. 61. 116 Seit den 1940er Jahren wurde diese Bauform besonders in der schweizerischen Architektur weiterentwickelt und systematisiert, dazu und zur handwerklichen Prägung der Nachkriegsarchitektur, die in einem gewissen Gegensatz zu Neuferts Betonung der ökonomischen Rationalisierung stand, s. Nerdinger, Materialästhetik, S. 44-47. 117 Nerdinger zufolge betraf das zum Beispiel »dünne auskragende Dächer […] abgesetzte, aufgeglaste Dachgeschosse, Fassadenornamentierung mit Beton-Fertigteilen oder dünne Holzlamellen an Wänden und Balkonbrüstungen«, Nerdinger, Materialästhetik, S. 42-44. Zentral für die Verbreitung waren ihm zufolge die Zeitschrift »Moderne Bauformen« und die 1940 in Berlin publizierte Monographie von Steen Eiler Rasmussen, Nordische Baukunst. Beispiele und Gedanken zur Baukunst unserer Zeit in Dänemark und Schweden. 118 Hillmann, Nachkriegsmoderns, S. 251 (im Anschluss an Nerdinger, Nachweise ebd.). Offener spricht Stock von »deutlichen NS-Reminiszenzen«, s. Wolfgang Jean Stock, gebaute Verfassung, in: Flagge/ders. (Hg.), Architektur, S. 276-285, hier S. 279. Geläufige Beispiele für solche offenen Anknüpfungen sind das Bankhaus Trinkhaus (Helmut Hentrich, 1949/50) und die Europahalle (Julius Schulte-Frohlinde, 1952) in Düsseldorf, vgl. Hillmann, Nachkriegsmoderne, S. 250-266; Schulze, Verwaltungsbauten, bes. S. 103-109. Ein Beispiel für eine Überformung im NS beliebter Formen ist nach Hillmann das Institut für Bergbau und Hüttenwesen der TU Berlin (Willy Kreuer, 1955-1959), s. dazu ebd., S. 155-181 und S. 252.
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kontrovers.119 Inzwischen überwiegen differenzierende Ansätze und Einordnungen; diese betonen, dass (auch) in der Architektur zweifelsohne zu beobachtende (und mehr oder weniger ausgeprägte) gestalterische Kontinuitäten einen prinzipiellen Unterschied zu früheren Bauformen nicht ausschließen.120 Der damit bejahte eigenständige Charakter der Nachkriegsarchitektur bestand (und besteht) damit in einem gewissen Massencharakter und einer klaren Tendenz zu Technisierung und Standarisierung in Entwurf und Bauausführung. Hinzu kommt weniger eine neu entwickelte Formensprache als eine stilistische Vielgestaltigkeit, Kombinationen bereits ausgeformter, unter Umständen aus neuen Materialien hergestellter Gestaltungselemente und – damit – eine veränderte Intention: Jedenfalls dem Architekten Rem Koolhaas zufolge zielte die Architektur(sprache) der 1950er Jahre nicht auf eine soziale oder kulturelle Erziehung, sondern auf Ausdruck und Wirkung der Materialien.121 119 Als zusammenfassende, theoretisch reflektierte Analyse der Debatte um die bundesdeutsche Nachkriegsarchitektur und als eigene Position vgl. Hillmann, Nachkriegsmoderne, S. 15-63, bes. S. 48-53. Vgl. auch den Überblick bei Krieger, Wiederaufbau-Wettbewerb, S. 27-31. Knapp gesagt lassen sich folgende Stationen ausmachen: Der gelungene architektonische Neuanfang, der zunächst und für lange Zeit das (Selbst-)Bild bestimmte, wurde seit den 1970er Jahren hinterfragt. Ausgehend von der in den 1960er Jahren formulierten Kritik am Städtebau der Nachkriegszeit wurde zunächst das »gelungen« in Frage gestellt und der Nachkriegsarchitektur grundsätzlich und pauschal jede ästhetische Qualität abgesprochen. In den 1980er Jahren rückte dann der »Neubeginn« in den Fokus: Biografische und architekturgeschichtliche Untersuchungen legten die weitreichenden personellen und gestalterischen Kontinuitäten offen. Der Neuanfang erschien vor diesem Hintergrund als Schutzbehauptung, wenn nicht gar als Legitimierungsstrategie der Architekten, die Architektur als eine insgesamt in der Tradition der Dreißigerjahre stehende. Die prononciertesten Formulierungen gelangen dabei 1985 Christoph Hackelsberger (»Die aufgeschobene Moderne«). Diese pauschale Zuordnung (beziehungsweise Verdammung) stieß ihrerseits auf Widerspruch. S. dazu (statt aller) Nerdinger, Materialästhetik. Neuere architekturhistorische Darstellungen betonen den Eigenwert der Nachkriegsarchitektur, wobei sie detaillierte Analysen einzelner Gebäude und ihrer Entstehung mit einer Reflexion der zugrundeliegenden Überzeugungen und Entwurfshaltungen verbinden, vgl. Andreas Butter, Neues Leben. Neues Bauen, Die Moderne in der SBZ/DDR 1945 bis 1951, Berlin 2006; Durth/Gutschow, Architektur; Ideen, Orte, Entwürfe; Meyer zu Knolle, Vertikale; Sonja Hnilica/Markus Jager/Wolfgang Sonne (Hg.), Auf den zweiten Blick. Architektur der Nachkriegszeit in Nordrhein-Westfalen. Katalog zur Ausstellung vom 25. September bis 9. November 2010 im Dortmunder U, Bielefeld 2010. Zu den Debatten um die Einordnung der NS-Architektur und des Neuen Bauens, mit denen die gerade genannten unmittelbar verbunden sind, vgl. Fußnote Nr. 23. 120 Nerdinger, Materialästhetik, bes. S. 40f. 121 S. dazu Nerdinger, Materialästhetik; Almut Gehebe-Gernhardt, Architektur der 50er Jahre in Frankfurt a.M. am Beispiel der Architektengemeinschaft Alois Giefer und Hermann Mäckler, Frankfurt a.M. 2011, S. 29. Vgl. auch Hillmann, Nachkriegsmoderne, S. 18-20; Klaus von Beyme, Gibt es einen Stil der fünfziger Jahre in der Architektur, in: Adelheid von Saldern (Hg.), Bauen und Wohnen in Niedersachsen während der fünfziger Jahre, Hannover 1999, S. 53-63, bes.
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All dies kam in Bürobauten ebenso beispielhaft zum Ausdruck wie es sich in ihnen beispielhaft ausformte. Zugleich rückt damit ein bereits angesprochener Punkt in den Fokus: Die Bereitschaft, gesamtgesellschaftlichen Sinn zu stiften, Bedeutung zu entfalten der Aussagewert und der Aussagewille der modernen Gebäude war weniger ausgeprägt, als es bei früheren Bauten der Fall gewesen war. (Das zeigte sich auch daran – und es erklärt –, dass die Entscheidung für eine moderne Gestaltung in aller Regel zwar eine bewusste, aber nicht weiter erörterte war und sich gerade nicht in detaillierteren, einheitlichen und fixierten Gestaltungsprogrammen niederschlug.122) Zusammengenommen hieß das: So klar und selbstverständlich, wie die (Verwaltungs-)Architektur in einer direkten Beziehung speziell zu Staat, Politik und gesamtgesellschaftlicher Ordnung stand und gestellt wurde, so schwierig war es, konkrete und eindeutige Aussagen aus ihr abzuleiten. Dabei kamen nicht nur die geschilderten Unsicherheiten über Wesen und Zweck von Verwaltung und Staat zum Tragen, beziehungsweise zum Ausdruck. Fragen, ob und wie Verwaltung und Staat baulich Ausdruck verliehen werden konnte, musste oder sollte, waren vielmehr für die moderne Architektur(sprache) nicht unproblematisch beziehungsweise wurden von Seiten der Architektur gerade in den Hintergrund gerückt – sie auch in ihrem Selbstverständnis weit weniger eindeutig »politisch codiert« (Welzbacher)123, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen war.
1.3.2 … und das Verhältnis von moderner Architektur zum demokratischen Staat und zur demokratischen Politik Diese geringere politische Codierung der Nachkriegsarchitektur hatte sich bereits in der Klassischen Moderne ausgeprägt (insofern war die beschriebene zeitgenössische Einordnung der Nachkriegsarchitektur als Fortsetzerin der Klassischen Moderne plausibel). Genauer gesagt hatte zwischen dem Bemühen um ein elementares Formvokabular und dem (revolutionären) Gestaltungsanspruch ein Spannungsverhältnis bestanden: Die Vorstellung einer unmittelbaren, originären, engen, ja exklusiven Beziehung zwischen Staat/Politik und Architektur, die spätestens seit der Moderne galt – und sich nicht zuletzt im Begriff der Repräsentation niederschlug –,124 war nach dem Systembruch im 20. Jahrhundert keiS. 60-63. Zu den verschiedenen Richtungen in der Nachkriegsarchitektur vgl. auch den kurzen Überblick bei Kutting, Verwaltungsarchitektur, S. 26-34. 122 S. dazu Durth, Utopie, S. 152. Zur Architekturtheorie in der jungen Bundesrepublik (und ihrer Provinzialität) s. auch Kruft, Geschichte, S. 506. 123 Die Formulierung ist angelehnt an Welzbacher, Staatsarchitektur, S. 272. 124 Die Architektur verdrängte dabei ältere Formen wie tierische Darstellungen oder die Schiffsmetapher, s. Horst Bredekamp, Artikel »Staat«, in: Uwe Fleckner/Martin Warnke/Hendrik Ziegler (Hg.), Handbuch der politischen Ikonographie, Bd. 2: Imperator bis Zwerg, München 2011,
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nesfalls aufgelöst, sondern neu belebt worden: Nahezu alle politischen Konzepte begriffen Architektur und Städtebau als wichtige Felder,125 umgekehrt wurden architektonische Gestaltungsformen zumindest potenziell politisch aufgeladen. Architektur und gesamtgesellschaftliche Ordnung wurden gleichermaßen auf eine Erneuerung verpf lichtet und dabei eng und direkt aufeinander bezogen: Die Überzeugung, dass Architektur die sozialen Beziehungen und Ordnungen nicht nur (bewusst oder zufällig) ausdrückte,126 sondern formen konnte (wenn nicht sollte), war für viele Architekten des Neuen Bauens und der Neuen Sachlichkeit leitend und für das Bauhaus programmatisch.127 Dabei trafen sie aber nicht unbedingt eindeutige und nicht unbedingt dieselben Aussagen: Auch (und gerade) Architekten, die sich nach dem Ersten Weltkrieg dezidiert für eine neue Ordnung einsetzten, präzisierten diese nur selten. Hinzu kam, dass Architektur anders gedacht wurde: Ihre Erneuerung sollte eine permanente sein, was »für eine regelmäßige Entwertung der eigenen Produkte«128 sorgte; sie selbst sollte ihre Autonomie behaupten (oder zurückerlangen), ihre Form also (von jedem Eklektizismus) gereinigt und aus ihrem Eigenwert entwickelt werden.129 Wenn also Alternativen S. 373-380, hier S. 377. Vgl. auch Adolf Arndt, Demokratie als Bauherr. Vortrag in der Akademie der Künste Berlin 1960, in: Flagge/Stock (Hg.), Architektur, S. 52-66, hier S. 53; Bund Heimat und Umwelt in Deutschland (BHU) (Hg.), Staatsformen prägen Baustile, Bonn 2006; Winfried Nerdinger, Politische Architektur. Betrachtungen zu einem problematischen Begriff, in: Flagge/ Stock (Hg.), Architektur, S. 10-31; Ernst Seidl, »Politischer Raumtypus«. Einführung in eine vernachlässigte Kategorie, in: ders. (Hg.), Raumtypen, S. 9-19; Klaus von Beyme, Erziehung zum Untertanen. Erhebung und Einschüchterung in der Architektur, in: ders., Kunst, S. 239-255; Martin Warnke, Politische Ikonographie. Hinweise auf eine sichtbare Politik, in: Claus Leggewie (Hg.), Wozu Politikwissenschaft? Über das Neue in der Politik, Darmstadt 1994, S. 170-178. 125 S. dazu Freigang, Moderne, S. 267. 126 Zur Unterscheidung von bewusster und zufälliger »Materialisation sozialer Herrschaft« in der Architektur vgl. Robert Breuer (eigentlich Lucian Friedlaender), Der Städtebau als architektonisches Problem, in: Kunstgewerbeblatt NF 12 (1911), Heft 11, S. 201-210, bes. S. 201f. Darauf aufbauend unterscheidet Wolfgang Sonne architektonische Symptome von ebensolchen Symbolen, s. Sonne, Hauptstadtplanungen, S. 2. 127 Enormen Einfluss erlangten diese Vorstellungen, als der bereits genannte Congrès International d’Architecture Moderne (CIAM) sie fixierte und programmatisch formulierte. Er stellte die Architektur ausdrücklich in den Dienst des Menschen, maß ihr wirtschaftliche und soziale Aufgaben zu und plädierte für den umfassenden und rational geplanten Neubau. Die Gründung der Gruppe im schweizerischen Chateau de la Sarraz wurde von Le Corbusier initiiert, aus Deutschland waren u.a. Ernst May, Walter Gropius und Hugo Häring beteiligt. Die von 1928 bis 1959 stattfindenden Kongresse waren eine einflussreiche Denkfabrik für Architekten und Stadtplaner. Vgl. dazu Durth/Sigel, Baukultur, S. 191-198. 128 Welzbacher, Staatsarchitektur, S. 272. Vgl. auch Durth/Sigel, Baukultur, S. 232-246. 129 S. dazu Klaus von Beyme, Politische Ikonologie der modernen Architektur, in: ders., Kunst, S. 307-345, hier S. 325. Zu den verschiedenen Ansätzen s. auch Durth/Sigel, Baukultur, bes. S. 232-246.
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zu »bisherigen Ausdrucksformen von Macht und Herrschaft« entwickelt wurden,130 geschah das faktisch – und nicht weil die neuen Bauten unmittelbar in (neuen) politischen Kategorien beschrieben wurden und/oder eindeutig und positiv mit der Republik, mit (bestimmten) demokratischen/republikanischen Prinzipien in Verbindung gebracht werden konnten. Wie es Welzbacher formuliert, hätte die »Entwicklung hin zu einem egalitären Formensystem durchaus als Ausdruck einer Demokratisierung der Formen – und damit der Gesellschaft – gelesen werden können«131. Gerade wegen der »fehlenden Verwurzelung der Moderne in einem historisch-politischen Bezugssystem der Stile und Bedeutungen« wurden die aus dem Primat der Funktion entwickelten Bauformen aber »frei interpretierbar«132 – und konnten sich konkret Versuche, Repräsentation durch ihre programmatische Unterdrückung zu erreichen, nicht durchsetzen. Für die Nachkriegsarchitektur hieß das, dass eine moderne Formensprache nicht eindeutig und positiv auf Republik und Demokratie bezogen war. Anders, und auch das war von elementarer Bedeutung, war es aber um eine solche Zuordnung ex negativo – und um eine Zuordnung traditionaler Architektur und »undemokratischer« politischer Vorstellungen – bestellt: Die Gegner der Weimarer Republik brachten diese, zusammen mit Revolution und Internationalismus, bekanntlich direkt, klar und gerne mit der architektonischen Moderne in Zusammenhang, bestritten damit die Legitimität beider – und verbanden ihre (traditionelleren) architektonischen Vorstellungen genauso direkt, klar und gerne mit ihren politischen und gesamtgesellschaftlichen Ideen. Zwar ist umstritten, wie die Reichweite und Bedeutung der sich an Bauprojekten entzündenden Konf likte einzuschätzen ist.133 Unstreitig ist aber, dass zumindest einige von ihnen eine politisch-ideologische Dimension hatten oder gewannen – und dass beides durch die Nationalsozialisten (bewusst) gesteigert und zugespitzt wurde. Diese bezogen die Architektur und die gesamtgesellschaftliche Ordnung (beziehungsweise die Neuorientierung beider) ganz eindeutig, eng und direkt aufeinander; überspitzt ausgedrückt wurde die Architektur politisiert und die Politik »architekturisiert«: Die Diskreditierung des Neuen Bauens (und die Verfolgung seiner Vertreter) im Namen des »gesunden Volksempfindens« war ein wichtiger Teil – und Demonstration – des nationalsozialistischen (Selbst-)Verständnisses, die Schließung des 130 Nerdinger, Strich, S. 90. 131 Welzbacher, Staatsarchitektur, S. 272. 132 Ebd. bzw. ebd., S. 14-28. Vgl. auch Durth/Sigel, Baukultur, S. 225-231. Verkörpert wurden die angesprochenen Versuche in dem (von 1920 bis 1933 amtierenden) Reichskunstwart Erwin Redslob (1884-1973) und dem Respekt, den dieser der Autonomie der Architektur entgegenbrachte. 133 Legendär ist beispielsweise der »Zehlendorfer Dächerstreit«, der sich um die Siedlung Onkel Toms Hütte und um die Siedlung am Fischtalgrund entspann, s. dazu Freigang, Moderne, S. 230-237 (m. w. N.). Skeptisch, was Ausmaß und Bedeutung der Debatten angeht, ist Nerdinger, Strich, passim.
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Bauhauses in Berlin-Lankwitz 1933 ein bewusster politisch-symbolischer Akt.134 Umgekehrt betrachtete sich Hitler bekanntlich als »Baumeister« des neuen nationalsozialistischen Deutschlands und die – zahlreich entstehenden – oft monumentalen Neubauten als unmittelbaren und angemessenen Ausdruck der nationalsozialistischen Ideologie oder Ideologeme.135 Für die bundesrepublikanische Verwaltungsarchitektur besonders wichtig waren dabei zwei Aspekte. Zum einen der Umstand, dass die Architektur und ihr »Ausdruckswille« nach 1933 besonders auf den Staat, beziehungsweise auf die im nationalsozialistischen Sinne umzuformende staatliche Ordnungsmacht gerichtet wurde (und umgekehrt). Der Staat wurde nicht nur »zu einem Bauträger von bislang unbekannter Größenordnung«136. Gerade Staatsbauten entstanden auch in einem deutlich größeren Ausmaß als notwendig,137 und der »staatliche Aspekt« wurde bei Neubauten betont.138 Auch die Architekten wurden wie kaum 134 Das 1919 begründete Bauhaus wurde 1924 aus Weimar und 1931, als die NSDAP die Mehrheit in der Stadt erlangte, aus Dessau verdrängt. Als private Einrichtung existierte es in Berlin-Lankwitz, bis es 1933 zur Selbstauflösung gezwungen wurde. Zum ihm vgl. Durth/Sigel, Baukultur, S. 137-161; Freigang, Moderne, S. 220f., S. 237-241; Wolfgang Pehnt, Deutsche Architektur seit 1900, 2. Auflage, Ludwigsburg/München 2006, S. 120-127; Winfried Nerdinger, Das Bauhaus zwischen Mythisierung und Kritik, in: Ulrich Conrads u.a. (Hg.), Die Bauhaus-Debatte 1953. Dokumente einer verdrängten Kontroverse, Braunschweig/Wiesbaden 1994, S. 7-19; Klaus von Beyme, Das Bauhaus als politische Metapher. Künstlerische und politische Fraktionskämpfe im Bauhaus, in: ders., Kunst, S. 374-401. Zur Situation moderner Architekten nach 1933 s. Lampugnani, Abenteuer, S. 14f., S. 18-23. 135 Die architektonische Gestaltung der einzelnen Gebäude unterschied sich nach der Bauaufgabe: Grob gesagt, war für öffentliche Gebäude ein monumentaler Neoklassizismus reserviert, im Siedlungsbau dominierte ein traditionalistischer Heimatstil, während im Industriebau die funktionalistische Architektur fortgesetzt wurde. Mittig zufolge ging das aber nicht mit einem geringeren Interesse am Industriebau daher, dieser sei vielmehr als integraler Teil im »mehrschichtige[n] Ganze[n]« der »Regime-Architektur zu begreifen, s. Mittig, Industriearchitektur, das Zitat ist von S. 79. Insgesamt zur Architektur im nationalsozialistischen Deutschland (und darüber hinaus) vgl. Durth/Sigel, Baukultur, S. 278-385; Freigang, Moderne, S. 60-63; Lampugnani, Abenteuer; Pehnt, Architektur, S. 195-232 und die Nachweise in Fußnote Nr. 23. 136 Freigang, Moderne, S. 61. 137 Darauf – und auf den darin liegenden Unterschied zur Weimarer Republik – macht Martin Bredenbeck aufmerksam, Martin Bredenbeck, Wie baut man Sparsamkeit? Gedanken zu einer Kunstgeschichte der externen Finanzkontrolle, in: 300 Jahre externe Finanzkontrolle. Borschüre zur Ausstellung des Bundesrechnungshofs vom 10.7.2015-11.1.2015, Bonn 2015, S. 116-147, S. 126. Zum nationalsozialistischen Umwerben der Architekten s. auch Durth, Utopie, S. 144147, zu Reaktionen der Architekten und ihrer Verbände vgl. Durth/Sigel, Baukultur, S. 278-385. Zu den nur in sehr geringer Anzahl realisierten Staatsbauten der Weimarer Republik s. Arndt, Demokratie, S. 53; Welzbacher, Staatsarchitektur. 138 Vgl. etwa das Protokoll einer reichsweiten Besprechung von Liegenschaftsreferenten von 1937, in dem festgehalten wird, dass die »Eigenschaft der Arbeitsamtsgebäude als öffentliche Gebäude […] bei Neubauten mehr in den Vordergrund gestellt werden [solle], gegebenenfalls
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eine andere Berufsgruppe von den Nationalsozialisten umworben und explizit als »Träger« der »Staatskultur«139 begriffen. Diese Einbindung der Architekten hatte direkt mit dem zweiten Aspekt zu tun: Sie lag auch darin begründet – beziehungsweise zeigte –, dass gerade die Nationalsozialisten der Architektur eine den neuen Staat und die neue Ordnung nicht nur ausdrückende, sondern mitformende (und die Gesellschaft formierende) Kraft zumaßen: Sie konnte in besonderer Weise »politische Vorstellungen verkörpern und verräumlichen«140. Das war zwar, wie gesagt, keine »Erfindung« der Nationalsozialisten. Ausmaß und Intensität, in dem die im Nationalsozialismus errichteten Neubauten den gesamtgesellschaftlichen Umbau nicht nur sichtbar, sondern in gewisser Weise möglich machten, indem sie die für die Herrschaftsinszenierung, Machtdemonstrationen und Massenmobilisierung notwendigen Bühnen und Räume überhaupt erst schufen,141 waren aber neu – und für viele Zeitgenossen eine prägende Erfahrung. In seinem berühmt gewordenen Vortrag, den Adolf Arndt 1960 in der Berliner Akademie der Künste hielt, stellte der Bundestagsabgeordnete und langjährige Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion knapp fest, es gebe »politisch einen totalitären Raum, der nicht dem Menschen etwas ausrichtet, sondern der […] den Menschen ausrichtet«142. Oder wie der legendäre Stadtbaurat von Hannover, Rudolf Hillebrecht, es 1966 formulierte, »›wussten‹« die Nationalsozialisten »›die Möglichkeiten der Darstellung ihrer politischen Struktur und Macht‹« und die Wirkungen der »›in Bauformen manifestierte[n] Dogmen‹« auf die Bevölkerung, »›kurz‹« die »›Wechselwirkungen zwischen Stadtform und Lebensform, wohl zu nutzen‹«143. selbst auf Kosten der besonderen Zweckbestimmung«, zitiert bei Christiane Mattiesson, Die Rationalisierung des Menschen. Architektur und Kultur der deutschen Arbeitsämter 1890-1945, Berlin 2007, S. 349. Vgl. auch die von Kraemer geschilderten Planungen einer Kriegsakademie, Kraemer, Bauten, S. 316 und Hartung, Bausteine, passim. 139 Eduard Führ: Über die Kultur der Architekten und Ingenieure im ›Dritten‹ Deutschen Reich, abrufbar unter www.theo.tu-cottbus.de/Lehrstuhl/deu/fuehr-ns.html, abgerufen am 25.2.2017. S. auch Durth, Utopie, S. 147. 140 Hartung, Bausteine, das Zitat ist von S. 144, vgl. auch die folgende Fußnote. 141 Vgl. dazu Durth/Sigel, Baukultur, S. 331-336; Freigang, Moderne, S. 61f. und S. 255-259; Steffen Krämer, Achsen für den Aufmarsch. Zur politischen Inszenierung des urbanen Raumes im Dritten Reich, in: Seidl (Hg.), Raumtypen, S. 87-98; von Beyme, Erziehung, S. 249; Otto Karl Werckmeister, Der Sowjetpalast in Moskau und die große Kuppelhalle in Berlin als projektierte Bauten einer totalitären Volksrepräsentation, in: Dolff-Bonekämper/Kier (Hg.), Städtebau, S. 114-130. 142 Arndt, Demokratie, S. 55f., das Zitat ist von S. 55. Zum Vortrag und zu Adolf Arndt (1904-1974) vgl. Dieter Gosewinkel, Adolf, Arndt – Die Wiederbegründung des Rechtsstaats aus dem Geist der Sozialdemokratie (1945-1961), Bonn 1991. 143 Zitiert bei Hans Adrian, Ideen, die überlebten, in: Durth/Gutschow, Architektur, S. 14-23, S. 22. Als ehemaliger Mitarbeiter Konstanty Gutschows und im Arbeitsstab Speers wusste Hillebrecht dabei, wovon er sprach, zu ihm vgl. Durth, Architekten, S. 510f. und passim; Krieger,
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War die Architektur im Nationalsozialismus also theoretisch und praktisch von so zentraler Bedeutung für Selbstverständnis und Herrschaftsanspruch, dessen Ausdruck und Durchsetzung gewesen, galt Ähnliches für das Baugeschehen in der DDR: Auch der ostdeutsche Teilstaat »besetzte« nicht nur das traditionalistische Vokabular. Wenn eine entsprechende Gestaltung als »national in der Form und sozialistisch im Inhalt«144 bestimmt und dem »formalistischen« und »kapitalistischen« und/oder »kosmopolitischen« bundesdeutschen Wiederaufbau entgegengesetzt wurde,145 wurde auch die aktive, gestaltende Dimension der Architektur betont. Das wurde in der Bundesrepublik seinerseits thematisiert und hervorgehoben: Einem vom Ministerium für gesamtdeutsche Fragen herausgegebenen Handbuch über die SBZ/DDR zufolge prägte die (Kunst-)Politik der DDR die dortige Architektur, indem sie ihr »den Stempel der herrschenden Kunstrichtung auf[drückte]«, und war im anderen deutschen Teilstaat die Architektur grundsätzlich »mehr als andere bildende Künste […] berufen, die ›gesellschaftliche‹ Entwicklung zugleich zu beeinf lussen und zu repräsentieren«146. Die neu entstehenden bundesdeutschen Gebäude wandten sich also in doppelter Weise gegen jedes »›diktatorische Bauen‹«147: Sie konterkarierten (vielfach) nicht nur Monumentalität und »Repräsentativität«, wie sie im Nationalsozialismus gepf legt worden waren und (anders) in der DDR gepf legt wurden. Sie reagierten auch auf die in den Vordergrund gerückte Repräsentation, die Dominanz und Wiederaufbau-Wettbewerb, passim. Zur berechtigten Frage, inwieweit (solche) Wirkungsabsichten auch Wirkungserfolge zeitig(t)en s. Mittig, NS-Stil, bes. S. 108f. 144 So lautete ein zeitgenössischer, der Idee nach auf Lenin zurückgehender Slogan. Maßgeblich waren die 1950 formulierten »16 Grundsätze des Städtebaus«, die ein einheitliches urbanistisches Konzept mit monumentalen Bauten und einer hierarchisch gestuften Stadtsilhouette vorsahen. Im Rahmen einer Reise von deutschen Architekten und Baufunktionären in die Sowjetunion im April/Mai 1950 als Reaktion auf den sog. Kollektivplan zum Wiederaufbau Berlins (bzw. auf dessen Weiterentwicklung zum Generalaufbauplan durch die Ostberliner Behörden) entwickelt, wurden sie im Juli 1950 durch die Regierung der DDR beschlossen. Vgl. dazu: Durth, Kontraste, S. 599-602; Frank, Monument, S. 221-224; Warnke, Stein, S. 94-119. 145 Das war eine Formulierung von Kurt Liebknecht (1905-1994), zitiert bei Warnke, Stein, S. 96. Vgl. auch die Beiträge Edmund Colleins in der Zeitschrift »Deutsche Architektur« Anfang der 1950er Jahre, zu Edmund Collein (1906-1992), s. Gerd Dietrich, »Collein, Edmund«, in: ebd., abrufbar unter: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/wer-war-wer-in-der-ddr-%2363;-1424. html?ID=504, abgerufen am 4.6.2018. Zu Theorie und Praxis des Baugeschehens in der DDR s. auch Durth, Utopie, S. 152-159; ders./Sigel, Baukultur, S. 429-440; Kündiger, Fassaden, S. 81-100. Vgl. auch die Nachweise in Fußnote Nr. 26. 146 Anfangssatz des Artikels »Architektur«, in: SBZ von A - Z …, hg. vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, 10. Auflage, Bonn 1966, S. 40, als Zitat auch bei Åman, Architektur, S. 146. 147 So die Beschreibung des Entwurfs, mit dem sich Willy Kreuer und Gerhard Jobst im Wettbewerb um die Bebauung des Hansa-Viertels in Westberlin durchsetzten, zitiert bei Freigang, Moderne, S. 270f.
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Betonung des Staates, staatlich-politischer Gestaltungsansprüche und auf die die »(Über-)Politisierung« der Architektur. Die hier in Rede stehenden Verwaltungsgebäude taten das, wie eingangs beschrieben, gestalterisch und typologisch: Frühere Verwaltungsbauten waren eben nicht nur aufwändig gestaltete, sondern an der Spitze der Gebäudehierarchie stehende Staats- und Regierungsbauten gewesen. Als Bürobauten waren die neuen bundesdeutschen Amtsgebäude demgegenüber solche, die von den Staatsbauten seit jeher klar unterschieden wurden, nicht nur sehr viel bescheidener gestaltet waren, sondern eben auch weniger darauf abzielten, eine über sich selbst hinausgehende Bedeutung zu entfalten und (im klassischen Sinne) repräsentativ zu sein. Sie verzichteten nicht nur darauf, den beschriebenen nationalsozialistisch-staatlichen Neuordnungswillen zu betonen, sondern auch darauf, wie noch im Kaiserreich, den objektiven exekutivischen Staat zu verkörpern, dessen seinshafte, aber unsichtbare Substanz manifest zu machen. Damit waren sie, jedenfalls im klassischen Verständnis, »entpolitisierte«, ja »entstaatlichte« Gebäude.148 Der (tradierte Rechts-)Staat, auf den die Verwaltung institutionell bezogen wurde, dessen Substanz oder Kernbestand sie bewahrte, wurde in den Amtsbauten also gerade zurückgenommen. Und die vielfach bewusst etatistisch gedachte Verwaltung trat in Gebäuden in Erscheinung, die zwar, wie eingangs erwähnt, grundsätzlich die »Bedeutung des Staates«149 darstellen sollten, mit (solchen) überkommenen Vorstellungen aber gleichzeitig brachen. Zudem (und mit dem zuletzt Genannten zusammenhängend) gaben diese Neubauten aber nicht klar zu erkennen, was an die Stelle dieser alten Vorstellungen trat. Fragen danach, was die Unterschiede und speziell die bauliche Bescheidenheit, der Repräsentationsverzicht und die Nichtbetonung von Macht und Herrschaft für wen bedeuteten, waren eben nicht geklärt und ließen sich auf mehr als eine Weise beantworten. Um es konkret zu machen: Wer oder was sich in puncto Macht und Herrschaft genau zurückhielt oder aus diesen Dimensionen herausgelöst wurde, war nicht festgelegt, waren es, »nur« die Amtsgebäude, war es »nur« die Verwaltung oder war es das staatliche Handeln oder gar der Staat selbst? Wie weit reichte diese Zurückhaltung oder Herauslösung, auf was zielte sie? Ging es »nur« darum zu verhindern, den »Staat in einer möglichen totalitären Ausformung auch nur im Ansatz spürbar werden zu lassen«150 oder um mehr? Und wenn ja, um was? Ging es um einen »neuen« Staat und/oder um eine »neue« Architektur? Verkörperten die neuen Amtsbauten eine staatlich-politische Ordnung, in der »nur« die Verwal148 Vgl. dazu die Fußnoten Nr. 34 und Nr. 15. 149 Vgl. Fußnote Nr. 33. 150 Kaspar Kraemer, Ästhetik des politischen Raums. Selbstverständnis des Staates im Spiegel öffentlicher Bauten, in: Otto Depenheuer (Hg.), Staat und Schönheit. Möglichkeiten und Perspektiven einer Staatskalokagathie, Wiesbaden 2005, S 75-87, hier S. 84.
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tung anders in Erscheinung trat, eine, in der die Architektur insgesamt weniger emotionale und dynamisierende Wirkungen entfaltete, eine, in der die Architektur weniger konstitutiv war, oder eine, die ihrerseits weniger dynamisch war und/ oder weniger »Bedarf an Sinnbildern einer fiktiven Gemeinschaft«151 hatte? Ließen sich diese Aspekte, ließen sich Architektur und die gesamtgesellschaftliche Ordnung überhaupt trennen, wenn ja, wie, und was hieß das? Kurz: Für wen oder was entfaltete der Repräsentationsverzicht Bedeutung und worin bestand diese? Bevor dem nachgegangen wird, ist noch auf drei Dinge hinzuweisen. Zum einen: Dass in der Nachkriegsarchitektur eine Neuausrichtung stattfand, dass ein Repräsentationsverzicht kennzeichnend war und dass das wichtig war, erkannten und thematisierten schon die Zeitgenossen. Der bereits genannte Friedrich Wilhelm Kraemer diagnostizierte eine zeitgenössische Leidenschaft für Bürobauten und leitete aus ihr eine grundsätzliche Einordnung der gesamtgesellschaftlichen Gegenwart ab: Der »vielgeschossige Großbau« war für ihn nicht nur Zeugnis und Motor des zeitgenössischen Stils, sondern »Chiffre« der Zeit, »sichtbar gewordener Ausdruck« der gegenwärtigen »Weltanschauung«. Ihm kam in Kraemers Augen die emblematische Bedeutung zu, wie sie die Tempel im alten Griechenland, die Foren und Circi im alten Rom, die Dome im Mittelalter, die Paläste und Rathäuser in der Renaissance und die Schlösser mit Gartenparks im Barock gehabt hatten: Sie zeigten, wie es Kraemer formulierte, dass die Verwaltung für die zeitgenössische Gesellschaft zentral und letztere insgesamt eine primär »an die ökonomische Lebenssicherung«152 gefesselte war. Etwas anders drückte sich Rudolf Wolters aus: Der Verzicht auf gegliederte, Hierarchien ausdrückende und betonende Gebäudekomplexe markierte für ihn den Verzicht auf den – Architekten und Politiker eigentlich gleichermaßen auszeichnenden – Willen zur Ordnung.153 Die gesamtgesellschaftliche Ordnung, die die Bürobauten verkörperten, war für beide also pragmatischer, egalitärer als vorangegangene, weniger auf Gestaltung, bewusstes Wollen, transzendente oder ideale Größen hin orientiert, als auf die Erfüllung elementarer Bedürfnisse konzentriert. Kurz: Sie ähnelte dem, was aus ganz anderer Perspektive etwa von Ernst Forsthoff propagiert wurde. 151 Durth, Utopie, S. 152. 152 Kraemer, Bauten, S. 315. Kraemer hatte dabei vor allem die (in großer Zahl errichteten) Verwaltungsgebäude der Privatwirtschaft im Auge. 153 Die Äußerungen sind zitiert in Durth, Architekten, S. 342 und S. 412, zu den Hintergründen vgl. ebd., passim. Vgl. auch Kapitel 3.3.3. Rudolf Wolters (1903-1983) war in der Behörde Generalinspektor für die Reichshauptstadt, als Schriftleiter der Zeitschrift »Baukunst« und als Leiter des Arbeitsstabes für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte tätig gewesen. Nach dem Krieg baute er Coesfeld, seine Heimatstadt, mit auf. Er organisierte er die finanzielle Unterstützung der Familie Albert Speers, nach dessen Entlassung aus der Haft kam es allerdings zum Bruch. Zu ihm vgl. Durth, Deutsche Architekten, S. 517 und passim; Durth/Sigel, Baukultur, S. 473f.
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Dominierte bei Kraemer und Wolters (trotz der Unterschiede) ein resignierender Grundton, gab es, zweitens, auch Stimmen, die die Einordnungen teilten, aber die Veränderungen als Gewinn begriffen. Sie brachten die neuen Gebäude offen und offensiv mit den klassischen Antipoden des tradierten Staates, Gesellschaft und Demokratie, in Verbindung – versuchten also, sie positiv politisch zu codieren (und die eben aufgeworfenen Fragen eindeutig zu beantworten). In diesem Sinne äußerte sich beispielsweise im Jahr 1950 kein Geringerer als der »Doyen« der bundesdeutschen Nachkriegsarchitektur (Lubitz), Otto Bartning – und zwar gleichsam ex cathedra, nämlich in der Rede anlässlich seiner Wahl zum Präsidenten des Bundes Deutscher Architekten (BDA). Seine Forderung nach »absoluter Einfachheit und Ehrlichkeit«, nach einem Verzicht auf »historische Allüren und falsche Pracht« für »Gebäude[…] der Verwaltung und der Regierung«, begründete er mit einer (in eine mitunter irritierende Begriff lichkeit gekleideten) grundlegenden Bedeutungs- und Kompetenzverlagerung, wenn er erklärte: »Meine Herren Regierenden, das sind ja nicht ihre Gebäude, das sind unsere Gebäude. Es geht um den gültigen Ausdruck unseres Volkes«.154 Den unrepräsentativen Bauten gerade der öffentlichen Hand maß er also eine repräsentative Kraft zu: Ihre Funktionalität und Nüchternheit dienten ihm als Beleg dafür, dass die Gestaltungsmacht im neuen Gemeinwesen – im architektonischen und politischen Sinn – nicht mehr bei den »Herren Regierenden«, also beim Staat, lag, sondern beim »Volk« (oder dafür, dass letzteres zumindest der Bezugspunkt für die Exekutive und für das ganze Gemeinwesen war). Auch wenn solche Äußerungen die Gestaltungsmacht »des Volkes« faktisch für die Architekten als Vertreter »des Volkes« reklamierten und damit die Einbindung von Architektur und Architekten in Staat und Politik sozusagen im Vorbeigehen lösten:155 Solche Einordnungen leiteten aus den modernen Amtsgebäuden Aussagen über Verwaltung und Staat ab, die mit dem tradierten – und mit dem kontinuitätswahrenden institutionellen
154 Zu Otto Bartning (1883-1959) vgl. statt aller Jan Lubitz, Otto Bartning. 1883-1959, abrufbar unter www.architekten-portrait.de/otto_bartning/, abgerufen am 31.5.2018; Durth/Sigel, Baukultur, S. 411f. und passim. Die Rede ist auszugsweise abgedruckt bei Martin Seidel, Die Wiedergründung des BDA 1946-1949: Kontinuität und Neuanfang, in: Bund Deutscher Architekten (BDA) (Hg.), Chronik einer Wahlgemeinschaft 1903-2013, Berlin 2013, Bd. 5: Deutschland im Wiederaufbau 1946-1959, S. 4-8, hier S. 6f. Vgl. auch die ähnlich gelagerte, aber stärker auf den Entwurf einer egalitären und kooperativen Arbeitsgesellschaft ausgerichtete Rede Hillebrechts vom 28.8.1953, s. Meyer zu Knolle, Vertikale, S. 288-296 und S. 380-384. S. auch Krieger, Curtain Walls, S. 301. Die von Bartning vorgenommene enge Verbindung von Architektur und Gesellschaft legitimierte und unterstützte ihn und den BDA auch in dem Versuch, Bauten der öffentlichen Hand durch private Architekten errichten zu lassen, die entsprechende Auseinandersetzung lässt sich in den Akten der Bundesbauverwaltung gut nachvollziehen, vgl. BArch B 157/bes. 19, 20, 21, 1669, 3519 sowie BArch N 1314/220 (Nachlass Erich Welter). 155 In diese Richtung geht auch Martin Seidel, s. Seidel, Wiedergründung, S. 7.
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Wiederauf bau gerade zumindest zum Teil bestätigten – (Selbst-)Verständnis direkt konkurrierten. Die bauliche Gestaltung zentraler Einrichtungen der jungen Bundesrepublik warf also nicht nur die Frage auf, wie weit die Kontinuitätswahrung reichen konnte und was diese umfassen sollte. Mindestens potenziell war sie auch ein (weiteres) Feld, von dem aus traditionelle (Selbst-)Bilder angegriffen und traditionelle Orientierungen und Autoritäten erschüttert werden konnten.156 Darauf, dass der architektonische und der institutionelle (Wieder-)Auf bau tatsächlich zu »Identitätskonf likten« führen konnte, ein Spannungsverhältnis also nicht nur eine theoretische Möglichkeit blieb, sondern praktisch relevant wurde, gibt es, drittens, einen Hinweis: Einer der ersten und wichtigsten Bauten der jungen Bundesrepublik, das bereits erwähnte 1948/49 von Hans Schwippert (um-)gebaute Bonner Bundeshaus,157 enthüllte schlaglichtartig, welchen Konf likten – und welchen Lösungen – Versuche begegnen konnten, die Fragen nach Gestalt und Gestaltung öffentlicher Gebäude bewusst (in den Mittelpunkt) zu stellen, klar und eindeutig zu beantworten und die moderne Architektur unmittelbar mit der Demokratie in Verbindung zu bringen beziehungsweise die Demokratie aus und in der Architektur zu entwickeln. Das Bundeshaus wurde nicht nur zum Gegenstand handfester Auseinandersetzungen zwischen Architekten und Bauherr, zweier parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, einer gerichtlichen Auseinandersetzung und einer lebhaften öffentlichen Debatte. Es wurde auch zum auslösenden Moment für die Gründung einer weiteren staatlichen Baubehörde, der Bundesbaudirektion (BBD). Das Gebäude und die mit ihm zusammenhängenden Geschehnisse waren also, so die These, paradigmatisch: Sie hinterließen Spuren und beeinf lussten die Errichtung und Rezeption weiterer staatlicher Neubauten, wie sie in der vorliegenden Arbeit untersucht werden, und sollen daher abschließend kurz dargestellt werden.
156 Zu entsprechenden Konflikten s. Jarausch, Umkehr, S. 183-189. 157 Mit Abstrichen gilt das auch für das 1949/50 ebenfalls von Schwippert zum Bundeskanzleramt umgebaute Palais Schaumburg, das hier aber nicht detaillierter behandelt wird. Von zentraler Bedeutung für die Frage des »Bauens in der Demokratie« war auch der Wiederaufbau der Frankfurter Paulskirche, zu ihr s. Bartetzko, Symbol und Kapitel 3.2.3 dieser Arbeit.
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1.3.3 Die Errichtung und die Auseinandersetzung um das Bonner Bundeshaus als paradigmatische Ereignisse Wie angedeutet, sollte, jedenfalls nach dem Willen des (umbauenden) Architekten, Hans Schwippert,158 das Bundeshaus ein explizit modernes und ein ebenso explizit demokratisches Gebäude werden.159 In diesem Sinne ließ sich schon der Ursprungsbau verstehen: Die von 1930 bis 1933 nach Plänen des Regierungsbaumeisters Martin Witte vom Freistaat Preußen errichtete Pädagogische Akademie galt als beispielhafter Bau des Neuen Bauens160 (und war deshalb bei ihrer Einweihung am 2. Oktober 1933 das Ziel heftiger Angriffe durch die Nationalsozialisten gewesen). Diesen Charakter beim Umbau zu wahren, war Schwipperts erklärtes Ziel; das Bundeshaus sollte als Bekenntnis zum Neuen Bauen, als bauliche Fassung der mit ihm assoziierten demokratischen Tradition gelten und der bundesdeutschen Demokratie (buchstäblich) Gestalt und Raum verschaffen. Ganz anders sah es allerdings beim Bauherren, dem Bund, aus. An symbolischen Bekenntnissen irgendeiner Art war ihm im Zusammenhang mit dem (Um-) Bau ganz offensichtlich nicht gelegen, und an Bekenntnissen zum modernen Bauen oder gar zu Schwipperts baulicher Fassung und Interpretation der parlamentarischen Demokratie schon gar nicht: Die Modernität des Ursprungsbaus wie des Architekten hatte in den politischen Entscheidungsfindungen keine Rolle 158 Der Architekt Hans Schwippert (1889-1973) hatte sich zunächst in Richtung der konservativen Stuttgarter Schule um Paul Schmitthenner orientiert, ab Mitte der 1920er Jahre aber, beeinflusst von Erich Mendelsohn und Mies van der Rohe, dem Neuen Bauen zugewandt. Bis zur Schließung 1934 lehrte er an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Aachen, danach übernahm er Lehraufträge an der dortigen Technischen Hochschule. Ab 1945 leitete er die Abteilung Wiederaufbau des Oberpräsidiums der Nordrhein-Provinz, aus der dann das Wiederaufbauministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hervorging. Hier baute er Kontakte zu Hermann Wandersleb, dem Chef der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei, Leiter des »Büros Bundeshauptstadt« und ab 1949 Staatssekretär im Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, und Adenauer auf. 1947 war er an der Neugründung des Deutschen Werkbunds beteiligt, im selben Jahr übernahm er eine Professur in Aachen und die Leitung einer Baukunstklasse an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Vgl. zu ihm Agatha Buslei-Wuppermann, Hans Schwippert 1899-1973. Von der Werkkunst zum Design, München 2007, bes. S. 27-30. 159 Zum Bundeshaus vgl. Guido Brendgens, Demokratisches Bauen. Eine architekturtheoretische Diskursanalyse zu Parlamentsbauten in der Bundesrepublik Deutschland, Aachen 2008, bes. S. 104-135. Vgl. auch Deborah Ascher-Barnstone, The Transparent State. Architecture and politics in postwar Germany, Abington/New York 2005, bes. S. 107-137; Kutting, Verwaltungsarchitektur, S. 46-48; Tönnesmann, Bundesrepublik, bes. S. 193-197. 160 Zu dieser Einordnung der Pädagogischen Akademie vgl. Brendgens, Bauen, S. 106. Welzbacher zufolge ist die Gestaltung der Akademie allerdings auf die progressive preußische Hochbauverwaltung zurückzuführen (und zeige die falsche Zuschreibung, »wie ungenau die Modernerezeption verlief«), vgl. Welzbacher, Monumente, S. 205; ders., Staatsarchitektur, S. 285-287.
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gespielt, beide waren im November 1948 vielmehr aus pragmatischen Gründen ausgewählt worden.161 Adenauer, der bekanntlich Bonn als dauerhaften Regierungssitz (gegen das vielfach favorisierte Frankfurt) durchsetzen wollte, hatte schlicht ein funktionsfähiges Haus gebraucht. Er war, wie sich zeigte, zu Recht davon ausgegangen, dass es seine Wirkung auf die abstimmenden Mitglieder des Parlamentarischen Rates beziehungsweise des Bundestages nicht verfehlen würde.162 Der Charakter des Ursprungsbaus spielte dagegen keine Rolle und wurde auch gegenüber der Öffentlichkeit nicht thematisiert: Wie Guido Brendgens betont, vermieden die offiziellen Verlautbarungen alle Verweise auf das Neue Bauen sorgsam.163 Dasselbe galt für den Architekten: Hans Schwippert war nicht als moderner, sondern vor allem als ein rheinisch-katholischer,164 verlässlicher (und vielleicht auch als ein im Nationalsozialismus nicht besonders hervorgetretener) Architekt beauftragt worden. Ihm konnte man zutrauen, so große Bauprojekte – neben der Pädagogischen Akademie musste das Palais Schaumburg zum Sitz des Bundeskanzler(amts) umgebaut werden – in der vielfach noch unübersichtlichen Nachkriegszeitsituation und in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit zu realisieren. Dass in erster Linie pragmatische Gründe für Schwippert gesprochen hatten, hinderte den Architekten nicht daran, mit grundsätzlichen (und eigentlich naheliegenden) Fragen zu beginnen und zu überlegen, welche Vorstellungen über Wesen und Bedeutung von Parlament(arismus) und Demokratie das Gebäude ausdrücken oder ausprägen konnte oder sollte. Seine Lösung war ein Bau, der von der
161 Schwippert wurde im November 1948 von Wandersleb mündlich mit dem Umbau der Pädagogischen Akademie beauftragt. Im November 1949 betraute Adenauer Schwippert mit dem Umbau einiger Räume im Palais Schaumburg, den Gesamtauftrag erhielt Schwippert dann von Wandersleb. Vermerk der Unterabteilung II/D BMF betr. Bauauftrag Schwippert vom 12.6.1950, in: BArch B 157/3448, fol. 481f. 162 Das Kalkül ging bekanntlich auf, am 10.5.1949 setzte sich Bonn im Parlamentarischen Rat gegen Frankfurt durch, am 3.11.1949 im Bundestag. Dazu vgl. Jan Thorn-Prikker, Keine Experimente. Alltägliches am Rande der Staatsarchitektur, in: Flagge/Stock (Hg.), Architektur, S. 246-259, hier S. 249. Vgl. auch Nino Galetti, Residenz am Rhein. Die Wahl von Bonn zur Bundeshauptstadt, in: Zeitschrift für Politik, Gesellschaft, Religion und Kultur Nr. 473/April 2009, S. 25-29; Kübler, Chronik, S. 116. Für Bonn sprachen aus Adenauers Sicht regional- wie machtpolitische Gründe: Bonn lag nicht nur neben seiner Heimatstadt Köln, anders als Frankfurt gab es hier auch keine selbstbewusste sozialdemokratische Administration und auch die Alliierten waren nicht unmittelbar präsent, s. dazu Meyer zu Knolle, Vertikale, S. 180. 163 Brendgens, Bauen, S. 107f. Allerdings bezog auch Schwippert das Bundeshaus vor allem auf die Landschaft, s. ebd., S. 108-110. Zur Frage der Zuordnung der Pädagogischen Akademie zum Neuen Bauen s. Fußnote Nr. 160. 164 Das betont Tönnesmann, Bundesrepublik, S. 194.
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(parlamentarischen) Debatte aus konzipiert, offen (im Sinne von Transparenz,165 aber auch von Zugewandtheit und Freundlichkeit), funktional und in gewisser Weise egalitär war. Allerdings hatte auch hier der Bauherr wenig Interesse an der programmatischen Dimension. Für ihn waren die erwähnten Fragen Schwipperts ganz offenbar nicht zentral und die Antworten sogar zweifelhaft: Die Bundesregierung beteiligte sich weder an den von Schwippert angestoßenen öffentlichen Debatten, noch begeisterte sie sich, schon gar nicht öffentlich, für seine Gestaltungsvorschläge. Diese wies sie vielmehr zurück, verwarf oder konterkarierte sie, wo es möglich war: Die Glaswände, mit denen Schwippert den neuen Plenarsaal zum Rhein hin öffnete, bedachte jedenfalls Adenauer mit wenig Beifall. Auch mit den vom Architekten und seiner Mitarbeiterin, Wera Meyer-Waldeck, entworfenen Möbeln, »leichte[n] Geräte, die dienen und nichts verbergen«166, konnte sich der Bundeskanzler nicht anfreunden. Der für ihn entworfenen Schreibtisch war zu schlicht und, wiewohl eigens für Adenauer konzipiert, wohl zu deutlich an das leitende Prinzip angelehnt, alle Büros grundsätzlich mit denselben Elementen auszustatten, »Repräsentanz und Hierarchie« lediglich durch ihre Addition auszudrücken und so die »Gleichheit aller hier Arbeitenden als ›Staatsdiener‹«167 zu betonen. Jedenfalls wies Adenauer das Modell zurück und ließ es durch einen zum Teil selbst entworfenen Tisch in einer Chippendale-Optik ersetzen.168 Zum offenen Konf likt kam es bei der Frage der Anordnung der Bestuhlung des Bundestags: Für Schwippert war das Parlament im wahrsten Sinne des Wortes zentral und ein Ort der hierarchiefreien Diskussion, weshalb er den Raum menschlich dimensionierte, eine kreisförmige, nicht-hierarchisierende Sitzordnung (und keine Mikrophone) vorsah. Dagegen setzte Adenauer die »klassische«, auch im (kaiserreichlichen) Reichstag praktizierte Sitzordnung durch, in der Regierung und Parlament einander nicht nur gegenübersaßen, sondern erstere höher positioniert und dadurch im Wortsinne herausgehoben und übergeordnet wurde – eine
165 Umfassend und kritisch setzt sich Deborah Ascher-Barnstone mit der Bedeutung des Transparenzbegriffs für die (bundes-)deutschen Debatten um Architektur und Politik auseinander: Die Hoffnung auf die Kontrolle zukünftiger Entwicklungen, die mit der Transparenz primär assoziiert worden sei, sei integral mit der (entlastenden) Einschätzung einhergegangen, mangels Transparenz im Nationalsozialismus keine Kontrolle gehabt zu haben, vgl. Ascher-Barnstone, State. 166 Schwippert, Das Bonner Bundeshaus, in: Neue Bauwelt 1951, Heft 17, S. 70, zitiert nach von Beyme, Architektur, S. 44. Zur Inneneinrichtung des Bundeshauses und des Palais Schaumburg s. auch Buslei-Wuppermann, Schwippert, S. 109-132. 167 Thorn-Prikker, Keine Experimente, S. 249. 168 Beide Schreibtische standen zunächst im Palais Schaumburg, Adenauer nahm »seinen« Schreibtisch dann mit in den Bundesratsflügel des Bundeshauses. Zu den Auseinandersetzungen s. Buslei-Wuppermann, Schwippert, S. 126-132; Thorn-Prikker, Keine Experimente, S. 250.
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»Saalordnung voll sprechender Ordnungssymbolik, von hierarchischem Unterscheidungsbewusstsein«169. Dass sich das Bundeshaus (zunächst) weder ästhetisch noch als »demokratischer« Bau etablieren (und die weitere Gestaltung öffentlicher Bauten wie die Vorstellung von Demokratie prägen) konnte, lag allerdings nicht nur an der fehlenden Begeisterung des Bauherren, sondern auch an den kritischen Reaktionen der Öffentlichkeit. Anders als der Bauherr diskutierte und problematisierte letztere das Bundeshaus vor allem unter finanziellen Aspekten: Die Baukosten und deren angebliche Explosion provozierten einen handfesten Skandal und dominierten lange Zeit die Wahrnehmung des Bundeshauses. Der eigentliche Grund für den Konf likt lag dabei im Zeitdruck. Schwippert war mit dem Umbau der Pädagogischen Akademie (wie auch des Palais Schaumburg) zunächst nur mündlich beauftragt worden, hatte Bauplanung wie Bauausführung also ohne unterzeichnete Architektenverträge und vor allem gleichzeitig in Angriff nehmen und Firmen ohne Ausschreibung selbst beauftragen müssen. Die daraus resultierenden Unsicherheiten hinsichtlich der (finanziellen) Zuständigkeiten, genauer der Umstand, dass der Bund die finanzielle Verantwortung einseitig auf den Architekten (und in zweiter Linie auf das Land Nordrhein-Westfalen) abwälzen wollte, führten zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Schwippert, den an den Baumaßnahmen beteiligten Firmen, dem Land Nordrhein-Westfalen, der entstehenden Bundesbauverwaltung und dem Bundeskanzleramt, zur Einsetzung zweier parlamentarischen Untersuchungsausschüsse und zu einem Rechtsstreit. Letzteren gewann Schwippert zwar, die Wahrnehmung der Bundesbauten beeinf lusste das allerdings nicht. Weite Teile der Öffentlichkeit begriffen sie eben nicht als ästhetisch gelungene »Bauten für die Demokratie«, sondern als übertrieben luxuriöse. Auf den Rheinschiffen, die das Bundeshaus passierten, wurde regelmäßig der beliebte zeitgenössische Schlager »Wer soll das bezahlen?« angestimmt.170 Die von Schwippert intendierten und – in der Fachöffentlichkeit auch erfolgreich initiierten171 – breiten und grundsätzlichen Debatten über die Gestaltung und Bedeutung öffentlicher Bauten in der jungen parlamentarischen Demokratie (oder für diese) 169 Thorn-Prikker, Keine Experimente, S. 250. Als es 1955 um den Umbau des Plenarsaales des Bundesrats ging, wurde diese Kontroverse noch einmal ausgefochten: Während die Abgeordneten Schwipperts ursprünglich für den Bundestag entwickelte kreisrunde Lösung favorisierten, setzte die Bundesregierung auch hier wieder die klassische Anordnung durch. Ein ähnlicher Konflikt entwickelte sich beim Umbau des Palais Schaumburg: Der Bundeskanzler wollte es »möglichst originalgetreu als Herrschaftssitz zurückgebaut« wissen, dagegen hielt Schwippert »eine zeitgemäße Sanierung in aller Bescheidenheit für demokratisch angemessen«, s. Buslei-Wuppermann, Schwippert, S. 131. 170 S. dazu von Beyme, Architektur, S. 43. 171 S. dazu Brendgens, Bauen, S. 121-125. Zum Verhältnis oder besser Nicht-Verhältnis theoretischer Debatten und Baupraxis vgl. auch Hillmann, Nachkriegsmoderne, S. 20.
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und, umgekehrt, über die Bedeutung einer demokratischen Ordnung für die Gestaltung öffentlicher Bauten konnten sich auf diesem Boden kaum entfalten. Rolle, Motivation und Reaktion des Bauherrn einzuordnen, ist dabei nicht ganz einfach. Der, vorsichtig gesprochen, zurückhaltende Umgang mit den modernen und demokratischen Qualitäten des Bundeshauses zeigt ziemlich deutlich, dass eine entsprechende Formensprache in der jungen Bundesrepublik bei den Entscheidungsträgern auf Vorbehalte stieß und keinesfalls selbstverständlich war. Die Gründe dafür sind weniger eindeutig. Möglicherweise überlagerten sich ästhetische und politische Motive und entsprang die Zurückhaltung zugleich Überzeugungen der Verantwortlichen, wie sie mit Blick auf mögliche Reaktionen der Öffentlichkeit erfolgte. Denn es ist durchaus denkbar, dass die Verantwortlichen bezweifelten, die modernen und demokratischen Qualitäten des Bundeshauses in der Öffentlichkeit vermitteln zu können. Der Bruch mit den zuletzt gültigen Gestaltungsformen war politisch wie baulich einigermaßen radikal. Und die demokratischen Neigungen der Deutschen waren ebenso gering ausgeprägt wie Adenauers Vertrauen in diese.172 Dasselbe galt, wie erwähnt, für moderne Bauformen. Große Teile der Bevölkerung betrachteten sie mit ebenso viel Skepsis wie die moderne Kunst, die nationalsozialistische Staatsarchitektur dagegen nach wie vor mit Wohlwollen. Gleichzeitig kann als sicher gelten, dass gerade Adenauer die moderne Formensprache in ästhetischer Hinsicht fremd war,173 und offenbar hielt er sie auch in den öffentlichen Gebäuden der jungen Bundesrepublik nicht für angemessen. Dass dahinter auch eine Ablehnung der Schwippert’schen Interpretation der Rollen von Debatten, Parlament und Regierung und ihres Verhältnisses stand, legen die durchgesetzten Änderungen zumindest nahe.174 Adenauer war bekanntlich kein Fan parlamentarischer (und sonstiger) Debatten.175 Vielmehr füllte er die starke Position, die das Grundgesetz dem Bundeskanzler (in seinem Verhältnis zu Parlament, Kabinett und Präsident) verschaffte, selbstbewusst aus – auch und gerade indem er, in mehrfacher Hinsicht, einen pragmatischen und betont nüchternen Politikstil pf legte: Er führte die Regierung nicht nur mit Hilfe einer starken und zuverlässigen Verwaltung. Vielmehr nutzte er die »Tendenz
172 S. dazu van Laak, Trotz, S. 76. 173 Vgl. zu Adenauers persönlichem Geschmack Buslei-Wuppermann, Schwippert, S. 127, zu seiner Kritik am Kölner Wallraf-Richartz-Museum s. Stock, Verfassung, S. 283. 174 So auch Christian Lankes, ihm zufolge wollte Adenauer »auch im wortwörtlichen Sinne die Architektur des neuen Staates gestalten«, Lankes, Politik, S. 74. Zu Adenauers Einflussnahme auf die Entstehung des Auswärtigen Amts in Bonn s. Kübler, Chronik, S. 129-131. Vgl. auch Kapitel 4.3. 175 Dazu s. Hans-Peter Schwarz, Adenauer, Bd. 1: Der Aufstieg 1876-1952, 3. durchgesehene Auflage, München 1991, S. 22; Neidhard, Außenpolitik, S. 812.
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zur Bürokratisierung und Versachlichung der Staatsführung« (Bracher)176 auch ideell: Er verzichtete bewusst auf jede theoretische oder ideologische Politikbegründung (jenseits der fundamentalen Bedeutung, die er dem Systemgegensatz zumaß) und stellte seine eigene durchaus (macht-)politische Agenda als sachlich und pragmatisch gebotene dar.177 Damit festigte er die Stellung der Exekutive und untergrub (erfolgreich) politische Gestaltungsansprüche – des Bundestags im Allgemeinen und der konkurrierenden SPD im Besonderen.178 Das ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil sich die Reaktion der Bundesregierung auf das Bundeshaus und die seine Entstehung begleitenden Auseinandersetzungen ganz ähnlich interpretieren lassen. Diese rief am 17. März 1950 die Bundesbaudirektion (BBD) ins Leben und übertrug ihr die Verantwortung für die Durchführung von Baumaßnahmen der Verfassungsorgane und der obersten Bundesbehörden, der Ministerien und der Auslandsbauten. Damit entschied sich die Bundesregierung nicht nur ein weiteres Mal für eine kontinuitätswahrende Lösung – die BBD knüpfte direkt an die 1930 errichtete Reichsbaudirektion (RBD) und deren Vorläufer an.179 Sie stellte auch die exekutivische Prägung des weiteren Baugeschehens sicher. Die Vergabe von Aufträgen für öffentliche Bauten an freie Architekten wurde auf Jahre hinaus blockiert und die Bundesregierung konnte ihre Vorstellungen leichter180 und vor allem in nicht öffentlicher Form
176 Zu Adenauers Amtsverständnis und -führung vgl. (statt aller) Bracher, Kanzlerdemokratie, passim (das Zitat ist von S. 193); Lenk, Konservatismus, S. 636f.; Röhrich, Demokratie, S. 31-46; Schwarz, Aufstieg, passim. 177 Zu dieser Dimension der vorherrschenden »realistischen Diktion« (allerdings nicht direkt auf Adenauer bezogen) vgl. auch Karin Böke, Politische Leitvokabeln in der Adenauer-Ära. Zu Theorie und Methodik, in: dies./Liedtke/Wengeler, Leitvokabeln, S. 19-50, bes. S. 49. Ein Beispiel dafür ist die sehr gezielte und klar machtpolitisch motivierte Personalpolitik, die sich hinter Adenauers Einsatz für ein neutrales und qualifiziertes Berufsbeamtentum (auch) verbarg, s. dazu: Garner, Dienst, S. 763-769; Eschenburg, Rückhalt, S. 87, Ruck, Kontinuität, S. 131. 178 S. dazu Klaus Günther, Expressive Konkurrenz und instrumentelle Kooperation. Zum bundesrepublikanischen Politikdesign der 50er Jahre, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 791-804, bes. S. 792. 179 Auch sie war dreiinstanzlich organisiert: Die höchste genehmigende Instanz war das BMF, als Mittelinstanz war die Technische Aufsicht für die Prüfung und bei kleineren Projekten auch für die Genehmigung zuständig, die Bauleitungen als Ortsinstanzen für die Planung und Durchführung der Baumaßnahmen. Von zunächst 44 Mitarbeitern erweiterte sie sich auf 139 im Jahr 1957. Auch die Struktur wurde ausgebaut, bereits 1950 wurde die Ortsinstanz aufgegliedert, einzelne Vorhaben übernahmen selbstständige, unmittelbar der Mittelinstanz unterstellte örtliche Bauleitungen, aus ihnen gingen später die Referate hervor. Zur BBD und RBD s. Kübler, Chronik, S. 125-133. Zu Kontinuitäten im personellen Bereich vgl. auch Fußnote Nr. 49. 180 Thorn-Prikker, Keine Experimente, S. 250, zustimmend Kübler, Chronik, S. 118.
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durchsetzen.181 Auch wenn nicht ganz klar ist, ob die Bundesregierung mit der Gründung der BBD in erster Linie auf die Auseinandersetzungen mit Schwippert, die öffentliche Kostendebatte oder auf beides regierte (beziehungsweise letztere zum Anlass nahm, erstere gleich mit zu erledigen) – de facto schlug sie in den Konf likten um das Bundeshaus viele Fliegen mit einer Klappe. Die Lösung wurde den Stimmungslagen der Bevölkerung,182 den ästhetischen und politischen Überzeugungen des Bundeskanzlers wie seinem ausgewiesenem und selbstbewussten Machtwillen und Stil gerecht: Die Gründung der Bundesbaudirektion garantierte der Bundesregierung, genauer Adenauer, Einf luss auf die weitere bauliche Gestaltung des politischen Neuanfangs, ohne sich damit in eine öffentliche Debatte nach dessen Was und Wie begeben oder Entscheidungen gar rechtfertigen zu müssen. Die Frage nach der architektonischen Form des demokratischen Neuauf bruchs war eine durch die Bauverwaltung nach sachlichen Gesichtspunkten zu klärende. Sie war der öffentlichen Debatte um die konkrete Gestaltung dieses Neuauf bruchs entzogen – und diese verlor mit ihr einen wichtigen, da unmittelbar sinnfälligen Ansatzpunkt. Eine (breite) Debatte um das »Bauen in der Demokratie« oder gar um den »Auf bau der Demokratie« wurde nicht geführt. Angesichts dieser Geschehnisse ist zu fragen, ob – und wenn ja, wo und wie – sich ähnliche Momente auch bei der Errichtung der neuen Verwaltungsgebäude fassen lassen: welche Bedeutung der Umstand entfaltete, dass Staat und Verwaltung dort doppelt – als Handelnde und in den Gebäuden – in Erscheinung traten und ob und wie dort Demokratie und Bürokratie/Staat thematisiert und (gegeneinander) verortet wurden.
1.4 Fragestellung, Vorgehen und Quellen Das bisher Gesagte sollte es deutlich gemacht haben: Bei der (Wieder-)Errichtung der Verwaltung handelte es sich um das sprichwörtliche weite Feld, das in dieser Untersuchung (um im Bild zu bleiben) nicht vollständig erschlossen werden kann. Hier wird vielmehr ein spezifischer Zugang gewählt: Wie bereits ausgeführt, will diese Untersuchung beleuchten, ob, und wenn ja, wo und wie, ein Spannungsverhältnis zwischen der kontinuitätswahrenden institutionellen und der »modernen« baulichen (Wieder-)Errichtung der Verwaltung entstand, wie es sich aus181 Das war, jedenfalls in Bezug auf die Fachöffentlichkeit, wichtig, die (beim Parlamentsgebäude) die Absage an die klassische Repräsentativität einforderte und Schwipperts Lösungen lobte, vgl. dazu Brendgens, Bauen, S. 121-125. 182 Auch hier wurde sachliches Handeln oftmals gegen eine diskursive, konfliktäre (Partei-)Politik gesetzt, vgl. dazu etwa Frolinde Balser, Aus Trümmern zu einem europäischen Zentrum: Geschichte der Stadt Frankfurt a.M. 1945-1898, Sigmaringen 1995, S. 22 und S. 36.
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prägte, ob und wenn ja, wie es thematisiert und/oder »gelöst« wurde, ob und wie Behörden, die Verwaltung insgesamt, Staat, Politik, Gesellschaft also konzipiert und verortet wurden. Die institutionelle und bauliche (Wieder-)Errichtung wird also als ein Prozess untersucht, der in verschiedener Hinsicht für die gesamtgesellschaftliche Ordnung und deren Ausformung von Bedeutung war, in dem verschiedenen Fragen, Akteure, Interessen, Perspektiven (Eigen-)Dynamiken, aber auch Zielvorstellungen, Erwartungshaltungen und (Selbst-)Bilder eine Rolle spielten, sich gegenseitig beeinf lussten und gegeneinander abgeschichtet werden mussten. Das geschieht, konkret, in zwei Schritten: In einem ersten Schritt werden Problemfelder, Themen und Debatten identifiziert und beschrieben, die sich an die Entscheidungen knüpften, die auf Bundesebene, durch die Institutionen und Kommunen getroffen werden mussten, sowie die, die in der – und für die – öffentliche Wahrnehmung und Einordnung eine Rolle spielten. Das bedeutet auch, die Verwaltung und die (politische Bedeutung der) Architektur etwas anders in den Blick zu nehmen, als dies in verwaltungs- oder architekturgeschichtlichen Untersuchungen der Fall ist. Gefragt wird weniger danach, was die wiederrichteten Institutionen und die neuen Gebäude über die politische Kultur/Ordnung aussag(t)en als danach, welche Bedeutung und Rolle ihnen im politischen Feld zukam. Es geht in dieser Arbeit also nicht darum, die einzelnen Behörden, die Verwaltung an sich und/oder die Gebäude und ihre Gestaltung im Sinne »›objektiv‹ faßbare[r] ›Realität[en]‹«183 zu beschreiben (oder, was letztere angeht, gar die Existenz und Beschaffenheit der Beziehung von Inhalt und Form in dieser Weise zu untersuchen und die junge Bundesrepublik auf dieser Grundlage einzuordnen). Zum einen existieren entsprechende – historische, rechtshistorische, politikwissenschaftliche, kunst- und architekturgeschichtliche – Untersuchungen bereits. Zweitens lässt sich der hier gewählte Ansatz auch als (methodische) Konsequenz aus der Tatsache begreifen, dass Wesen und Bedeutungen (auch) sprachlich konstituiert werden – und zwar im konkreten historischen Kontext, durch den Umgang mit ihnen und durch Wahrnehmungen. Staat und Verwaltung werden ebenso auch diskursiv und kommunikativ konstruiert wie architektonische Formen keine eindeutige, klar definierte und erkennbare »natürliche« Bedeutung haben (und umgekehrt bestimmte Herrschaftsordnungen nicht »automatisch« bestimmte architektonische Formen erzwingen). Damit rücken – sprachlich vermittelte – Zuschreibungen in den Vordergrund, also die Vorstellungen, die mit den Gebäuden und Institutionen verbunden waren und wurden, die ihnen zu-
183 So die Formulierung von Paul Nolte, Nolte, Ordnung, S. 12.
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grunde lagen und/oder von ihnen ausgelöst wurden.184 Zu guten Teilen ist die Untersuchung also eine rezeptions- und perzeptionshistorische.185 Für das angesprochene Vorgehen heißt das, dass der zweite Schritt, die Identifikation von (Selbst-)Bildern, der wichtigere ist. Die Darstellung der faktischen institutionellen und baulichen (Wieder-)Errichtung erfolgt also vor allem im Hinblick auf die (anschließende) Analyse der öffentlichen Debatte und soll deren Hintergrund erhellen. Eine ähnliche Rangfolge ergibt sich damit für die Quellen und ihre Auswertung: Im Mittelpunkt steht die Analyse öffentlicher und veröffentlichter Äußerungen. Als ergiebige Quellengattung haben sich dabei die (dokumentierten) Reden und Publikationen entpuppt, die im Zusammenhang mit den Einweihungen der Amtsgebäude standen.186 Denn bei diesen handelte es sich in der Regel um festliche und öffentlichkeitswirksame Akte: Zumeist beschäftigten sich mehrere Redner, Vertreter von Bund und Kommunen, Politik und Bauwesen, aus verschiedenen Zusammenhängen und Perspektiven heraus mit den Behörden und Gebäuden. Sie erreichten zudem ein breites Publikum, denn – und auch daran ist die Bedeutung zu erkennen, die diesen Feierlichkeiten zugemessen wurde – sie wurden im Radio übertragen und in der Presse ausführlich behandelt.187 184 S. dazu (für die Verwaltung) Kaiser, Kommunikation, bes. S. 23-72, für den Staat (statt aller) Stolleis, Staatsbild, bes. S. 223f. Zum Staatsbegriff und den sachlichen und methodischen Zusammenhängen, in denen er thematisiert wird, vgl. auch Oliver Lepsius, Funktion und Wandel von Staatsverständnissen, in: Andreas Voßkuhle/Christian Bumke/Florian Meinel (Hg.), Verabschiedung und Wiederentdeckung des Staates im Spannungsfeld der Disziplinen, Berlin 2013, S. 37-58; Christoph Möllers, Staat als Argument, 2. Auflage, Tübingen 2011. Vgl. auch den Ansatz Foljantys, Foljanty, Recht. Zur Architektur vgl. Åman, Architektur; Sonne, Hauptstadtplanungen, S. 2-5 und S. 18-24; Warnke, Stein, S. 43-61 und S. 65-74. S. auch Hnilica, Metaphern, S. 11-24. 185 Wie bei Stephanie Warnke wird auch in dieser Arbeit auf den – naheliegenden – Diskursbegriff verzichtet, er würde bei einem »massenmedialen Ansatzpunkt überstrapaziert werden«, Warnke, Stein S. 52. Nichtsdestoweniger liegen auch der vorliegenden Arbeit die zentralen Annahmen eines diskursgeschichtlichen Ansatzes zugrunde, der Konstruktionscharakter der »Wirklichkeit« und (daher) die unlösbare Verbindung mit Machtfragen. Vgl. dazu Achim Landwehr, Diskurs und Diskursgeschichte, Version: 2.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 01.03.2018, DOI: http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.1126.v2. Vgl. auch die Hinweise auf Nolte in Fußnote Nr. 92. 186 Hingegen enthalten die internen, mit den Neubauten befassten Akten kaum Hinweise über (gesamtgesellschaftliche) Intentionen und Aussagen, die mit ihnen verbunden wurden. Ob entsprechende Aufzeichnungen nicht aufbewahrt oder nicht angefertigt wurden, lässt sich nicht entscheiden, vgl. aber den erwähnten Verzicht auf die Formulierung (und Begründung) von Gestaltungsprogrammen), s. Fußnote Nr. 122. 187 Zur Reichweite und zum Prestige des Hörfunks vgl. Kurt Koszyk, Presse und Pressekonzentration in den 50er Jahren, in: Schildt/Sywottek, Modernisierung, S. 439-457; Otfried Jarren, Medien und Kommunikation in den 50er Jahren, in: ebd., S. 433-438; Warnke, Stein, S. 46. Die Eröffnungsreden wurden zudem gelegentlich Teil in den jeweiligen Fachzeitschriften ab-
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(Letzteres bedeutet auch, dass die Berichterstattung der Presse über diese Veranstaltungen als zweite Ref lexionsebene zu behandeln ist: Sie zeigt, welche Teile oder Aussagen der Reden in welcher Art und Weise aufgriffen und kontextualisiert wurden.) Einen zweiten Schwerpunkt bildeten neben den Stenografischen Berichten der Sitzungen des Bundestags und zeitgenössischen Publikationen über das Baugeschehen in der jungen Bundesrepublik die sonstige Berichterstattung der Tageszeitungen. Um diese zu erschließen, waren die großen Presseausschnittsammlungen kommunaler Archive von unschätzbarem Wert: Die in ihnen erfassten und (mitunter) systematisch geordneten Artikel ermöglichten es, zu erkennen, welche Themen mit den neu angesiedelten Behörden und den neu errichteten Amtsgebäuden verknüpft wurden und wie das Diskussionsgef lecht aussah.188 Die nicht öffentlichen Äußerungen werden, die, wie beschrieben, in erster Linie im Hinblick auf die öffentlichen Debatten ausgewertet werden, umfassen vor allem: die Protokolle der Sitzungen des Bundeskabinetts und vor allem (und hauptsächlich von dem Vorbearbeiter, Dennis Kutting, eingesehene) Bestände kommunaler und staatlicher Archive, so die im Bundesarchiv verwahrten Akten der Bundesbauverwaltung, verschiedener Bundesministerien und des Bundeskanzleramts;189 in Landes- oder Hauptstaatsarchiven lagernden Akten von Landesministerien, Staatskanzleien, Bauverwaltungen190 sowie die Akten der
gedruckt sowie gedruckt und gebunden in jeweilige Magistratsbibliotheken eingestellt. Vgl. dazu das Schreiben von Oberbürgermeister Kolb an den Präsidenten des BRH [Josef Mayer] vom 8.12.1953, in: StadtA Frankfurt, Magistratsakte 3.620, fol. 331. 188 Für Wiesbaden machen das insbesondere die (im Lesesaal des Archivs fotokopiert zugängliche) »Sammlung Gärtner« und vor allem die von Herbert Müller-Werth angelegte chronologisch und thematisch geordnete Sammlung von Presseberichten möglich (Bestand NL 73). Ähnlich zur Bedeutung der Ausschnittsammlungen auch Stein, Warnke, S. 43f. 189 Im Bundesarchiv hat Dennis Kutting folgende Bestände eingesehen: B 106 (BMI), B 115 (Bundesvermögensverwaltung), B 126 (BMF), B 136 (Bundeskanzleramt), B 141 (BMJ), B 157 (Bundesbauverwaltung); N 1314/220 (Nachlass Erich Welter). 190 Im LHA Koblenz wurde von Dennis Kutting Folgendes eingesehen: die Bestände 546 (Staatliche Hochbauämter), 920 (Ministerium für Finanzen und Wiederaufbau), 922 (OFD Koblenz); im Hessischen HStA die Bestände 502 (Hessische Staatskanzlei), 503 (Ministerium der Finanzen), 507 (Ministerium für Wirtschaft und Verkehr), 531 (OFD Frankfurt), 650 (Regierungspräsidium Wiesbaden), 756 (Staatsbauamt Wiesbaden) 3008 (Fotosammlung); im Landesarchiv Speyer die Bestände M 1 (Hochbauamt Kaiserslautern), M 2 (Hochbauamt Speyer), im HStA Stuttgart die Bestände EA 5/4 (Staatlicher Hochbau im Finanzministerium), EA 5/001 (Finanzministerium und unterstellte Behörden), EA 6/7 (Öffentliches Bauen im Wirtschaftsministerium).
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kommunalen (Bau-)Verwaltungen, Magistrate und Protokolle von Stadtverordnetenversammlungen.191 Die zweite Einschränkung bezieht sich auf das Vorgehen, auf die Auswahl der untersuchten, (wieder-)errichteten Behörden. Denn bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine exemplarische. Beleuchtet und verglichen werden die institutionelle und bauliche (Wieder-)Errichtung des in Wiesbaden angesiedelten Bundeskriminalamts und des (bis zu seinem Umzug nach Bonn) in Frankfurt a.M. angesiedelten Bundesrechnungshofs. Diese beiden Behörden wurden deshalb ausgewählt, weil sie eine Reihe von Gemeinsamkeiten, aber auch von charakteristischen Unterschieden aufweisen. Ihren (Wieder-)Auf bau zu untersuchen, eröffnet so die Möglichkeit, einige mit der (Wieder-)Errichtung von Verwaltung zusammenhängende Themen einigermaßen sicher zu identifizieren und (erste) Erkenntnisse über deren Bandbreite und über die Art und Weise, in der sie angesprochen worden sind, zu erlangen. Gemeinsamkeiten existieren zum einen in Bezug auf die Gebäude: Beide Amtsbauten waren betont modern: Sie waren (und sind) typische Stahlbetonbauten mit einem Raster, die einen gewissen und überregionalen Bekanntheitsgrad erreichten. Zum anderen standen (und stehen) beide Behörden als Institutionen in einem besonders engen Verhältnis zu den – in dieser Untersuchung interessierenden – Größen Staat und Staatlichkeit. Beide waren von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung letzterer: Die »Policey« oder »Gute Policey« war seit der Frühen Neuzeit der Inbegriff »praktischer Verwaltungstätigkeit« (Stolleis)192, damit grundlegend für die Entwicklung des modernen Staates, der sich nach Max Weber bekanntlich durch seine exklusive Zuständigkeit für die innere Sicherheit (auf die der Polizeibegriff dabei verengt wurde) auszeichnet. Ähnliches lässt sich über die Rechnungsprüfung sagen: In geordneter und organisierter Form ent-
191 Im Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt a.M. wurden eingesehen: Stadtkämmerei 2.195; Magistratsakte 3.620; S 3 (Sammlung Dokumentation Ortsgeschichte) L 2210, S 6 b 38/Nr. 549. Im Bauaktenarchiv der Stadt Frankfurt wurde eingesehen: Akten Berliner Str. 51-55: 51 Bd. III, 51-55 V und VII. Im Stadtarchiv Wiesbaden wurde eingesehen: WI/3 Nr. 3174, Nr. 3009, Nr. 2201, die Magistratsprotokolle MAG Nr. 205, 206, 208, 209, 210, das Protokoll der Stadtverordnetenversammlung STVV Nr. 106; NL 73, 95-105. 192 Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1: Reichspublizistik und Policeywissenschaft 1600-1800, München 1988, S. 334. Ihm zufolge entstand der frühneuzeitliche Staat geradezu »in der Verwaltung«, s. ebd., S. 337. Zur Entwicklung zur Polizei s. ebd., S. 369-371. Vgl. auch die (berühmte) Definition Max Webers, derzufolge der Staat »diejenige menschliche Gemeinschaft [ist], welche innerhalb eines bestimmten Gebietes […] das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht.« Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, 5. revidierte Auflage, besorgt von Johannes Winckelmann, Tübingen 1980, S. 822.
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stand sie im Rahmen der Ausdifferenzierung der (Territorial-)Verwaltung, war ebenfalls Ausdruck wie Triebkraft der Entwicklung des modernen bürokratischen Staates193 und gehört zum klassischen Kanon staatlicher und insbesondere normenstaatlicher Einrichtungen. Etwas überspitzt (und mit Blick auf die Stellung der Rechnungsprüfungsbehörden außerhalb der klassischen Verwaltung nicht unproblematisch) kann sie als Inbegriff des von Max Weber beschriebenen rational-legalen Herrschaftstypus betrachtet werden – die Rechnungsprüfer »verkörperten« nicht nur »den Prototypen des ›echten Beamten‹ im Weber’schen Sinne«, sondern »fühlten sich« auch »als Elite dieses Berufsstandes«194. Hinzu kommt, dass beide Behörden im selben Bundesland, im neu gebildeten Land Hessen, angesiedelt wurden:195 das BKA in der Landeshauptstadt Wiesbaden, der Bundesrechnungshof im nahegelegenen Frankfurt. Beide entstanden zunächst unter kommunaler Regie, dann in der Verantwortung des Bundes. Vor allen Dingen aber wurden beide Behörden institutionell und baulich nahezu zeitgleich errichtet: Das Gesetz über die Errichtung des Bundeskriminalamts wurde am 8. März 1951 beschlossen und trat am 15. März in Kraft, das Gebäude wurde am 2. Oktober 1953 eingeweiht. Das Gesetz über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofs erging am 29. November 1950, das Amtsgebäude wurde am 19. November 1953 eröffnet. Damit wurden beide Behörden nicht nur in der »formativen Periode« (Bracher)196 der Bundesrepublik (wieder-)errichtet, die zu Beginn von tiefgreifenden militärischen, politischen und ökonomischen Existenzängsten, am Ende aber von einer deutlichen Konsolidierung geprägt war. Feierlich eröffnet wurden sie auch in dem Jahr, das für viele der in dieser Einführung geschilderten Entwicklungen von entscheidender Bedeutung war. Das gilt schon für die – in dieser Arbeit stark ausgewertete – Tagespresse: Mit dem 1953 ins Leben gerufenen »Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger« (BDZV) wurde die Konkurrenzsituation zwischen den sogenannten Lizenzzeitungen und den »neuen alten« Zeitungen, die die un193 Webers Feststellung, dass »ein festes Steuersystem Vorbedingung der dauernden Existenz bürokratischer Verwaltung« sei, bezieht sich dabei auf die Sicherung der Finanzierung der Verwaltung selbst, Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 559. Zur (unterschätzten) Bedeutung des Steuerstaats in der Analyse Webers s. Theo Pirker, Einleitung, in: ders. (Hg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung. Entwicklung und Bedeutung der Rechnungshöfe im 20. Jahrhundert, Berlin 1987, S. 13-17. 194 Zitiert nach Franz-O. Gilles/Gerhard Otto/Rainer Weinert, Aktuelle Probleme der Finanzkontrolle II. Die Institution Rechnungshof im Lichte der Wissenschaft – Defizite und Perspektiven, in: Pirker (Hg.), Rechnungshöfe (wie in Fußnote Nr. 193), S. 175-190, S. 184. 195 Das Land Hessen wurde am 19.9.1945 als Groß-Hessen gegründet. Seine Verfassung trat durch Volksabstimmung am 1.12.1946 als zweite bundesdeutsche Nachkriegsverfassung in Kraft (und änderte dem Namen in »Hessen«). 196 Bracher, Kanzlerdemokratie, S. 189.
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mittelbare Nachkriegszeit geprägt hatte, beendet.197 Vor allem aber war das Jahr 1953 ein Schlüsseljahr für die wirtschaftliche und politische Stabilisierung der jungen Bundesrepublik: Im Juli 1953 wurde der (drei Jahre zuvor, 1950, ausgebrochene) Koreakrieg durch einen Waffenstillstand beendet. Der durch den Krieg ausgelöste Aufschwung der bundesdeutschen Wirtschaft war schon ungefähr ab der Mitte des Jahres 1952 spürbar198 – und ein wichtiger Katalysator für die Ausbildung des neuen bundesdeutschen Selbstbildes und -bewusstseins: Er bewies, in den Augen vieler, die Funktionsfähigkeit von Demokratie und (vor allem) sozialer Marktwirtschaft und damit deren Legitimität. Und er beschleunigte den sozialen Wandel und dessen Ref lexion: Die Erkenntnis, es mit einer »nivellierten Mittelstandgesellschaft« zu tun zu haben, wurde noch im selben Jahr formuliert. Ihren Niederschlag fand all das unmittelbar vor der Einweihung beider Dienstgebäude, in der zweiten Bundestagswahl vom 6. September 1953. Sie, genauer der klare Sieg der Unionsparteien, bestätigte nicht nur den Bundeskanzler, sondern das neue System insgesamt. 1953 wurde zudem die beschriebene Restitution des Berufsbeamtentums (die parallel zur (Wieder-)Errichtung der beiden Behörden vonstattenging), abgeschlossen – und wurden deren Implikationen deutlich und kontrovers diskutiert: Wie erwähnt, erging in diesem Jahr das Bundesbeamtengesetz und erlebte die junge Bundesrepublik die (gerichtliche) Auseinandersetzung um die »131er-Regelung«. Schließlich war das Jahr 1953 auch in (deutschland-)politisch-architektonischer Hinsicht zentral: Es machte offensichtlich, dass die Blockkonfrontation an Schärfe zunahm und Architektur und Städtebau ebenso prägte wie sich in ihnen vollzog,199 dass die DDR in ihrer politischen wie architektonischen Erscheinung also immer deutlicher zum »negativen Bezugspunkt« der Bundesrepublik und ihrer Identität wurde. Denn in diesem Jahr wurde (wie angesprochen) die Ostberliner Stalinallee und damit eins der politisch und symbolisch wichtigsten Bauprojekte der DDR fertiggestellt – und zum Ausgangspunkt des Aufstands des 17. Juni. Dessen Niederschlagung führte zudem nachdrücklich vor Augen, dass die DDR zum sowjetischen Einf lussbereich gehörte – und wie wenig der Westen dagegen tun konnte oder wollte.200 Denn die Bundesregierung reagierte vor allem symbolisch – mit Stadtplanung und Architektur: Sie erklärte ihre Solidarität, führte 197 Der Verband vertrat relativ viele, aber zum Teil sehr auflagenschwache Zeitungen, die starke Pressekonzentration begann wenig später, s. dazu Jarren, Medien. 198 Zum sog. Wirtschaftswunder, seinen Ursachen und seiner Einordnung vgl. statt aller Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 48-88. 199 Dazu und zum Folgenden vgl. die Nachweise in Fußnote Nr. 26. 200 Allerdings bedeuteten die Ereignisse einen erheblichen »Legitimationsschock« für die SED, Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 30, zum Aufstand vgl. ebd., S. 29-31 sowie Winkler, Weg, Bd. 2, S. 153-159.
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einen bundesweiten Feiertag ein und benannte die nur wenige Jahre zuvor von den Nationalsozialisten zu einer repräsentativen Paradestraße erweiterte Berliner Straße/Charlottenburger Chaussee in die »Straße des 17. Juni« um.201 Zudem lobte sie den Wettbewerb um die Bebauung des Westberliner Hansaviertels aus, mit dem – in Form einer aufgelockerten Hochhauslandschaft – auf die Stalinallee und die traditionalistische Architektur der DDR insgesamt »geantwortet« werden sollte. Schließlich war diese zunehmende und sich 1953 politisch wie baulich manifestierende Blockkonfrontation auch in Bezug auf die – bei der institutionellen wie baulichen (Wieder-)Errichtung der Verwaltung ebenfalls berührten – Fragen wichtig, wie der Nationalsozialismus einzuordnen und wie mit ihm »umzugehen« sei: Die Geschehnisse verhalfen einer – reduzierten und plakativen – Totalitarismustheorie, einer Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Kommunismus/ Sozialismus, zu weiterem Aufschwung,202 womit der ohnehin schwach ausgeprägte Wille, sich mit der nationalsozialistischen Herrschaft und den (systemimmanenten) Gründen für ihre Durchsetzung auseinanderzusetzen, weiter abnahm.203 Gleichzeitig gibt es wichtige Unterschiede zwischen den Institutionen und ihren Gebäuden: Die Städte, in denen das BKA und der Bundesrechnungshof untergebracht wurden, waren grundverschieden, dasselbe galt für die Lage der neuen Amtsbauten und für die planenden Architekten: Herman Rimpl, der es als wichtigster Industriearchitekt im »Dritten Reich« zu einiger Prominenz gebracht hatte und im Begriff war, sich eine zweite Karriere in der Bundesrepublik aufzubauen, errichtete das BKA auf einem großen Gelände am Rand der Stadt Wiesbaden. Die relativ kleine Kur- und Residenzstadt war seit 1945/46 hessische Landeshauptstadt und im Krieg deutlich weniger zerstört worden als andere Städte. Eine 201 Am 22. Juni 1953 beschloss der Berliner Senat die Umbenennung der Straßen, am 3.11.1953 wurde die »Straße des 17. Juni« noch um das Stück zwischen dem S-Bahnhof Tiergarten und Ernst-Reuter-Platz erweitert. Am 4.8.1953 erklärte der Bundestag den 17. Juni zum »Tag der deutschen Einheit« und zum Feiertag. 202 Zur Totalitarismustheorie und ihrer Diskussion vgl. (beispielhaft) Alfons Söllner/Ralf Walkenhaus/Karin Wieland (Hg.), Totalitarismus. Eine Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts, Berlin 1997; Eckhard Jesse, Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Eine Bilanz der internationalen Forschung, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage, Baden-Baden 1999; Clemens Vollnhals, Der Totalitarismusbegriff im Wandel, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 39/2006, S. 21-27. Zu divergierenden Einschätzungen der Bedeutung der Totalitarismustheorie für die Einordnung des Nationalsozialismus vgl. Richard J. Evans, Das Dritte Reich, Bd. 1: Aufstieg, München 2005, S. 26f.; Klaus Hildebrandt, Das Dritte Reich, 6. Auflage, München 2003, S. 158-165; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 279. 203 Zur defizitären Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus vgl. die Nachweise in Fußnote Nr. 103. 1953 zeigten die Probleme, denen die Ratifizierung des im Jahr zuvor unterzeichneten Luxemburger Abkommens begegnete, beispielhaft, wie schwierig das Thema war: Das »Wiedergutmachungsabkommen« konnte im Bundestag nur durch die Zustimmung der oppositionellen SPD (gegen weite Teile der Regierungskoalition) verabschiedet werden.
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Wiederherstellung des überkommenen Stadtbildes war daher in ganz anderem Ausmaß möglich als andernorts, auch sonst konnte die Stadt an ihr tradiertes Selbstverständnis anknüpfen, obwohl es angesichts der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verschiebungen in der jungen Bundesrepublik notwendig wurde, die wirtschaftliche Struktur der Stadt weiterzuentwickeln und die überkommene Identität zu ergänzen. Der (alte) Bundesrechnungshof wurde dagegen nicht nur von zwei, jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer Beauftragung, deutlich weniger bekannten Architekten, Friedel Steinmeier und Werner Dierschke, geplant. Er wurde auch in Frankfurt a.M. angesiedelt – und zwar im Zentrum der alten Groß- und Handelsstadt, die im Krieg nahezu vollständig zerstört worden war und sich überdies, nach der gescheiterten Hauptstadtbewerbung neu orientieren musste. Die Errichtung des Bundesrechnungshofs war daher in ganz anderer Weise Teil des kommunalen Wiederauf baus, als es mit dem BKA in Wiesbaden der Fall war. Hinzu kam, dass die Stadt einschlägige Erfahrungen mit einer engagierten und ambitionierten modernen Stadtplanung und mit den damit einhergehenden Konf likten hatte: Der Oberbürgermeister Ludwig Landmann und der von ihm berufene Stadtbaurat Ernst May hatten in den 1920er Jahren mit dem »Neuen Frankfurt« in dieser Beziehung deutschlandweit Maßstäbe gesetzt.204 Vor allem aber sind zwischen den beiden Behörden deutliche Unterschiede auszumachen: Das Bundeskriminalamt war (und ist) eine dem Bundesinnenministerium unterstellte Bundesoberbehörde, vor allem aber eine spezifisch bundesrepublikanische Neuerung ohne institutionelle oder organisatorische Tradition. Das sollte sie auch sein, denn mit dem Reichskriminalpolizeiamt existierte zwar ein Vorläufer, der allerdings als Teil des Reichssicherheitshauptamts eng mit der nationalsozialistischen Herrschaft verwoben gewesen war. Die Frage nach Kontinuitäten und Traditionen war im Fall des BKA also eine diffizile, eine, jedenfalls nach außen, nicht ohne Weiteres zu bejahende205 und eine mit der kaum offensiv 204 Zu Ludwig Landmann (1868-1945) und zu Ernst May (1886-1970) vgl. (statt aller) Meyer zu Knolle, Vertikale, passim. Das »Neue Frankfurt« war ein Wohnungsbau- wie gesellschaftliches Reformprojekt (was für Ernst May die Definition des Neuen Bauens insgesamt war, vgl. dazu Kapitel1.3.2): Ähnlich wie die von Bruno Taut errichteten Siedlungen in Berlin-Britz (Hufeisensiedlung) und in Berlin-Zehlendorf und wie die unter der Leitung von Mies von der Rohe errichtete Stuttgarter Weißenhofsiedlung hatte es unter bewusstem Verzicht auf die Anknüpfung an die überkommenen Stadtstrukturen durch den Bau bezahlbarer Wohnungen auf der »grünen Wiese« ästhetisch neue Wege beschritten und hygienische und soziale Probleme lösen wollen. Mit dem Bauhaus teilte es gestalterische Grundüberzeugungen, war aber (naturgemäß) praktischer orientiert. S. dazu ebd., passim; Durth/Sigel, Baukultur, bes. S. 137-161, S. 180-191, S. 209-219; Pehnt, Architektur, S. 140-156. 205 Nach innen sah das anders aus, der in Fußnote Nr. 44 erwähnte § 67 des 131er-Gesetzes war nicht zuletzt auf ehemalige Mitarbeiter des RSHA gemünzt, s. dazu Garner, Dienst, S. 774.
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umgegangen werden konnte. Demgegenüber verfügt(e) der Bundesrechnungshof als staatliche Finanzkontrolleinrichtung nicht nur über eine Sonderstellung.206 Er stand (und steht) auch in einer Kontinuitätslinie, die bis an den Beginn des 18. Jahrhunderts zurückreicht, in Deutschland institutionell, organisatorisch beispiellos ist207 und von den Zeitgenossen auch politisch-moralisch als untadelig betrachtet wurde:208 Die Rechnungsprüfungsbehörden galten bei ihren Angehörigen wie in der Gesamtbevölkerung als Hort der (Normen-)Staatlichkeit, gerade auch in der nationalsozialistischen Zeit. Vielleicht auch deshalb waren es gerade Rechnungsprüfer, die die Verfassungsgebung und die Festlegung und Ausgestaltung tragender Strukturen der jungen Republik so entscheidend (wie hinter den Kulissen) beeinf lussten209 – und dabei regelmäßig für sich in Anspruch nahmen, »übergeordnete[…] staatspolitische[…] Gesichtspunkte gegen partikularistische oder parteipolitische Interessen«210 zur Geltung zu bringen. Mit der Idee, einen »administrativen Etatismus«211 zu konzipieren und durchzusetzen und eine 206 Er ist, soweit er Verwaltungsaufgaben wahrnimmt, eine oberste Bundesbehörde. 207 Gilles/Otto/Weinert, Probleme, S. 184 m. w. N. 208 Die zeitgenössische Reputation des Reichsrechnungshofs (RRH) gründete sich vor allem auf die positiven Urteile des ehemaligen MdR und Haushaltsexperten der SPD, Kurt Heinig, und des langjährigen Reichsfinanzministers Johan Ludwig Schwerin Graf von Krosigk (der seinerseits u.a. von Josef Mayer, dem späteren Präsidenten des Bundesrechnungshofs im Wilhelmstraßen-Prozess entlastet wurde, s. dazu Weinert, Sauberkeit, S. 23f.), vgl. Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 104-184, bes. S. 182. 1955 thematisierte und kritisierte Karl Dietrich Bracher in seiner genannten Studie (erstmals) auch die Rolle des RRH, s. Bracher, Auflösung, S. 35-37. Vgl. dazu auch Pirker, Einleitung, S. 11; Rainer Weinert, In der Kontinuität des Reichssparkommissars: Das Rechnungshof-Gutachten zur Neuordnung der Landesregierung und Landesverwaltung in Schleswig-Holstein, in: Theo Pirker (Hg.), Die bizonalen Sparkommissare. Öffentliche Finanzkontrolle im Spannungsfeld zwischen Eigen- und Fremdinteresse während der Vor- und Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1992, S. 103-112, S. 108. 209 Das Selbstbewusstsein, mit dem dabei agiert wurde, zeigt sich beispielhaft daran, dass die damals geläufige Verkürzung der Einschätzung Otto Mayers »Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht« zu »Verfassungen vergehen, Verwaltungen bestehen« Weinert zufolge von einem Beamten der Rechnungsprüfung formuliert wurde, s. Weinert, Kontinuität, S. 108. Vgl. auch ders., Wider den Wasserkopf von Hoechst: Die Prüfung der bizonalen Wirtschaftsverwaltung durch Kontrollen des Rechnungshofs, in: Pirker (Hg.), Sparkommissare (wie in Fußnote Nr. 208), S. 85-102, bes. S. 99-102. S. auch Gerhard Otto, Politikberatung oder Politikgestaltung? Die verwaltungsreformerischen Intentionen der Finanzkontrolleure bei Aufbau der obersten Exekutivorgane der Bundesrepublik, in: ebd., S. 113-171. 210 Otto, Politikberatung, passim, bes. S. 121, S. 123f., S. 127. 211 Otto zufolge sollte mit an die ehemaligen höheren Reichsbehörden angelehnten Bundesoberbehörden »die ihrer Meinung nach (partei-)politisch-orientierte, finalprogrammierte Ministerialbürokratie auf einen nicht weiter reduzierbaren Kern« begrenzt und »durch die Dominanz der apolitischen, konditionalprogrammierten Fachverwaltungen« domestiziert werden. Begründet wurde das mit (einer Überinterpretation des) Art. 87 Abs. III GG. Vgl. Otto, Politikbe-
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starke und von der politisch-ministeriellen Ebene weitgehend getrennte Verwaltungsstruktur aufzubauen, setzten sie sich zwar nicht durch. Wiewohl nicht genuin antidemokratisch,212 scheiterten diese Pläne auch, allerdings bei Weitem nicht nur, an der Frage ihrer Vereinbarkeit mit Demokratie und Parlamentarismus. Die Ereignisse zeigten aber, dass gerade Rechnungsprüfer die Speerspitze bildeten, wenn es darum ging, das Selbst- und Idealbild eines (modernisierten) neutralen, objektiven Staats zu entwerfen und diesen zumindest implizit Demokratie und Parlamentarismus vorzuordnen – und wie sehr solche Vorstellungen mit den neuen bundesdeutschen Realitäten kollidieren konnten und in Abstimmung mit anderen Größen und Kräften entfaltet werden mussten.213
ratung, das Zitat stammt von S. 170. Zu den in verschiedenen (vom März, Mai und Juni 1949) Gutachten präsentierten Vorschlägen und den mit ihnen verbundenen Intentionen s. ebd. Vgl. auch Weinert, Wasserkopf; ders., Kontinuität. 212 Weinert, Kontinuität, S. 109. 213 Neben dem Spannungsverhältnis zu Demokratie und Parlamentarismus wurden auch föderalistische und praktische Bedenken geltend gemacht. Hinzu kam die taktische Dimension: Adenauer verband mit der Einschaltung der Rechnungsprüfer vor allem das Ziel, die Schaffung der neuen Bundesadministration organisatorisch und personell vorzubereiten (und die Ministerpräsidenten hier auszuschalten). Auch sein Interesse an der vorgeschlagenen Zweiteilung (in Oberbehörden und Ministerialbürokratie) resultierte in erster Linie daraus, dass sie die oben erwähnte Entscheidung für Bonn unterstützen konnte, und ließ deutlich nach, als die Hauptstadtfrage geklärt war, vgl. dazu Otto, Politikberatung, bes. S. 127-135.
2. Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden 2.1 Die institutionelle Errichtung 2.1.1 Die Entscheidung für eine zentrale kriminalpolizeiliche Organisation Dass am 2. Oktober 1953 das Bundeskriminalamt in Wiesbaden feierlich durch Bundesinnenminister Robert Lehr eingeweiht werden würde, war nach 1945 keinesfalls absehbar gewesen. Die polizeiliche Tätigkeit an sich, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols machte die Frage einer zentralen bundesdeutschen Polizeibehörde angesichts der unmittelbaren Vergangenheit zu einer sehr sensiblen. Mit dem Reichskriminalpolizeiamt (RKPA) gab es einen Vorläufer, der allerdings hinsichtlich seiner Entstehungsbedingungen und vor allem seiner Tätigkeit kaum als Argument für ein bundesdeutsches Amt dienen konnte: Zwar plante schon die Weimarer Republik die Einrichtung einer zentralen kriminalpolizeilichen Behörde, die Umsetzung eines entsprechenden Gesetzes war damals aber an dem hinhaltenden Widerstand der Länder gescheitert, die die traditionell bei ihnen liegende Polizeihoheit nicht eingeschränkt sehen wollten. Erst nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, im Jahr 1937, wurde das RKPA errichtet, dem Reichskriminaldirektor Arthur Nebe unterstellt – und organisatorisch in den nationalsozialistischen Herrschaftsapparat eingegliedert:1 Es wurde zu1 Dazu vgl. Imanuel Baumann/Herbert Reinke/Andrej Stephan/Patrick Wagner, Schatten der Vergangenheit. Das BKA und seine Gründungsgeneration in der frühen Bundesrepublik, Köln 2011, abrufbar unter: https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Publikations 1reihen/PolizeiUndForschung/Sonderband2011SchattenDerVergangenheit.html, abgerufen am 25.10.2018; Bundeskriminalamt (Hg.), Das Bundeskriminalamt stellt sich seiner Geschichte. Dokumentation einer Kolloquienreihe, Köln 2008, abrufbar unter: https://www.bka.de/Shared Docs/D ownloads/DE/Publikationen/Publikationsreihen/PolizeiUndForschung/Sonderband 2009DasBundeskriminalamtStelltSichSeinerGeschichte.html?nn=27728, abgerufen am 7.6.2018; dass. (Hg.), Der Nationalsozialismus und die Geschichte des BKA. Spurensuche in eigener Sache. Ergebnisse – Diskussionen – Reaktionen. Dokumentation des Kolloquiums zum Forschungsbericht zur BKA-Historie vom 6. April 2011, Köln 2011, abrufbar unter: https://www.bka.de/Sha redDocs/Downloads/DE/Publikationen/Publikationsreihen/PolizeiUndForschung/Sonderband2011DerNationalsozialismusUndDieGeschichteDesBKA.html, abgerufen am 6.6.2018; Wolfgang Schulte (Hg.), Die Polizei im NS-Staat. Beiträge eines internationalen Symposiums an der Deut-
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nächst mit einer der wichtigsten Säulen der nationalsozialistischen Herrschaft, der Geheimen Staatspolizei, zum Hauptamt Sicherheitspolizei zusammengefasst und 1939 als Amt V in das Reichssicherheitshauptamt integriert. Angesichts der Rolle, die das Reichssicherheitshauptamt in der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und Vernichtungspolitik in den folgenden Jahren gespielt hatte, erschien eine zentrale, mit starken Kompetenzen ausgestattete Polizeiorganisation nach 1945 »vielen Politikern, Juristen« und »weiten Teilen der Öffentlichkeit« weniger »als kriminalistische Notwendigkeit« denn als »politischer Albtraum«2, von den Alliierten ganz zu schweigen: Eine klare Dezentralisierung bestimmte die Reorganisation der westdeutschen Polizeibehörden.3 Trotzdem entstand mit dem Kriminalpolizeiamt für die Britische Zone (KPABrZ) bereits 1945/46 eine Behörde, die in vielerlei Hinsicht grundlegend für das Bundeskriminalamt werden sollte:4 Als Institution war es eine wichtige Basis für die Bemühungen um die Schaffung des BKA, personell wie organisatorisch dann dessen Kern. Der Leiter des Amts, Ernst Voss,5 und sein Mitarbeiter, Rolf Holle,6 forcierten nicht nur ganz praktisch die Zusammenarbeit der verschiedenen Polizeibehörden, sondern spätestens seit 1947 auch konzeptionell: Rahmenvorschläge für eine wenigstens in Maßen zentralisierte und vereinheitlichte Kriminalpolizei wurden (im Rahmen einer Tagung) erarbeitet und bei den maß-
schen Hochschule der Polizei in Münster, Frankfurt a.M. 2009. Zum Verhältnis von Kriminalpolizei und Geheimer Staatspolizei vgl. auch Dietmut Majer, Justiz und Polizei im »Dritten Reich«, in: Ralf Dreier/Wolfgang Sellert (Hg.), Recht und Justiz im »Dritten Reich«, Frankfurt 1989, S. 136-150; Robert Gellately, Gestapo und Terror. Perspektiven der Sozialgeschichte des nationalistischen Herrschaftssystems, in: Alf Lüdtke (Hg.), »Sicherheit« und »Wohlfahrt«. Polizei, Gesellschaft und Herrschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1992, S. 371-392. 2 Baumann u.a., Schatten, S. 324. 3 Zu den Einzelheiten s. Horst Albrecht, Im Dienst der Inneren Sicherheit. Die Geschichte des Bundeskriminalamts, Wiesbaden 1988, abrufbar unter https://www.bka.de/SharedDocs/Down loads/DE/Publikationen/Publikationsreihen/Forschungsergebnisse/1988ImDienstDerInnerenSi cherheit.html, abgerufen am 13.12.2016, S. 14-16. 4 Zum KPABrZ (das 1951 vom Bund übernommen wurde und die Bezeichnung »BKA-Außenstelle Hamburg« erhielt) und zu seiner Bedeutung für den Aufbau des BKA s. Albrecht, Dienst, S. 15f., S. 29 und S. 61-79. 5 Zu Ernst Voss (1890-1970) s. Albrecht, Dienst, S. 69f. 6 Rolf Holle (1914-2004) hatte sich noch als Schüler den Nationalsozialisten angeschlossen. 1939 wurde er in die SS aufgenommen, blieb aber im kriminalpolizeilichen Dienst, in dem er seit 1937 stand. Nach seiner Entnazifizierung arbeitete er ab 1947 als Kriminaloberinspektor im KPABrZ, dann im BKA. Nach Beförderungen (1951 und 1953) trat er 1972 vorzeitig in den Ruhestand. Zu ihm vgl. Albrecht, Dienst, S. 70f.; Baumann u.a., Schatten, passim; Dieter Schenk, Personelle und organisatorische Verknüpfungen des BKA zu Vorgängerinstitutionen, in: Bundeskriminalamt (Hg.), Geschichte, S. 111-124; Die Legende und die Fakten, in: Wiesbadener Tagblatt vom 8.11.2011.
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geblichen Stellen in der Polizei und in der Politik intensiv beworben.7 Eine neue Intensität und Durchschlagskraft erhielten die Bemühungen seit dem Sommer 1947, als Ernst Voss und Rolf Holle begannen, mit einer der schillerndsten Figuren der deutschen Nachkriegsgeschichte zusammenzuarbeiten: mit dem langjährigen Kriminalbeamten, ehemaligen SS-Untersturmbannführer, Mitarbeiter der militärischen Abwehr, vermutlichen OSS-Agenten und späteren Präsidenten des BKA Paul Dickopf.8 Er und Rolf Holle kannten sich seit 1938/39, als beide den Kommissarslehrgang in der Führerschule der Sicherheitspolizei in Berlin-Charlottenburg9 absolviert hatten. Dickopf genoss als (angeblicher) Widerstandskämpfer hohes Ansehen,10 war extrem umtriebig und verfügte über sehr gute Verbindungen zu den Amerikanern. Als mit der zunehmenden Blockkonfrontation für die Alliierten vorstellbar wurde, eine zentrale deutsche Sicherheitsbehörde zu schaffen, war es maßgeblich auf Dickopf zurückzuführen, dass es wirklich gelang, die alliierten Vorbehalte zu überwinden und den amerikanischen Geheimdienst, über diesen den amerikanischen Militärgouverneur und in der Folge die britischen und französischen Stellen insgesamt zu überzeugen. Auch wenn es um die deutsche beziehungsweise um die bundesdeutsche Seite ging, spielten die Polizei selbst und besonders Dickopf eine zentrale Rolle: Holle
7 S. dazu Albrecht, Dienst, S. 66-69. 8 Paul Dickopf (1910-1973) war (nach Abbruch seines Jurastudiums) ab 1937 als Anwärter bei der Kriminalpolizei tätig. 1939 wurde er Kriminalkommissar und SS-Untersturmführer beim Sicherheitsdienst (SD). Im selben Jahr ging er als Leiter des kriminalpolizeilichen Erkennungsdienstes für Baden nach Karlsruhe und dann als Leiter der kriminalpolizeilichen Verbindungsstelle beim Wehrkreiskommando nach Stuttgart. Seit dem Krieg war er für die militärische Abwehr tätig. Nach einem mythenumwitterten Aufenthalt in der Schweiz (vgl. dazu Fußnote Nr. 10) kehrte er 1947 nach Deutschland zurück. Zunächst freiberuflich, dann (ab 1950) als Sachbearbeiter im BMI war er mit dem Aufbau der Kriminalpolizei in Westdeutschland befasst, die er strukturell, personell und inhaltlich prägte. Von 1965 bis 1971 war er Präsident des BKA. Zum ihm vgl. Baumann u.a., Schatten, bes. S. 16-18, S. 69-78; Schenk, Verknüpfungen, passim. 9 Innenminister Carl Severing hatte die zentrale Aus- und Fortbildungsstätte für Polizeioffiziere während der Weimarer Republik ins Leben gerufen, um die Polizeiarbeit republikanischen und demokratischen Vorstellungen anzupassen, s. dazu Hans-Gerd Jaschke, Geschichte der deutschen Polizei vor und nach 1945: Kontinuitäten und Brüche, in: Bundeskriminalamt (Hg.), Geschichte, S. 37-60, hier S. 43. Zu Bemühungen um eine »Demokratisierung« von Verwaltung und Beamtenschaft s. Kapitel 1.2.2. 10 Diese Einordnung basiert(e) darauf, dass sich Dickopf seit 1943 in der Schweiz aufgehalten hatte. Nach eigenen Aussagen hatte er sich aus Deutschland abgesetzt, um einer drohenden Überprüfung durch den Sicherheitsdienst zu entgehen. Allerdings gibt es starke Hinweise darauf, dass er im Auftrag der Abwehr gehandelt hatte und in der Schweiz als Doppelagent (für den Nachrichtendienst der Schweiz und für deutsche Dienststellen) tätig gewesen war. Zudem steht die Vermutung im Raum, dass er zusätzlich für den US-amerikanischen Geheimdienst OSS und seinen Nachfolger, die CIA, gearbeitet hat. Vgl. dazu (statt aller) Baumann u.a., Schatten, S. 70-72.
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und Dickopf mussten zunächst sicherstellen, dass »das alliierte Zugeständnis«11 in das im Entstehen begriffene Grundgesetz integriert werden konnte. Das war nicht ganz einfach, denn einer zwar weitreichenden, inhaltlich aber diffusen Mehrheit für eine (wie auch immer geartete) Bundeszuständigkeit im polizeilichen Bereich stand eine zwar kleine, aber schlagkräftige Minderheit gegenüber, die eine solche Zuständigkeit entschieden ablehnte.12 Diese Minderheit wurde zudem von einem unionsgeführten Land angeführt, nämlich von Bayern. In diesem (unionsinternen) Konf likt konnte Dickopf mit dem sogenannten Polizeibrief der Alliierten vom 14. April 1949 den »Befreiungsschlag« organisieren: Der Brief gestattete es der Bundesregierung, die bisherigen Anordnungen korrigierend, »unverzüglich« Bundesorgane und »Bundespolizeibehörden«13 zur Verfolgung bestimmter Delikte zu errichten und ein entsprechendes Bundesgesetz zu erlassen. Mit der Erklärung: »›Clay hat gesagt, wir müssten das ins Grundgesetz aufnehmen‹«14, deklarierte Adenauer, die Entscheidung als eine der Alliierten und brachte seine Fraktion auf diese Weise hinter sich. Die ausschließliche Bundeszuständigkeit für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in kriminalpolizeilichen Fragen und für die Errichtung eines Bundeskriminalamtes wurde im Grundgesetz in Artikel 73 Ziffer 10 fixiert, die Verwaltungszuständigkeit des Bundes in Artikel 87.
2.1.2 Das BKA-Gesetz Damit waren die Auseinandersetzungen allerdings nicht beendet. Als 1949/50 auf Grundlage der grundgesetzlichen Bestimmungen ein entsprechendes Gesetz (das BKA-Gesetz) erarbeitet und durchgesetzt werden musste, gingen sie in die zweite Runde. Die »Fronten« waren ungefähr dieselben: Die Bundesregierung, zahlreiche Bundesländer und die klare Mehrheit des Bundestags waren dafür, die in Artikel 87 GG eröffnete Möglichkeit, Bundeseinrichtungen zu schaffen, zu nutzen und eine zwar »in jeder Beziehung und aus jeder denkbaren Richtung in enge und strikte Grenzen verwiesen[e]«15, nichtsdestoweniger aber zentrale Organisation ins Leben zu rufen. Demgegenüber war Bayern entschlossen, gemeinsame Einrichtungen der Länder durchzusetzen. Noch im September 1949 ergriff es die Initiative, als es zu einer »Tagung der Länder der Bundesrepublik über Fragen der 11 S. dazu Baumann u.a., Schatten, S. 16-18, das Zitat ist von S. 17. 12 Zu den Beratungen im Parlamentarischen Rat und der Haltung Bayerns s. Albrecht, Dienst, S. 1731. 13 Schreiben an den Parlamentarischen Rat über die Regelung der der Bundesregierung auf dem Gebiet der Polizei zustehenden Befugnisse, abgedruckt bei Albrecht, Dienst, S. 436-437 (als Anlage 2). 14 Zitiert bei Albrecht, Dienst, S. 25. 15 Baumann u.a., Schatten, S. 324.
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Kriminalpolizei« einlud und so versuchte, die Debatte in seinem Sinne zu bestimmen.16 Spätestens damit war für alle Beteiligten offensichtlich, dass das BKA-Gesetz eine langwierige und komplizierte Abstimmungsarbeit notwendig machen würde. Bundesinnenminister Gustav Heinemann17 richtete daher einen eigenen Arbeitszusammenhang im Innenministerium ein: Neben ihm selbst und seinem Nachfolger Robert Lehr18 umfasste dieser den Ministerialdirigenten Hans Egidi,19 den späteren Leiter des Kriminalpolizeiamtes der Britischen Zone/des BKA, Max Hagemann,20 und Paul Dickopf, der Hagemann zunächst beriet, bevor er zum 15. Mai 1950 als Sachbearbeiter im Ministerium angestellt wurde. Wie bereits zuvor übernahm Dickopf die Abstimmung mit den Alliierten: In Gesprächen mit der US-Militärregierung steckte er den Rahmen für das künftige BKA-Gesetz ab und entwickelte, wiederum zusammen mit Rolf Holle, entsprechende Entwürfe. Dass das BKA-Gesetz im Laufe des Jahres 1950 wirklich entstand und verabschiedet wurde, lag auch daran, dass die Existenz einer zentralen kriminalpolizeilichen Behörde die Voraussetzung für ein wichtiges Ziel der Bundesrepublik war: die Aufnahme in die 1946 wiederbegründete Internationale Kriminalpolizeiliche Kommission (IKPF, seit 1956 Interpol).21 Die Aufnahme in die IKPF bedeutete, 16 Zu dieser Tagung und ihren Ergebnissen vgl. Albrecht, Dienst, S. 37-41. Zu den weiteren bayerischen Aktivitäten s. ebd., S. 44f. 17 Der spätere Bundesjustizminister und Bundespräsident war vom 20.9.1949 bis zum 9.10.1950 Bundesinnenminister. 18 Der ehemalige Widerstandskämpfer und Mitbegründer der CDU Robert Lehr (1883-1956) war von 1950 bis 1953 Bundesinnenminister. 19 Der Jurist Hans Egidi (1890-1979) war 1933 zunächst aus politischen Gründen aus dem Staatsdienst entlassen, dann aber wieder eingestellt und zuletzt im Reichsrechnungshof beschäftigt worden. Nach dem Krieg, einem Konflikt mit der SMAD, Verhaftung, Entlassung und Flucht in den Westen wurde er zunächst Vizepräsident des niedersächsischen Landesrechnungshofs. Auf Betreiben Heinemanns trat er 1949 als Ministerialdirigent ins Bundesinnenministerium ein, neben dem BKA baute er dort auch den Bundesgrenzschutz und den Verfassungsschutz mit auf. 1955 wurde er Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. »Egidi, Hans«, in Munzinger Online/Personen – Internationales Biographisches Archiv, URL: www.munzinger.de/docu ment/00000003869, abgerufen von Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins am 7.6.2018. 20 Der promovierte Jurist Max Hagemann (1883-1968) hatte ab 1927 die Kriminalpolizei in Berlin geleitet. 1929 war er ins preußische Innenministerium abgeordnet worden, 1930 ans preußische OVG gewechselt. 1941 war er zunächst in den einstweiligen Ruhestand versetzt, dann aber ins Reichsministerium der Justiz berufen worden. Am 10.11.1949 trat er als Unterabteilungsleiter in das BMI ein und wurde mit der Vorbereitung des BKA-Gesetzes und der Errichtung des BKA betraut. Im Juli 1951 wurde er mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Leiters des BKA beauftragt, am 4.1.1952 wechselte er deshalb nach Hamburg und leitete das dortige Kriminalpolizeiamt der Britischen Zone bis zum 31.3.1952. Zum ihm s. Albrecht, Dienst, S. 86-89 und passim. 21 Die IKPK war 1923 begründet und 1946 erneuert worden. 1956 wurde sie in Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation (IKPO) bzw. International Criminal Police Organization (Interpol) umbenannt. Bundesdeutsche Polizeibehörden hatten seit 1948 Kontakt zu ihr. Aufgenommen
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einen wichtigen Schritt (zurück) auf die internationale Bühne tun zu können und »Anschluß an den internationalen Verkehr auf allen Gebieten des staatlichen Lebens […] finden«22 zu können, wie es Robert Lehr anlässlich der Einweihung des BKA formulierte. Dieser Gedanke ließ die Entscheidung über die Einrichtung einer zentralen kriminalpolizeilichen Institution weniger als eine innen- denn als eine außenpolitisch notwendige erscheinen, entlastete also die bundesdeutsche und unionsinterne Diskussion. Trotzdem stieß der Entwurf des BKA-Gesetzes, den die Bundesregierung am 21. April 1950 beschloss, auf Widerstand im Bundesrat. Dieser wollte das BKA-Gesetz nicht nur als Zustimmungsgesetz begriffen wissen, sondern störte sich besonders an den in Paragraph 4 festgelegten Exekutivbefugnissen des BKA, also dessen Recht, (bestimmte) Straftaten auf Weisung des Bundesinnenministers selbst zu verfolgen. Insbesondere die Vorschrift, dass das BKA auch dann tätig werden können sollte, wenn ein Bundesland die wirksame Verfolgung straf barer Handlungen ablehnte (§ 4 Absatz 2 b der Regierungsvorlage), sorgte für Kritik. Als die Bundesregierung auf ihrer Vorlage bestand23 und diese ohne größere Auseinandersetzungen im September und Oktober 1950 durch den Bundestag »brachte«,24 rief der Bundesrat den Vermittlungsausschuss an. Der schließlich gefundene Kompromiss – die Exekutivbefugnisse des BKA wurden präzisiert und der beanstandete Absatz 2 b des Paragraphen 4 wurde gestrichen – stellte bis auf Bayern alle Länder zufrieden,25 sodass der Bundestag die Änderungsvorschläge am 14.12.1950 annahm und das Gesetz nach der Zustimmung der Hohen Kommission am 8. März 1951 verkündet werden und am 15. März 1951 in Kraft treten konnte. wurde die Bundesrepublik allerdings erst im Juni 1952 (und nicht schon 1951). Als Nicht-UN-Mitglied konnte sie den entsprechenden Antrag, Horst Albrecht zufolge, erst nach der Zustimmung des Wirtschafts- und Sozialrates der UN im Mai 1952 stellen, s. dazu Albrecht, Dienst, S. 90-109, bes. S. 92-96. 22 Zitiert bei Albrecht, Dienst, S. 81f. 23 Vgl. das Protokoll der 81. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 7.7.1950, abrufbar unter: www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1950k/kap1_2/kap2_49/para3_2.html?highl ight=true&search=Bundeskriminalamt&stemming=true&field=all#highlightedTerm, abgerufen am 24.10.2018. 24 In der ersten Lesung lehnte nur der Vertreter der Bayernpartei das Gesetz (in der Vorlage der Bundesregierung) grundsätzlich ab. In der zweiten und dritten Lesung (am 26.10.1950) fand gar keine Aussprache mehr statt und das BKA-Gesetz wurde in der Fassung der Bundesregierung angenommen. Vgl. Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, Stenografischer Bericht/Plenarprotokoll vom 12.9.1950 (83. Sitzung), S. 3131-3134 und Stenografischer Bericht/Plenarprotokoll vom 26.10.1950 (95. Sitzung), S. 3506-3507, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/ btp/01/01083.pdf und unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/01/01095.pdf, beide abgerufen am 11.12.2018. Vgl. auch Albrecht, Dienst, S. 55f. und S. 60. 25 Zu den Wortlauten der Entwürfe und des Gesetzes s. Albrecht, Dienst, S. 52 und S. 437-442 (Anlage 3 und 4), zur Haltung Bayerns vgl. ebd., S. 56-60.
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2.1.3 Die Entscheidung über den Sitz des BKA Parallel zu den Arbeiten am BKA-Gesetz wurde im Kabinett über den Sitz der Behörde verhandelt. Auch hier hatten die im Bundesinnenministerium arbeitenden Kriminalisten sehr klare Vorstellungen: Sie wollten das BKA nicht in Hamburg untergebracht wissen, wo allerdings das für die neue Behörde so wichtige Kriminalpolizeiamt für die Britische Zone seinen Sitz hatte. Aus der Sicht der Beamten sprachen die weite Entfernung von Bonn und die Nähe zur Zonengrenze, die Gefahren der »Nachrichtenstörung«26 berge, gegen die Hansestadt. Diese allerdings hatte ein starkes Interesse daran, das auch das BKA aufzunehmen – und wichtige Fürsprecher. Hamburg wurde vom Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates, Heinrich Hellwege27 unterstützt, der sich als Niedersachse und Vertreter des Wahlkreises Stade-Bremervörde für den norddeutschen Raum einsetzte, und von Konrad Adenauer. Dessen Votum war gewichtig, nicht nur weil der Bundeskanzler seinen Primat im Kabinett ohnehin selbst- und zielbewusst durchsetzte,28 sondern auch weil die Frage nach dem Sitz des BKA vom Kabinett explizit als »Politikum« betrachtet wurde, über das in Anwesenheit des Bundeskanzlers und »besonders entschieden werden«29 müsse. Auf der Suche nach einer Alternative zu Hamburg fasste die im Bundesinnenministerium versammelte Gruppe um Hans Egidi zunächst Koblenz ins Auge – München oder Stuttgart schieden ihrer Ansicht nach ihrer dezentralen Lage wegen aus und günstiger gelegene Städte wie Bonn, Düsseldorf und Köln verfügten, so die Einschätzung, über keinerlei räumliche Kapazitäten. In der Stadt am Deutschen Eck hingegen würden im Zuge der wahrscheinlichen Verlegung der Landesregierung nach Mainz – die Abstimmung war für den 16. Mai 1950 angesetzt – Gebäude, sowohl Bürobauten als auch Wohnungen, frei werden. Außerdem war die rheinland-pfälzische Landesregierung daran interessiert, Koblenz zu »entschädigen«, und daher bereit, das Regierungsgebäude günstig an den Bund zu vermieten.30 Hagemann und Dickopf entfalteten daher im Sommer 1950 rege Aktivitäten: Sie verhandelten mit der rheinland-pfälzischen Landesregierung über geeignete Gebäude und drängten darauf, die Miete so anzusetzen, dass die Stadt 26 Vorlage Hagemanns an den BMI betr. Sitz des BKA vom 4.5.1950, in: BArch B/106/15646 [ohne Paginierung]. 27 Der spätere Ministerpräsident von Niedersachsen, Heinrich Hellwege (1908-1991) war von 1949 bis 1955 Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates. 28 Zu Mitgliedern und Kräfteverhältnissen im ersten Kabinett Adenauer vgl. statt aller Schwarz, Aufstieg, S. 632-636. 29 Protokoll der 58. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 13.4.1950, abrufbar unter: www. bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1950k/kap1_2/kap2_26/para3_13.html, abgerufen am 24.10.2018. 30 Vgl. die Vorlage Hagemanns an den BMI betr. Sitz des BKA vom 4.5.1950, in: BArch B/106/15646.
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die günstigsten Konditionen anbieten würde.31 Flankierend stellten sie Argumente zusammen, die der Bundesinnenminister im Kabinett vortragen konnte. Ihr Engagement trug Früchte: Obwohl sich Adenauer am 3. Juli 1950 in einem Schnellbrief an alle Bundesminister noch einmal klar für Hamburg aussprach, weil »die Unterbringung des Bundeskriminalamtes an einem Ort mit starkem internationalen Verkehr vorteilhafter wäre«32 (wogegen das Bundesinnenministerium auf die in Koblenz gegebene räumliche Nähe zur Bundesregierung verwies),33 deutete im August 1950 viel darauf hin, dass das BKA in Koblenz seinen Sitz nehmen würde: Die rheinland-pfälzische Landesregierung unterstützte das Projekt und die Verhandlungen um den Mietpreis wurden konkreter.34 Nur einen Monat später, das BKA-Gesetz stand kurz vor seiner Verabschiedung und die Angelegenheit wurde dringlich, hatte sich die Situation allerdings entscheidend geändert: Das in Koblenz für das BKA vorgesehene ehemalige Regierungsgebäude war, wie sich bei einer Besichtigung herausstellte, baufälliger als angenommen.35 Auch die Beschaffung von Wohnraum machte unerwartete Schwierigkeiten, denn die durch den Wegzug der Landes- und der Militärregierung freigewordenen Wohnungen beanspruchte das Militärische Sicherheitsamt (der Alliierten).36 Zudem wich die rheinland-pfälzische Landesregierung einer endgültigen Entscheidung über das avisierte Gebäude aus (und schien insgesamt das Interesse am BKA zu verlieren),37 gleichzeitig brachte sich Hamburg mit dem Angebot, das BKA in einem der entstehenden Grindel-Hochhäuser unterzubrin31 Vgl. das Schreiben Dickopfs an Regierungsrat Duppré, rheinland-pfälzische Staatskanzlei, vom 27.6.1950, in: BArch B 106/15646. Der von der Staatskanzlei ursprünglich avisierte Mietpreis von knapp 115.000 DM reduzierte sich auf diese Weise auf eine Größenordnung von 90.000 DM, später sogar 80.000 DM, vgl. das Schreiben von StM Haberer, Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, an Hagemann betr. Mietwert des früheren Regierungspräsidiums in Koblenz vom 22.6.1950 und den Vermerk von Dickopf betr. Sitz des BKA vom 10.8.1950, in: ebd. 32 Schnellbrief Adenauers an alle Bundesminister betr. Sitz der Bundesbehörden vom 3.7.1950, in: BArch B 106/15646. 33 Vorlage von Hagemann betr. Sitz des BKA vom 7.7.1950, in: BArch B 106/15646. 34 Vermerk von Dickopf betr. Sitz des BKA vom 10.8.1950, in: BArch B 106/15646. 35 Vgl. das Schreiben des Bundesinnenministers an den Ministerpräsidenten Altmeier betr. den Sitz des BKA vom 8.9.1950, in: BArch B 106/15646. Kurzfristig wurde wegen des Zustands des Gebäudes und den Investitionen, die damit auf den Bund zukamen eine mietfreie Überlassung erwogen, vgl. ebd. und die Vorlage von Dickopf betr. den Sitz des BKA vom 23.9.1950, in: BArch B 106/15646. 36 Vorlage von Dickopf betr. den Sitz des BKA vom 23.9.1950, in: BArch B 106/15646. 37 Vorlage von Dickopf betr. Sitz des BKA vom 11.10.1950 und Schnellbrief von Staatssekretär von Lex (BMI) an Ministerpräsident Altmeier betr. Sitz des BKA vom 24.10.1950; Schreiben des BMI an Altmeier betr. Sitz des BKA vom 11.12.1950, in: BArch B 106/15646. Zum nachlassenden Interesse der Landesregierung von Rheinland-Pfalz vgl. auch das Schreiben Altmeiers an Lehr betr. Sitz des BKA vom 5.1.1951 und die Vorlage Dickkopfs betr. Sitz des BKA vom 7.1.1951, in: ebd.
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gen,38 zurück in die Diskussion. Tatsächlich entschied sich das Bundeskabinett am 27. Oktober 1950 gegen das Votum des Innenministers für Hamburg. Dabei wurde Hellwege vom Bundesfinanz- und vom Bundesarbeitsminister unterstützt, die die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung in den ins Auge gefassten Räumen in Koblenz unterbringen wollten.39 In dieser Situation stieß eine Offerte der hessischen Landeshauptstadt vom 13. November 1950 im Bundesinnenministerium auf großes Interesse. Der Wiesbadener Oberbürgermeister, Hans Heinrich Redlhammer,40 bot an, das BKA in seiner Stadt anzusiedeln, und stellte eine Unterbringung im Alten Museum und die Errichtung eines Anbaus in Aussicht.41 Schon am 19. und 20. November sprach Dickopf mit Vertretern der Stadtverwaltung und dem Stadtbaurat Wiesbadens, Eberhard Finsterwalder,42 über die Pläne.43 Am 23. November 1950 erneuerte und konkretisierte Redlhammer sein Angebot und brachte einen kompletten Neubau ins Spiel.44 Als im Januar 1951 dann immer deutlicher wurde, dass »Koblenz für das Bundeskriminalamt voraussichtlich ausfällt«, schien es angebracht, »sofort die bisher nur informatorisch geführten Verhandlungen in Wiesbaden mit dem Ziele des baldigen Abschlusses beschleunigt aufzunehmen«45. Das geschah. Zwar komplizierten sich die Dinge dadurch, dass der hessische Ministerpräsident, Georg
38 Schreiben von Max Brauer, Erster Bürgermeister von Hamburg, an das BMI betr. Unterbringung des BKA in Hamburg vom 18.10.1950, in: BArch B 106/15646. Vgl. auch die Besprechung betr. Sitz der Bundesbehörden vom 15.11.1950, in: BArch B 136/1840, fol. 530-532, hier fol. 532. Die von 1946 bis 1956 errichteten Hochhäuser in Eimsbüttel waren eigentlich für die Verwaltung der britischen Zone geplant, nach der Einrichtung der Bizone musste eine neue Nutzung gefunden werden. Insgesamt zum Wiederaufbau Hamburgs vgl. Krieger, Wiederaufbau-Wettbewerb. 39 Protokoll der 106. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 27.10.1950, abrufbar unter: www. bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1950k/kap1_2/kap2_75/para3_9.html, abgerufen am 24.10.2018. 40 Der seit 1946 amtierende Oberbürgermeister, Hans Heinrich Redlhammer (1891-1980), war als Diplomat 1933 in den Ruhestand versetzt worden. Wiewohl bis 1953 im Amt, war er ab 1951 aufgrund einer gerichtlichen Auseinandersetzung um seine Anträge auf Wiedergutmachung suspendiert und wurde von Bürgermeister Georg Kluge vertreten. Vgl. Mindestens Gesandter, in: Der Spiegel 42/1951, abrufbar unter: www.spiegel.de/spiegel/print/d-29194918.html, abgerufen am 28.1.2015. 41 Schreiben Redlhammers an den BMI betr. Unterbringung des BKA in Wiesbaden vom 13.11.1950, in: BArch B 106/15646. 42 Eberhard Finsterwalder (1893-1972) war ein in München geborener und in Wiesbaden verstorbener deutscher Architekt und langjähriger Stadtbaurat in Wiesbaden. 43 Vorlage Dickopfs betr. den Sitz des BKA vom 23.11.1950, in BArch B 106/15646. 44 Schreiben Redlhammers an den BMI betr. Unterbringung des BKA in Wiesbaden vom 23.11.1950, in: BArch B 106/15646. 45 Vermerk Egidis vom 15.1.1951, in: BArch B 106/15646.
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August Zinn, das Alte Museum für seine Dienststelle in Anspruch nahm.46 Die Stadt reagierte aber schnell: Sie bot dem Bundesinnenministerium umgehend ein Grundstück in der Händelstraße am Geisberg, im Norden der Stadt, mit dem dort befindlichen ehemaligen Sanatorium Dornblüth und die Errichtung eines Neubaus an.47 Letzteres sagte Bürgermeister Georg Kluge offenbar spontan und ohne »Rückendeckung« durch Magistrat oder Stadtverordnetenversammlung in einer Besprechung mit dem Staatssekretär des Bundesinnenministeriums zu.48 Diese Offerte machte die hessische Landeshauptstadt für die Kriminal- und Ministerialbeamten endgültig äußerst attraktiv. Denn das ins Auge gefasste Grundstück war mit seinem alten Baumbestand nicht nur landschaftlich außerordentlich schön. Seine Größe und Hanglage garantierten auch wenige Nachbarn und insbesondere keine Mitmieter, was aus Sicherheitsgründen wichtig war. Zudem bot es die Möglichkeit, weitere Bauten und, und das war wohl entscheidend, eine Funkstation auf dem Gelände zu errichten und damit den für die Zusammenarbeit mit der IKPK unerlässlichen, möglichst ungestörten Funkverkehr zu gewährleisten.49 Zwei Monate später gelang es den Vertretern des Bundesinnenministeriums auch wirklich, Wiesbaden im Kabinett durchzusetzen – gegen den Widerstand des Bundeskanzlers und Hellweges, die an der Hansestadt festhielten:50 Zwar 46 Vorlage Hagemanns betr. Sitz des BKA vom 2.2.1951 und Vermerk Hagemanns betr. Sitz des BKA vom 20.2.1950, in: BArch B 106/15646; Protokoll der 5. Sitzung des Wiesbadener Magistrats vom 31.1.1951, in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG Nr. 206. 47 Schreiben Redlhammers an den BMI vom 10.2.1951, in: BArch B 106/15646. Zu Debatten innerhalb des Magistrats um andere Standorte s. das Protokoll der 5. Sitzung des Wiesbadener Magistrats vom 31.1.1951 und das der 7. Sitzung vom 16.2.1951, in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG Nr. 206. 48 So äußerte sich Kluge jedenfalls später gegenüber dem Magistrat, vgl. das Protokoll der 18. Sitzung des Wiesbadener Magistrats vom 27.3.1952, in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG 210. 49 Diese Vorteile listete ein von Hagemann für den BMI verfasster Bericht vom 22.2.1951 auf, s. dazu Albrecht, Dienst, S. 79. Gerade die funktechnisch günstige Lage wurde auch in der zeitgenössischen Berichterstattung hervorgehoben, vgl. Wiesbaden voraussichtlich Sitz des Bundeskriminalamtes, in: Wiesbadener Kurier vom 5.1.1951; Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden, in: Bauwelt 51/1954, S 1004-1008, hier S. 1004 und Neubauten des Bundeskriminalamtes auf dem Geisberg in Wiesbaden, in: Deutsche Bauzeitung 2/1955, S. 90-101, hier S. 91. Vgl. dazu auch Albrecht, Dienst, S. 99-109. Auf die Möglichkeit des Abhörens des Funkverkehrs verweist Jo Sollich, Jo Sollich, Herbert Rimpl (1902-1978). Architektur-Konzern unter Hermann Göring und Albert Speer, Architekt des deutschen Wiederaufbaus, Berlin 2013, S. 200. Zu einem eventuellen persönlichen Interesse Dickopfs an Wiesbaden (die Nähe zu seinem Wohnort, Hattert) s. Mit »Interpol« auf Terroristenjagd, in: Wiesbadener Tagblatt vom 11.12.2000; anderen Angaben zufolge favorisierte Dickopf Wiesbaden, weil er Oberlehrer in Biebrich gewesen war, s. Anfänge in einer Jugendherberge, in: Wiesbadener Kurier vom 8.3.2000. 50 Vgl. Entwurf einer Kabinettsvorlage betr. Sitz des BKA vom Januar 1951, in: BArch B 106/15646; das Protokoll der 132. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 27.2.1951, abrufbar unter:
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konnte Hellwege noch verhindern, dass Wiesbaden per Umlaufverfahren zum Sitz des Bundeskriminalamts erklärt wurde.51 Am 13. April 1951 setzte sich das Kabinett aber über die Bedenken des Bundeskanzleramtes hinweg, votierte mit knapper Mehrheit für Wiesbaden und bestätigte diesen Beschluss noch einmal am 24. April.52
2.2 Planung und Errichtung des BKA-Gebäudes 2.2.1 Wiesbaden und das BKA Mit der endgültigen Entscheidung für Wiesbaden wurde die Errichtung des Bundeskriminalamts auch zu einer kommunalen Angelegenheit. Denn mit dem Bund war ausgehandelt worden, dass die Stadt das Gebäude in der Händelstraße 19 instandsetzen, auf eigene Kosten einen Erweiterungsbau errichten und beides, zunächst für sieben Jahre, an den Bund vermieten würde. Die junge hessische Landeshauptstadt hatte damals knapp 250.000 Einwohner und Einwohnerinnen, die Kommunalpolitik war von einer offenbar einigermaßen harmonischen Zusammenarbeit von SPD und CDU geprägt: Die beiden Parteien hatten bei den Wahlen im April 1948 fast gleichauf gelegen und 27,7 beziehungsweise 27,2 und 17 beziehungsweise 16 Mandate errungen.53 Mit dem Bau des BKA befasst waren, www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1951k/kap1_2/kap2_18/para3_8.html; Protokoll der 137. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 20.3.1951, abrufbar unter: www.bundes archiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1951k/kap1_2/kap2_25/para3_8.html, beide abgerufen am 24.10.2018; Bundeskriminalamt soll doch nach Hamburg, in: Wiesbadener Kurier vom 14.3.1951, in: Gärtner 1951 I. 51 Vgl. die Kabinettsvorlage des BMI betr. Sitz des BKA vom 21.3.1951 und das Schreiben Hellweges an Lehr betr. Sitz des BKA vom 5.4.1951, in: BArch B 106/15646. 52 Bundes-Kriminalamt kommt nach Wiesbaden, in: Wiesbadener Kurier vom 14.4.1951, in: StadtA Wiesbaden NL 73/93; Protokoll der 141. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 13.4.1951, abrufbar unter: www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1951k/kap1_2/kap2_25/para3_8. html; Protokoll der 143. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 24.4.1951, abrufbar unter: www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1951k/kap1_2/kap2_32/para3_18.html. Am 27.4.1951 erklärte Hellwege im Kabinett noch einmal seinen Widerstand gegen Wiesbaden als Sitz des BKA, stieß damit aber auf keine Resonanz, s. Protokoll der 144. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 27.4.1951, abrufbar unter: www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/ k1951k/kap1_2/kap2_33/para3_3.html, alle abgerufen am 24.10.2018. 53 Die Zusammenarbeit von SPD und CDU richtete sich vor allem gegen die NDP, die bei den genannten Wahlen überraschend 24,4 Prozent und 15 Mandate gewonnen hatte. Im Sommer 1951 wurden die Machtverhältnisse in der Stadtverordnetenversammlung komplizierter, als Mitglieder der NDP, der FDP und ein Fraktionsloser die sog. Überparteiliche Fraktion bildeten. Diese trat zwar bei der Wahl im Februar 1952 nicht mehr an, bei der sich die SPD auf 23, die FDP auf
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neben Oberbürgermeister Redlhammer, Bürgermeister Kluge und dem Stadtbaurat Finsterwalder, der Stadtkämmerer Heinrich Roos (CDU)54 und der Dezernent für Ernährung und Wirtschaft, Georg Buch,55 der zugleich Vorsitzender der SPD-Fraktion im Stadtrat war. Um die Interessen des BKA bei der Planung und Errichtung des Baus zu vertreten, wurde eine »Sonderabteilung Bau« in Wiesbaden eingerichtet, ihr Leiter war, kaum überraschend, Paul Dickopf. Größere (politische) Auseinandersetzungen waren dabei nicht zu befürchten. Der Wiesbadener Magistrat und die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung hatten die Bestrebungen, das BKA nach Wiesbaden zu holen, unterstützt: Wie Bürgermeister Kluge gegenüber der Presse betonte, gewann die »Bedeutung und das Gesicht unserer Stadt […] allein dadurch, daß sie zum Sitz dieser wichtigen Zentralbehörde gewählt wurde«56. Neben dieser »Aufwertung« ihrer Stadt versprachen sich die Kommunalpolitiker vom BKA vor allem wirtschaftliche Impulse. Wichtiger als die direkten Effekte (wie die Entlastung des heimischen Arbeitsmarkts, mit dem der Magistrat aber auch rechnete) waren dabei die indirekten: Der Zuzug von rund 300 Beamten und Angestellten mit einem sicheren Einkommen und die erwarteten (ausländischen) Besucher verhießen Umsätze, außerdem wurden Aufträge an die Wiesbadener Druckereibetriebe prognostiziert.57 19 Mandate verbesserte (der erstmals angetretene BHE gewann 6, die CDU verlor 3 Mandate). Die Wahl wurde aber Ende Juni 1953 für ungültig erklärt, bis zur Neuwahl traten fünf vom hessischen Innenminister berufenen »Beauftragte für die Wahrung der Aufgaben der Stadtverordnetenversammlung« an die Stelle der Stadtverordnetenversammlung. Bei der zeitgleich mit der Bundestagswahl stattfindenden Kommunalwahl am 6.9.1953 erhielt die SPD dann 20, die CDU 18 und die FDP 22 Mandate. Mitte Oktober einigten sich CDU und FDP auf Erich Mix als Oberbürgermeister, der dieses Amt für die NSDAP bereits von 1937 bis 1945 innegehabt hatte. Vgl. dazu Herbert Müller-Werth, Geschichte und Kommunalpolitik der Stadt Wiesbaden, Wiesbaden 1963, S. 209-213. 54 Heinrich Roos (1906-1988) hatte in der Weimarer Republik der DDP und dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold angehört. Er war im Widerstand gewesen und beteiligte sich nach 1945 führend beim Aufbau der CDU. 1945/46 war er Stadtrat, dann bis 1954 Stadtkämmerer. Vgl. zu ihm: Stephanie Zibell, Roos, Heinrich, in: Stadtlexikon Wiesbaden, abrufbar unter: https://www. wiesbaden.de/microsite/stadtlexikon/a-z/Roos__Heinrich.php, abgerufen am 7.6.2018. 55 Georg Buch (1903-1995) war als Gewerkschafter und Sozialdemokrat 1933 in Schutzhaft genommen und von 1941 bis 1945 wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« in verschiedenen Konzentrationslagern interniert worden. Ab 1946 war er Stadtverordneter in Wiesbaden, von 1946 bis 1950 und von 1954 bis 1974 auch Mitglied des hessischen Landtags. 1954 wurde er Bürgermeister und 1960 bis 1968 Oberbürgermeister von Wiesbaden. Vgl. Axel Ulrich, Buch, Georg, in: Stadtlexikon Wiesbaden, abrufbar unter: https://www.wiesbaden.de/microsite/stadtlexikon/a-z/ Buch__Georg.php, abgerufen am 7.6.2018. 56 Neubau für das Bundeskriminalamt, in: Wiesbadener Tagblatt vom 28.3.1952, in: StadtA Wiesbaden NL 73/95. 57 Magistratsvorlage vom 25.3.1952, in: StadtA Wiesbaden, Stadtverordnetenprotokolle 1952, Januar bis Juni, STVV Nr. 106; Protokoll der 18. Sitzung des Wiesbadener Magistrats vom 27.3.1952,
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Unkompliziert verliefen auch die Debatten um die Errichtung des BKA-Gebäudes. Es wurde im Magistrat primär unter ökonomischen Gesichtspunkten erörtert, konkret im Hinblick auf die veranschlagten jährlichen Mieteinnahmen von rund 155.000 DM,58 und vor allem auf die erwartenden Aufträge an die heimische Bauwirtschaft. Letztere waren nicht gering zu veranschlagen. Denn neben dem Um- beziehungsweise Neubau des Amtsgebäudes sollten durch den Bund Wohnungen für die Beamten und Angestellten errichtet werden, wofür ein Gelände nördlich des Geisbergs reserviert wurde.59 Auch in gestalterischer Hinsicht entzündeten sich am BKA keine Kontroversen – es wurde in dieser Hinsicht überhaupt nicht diskutiert. Das war wenig überraschend. Denn anders als, der Wiederauf bau des Stadtschlosses (seit 1946 Sitz des Landtages), der die städtischen Gremien und die Öffentlichkeit immer wieder beschäftigte,60 und anders als der Wiederauf bau des Kurhauses, den der Magistrat länger und direkt mit den beteiligten Architekten erörterte,61 war das BKA nicht mit der tradierten Identität der Stadt verknüpft. Wiesbaden war seit dem 19. Jahrhundert eine der bedeutendsten Kurstädte Deutschlands und der Kurbetrieb prägte das Profil der Stadt in visueller wie in sozioökonomischer Hinsicht seit Jahrzehnten.62 Zwar war gerade den in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG Nr. 210; s. auch »Büropolis« bringt jährlich 100 Millionen, in: Wiesbadener Tagblatt vom 18./19.12.1954, in: StadtA Wiesbaden NR. 73/99. 58 Angesetzt waren jährliche Zahlungen von 35.686, 80 DM für den Alt- und 121.182,20 DM für den Neubau. Vgl. dazu Anlage zu Punkt 8 der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung vom 13.3.1952, in: StadtA Wiesbaden, Stadtverordnetenprotokoll 1952, Januar bis Juni STVV Nr. 106; Magistratsvorlage vom 25.3.1952, in: StadtA Wiesbaden. Einschließlich des Nachtragshaushalts lag das Volumen des ordentlichen Haushalts der Stadt Wiesbaden im Rechnungsjahr 1951/52 bei 50,5 Millionen, das des außerordentlichen Haushalts bei 19,6 Millionen DM. Das Vermögen der Stadt betrug am 31.3.1951 140,97 Millionen DM, die Schulden 10,49 Millionen DM, vgl. dazu Müller-Werth, Geschichte, S. 230-235. 59 Protokoll der 14. und der 18. Sitzung des Wiesbadener Magistrats vom 29.2.1952 und vom 27.3.1952, in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG 210. 60 Vgl. exemplarisch: Umstrittene Planung der Brunnenkolonnade, in: Wiesbadener Tagblatt vom 8.3.1950, in: Gärtner 1950 I; Die neue Brunnenkolonnade, in: Wiesbadener Tagblatt vom 26.4.1950, in: Gärtner 1950 II; Kurhaussaal wird größer und festlicher, in: Wiesbadener Kurier vom 17.10.1950, in: Gärtner 1950 IV; Kavalierhaus als kulturelles Bauproblem, in: Wiesbadener Tagblatt vom 25.10.1951, in: Gärtner 1950 IV; Das neue Kurviertel – Planung des Stadtbauamtes, in: Wiesbadener Tagblatt vom 26.10.1950, in: Gärtner 1951 III; Neues Kavalierhaus – modern oder historisch?, in: Wiesbadener Tagblatt vom 25.1.1952in: Gärtner 1952 I. 61 Vgl. beispielhaft das Protokoll der 46. Magistratssitzung vom 10.11.1950, in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG Nr. 205. Der große Saal des (Anfang des 20. Jahrhunderts von Friedrich von Thiersch erbauten) Kurhauses wurde am 21.12.1951 wieder eingeweiht. 62 Im 19. Jahrhundert hatte die Stadt denn auch ein rasantes Bevölkerungswachstum (von gut 2000 auf mehr als 100.000 Einwohner) erlebt. Zur baulichen Entwicklung s. Sigrid Russ, Denk-
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politisch Verantwortlichen bewusst, dass die Stadt sich wirtschaftlich breiter aufstellen und insbesondere Industrie, Handel und Handwerk würde fördern müssen. Der überkommene Charakter sollte aber, das war städtischer Konsens, nicht gefährdet, sondern bewahrt werden63 – und stand von daher im Vordergrund entsprechender Bemühungen und Debatten. Stellte die Ansiedlung des BKA die Wiesbadener Verwaltung also nicht vor Konf likte, so doch vor Aufgaben: Das Grundstück musste angekauft, der Umund der Neubau mussten geplant und die Finanzierung gesichert werden. Die Stadt handelte schnell: Schon am 23. April 1951, also einen Tag vor der das Votum für Wiesbaden bestätigenden Entscheidung der Bundesregierung, beschloss der Magistrat, das Grundstück in der Händelstraße dem Eigentümer, dem hessischen Landesverband des Jugendherbergswerks, abzukaufen. Obwohl das Gebäude bereits von der Stadt genutzt wurde (es diente als Polizeischule), gestalteten sich die Verhandlungen über den Erwerb des Grundstücks schwieriger und langwieriger als erwartet. Um den Umzug des BKA nach Wiesbaden nicht zu gefährden, sah sich der Magistrat im August 1951 schließlich gezwungen, einer höheren Kaufsumme zuzustimmen und bezahlte 250.000 DM statt der eigentlich veranschlagten ca. 200.000 DM für das Gelände und Gebäude.64 Zu dem Kaufpreis kamen noch Kosten von 354.000 DM für den Ausbau des Hauses. Es musste um ein Vollgeschoss, das das im Krieg ausgebrannte Mansardendach ersetzte, aufgestockt werden.65 Weitere Schwierigkeiten ergaben sich daraus, dass das Jugendherbergswerk von der Stadt verlangte, eine Ersatzjugendherberge zu bauen und diese dem Werk kostenlos und unkündbar zur eigenen Bewirtschaftung zur maltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Wiesbaden II – Die Villengebiete, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Braunschweig/Wiesbaden 1988, S. 57-64. 63 Zur Wirtschaftspolitik Wiesbadens vgl. Müller-Werth, Geschichte, S. 220-230. Zu den zeitgenössischen Vorstellungen über den Charakter Wiesbadens vgl. Walter Kroh, Industrien stören nicht die Kurstadt, in: Wiesbadener Kurier vom 14.4.1950, in: Gärtner 1950 II; Wiesbaden soll Garnisonsstadt werden, in: Wiesbadener Tagblatt vom 25.6.1955, in: StadtA Wiesbaden NL 73/102; Das Gesicht der Stadt erhalten!, in: Wiesbadener Tagblatt vom 14.10.1955, beide in: StadtA Wiesbaden NL 73/101; Sonderbeilage Fünfzig Jahre Großstadt Wiesbaden, in: Wiesbadener Tagblatt Ostern 1956, in: StadtA Wiesbaden NL 73/103. Zu den Leitbildern und Entwicklungen in Wiesbaden s. auch Torben Giese, Moderne städtische Imagepolitik in Frankfurt a.M., Wiesbaden und Offenbach, Frankfurt a.M. 2010, S. 385-401. 64 Vgl. das Protokoll der 35., 36. und 39. Sitzung des Wiesbadener Magistrats vom 24.8., 4.9. und 28.9.1951, in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG Nr. 208. 65 Protokoll der 14. Sitzung des Wiesbadener Magistrats vom 29.2.1951, in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG Nr. 208. Der Ausbau des Gebäudes und die Kosten wurden am 13.3.1952 von der Stadtverordnetenversammlung gegen zwei Stimmen genehmigt, vgl. das Protokoll der 4. Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 13.3.1952, in: StadtA Wiesbaden, Stadtverordnetenprotokoll 1952, Januar bis Juni, STVV Nr. 106.
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Verfügung zu stellen. Damit drohte der Stadt ein erheblicher zusätzlicher finanzieller Aufwand zu entstehen, was insbesondere die SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung äußerst kritisch sah. Zwar stimmten Magistrat und Stadtverordnetenversammlung dem Vertragsabschluss am 24.8.1951 beziehungsweise am 6.9.1951 (Beschluss Nr. 330) schließlich zu, allerdings nur unter Vorbehalten, denen am 25.9.1951 durch vertragliche, den Kaufvertrag vom 31.8.1951 ändernde Vereinbarungen mit dem Jugendherbergswerk entsprochen wurde. Eine letzte Komplikation gab es bei der Räumung der ehemaligen Jugendherberge: Unmittelbar vor Beginn der Bauarbeiten erklärte sich ein dort wohnender Polizeikommandant erst dann zum Auszug bereit, als ihm die Stadt zusagte, ihn bei der Anmietung einer neuen Wohnung finanziell zu unterstützen.66 Auch bei der Planung und Errichtung des Neubaus waren Probleme zu überwinden: Am 4. Januar 1952 zerschlug sich die ursprüngliche Zusage des Bundes, der Stadt einen Kredit über 1,5 Millionen DM zu vermitteln, endgültig, sodass die Stadt, um das BKA nicht an eine andere Stadt zu verlieren, die Finanzierung selbst übernehmen musste.67 Der Magistrat stimmte den entsprechenden Maßnahmen am 27. März 1952 zu,68 die Stadtverordnetenversammlung am 3. April.69 Das hatte direkte Auswirkungen auf die Planung des Neubaus: Insbesondere der Stadtkämmerer drang darauf, dass, für den Fall, dass das BKA wieder abwandern sollte, sichergestellt wurde, dass der Erweiterungsbau anderweitig genutzt werden konnte.70 Im schließlich (und erst nach »vielen Bemühungen«) vorgelegten und von der Bauverwaltung gebilligten Entwurf71 waren gerade Achsmaß und Zimmertiefen sehr knapp dimensioniert.72 Das entsprach allerdings auch einem weiteren Ziel der Stadt, nämlich dem, die Kosten so gering wie möglich zu halten: 66 Vgl. das Protokoll der 54. und 56. Sitzung des Wiesbadener Magistrats vom 27.11. und 12.12.1951, in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG Nr. 209. Vgl. auch Jugendherberge wandelt sich zum Bürogebäude, in: Wiesbadener Kurier vom 29.2.1952, in: StadtA Wiesbaden NL 73/95. 67 Magistratsvorlage vom 25.3.1952, in: StadtA Wiesbaden, Stadtverordnetenprotokolle 1952, Januar bis Juni, STVV Nr. 106. 68 Protokoll der 18. Sitzung des Wiesbadener Magistrats vom 27.3.1952, in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG 210. 69 Protokoll der 5. Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 3.4.1952, in: StadtA Wiesbaden, Stadtverordnetenprotokoll 1952, Januar bis Juni, STVV Nr. 106. 70 Vgl. das Protokoll der 14. Sitzung des Wiesbadener Magistrats vom 29.2.1951, in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG Nr. 208. 71 Protokoll der 18. Sitzung des Wiesbadener Magistrats vom 27.3.1952, in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG 210. 72 Vgl. den von Herbert Rimpl aufgestellten Teil-Kostenvoranschlag für die Inneneinrichtung und Außenanlagen des Bundeskriminalamts in Wiesbaden vom 17.7.1953, in: BArch B 157/3805, fol. 26-43, hier 40.
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Mit 75 DM pro Kubikmeter umbauten Raums und insgesamt 1,8 Millionen DM wurden die Gesamtkosten sehr niedrig angesetzt, was den Beteiligten von vornherein klar war.73 Sie erhöhten sich denn auch, durch Nebenarbeiten, Beseitigung von Baumängeln, Honorarnachforderungen u.a. auf mehr als zwei Millionen DM. Trotz allem verliefen die Planungs- und Bauarbeiten zügig: Noch im Dezember 1951 konnte mit dem Umbau des Altbaus begonnen werden und schon Mitte Mai 1952 war das Gebäude nutzbar. Am 25. Februar 1952 wurde das Richtfest für den Neubau gefeiert,74 im Juli 1953 wurde er bezogen und am 1. August wurde der Funkbetrieb mit dem Ausland und Interpol aufgenommen. Am 2. Oktober 1953 wurde das BKA dann vom Bundesinnenminister Robert Lehr im Rahmen einer öffentlichen und im Radio übertragenen Veranstaltung feierlich eingeweiht.75
2.2.2 Bauüberwachung, Architekt und Gebäude Für die Bauüberwachung und Projektsteuerung war die 1949 gegründete Gemeinnützige Wiesbadener Wohnbaugesellschaft mbH (GWW oder Wohnbau) verantwortlich.76 Mit ihr schloss die Stadt Wiesbaden am 12. Dezember 1951 den Vertrag über den Umbau der ehemaligen Jugendherberge geschlossen und am 19. Mai 1952 den über die Errichtung des Neubaus.77 Beauftragt mit dem Um- und dem Neubau wurde Herbert Rimpl:78 Der Entwurf, den er zusammen mit dem Baustadtrat Eberhard Finsterwalder entwickelt hatte, hatte die Vertreter des Bundes und der Stadt überzeugt.79 Den Baustadtrat 73 Vgl. die Erklärung von Stadtbaurat Finsterwalder im Protokoll der 18. Sitzung des Wiesbadener Magistrats vom 27.3.1952, in: StadtA Wiesbaden, Protokollbuch der Magistratssitzungen MAG 210. 74 Neben Ministerialdirektor Egidi vom Bundesinnenministerium waren der zukünftige Leiter, Jess, und Vertreter des Wiesbadener Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung anwesend, vgl. dazu Bundes-Kriminalamt wächst in Rekordzeit, in: Wiesbadener Kurier vom 26.2.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 75 Zur Eröffnungsfeier s. Albrecht, Dienst, S. 81-83. 76 Zu den Gründungsmitgliedern der GWW gehörten neben der Stadt Wiesbaden die Stadtwerke Wiesbaden AG, die Dyckerhoff Portland Zementwerke AG und die Zellstofffabrik Waldhof. Diese Beteiligung von Baustoffherstellern war, Sollich zufolge, ungewöhnlich und vielleicht ein Hinweis darauf, dass es auch darum ging, ein Versuchsfeld für trümmerverwertende Schüttbauweise zu schaffen, s. Sollich, Rimpl, S. 198f. 77 Vgl. StadtA Wiesbaden WI/3 Nr. 3009. 78 Im Vertrag zwischen der Stadt Wiesbaden und der Wohnbau über den Umbau des Altbaus wurde »Professor Dr. Herbert Rimpl« namentlich genannt, der Vertrag über die Errichtung des Erweiterungsbaus sah vor, dass die Wohnbau einen Vertrag mit ihm abschloss. 79 Der Bauwelt zufolge musste ein Ausschuss aus städtischen Baubeamten und externen Experten zwischen dem Entwurf Rimpl/Finsterwalder und einem weiteren wählen. Die drei aus dieser Gruppe bestellten Gutachter votierten einstimmig für ersteren, der Ausschuss, die Fi-
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und die Verantwortlichen bei der Wohnbau kannte der 1902 geborene Architekt, seit er einige Jahre zuvor mit der Bebauung der sogenannten Bierstädter Höhe von der Stadt beauftragt worden war.80 Allerdings war Rimpl auch überregional bekannt und zwar durch seine früheren Tätigkeiten:81 1934 hatte er sich im Architekturwettbewerb für das Ernst-Heinkel-Flugzeugwerk in Rostock durchsetzen können, dieser Erfolg war der Beginn seines Aufstiegs zum wichtigsten Industriearchitekten im Nationalsozialismus gewesen: Der bereits mit Datum vom 1. April 1933 in die NSDAP eingetretene Rimpl hatte auch das Oranienburger Werk der eng mit den Nationalsozialisten verknüpften Firma errichten können und war 1937 von Reichsluftfahrminister Hermann Göring mit dem Auf bau der Stahlwerke (»Hermann-Göring-Werke«, eigentlich »Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten ›Hermann Göring‹«) und der dazugehörigen Werkssiedlungen im heutigen Salzgitter, später auch an anderen Orten, betraut worden. Gestalterisch gesehen waren diese Bauten ein gutes Beispiel für die in der Einführung beschriebenen Kontinuitäten: Sie berücksichtigten, Jan Lubitz zufolge, mit »ihrer hierarchisch aufgebauten, in einzelne Zellen gegliederten Struktur« ebenso »Ideale der Charta von Athen […] wie biologistische Theorien des NS-Ideologen Gottfried Feder«82. Die Aufträge waren auch insofern von Bedeutung, als dass sie den Aufbau eines Architekturbüros notwendig und/oder möglich gemacht hatten, das in Struktur und Größe in Westeuropa neu- und einzigartig war: »Rimpls Laden«, so die zeitgenössische Bezeichnung, hatte streckenweise mehr als 700 Mitarbei-
nanzbaudirektion Wiesbaden und die Bauabteilung des BMF schlossen sich an. Vgl. Das Bundeskriminalamt, in: Bauwelt 51/1954, S. 1004. 80 Beim Wettbewerb um den Bau von 400 Wohnungen hatte Rimpl den ersten Preis gewonnen, realisiert wurde das Projekt, das das erste der Wohnbau war, 1949/50, s. dazu Sollich, Rimpl, S. 198f. 81 Rimpl hatte von 1922 bis 1926 an der Technischen Hochschule München Architektur studiert und war Mitarbeiter von Theodor Fischer geworden. 1927 war er in die bayerische Postbauverwaltung (in die Oberpostdirektion Augsburg) eingetreten, die unter Robert Vorhoelzer moderne und traditionelle Bauformen zu einer Synthese geführt hatte. (vgl. dazu Sollich, Rimpl, S. 27f.) 1929 hatte er die Leitung eines Zweigbüros von Dominikus Böhm (1888-1955) übernommen und im oberschlesischen Hindenburg mehrere große Aufträge ausgeführt. Als das Büro infolge der Weltwirtschaftskrise geschlossen wurde, hatte er ein eigenes Architekturbüro eröffnet. Vgl. Sollich, Rimpl. S. auch Durth/Sigel, Baukultur, S. 351-355; Jan Lubitz, Herbert Rimpl (1902-1978), in: architekten-porträt, abrufbar unter www.architekten-portrait.de/herbert_rimpl/index. html, abgerufen am 2.2.2015. 82 Lubitz, Rimpl. Zu Gottfried Feder (1883-1941), ab 1936 Professor für Siedlungswesen, Raumordnung und Städtebau (ab 1940 für Raumordnung, Landes- und Stadtplanung) an der TH Berlin s. Sonja Noller, »Feder, Gottfried« in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 42 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119388766.html#ndbcontent, abgerufen am 12.2.2018.
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ter beschäftigt und sich fast zu einer staatlichen Behörde entwickelt.83 1942 war Herbert Rimpl vom Generalbauinspektor von Berlin, Albert Speer, zum Leiter der Prüfstelle für Großbauvorhaben ernannt worden, seit 1944 hatte er zudem im bereits genannten Wiederauf baustab Speers mitgearbeitet. 1940 war er promoviert worden, am 20. April (!) 1943 hatte ihm Hitler persönlich und ohne jede Anbindung an eine Hochschule den Professoren-Titel verliehen, den Rimpl Zeit seines Lebens führen sollte. Angesichts dieses Werdegangs bedeutete der Untergang des Nationalsozialismus für Rimpl eine echte Zäsur. Zwar war er bereits 1946 (aufgrund unvollständiger Angaben) entnazifiziert worden, seine Versuche, »wieder generalistische Positionen einzunehmen«84, scheiterten aber: An seine Tätigkeit in Salzgitter konnte er nicht anknüpfen, in Mainz und in Darmstadt, wo er als Direktor des neuen Staatlichen Hochschulbauamts für die TH Darmstadt vorgeschlagen worden war, hatte er ebenso wenig Fuß fassen können. Und zum Leiter der Gesamtplanung in Berlin war er nicht berufen worden, als öffentlich an seine früheren Tätigkeiten erinnert worden war.85 Die Errichtung des Bundeskriminalamts, um die er sich bereits im November 1950 bei der Bundesregierung beworben hatte,86 bot für Herbert Rimpl daher die Möglichkeit, an frühere Erfolge wenigstens ansatzweise anzuknüpfen und wenn auch nicht im ganz großen, so doch wenigstens im mittleren Maßstab in der Bundesrepublik tätig zu werden. Schließlich ging es bei dem Auftrag um die Errichtung des Amtsgebäudes einer wichtigen und international eingebundenen Behörde der neuen Republik, eine gewisse öffentliche und mediale Aufmerksamkeit war also garantiert. Zudem handelte es sich um relativ umfangreiche Baumaßnahmen: Der Umbau des Altbaus war aufwändig, im Erdgeschoss und in den Untergeschossen musste die Küche, das Kasino und die sanitären Einrichtungen, in den oberen Stockwerken die Kriminaltechnische Abteilung untergebracht werden. Und zusätzlich zu den zwei eigentlichen Neu-
83 Zu den Einzelheiten s. Sollich, Rimpl, S. 285, insgesamt zu »Rimpls Laden« s. ebd., S. 280-286. 84 Sollich, Rimpl, S. 196, zum Folgenden s. ebd., S. 196-198. 85 Die Auseinandersetzung führte zwar nicht dazu, dass der Berliner Magistrat sich von Rimpl öffentlich distanzierte, er zog aber durch die Streichung sämtlicher Mittel für das Hauptamt für Gesamtplanung im Juni 1950 einen Schlussstrich. Für Rimpl bedeutete das nicht nur das Scheitern seiner beruflichen Pläne, sondern – jedenfalls nach seinen Angaben – erhebliche finanzielle Einbußen, außerdem wurde angesichts der Vorwürfe das Spruchkammerverfahren gegen ihn neu aufgerollt, dem er sich nur durch den Umzug nach Wiesbaden entziehen konnte. S. dazu Sollich, Rimpl, S. 181-196. 86 Schreiben Rimpls an das BMJ betr. Verlegung des BKA nach Wiesbaden vom 22.11.1950, in: BArch B 106/15646. Solche Initiativbewerbungen waren keinesfalls ungewöhnlich, vgl. (ebenfalls für das BKA) das Schreiben Carl Matarés an den BMI betr. BKA vom 1.5.1950, in: ebd.
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bauten, einem Hauptbau und einem Saalbau (Abbildung 1),87 waren Wohnungen für die Beamten und Angestellten zu errichten.88 Außerdem konnte Rimpl große Teile der Inneneinrichtung, Möbel, Lampen und Verkleidungen entwerfen.89 Abbildung 1: Das BKA in der »Bauwelt« von 1954
Quelle: Bauwelt 1954, Hef t 51
87 Zum BKA vgl. Neubauten des Bundeskriminalamts, in: DBZ 2/1955, S. 90-1001, Rimpl, Verwaltungsbauten, S. 190-192; Russ, Denkmaltopographie, S. 646; Sollich, Rimpl, S. 200 und S. 272-278. Nordwestlich vom Hauptbau lag außerdem noch ein Garagengebäude. 88 Sie entstanden wiederum mit der Wohnbau als Bauträger in unmittelbarer Nähe des BKD, s. dazu Sollich, Rimpl, S. 200. 89 Teil-Kostenvoranschlag für die Inneneinrichtung und Außenanlagen des BKA vom 17.3.1951, in: BArch B 157/3805.
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Um welche Dimensionen es ging, zeigen einige Zahlen zum Hauptbau: Der »unikate[] Sockelkörper«90 hat eine Grundf läche von 6.015 Quadratmetern, ist gut 80 Meter lang und 15 Meter breit. In fünf Vollgeschossen umschließt er 27.024 Kubikmeter umbauten Raum. Die Nutzf läche der Büros (einschließlich der Nebenräume) beträgt 4000, die Verkehrsf läche 1500 Quadratmeter. Insgesamt umfasst der Hauptbau 226 Räume und 500 im Schnitt 4,50 Quadratmeter große Arbeitsplätze, wobei die Direktionsräume großzügiger dimensioniert wurden. Erschlossen wird das Gebäude durch zwei spiralförmige Treppenhäuser und Aufzüge am Ost- und Westende. Senkrecht zum Altbau, also mit der Schmalseite in den Hang, positioniert, ist es mit letzterem über eine verglaste Brücke verbunden. Unter dieser Brücke liegt der nördliche, talwärts gelegene Haupteingang. Ein zweiter Eingang befindet sich unter einem weiteren verglasten, aber zweigeschossigen, Verbindungsbau. Über ihn ist der rechtwinklig zum Hauptbau stehende Saalbau und damit (unter anderem) Laborräume, ein Vortragsraum und ein Sitzungssaal, zu erreichen. Beim Haupt- wie auch beim Saalbau entschied sich Rimpl für die Stahlbetonskelettbauweise und, nicht zuletzt aufgrund des engen finanziellen Rahmens, für relativ einfache Materialien: Die Außenf lächen sind aus Sichtbeton, der mit einem hellen grüngrauen Mineralfarbanstrich versehen wurde, die zurückgesetzten, gemauerten, verputzten und ebenfalls farbig gestrichenen Brüstungen aus Kunststein. Bei den ebenfalls zurückgesetzten Fenstern handelte es sich zum größten Teil um einfach- und doppelverglaste Holzschwingfenster, nur in einigen Fällen um Stahlfenster. Zurückhaltung wahrte Rimpl auch in der Gesamtanlage: Bei dem geschosshohen Raster vermied er »eine Überbetonung traditionsbewußter vertikaler Axialität«91. Zudem glich er die Gleichförmigkeit der Rasterfassade und die Strenge der kubischen Form aus – durch gestreifte und zum Teil kippbare Markisoletten auf der Westseite und durch die Gestaltung des Daches. Über die Loggia, die fast die gesamte Breite des letzten Stockwerks auf der Westseite einnimmt und den Direktionsräumen vorgelagert ist, setzte Rimpl ein Schalendach, das jeweils zwei Achsen zusammenfasst (Abbildung 2). Aus gereihten Schalen formte er auch das Dach des auf der Ostseite gelegenen zehngliedrigen Erkers. (Er verschaffte dem dahinterliegenden Daktyloskopiesaal die notwendige Tiefe.) Die Balkone am unter dem Erker befindlichen Stockwerk, die Loggia und das gesamte Erdgeschoss (also am Hang das dritte Stockwerk) ließ Rimpl zudem von feingliedrigen Geländern umlaufen, die er über das Dach des Verbindungsbaus bis zum Altbau fortführte. Fortgesetzt und gesteigert wird diese filigrane und transparente Gestaltung schließlich im Saalbau: Auch ihn formte Rimpl zwar betont kubisch aus, überwölbte ihn aber zur Gänze von einem Schalendach und 90 Sollich, Rimpl, S. 276. 91 Russ, Denkmaltopographie, S. 646.
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ließ ihn vom Geländer umlaufen, mit dem er auch die kleine, als Fluchttreppe notwendige Wendeltreppe umgab (Abbildung 3). Zudem setzte er das sehr niedrige Untergeschoss wie das Obergeschoss zurück, umgab es mit Stahlrohrstützen mit eingespannter Balkonplatte und ließ so eine »zum Außenraum vermittelnde Zwischenzone«92 entstehen. Abbildung 2: Das BKA mit Loggia und Schalendach in der »Bauwelt«
Quelle: Bauwelt 1954, Hef t 51
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Abbildung 3: Wendeltreppe und Geländer in der »Bauwelt«
Quelle: Bauweil 1954, Hef t 51
Rimpl knüpfte mit den Neubauten des BKA an eigene, frühere Bauten an: Die Rasterfassade erinnerte »mit ihren schlanken Lisenen zwischen den Fenstern« unmittelbar »an die Verwaltungsbauten der Heinkel-Werke in Rostock und in Oranienburg sowie an den Verwaltungsbau der Bücker-Werke in Rangsdorf«93. Auch das Schalendach war nicht neu, sondern hatte schon die Werkshallen seiner Rostocker Bauten gekennzeichnet. Beide Gestaltungselemente stellte Rimpl aber in einen neuen Zusammenhang, indem er zeitgenössische Vorlieben aufnahm 93 Sollich, Rimpl, S. 200. Zu den Heinkel-Werken in Rostock und in Oranienburg, zu Raster und Schalen bei Rimpl s. ebd., S. 255-261, S. 271-273 und S. 279.
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und grundsätzlich »einer modern geprägten Entwurfshaltung«94 folgte. Unbewusst oder, wahrscheinlicher, bewusst setzte Rimpl das BKA damit von einem in der Nähe (ebenfalls in der Händelstraße) befindlichen Gebäude ab, das früher von der Wehrmacht genutzt worden war und »mit seiner wuchtigen Säulengalerie, der neoklassizistischen Gliederung und dem abweisenden Charakter […] in den von Albert Speer geprägten offiziellen Baustil des Dritten Reiches« passte95. Vor allem aber schuf er einen Bau, der viel Aufmerksamkeit auf sich zog und rasch zu einem der meist fotografierten und gefilmten (Neu-)Bauten, »zu einer der medialen Architekturen der Bundesrepublik«96 avancierte. Auch heute noch gilt das (inzwischen unter Denkmalschutz stehende) BKA vielerorts als ein ziemlich gutes Beispiel für die gemäßigte, in den 1930er und 1940er Jahren weiterentwickelte Moderne: Öfter als ein »trockene[r] schwerere[r] Monumentalstil«97 wird ihm eine »unprätentiöse Sachlichkeit«98 und eine »offene[…], von Leichtigkeit und Eleganz geprägte[…] Bauweise«99 attestiert. Es verwundert daher nicht, dass die Errichtung des BKA für Rimpl tatsächlich den entscheidenden Schritt in seine zweite Karriere als »Architekt des Deutschen Wiederauf baus« (Sollich) bedeutete: Bereits 1951 wurde er in den Architektenbeirat der Stadt Wiesbaden berufen.100 Bei der feierlichen Einweihung des BKA, am 2. Oktober 1953, (und darüber hinaus) wurden nicht nur seine gestalterischen und
94 Sollich, Rimpl, S. 254. Das war auch bei anderen Verwaltungsbauten Rimpls der Fall s. ebd. 95 Darauf weist Gottfried Kiesow hin; das Gebäude stammte aus den 1930er Jahren und befand sich in den 1950ern im Eigentum des Bundes, s. Gottfried Kiesow, Architekturführer Wiesbaden: Durch die Stadt des Historismus, Bonn 2006, S. 248. 96 Sollich, Rimpl, S. 200. Zu Besprechungen des BKA vgl. Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden, in: Bauwelt 1954, S. 1004-1008; Neubauten des Bundeskriminalamts an dem Geisberg in Wiesbaden, in: Deutsche BauZeitschrift (DBZ) 2/1955, S. 90-101; Alois Giefer/Franz Sales Meyer/Joachim Beinlich, Planen und Bauen im neuen Deutschland, hg. von Bund Deutscher Architekten BDA/ Deutscher Architekten- und Ingenieursverband DAI/Bund Deutscher Garten- und Landschaftsarchitekten, Opladen 1960, S. 23; Sitte/Leuschner, Stein, S. 40; Wiesbaden. Neues Bauen in der Landeshauptstadt, Stuttgart 1962, S. 22. Zur späteren Wahrnehmung des Gebäudes vgl. Wellendach und Rasterfassade sind geschützt, in: Wiesbadener Tagblatt vom 10.7.2000. 97 Lampugnani, Architektur, S. 203f. Vgl. auch ders., Abenteuer, S. 28. 98 Russ, Denkmaltopographie, S. 646. 99 Kiesow, Architekturführer, S. 248. 100 Der Architektenbeirat war ein ehrenamtlich arbeitendes, beratendes Gremium, dessen Mitglieder von der Bezirksgruppe Wiesbaden des Bundes Deutscher Architekten vorgeschlagen und durch den Magistrat ernannt wurden, vgl. zu ihm StadtA Wiesbaden MAG 209 1951; Magistrat beruft neuen Architektenbeirat, in: Wiesbadener Kurier vom 29.1.1952, in: Gärtner 1952 I; Sollich, Rimpl, S. 207.
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organisatorischen Leistungen gewürdigt,101 er hielt auch eine der Festreden.102 Noch im selben Jahr wurde er mit dem Bau des Gebäudes der Generaldirektion der Berlinischen Lebensversicherung (ebenfalls in Wiesbaden) beauftragt, 1954 mit der Errichtung des Gebäudes der hessischen Landesversicherungsanstalt in Frankfurt.103 Im selben Jahr trat er in den hessischen Bund Deutscher Architekten (BDA) ein.104 Darüber hinaus suchte er sich einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber als Experte für zeitgenössische (Verwaltungs-)Architektur zu etablieren: Er hielt Vorträge, nahm an Diskussionsveranstaltungen teil und betätigte sich als Autor. Noch 1953 veröffentlichte er »Die geistigen Grundlagen der Baukunst unserer Zeit«, ein Buch, in dem er (mittels eines Parforceritts vor allem durch die architektur- und geistesgeschichtlichen Entwicklungen der letzten Jahrhunderte) versuchte, die zeitgenössische Architektur einzuordnen und einem breiten Publikum nahezubringen.105 Sechs Jahre später, 1959, erschien seine an ein Fachpublikum gerichtete und klar als künftiges Standardwerk konzipierte Monographie über Verwaltungsbauten, in der er auch das BKA behandelte.106
2.3 Die Wahrnehmung und Einordnung des BKA 2.3.1 Die Wiesbadener Presse und das BKA 2.3.1.1 Die Auseinandersetzung mit dem Gebäude Ähnlich wie in den städtischen Gremien war die Errichtung des Bundeskriminalamts auch in den Zeitungen zwar ein Thema, aber kein prioritäres und kein kontroverses. Die Berichterstattung beschränkte sich hauptsächlich auf die Wiesbadener Presse, andere lokale oder überregionale Zeitungen brachten nur ganz 101 Das Wiesbadener Tagblatt mutmaßte sogar, dass die »hervorragende Planung des Objekts« mitentscheidend für die »Verlegung« des BKA nach Wiesbaden gewesen war, s. Richtkrone über dem Bundeskriminalamt, in: Wiesbadener Tagblatt vom 26.2.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. Auch die DBZ lobte die »vorbildliche« Zusammenarbeit von Rimpl und Finsterwalder, s. Neubauten des Bundeskriminalamts an dem Geisberg in Wiesbaden, in: DBZ 2/1955, S. 90101, S. 91. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass Rimpl und/oder die Wiesbadener (Bau-)Verwaltung hier eine erfolgreiche Pressearbeit betrieben haben. 102 Eine Paraphrasierung/ein Teilabdruck der Rede findet sich bei Albrecht, Dienst, S. 82f. 103 Zu beiden Bauten vgl. Sollich, Rimpl, S. 208 f, zur zeitgenössischen Wahrnehmung des Wiesbadener Baus s. Im Stadtkern steht ein neuer Riese, in: Wiesbadener Kurier vom 31.8.1956, in: StadtA Wiesbaden NL 73/103. 104 Sollich, Rimpl, S. 200f. 105 Zu diesem Buch s. auch Sollich, Rimpl, S. 216f. und Kapitel 2.2.2 dieser Arbeit. 106 Rimpl, Verwaltungsbauten, zum BKA s. ebd., S. 190f. Sollich zufolge orientierte sich Rimpl dabei an dem Buch von Walter Henn, Bauten der Industrie, 1955, s. Sollich, Rimpl, S. 223f.
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gelegentlich Artikel.107 Die beiden Wiesbadener Tageszeitungen, das traditionsreiche Wiesbadener Tagblatt und den Wiesbadener Kurier,108 verfolgten die mit der Errichtung des BKA zusammenhängenden Fragen dabei zwar nicht intensiv, aber kontinuierlich109 und orientierten sich an öffentlichkeitswirksamen Zäsuren und Ereignissen: Anlässlich des Richtfestes am 25.2.1953 brachten sie breitere und bebilderte Artikel,110 sehr viel ausführlicher berichteten sie von der festlichen Einweihung gut sieben Monate später. Geprägt war die Berichterstattung – bei Lokalzeitungen wenig verwunderlich – von der kommunalen Perspektive.111 Dabei stand zunächst der Bedeutungszuwachs, den Wiesbaden durch das entstehende BKA erfuhr, im Vordergrund. Die Bewerbung Wiesbadens um das BKA wurde als »Wettstreit«112 mit Hamburg interpretiert, der Erfolg der Mainstadt gegen die norddeutsche Metropole als Sieg. Und in den Berichten über die Einweihung hoben die Zeitungen die prominenten Beteiligten und damit Besucher Wiesbadens hervor (neben dem Bundesinnenminister Robert Lehr nahmen der hessische Ministerpräsident Georg August Zinn, mehrere Innenminister der Länder, Leiter der Landeskriminalämter und internationale Gäste wie der damals sehr bekannte schwedische Kriminalist Harry Sö-
107 Europas modernste Zentrale zur Verfolgung von Verbrechen, in: Frankfurter Rundschau vom 3.10.1953; Lehr eröffnet das Bundeskriminalamt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3.10.1953. 108 Das Wiesbadener Tagblatt stand in der Tradition des Wiesbadener Wochenblatts und erschien (eigenständig) bis 1943. Nach dem Krieg bekam der Herausgeber, Gustav Schellenberg, keine Lizenz mehr. Die Druckerei wurde dem von Georg Alfred Mayer und Fritz Otto Ulm herausgegebenen Wiesbadener Kurier, der vierten hessischen Lizenzzeitung, zur Verfügung gestellt. Ab 1949 erschien das Wiesbadener Tagblatt wieder, 1950 verschmolz es mit der Wiesbadener Ausgabe der in Mainz erscheinenden Allgemeinen Zeitung, s. dazu Müller-Werth, Geschichte, S. 211. 109 Ähnliches schildert Warnke für Berlin, s. Warnke, Stein, S. 48. 110 Wiesbadener Kurier vom 26.2.1953; Wiesbadener Tagblatt vom 26.2.29153, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97; Über den Kopf gewachsen (Bildunterschrift), in: Wiesbadener Kurier vom 11.3.1953; Das Bundeskriminalamt am schönen Taunushang, in: Wiesbadener Kurier vom 22.8.1953, beide in: NL 73/97. 111 Vgl. auch Warnke, die auf die seit Anfang des 20. Jahrhunderts zu beobachtende hohe Selbstbezüglichkeit städtischer Medien hinweist, Warnke, Stein, S 60. 112 Vgl. Wiesbaden voraussichtlich Sitz des Bundeskriminalamtes, in: Wiesbadener Kurier vom 5.1.1951; Bundes-Kriminalpolizeiamt kommt nach Wiesbaden; Bundeskriminalamt zieht zur Händelstraße, beide in: Wiesbadener Kurier vom 14.4.1951; Wiesbaden und Hamburg im Wettstreit, in: Wiesbadener Tagblatt vom 9.1.1951, alle in: StadtA Wiesbaden NL 73/93.
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derman und Vertreter von Interpol teil113) sowie den Umstand, dass der Festakt im Rundfunk, sogar im österreichischen,114 übertragen wurde. Auch wenn es um das neue Amtsgebäude ging, war der Bezugspunkt die Stadt – ihr Charakter und ihre Verwaltung. Denn beide Zeitungen lehnten sich offensichtlich an Verlautbarungen letzterer an, sie zitierten nicht nur die lobenden Äußerungen von Vertretern der Behörde und der Politik,115 sondern übernahmen auch die zugrundeliegenden Kriterien: Das neu entstehende Gebäude ließ sich ihnen zufolge unproblematisch in die Stadt integrieren. Es gliederte sich, mit einem zeitgenössisch beliebten Adjektiv ausgedrückt, »organisch« in das »städtebauliche und landschaftliche Bild«116 Wiesbadens ein und demonstrierte den Auf bruch der alten Kur- und Residenzstadt in die Zukunft: Das »ehemalige Landschaftsidyll« werde durch das BKA und die ebenfalls entstehenden Wohnungen in »einen modernen Stadtteil«117 verwandelt. Generell herrschte in der Berichterstattung beider Zeitungen dabei eine sachliche, beschreibende Darstellung vor.118 Bisweilen kam aber auch verhaltenes Staunen zum Ausdruck – ein Bau von den Ausmaßen des BKA war Anfang der 1950er Jahre in Wiesbaden noch eine Seltenheit, es war deshalb nachvollziehbar, dass die Zeitungen (zum Beispiel) der bei der Errichtung betriebenen technischen Aufwand hervorhoben: Die umfangreichen Ausschachtungsarbeiten sowie die technischen Herausforderungen, die dabei zu bewältigen waren, beeindruckten die Journalisten sichtlich.119 Offener Stolz sprach dann aus 113 Minister Lehr übergibt das Bundeskriminalamt, in: Wiesbadener Kurier vom 3.10.1953; Höchste Anerkennung für den Kriminalisten-Neubau, in: Wiesbadener Tagblatt vom 3./4.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 114 Dem Wiesbadener Kurie zufolge hatte der österreichische Rundfunk einen Aufnahmewagen geschickt, s. Minister Lehr übergibt das Bundeskriminalamt, in: Wiesbadener Kurier vom 3.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 115 Vgl. die begeisterten Äußerungen des Bundesinnenministers Lehr und des Präsidenten des BKA, Hanns Jess, während der Einweihungsfeier, zitiert in: Höchste Anerkennung für den Kriminalisten-Neubau, in: Wiesbadener Tagblatt vom 3./4.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. Auch nach Warnkes Einschätzung waren die (Berliner) Zeitungen faktisch Sprachrohre der Bauherren und Architekten, s. Warnke, Stein, S. 67. 116 5 Geschosse in den Felsen gesprengt, in: Wiesbadener Tagblatt vom 1.10.1952, in: StadtA Wiesbaden NL 73/95. Zur Bedeutung von »organisch« s. auch Kapitel 2.2.2. 117 Richtkrone über dem Bundeskriminalamt, in: Wiesbadener Tagblatt vom 26.2.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. Vgl. auch Bundes-Kriminalamt wächst in Rekordzeit, in: Wiesbadener Kurier vom 26.2.1953, in: ebd. 118 Vgl. etwa Neues Millionen-Bauprojekt am Hof Geisberg, in: Wiesbadener Kurier vom 7.10.1952, in: Gärtner 1952 III. 119 5 Geschosse in den Felsen gesprengt, in: Wiesbadener Tagblatt vom 1.10.1952, in: StadtA Wiesbaden NL 73/95; Neues Millionen-Bauprojekt am Hof Geisberg, in: Wiesbadener Kurier vom 7.10.1952, in: Gärtner 1952 III; Bundes-Kriminalamt wächst in Rekordzeit, in: Wiesbadener Kurier vom 26.2.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97.
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der grundsätzlichen Einordnung des Gebäudes: Den Zeitungen zufolge handelte es sich um einen »großzügige[n]«120 Bau, der »rein äußerlich« an »ein Luxushotel«121 erinnere. Bei solchen Charakterisierungen beließen es die Redakteure aber auch. Sie begründeten ihre freundlichen Urteile über das Gebäude, ihre Begeisterung für dessen Größe und ihr Lob für dessen Schlichtheit und Eleganz also in der Regel nicht näher122 oder lehnten sich, wenn sie sich an vertiefende Aussagen heranwagten, an Experten an. (Der Wiesbadener Kurier betonte zum Beispiel die wärmetechnischen und akustischen Vorteile der Schalendächer, was wohl direkt auf Äußerungen Herbert Rimpls zurückzuführen war.123) Auch das war verständlich, die Wiesbadener Redakteure waren so wenig wie die anderer Lokalzeitungen Experten für die Einordnung und Bewertung architektonischer Lösungen. Wenn sie den Bau unter anderem als »monumentalen« bezeichneten, war das von daher auch kein Versuch, den eigentlich negativ konnotierten Begriff wieder aufzuwerten.124 Ganz offensichtlich wollten die Wiesbadener Zeitungen die Errichtung des BKA zudem als unproblematischen, sachlich darstellbaren und konf liktfreien Vorgang beschreiben. Das war grundsätzlich nicht weiter schwierig, schließlich handelte es sich beim BKA, wie beschrieben, weder um die Wiederherstellung eines für die (tradierte) Identität Wiesbadens wichtigen historischen Gebäudes noch um einen Neubau für eine kommunale Verwaltung, dem mit mehr Vorbehalten begegnet worden wäre, was die Notwendigkeit und die Kosten anging.125 Auch hier war aber auch und gerade die kommunale Perspektive von Bedeutung: Wurde sie zugrunde gelegt, verkörperte das BKA ähnlich wie Neubauten in anderen Städten primär den Auf bruch Wiesbadens in die Zukunft, mit ihm ließ sich 120 Das Bundeskriminalamt wurde in Wiesbaden eingeweiht, in: Wiesbadener Tagblatt vom 3./4.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 121 Minister Lehr übergibt das Bundeskriminalamt, in: Wiesbadener Kurier vom 3.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. Vgl. auch Über den Kopf gewachsen, in: Wiesbadener Kurier vom 11.3.1953; Unsere Wiesbadener Bilderchronik 1953, in: Wiesbadener Tagblatt vom 31.12.1953, beide in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 122 Richtkrone über dem Bundeskriminalamt, in: Wiesbadener Tagblatt vom 26.2.1953. Vgl. auch Bundes-Kriminalamt wächst in Rekordzeit, in: Wiesbadener Kurier vom 26.2.1953; Über den Kopf gewachsen [Bildunterschrift], in: Wiesbadener Kurier vom 11.3.1953, alle in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 123 So wölbten sich die Schalen bei Sonneneinstrahlung hoch und erzeugten keinen Schub auf das Gebäude, außerdem verliehen sie den darunterliegenden Räumen eine gute Akustik, Wiesbadener Kurier vom 22.8.1953, in: StadtA Wiesbaden, NL 73/97. Diese Einschätzung geht wahrscheinlich direkt auf Rimpl zurück, dieser äußerte sich in seiner Rede anlässlich der Einweihung ganz ähnlich, s. dazu Fußnote Nr. 172. 124 Vgl. dazu Hackelsberger, Moderne, S. 15-18. 125 S. (beispielhaft) Weit ist der Weg von Amt zu Amt, in: Wiesbadener Kurier vom 27.3.1956, in: StadtA Wiesbaden NL 73/103.
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»eine sinnvolle Stadterzählung zur optimistischen Identifikation mit der eigenen Wiederauf baugesellschaft«126 konstruieren. Auf größere oder abstraktere Zusammenhänge Bezug zu nehmen, besonders auf so problematisch gewordene Begriffe wie Volk und Staat,127 war demgegenüber nicht notwendig. Das hieß auch, dass der strikt lokale Bezug eine Möglichkeit bildete, die Neubauten nicht als »Bedeutungsarchitektur«128 wahrnehmen und schildern zu können und/oder zu müssen: Wenn die neuen Bauten einzig oder wenigstens primär aus der lokalen Perspektive thematisiert wurden, war eine Suche nach darüber hinausgehenden Bedeutungs- und Symbolebenen überf lüssig oder nachrangig.
2.3.1.2 Die Auseinandersetzung mit der Institution Weit ausführlicher, intensiver und detaillierter als mit dem Gebäude beschäftigten sich die Wiesbadener Zeitungen mit dem BKA als Institution. Auch hier klang die lokale Perspektive bisweilen durch, etwa wenn das Wiesbadener Tagblatt seiner Leserschaft (wiederum) internationale Gäste und Beachtung durch die Ansiedlung des BKA in Aussicht stellte und gleichzeitig beruhigend darauf hinwies, dass eine Zunahme »von Verbrechern« nicht zu erwarten sei, schließlich liefen die »Verbrecher […] nicht den Kriminalisten nach, sondern die Kriminalpolizei jagt die Verbrecher«129. Das Zitat zeigt zugleich, welche Tonlage dominierte: Zum größten Teil waren die Berichte darstellend, mitunter anekdotisch bis launig. Sie waren sachlich, wenig tiefgreifend – und verzichteten insbesondere darauf, Aufgaben und Tätigkeit der (Kriminal-)Polizei grundsätzlich zu erörtern, theoretisch zu ref lektieren oder gar explizite normative Aussagen zu formulieren. Indirekt entstand allerdings trotzdem ein klares Bild – beziehungsweise Idealbild – der Behörde und ihrer Arbeit, das, ähnlich wie beim Gebäude, mit hoher Wahrscheinlichkeit von dieser selbst mitgeprägt wurde. Zunächst dominierten defensive Berichte, etwa solche, die, ohne die zugrunde liegenden Gründe näher zu erläutern, betonten, dass das BKA eine reine Verwaltungsbehörde, vordringlich mit der Auswertung des gesammelten Nachrichtenmaterials befasst sei und hauptsächlich koordinierende Funktionen ausübe.130 Im Laufe der Zeit – und vor allem unter Anknüpfung an die technische Dimension – wurden Behörde und Be126 Nierhaus, Pastor/ale, S. 116. 127 Deborah Ascher Barnstone kritisiert allerdings (speziell bei Schwippert) den Landschaftsbezug der Architektur als verkappte Fortsetzung des Bezugs auf »Blut und Boden«, s. Ascher Barnstone, State, S. 124. 128 Martin Warnke, Einführung, in: ders. (Hg.), Politische Architektur in Europa vom Mittelalter bis heute – Repräsentation und Gemeinschaft, Köln 1984, S. 7-18, hier S. 7. 129 Bundeskriminalamt beginnt im Herbst mit der Arbeit, in: Wiesbadener Tagblatt vom 16.4.1951, in: StadtA Wiesbaden NL 73/93. 130 Wiesbaden und Hamburg im Wettstreit, in: Wiesbadener Tagblatt vom 9.1.1951; Bundeskriminalamt zieht zur Händelstraße, in: Wiesbadener Kurier vom 14.4.1951; Bundeskriminalamt
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richterstattung aber mutiger. Die breite und vielfältige Nutzung moderner technischer Mittel, die Tatsache, dass es mit »Film und Funk auf Verbrecherjagd«131 ging, faszinierte die Zeitungen nachhaltig und machte das BKA, da war sich der Wiesbadener Kurier schon 1952 sicher, zu »Deutschlands interessanteste[r] Behörde«132. Im August 1953 stellte die Zeitung die technische Ausstattung der Behörde seinen Leserinnen und Lesern dann im Einzelnen vor (die »Verdunklungseinrichtungen, Filmvorführgeräte, Luftheizung«, die Bühne für »Instruktionen, Versammlungen und Vorführungen«133 sowie die moderne Küchenausstattung). Gerade diese Berichte und die entsprechenden Bilder können eigentlich nur mit Hilfe des BKA entstanden sein – und betonten die Modernität und die Zukunftszugewandtheit der Institution. Auch bei der Einweihungsfeier standen die technischen Möglichkeiten in den Mittelpunkt: Im dort gezeigten Film »Stumme Zeugen« wurde die Arbeit der Kriminaltechnischen Abteilung beleuchtet,134 was sich unmittelbar in der Berichterstattung niederschlug: Beide Wiesbadener Zeitungen hoben in ihren Artikeln besonders die Fingerabdrucksammlung, die Elektronenmikroskope, die Vakuumpumpe (zur Identifizierung von Brandgerüchen und -ursachen) und die neu aufgebaute Waffensammlung hervor.135 Ergänzt wurden die Aufzählungen der neuartigen technischen Mittel und Möglichkeiten durch Berichte über entsprechende Ermittlungserfolge: Häufig kolportiert wurde zum Beispiel die Überführung eines »Autofallenräuber[s]«136 durch einen Vergleich der Spuren, die sein Beil an verschiedenen Objekten hinterlassen hatte. Dabei beginnt im Herbst mit der Arbeit, in: Wiesbadener Tagblatt vom 16.4.1951, alle in: StadtA Wiesbaden NL 73/93. 131 Mit Film und Funk auf Verbrecherjagd, in: Wiesbadener Tagblatt vom 16.5.1951, in: Gärtner 1951 II. Vgl. auch Verbrecherjagd mit Retorte und Mikroskop, in: Wiesbadener Kurier vom 21.2.1953, in: StadtA Wiesbaden NR. 73/102; Die »beste Nase« der Welt ist aus Metall, in: Wiesbadener Tagblatt vom 2.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 132 Jugendherberge wandelt sich zum Bürogebäude, in: Wiesbadener Kurier vom 29.2.1952, in: StadtA Wiesbaden NL 73/95. Die eingeschränkten exekutiven Kompetenzen des BKA betonte auch das Wiesbadener Tagblatt, s. Das Bundeskriminalamt wurde in Wiesbaden eingeweiht, in: Wiesbadener Tagblatt vom 3./4.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 133 Das Bundeskriminalamt am schönen Taunushang, in: Wiesbadener Kurier vom 22.8.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. Besonders beeindruckt waren die Journalisten auch von den Geräten, mit denen ein Schreibmaschinensystem bestimmt oder Veränderungen im Papier nachvollzogen werden konnten und von der erwähnten Funkstation. 134 Höchste Anerkennung für den Kriminalisten-Neubau, in: Wiesbadener Tagblatt vom 3./4.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 135 Vgl. Die »beste Nase« der Welt ist aus Metall, in: Wiesbadener Tagblatt vom 2.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97; Minister Lehr übergibt das Bundeskriminalamt, in: Wiesbadener Kurier vom 3.10.1953, in: ebd. 136 Die »beste« Nase der Welt ist aus Metall, in: Wiesbadener Tagblatt vom 2.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97.
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rechtfertigten die Journalisten auch gleich die finanziellen Aufwendungen: »Die hochentwickelten Geräte« kosteten den Staat zwar »Zehntausende«, dienten aber »dem Wohl und der Sicherheit von vielen Millionen Bürgern«137 und seien dadurch gerechtfertigt. Einer kritischen Kostendiskussion, wie sie 1953 noch auff lammen konnte, war damit vorgebeugt. Mit der Fokussierung auf die Technik begründeten die Zeitungen die Bedeutung und den Wert der kriminalpolizeilichen Arbeit in erster Linie mit deren objektiver und messbarer Qualität. Das BKA erschien als eine unpolitische, sachlich arbeitende, zivile Behörde der Gegenwart, was ziemlich genau dem Bild entsprach, das sie von sich vermittelt sehen wollte.138 Sie und ihre Arbeit waren von klar definierbaren Fakten geprägt und nicht von politischen Entscheidungen. Und ihre Erfolge, so legte es diese Berichterstattung nahe, beruhten weniger auf dem Einsatz »handfester« Methoden denn auf den im Hintergrund wirkenden detektivischen Masterminds, weniger auf physischer als auf intellektueller und eben technischer Überlegenheit. Das ref lektierte – und bestätigte – zum einen die überkommene Arbeitsweise und (damit) das überkommene Selbstbild der Kriminalpolizei: Seit dem Kaiserreich grenzte sie sich durch ihre Verpf lichtung auf eine wissenschaftlich betriebene Kriminologie (und auf eine darauf beruhende Praxis) von der stark militärisch geprägten Schutzpolizei ab, eine Haltung, die in der Weimarer Republik politisch unterstützt worden war.139 Gleichzeitig wurde das BKA – und indirekt die Bundesrepublik – damit als Teil, ja sogar als führender Teil, der westlichen internationalen Gemeinschaft beschrieben: Schließlich handelte es sich bei der Behörde, da waren sich alle Beteiligten einig, um das »›deutsche Scotland-Yard‹«140 beziehungsweise um das »modernste Institut für Verbrechensbekämpfung der Welt«141. Zudem wurde das BKA klar, aber unausgesprochen, vom Nationalsozialismus getrennt: Wenigstens indirekt behaupteten die Zeitungen den unpolitischen Charakter auch für die kriminalpolizeiliche Arbeit während der nationalsozialistischen Herrschaft. Das Wiesbadener Tagblatt erwähnte beispielsweise, dass die alte Waffensammlung nach 1945 »durch das Unverständnis des Militärs, zum
137 Verbrecherjagd mit Retorte und Mikroskop, in: Wiesbadener Kurier vom 21.2.1951, in: StadtA Wiesbaden NL 73/93; Minister Lehr übergibt das Bundeskriminalamt, in: Wiesbadener Kurier vom 3.10.1953; Höchste Anerkennung für Kriminalisten-Neubau, in: Wiesbadener Tagblatt vom 3./4.10.1953, in: ebd. 138 Vgl. dazu Baumann u.a., Schatten, S. 22-24, das Zitat stammt von S. 23. 139 S. dazu Jaschke, Geschichte, S. 38 und S. 43-47. 140 Die »beste Nase« der Welt ist aus Metall, in: Wiesbadener Tagblatt vom 2.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 141 Vgl. (exemplarisch) Minister Lehr übergibt das Bundeskriminalamt, in: Wiesbadener Kurier vom 3.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97.
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Entsetzen der später eintreffenden angloamerikanischen Kriminalisten«142 hatte vernichtet werden müssen, mit Unterstützung von Scotland Yard dann wiederaufgebaut werden können. Damit suggerierte die Zeitung ein (stillschweigendes), in der Sache begründetes Einvernehmen deutscher und angloamerikanischer Kriminalisten, die Distanz beider zum sachlich »ahnungslosen« Militär und die der deutschen Kriminalisten zum Nationalsozialismus. Die kriminalpolizeiliche Normalität hatte demnach, so ließ sich schlussfolgern, auch während des Nationalsozialismus eigentlich Bestand gehabt, war, wenn überhaupt, von politisch-militärischen Handlungen und Logiken allenfalls kurzzeitig irritiert worden, was ebenfalls dem Selbstbild vieler (und führender) Kriminalisten, die im BKA tätig waren, entsprach.143 Das Bemühen, das BKA strikt vom Nationalsozialismus abzugrenzen, lässt sich auch an den Berichten über das Personal und die Organisation des (zukünftigen) Amtes beobachten, genauer gesagt, an der klaren Wende, die dort stattfand: Im April 1951 nahm das Wiesbadener Tagblatt noch kein Blatt vor den Mund, sprach die Kontinuitäten zur nationalsozialistischen Zeit, die insbesondere über das Kriminaltechnische Institut gegeben waren, offen an und bemerkte, dass es zwar zahlreiche entlassene Kriminalbeamte gebe, »die politische Vergangenheit« aber »nur in wenigen Fällen […] eine Wiedereinstellung«144 zulasse. Solche Verweise auf mögliche und problematische Kontinuitäten wurden in den folgenden Jahren dann immer dezenter und unkonkreter.145 Die schließlich gültige, auch im BKA vorherrschende und immer wieder vorgetragene Sichtweise formulierte dann der Bundesinnenminister Robert Lehr auf der Einweihungsfeier: Die internationale Anerkennung belegte ihm zufolge, dass mit dem BKA (wieder) der richtige Weg beschritten wurde: »Die Tatsache, daß trotz kurzer Zugehörigkeit« zu Interpol bereits Vertreter des Bundeskriminalpolizeiamtes »in deren Unterausschüsse berufen wurden«, zeuge von dem »wachsenden Vertrauen der internationalen Kreise in die deutsche Arbeit«146. Und die Gründung und Organisation des BKA korrigierte, Lehr zufolge, gleich zwei (organisatorische) Fehlentscheidungen beziehungsweise Extreme: Sie reagierte auf den »›Zustand überzentralistischer Organisation in der Zeit des sogenannten Dritten Reiches‹« und – von Lehr deut142 Die »beste Nase« der Welt ist aus Metall, in: Wiesbadener Tagblatt vom 2.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 143 Vgl. dazu Herbert Reinke, »Restauration« oder »Ein neuer Anfang«: Zur Polizeigeschichte und -geschichtsschreibung des »Dritten Reiches« und der Bundesrepublik, in: Bundeskriminalamt (Hg.), Geschichte, S. 143-159, hier S. 150f. 144 Bundeskriminalamt beginnt im Herbst mit der Arbeit, in: Wiesbadener Tagblatt vom 16.4.1951, in: StadtA Wiesbaden NL 73/93. 145 Vgl. z.B. Das Bundeskriminalamt wurde in Wiesbaden eingeweiht, in: Wiesbadener Tagblatt vom 3./4.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 146 Albrecht, Dienst, 81f.
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lich breiter ausgeführt – auf die mit dem »Zusammenbruch 1945« eingetretene »Zeit der Regellosigkeit und des Fehlens bewährter Fachkräfte« sowie die starke Zunahme des »internationale[n] Verbrechertum[s] infolge der »übertriebenen Dezentralisierung in den ersten Nachkriegsjahren«147. Mit dieser wenigstens angedeuteten Gleichordnung der nationalsozialistischen Herrschaft und der Nachkriegs(un)ordnung erschienen die Entscheidungen über das BKA als selbstverständliche, die Mitte haltende. (Allerdings setzte der Innenminister damit einen anderen Akzent als Mitarbeiter des BKA, die die These vertraten, dass neben Kapitulation und Besatzung gerade die Auf lösung der Konzentrationslager (!) für die zu beobachtende Kriminalitätswelle verantwortlich seien.148) Wenn man so will, gab es also zwei Wege, das BKA als normale, »westliche« Behörde zu beschreiben: Die Anekdoten leugneten implizit jede »nationalsozialistische Prägung« der kriminalpolizeilichen Arbeit und damit indirekt die Notwendigkeit eines Neuanfangs. Als einen solchen Neubeginn beschrieben andere Artikel das BKA, und zwar in institutioneller wie in personeller Hinsicht, wobei die Abgrenzungen von der nationalsozialistischen Vergangenheit immer allgemeiner und abstrakter wurden. So oder so wurde suggeriert, dass entweder gar keine oder keine problematischen Kontinuitäten aus der NS-Zeit existierten. Dieser umfassend behauptete, »normale«, unpolitische, internationale Charakter des BKA und seiner Arbeit entsprach sicher dem Selbstbild der Kriminalisten und den Vorstellungen der Alliierten und vieler bundesdeutschen (Spitzen-)Politiker. Faktisch stellte er, trotz aller Versuche, ihn auch für die jüngste Vergangenheit geltend zu machen, einen Bruch mit dieser dar. So gesehen, war die von den Zeitungen vermittelte Einordnung des BKA und seiner Arbeit auch eine normative: Sie schuf in der Öffentlichkeit einen Erwartungshorizont, schlug Pf löcke ein, markierte den Spielraum und die Richtung der kriminalpolizeilichen Tätigkeit in der Bundesrepublik und verpf lichtete die Institution darauf.149 147 Minister Lehr übergibt das Bundeskriminalamt, in: Wiesbadener Kurier vom 3.10.1953: s. auch Das Bundeskriminalamt wurde in Wiesbaden eingeweiht, in: Wiesbadener Tagblatt vom 3./4.10.1953, beide in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 148 S. dazu Baumann u.a., Schatten, S. 331; Patrick Wagner, Kontinuität kriminologischer Konzepte/Ein ziemlich langer Abschied. Das Bundeskriminalamt und die konzeptionelle Tradition der NS-Kripo, in: Bundeskriminalamt (Hg.), Geschichte, S. 95-110, hier S. 101. 149 Dazu passt, dass, wie Patrick Wagner betont, das Bekenntnis zu einer sachlichen und unpolitischen kriminalpolizeilichen Arbeit auch intern als Distanzierung vom Nationalsozialismus gemeint und verstanden wurde, das legen jedenfalls die Aussagen Theo Saeveckes nahe, der in dieser Beziehung als Autorität angesehen werden muss, s. Patrick Wagner, Prägungen, Anpassungen, Neuanfänge: Das Bundeskriminalamt und die nationalsozialistische Vergangenheit seiner Gründergeneration – Ansatz und Ergebnisse des Forschungsprojekts, in: Bundeskriminalamt (Hg.), Nationalsozialismus, S. 21-35, bes. S. 22f., S. 27 und S. 29. Wenn man so will, können sogar die geschichtsklitternden Artikel als (allerdings problematischer) Beitrag zu dieser
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Weil das aber gerade nicht aus einer echten Auseinandersetzung mit der Vergangenheit heraus erfolgte, erlaubte der entschlossene »Blick nach vorn […] das Nicht-mehr-Hinsehen« (Doering-Manteuffel)150. Denn gerade im Fall des BKA war der Nationalsozialismus und die Abgrenzung von ihm eine heikle Angelegenheit, was im Folgenden kurz dargestellt werden soll.
2.3.1.3 Hintergründe und Bedeutung der Wahrnehmung des BKA Wie bereits gesagt: Mit der Betonung der unpolitischen, objektiven und damit westlichen oder »normalen« Ausrichtung des BKA wurde die Behörde indirekt, aber eindeutig vom Nationalsozialismus abgegrenzt. Allerdings war diese Deutung nicht unproblematisch, ja – genauso eindeutig – wahrheitswidrig. Denn, wie die polizeigeschichtliche Forschung nahezu einhellig betont, war die kriminalpolizeiliche Arbeit gerade über die Vorstellung, Kriminalität mittels objektiver Kriterien und Methoden erkennen und verfolgen zu können, in den Nationalsozialismus eingebunden worden.151 Die Idee selbst war dabei älter: Bereits am Ende des 19. Jahrhunderts, unter dem Eindruck der Urbanisierung, Industrialisierung und der damit verbundenen sozialen Umbrüche und Verwerfungen, war die Frage nach delinquentem Verhalten, seinen Ursachen und den Möglichkeiten seiner (effektiven) Bekämpfung neu gestellt und beantwortet worden.152 Motivation und Zielsetzung der neuen Ansätze waren ursprünglich (oft) menschenfreundliche gewesen: Die Kriminologen, insbesondere Mediziner und Psychiater, hatten eindeutige und belastbare, gewissermaßen (natur-)wissenschaftliche, Erkenntnisse gewinnen wollen.153 Sie hatten sich dabei (jedoch) vielfach auf die Person und die Verortung des BKA gelesen werden, sie suggerierten schließlich, dass die beschriebene Definition der kriminalpolizeilichen Arbeit immer schon gegolten habe und somit in der Gegenwart selbstverständlich und unbezweifelbar sei. 150 Anselm Doering-Manteuffel, Die Kultur der 50er Jahre im Spannungsfeld von »Wiederaufbau« und »Modernisierung«, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 533-540, hier S. 539. 151 Wagner, Kontinuität, S. 96. Zu weiteren, zum Teil außerhalb der Polizei liegenden und bis in die Bundesrepublik nachwirkenden Prägungen durch die NS-Zeit vgl. ders., Prägungen, bes. S. 2-26. Zur Entwicklung der Polizeigeschichtsschreibung und des polizeilichen Selbstbildes s. Jaschke, Geschichte, S. 48-52, dazu sowie zu Forschungslücken und -perspektiven s. auch Reinke, »Restauration«, bes. S. 146-151. 152 Dabei handelte es sich um ein gesamteuropäisches und US-amerikanisches Phänomen, dazu und zum Folgenden vgl. Baumann u.a., Schatten, S. 285-302 und S. 326-332; Dieter Dölling, Kriminologie im »Dritten Reich«, in: Horst Dreier/Wolfgang Sellert, Recht und Justiz, im »Dritten Reich«, Frankfurt a.M. 1989., S. 194-225. 153 Einer der bedeutendsten Protagonisten, der Anthropologe Cesare Lombroso (1835-1909) forderte aufgrund seiner Ergebnisse die menschenwürdige Behandlung Krimineller und die Abschaffung der Todesstrafe. Zu ihm und seinem 1876 erschienenen Buch L’Uomo delinquente s. Blom, Kontinent, S. 439-442. Zur unpolitischen Motivation vieler Forscher s. auch Dölling, Kriminologie, S. 201. Sozusagen die andere Seite der Suche nach »kriminellen Persönlichkeits-
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(angeborene) Persönlichkeit des Täters (und eben nicht auf soziale Strukturen) konzentriert – und den »Berufsverbrecher« entdeckt, der seinen Lebensunterhalt (ausschließlich) durch kriminelles Verhalten bestritt. Zwar waren die entsprechenden Vorstellungen verschieden begründet und ausgerichtet worden und auch nicht unbestritten geblieben.154 Insgesamt aber setzte sich das biologistische Modell, das sogenannte Anlagedenken, aber durch – und wurde gerade für die kriminalpolizeiliche Arbeit in Deutschland in doppelter Hinsicht von elementarer Bedeutung: Es bildete das wichtigste Argument für die Forderung nach einer Zentralisierung der Kriminalpolizei, und es prägte das kriminalistische Denken und die Konzeption der präventiven Kriminalitätsbekämpfung. Ab der Jahrhundertwende und insbesondere in den 1920er Jahren wurde das Anlagedenken in verschiedene Richtungen hin weiterentwickelt,155 zur Vorstellung des »geborenen Verbrechers« zugespitzt und zum nahezu unangefochtenen kriminalistischen Leitbild.156 Nach 1933 bildete es, beziehungsweise die »naturwissenschaftliche« Wahrnehmung »des Verbrechers« als Objekt »der Beobachtung« und »der Beeinf lussung und Steuerung«157, das Scharnier, das die Kriminologie als Wissenschaft und die kriminalpolizeiliche Arbeit mit der nationalsozialistischen Ideologie und Vernichtungspolitik verband (unabhängig von persönlichen Einstellungen der Kriminalisten zum Nationalsozialismus): Diese Vorstellungen waren sowohl »Legitimationsgrundlage« wie »Lieferant von Handwerkszeug« für die »kriminalpolitische Sozialsteuerung im totalitären Staat«158. Die »Erkenntnisse« über merkmalen« war die Anfang des 20. Jahrhunderts hoch im Kurs stehende und in vielen Facetten diskutierte Eugenik. Philipp Blom betont die grundsätzliche Legitimität entsprechender Annahmen vor dem Hintergrund des damaligen Wissensstandes (vor der Entdeckung des Genoms), s. Blom, Kontinent, S. 388-420. 154 Anders, darauf weist Dölling hin, hatte beispielsweise Franz von Liszt argumentiert, Dölling, Kriminologie, S. 195. 155 Vgl. dazu Dölling, Kriminologie, S. 200-206. 156 Wichtig waren hier Veröffentlichungen wie die von Johannes Lange, Verbrechen und Schicksal, 1929 und Robert Heindl, Der Berufsverbrecher. Ein Beitrag zur Strafrechtsreform, 1926. Der Vorstellung nach waren 8.000 bis 10.000 professionelle Straftäter für den allergrößten Teil der Kriminalität verantwortlich, diese war mit der Internierung dieses Personenkreises also im Grunde zu eliminieren, s. dazu Wagner, Kontinuität, S. 98. 157 Dölling, Kriminologie, S. 223. Das hing auch damit zusammen, dass, wie Wagner betont, die Nationalsozialisten selbst über kein eigenes kriminalpolitisches Programm verfügten, Wagner, Kontinuität, S. 98. 158 Dölling, Kriminologie, S. 197f. Zu weiteren, außerhalb der Polizei liegenden Faktoren, die ihrer Einbindung in den Nationalsozialismus Vorschub leisteten, wie die generelle Überordnung der Gemeinschaft über das Individuum oder der Behauptung einer »rassehygienischen« Funktion des Strafrechts, s. ebd., S. 205 und Wagner, Prägungen, S. 24-26. Zu verschiedenen Motivationslagen und »Schwerpunktsetzungen« etwa von Kriminalpolizei und Gestapo vgl. auch Reinke, »Restauration«, bes. S. 146-153.
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»geborene Verbrecher« ließen den Abbau rechtsstaatlicher Schranken opportun, ja notwendig und legitim erscheinen – beziehungsweise konnten nur durch diesen Abbau praktisch wirksam gemacht werden. Mit der »Reichstagsbrandverordnung« und dem Gewohnheitsverbrechergesetz159 wurde die kriminalpolizeiliche Arbeit denn auch auf neue Füße gestellt. Sie führten die Sicherheitsverwahrung ein und ermöglichten es der Polizei, ohne gerichtliche Kontrolle die Internierung von als solchen erkannten »Gewohnheitsverbrechern« anzuordnen. Der erwartete Erfolg, eine drastische Senkung der Kriminalitätsrate, blieb allerdings aus. Auch deshalb wurde 1937 das Vorgehen in Theorie und Praxis ausgeweitet und radikalisiert: Delinquentes Verhalten musste sich nicht mehr manifestieren, als »geborene Verbrecher« galten nun pauschal (alle) Menschen, die als »Asoziale« einzuordnen waren und/oder bestimmten Bevölkerungsgruppen angehörten. Sie konnten zudem von der Polizei selbst in Vorbeugehaft genommen werden. Das ebenfalls 1937 geschaffene RKPA wurde davon entscheidend geprägt – und umgekehrt: Der als Experte für das Amt tätige Psychiater und Kriminalbiologe Robert Ritter propagierte das gesellschaftsbiologische Denken (konkret die These, dass zum Beispiel Sinti und Roma sowie Juden insgesamt kriminell veranlagt und daher zu eliminieren seien160). Und der mit Ritter bekannte Leiter der Amtsgruppe V A (Kriminalpolizei und Vorbeugung) und Stellvertreter Arthur Nebes, Paul Werner, erarbeitete den Grunderlass, der die polizeiliche Vorbeugehaft ermöglichte.161 159 Das »Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung« vom 24.11.1933 änderte das RStGB und trat zusammen mit dem entsprechenden Ausführungsgesetz (das weitere Gesetze änderte) am 1.1.1934 in Kraft. Schon seit dem 13.11.1933 ermöglichte ein Erlass Hermann Görings (als preußischer Ministerpräsident) die vorbeugende Polizeihaft gegen angebliche Berufsverbrecher. Zu den Regelungen s. Jaschke, Geschichte, S. 46f., zu ihren Folgen s. Baumann u.a., Schatten, S. 287. 160 Robert Ritter, Ein Menschenschlag. Erbärztliche und erbgeschichtliche Untersuchungen über die – durch 10 Geschlechterfolgen erforschten – Nachkommen von »Vagabunden, Jaunern und Räubern«, 1937. Zu Robert Ritter (für den der bereits genannte Max Hagemann nach dem Krieg als Leumundszeuge fungierte) und seiner Bedeutung im Nationalsozialismus und in der jungen Bundesrepublik vgl. Dölling, Kriminologie, S. 209; Michael Zimmermann, Ausgrenzung, Ermordung, Ausgrenzung. Normalität und Exzeß in der polizeilichen Zigeunerverfolgung in Deutschland (1870-1980), in: Alf Lüdtke (Hg.), »Sicherheit« und »Wohlfahrt«. Polizei, Gesellschaft und Herrschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1992, S. 344-370, bes. S. 364370. Zu anderen Ausprägungen der Vorstellung genuin krimineller Bevölkerungsgruppen und zu anders gelagerten Ansätzen s. Dölling, Kriminologie, S. 209-215. 161 Bereits im März 1937 internierte das preußische LKA auf Anweisung Heinrich Himmlers (vom 27.2.1937) 2000 nicht in Arbeit befindliche »Berufs- und Gewohnheitsverbrecher« in Konzentrationslagern. Auf der Grundlage des von Paul Werner (1900-1970) erarbeiteten und am 14.12.1937 ergangenen Erlasses »Vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei« wurden insgesamt etwa 110.000 Menschen in Konzentrationslager deportiert. S. dazu Baumann u.a., Schatten, S. 288. Werner war auch entscheidend dafür, dass 1941 das Kriminalbiologische Institut der Sicherheitspolizei (KBI) unter dem genannten Robert Ritter im RSHA eingerichtet wur-
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Solche Vorstellungen legitimierten Internierungen, Deportationen in Konzentrationslager, Sterilisationen162 und, im Ergebnis, die »Endlösung«, wurden aber auch, wie im »Vorbeugeerlass« Heinrich Himmlers vom 14. Dezember 1937, ganz unmittelbar – und nicht zuletzt von der Kriminalpolizei – umgesetzt. Im Zusammenhang mit dem entstehenden BKA wurden die gerade beschriebenen Geschehnisse (in der Presse) allerdings in keiner Weise thematisiert. Der vom BKA wie in den Zeitungen immer wieder hervorgehobene, auf die bundesrepublikanische Gegenwart ausgerichtete unpolitische, objektive Charakter der Behörde und ihrer Arbeit überspielte sie vielmehr – ebenso wie die Kontinuitäten und deren Bedeutung. Denn 1945 wurde nicht nur die Praxis der kriminalpolizeilichen Arbeit im Nationalsozialismus kaum kritisch ref lektiert. Auch die Kriminalbiologie blieb als wissenschaftliches Leitbild unangefochten (die Wendung zur Gesellschaftsbiologie wurde allerdings – stillschweigend – revidiert). Gerade die Kriminalisten inner- und außerhalb des BKA betrachteten die im Nationalsozialismus geleistete Arbeit (mehrheitlich und) im Großen und Ganzen als eine fortsetzungswürdige Erfolgsgeschichte, die in keinerlei Zusammenhang mit den nationalsozialistischen Verbrechen gestanden hatte,163 und begriffen die damaligen Ansätze und Strukturen als gültige Orientierungspunkte.164 Insbesondere die Vorstellung von einem Berufs- und Gewohnheitsverbrecher war für viele Mitarbeiter des BKA eine nach wie vor geltende Selbstverständlichkeit und eine vorbeugende Sicherheitsverwahrung mit weitreichenden polizeilichen Befugnissen auch für die Bundesrepublik eine schlichte Notwendigkeit. Entsprechende Konzeptionen wurden bis in die 1960er Jahre im BKA in verschiedenen Formen und Bezügen ventiliert (sie scheiterten in der Regel erst an der Fachaufsicht). Allerdings war den Beteiligten bewusst, dass die Vorschläge anders legitimiert und ausgestaltet werden mussten, als es im Nationalsozialismus der Fall gewesen war – beziehungsweise dass einiges an rhetorischer und regelungstechnischer de. Nach dem Krieg verhinderte Max Hagemann, dass der seit 1951 im baden-württembergischen Innenministerium tätige Werner in die Kriminalpolizei aufgenommen beziehungsweise, dass er 1955 Nachfolger von Hanns Jess als Leiter des BKA wurde. Zu Paul Werner s. Werner Daniel Stange/Ingo Wirth, Paul Werner (1900-1970): Stellvertretender Amtschef im Reichssicherheitshauptamt, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG) 61/2013, S. 621-641. 162 Das »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« vom 14.7.1933 und das »Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes« vom 18.10.1935 sahen Sterilisationen vor, ihre Anwendung auf Straftäter wurde mindestens diskutiert, s. dazu Dölling, Kriminologie, S. 215f. 163 S. dazu Wagner, Kontinuität, S. 101. Zu den Rechtfertigungsstrategien und ihrer Bedeutung für die Debatten um die kriminalpolizeiliche Arbeit s. Baumann u.a., Schatten, S. 288-294. 164 Dieter Schenk zufolge war die Frage »Wie haben die das früher gemacht« in den 1950er Jahren das Leitmotiv, wenn es um die Organisation der Arbeit des BKA ging, Schenk, Verknüpfungen, S. 116.
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Anstrengung notwendig war, um ihre Kompatibilität mit dem Grundgesetz wenigstens behaupten zu können.165 Eine Presseberichterstattung, die die objektive Dimension kriminalpolizeilicher Tätigkeit betonte (und indirekt die Existenz »der Verbrecher« quasi voraussetzte) war dabei durchaus hilfreich. An sie konnte Stellungnahmen angeschlossen werden, die Vorstellungen wie die vom »Verbrecher« und Instrumente wie die vorbeugende Sicherheitsverwahrung als allein sachlich begründet darstellten und eine Ref lexion ihrer Voraussetzungen (und Folgen) überf lüssig erscheinen ließen. Das galt erst recht, wenn dieser Charakter auch der kriminalpolizeilichen Tätigkeit im Nationalsozialismus attestiert werden konnte. Die Verbrechensbekämpfung war dann als ein von (jedem) politischem System völlig unabhängiger »quasi zeitlose[r] Kampf ›der‹ Polizei gegen ›die‹ Verbrecher«166. So gesehen unterstützte die beschriebene Art und Weise, in der die Presse über das BKA berichtete (bewusst oder unbewusst) die Möglichkeit, an tradierten Ansätzen und Überzeugungen festzuhalten, sie zu modifizieren oder auch nur neu zu verpacken und für das neue politische und rechtliche System anschlussfähig zu machen.
2.3.2 Das BKA, die zeitgenössische Architektur und Gesellschaftsordnung in der Deutung von Herbert Rimpl 2.3.2.1 Der Ausgangspunkt: die Rückkehr zur Natürlichkeit Auch Herbert Rimpl betonte in seiner Rede auf der Einweihungsfeier des von ihm entworfenen Gebäudes den unpolitischen Charakter der Behörde, die strikte Sachorientierung der kriminalpolizeilichen Tätigkeit und ihre »unkörperliche« Seite. Aber er beleuchtete diese etwas anders als die Zeitungen und hatte keine Scheu, grundsätzliche Aussagen zu treffen sowie die Institution und das Gebäude in einen unmittelbaren Zusammenhang zu bringen. Im Gegenteil: Die angesprochene, breit akzeptierte Vorstellung, die Architektur sei »Spiegel des Lebens«, Symbol der »Kultur«, der »inneren Haltung und Einstellung« eines Volkes und »Zeichen der Zeit«167 bildete den erklärten Ausgangspunkt seiner Ausführungen. Die Form des Gebäudes war danach keinesfalls zufällig. Sie stand vielmehr, Rimpl zufolge, in doppelter Weise in einer inneren Beziehung zur Institution, war die 165 Entworfen (nicht realisiert), wurde etwa das Modell einer der Sicherheitsverwahrung vorgeschalteten »Sicherungsaufsicht«, die die Vorbeugehaft ersetzen sollte. Sie hätte den Primat der Justiz grundsätzlich anerkannt, deren Entscheidungen aber von der Vorentscheidung der kriminalpolizeilichen Experten abhängig gemacht, dazu s. Baumann u.a., Schatten, S. 15f. und bes. S. 285-302; Wagner, Prägungen, S. 28; ders., Kontinuität, S. 101-107. Wagner zufolge scheiterten solche Konzepte auch deshalb an der Justiz, weil diese eine Auseinandersetzung mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus zu verhindern suchte, s. dazu ebd., S. 104f. 166 Baumann u.a., Schatten, S. 331. 167 Die Rede ist zum Teil abgedruckt in Albrecht, Dienst, S. 82f. Das Zitat ist von S. 82.
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»zweckmäßigste« und bildete deren »sinnentsprechendste[n] Ausdruck«168. Denn beide, Form und Arbeit des BKA, hatten eine gemeinsame ethische, ja transzendente Dimension. Das machte der Architekt an drei Punkten deutlich: Zum einen hatte sich die Notwendigkeit einer guten Beleuchtung (zum Beispiel für die Arbeit mit Fingerabdrücken) ihm zufolge baulich in den Hallen und Zimmerf luchten niedergeschlagen. Beides, die Arbeit des BKA und die »lichte« architektonische Gestaltung, ließen sich, wie auch die Presse zitierte, als »Kampf des Lichts gegen die Finsternis«169 (des Verbrechens) verstehen. Zweitens entsprach das unverkleidete Stahlbetonskelett nicht nur der geforderten Sparsamkeit. Es legte auch die Konstruktion offen und war damit ein Ausdruck des Strebens nach der »reine[n] Wahrheit«170, das auch die Tätigkeit des BKA kennzeichnete. Drittens musste die Notwendigkeit einer gewissen Repräsentativität, die er dem BKA als einer »Führungsaufgabe des Bundes« zumaß, ohne eine »sich aus den Aufgaben des Amts als solchem« schon verbietende »falsche[…] Monumentalität« realisiert werden, nur das entspreche der »heutige[n] Zeit der Demokratie und des finanziellen Verantwortungsbewußtseins gegenüber dem Volk«171. Beispielhaft sei das durch die Dachschalen verwirklicht: Sie seien eine ökonomisch, funktional172 sowie ästhetisch gelungene Lösung – und bekrönten daher auch den Direktionstrakt, der gerade dem »Auslandsbesuch« den »herrlichen panoramatischen Blick auf den Taunus, die Stadt und das Rheintal« und damit die »Schönheit unseres Vaterlandes« am »besten und unauffälligsten […] vor Augen führen«173 konnte. Rimpl bezog das Gebäude also anders als die Zeitungen auf die Landschaft: Blickten letztere sozusagen von der Stadt aus auf das Gebäude, thematisierte Rimpl das BKA als Aussichtsturm, als Ausgangspunkt für die visuelle Erfassung der Umgebung. Das war nicht neu, seit dem 19. Jahrhundert war eine so erfahrene Landschaft zentral für die »Formierung von Subjektivität« und für die »von der Gemeinschaft der Subjekte in der Nation«174, also für Vorstellungen eines 168 Ebd. 169 Ebd. Das wurde auch in der Presse kolportiert, s. Höchste Ankerkennung für den Kriminalisten-Neubau, in: Wiesbadener Tagblatt vom 3./4.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97. 170 Rede Rimpls, in: Albrecht, Dienst, S. 82f., S. 82. 171 Ebd., S. 83. 172 Rimpl zufolge waren die Dachschalen, die den Saalbau und die Loggiengruppe des Hauptbaus überwölbten, »Binder und Träger in einem Stück« und »zugleich günstigste Teile für die Aufnahme der Spannung bei der Wärmebestrahlung«, s. Rede Rimpls, in: Albrecht, Dienst, S. 82f., S. 83. Vgl. auch Fußnote Nr. 123. 173 Rede Rimpls, in: Albrecht, Dienst, S. 82f., S. 83. 174 Nierhaus, Pastor/ale, S. 115. Vgl. auch ebd., S. 116; Hnilica, Metaphern, S. 121-126. Dieselbe Bedeutung maß Rimpl den Autobahnen zu, sie eröffneten »die Weite und Schönheit des Landes und der Landschaft«, (Rimpl, Grundlagen, S. 141). Er schrieb damit (auch) die nationalsozialistische Inszenierung der Autobahnen als integrierende, alle möglichen Trennungen überwinden-
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harmonischen Miteinanders von Vielheit und Einheit. Wichtiger für Rimpl war allerdings, dass das BKA, (nur) indem es den Blick auf die landschaftliche »Schönheit« des »Vaterlandes« eröffnete, eine über es selbst hinausgehende Aussagekraft gewann und zum einem repräsentativen Gebäude wurde: Es verkörperte den gesamtgesellschaftlichen Neuauf bruch – und die neue Form der Repräsentation: ohne selbst, im klassischen Sinne, repräsentativ zu sein.175 Beides, der Bezug auf die Landschaft und der Bruch mit klassischen Formen der Repräsentation prägten, Rimpl zufolge, zudem die zeitgenössische Architektur und Gesellschaftsordnung insgesamt und sorgten damit (nicht zuletzt gegenüber dem erwähnten »Auslandsbesuch«176) dafür, dass diese sich ganz grundsätzlich von früheren Ordnungen unterschieden. Das jedenfalls ergibt sich, wenn man Rimpls ebenfalls 1953 publiziertes Buch »Die geistigen Grundlagen der Baukunst unserer Zeit« auf das BKA bezieht: Demnach hatte das BKA als funktionaler Bau als besonders einprägsames Beispiel für die »Geburt eines neuen Baustils«177 und einen umfassenden und begrüßenswerten gesamtgesellschaftlichen Neuanfang zu gelten: Es stand für die Überwindung jeder (klassischen) Repräsentation, wobei der Begriff sowohl eine Architektur, die Macht und Herrschaft bewusst akzentuierte, wie eine hierarchisierte und segmentierte Gesellschaft bezeichnete, für die Rückkehr nicht nur zur Natur, sondern zur »Natürlichkeit«, im Sinne einer zeitlosen Ursprünglichkeit, Egalität und Vernünftigkeit, mit der sämtliche Irrwege vorangegangener Zeiten korrigiert, überkommene Spannungsverhältnisse harmonisch und tendenziell endgültig aufgelöst wurden. Die von Rimpl beschworene – Rückkehr zu – Natur und Natürlichkeit war ein zeitgenössischer Topos. Die Rückverwandlung der Stadt in Natur war für die Zeitgenossen eine zentrale Erfahrung: Durch die Kriegszerstörungen und die Notwendigkeit, städtische Flächen für den Gemüseanbau zu nutzen, war sie erlebte Realität.178 In städtebaulichen Plänen, nicht zuletzt im Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt, und in der Kunst war sie zudem verarbeitende
de Bauten fort, vgl. dazu Erhard Schütz, Wunschbilder des Nationalsozialismus in Kultur und Künsten, in: Bernd Sösemann (Hg.), Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft. Einführung und Überblick, Stuttgart/München 2002, S. 221-238, S. 231f. 175 Vgl. dazu auch Rimpls Begründung für die relativ kostenintensive Innenausstattung, in: Teil-Kostenvoranschlag für die Inneneinrichtung und Außenanlagen des BKA vom 17.3.1951, in: BArch B 157/3805, vgl. auch Teil 2.2.2. 176 Auch der Haushaltsausschuss des Bundestags bezog sich in seinem Plädoyer für bescheidene Bauten auf »ausländische Besucher«, s. BArch B 157/36, fol. 329-331. 177 Rimpl, Grundlagen, S. 21. 178 S. Nierhaus, Pastor/ale. Dazu und zu anders gelagerten Wahrnehmungen und Einordnungen der Stadt als Natur s. Hnilica, Metaphern, S. 103-142.
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Deutung.179 Bei Rimpl kam hinzu, dass diese Rückkehr für ihn eine Synthese von angewandter Naturwissenschaft Natursehnsucht und (Pan-)Theismus bildete.180 Damit attestierte er nicht nur der Architektur eine transzendentale Orientierung, sondern auch der Gesamtgesellschaft. Beide waren gleichermaßen – und widerspruchsfrei – auf den Einzelnen und die Gesellschaft, auf technische (und naturwissenschaftliche) Entwicklung und Forschung wie auf Transzendenz und Glaube, verstanden als Einordnung in eine natürliche, von übermenschlichen, göttlichen Kräften gestiftete Ordnung, ausgerichtet. Die damit gewonnene »authentische Einheit von Subjekt und ›Welt‹«181 machte die gegenwärtige Architektur und Gesellschaft nicht nur unrepräsentativ, sondern unideologisch. Bauten wie das BKA standen also für den Neubeginn beziehungsweise die die Gegenwart prägenden Kräfte und Prinzipien. Und sie standen gegen die der überwundenen Vergangenheit, gegen Repräsentation und Monumentalität und, letzten Endes, gegen alle Vorstellungen, die im menschlichen Willen die höchste Instanz erblickten,182 und solche, die zwar höhere, aber nur seelenlose Wirkungskräfte anerkannten183 – beide produzierten letztlich »unnatürliche« und »ideologische« (Gedanken-)Gebäude.184 Diese umfassende Deutung Rimpls ist in vielerlei Hinsicht interessant und zeittypisch. Mit ihr lässt sich die Monographie der »Wendeliteratur« zuordnen, also Texten, in denen der Autor sich und die Leserschaft des Neuauf bruchs versicherte, in denen die neue Ordnung und – das ist bei Rimpl besonders fassbar – deren Harmonie sowohl beschrieben als auch legitimiert wurden.185 Damit hängt ein weiteres Charakteristikum der Ausführungen Rimpls direkt zusammen: Ori-
179 Der sog. Kollektivplan für Berlin, 1945 maßgeblich von Hans Scharoun erarbeitet, sah zum Beispiel vor, Berlin entlang des Urstromtals der Spree neu aufzubauen, s. Lampugnani, Architektur, S. 206f. Zu den künstlerischen Niederschlägen vgl. etwa die Arbeiten Werner Heldts (1904-1954), s. dazu Nierhaus, Pastor/ale, bes. S. 113-115; Karin Thomas, Kunst in Deutschland seit 1945, Köln 2002, S. 17-19. 180 Diese ließen sich für Rimpl widerspruchslos vereinbaren, ihm zufolge stand »der Begriff des Glaubens vor der wissenschaftlichen Erkenntnis« und werde »durch sie neu gefestigt«, sei »unsere Transzendenz« mit dem Kosmos »verbrüdert«, den »wissenschaftlich zu erforschen wir uns ganz selbstverständlich unterfangen«, s. Rimpl, Grundlagen, bes. S. 6, S. 15, S. 17, S. 27, S. 129. 181 Nierhaus, Pastor/ale, S. 117. 182 Als entsprechende Beispiele führte er den Monismus und den aus ihm heraus entwickelten Materialismus an, Rimpl, Grundlagen, S. 60. 183 Das galt für Rimpl zum Beispiel für die reine Mechanik und den ihr entsprechenden Sozialismus, Rimpl, Grundlagen, S. 60. 184 Rimpl, Grundlagen, S. 150 (zur Architektur) bzw. S. 97 (zur gesamtgesellschaftlichen Situation). 185 Der Begriff geht auf Bernd Rüthers zurück, zu ihm, zu alternativen Bezeichnungen und m. w. N. Foljanty, Recht, bes. S. 4-6.
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ginell an Rimpls Monographie waren weniger die Argumentationsfiguren und -linien, aus denen er seine Deutung entwickelte, als die Anlage des Buches, also der Umstand, dass und wie er architektonische Diskurse mit gesamtgesellschaftlichen beziehungsweise soziologischen – oder deren Versatzstücken – verband. Gerade die Absage an jede ideologische Orientierung, die Rimpl als das Gegenteil der herrschenden natürlichen Ausrichtung begriff, war ein solcher Topos: Dass die »skeptische Generation«186, wie Helmut Schelsky sie 1957 nannte, nach Nationalsozialismus und, ohne das gleichzusetzen zu wollen, angesichts der Entwicklungen in der Sowjetunion und/oder der in der DDR, nicht nur im Hinblick auf nationalsozialistische Ideologie oder Ideologeme ernüchtert und allen kollektiven Erlösungsversprechen und Versuchen übergreifender Sinnstiftung distanziert bis ablehnend gegenüberstand, war eine Erkenntnis die besonders die jungen bundesdeutschen Soziologen formulierten – und zwar, in diesem Punkt ähnlich wie Rimpl – als Faktum wie als Zielvorstellung. Allerdings deutete Rimpl diese (Einsichten in) Gefühlslagen idealistisch. Damit hob er sie methodisch auf eine Ebene, die die jungen Soziologen gerade hatten verlassen wollen. (Deren Botschaft lautete schließlich in Kurzform: Die soziale Ordnung der Bundesrepublik war durch vergangenheits- oder zukunftsorientierte theoretische Vorstellungen und Visionen weder gekennzeichnet noch zu beschreiben, und das war gut so.187) Zudem, so mussten es jedenfalls die angesprochenen Soziologen sehen, richtete Rimpl die Einsichten anders aus: Wenn der Architekt die un- oder antiideologische Grundhaltung in Architektur und Gesellschaft pries und als Rückkehr zur Anerkennung objektiver, göttlicher Gesetzlichkeiten, zu Transzendenz und Gottesglauben verstanden wissen wollte, verlieh er den wissenschaftlichen Einsichten sozusagen höhere Weihen und trennte sie von ihrer intellektuellen Basis, dem »entschiedenen Willen zur politischen und gesellschaftlichen Auf klärung« (Nolte)188. Bezogen auf die Auseinandersetzung um das BKA, wie sie in den Zeitungen stattfand, brachte Rimpl wichtige Elemente, die dort eher unverbunden nebeneinanderstanden, in einen direkten Zusammenhang, lud sie grundsätzlich auf und überführte eine Praxis in ein Programm: Die Normalität der kriminalpoli186 Zu Schelsky und seinem Werk vgl. Kapitel 1.2.2 sowie die folgende Fußnote. 187 Diese Ausrichtung bildete die entscheidende Gemeinsamkeit in den Arbeiten der Gründergeneration der bundesdeutschen Soziologie, deren Bandbreite immerhin von Theodor W. Adorno über René König bis zu Helmut Schelsky reichte. Sie bezog sich dabei ebenso auf die Gesamtgesellschaft wie auf die Soziologie, umfassend dazu (wie zur Bedeutung der zeitgenössischen Ideologiefeindlichkeit für die Aufwertung der Soziologie) Nolte, S. 235-273. In der Geschichtswissenschaft verlieh ihr Otto Brunner Ausdruck: 1954 schilderte er in »Das Zeitalter der Ideologien« (weit differenzierter als Rimpl) die Zeit vom 18. bis zum 20. Jahrhundert als eine von Ideologien geprägte. 188 Nolte, Ordnung, S. 245.
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zeilichen Arbeit, ihre selbstverständliche Ausrichtung auf Fakten, Sachlichkeit und Objektivität, die die Zeitungen wie geschildert betonten, ging in Rimpls Natur- und Naturalitätsbegriff auf, der sich eben auch im Sinne eines »vernünftigen sozialen ›Von sich aus‹« (Nierhaus)189 verstehen ließ. Und wenn die Zeitungen sich um eine unaufgeregte, sachliche und freundliche Darstellung bemühten, praktizierten sie sozusagen die pragmatische, harmonische Orientierung, die auch von Rimpl als gesamtgesellschaftliche beschrieben und beschworen wurde. Gleichzeitig wird bei Rimpl klarer als in den Zeitungen fassbar, wie sehr, wie eng und wie unmittelbar diese neue Orientierung, in die die gesamte Gegenwart nach Möglichkeit aufgehen sollte,190 mit einer Relativierung und/oder Ausblendung der jüngsten, ganz und gar nicht unideologischen und harmonischen Vergangenheit verbunden war.191 Zum einen korrespondierte bei Rimpl, und auch das war typisch, ein »Überf luß an gepf legten und erhabenen Formulierungen« mit einem »Mangel an Genauigkeit«192, wenn er die architektonische und gesamtgesellschaftliche Neuorientierung beschrieb: »Das unerklärliche Wunder des Ursprungs der Baukunst selbst erleben wir […], aber es ist […] kein imposanter Auftritt großer Figuren […]. Es sind da keine betäubenden Klangstürme, es ist da keine farbenflutende Melodienfülle, vorgetragen voll prächtigen Temperaments, keine bezaubernde Sphäre, kein pathetischer Heldenschwung, auch nichts Erhabenes oder gar Majestätisches […]. Wir sollten voller Anteilnahme sein, von demütiger Dankbarkeit erfüllt für die tiefe Gnade des Schicksals, die uns zu Zeugen und Mitschöpfern einer neuen archaischen Kunst macht, die uns das echte Maß der Schöpfung in einem klaren Beispiel erleben läßt.« 193 Verglichen mit dieser emphatischen, pathetischen bis pompösen Sprache blieben Rimpls Ausführungen zu den Gründen für den Neubeginn (und dessen Notwendigkeit) mehr als blass: Er vermied nahezu jede Erwähnung des Nationalsozialismus194 und begründete seine Feststellung, dass jeder Versuch, in Europa »eine 189 Nierhaus, Pastor/ale, S. 111. 190 Dazu vgl. von Beyme, Wiederaufbau, S. 63; Hillmann, Nachkriegsmoderne, passim; Nolte, Ordnung, bes. S. 273-278. 191 Vgl. dazu die in Fußnote Nr. 103 der Einführung genannten Titel sowie van Laak, Trotz; Anson Rabinbach, Restoring the German Spirit: Humanism and Guilt in Post-War Germany, in: Jan-Werner Müller (Hg.), German Ideologies since 1945: Studies in the Political Thought and Culture of the Bonn Republic, New York 2003, S. 23-39. 192 So die nahezu alle architektonischen Äußerungen der Nachkriegszeit einschließende Formulierung von Wolfgang Pehnt, s. Pehnt, Architektur, S. 250. 193 Rimpl, Grundlagen, S. 171. 194 Der einzige Verweis auf den Nationalsozialismus findet sich in der indirekten, verallgemeinerten und etwas verschwurbelten Bemerkung Rimpls, dass »wir« auch »den Mut« haben, »zu be-
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ewige Form, ein Reich von ewiger Dauer zu gestalten«, scheitern müsse, nicht mit dem naheliegenden Hinweis auf die Katastrophe, in die der letzte geführt hatte, sondern damit, dass es an einer »endgültigen Weltanschauung« in der »Physik und in der Gotteserkenntnis« mangele.195 (Das war das nicht nur von unfreiwilliger Tragikomik. Es führte auch sehr direkt zu der Frage, ob die stillschweigende Entsorgung der jüngsten Vergangenheit nicht auch wenigstens mittelbares Ziel eines Autors war, dessen herausragende Bedeutung für das Baugeschehen im Nationalsozialismus allgemein bekannt war und auch während der Arbeiten am BKA thematisiert wurde.196) Zweitens gipfelten (auch) Rimpls idealistische Überhöhungen der gesamtgesellschaftlichen Orientierung in der Ausrufung des Posthistoire – und damit in der »vielleicht unbescheidenste[n] aller Reaktionen auf das Ende des ›Dritten Reiches‹« (van Laak)197: Ließ sich die Gegenwart, wie in seinem Buch, als eine alle Lebensbereiche erfassende Rückkehr zum Natürlichen, »Archaischen«, zum Ursprünglichen und Elementaren beschreiben, verloren mögliche Unterschiede vergangener Ordnungen an Bedeutung und konnte die jüngste, nationalsozialistische, Vergangenheit stillschweigend unter die insgesamt überwundenen (und allesamt vom rechten Weg abgeirrten) Vorstellungen und Ordnungen subsumiert werden. Das zeigte sich in besonderer Weise, und das ist der dritte Punkt, an dem Akzent, mit dem Rimpl »seine« Entgegensetzung von Natur/Naturalität und Repräsentation/Ideologie versah: Die gesamtgesellschaftliche Reorientierung auf erstere war ihm zufolge, wie angedeutet, mit einer Anerkennung höherer Gesetzlichkeiten direkt verbunden. Das erzwang unter anderem eine Abkehr vom »Formalrecht«198 der Vergangenheit und Rückbesinnung auf ein/das Naturrecht, verstanden als Ausrichtung der Rechtsordnung an einer materialen und objektiven Gerechtigkeit. Auch damit griff Rimpl einen wichtigen Topos der zeitgenössischen Debatten auf – und deutete an, dass sich die überwundene Vergangenheit – der Nationalsozialismus – gerade durch die Leugnung kennen, daß wir uns alle einmal bitter geirrt haben, als wir den Locktönen der ewig Alten erlagen, die von sich mit Stolz sagen, daß sie allein hart und mutig seien«, Rimpl, Grundlagen, S. 167. 195 Rimpl, Grundlagen, S. 10f. 196 Das geschah im sog. Düsseldorfer Architektenstreit. Er entzündete sich daran, dass Friedrich Tamms (1904-1980), der ehemaligen Mitarbeiter Speers und seit 1948 Leiter des Düsseldorfer Planungsamtes für Wiederaufbau, weitere ehemalige Mitarbeiter Speers in die Planungen einband. Als Tamms 1951/52 Julius Schulte-Frohlinde, den ehemaligen Leiter des Baubüros der Deutschen Arbeitsfront (DAF), zum Leiter des Düsseldorfer Hochbauamts berufen wollte, eskalierte der Konflikt. Das Düsseldorfer Kabaretts Kom(m)ödchen verfasste ein satirisches Gedicht, das der »Spiegel« zumindest auszugsweise nachdruckte und in dem explizit auch Rimpl (als Beispiel für die erwähnte Kontinuität) genannt wurde. Vgl. dazu: Durth, Architekten, S. 346-375 und S. 516; Durth/Sigel, Baukultur, S. 435f.; Sollich, Rimpl, S. 204f. 197 Van Laak, Trotz, S. 66. 198 Rimpl, Grundlagen, S. 23. Zu den Debatten vgl. Kapitel 1.2.2.
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dieser Faktoren ausgezeichnet hatte, also – primär – als Willkürregime zu begreifen war. Das war natürlich nicht falsch. In dieser Zuspitzung verstellte es aber zum einen den Blick auf die tatsächlichen Mechanismen, die die »Umwertung« der Rechtsordnung ermöglicht hatten, und legitimierte indirekt personelle wie inhaltliche Kontinuitäten (gerade im Nationalsozialismus war unter Berufung auf eine vorgegebene objektive Ordnung gegen »Normativismus« und »Formalismus« polemisiert worden). Weil es Rimpl zudem bei dem Gegensatz von Willkür und Natürlichkeit/Naturrecht beließ, ihn also als einen zweier mehr oder weniger abstrakter Prinzipien darstellte, rückten die konkreten und keinesfalls zufälligen Opfer dieser Willkür und damit die Rasseideologie und die massen- und völkermordende Politik aus dem Blickfeld oder erschienen als nachgeordnete, den Nationalsozialismus eben nicht primär charakterisierende Faktoren und Geschehnisse. (Das war erst recht dann der Fall, wenn der Nationalsozialismus, der damals verbreiteten personalistischen Sicht auf ihn entsprechend, als das Willkürregime Hitlers und/oder der nach zeitgenössischer Auffassung wenigen überzeugten Nationalsozialisten begriffen wurde.199) Ebenfalls in den Hintergrund gedrängt wurden Fragen nach den gesamtgesellschaftlichen Stabilisierungsfaktoren, in der Terminologie Ernst Fraenkels Fragen nach Struktur und Rolle des Normenstaats.200 Diese harmonisierende und relativierende Ausrichtung und deren zentrales Element (die Entgegensetzung einer natürlichen und einer willkürlich-ideologischen Orientierung) bestimmten auch Rimpls nähere Aussagen über die zeitgenössische Architektur und die zeitgenössische Gesellschaftsordnung – und machten diese zu sehr speziellen, was im Folgenden kurz dargestellt werden soll.
2.3.2.2 Die zeitgenössische »natürliche« Architektur Auch wenn Rimpl die zeitgenössische Architektur näher beschrieb, arbeitete er zu einem guten Teil mit bekannten Einordnungen und Deutungsfiguren und schrieb diese fort. Auch er begriff »Funktionen und Gleichwertigkeit«201 als prägen199 S. dazu Fußnote Nr. 191. 200 Vgl. Ernst Fraenkel, Der Doppelstaat, hg. von Alexander von Brünneck, 3. Auflage, Hamburg 2012. Die Terminologie war Anfang/Mitte der 1950er Jahre allerdings noch nicht allgemein bekannt: Fraenkel hatte das Manuskript des »Urdoppelstaats« zwar bereits 1938 abgeschlossen, es in Deutschland aber nicht mehr publizieren können. In überarbeiteter Form und auf Englisch erschien das Buch 1940/41 in den USA, erst 1974 wurde »The dual state« in rückübersetzter Form in der Bundesrepublik publiziert, s. Alexander von Brünneck, Vorwort des Herausgebers zur 2. Auflage (2001), in: ebd., S. 9-18. Vgl. auch Michael Wildt, Die Transformation des Ausnahmezustands. Ernst Fraenkels Analyse der NS-Herrschaft und ihre politische Aktualität, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 1.6.2011, DOI: http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.291. v1. 201 Rimpl, Grundlagen, S. 85f.
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de Momente von Architektur und Stadtplanung. Und auch er maß den Verwaltungsgebäuden eine besondere Bedeutung zu und begriff sie als exemplarischen Ausdruck, wenn nicht Motor der gegenwärtigen Architektur – der den Verwaltungsbau prägende Skelettbau war, ihm zufolge, nicht nur »stilbildend«202 für die Gegenwart, sondern entsprach auch der »geistigen, seelischen und materiellen Position der Menschheit der Gegenwart«203. Auch seine Hinweise, dass sich die neuen Bauten nicht auf die »Ewigkeit« orientierten, sondern auf die Gegenwart,204 dass sie sich durch Leichtigkeit und Transparenz auszeichneten, wobei er den Katalog noch um die »Heiterkeit« ergänzte, waren allgemein akzeptiert. Dasselbe galt für seine Einschätzung, dass die Architektur von einem »Hereinholen des Grüns in das Haus, der Verbindung des Innenraus durch große, gewissermaßen entmaterialisierte Glasf lächen mit dem Außenraum«205 gekennzeichnet sei, dass die Repräsentation »der Straßenwände, der Hausfronten« unwichtig geworden sei »gegenüber den Fragen der Besonnung und Durchlüftung«206 und dass grundsätzlich jede Inszenierung vermieden und keine Raum- und Bildwirkungen erzielt werden sollten.207 Mitunter gelangen Rimpl exemplarische Zuspitzungen: »Unser Raumgefühl verlangt keine Außenräume in Form strenger oder romantischer Plätze. […] Der Städtebau in Form von Perspektiven mit bildhaften Kompositionen achsialer oder romantischer Art ist uns fremd geworden. […] Achsen, Raumfolgen, Symmetrie, Blickpunkte gelten uns weniger, als der Einbau der Stadtteile in die natürliche Landschaft«.208 Die gerade zitierten Passagen zeigen zudem: Worin sich Rimpls Aussagen von einigen anderen Stellungnahmen unterschied, war der optimistische, positive Ton. Er warb nicht nur mit echter Begeisterung für die zeitgenössische Architektur, dabei war ihm auch jede Melancholie, jeder Zweifel fremd. Rimpl forderte weniger eine neue Architektur, als dass er eine im Entstehen begriffene beschrieb. Und ganz anders als etwa der mehrfach genannte Friedrich Wilhelm Kraemer war er von ihrer Güte überzeugt: Kraemer billigte es der zeitgenössischen Architektur zwar zu, einige »eindrucksvolle Erscheinungen von großer Schönheit« und
202 Ebd., S. 125. 203 Ebd., S. 127. 204 Ebd., S. 10f. Zur Forderung Schwipperts nach Bauten, die sich allen endgültigen Lösungen versagten, vgl. Brendgens, Bauen, S. 116-118. 205 Rimpl, Grundlagen, S. 72. 206 Ebd., S. 148. 207 Vgl. etwa die in Kapitel 1.3.2 zitierten Äußerungen Bartnings. 208 Rimpl, Grundlagen, S. 147f.
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»städtebauliche Dominanten«209 geschaffen zu haben. Insgesamt war sie, seiner Ansicht nach, aber der Architektur früherer Zeiten kaum ebenbürtig. Ganz anders Rimpl: Zwar übte auch er Kritik an einzelnen Gebäuden.210 Aber er sprach der zeitgenössischen Architektur eine eigene Berechtigung zu und wollte insbesondere weder den für die Verwaltungsgebäude typischen »Raster als Fassade«211 noch die (noch zu erläuternde) egalitäre Arbeitsgesellschaft oder gar die »heutige[] Demokratie«212, die dieser Raster geradezu exemplarisch ausdrückte, als Niedergänge begriffen wissen. Genauso wenig entwickelte und formulierte Rimpl seine Vorstellungen als Antworten auf eine tiefe Verunsicherung (und deren Ref lexion), wie es etwa Otto Bartning oder Hans Schwippert taten. Im Gegenteil: So emphatisch er die Gegenwart und Zukunft begrüßte, so selbstverständlich, so frei von jeder (historisch bedingten) Problematik, ja von allen Ambivalenzen, war ihm die zeitgenössische Gestaltung. Letzteres trug ganz wesentlich zur harmonisierenden Qualität seiner Aussagen bei: Die zeitgenössische Architektur war für Rimpl zum einen (und dank ihrer allgemein gut geheißenen Ausrichtung auf Natur und Natürlichkeit) an sich schon (international) unumstritten213 und zweitens eine homogene Angelegenheit, also nicht durch verschiedene Auffassungen und Vielfältigkeit gekennzeichnet. Rimpls Text war so gesehen der Inbegriff des zeitgenössischen Verlangens, »[u]nbeschwert von der Last der Vergangenheit […] eine optimistische Stimmung des Auf bruchs in der neuen Republik auch gestalterisch Ausdruck finden«214 zu lassen. Wie gesagt: Zu näheren und grundsätzlichen Aussagen über die zeitgenössischen Bauten kam Rimpl vor allem mittels seiner Entgegensetzung von Natürlichkeit und Willkür. Mit ihr stellte er die zeitgenössische Architektur zum einen gegen eine der wichtigsten künstlerischen Positionen seiner Gegenwart, gegen die Abstraktion. Diese war in der bildenden Kunst der 1950er Jahre so verbreitet, schließlich arbeiteten zahlreiche Künstler abstrakt, wie umstritten: An ihr schieden sich Geister und Weltbilder. Während progressive Künstler und Intellektuelle sie als (einzig möglichen) Ausdruck energetischer, spiritueller Kräfte, von Freiheit, Selbstbestimmung, Fortschritt und wieder erreichter Zugehörigkeit zur westlichen Welt feierten, wurde sie von anderen, vor allem von weiten Teilen der Öffent-
209 Kramer, Bauten, S. 316. 210 Ablehnend äußerte er sich z.B. zum 1952 nach Entwürfen von Le Corbusier und Oscar Niemeyer erbauten UNO-Hauptquartier in New York, s. Rimpl, Grundlagen, S. 132f. 211 Rimpl, Grundlagen, S. 9. 212 Ebd., S. 85f. 213 S. etwa Rimpl, Grundlagen, S. 105. 214 Durth, Kontraste, S. 604.
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lichkeit, mit Unverständnis und/oder Skepsis betrachtet.215 Zwar wurde, sowohl angesichts der Tatsache, dass die Abstraktion durch die Nationalsozialisten verächtlich gemacht worden war216 und, aktuell, in der DDR heftig angegriffen wurde,217 Kritik nur selten explizit und öffentlich geäußert. Eine Ausnahme bildete allerdings der Kunsthistoriker konservative Kulturkritiker Hans Sedlmayr, der sich mit einer kulturphilosophischen und auf eine klare Ablehnung hinauslaufenden Auseinandersetzung mit der Moderne gerade große Bekanntheit erworben hatte.218 Für ihn stellte die Abstraktion den Kulminationspunkt eines Niedergangs 215 Zur Entwicklung der Bildenden Kunst, insbesondere der abstrakten Malerei in der Bundesrepublik vgl. Thomas, Kunst, bes. S. 24-38 und S. 46-77; Zum Verhältnis von Abstraktion und »Vergangenheitsbewältigung« s. auch Doering-Manteuffel, Kultur, S. 537f. Zu den künstlerischen Tendenzen und Strukturen vgl. Hans-Joachim Manske, Anschlußsuche an die Moderne: Bildende Kunst in Westdeutschland 1945-1960, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 563582. Zu den entsprechenden Debatten in der Bundesrepublik s. Krieger, Wiederaufbau-Wettbewerb, S. 252f., von Beyme, Stil, S. 58. Als Beispiele für die Reaktionen der Wiesbadener Presse vgl. Gegenstandslose Malerei, in: Wiesbadener Tagblatt vom 10.2.1951, ›Gegenstandsfreie‹ werden kritisiert, in: Wiesbadner Kurier vom 16.2.1951, beide in: StadtA Wiesbaden NL 73/94; Problematik der modernen Plastik, in: Wiesbadener Tagblatt vom 27.4.1956, in: StadtA Wiesbaden NL 73/104. 216 Einen Höhepunkt der Diffamierung hatte bekanntlich die Ausstellung »Entartete Kunst« gebildet, die 1937 in München eröffnet und dann durch Deutschland »gewandert« war. Vgl. dazu die Arbeit der Forschungsstelle »Entartete Kunst«, abrufbar unter: www.geschkult.fu-berlin. de/e/db_entart_kunst/, abgerufen am 14.6.2017. Zur nationalsozialistischen Kunst- und Kulturpolitik vgl. (statt aller) Schütz, Wunschbilder. 217 Im sog. Formalismusstreit wurde die moderne (ungegenständliche) Malerei (in der nationalsozialistischen Diffamierung erschreckend ähnlichen Äußerungen) als subjektiv, einem breiten Publikum unverständliche, reaktionäre bis dekadente verurteilt und dem anzustrebenden, in der Sowjetunion bereits 1932 verbindlich gemachten »Sozialistischen Realismus« gegenübergestellt. Den »Aufschlag« bildeten Artikel in der »Täglichen Rundschau« (1948 von Alexander Dymschitz, 1951 von Wladimir Semjonowitsch Semjonow), dem Organ der SMAD, ihren Höhepunkt erreichte die Kampagne 1952. Dazu und zur künstlerischen Produktion in der frühen DDR vgl. Thomas, Kunst, S. 77-100. 218 Hans Sedlmayrs (1896-1984) Buch »Der Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit« war 1948 erschienen, das Buch und das 1. Darmstädter Gespräch, das 1950 zwischen Sedlmayr und Theodor Adorno, Alexander Mitscherlich und den Künstlern Thomas Itten und Willi Baumeister stattfand, sorgten für eine breite Rezeption, vgl. dazu Hans H. Aurenhammer, »Sedlmayr, Hans«, in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010) S. 126-128 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/ pnd118612557.html#ndbcontent, abgerufen am 11.12.2018; Durth/Sigel, Baukultur, S. 474-476; Hillmann, Nachkriegsmoderne, S. 31-48; Nerdinger, Bauhaus, S. 15; Stefan Schweizer, »Stil«, »Bedeutung«, »Wahrnehmung«. Genese und Entwicklung interdisziplinärer Architekturdeutung sowie ihre kulturwissenschaftliche Perspektive, in: ders./Jörg Stabenow (Hg.), Bauen als Kunst und historische Praxis. Architektur und Stadtraum im Gespräch zwischen Kunstgeschichte und Geisteswissenschaft, Göttingen 2006, S. 21-83, hier S. 55-66.; Thomas, Kunst,
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dar (beziehungsweise eine Möglichkeit, diesen plausibel zu machen). Wenn Rimpl die Abstraktion als Indiz und Ergebnis einer Loslösung von Mensch und Kunst aus ursprünglichen metaphysischen Bindungen verurteilte – die abstrakte Malerei erkenne, ähnlich wie der Sozialismus, nur seelenlose höhere Kräfte an, sei wie die »moderne Musik kein Beginn einer neuen Kunst«219 –, lag er auf einer Linie mit dem Kritiker. Allerdings modifizierte er dessen argumentatives Arsenal: Rimpls Absage an die Abstraktion fiel weit weniger scharf aus als die Sedlmayrs, einzelne abstrakt arbeitende Künstler, zum Beispiel Picasso und Baumeister, würdigte er durchaus.220 Vor allem aber wendete Rimpl den (kultur)pessimistischen Ansatz in einen optimistischen: Gerade die moderne Architektur bewies für ihn, dass die Vorstellung einer Autonomie von Kunst und Mensch eben nicht, wie Sedlmayr annahm, die Gegenwart prägte und Kunst wie Gesellschaft in eine existenzielle Krise stürzte, sondern dass dieser Prozess gestoppt und überwunden sei: Die abstrakte Malerei und moderne Musik waren in seiner Sicht »die letzten Dokumente des Chaos der zerfallenen Welt der jüngsten Vergangenheit«221, wurden also andeutungsweise (und die Tatsachen grob verfälschend) dem Nationalsozialismus zugeordnet. Dagegen leitete die gegenwärtige moderne Architektur die Rückkehr zu natürlichen und geordneten Verhältnissen ein. Sie war also, so suggerierte der Text, prinzipiell nicht als (Auf-)Bruch, sondern als kontinuitätswahrende zu verstehen und damit für breite und nicht notwendigerweise modern oder progressiv gesinnte Bevölkerungsschichten im Grunde akzeptabel. Neben der Abstraktion grenzte sich Rimpl auch, und hier unterschied sich Rimpl sehr klar von Kollegen wie zum Beispiel Hillebrecht, gegen die Klassische Moderne ab. Letztere konnte er ebenfalls mittels der Unterscheidung von natürlichen, unideologischen, höhere Mächte anerkennenden und willkürlichen, ideologischen, alle höheren Mächte leugnenden Architekturen aus der Traditionslinie der zeitgenössischen Bauten herausdefinieren.222 Zu diesem – sachlich einigermaßen überraschenden – Ergebnis gelangte er, indem an dem Spannungsverhältnis zwischen dem Bemühen um ein elementares, funktionales Formvokabular S. 24-69. Als Beispiel für die Resonanz Sedlmayrs in Wiesbaden vgl. Der autonome Mensch und seine Kunst, in: Wiesbadener Kurier vom 5.12.1956, in: StadtA Wiesbaden NL 73/104. Zu untersuchen bleibt, ob eine direkte Auseinandersetzung Rimpls mit den Thesen Sedlmayrs nachweisbar ist. 219 Rimpl, Grundlagen, S. 98. 220 Rimpl, Grundlagen, S. 99. Kritischer war er gegenüber James Joyce und Kafka, die Entstehung der Werke beider hielt er für berechtigt, die Umstände ihrer Entstehung hingegen für überwunden, s. ebd. 221 Rimpl, Grundlagen, S. 98, vgl. auch ebd., S. 97-101. 222 Hillebrecht bezog sich bei der Einweihung des Continental-Gebäudes in Hannover positiv auf den alten, von Peter Behrens errichteten Bau und die von diesem geprägte »neue[…] deutsche[…] Baukunst«, s. Meyer zu Knolle, Vertikale, S. 288-296 und S. 380-384, hier S. 382f.
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und dem bewussten, eigenständigen, rationalen (revolutionären) Gestaltungsanspruch ansetzte. (Beide Momente hatten, wie beschrieben, progressive Architekturen gerade in Deutschland geprägt.) Wenn Rimpl der »Neuen Sachlichkeit«223, bei ihm eine Sammelbezeichnung für die genannten Architekturen, attestierte, vor allem »materielle Züge«224 zu tragen, meinte er damit den erwähnten Gestaltungsanspruch. Eine solche Einordung bildete nicht nur einen Topos der konservativen Kritik an der Klassischen Moderne. Sie war auch in den »innermodernen« Auseinandersetzungen um das Bauhaus zentral, die bereits in den 1920er und 1930er Jahren geführt worden war – und 1953 erneut und öffentlichkeitswirksam ausgefochten wurde: 1951 hatte der Architekt Rudolf Schwarz im zweiten Darmstädter Gespräch das Bauhaus in diesem Sinne kritisiert.225 1953 wiederholte er seine Vorwürfe in der angesehenen Zeitschrift »Baukunst und Werkform«. Ihm zufolge betrachteten die Bauhaus-Architekten (und Walter Gropius persönlich), ihr eigentlich »fröhliches Tun als Ausf luss einer sehr finsteren materialistischen Weltanschauung«226 und huldigten einem »geometrischen Technikkult«227. Dabei veränderte Rimpl auch hier die Stoßrichtung: Schwarz und andere Kritiker kritisierten die »bezugslose[n] Neuschöpfung[en]«228 gerade des Bauhauses deshalb, weil sie die »Arbeitsüberlieferung« und ein ausgebildetes Reservoir an Konstruktionsformen missachteten. Für Rimpl lag der Materialismus dagegen im Verzicht auf die natürlichen, elementaren Formen229 und damit auf der Orientierung an 223 Zu den Begrifflichkeiten bzw. den verschiedenen Ansätzen in der Klassischen Moderne vgl. Freigang, Moderne, S. 47-60, S. 89-93; Kruft, Geschichte, S. 419-449. 224 Rimpl, Grundlagen, S. 139, ähnlich S. 113 und S. 168. 225 Die einschlägigen Texte sind ediert, s. Ulrich Conrads u.a. (Hg.), Die Bauhaus-Debatte 1953. Dokumente einer verdrängten Kontroverse, Braunschweig/Wiesbaden 1994; Durth/Sigel, Baukultur, S. 475-477; Hillmann, Nachkriegsmoderne, S. 32-38; Frank, Demokratie, S. 19. Zu dem Architekten und Poelzig-Schüler Rudolf Schwarz (1897-1961) vgl. (statt aller) Durth, Architekten, passim. 226 Rudolf Schwarz, »Bilde Künstler, rede nicht«. Eine (weitere) Betrachtung zum Thema Bauen und Schreiben, in: Baukunst und Werkform 6 (1953), Heft 1, S. 9ff., abgedruckt in: Conrads u.a. (Hg.), Die Bauhaus-Debatte 1953, S. 34-47, das Zitat ist von S. 44. Zur Zeitschrift (Baukunst und Werkform) und zu ihrem Begründer Alfons Leitl (1909-1975) vgl. Durth, Architekten, S. 380-461. 227 Nerdinger, Bauhaus, S. 17. 228 Hillmann, Nachkriegsmoderne, S. 32 und S. 34. 229 Auch hier unterschied sich Rimpl (z.B.) von Hillebrecht, der (in seiner mehrfach erwähnten Rede zur Einweihung des Continental-Gebäudes) die auch von ihm abgelehnte rein materielle Orientierung einem Arbeitsethos entgegensetzte, s. Meyer zu Knolle, Vertikale, S 288-296 und S. 380-384 (Teilabdruck der Rede). Stützen konnte Rimpl seine Deutung darauf, dass progressive Architekten aus ihrem Gestaltungsanspruch heraus versucht hatten, Monumentalität neu und modern zu definieren; die Kritik an den »großen und geschwätzigen Denkmälern« war Frank zufolge sogar der entscheidende Ausgangspunkt, s. dazu Frank, Monument, das Zitat ist von S. 230. Vgl. auch Jean-Louis Cohen, Das Monumentale: latent oder offenkundig, in:
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übergeordneten, jenseitigen Normen, womit er den »Verzicht auf den Verzicht« gleichzeitig zum Signum der gegenwärtigen Architektur wie Stadtplanung erklärte. (Wenn man so will, schrieb Rimpl damit eine bekannte Deutung fort und wechselte lediglich ihr Vorzeichen: Als Friedrich Tamms 1944 über »Das Große in der Baukunst« nachgedacht hatte, hatte er monumentale Architektur als »›Menschenwerk‹«230 gelobt – und von der Natur und einer der Ökonomie und Funktion unterworfenen alltäglichen Architektur abgegrenzt – diese Zuordnung teilte Rimpl, bewertete aber erstere negativ und letztere positiv.) Für Rimpls Argumentation und Einordnung der zeitgenössischen Architektur war zudem ein weiterer, in zeitgenössischen Debatten ungeheuer wichtiger Begriff von zentraler Bedeutung, nämlich das Adjektiv »organisch«.231 Im architektonischen Diskurs war, wie in anderen Bereichen auch, »organisch« eng mit »funktional« verbunden, hatte, spätestens seit dem Nationalsozialismus, letzteren ersetzt beziehungsweise funktionale Ansätze anders konnotiert: »Organisch« hatte sich hier nicht nur zu einem Gegenbegriff zur Strenge der Neuen Sachlichkeit entwickelt. Stärker als »funktional« betonte es auch, dass etwas über eine eigene Individualität verfügte und »gleichzeitig im Zusammenwirken mit den anderen Teilen funktional auf die Stabilisierung des Ganzen«232 bezogen war. Der Begriff zielte also auf ein harmonisches Verhältnis von Individuum/Individualität und Gesamtheit/Gemeinschaftlichkeit. Ein solcher Ausgleich des, wie Rimpl es formulierte, Spannungsverhältnisses von Individuum und »Masse«233 entsprach Schneider/Wang (Hg.), Architektur, S. 70-85; Wilfried Wang, Das Monumentale als Ersatz für den Verlust kultureller Autorität, in: ebd., S. 276-291; Matthias Schreiber, Selbstdarstellung der Bundesrepublik Deutschland: Repräsentation des Staates in Bauten und Gedenkstätten, in: Jörg-Dieter Gauger/Justin Stagl (Hg.), Staatsrepräsentation, Berlin 1992), S. 191-203. 230 Friedrich Tamms, Das Große in der Baukunst, in: Architekturbeilage zu Kunst im Deutschen Reich 1944, zitiert bei Frank, Monument, S. 225. Zu Tamms vgl. auch die Nachweise in Fußnote Nr. 196, er und Herbert Rimpl kannten sich aus dem »Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte«. 231 Rimpl, Grundlagen, S. 22f., S. 63. Zur Aktualität des Begriffs in den 1950er Jahren (das 1948 erschienene Standardwerk zum Städtebau von Bernhard Reichow hieß »Organische Stadtbaukunst«) und den verschiedenen Ausprägungen s. Hnilica, Metaphern, S. 53-61; Kruft, Geschichte, S. 439-452. Vgl. auch Böke, Leitvokabeln, bes. S. 26f. und die anderen Beiträge in Böke/ Liedtke/Wengeler, Leitvokabeln. Zum (Spannungs-)Verhältnis vom funktionalistischen und organologischen Denken vgl. Werner Durth/Niels Gutschow, Architektur und Städtebau der Fünfziger Jahre, Bonn 1987, S. 11;zum Naturbezug im funktionalistischen Denken in den USA s. auch Freigang, Moderne, S. 87. Zur organischen Architektur(theorie) vgl. Hillmann, Nachkriegsmoderne, S. 277-284. 232 Böke, Leitvokabeln, S. 27. 233 Rimpl, Grundlagen, S. 24f. Zur Bedeutung der Kategorien »Masse« und »Vermassung« in den gesellschaftlichen Debatten seit dem 19. Jahrhundert und zum Umschwung in den 1950er Jahren vgl. Nolte, Ordnung, bes. S. 273-318.
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dem zeitgenössischen Bedürfnis, war aber, angesichts der Erfahrung mit »gemeinschaftlichen« Ansätzen im Nationalsozialismus und (ohne das gleichsetzen zu wollen) in der DDR, nicht ganz einfach. Zudem war »organisch« in den 1950er Jahren ein »westlicher« Begriff und verfügte über einen utopischen Gehalt: Für keinen Geringeren als Frank Lloyd Wright, einen der wichtigsten zeitgenössischen Architekten und Architekturtheoretikern (und aller problematischen Vorprägungen gänzlich unverdächtig) war »organisch« die »allumfassende Formel«234, um die Einheit von Form und Funktion, den Zusammenhang von Kunst/Architektur, Natur und menschlichem Leben, konkret der Demokratie zu beschreiben und auszurufen – worauf sich Rimpl auch explizit bezog.235 Allerdings stellte er diese gegenwärtigen »organischen«, funktionalen, im weitesten Sinne westlichen, explizit demokratischen (Wright), kurz: »guten« Bauten den »materiellen«, also ideologisch und willkürlich motivierten der Klassischen Moderne gegenüber. Damit gebrauchte er den architektonisch-funktionalistischen Organismusbegriff letzten Endes im Sinne des konservativen Kampf begriffs: Gerade im deutschen Sprachraum diente das Adjektiv besonders im politischen, staatsrechtlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und philosophischen Diskurs seit dem 19. Jahrhundert als Gegenbegriff zu (als solche beschriebenen) rationalistischen, materialistischen, mechanistischen und auch funktionalistischen Vorstellungen236 – und zur Abwehr eigenständiger, insbesondere demokratischer Gestaltungsansprüche.237 234 Die Formulierung bezieht sich konkret auf das 1953 erschienene Buch von Frank Lloyd Wright (1867-1959), The Future of Architecture. Vgl. (statt aller) Kruft, Geschichte, S. 492-499, das Zitat ist von S. 497. 235 Rimpl, Grundlagen, S. 102. 236 Vgl. das 4. Darmstädter Gespräch, das vom im September 1953 zum Thema »Individuum und Organisation« stattfand, dazu s. Krieger, Wiederaufbau-Wettbewerb, S. 84f. 237 Zur konservativen Staatslehre im 19. Jahrhundert s. Stolleis, Geschichte, Bd. 2, S. 121-156; Ernst-Wolfgang Böckenförde, Der Staat als Organismus. Zur staatstheoretisch-verfassungspolitischen Diskussion im frühen Konstitutionalismus, in: ders., Recht, Staat, Freiheit. Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte, Frankfurt a.M. 1991, S. 263272. Vgl. auch die systematische Untersuchung Greiffenhagens, der die Bedeutung der organologischen Staatsauffassung als Gegenmodell zur rationalistischen betont, Martin Greiffenhagen, Das Dilemma des Konservatismus in Deutschland, Frankfurt a.M. 1986, S. 200-219. Zum organologischen Denken und seiner Bedeutung in der Weimarer Republik vgl. auch Kurt Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, bes. S. 255-259. Zur Überlagerung von mechanistischer und organischer Metaphorik in Debatten um die Verwaltung s. Andreas Anter, Verwaltung und Verwaltungsmetaphorik. Der lange Weg der Maschine in: Peter Collin/ Klaus-Gert Lutterbeck (Hg.), Eine intelligente Maschine. Handlungsorientierungen moderner Verwaltung (19./20. Jh.), Baden Baden 2009, S. 25-46; Anna-Bettina Kaiser, Intelligente Verwaltungsmaschine – intelligente Maschinen in der Verwaltung: Die Diskussion über Verwaltungsautomation in den 1950er und 1960er Jahren, in: ebd., S. 233-243. Zu organologischen Ansätzen in der Soziologie im frühen 20. Jahrhundert s. Nolte, Ordnung, S. 127-207.
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Wichtige und zum Teil ganz klar auf die Klassische Moderne zurückgehende Charakteristika der zeitgenössischen Architektur und Stadtplanung deutete Rimpl also als Realisierung konservativer Ansätze – und modifizierte diese Kategorien zugleich: Mit seinem Organismusbegriff leistete er der »organizistische[n] Verbrämung« des »funktionalistischen Vokabulars«238 Vorschub und erweiterte den konservativen Organismusbegriff gleichzeitig um das funktionale Moment, half also, den »funktional argumentierende[n] Pragmatismus« (Nolte)239 im konservativen Denken zu verankern. Ähnlich verhielt es sich mit Rimpls Bewertung der Klassischen Moderne: Er lehnte sie zwar ab, was einem ebenso traditionalistischen wie tradierten Urteil entsprach, aber weniger, weil sie (angebliche) nationale Traditionen, sondern weil sie höhere Mächte negierte. Damit stellte er ein etabliertes konservatives Urteil auf neue Füße, löste es von Begriffen wie Nation und Nationalismus und machte es in der Bundesrepublik anschlussfähig,240 trug also dazu bei, dass sich der bundesdeutsche Konservativismus und seine Sozialtheorie modernisierte.241 Bevor das hinsichtlich Rimpls Einordnung der zeitgenössischen Gesellschaftsordnung weiter verfolgt wird, soll noch auf einen Punkt hingewiesen werden: Wenn Rimpl den Gestaltungswillen zum entscheidenden Kriterium für die Abgrenzung der zeitgenössischen Architektur von der Klassischen Moderne erhob, betraf das auch die Rolle des Architekten. Dieser war im (Selbst-)Bild der 1950er Jahren berufen, für die »geistige Erneuerung«242 zu sorgen. Bei Rimpl war die zeitgenössische Architektur, um die Terminologie Wolfgang Sonnes aufzunehmen, allerdings weniger als Symbol denn als Symptom der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse und Orientierungen zu verstehen,243 also weniger auf bewusste gestalterische Entscheidungen als auf die Einsicht (in objektive, ewige, natürliche) Prinzipien zurückzuführen. Das hieß auch, dass die engen Verbindungen zwischen der zeitgenössischen Gesellschaftsordnung und der Architek238 Von Beyme, Wiederaufbau, S. 66. 239 Nolte, Ordnung, S. 286f. 240 Vgl. dazu van Laak, Revolution; Rabinbach, Spirit. Dass die »Sakralisierung des Ästhetischen« auch (und gerade) von der bis dahin gepflegten »Ethnisierung und Nationalisierung von Kunst« ablenkte, betont auch Stefan Schweizer, s. Schweizer, »Stil«, S. 57. 241 Nolte, Ordnung, S. 285-290. Neben dem funktionalen Denken sorgte Nolte zufolge auch der von Alexander von Rüstow und Wilhelm Röpke propagierte Ordoliberalismus für den Bruch mit den Wurzeln des Konservativismus, dazu vgl. ebd., S. 289-303; Dieter Haselbach, Lehren aus Weimar in den Wirtschaftswissenschaften nach 1945: Der Ordoliberalismus, in: Christoph Gusy (Hg.), Weimars lange Schatten – »Weimar« als Argument nach 1945, Baden-Baden 2003, S. 118-147. 242 Zum (Selbst-)Bild der Architekten in den bundesdeutschen 1950er Jahren und seinen Wurzeln vgl. Gehebe-Gernhardt, Architektur, S. 106-114. 243 S. Fußnote Nr. 126.
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tur, die Rimpl herausstellte, von den Architekten weniger bewusst geschaffen als erkannt und nachvollzogen wurden. Mit dieser Akzentuierung unterschied sich Rimpl von vielen seiner Kollegen, die im bewussten Gestaltungswillen ein Charakteristikum architektonischer Arbeit sahen.244 Damit löste er letztere – insbesondere und indirekt – aus der »politischen Umarmung« durch die Nationalsozialisten und ihren Gestaltungswillen heraus.245 Das war für Rimpl persönlich wichtig: Denn mit der Abgrenzung der zeitgenössischen, höhere Gesetzlichkeiten erkennenden Architektur von der der gestaltungsfreudigen Klassischen Moderne wertete er – wiederum ohne das offen anzusprechen – seine eigenen (früheren) Bauten auf, beziehungsweise rechtfertigte die Tatsache, dass er diese für die Nationalsozialisten errichtet hatte: Wie er ausführte, waren die »Gedanken«, die zum unideologischen »›modernen organischen Bauen‹ führten«, zuerst »im Industriebau in großem Ausmaß voll verwirklicht worden«, also nicht zuletzt, durch ihn selbst.246 Das war nicht falsch und verlieh dem Industriebau auch eine gewisse Bedeutung und Würde, die ihm in den 1950er Jahren üblicherweise noch abgesprochen wurde.247 Sachlich schwierig wurde die Aussage allerdings dadurch, dass Rimpl die Industriearchitektur im Grunde als einzigen Vorläufer der zeitgenössischen Architektur gelten ließ, die Klassische Moderne hatte er aus der Traditionslinie schließlich herausdefiniert. Welche Vorteile das hatte, zeigt ein Vergleich: Rudolf Lodders, ebenfalls ein bedeutender Industriearchitekt, der 244 Vgl. Rimpl, Grundlagen, S. 87-91. Als Beispiele für andere Positionen vgl. die Einweihungsrede Hillebrechts, in: Meyer zu Knolle, Vertikale, S. 288-296 und 380-384; die Ausführungen Alois Giefers auf dem Hessischen Architektentag bzw. ihr journalistisches Echo in: Der Baumeister – Ausdruck der Kultur und Lebenskraft, in: Wiesbadener Tagblatt vom 12.10.1953, in: StadtA Wiesbaden NL 73/97; Stadt dankt ihren Bauherren und Architekten, in: Wiesbadener Kurier vom 1.9.1955, in: StadtA Wiesbaden NL 73/101; Bauten in Deutschland seit 1948, Darmstadt 1959, S. 15-17. Vgl. auch die Rede des expressionistischen/neusachlichen Architekten und stellvertretenden Vorsitzenden des BDA, Hans Poelzig (1896-1936) aus dem Jahr 1931. Sie war für Poelzigs Biografen, Theodor Heuss, ein Schlüsseldokument (s. dazu Kapitel 3.2.1.2) und wurde vom nordrhein-westfälischen BDA 1954 als Sonderdruck ediert. Vgl. dazu die kritische Würdigung von Winfried Nerdinger, Winfried Nerdinger, Eine Reflexion zum Berufsstand 1931: Hans Poelzigs Rede »Der Architekt«, in: Bund Deutscher Architekten (BDA) (Hg.), Chronik einer Wahlgemeinschaft 1903-2013, Berlin 2013, Bd. 3: Epochale Kontroversen 1919-1932, S. 10-13. 245 So waren ihm zufolge die NS-Bauten von der »Härte des Einzelwillens« geprägt, Rimpl, Grundlagen, S. 128. 246 S. exemplarisch Rimpl, Grundlagen, S. 119. 247 Zum vielschichtigen Zusammenhang von Industrie, Industrialisierung, industrieller Produktion und Verwaltung und der Entstehung moderner Architektur und Architekturtheorien zu Beginn des 20. Jahrhunderts vgl. Freigang, Moderne, passim; Kruft, Geschichte, S. 425-430; Jormakka, Geschichte, bes. S. 208-212; Pehnt, Architektur, S. 78-88; Wang, Das Monumentale, bes. S. 280-284. Zur Einordnung funktionaler Industriebauten in den nationalsozialistischen »Gestaltungsplan« (und zur Übernahme entsprechender Elemente), s. Fußnote Nr. 23 der Einführung.
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sich aber deutlich weniger als Rimpl in den Nationalsozialismus hatte einbinden lassen,248 hatte 1947 in der programmatischen ersten Ausgabe von »Baukunst und Werkform« die Industriearchitektur in einer Weise interpretiert, die sehr populär und einf lussreich werden sollte: Auch er hatte den Industriebau zur einzig anknüpfungsfähigen und -würdigen Bautradition erklärt. Anders als Rimpl hatte er sie aber nicht (als unideologische »organische« Bauten) der modernen Architektur der Weimarer Republik entgegengesetzt, sondern als deren (einzig) legitime Erbin beschrieben. Diese Einordnung war zudem aus einer Auseinandersetzung mit der im Nationalsozialismus errichteten Architektur erwachsen: Für Lodders war die Industriearchitektur als oppositionelle Bauform und Zuf luchtsort für nichtkonforme Architekten zu betrachten. In vergröberter (und umgekehrter) Form bildete diese Einschätzung nach dem Krieg eine wichtige Legitimationsstrategie: Nach dem Motto, wer im Industriebau tätig gewesen war, war kein Nationalsozialist gewesen, beriefen sich viele Architekten auf ihre Tätigkeit im Büro Rimpl, um ihre Distanz zum Nationalsozialismus zu belegen.249 Interessanterweise wählte Rimpl selbst in seiner Monographie nun einen anderen Weg: Er vermied, wie auch sonst, mit seiner Entgegensetzung von ideologischer und unideologischer Architektur, die direkte Bezugnahme auf die Zeit von 1933 bis 1945. Er »rettete« seine Bauten gleichsam en passant, indem er sie weniger konkret dem Nationalsozialismus entgegensetzte als allen Systemen und Ideologien. Kritische Fragen nach einer spezifisch nationalsozialistischen Prägung der von ihm zwischen 1933 und 1945 errichteten Bauten (oder gar nach ihrer – und damit seiner – Bedeutung für das Regime) und nach seinen zeitgenössischen Bauten, die damalige Gestaltungselemente wieder aufgriffen, beschied er nicht abschlägig, sie stellten sich für ihn gar nicht.250
2.3.2.3 Die zeitgenössische »natürliche« Gesellschaft und Gesellschaftsordnung Ebenso wie seine Beschreibung und Einordnung der zeitgenössischen Architektur waren auch Rimpls Aussagen zur zeitgenössischen Gesellschaft – die in den Bauten ihren »klarsten Ausdruck«251 fand –weniger originell als eine (mitunter eklektische) Zusammenfassung zeitgenössischer Denkfiguren, Erkenntnisse und Thesen. Und auch hier bemühte er sich vor allen Dingen um eine harmonisierende und optimistische Gesamtdeutung (was seiner Grundthese, der Existenz eines 248 Zu Rudolf Lodders s. Jan Lubitz, Rudolf Lodders (1901-1978), in: architekten-porträt, abrufbar unter www.architekten-portrait.de/rudolf_lodders/index.html, abgerufen am 2.2.2015. 249 Gehebe-Gernhardt, Architektur, S. 108, s. auch ebd., S. 22-28. 250 Zu diesen (kontrovers diskutierten) Fragen vgl. für die Rimpl’schen Bauten Sollich, Rimpl, bes. S. 255-292. 251 Rimpl, Grundlagen, S. 129.
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direkten Zusammenhangs von Architektur und Gesamtgesellschaft, entsprach): Ihm zufolge hatte die natürliche und unideologische Gesellschaft (als solche) in ihrem Wesen, ihrer inneren Ordnung und Struktur eine grundsätzlich neue Qualität und einen Zustand letztlich metaphysischer Harmonie erreicht. Geprägt von der »Sehnsucht nach der Unendlichkeit der Natur« hatte sie alle Grenzen und Gegensätze überwunden, war von einer »weiten und offenen« Haltung gekennzeichnet, »voller Liebe zu allen Menschen« und »auf der Suche nach ewigem Frieden«252. Letztere verkörperten exemplarisch die vielen »Glaswände«, diese eigneten sich schließlich »nicht für Kriege«253. Das deutete Rimpl weniger als Ergebnis bewusster Planungen und Entscheidungen denn als Erfüllung von Träumen, die anerkannte Autoritäten seit Langem gehegt hatten: Die zeitgenössische Gesellschaft und Gesinnung verwirklichten Rousseausche Überzeugungen254 und, im Nachkriegsdeutschland extrem wichtig, »Goethesche[…]« Vorstellungen, genauer dessen pantheistische »Weltanschauungen«255 und Friedenssehnsucht. Neu und konf liktfrei war die Gesellschaft dabei vor allem deshalb, weil sie eine egalitäre war, genauer »eine große, gleich lebensfrohe, mutige, willensstarke und fordernde«, die »alle Menschen umfaßt und gleiches Recht für alle, das heißt für jeden einzelnen, verlangt«256. Für Rimpl war die zeitgenössische Gesellschaft also nicht nur als Erfüllung idealistischer Entwürfe zu begreifen, sondern eine elementare, handfeste und lebenszugewandte: »Die nüchterne Nacktheit unserer Zeit wie unserer Baukunst, unserer Umgangsformen wie unserer Sitten, unserer Art zu lieben, zu leben, diese unbekümmerte Frische hat etwas Primitives, Ursprüngliches, aber auch eminent Kräftiges, das den neuen Anfang deutlich zeigt.«257 Die egalitäre »Massengesellschaft«, die vielen seiner Zeitgenossen solche Kopfschmerzen bereitete, beschrieb und bewertete also der Architekt ausdrücklich positiv – der resignative Ton, den zum Beispiel Friedrich Wilhelm Kraemer und (anders gelagert) Ernst Forsthoff anschlugen, war ihm völlig fremd. Rimpls Ge252 Rimpl, Grundlagen, S. 72f. Vgl. auch Hillebrecht, Rede, in: Meyer zu Knolle, Vertikale, S. 384. 253 Rimpl, Grundlagen, S. 129. Auch dabei handelte es sich um einen wichtigen Topos der zeitgenössischen Reflexion über Architektur, vgl. Ascher Barnstone, State, S. 125f. 254 Rimpl, Grundlagen, S. 40. 255 Vgl. z.B. Rimpl, Grundlagen, S. 35-39, S. 44-46, S. 63, S. 70f., S. 95f.; S. 105, S. 107 und S. 129. Zu den Versuchen, sich über den mit Goethe verbundenen bürgerlichen Humanismus positiven Seiten der deutschen Geschichte zu versichern, vgl. Rabinbach, Spirit; Karl Robert Mandelkow, Der »restaurierte Goethe: Klassikrezeption in Westdeutschland nach 1945 und ihre Vorgeschichte seit 1870, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 541-550. 256 Rimpl, Grundlagen, S. 156. 257 Ebd., S. 149.
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sellschaft war nicht von einem »aus eigner seelischer Standhaftigkeit nicht mehr zu erfüllende[n] Verlangen nach Sicherheit«258 geprägt. Sie war vielmehr eine sich ihrer selbst und ihrer Ordnung bewusste, eine selbst- und eigenständige, die über ein ganz eigenes Ethos, eine eigene Affektkultur und damit über eine eigene Legitimität verfügte.259 Mit vorangegangenen Gesellschaften und deren Grundorientierungen, mit, wie Kraemer es beschrieb, der »Götterwelt der Griechen« oder dem »Glaubensprimat im christlichen Mittelalter«260 war sie also nicht nur durchaus zu vergleichen, sie übertraf sie sogar: Rimpl schilderte eine Gesellschaft, die, um Irene Nierhaus zu paraphrasieren, durch den »Rückbezug auf ›Natur‹« eine in der historischen Situation »›besser‹«261 begründete war. All das war, Rimpl zufolge, vor allem Resultat der Technik, womit er ein weiteres, in der zeitgenössischen Diskussion zentrales Stichwort aufgriff. Auch dieses band Rimpl metaphysisch ein, die allgemeine und umfassende Ausrichtung auf technische und naturwissenschaftliche Gesetzlichkeiten fiel mit der Anerkennung einer übermenschlichen Ordnung zusammen: Die Technik war nicht selbstzweckhaft oder ordnungsstiftend, sondern »der Natur innig verbunden«, ja eine »Nachahmung der Naturvorgänge«262. Sie war daher nicht – auch nicht potenziell – bedrohlich. Schon deshalb waren auch die Ergebnisse des technisch induzierten gesamtgesellschaftlichen Wandels positiv zu bewerten. Diese bestanden, und auch darin folgte Rimpl zeitgenössischen Diagnosen und Debatten,263 in einer umfassenden und unwiderruf lichen Einebnung überkommener gesellschaftli258 S. Fußnote Nr. 152 der Einführung. 259 Zu Forsthoff, der diese Legitimität gerade bestritt, s. Kapitel 1.2.2. Zur Affektivität (und ihrer Bedeutung), die Rimpl für die zeitgenössische Gesellschaft betonte und mit der er ein Gegengewicht zum letztere grundsätzlich kennzeichnenden rationalem Pragmatismus schuf, vgl. (statt aller) Andreas Reckwitz, Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung, 5. Auflage, Berlin 2017, S. 313-319. 260 Kraemer, Bauten, S. 315. 261 Nierhaus, Pastor/ale, S. 115, vgl. auch ihren Verweis auf Foucault, ebd. 262 Zur »umgekehrten« zeitgenössischen Einschätzung, dass aufgrund des Einsickerns der Technik in den Alltag die ›technische‹ Welt als ›natürliche‹ Lebenswelt« zu begreifen war, s. Nolte, Ordnung, S. 279. 263 Ganz konkret scheint Rimpl seine Erläuterungen an das bereits 1950 in deutscher Übersetzung erschienene berühmte Buch »The New Society« von Peter F. Drucker (1909-2005) angelehnt zu haben. Klare Parallelen in der Wortwahl deuten zudem an, dass ein Aufsatz Max Brunners die unmittelbare Vorlage Rimpls war, s. Max Brunner, Gesellschaft bildende Faktoren der Gegenwart, in: Schmollers Jahrbuch 72 (1952), S. 614-668. Zur Entwicklung der Technik in der Bundesrepublik vgl. Gerold Ambrosius, Wirtschaftlicher Strukturwandel und Technikentwicklung, in: Schildt/Sywottek (Hg.), Modernisierung, S. 107-128; Joachim Radkau, »Wirtschaftswunder« ohne technische Innovation? Technische Modernität in den 50erJahren, in: ebd., S. 129-154. Zum »Niederschlag« der Debatten in Wiesbaden vgl. (exemplarisch) Die geistige Krise der Gegenwart, in: Wiesbadener Tagblatt vom 24.10.1956, in: StadtA Wiesbaden NL 73/104; Der
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cher Unterschiede. Eine soziale Differenzierung war höchstens als funktionale denkbar und begründete keine Rangunterschiede mehr: Zuständig für seinen speziellen Bereich, war jeder ein – gleichberechtigtes – Glied »in der Kette der modernen Technik«264. Wie »jedes hierarchische Prinzip in der Stadtbaukunst« war daher auch jede hierarchische Binnengliederung obsolet,265 und zwar faktisch wie ideell. Nicht nur die überkommenen sozialen Ordnungen waren unwiderruflich zerstört, sondern, das zeigte gerade ein Blick auf die Arbeits- und Produktionswelt,266 auch die tradierten Ordnungsvorstellungen: Mit der Durchsetzung von »Teilsystem und Fließband«267 war, Rimpl zufolge, eine Arbeitsgesellschaft entstanden, also eine zentral und umfassend von der ihrerseits von Technik (und ihrer Logik) bestimmten Arbeit und dem entsprechenden Arbeitsethos geprägte Gesellschaft. Auch in ihrem Selbstbild war die Gesellschaft nicht mehr durch das Prinzip von Führung und Unterordnung strukturiert und segmentiert: Der »›Erfolgsmensch‹« hatte den »›aristokratische[n]‹«268 Menschen abgelöst. Neben oder mit der Gesellschaft – und in ebenso vorteilhafter Weise – hatte sich auch der Staat elementar verändert. Durch »die Spezialisierung« unterstand auch er, für Rimpl, nunmehr dem »Gesetz des Liberalismus«, er entfaltete nicht mehr als Ordnungsmacht Wirkung und Bedeutung, sondern im funktionalen Sinne, als »Organisator und Verwalter des öffentlichen Lebens«269 und war daher selbst »von Funktionen und Gleichwertigkeit«270 geprägt. Auch für Rimpl kam deshalb der Verwaltung wie ihren Bauten eine eminente Bedeutung zu. Dabei schlug Rimpl zwar durchaus kritische Töne an. Denn dieser Staat wurde – nicht zuletzt in seinen Verwaltungsbauten, »Raster voll gleichen Inhalts« – »selbst das ganze Skelett des Lebens« und tendierte dazu, alles zu »bürokratisier[en]« und »bisweilen unter Polizeiaufsicht«271 zu stellen. Insgesamt aber war die gegenwärtige Ordnung für Rimpl klar eine positiv zu bewertende. Dabei lobte er insbesondere das, was konservativen Stimmen so missfiel, nämlich den Umstand, dass der Staat »mit dem Leben seiner Nation«272 eine enge Verbindung eingegangen menschliche Auftrag der Technik, in: Wiesbadener Tagblatt vom 26.4.1957, Der Vorrang des Menschlichen, in: Wiesbadener Kurier vom 26.4.1957, beide in: StadtA Wiesbaden NL 73/105. 264 Rimpl, Grundlagen, S. 85f. 265 Ebd., S. 9, S. 21, S. 154-157. 266 Solche Beschreibungen reflektierten nicht nur die sozioökonomischen Entwicklungen, sondern auch die enormen Anstrengungen des Wiederaufbaus, s. dazu Sywottek, Wege, S. 13f. Vgl. auch die Rede Hillebrechts, in: Meyer zu Knolle, Vertikale, S. 288-296 und S. 380-384, bes. S. 383. 267 Rimpl, Grundlagen, S. 16f. 268 Ebd. 269 Ebd., S. 17. 270 Ebd., S. 85f. 271 Ebd., S. 104. 272 Ebd., S. 16f.
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sei, wodurch die traditionelle Trennung von Staat und Gesellschaft und, vor allen Dingen, die Überordnung des ersteren überwunden werde: Der Staat sei (ebenso wie die Kirche) von seinem »hohen Piedestal« gestiegen. Er stelle »sich neben die Menge« und versuche, »von der gleichen Ebene aus« zu ihr »zu sprechen«273. Mehr noch: Rimpl bezeichnete den Staat ausdrücklich als »Organisation, die sie sich als Volk selbst gegeben hat«, hielt fest, dass sich die Menschen als seine »bestimmende[n] Teile«274 betrachteten und pries (damit) die Demokratie als große Errungenschaft. Mit seiner friedlichen und konf liktfreien Gesellschaft zeichnete Rimpl ein Bild, das in vielfältiger Weise die Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung aufnahm. Es reagierte auf den fundamentalen Wandel von Wirtschaft, Gesellschaft und Technik und die daraus resultierende Verunsicherungen wie auf die (Erfahrungen mit) politisch-staatlichen Verwerfungen – es war ein Gegenbild zur Beschwörung des »totalen Kriegs« (Goebbels) und zur Dezision (Schmitt). Gleichzeitig gab es Kontinuitäten: Wenn Rimpl zufolge diese Harmonie hauptsächlich auf der gesellschaftlichen Egalität und damit auf einer Homogenität(wie sie auch die zeitgenössische Architektur auszeichnete) ruhte, stand sein Entwurf – wie auch andere – in der langen Tradition harmonistischer, sozialer Ordnungsideen, zu der auch, und für die Zeitgenossen vermutlich besonders prägend, die nationalsozialistische »Volksgemeinschaft« gehört hatte.275 Auch hier problematisierte Rimpl nicht,276 kappte aber wichtige Dimensionen: Rimpls Gesellschaft hatte keinen »Führer«, war nicht hierarchisch vom Staat organisiert und auf diesen als höchste Kraft hingeordnet, nicht von der Nation, einer »Rasse- und Artgleichheit« – und auch nicht, ohne das gleichsetzen zu wollen, von dem im Klassenkampf siegreichen Proletariat – aus konstruiert. Sie war zudem des Gegenpols beraubt, also nicht »minderwertigen« anderen »Rassen« gegenübergestellt, sondern umfasste ausdrücklich die gesamte Menschheit. Und sie war nicht auf Kampf gegen 273 Ebd. Ähnlich sah es mit Rimpls Bekenntnis zu Religiosität, Glauben und Transzendenz aus, auch diese verstand er, anders als viele seiner Zeitgenossen, nicht als Rückkehr zur traditionellen Kirchlichkeit. Vgl. dazu Fußnote Nr. 180. 274 Rimpl, Grundlagen, S. 154-157. 275 So, in Bezug auf die »nivellierte Mittelstandsgesellschaft« Schelskys von Laak, Trotz, S. 70. Zur nationalsozialistischen Volksgemeinschaft vgl. (statt aller) Dietmar Süß, »Ein Volk, ein Reich, ein Führer«. Die deutsche Gesellschaft im Dritten Reich, München 2017. Zur Bedeutung und zum Verhältnis von Heroismus und Harmonie(sehnsucht) im Nationalsozialismus s. auch Schütz, Wunschbilder. 276 In diese Richtung wies bekanntlich (zum Beispiel) Hannah Arendt, wenn sie die gesellschaftliche Entdifferenzierung als Voraussetzung für den Erfolg des Nationalsozialismus begriff, vgl. dazu Julia Schulze Wessel, Ideologie der Sachlichkeit. Hannah Arendts politische Theorie des Antisemitismus, Frankfurt a.M. 2006, bes. S. 74-80 und S. 122-134. Vgl. auch Nolte, Ordnung, S. 125-127.
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die letztgenannten ausgerichtet, sondern auf Harmonie und »Zivilität« (Sywottek)277. Damit bewies Rimpls Buch ein weiteres Mal, wie sehr bundesdeutsche Vorstellungen zum Nationalsozialismus in einem Verhältnis von »Wiederholungen, Ent-Nennungen und Differenzen« (Nierhaus)278 standen. Letzteres zeigte sich auch an einem weiteren Moment: Die zeitgenössische Gesellschaftsordnung war bei Rimpl, wie die zeitgenössische Architektur, entdynamisiert279 und entpolitisiert: Sie war weder Subjekt noch Objekt von (bewussten) politischen Entscheidungen und in kaum einer Weise durch politische (oder politisch relevante) Faktoren bestimmt. Das bundesdeutsche Gemeinwesen ruhte nicht auf Kämpfen und Siegen, sondern auf der technischen Entwicklung. Weil diese Technik, Rimpl zufolge, naturgesetzliche zu begreifen war, also als eine, die nicht an Willensentscheidungen gebunden war, war auch die auf ihr auf bauende gesamtgesellschaftliche Ordnung, jedenfalls durch politische Entscheidungen, nicht reversibel. Sie war weniger als Auf bruch in eine unwägbare Zukunft zu verstehen, sondern auf einem idealen Urzustand ausgerichtet und daher nicht nur ungefährlich, sondern auch ungefährdet. Vielleicht um letzten Endes sich selbst und seiner Leserschaft zu versichern, dass sich die bundesdeutsche Bevölkerung umfassend und insgesamt neu orientiert hatte (ohne die Gründe dafür erwähnen zu müssen), konzipierte auch er, um mit Hannah Arendt zu sprechen, eine »›Welt, in der sich nichts ereignet‹«, eine Welt, in der Politik (die Arendt nicht als Herrschaft, sondern als Handeln begriff) »einem allgemeinen Verhalten gewichen ist«280. Diese Konzentration auf die gesellschaftliche Homogenität und die gleichzeitige (beziehungsweise damit direkt verbundene) Ausblendung des Politischen und Dynamischen ist auch grundlegend für Rimpls Konzeption von Staat und Demokratie. Wie beschrieben, bekannte er sich emphatisch zur Demokratie und dazu, dass der Staat nun auf der gleichen Ebene wie die Gesellschaft stand und auf diese zurückgeführt wurde. Wichtig an der Demokratie war für Rimpl aber vor allem, dass sie die beschriebene gesellschaftliche Egalität und Homogenität gewährleistete – weshalb ihr »Symbol« auch der Raster, als Ergebnis einer Addition gleicher Büroräume, war.281 Das bedeutete nicht nur, dass Egalität und 277 Sywottek, Wege, S. 31. 278 Nierhaus, Pastor/ale, S. 112. 279 Positiv bewertete Rimpl Dynamik lediglich im Zusammenhang mit der zeitgenössischen Begeisterung für Sport, s. Rimpl, Grundlagen, S. 162f. 280 Zitiert in Wolfgang Heuer, Politik und Verantwortung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 39/2006, S. 8-15, hier S. 12. Zu Arendts Politikverständnis s. ebd. S. 8f. Zur Gleichzeitigkeit der Konzentration auf die Gegenwart, auf Arbeit und Leistung und der Skepsis gegenüber allem Politischen sowie der Abwehr von Trauer und Erinnerung in zeitgenössischen Stellungnahmen vgl. Röhrich, Demokratie, S. 16 und S. 21; Stöver, Bundesrepublik, S. 74f. 281 Dass das auch problematisch werden konnte, bemerkte auch Rimpl. Denn er wies darauf hin, dass Bedürfnisse und Wünsche verschieden und ein Variantenreichtum wie in der Natur er-
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Homogenität letzten Endes den innergesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Frieden garantierten und die Bedingungen sine qua non für einen gesellschaftlichen Konsens bildeten. Es hieß auch, dass (Interessen-)Vielfalt und Konf likt diese gefährdeten – und dass die Demokratie in erster Linie auf die Gesellschaft bezogen wurde. Bedeutung für Staat und Politik entfaltete sie dagegen nur indirekt, indem sie die Identität von Regierenden und Regierten gewährleistete (weshalb nicht nur in der Architektur, sondern auch gesamtgesellschaftlich jede Repräsentation »überwunden«282 war). Als eine auf Gestaltung abzielende, pluralistische, auf Konf likt und Kompromiss basierende, inhaltlich offene Form der Mehrheitsund Entscheidungsfindung, die die Regierenden an den Willen der Regierten band, wurde die Demokratie von Rimpl hingegen nicht thematisiert. Die neue demokratische Ordnung war also nicht nur gleichbedeutend mit dem Verzicht auf Ideologien jeder Art. Vielmehr war sie, wie die zeitgenössische Architektur, gleichbedeutend mit dem Verzicht auf Konf likte, letztlich mit dem Verzicht auf jeden politischen Gestaltungsanspruch, ja auf Politik – im Sinne einer normativen Willensbildung – an sich. Auch damit nahm Rimpl eine verbreitete Haltung der bundesdeutschen Bevölkerung auf: Die Erfahrungen mit dem »Gestaltungswillen« der Nationalsozialisten (beziehungsweise mit dem »nationalsozialistischen Gestaltungswillen« der Deutschen) war allgemein präsent. Und der Bruch mit diesem beziehungsweise die Etablierung der gerade von Rimpl so entschlossen beschworenen »neuen« Ordnung beruhten bekanntlich gerade nicht auf einem freien Willensentschluss der Bevölkerung. So gesehen war die Orientierung auf sachliche Angemessenheit und Funktionalität (der Behörde, der Gesamtgesellschaft, des BKA-Gebäudes und der Architektur insgesamt) und die damit einhergehende Homogenität und Harmonie ein Surrogat für bewusste Entscheidungen. Konsequenterweise ordnete Rimpl Politik oder jedenfalls deren voluntaristische, partizipatorische Dimension, wenigstens der Tendenz nach, der auszuschaltenden und ideologisch motivierten Willkür zu.283 Sie befand sich in dem dichotomischen Schema der Gegenüberstellung einer auf Anerkennung und Ergründung objektiver, göttlicher, Gesetzlichkeiten basierenden Gesellschaft und jeder Form von ideologischer Ausrichtung, auf der falschen Seite. Das überkommene Konkurrenzverhältnis von Staat und Demokratie wurde also weniger entschieden als aufgelöst, indem sein Gegenstand, die politische Gestaltungmacht sozusagen wünscht seien, grenzte sich also von einer rein serienmäßigen Produktion von Wohnhäusern ab. Diese werde mit der Demokratie gerechtfertigt, entspreche tatsächlich aber Uniformierung und Massendrill und einer rein materialistischen Weltanschauung. Vgl. Rimpl, Grundlagen, S. 24f. 282 Rimpl, Grundlagen, S. 21. 283 Dazu (und zu den Zusammenhängen, in denen diese Überzeugung stand) s. von Laak, Trotz, bes. S. 62f.
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aus dem Spiel genommen – beziehungsweise zum Gegner beider erklärt – wurde. Wie viele seiner Zeitgenossen umriss Rimpl, wenn er jeden politischen Gestaltungsanspruch den Interessen und dem Wollen einer homogenen, egalitären (und deshalb demokratischen) Gesellschaft entgegensetzte und als Gegenteil des verlangten unideologischen, objektiven – staatlichen – Handelns beschrieb, eine technokratische Gesellschaft oder Gesellschaftsordnung. Auch im Hinblick auf seine Aussagen zur zeitgenössischen Gesellschaft lässt sich Rimpls Buch als Ausdruck wie Element der Modernisierung des konservativen Denkens und der »konservativen Modernisierung«284 in der Bundesrepublik einordnen. Allerdings war Rimpl Architekt, kein Soziologe, Philosoph oder Staatsrechtslehrer. Das sowie Sprache und Duktus des Textes lassen vermuten, dass eine solche Modernisierung nicht sein originäres Ziel war (wenn sein Text gleichwohl eine solche Wirkung entfalten konnte), sondern Nebenprodukt seines Versuchs, ein optimistisches und vor allem harmonisches Bild, also eine spannungs- und konf liktfreie Deutung aller zeitgenössisch relevanten und diskutierten »Größen« und Begriffe (wie »Staat«, »Gesellschaft« und »Demokratie«) und ihres Beziehungsgefüges zu entwerfen.285 War die Ablehnung jedes bewussten Gestaltungswillens – also jeder Politik – dabei ein zentrales Element, hatte sie überdies einen klaren Vorteil: Sie erlaubte es Rimpl nicht nur, nicht weiter zu differenzieren und den Nationalsozialismus als eines von vielen Beispielen dafür darzustellen, was passierte, wenn ein solcher – zwangsläufig in Differenzen und Hierarchien endender, nur ideologisch motiviert sein könnender – Gestaltungsanspruch erhoben wurde, sondern auch, sich selbst als Wortführer der neuen friedlichen und harmonischen Auffassungen zu etablieren: Die Feststellung, ein »Schmetterling, der über die Wiese gaukelt«, bringe »uns mehr inneren Frieden als politische Reden […]« überführte er in einen dramatischen Appell: »Wir ersehnen den Tag, an dem die Politiker alten Schlages endlich verschwinden, die heute das Weltgeschehen noch immer mit überholten Machtinstinkten bestimmen. Wir haben es satt, uns immer wieder von diesen sogenannten Politikern in Kriege stürzen zu lassen […] Wir hassen die Attilas und Dschingis-Khans bis in
284 Zum Begriff der Modernisierung/der konservativen Modernisierung (bzw. zur Formulierung von Christoph Kleßmann, der gegenüber Hans-Peter Schwarz von einer »Modernisierung unter konservativen Auspizien« sprach), vgl. (statt aller) Axel Schildt, Modernisierung, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.2.2010, DOI: http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.787.v1. Vgl. auch Sywottek, Wege und ders./Schildt (Hg.), Modernisierung. 285 Auch das unterschied Rimpls Darlegungen von Autoren, die mit originärer Expertise argumentierten und, wie beispielsweise Helmut Schelsky und Ernst Forsthoff, ein Spannungsverhältnis zwischen Technokratie und Demokratie annahmen (und erstere als Gefährdung oder Korrektur letzterer begriffen).
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die Neuzeit. Wir werten es gleich, ob sie ihre Mordbefehle durch Steppenreiter oder durch stählerne Vögel vollführen lassen.286 So sehr sein Text also zwischen Analyse und Beschwörung, zwischen enthusiastischer Bejahung der Gegenwart (und Zukunft) und problematischen Deutungen dieser Gegenwart und der Vergangenheit oszilliert, in jedem Fall waren auch seine Äußerungen zur zeitgenössischen Gesellschaft und Gesellschaftsordnung eine klare Absage an jede kritische Auseinandersetzung mit der – eigenen – nationalsozialistischen Vergangenheit und ein ebenso klarer Versuch, sich als Inkarnation des zeitgenössischen Lebensgefühls zu stilisieren: Kurz gesagt, war Rimpl als Architekt bedeutender gegenwärtiger (Verwaltungs-)Bauten als Schöpfer und/ oder Deuter einer neuen, gesamtgesellschaftlichen Identität anzusehen – und war das, als Industriearchitekt, auch immer schon gewesen.287
2.3.3 Zusammenfassung: Das BKA in der Deutung der Presse und des Architekten Fasst man zusammen, unter welchen Aspekten und wie die Zeitungen und Herbert Rimpl das Bundeskriminalamt betrachteten und einordneten, ergibt sich folgendes Bild: Für beide hatten Funktionalität und Sachlichkeit einen ausgesprochen hohen Stellenwert und spielten sowohl in Aussagen über die Gegenwart wie in solchen, dann zumeist indirekten, über die (jüngste) Vergangenheit eine Rolle. Trotzdem unterschieden sich die Zeitungen und die Darlegungen des Architekten in einigen Punkten fundamental. Knapp gesagt, stand ein städtischer Bezug gegen einen universalen, Praxis gegen Programm, Stil beziehungsweise Herangehensweise gegen umfassende Gegenwartsdeutung, Differenzierung gegen unmittelbare Verbindung, letzteres vor allem was das Verhältnis von Gebäude und Institution und gesamtgesellschaftlicher Ordnung anging. Im Einzelnen: Die Wiesbadener Zeitungen betrachteten die Ansiedlung des BKA und die Entstehung des Gebäudes aus der städtischen Perspektive und vermieden alle Aussagen über eine eventuelle, über sich selbst hinausreichende Bedeutung des Gebäudes. Zudem schilderten sie die Errichtung des BKA, die institutionelle wie die bauliche, als eine insgesamt konf liktfreie, selbstverständliche Angelegenheit: Weder beobachteten die Zeitungen irgendwelche Auseinandersetzungen um die Errichtung des BKA noch sahen sie irgendeinen Anlass für solche. Diese nüchterne Berichterstattung korrespondierte da, ohne dass das thematisiert wurde, mit der Sachlichkeit des Gebäudes sowie mit dem indirekt entwor286 Rimpl, Grundlagen, S. 167f. 287 Das Ausrichtung erklärt vielleicht, warum Rimpls Monographie eher zurückhaltend rezipiert wurde (s. dazu Sollich, Rimpl, S. 217) und keine zweite Auflage erlebte.
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fenen Bild von der Behörde. Die Journalisten beschrieben das Gebäude und seine Entstehung durchaus wohlwollend und waren mitunter sogar beeindruckt. Sie leiteten daraus aber keine Aussagen über die Behörde oder sonst irgendetwas ab. Als Institution beschrieben sie das BKA als eine unpolitische, nach sachlichen Gesichtspunkten und mit objektiven (technischen) Mitteln arbeitende Behörde. Dabei verbanden die Zeitungen, wiederum nicht explizit, aber eng, Erwartungen an Gegenwart und Zukunft mit einer Deutung der Vergangenheit, die zumindest potenziell problematische Kontinuitäten rechtfertigen konnte. Ganz anders verfuhr Herbert Rimpl: Ihm ging es geradezu darum, weitere Zusammenhänge deutlich zu machen und Gebäude und Institution, Architektur und zeitgenössische Gesellschaft grundsätzlich zu verorten und zu erklären. Fragen nach der (staatlichen) Repräsentation und nach dem (Selbst-)Verständnis der zeitgenössischen Architektur und Gesellschaftsordnung insgesamt waren für ihn leitend. Zugespitzt ausgedrückt, erhob er dabei das, was die Zeitungen als Stil und Herangehensweise pf legten, nämlich nüchterne, unaufgeregte Darstellungen zu verfassen und damit indirekt und praktisch ein Bild weitgehender gesamtgesellschaftlicher Übereinstimmung und Harmonie zu zeichnen, in ein gesamtgesellschaftliches Programm. Anders als die Zeitungen verwendete er dabei nicht nur »große« Begriffe (wie »Wahrheit«, »Staat« und »Demokratie«). Er argumentierte auch direkt aus dem Zusammenhang von Architektur und Gesamtgesellschaft, Form und Inhalt heraus. (Wenn die Zeitungen Gebäude und kriminalpolizeiliche Arbeit als sachlich begründete Lösungen auf der Hand liegender (Bau-)Aufgaben darstellten, waren das, wie gesagt, höchstens Kongruenzen, die nicht weiter thematisiert wurden.) Für Rimpl war die Funktionalität beider der Ausgangspunkt weitreichender Einordnungen und Sinnstiftungen. Sehr viel eindeutiger und klarer als die Zeitungen grenzte er dabei die gesamte zeitgenössische Architektur, Gesellschaftsordnung und damit auch das BKA von der Vergangenheit ab, fasste diese aber zugleich unspezifischer (als gesamte bisherige Vergangenheit). Zudem bekannte er sich, auch hierin unterschied er sich von den Zeitungen, ausdrücklich zur modernen Architektur wie zur modernen gesamtgesellschaftlichen Ordnung. Das Adjektiv »modern« erhielt bei ihm damit einen ganz anderen Sinn als in den Presseartikeln: Während diese die Modernität nicht weiter inhaltlich ausführten, lediglich statuierten und letztlich auf die Konstruktionsweise beschränkten, feierte Rimpl sie und bestimmte sie näher beziehungsweise umfassender und grundsätzlicher: Als natürliche, nüchterne, antitheatralische und funktionale Bauten waren sie die bauliche Form für die »neue«, demokratische und egalitäre Gesellschaft, zu der er sich gleichfalls enthusiastisch bekannte. So gesehen, verkörperte das BKA – als zeitgenössischer moderner Verwaltungsbau – für ihn geradezu die zentralen Charakteristika eines ganz klar begrüßenswerten »natürlichen« (funktionalen, egalitären und demokratischen) Neubeginns von Architektur und Gesamtgesellschaft – und war seinerseits eindeutig und
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unwiderruf lich auf diesen »natürlichen«, egalitären und demokratischen, Neubeginn festgelegt. Allerdings gingen Rimpls Beschwörungen von Modernität und Demokratie mit sehr spezifischen Interpretationen dieser Begriffe einher, die ebenfalls in der Berichterstattung der Zeitungen so nicht fassbar werden. Denn Rimpl verband Modernität und Demokratie vor allem (und direkt) mit Homogenität, Harmonie, Pragmatismus, zeitloser Konf liktfreiheit, letzten Endes mit der Anerkennung vorgegebener Gesetzlichkeiten, womit er sie allen »willkürlichen« Ordnungen und Architekturen entgegensetzte. Diese letztgenannten zielten, im Gegenzug, auf sachfremde Wirkungen ab, auf gesellschaftliche Hierarchien und eine – diese abbildende – theatralische Architektur und führten (nur) zu Künstlichkeit und überf lüssiger Komplexität. Kurz gesagt, zeichnete sich für Rimpl die zeitgenössische Architektur wie Gesellschaftsordnung letztlich durch den Verzicht auf alle eigenständigen Gestaltungsansprüche aus. Und: Solche zu erheben, war gleichzeitig das entscheidende Charakteristikum aller bisherigen und zu Recht überwundenen Ordnungen und Vorstellungen, die deshalb auch nicht weiter differenziert werden mussten. War die geschichtsklitternde Tendenz (wenn nicht Intention) hier schon deutlich zu erkennen, galt das umso mehr für Rimpls indirekte Aussagen über sich und sein eigenes Schaffen. Weder seine eigenen, während des Nationalsozialismus entstandenen Bauten noch seine aktuellen und zum Teil klare Bezüge zu vorangegangen Gebäuden aufweisenden Bauten waren in irgendeiner Weise problematisch, sondern, im Gegenteil, als Beispiele »richtigen« Bauens anzusehen. Vor diesem Hintergrund ist, wenn im nächsten Kapitel die (Wieder-)Errichtung des Bundesrechnungshofs in Frankfurt betrachtet werden soll, zu fragen, ob die hier identifizierten Momente auch dort greif bar sind – und wenn ja, in welcher Form. Dabei sollen besonders drei Punkte näher beleuchtet werden. Zum einen die Fragen, ob, und, wenn ja, wie Gebäude und Institution, Architektur und gesamtgesellschaftlicher Ordnung einander zugeordnet wurden, inwieweit dem Gebäude eine (außerhalb seiner selbst liegende) Bedeutung zugemessen wurde, wie diese gegebenenfalls aussah und begründet wurde. Besonderes Augenmerk ist, zweitens, darauf zu richten, ob und wie die – in Wiesbaden indirekt – vollzogene Abkehr von der Vergangenheit und der Entwurf einer neuen Ordnung in der Auseinandersetzung mit dem Bundesrechnungshof zusammenhingen – oder in einen Zusammenhang gebracht wurden. Waren beide Dimensionen, wie im Fall des BKA, geradezu amalgamiert? Drittens ist zu untersuchen, in welchem Verhältnis die Aussagen einzelner Beteiligter standen: Im Wiesbadener Fall werfen die beschriebenen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der Berichterstattung der Presse und den Darlegungen Rimpls die Frage auf, ob die Berichterstattung der Zeitungen so verstanden werden muss oder kann, dass die von ihr angesprochenen Gesichtspunkte und Deutungen sozusagen verschiedene (über Wasser unverbunden erscheinende) Spitzen eines Eisbergs bildeten, deren (unter
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Wasser liegende) gemeinsame Basis von Rimpl offen beschrieben wurde? Oder reduzierten die Zeitungen Deutungen wie die Rimpls auf einen breit(er) akzeptierten – oder akzeptablen – Minimalkonsens? Zielten sie in dieselbe Richtung? Mündete die Betonung von Sachlichkeit, Nüchternheit und Objektivität notwendigerweise in den Entwurf eines technokratischen Gesellschaftsmodells? Sprachen die Zeitungen das nur einfach nicht aus oder legten sie ein anderes Modell zugrunde? Oder verfolgten sie eine ganz andere Intention und Linie?
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3. Der Bundesrechnungshof in Frankfurt am Main 3.1 Die institutionelle Errichtung 3.1.1 Die Entscheidung für eine zentrale Institution der Rechnungsprüfung Nur einige Tage nach der Einweihung des BKA, am 19. November 1953, wurde im von Wiesbaden wenige Kilometer entfernten Frankfurt a.M. der Bundesrechnungshof eröffnet. Auch diese Veranstaltung wurde im Radio übertragen und war, aufgrund der Bedeutung des Bundesrechnungshofs als Oberste Bundesbehörde, sogar noch »feierlicher« als die Einweihung des BKA: Sie wurde musikalisch begleitet, neben dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs, Josef Mayer, hielten Bundespräsident Theodor Heuss und Bundesfinanzminister Fritz Schäffer die Ansprachen. Der Oberbürgermeister Frankfurts, Walter Kolb, und Vertreter der hessischen Landesregierung sprachen Grußworte.1 Die institutionelle Errichtung einer zentralen bundesdeutschen Rechnungsprüfungsbehörde war, im Vergleich zu der des BKA, einigermaßen unproblematisch verlaufen. Für die weit überwiegende Mehrheit der Zeitgenossen stand der Bundesrechnungshof in einer langen, nahezu ungebrochenen untadeligen organisatorischen und, wenn man so will, ideellen Kontinuität: 1714 hatte Friedrich Wilhelm I. die General-Rechen-Kammer (später: Preußische Oberrechnungskammer) ins Leben gerufen. Die damit begründete institutionalisierte staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland2 wurde erst 1945 unterbrochen, als der Rech1 S. die Einladungskarte zur Einweihungsfeier, in: StadtA Frankfurt, Magistratsakte 3.620 fol. 327, gespielt wurden das Konzert C-Dur für Cembalo von Bach-Vivaldi und das Rondo-Capriccio (Die Wut über den verlorenen Groschen) von Ludwig van Beethoven, zur Radioübertragung s. den Vermerk der Stadtkanzlei vom 14.11.1953, in: ebd. Die Reden sind überliefert, s. Ansprachen des Herrn Bundesministers der Finanzen, des Herrn Präsidenten des Bundesrechnungshofes, des Herrn Bundespräsidenten anlässlich der Feier zur Einweihung des neuen Dienstgebäudes des Bundesrechnungshofs am 19. November 1952 in Frankfurt a.M., in: BArch B/126/14904 (im Folgenden zitiert als »Ansprachen«). 2 Zur Entwicklung der Rechnungsprüfungsbehörden bis in den Nationalsozialismus s. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel. Von der klassischen Rechnungsprüfung zur modernen Finanzkontrolle, Univ.-Diss, Bamberg 2008, abrufbar unter: https://opus4.kobv.de/
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nungshof des Deutschen Reiches aufgelöst wurde. Anders als die (Kriminal-)Polizei galten Rechnungsprüfungsbehörden aber im Allgemeinen, und speziell bei den Alliierten, als unpolitische, technische daher unverdächtige Einrichtungen.3 Zudem lag eine Rechnungskontrolle im ureigensten Interesse der Besatzungsmächte, sie war für die Wiederherstellung und Sicherung der Funktionsfähigkeit der einzelnen Besatzungszonen unverzichtbar. Die entsprechenden Behörden wurden daher bald reorganisiert – und zwar in Anknüpfung an die überkommenen institutionellen, organisatorischen und personellen Strukturen. Bereits am 21. Juli 1945 schuf die britische Besatzungsmacht den sogenannten Zonenrechnungshof (ZRH). Dieser baute auf der Außenstelle des Reichsrechnungshofs in Hamburg auf und wurde zu dessen Rechtsnachfolger erklärt. Anders als die Rechnungshöfe in der amerikanischen und in der französischen Zone war der Zonenrechnungshof für die gesamte Besatzungszone zuständig, hatte also länderübergreifende Kompetenzen. Zum eigentlichen Vorläufer des Bundesrechnungshofs wurde aber nicht er, sondern der Rechnungshof im Vereinigten Wirtschaftsgebiet (RHiVWG), dessen Einrichtung am 3. November 1948 gesetzlich verkündet wurde.4 opus4-bamberg/frontdoor/index/index/docId/169, abgerufen am 10.12.2018, S. 48-184; als problemorientiertere Untersuchungen vgl. Franz-O. Gilles, Die verkannte Macht. Determinanten der Nachkriegsgeschichte der Institution Rechnungshof, Berlin 1986; ders., Der Reichsrechnungshof zwischen obrigkeitsstaatlicher Tradition und geforderter Demokratisierung, in: Pirker (Hg.), Rechnungshöfe, S. 19-34; Hermann A. Dommach, Der Funktionsverlust des Reichsrechnungshofs (RRH) in der Vorkriegsphase, in: ebd., S. 35-50. 3 S. dazu Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 189. 4 Zu den Entwicklungen in den einzelnen Besatzungszonen, in der Bizone und in der jungen Bundesrepublik vgl. die Darstellung des ehemaligen Präsidenten des Bundesrechnungshofs: Karl Wittrock, Das Ende des Reichsrechnungshofes und die Versuche eines Neubeginns, in: DÖV 1986, S. 329-334. S. auch: Stefan Fisch, Französische und deutsche Einflüsse in den Anfangsjahren des Rechnungshofs Rheinland-Pfalz 1945 bis 1948, in: Rechnungshof Rheinland-Pfalz (Hg.), Kooperation der Finanzkontrolle in Europa. Fachtagung anläßlich des 50jährigen Bestehens des Rechnungshofes Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften und der Europäischen Organisation regionaler Einrichtungen der Finanzkontrolle am 27. Mai 1997, Speyer 1999, S. 349-358. Eine überarbeitete und aktualisierte Fassung ist abrufbar unter: https://rechnungshof.rlp.de/de/anfangsjahre-des-rechnungshofs/, abgerufen am 9.11.2018; Rainer Weinert, Bruchlose Kontinuität: Öffentliche Finanzkontrolle und anglo-amerikanische Besatzungspolitik, in: Pirker (Hg.), Sparkommissare, S. 17-49; Gerhard Otto/ Rainer Weinert, Die Entwicklung des Finanzkontrollwesens in der amerikanischen und französischen Zone, in: Pirker (Hg.), Rechnungshöfe, S. 93-129; Ulrich Müller, Die Gründungsphase des Rechnungshofes von Berlin, in: ebd. S. 131-154; Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 185-226; Gilles, Macht, S. 62-95. Zum ZRH und zum RHiVWG vgl. Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 196-199; Weinert, Kontinuität, S. 17-49. Zur Entstehung des Bundesrechnungshofs und des Bundesrechnungshofgesetzes vgl. Hermann A. Dommach, Zur Gründungsgeschichte des Bundesrechnungshofs (BRH), in: Pirker (Hg.), Rechnungshöfe, S. 77-92; Franz-O. Gilles, Macht, S. 96-125; ders., Uni-
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Auch von westdeutscher Seite wurde das »ob« einer zentralen Rechnungsprüfungsbehörde (anders als das einer zentralen kriminalpolizeilichen Behörde) kaum diskutiert.5 Das Grundgesetz bestimmte in Artikel 114, Absatz 2: »Die Rechnung wird durch einen Rechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, geprüft. Die allgemeine Rechnung und eine Übersicht über das Vermögen und die Schulden sind dem Bundestage und dem Bundesrate im Laufe des nächsten Rechnungsjahres mit den Bemerkungen des Rechnungshofes zur Entlastung der Bundesregierung vorzulegen. Die Rechnungsprüfung wird durch Bundesgesetz geregelt.«6 Schwieriger war es, dieses Bundesgesetz zu schaffen. Das lag weniger daran, dass sich 1949 eine öffentliche Debatte um »die Institution Rechnungshof«7 entspann. Denn diese thematisierte zwar die Rolle, die »Rechnungsprüfer« bei die Schaffung und Ausgestaltung des Grundgesetzes gespielt hatten, tat das aber vor allem im Hinblick auf das Zustandekommen der Hauptstadtentscheidungen.8 Entscheidend war vielmehr, dass ein solches Gesetz, wie das zur Errichtung des BKA, Fragen des Bund-Länder-Verhältnisses aufwarf und zugleich entschied, also ein Element bei der Ausformung des föderalen Systems der jungen Bundesrepublik war. Umstritten war insbesondere die Organisation der Rechnungsprüfungsbehörden, konkret die Frage, ob die Prüfungszuständigkeit sich nach der Herkunft der verausgabten Mittel richten sollte oder danach, welche Behörde die Mittel verwaltete und für die Rechnungslegung verantwortlich war. Letzteres verlangte der Entwurf der obersten Rechnungsprüfungsbehörden der Länder. Ersteres war die Position der Vertreter des bizonalen Rechnungshofs, die ihre Auffassungen im sogenannten Frankfurter Entwurf fixierten, der sich im Übrigen eng an das entsprechende Gesetz über den bizonalen Rechnungshof anlehnte. Sie waren es tarismus versus Föderalismus: Die Gestaltung der öffentlichen Finanzkontrolle in der Vor- und Gründungsphase der Bundesrepublik, in: Pirker (Hg.), Sparkommissare, S. 51-83. 5 Auch die Unabhängigkeit des BRH war unstrittig, diskutiert wurde allerdings die Frage, ob die Unabhängigkeit der Institution oder den einzelnen Mitgliedern zukommen sollte. Zu den Beratungen über den BRH im Parlamentarischen Rat s. Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 200-202. 6 Zur Bedeutung dieser Regelung, mit der der Rechnungshof erstmals institutionell normiert wurde, s. Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 200, S. 225 und S. 302. Zur Änderung des Absatzes im Mai 1969 s. ebd., S. 308-312. 7 Otto, Politikberatung, S. 113. 8 Für öffentliche Irritationen sorgten vor allem die erwähnten Gutachten (vom März, Mai und Juni 1949), die im Auftrag Adenauers von Angehörigen des ZRH beziehungsweise des RHiVWG erstellt wurden und sich mit dem Aufbau der Bundesverwaltung auseinandersetzten. S. dazu Kapitel 1.4, besonders Fußnote Nr. 211 der Einführung und die weniger kritische Darstellung von Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 211-218.
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auch, die sich durchsetzten: Im Frühjahr 1950 übernahm die Bundesregierung den Frankfurter Entwurf,9 der noch im selben Jahr auch Bundestag und Bundesrat passierte. Zwar sorgten auch hier die Kompetenzabgrenzungen zwischen dem Bundesrechnungshof und den Landesrechnungshöfen und vor allem das im Entwurf für den Bundesrechnungshof vorgesehene, erst 1933 eingeführte Präsidialsystem für Debatten (die Landesrechnungshöfe waren nach dem Kollegialprinzip organisiert).10 Zu wesentlichen Änderungen kam es aber nicht. Das am 27. November 1950 rückwirkend zum 1. April desselben Jahres ergangene »Gesetz über die Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes« fixierte die Befugnisse und die traditionelle Struktur des Bundesrechnungshofs – und damit eine weitreichende Kontinuität in den Aufgaben und der Organisation der zentralen Rechnungsprüfungsbehörde. Am 7. Dezember 1950, wurde der bisher kommissarisch amtierende Leiter und ehemalige Vizepräsident des Rechnungshofs des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, der damals dreiundsechzigjährige Josef Mayer, zum Präsidenten des Bundesrechnungshofs ernannt.11 Wie viele seiner Vorgänger im Reichsrechnungshof war er ein »Externer«,12 aber erfahren und mit der Materie vertraut: In den 1930er Jahren hatte er das Generalreferat der Haushaltsabteilung des Reichsfinanzministeriums und ab 1941 die Abteilung selbst geleitet. Nach dem Krieg war er zunächst Leiter der Haushaltsabteilung der neugegründeten Deutschen Zentralfinanzverwaltung für die Sowjetische Besatzungszone gewesen, ab 1946 dann Leiter des Zentral-Haushaltsamts der britischen Zone. Im Herbst 1948 war er zum Vizepräsidenten des Rechnungshofs im Vereinigten Wirtschaftsgebiet ernannt worden. 1952 übernahm er zusätzlich die Aufgaben des Bundesbeauftragten für Wirt-
9 Zu beiden Entwürfen s. Gilles, Macht, S. 118-123. Speziell zur Frage, ob der Frankfurter Entwurf auf Initiative der Finanzbeamten oder auf die der Bundesregierung entstanden ist, s. ebd., S. 122. Vgl. auch Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 203. 10 Zur Novellierung der Reichshaushaltsordnung 1933 und ihrer Bedeutung s. Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 108-112, zur Stellung und Bedeutung des Präsidenten im BRH s. ebd., S. 204f. 11 Josef Mayer (1887-1961) wurde in Koblenz geboren. Nach Jurastudium und Kriegsteilnahme arbeitete er zunächst im Reichsministerium des Innern, bevor er ins Reichsfinanzministerium wechselte. Er wurde nie Mitglied der NSDAP (und versuchte, den nationalsozialistischen Umund Ausbau des Ministeriums zu blockieren). Als Präsident des Bundesrechnungshofs trat Mayer 1957 in den Ruhestand. Vgl. zu ihm Gilles, Macht, passim; ders., Unitarismus, passim; Otto, Politikberatung, passim; Rainer Weinert, »Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege«: Der Rechnungshof des Deutschen Reiches 1938-1946, Opladen 1993, passim; Bögershausen, Rechnungshöfe, passim. 12 Dasselbe galt für frühere Präsidenten des Reichsrechnungshofs, etwa für Friedrich Ernst Moritz Saemisch und Heinrich Müller. Vgl. dazu die Hinweise bei Gilles, Macht, S. 218-222; Weinert, Sauberkeit, S. 169. Zu Saemisch s. auch die Nachweise in Fußnote Nr. 191.
3. Der Bundesrechnungshof in Frankfurt am Main
schaftlichkeit in der Bundesverwaltung.13 Zum Stellvertreter Mayers, zum Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofs, wurde im September 1950 Erwin Meyer ernannt, der ebenfalls im Zentral-Haushaltsamt tätig gewesen war.14
3.1.2 Die Entscheidung über den Sitz des Bundesrechnungshofs Für längere Auseinandersetzungen sorgte, wie im Fall des BKA auch, die Frage nach dem Sitz des Bundesrechnungshofs. Und wie dort konkurrierten auch hier verschiedene Städte und spielte die grundsätzliche Frage nach der regionalen »Verteilung« der Bundesbehörden eine wichtige Rolle. Frankfurt, wo der Rechnungshof des Vereinigten Wirtschaftsgebiets angesiedelt worden war, lag »aus allgemeinen kommunalpolitischen Gründen«15 viel daran, den Nachfolger »zu behalten«, also auch den Bundesrechnungshof aufzunehmen: Nach der »verlorenen« Hauptstadtentscheidung hatte der Magistrat der Stadt Ende 1949 eine Neuorientierung der kommunalen Politik eingeleitet, Frankfurt sollte zum wirtschaftlichen, finanziellen und kulturellen Zentrum Westdeutschlands ausgebaut werden.16 Um die damit notwendig werdende Ansiedelung kapitalintensiver Unternehmen wie Banken, Versicherungen und Konzernzentralen zu f lankieren, sollten die für die (Finanz-)Wirtschaft wichtigen Bundesinstitutionen für Frankfurt gesichert werden. Neben dem Bundesrechnungshof standen die Bank deutscher Länder und die Kreditanstalt für Wiederauf bau dabei ganz oben auf der Wunschliste.17 13 Zu diesem Amt und insbesondere zu der Tätigkeit Mayers vgl. Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 240-247; Jens Michael Störring, Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofs und seines Präsidenten. Historische Entwicklung, Rechtsgrundlagen und Praxis, Berlin 2013, bes. S. 98. 14 Dazu und zu den parteipolitischen Hintergründen der Ernennungen (Mayer war CDU-Mitglied, Meyer Sozialdemokrat) s. Gilles, Unitarismus, S. 82f. 15 So die spätere Formulierung des Rechneiamts, s. Schreiben des Rechneiamts an die Stadtsparkasse Frankfurt a.M. vom 12.4.1951, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195 [6]. 16 Vgl. Balser, Aus Trümmern; Marianne Rodenstein, Von der »Hochhausseuche« zur »Skyline« als Markenzeichen – die steile Karriere der Hochhäuser in Frankfurt a.M., in: dies. (Hg.), Hochhäuser in Deutschland. Zukunft oder Ruin der Städte?, Stuttgart 2000, S. 15-70, hier S. 20f.; Werner Bendix, Die Hauptstadt des Wirtschaftswunders. Frankfurt a.M. 1945-1956, Frankfurt a.M. 2002, S. 142-149; ders., Phoenix aus der Asche. Frankfurts Aufstieg zur »Wirtschaftshauptstadt« 1945-1956, in: Dieter Rebentisch (Hg.), Frankfurt a.M. seit dem Zweiten Weltkrieg, Frankfurt a.M. 2001, S. 61-100, hier S. 85-92; Giese, Imagepolitik, S. 222-339. Vgl. auch die Betonung der Bedeutung Frankfurts als Handels- und Banken- und Verwaltungszentrum, in: Notiz für die Rede des Herrn Oberbürgermeisters am 19.7.1952, in: StadtA Frankfurt, Magistratsakte 3.620, fol. 69f. 17 Erfolgreich bemühte sich die Stadt auch um die Anwerbung der Bundesbahnverwaltung und der Bundesanstalt für Flugsicherung. Die heftig umworbene Bundesanstalt für den Güterfernverkehr wurde allerdings in Köln angesiedelt, dazu und zur Entwicklung Frankfurts nach der Hauptstadtentscheidung s. Bendix, Hauptstadt, S. 167-178.
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Wie Wiesbaden musste sich aber auch Frankfurt gegen andere Interessenten – und deren Unterstützer – durchsetzen. Das zunächst im Bundeskabinett avisierte Karlsruhe nahm sich selbst im April 1950 aus dem Rennen und bat, »von einer Verlegung des Bundesrechnungshofes abzusehen«18. Zu einer echten Konkurrenz für die Mainstadt drohte sich aber das dann, im Mai 1950, ins Auge gefasste Münster zu entwickeln: Zum einen erklärte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold, klar, Münster könne den Bundesrechnungshof unterbringen.19 Zum anderen schwand die »Manövriermasse«, als das Bundesverfassungsgericht (wie der Bundesgerichtshof) in Karlsruhe angesiedelt wurde und sich die Erkenntnis durchsetzte, dass das niedersächsische Bückeburg die Bundesmonopolverwaltung nicht würde aufnehmen können. Denn damit wurde die Notwendigkeit, den norddeutschen Raum »nicht leer ausgehen«20 zu lassen, dringlich. Vor allen Dingen aber hatte Münster (wie Hamburg im Fall des BKA) in Adenauer einen starken Befürworter, was, wie gerade die Frankfurter aus der leidvollen Erfahrung der Hauptstadtentscheidung wussten, keinesfalls zu unterschätzen war.21 Der Bundeskanzler forcierte den Plan, den Rechnungshof nach Westfalen zu verlagern, denn auch im Sommer des Jahres 1950: In einem Schnellbrief an alle Bundesminister ließ er alle in Münster in Frage kommenden Gebäude auf listen und schlussfolgerte, dass »die Verlegung des Bundesrechnungshofs von Frankfurt nach Münster möglich«22 sei. Adenauers Motivation ist dabei nicht zweifelsfrei zu klären. Dass seine Abneigung gegen die bizonalen Frankfurter Zentralämter, die für seinen Geschmack zu sehr von Sozialdemokraten geprägt waren, auch im Fall des Bundesrechnungshofs zum Tragen kam,23 ist eher unwahrscheinlich. Gerade 18 Protokoll der 60. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 25. April 1950, abrufbar unter: www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1950k/kap1_2/kap2_28/para3_12.html, abgerufen am 16.12.2014. 19 Protokoll der 65. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 12. Mai 1950, abrufbar unter: www. bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1950k/kap1_2/kap2_33/para3_13.html, abgerufen am 16.12.2014. 20 Ebd. 21 Die politisch Verantwortlichen in Frankfurt und die dortigen Medien hatten den Präsidenten des Parlamentarischen Rates und nachmaligen Bundeskanzler früh als die entscheidende Kraft identifiziert, die hinter den Kulissen Frankfurts Bewerbung mit unfairen Methoden zu torpedieren suchte. Vgl. dazu Kapitel 1.3.3. Vgl. zu den Ereignissen aus Frankfurter Sicht auch Klaus von Beyme, Frankfurt a.M.: Stadt mit Höhendrang, in: ders.u.a. (Hg.), Neue Städte, S. 197-216, hier S. 197f.; Almut Gehebe, Das Ringen einer Stadt um ihre Bedeutung am Beispiel von Frankfurt a.M., in: Schneider/Wang (Hg.), Architektur, S. 249-263, hier S. 257f.; Bendix, Hauptstadt, S. 133142, bes. S. 140; Balser, Aus Trümmern, S. 121-130, zur Presseberichterstattung s. ebd., S. 130. 22 Schnellbrief von Bundeskanzler Adenauer an alle Bundesminister betr. Sitz der Bundesbehörden vom 3. Juli 1950, in: BArch B 136/1841, fol. 295-298. 23 Adenauer sträubte sich deshalb gegen eine Überführung der Frankfurter Zentralämter in die neuen Bundesministerien und sicherte dem Bundeskanzleramt weitreichende Einflussmög-
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Angehörige der Rechnungsprüfungsbehörden spielten eine entscheidende Rolle bei dem Versuch, durch eine zielgerichtete Personalauswahl eben diese Dominanz zu brechen.24 Zudem waren die meisten Mitarbeiter des Rechnungshofs des Vereinigten Wirtschaftsgebietes und des Bundesrechnungshofs keine Neulinge, sondern vorher im Reichsrechnungshof oder im Reichsfinanzministerium tätig gewesen.25 Eher mögen regional- und parteipolitische Gründe ausschlaggebend gewesen sein: Münster lag – wie Köln, wohin Adenauer, zum Ärger der Frankfurter, auch die Bank deutscher Länder und die Kreditanstalt für Wiederauf bau verlegen wollte26 – im christdemokratisch regierten Nordrhein-Westfalen27 und nicht im sozialdemokratischen Hessen.28 Noch klarer waren die Verhältnisse auf kommunaler Ebene. In Münster war Gerhard Boyer von der CDU Bürgermeister, in Frankfurt amtierte mit Walter Kolb einer der profiliertesten und angesehensten sozialdemokratischen (Ober-)Bürgermeister der Nachkriegszeit.29 Allerdings organisierte sich auch Frankfurt Unterstützung. Neben den hessischen Bundestagsabgeordneten und der hessischen Landesregierung30 agierten die Beamten im Rechnungshof selbst, die in der Mainstadt bleiben wollten, in diesem Sinn. Josef Mayer setzte sich im Juli 1950 in einem Schreiben an den damaligen Ministerialdirigenten im Kanzleramt und Vertrauten Adenauers, Hans Globlichkeiten bei Ernennungen und Beförderungen, dazu vgl. Schwarz, Aufstieg, S. 657f.; Garner, Dienst, S. 764-767. 24 Zentral war hier die Gutachtenabteilung (Abt. IV) des ZRH. Vgl. dazu Gilles, Macht, S. 111-114; Garner, Dienst, bes. S. 764-769. Zur Tätigkeit Mayers im 1950 geschaffenen Bundespersonalausschuss s. Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 243f. 25 Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 314. 26 Zu den Einzelheiten vgl. Bendix, Hauptstadt, S. 175f. 27 Allerdings befand sich die CDU in Nordrhein-Westfalen in einer Koalition mit der SPD und Karl Arnold war immer wieder ein wichtiger Gegenspieler Adenauers, vgl. dazu Schwarz, Aufstieg, passim. 28 In Hessen regierten von 1947 bis Januar 1951 Christian Stock und danach Georg-August Zinn (1901-1976), die hessische CDU war unter Werner Hilpert überdies bis 1952 linkskatholisch orientiert. Zu ihm s. Bendix, Hauptstadt, S. 117. 29 Der Jurist und Volkswirt Walter Kolb (1902-1956) hatte sich bereits in der Weimarer Zeit für die Republik engagiert. 1933 in den Ruhestand versetzt, hatte er politisch und rassisch Verfolgte als Anwalt beraten und die letzten Kriegsmonate verbrachte er im Untergrund, nachdem er (fälschlich) mit dem Attentat auf Hitler in Zusammenhang gebracht und verhaftet worden war, aber hatte fliehen können. Nach der Kapitulation wurde er zunächst Oberbürgermeister und dann Oberstadtdirektor in Düsseldorf. 1946 wurde er zum Oberbürgermeister Frankfurts und 1948 sowie 1952 in diesem Amt bestätigt. Zu Kolb s. Franz Lerner, »Kolb, Walter« in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 444f. [Onlinefassung]; URL: www.deutsche-biographie.de/ppn11871371X. htmlXXX, abgerufen am 16.12.2014. 1948; zu den politischen Verhältnissen in Frankfurt s. auch Bendix, Hauptstadt, S. 120-122. 30 Zu den Einzelheiten vgl. Bendix, Hauptstadt, S. 172-178.
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ke, vehement für Frankfurt ein: In der Mainstadt habe der Rechnungshof »einen in jeder Beziehung denkbar günstigen Sitz«31, insbesondere was die Arbeits- und Unterbringungsmöglichkeiten angehe, dagegen sei zweifelhaft, ob die notwendigen Räumlichkeiten in Münster zur Verfügung gestellt werden könnten, außerdem sprächen die Umzugskosten gegen die westfälische Stadt. Entscheidend war aber wohl, dass auch der Bundesfinanzminister, Fritz Schäffer (CSU), Frankfurt favorisierte32 und das argumentativ untermauern konnte. Eine in seinem Haus angestellte vergleichende Erhebung über die in Frankfurt und Münster anfallenden Kosten ergab, dass der Bedarf in Münster zunächst nur zur Hälfte würde gedeckt werden können und Wohnungen neu errichtet werden müssten. In Zahlen ausgedrückt hieß das, dass in Münster 4.780.000 DM für einmalige Ausgaben und mit 30.000 DM für jährliche Mietausgaben zu rechnen sei, gegenüber keinen einmaligen Kosten in Frankfurt und 60.000 DM an jährlichen Ausgaben, die aber später wegfallen würden.33 Eine Überarbeitung der Erhebung, bei der unklar ist, ob sie durch Münster oder durch Adenauer veranlasst wurde, relativierte zwar 31 Schreiben von Josef Mayer, Vizepräsident des RHiVWG an Globke vom 4. Juli 1950, in: BArch B 136/1841, fol. 299f. Bei der Einweihung des Bundesrechnungshofs machte Mayer, nunmehr Präsident des BRH, das Bekenntnis zu Frankfurt noch einmal öffentlich und erwähnte die »beharrliche Treue, die der Bundesrechnungshof trotz mancher Verlockungen anderer Städte Ihrer schönen Stadt Frankfurt gehalten hat …«, s. Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 3 [der Rede Mayers]. Zu den (vergeblichen) Versuchen von »Rechnungsprüfern«, den BRH in derselben Stadt wie die Bundesregierung anzusiedeln, s. Otto, Politikberatung, S. 165 m. w. N. 32 Der Jurist Fritz Schäffer (1888-1967) war 1931 als Staatsrat zum geschäftsführenden Leiter des bayerischen Finanzministeriums bestellt worden. 1944 war er im Zusammenhang mit dem Attentatsversuch vom 20. Juli einige Wochen im KZ Dachau inhaftiert worden. 1945 kurzfristig bayerischer Ministerpräsident, wurde er 1949 in den Bundestag gewählt und am 20.9.1949 zum Bundesfinanzminister berufen. Das Amt übte er bis 1957 aus, bekannt wurde er für seine (erfolgreichen) Bemühungen um einen ausgeglichenen Haushalt. Von 1957 bis 1961 war er Bundesjustizminister. Zu ihm vgl. Christoph Henzler, Fritz Schäffer 1945-1967. Eine biographische Studie zum ersten bayerischen Nachkriegs-Ministerpräsidenten und ersten Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland, München 1994; Martin Falbisoner, Fritz Schäffer, abrufbar unter: www.kas.de/wf/de/37.8305/, abgerufen am 15.2.2018. Zu Schäffers Haltung im Streit um den Sitz des Bundesrechnungshofs vgl. das Protokoll der 82. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 11.7.1950, abrufbar unter: www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1950k/kap1_2/ kap2_50/para3_6.html, abgerufen am 16.12.2014. Zum von gegenseitigem Respekt und von Auseinandersetzungen wie Versöhnungen geprägten Verhältnis von Schäffer und Adenauer s. auch Henzler, Schäffer, S. 266, S. 421f.; S. 447 und passim; Schwarz, Aufstieg, S. 633. 33 Vgl. die im Finanzministerium erstellte Kabinettsvorlage betr. Sitz des Bundesrechnungshofs v. 11. Aug. 1950, in: BArch B 136/1841, fol. 322-329. Die Erhebung knüpft an den entsprechenden Beschluss vom 11. und 21. Juli 1950 an, unklar ist aber, ob sie nun einfach vorgelegt oder vom Finanzministerium bewusst als Argumentationshilfe eingesetzt wurde. Zur Variabilität und deshalb eingeschränkten Bedeutung von Kostenrechnungen für die (politische) Entscheidungsfindung s. auch Balser, Aus Trümmern, S. 120f.
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die Unterschiede zwischen den in beiden Städten anfallenden Kosten, änderte aber nichts an dem insgesamt günstigeren Zahlen für Frankfurt.34 Am Ende setzte sich Schäffer durch: Am 6. Oktober 1950 billigte das Kabinett den Antrag des Bundesfinanzministers, als Sitz des Rechnungshofs Frankfurt a.M. zu bestimmen.
3.1.3 Implikationen der Debatte über den Sitz des Bundesrechnungshofs Darüber hinaus – und anders als im Fall des BKA – kam der Entscheidung über den Sitz des Bundesrechnungshofs noch eine besondere Bedeutung zu: Die Entscheidung über das »Wo« der zentralen Rechnungsprüfungsbehörde war hier direkt mit der nach dem »Warum« und vor allen Dingen nach dem »Wer« verknüpft. Denn zur Debatte stand nicht nur Münster, sondern, sozusagen latent und immer, auch Berlin – und damit die gesamte bundesrepublikanische Deutschlandpolitik. Im Kabinett regte Jakob Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen und alter Gegenspieler Adenauers, immer wieder an, Bundesbehörden in die alte deutsche Hauptstadt zu verlagern.35 Konkret für den Bundesrechnungshof (und andere Behörden) verlangte das auch die oppositionelle SPD im Bundestag36 und verband auf diese Weise die Frage nach dem Sitz der Institution direkt mit dem 34 Der überarbeitete Bericht stellte fest, dass auch in Münster der Bedarf an Büroräumen gedeckt und ausreichend Wohnungen geschaffen werden könnten. An einmaligen Ausgaben wurden »nur« noch 2.645.000 DM, an jährlichen 14.400 DM angegeben, vgl. das Schreiben Schäffers an Globke betr. den Sitz des Bundesrechnungshofs vom 26.9.1950, in: BArch B 136/1841, fol. 371-377. Unklar ist, durch wen und warum die Überarbeitung der Erhebung ausgelöst wurde: Möglicherweise forderte das Land Nordrhein-Westfalen eine erneute Prüfung, wie es Niedersachsen bei der Frage des Sitzes der Bundesmonopolverwaltung für Bückeburg durchgesetzt hatte, vgl. das Protokoll der 82. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 11.7.1950, abrufbar unter: www. bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1950k/kap1_2/kap2_50/para3_6.html, abgerufen am 9.11.2018. Möglicherweise war es auch Adenauer selbst, der Münster nach wie vor favorisierte. 35 Zu Jakob Kaiser (1888-1961) und seinen wirtschafts- und deutschlandpolitischen Differenzen mit Adenauer vgl. Schwarz, Aufstieg, passim. Zu seinen (vergeblichen) Versuchen, das Bundesaufsichtsamt für Privatversicherungen und die Bundesmonopolverwaltung in Berlin anzusiedeln, vgl. die Protokolle der 65. und der 85. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 12.5. und vom 21.7.1950, abrufbar unter: www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1950k/kap1_2/ kap2_33/para3_13.html und www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1950k/kap1_2/ kap2_53/para3_5.html, beide abgerufen am 16.12.2014. 36 Vgl. den Antrag der Fraktion der SPD betr.: Verlegung von Dienststellen des Bundes nach Berlin vom 4. Februar 1950, Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 508, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/01/008/0100825.pdf, abgerufen am 16.12.2014. Neben dem Bundesrechnungshof sollte, dem Antrag zufolge, das erwähnte Bundesaufsichtsamt für Privatversicherungen, die Bundesschuldenverwaltung und die Bundesvermögensverwaltung zum 1.3.1950 nach Berlin verlegt werden. Die Berliner Dienststelle des Patentamtes sollte ausgebaut und das Bundesverfassungs-, das Bundesverwaltungsgericht, die Bundesämter für die Fragen der Sozialversicherung und Versorgung und der Bundesdienststrafhof für nichtrichter-
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Konf likt um die Westbindung und den Status Berlins.37 Zwar setzte sie sich damit nicht durch. Mit ihrem Antrag, die Bundesregierung zu ersuchen, eine »Aufstellung über Art und Sitz bereits bestehender oberer Bundesbehörden« vorzulegen und »zum Zwecke der Zustimmung, vorbehaltlich späterer gesetzlicher Regelung eine Vorlage über den zweckmäßigsten Sitz der noch zu errichtenden oberen Bundesbehörden […] zu unterbreiten«38, stieß sie aber auch in den Koalitionsfraktionen auf Sympathie. Spätestens da war Adenauer alarmiert. Denn der Antrag drohte nicht nur, die Debatte um Berlin und um Adenauers Position in dieser Frage weiter anzuheizen. Vielmehr mündete die mit ihm formulierte Kritik an der Intransparenz der Auswahlverfahren in die Forderung nach Einbeziehung des Parlaments,39 stellte also die Frage nach der Organisationshoheit. Schon wegen der damit drohenden Einschränkung der Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit der Regierung sprach sich der Bundeskanzler explizit dagegen aus, den Sitz der Bundesbehörde in den jeweiligen Gesetzen festzulegen, also die Legislative in irgendeiner Weise an diesen Entscheidungen zu beteiligen, – und setzte sich damit durch: Unmittelbar bevor sich das Kabinett auf Antrag des Bundesfinanzministers für Frankfurt als Sitz des Bundesrechnungshofs aussprach, stellte es übereinstimmend fest, dass »die Bestimmung des Sitzes der Bundesbehörden nicht Sache der Gesetzgebung, sondern Sache der Exekutive«40 sei. Und das am 27. November 1950 verkündete »Gesetz über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes« hielt ausdrücklich fest, dass der Sitz des BRH von der Bundesregierung bestimmt werde, die damit ihre Position gegenüber dem Bundestag noch einmal festigte. liche Beamte sollten in der Stadt angesiedelt werden. Weitere Vorschläge sollte die Bundesregierung im zweiten Vierteljahr 1950 unterbreiten. 37 Die DDR hatte Berlin 1949 zum Regierungssitz erklärt, deshalb gab es auf bundesdeutscher Seite starke Bestrebungen, den Westteil der Stadt zum 12. Bundesland zu erklären, was sowohl das Verhältnis zu den Alliierten wie die Stimmverhältnisse im Bundesrat tiefgreifend verändert hätte. Dazu und zum Druck, unter dem gerade Adenauer deshalb stand, s. (statt aller) Schwarz, Aufstieg, S. 641-645, S. 679-681 und S. 706-709. 38 Vgl. Fußnote Nr. 36. 39 Der Berichterstatter für den Ausschuss für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, Dr. Dresbach von der CDU, erklärte im Bundestag, der Ausschuss »würde es außerordentlich dankbar begrüßen, wenn sich die Bundesregierung nun zu solchen Vorschlägen durchringen und wenn sie auch zu diesen bereits in den Zeitungen veröffentlichten Vorschlägen Stellung nehmen wollte.« Der entsprechende Antrag wurde gegen eine Gegenstimme angenommen. Vgl. Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, Stenografischer Bericht/Plenarprotokoll vom 26.10.1950 (95. Sitzung), S. 3509f., abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/01/01095.pdf, abgerufen am 16.12.2014. 40 Protokoll der 102. Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 6.10.1950, abrufbar unter: www. bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1950k/kap1_2/kap2_71/para3_5.html, abgerufen am 16.12.2014.
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3.2 Planung und Errichtung des Gebäudes des Bundesrechnungshofs 3.2.1 Frankfurt und der Bundesrechnungshof Wie im Fall des BKA bedeutete die Entscheidung, Frankfurt als Sitz des Bundesrechnungshofs zu bestimmen, einiges an Arbeit für die Frankfurter Politik und Verwaltung. Denn auch in Frankfurt stand außer Frage, dass für die Behörde ein Neubau errichtet werden musste. Obwohl Vertreter des Rechnungshofs die Arbeitsmöglichkeiten in Frankfurt so gelobt hatten, war die räumliche Situation der Beamten und Angestellten im Rechnungshof angespannt: Der Rechnungshof des Vereinigten Wirtschaftsgebietes war provisorisch im Casella-Haus in der Feuerbachstraße untergebracht worden, das erstens der Casella-Farbwerke AG gehörte41 und zweitens zu klein war, sodass schon 1949 zwei weitere Gebäude, in der Westendstraße und in der Friedrich-Ebert-Straße, hatten angemietet werden müssen. 1951 stand die Anmietung eines weiteren Gebäudes kurz bevor. Die damit anfallenden Kosten und die mit der räumlichen »Streuung« der Mitarbeiter verbundenen Schwierigkeiten im Geschäftsablauf machten, wie Präsident Mayer im September 1951 dem Bundesfinanzministerium erklärte, einen Neubau »unvermeidlich«42. Spätestens damit wurde der Bundesrechnungshof zu einem Teil des Wiederauf baus der Mainstadt.43 Dieser verlief in vielerlei Hinsicht anders als der in Wiesbaden: Frankfurt war nicht nur um ein Vielfaches größer als die junge hessi-
41 Das Chemie- und Pharmaunternehmen Casella-Farbwerke war 1916 in der kleinen IG-Farben, 1925 in der großen IG-Farben aufgegangen. Nachdem der Konzern nach dem Krieg unter alliierte Zwangsverwaltung gestellt worden war, wurde es im Rahmen der Aufspaltung 1951 wieder ausgegliedert. Zu dem Unternehmen s. Hansjörg W. Vollmann, Casella und ihre Eigentümer – Grosse Frankfurter Mäzene. Vortrag im Rahmen der Reihe »Mäzene, Stifter, Stadtkultur« der Frankfurter Bürgerstiftung am Mittwoch vom 23.1.2013 in Frankfurt a.M., abrufbar unter: https://docplayer.org/13537155-Hansjoerg-w-vollmann-bad-soden-a-t-23-1-2013-cassella-undihre-eigentuemer-grosse-frankfurter-maezene.html, abgerufen am 1.9.2015. Im Falle eines Votums für Frankfurt als Hauptstadt war das Cassella-Haus für das Bundeskanzleramt vorgesehen, s. dazu Bendix, Hauptstadt, S. 141. 42 Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofs Mayer an den BMF betr. räumliche Unterbringung des Bundesrechnungshofs vom 19.9.1951, in: BArch B 126/14904. 43 Dazu vgl. Bendix, Hauptstadt, S. 236-244; Gehebe, Ringen, bes. S. 255-263; Gehebe-Gernhardt, Architektur, S. 33-97; Hans-Reiner Müller-Raemisch, Frankfurt a.M.: Stadtentwicklung und Planungsgeschichte seit 1945, Frankfurt a.M./New York 1996, S. 20-80, S. 380-382, S. 397f.; Marco Rasch, »Das richtige Maß zwischen dem Notwendigen, dem Erreichbaren und dem Wünschenswerten«. Der Wiederaufbau in Frankfurt a.M. zwischen 1945 und 1955, in: Biuletyn Polskiej Misji Historycznej/Bulletin der Polnischen Historischen Mission Nr. 7/2012, S. 65-91; Rodenstein, Hochhausseuche, S. 18-33; von Beyme, Frankfurt a.M.
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sche Landeshauptstadt, sondern im Krieg auch deutlich stärker zerstört worden.44 Auf der anderen Seite war in der Stadt im Jahr 1951, als die Errichtung des Bundesrechnungshofs anstand, in Sachen Wiederauf bau schon sehr viel geschehen. Als »Hauptstadt« des Vereinigten Wirtschaftsgebietes war Frankfurt in den Genuss eines bizonalen Auf bauprogramms gekommen.45 Dieses war nach der Entscheidung für Bonn von einem kommunalen Auf bauprogramm abgelöst worden, das angesichts einer günstigen Haushaltsentwicklung mehr und mehr realisiert werden konnte:46 Von der Währungsreform bis 1956 investierte die Stadt rund 800 Millionen DM für den Wiederauf bau, wobei der Löwenanteil auf die Wiederherstellung der Infrastruktur, der Strom- und Wasserversorgung und den Straßenbau entfiel, gefolgt vom Wohnungsbau. Trotz dieser Schwerpunktsetzung war der Bundesrechnungshof auch als Verwaltungsbau deutlich weniger als das BKA in Wiesbaden ein Novum in der Stadt: Für privatwirtschaftliche wie öffentliche Verwaltungen waren bis 1951/52 schon zahlreiche Neubauten errichtet worden. Im Rahmen des bizonalen Auf bauprogramms waren knapp 4000 Büroräume entstanden, dieser Trend hatte sich nach 1949 fortgesetzt. Büro(hoch)häuser, die zum Teil, wie das AEG-Hochhaus, die Rhein-Main-Bank und das Bayer-Hochhaus, weithin Beachtung fanden, prägten daher 1951/52 das Stadtbild – im optischen wie im sozioökonomischen Sinn – und die Identität der Stadt mit.47 Dieser zügige und umfangreiche Auf bau war auch deshalb möglich, weil Frankfurt, früher als andere Kommunen, die rechtlichen und technischen Grundlagen geklärt beziehungsweise geschaffen hatte. Wiederaufzubauende Grundstücke wurden in großem Umfang beschlagnahmt48 (das Rückkaufrecht, das den
44 Nach den Angriffen und Großbränden im März 1944 war von der ehemals größten gotischen Altstadt Mitteleuropas nahezu nichts mehr zu erkennen. Vgl. dazu und zu den Lebensbedingungen in Frankfurt 1945 bis 1949 Bendix, Phoenix, S. 61-64 und S. 68-72; Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 14-26; Rodenstein, Hochhausseuche, S. 17; von Beyme, Frankfurt a.M., S. 199 und S. 208f. 45 Dazu vgl. Bendix, Hauptstadt, S. 124-132; ders., Phoenix, S. 81-85; Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 21f., S. 34-39. 46 Die Finanzsituation der Stadt konsolidierte sich seit 1951, als die Gewerbesteuereinnahmen anstiegen und die Stadt verstärkt Kredite – die rechtlichen Möglichkeiten dazu bestanden erst wieder seit 1950 – aufnehmen konnte. Dazu, zur riskanten, aber letztlich erfolgreichen Investitionspolitik und zur Haushaltspolitik insgesamt vgl. Bendix, Hauptstadt, S. 149-165; ders., Phoenix, S. 92-98. 47 Nach Bendix waren im Rahmen des bizonalen Programms ca. 3900 Büroräume mit einer Nutzfläche von insgesamt 100.000 Quadratmetern entstanden, s. Bendix, Hauptstadt, S. 141. Insgesamt zum (Verwaltungs-)Baugeschehen der frühen 1950er Jahre vgl. Bendix, Hauptstadt, S. 160-164; ders., Phoenix, S. 96. Vgl. dazu und zu den genannten Bauten auch Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., bes. S. 46-55. 48 Dabei ging es um 80 Prozent der Innenstadtgrundstücke, s. Rasch, Maß, S. 68 und S. 69f. Vgl. auch Gehebe, Ringen, S. 260 m. w. N.; Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 67.
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ehemaligen Eigentümern eingeräumt wurde, konnten diese selten wahrnehmen49), vor allem aber schnell beräumt: Auf Basis eines Vorschlags von Frankfurter Unternehmen hatte die Stadt eine innovative Methode entwickelt50 und zusammen mit drei privaten Firmen ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen gegründet, das eine koordinierte und großindustrielle Beräumung und Verwertung der Trümmer ermöglichte. Durch die Tätigkeit dieser Frankfurter Trümmerverwertungsgesellschaft (TVG) war Frankfurt, nach einigen Anlaufschwierigkeiten, zu Beginn der 1950er Jahre in der Beräumung deutlich weiter als andere Großstädte. Aus den Trümmern wurde überdies Baumaterial gewonnen, das schnell bereitgestellt werden konnte, relativ günstig und, durch sein verhältnismäßig geringes Gewicht und hohe Wärmedämmfähigkeit, attraktiv war. Nicht ganz so schnell und uneinheitlicher als in anderen Städten ging es allerdings mit der Planung voran. Wie viele ihrer Zeitgenossen stimmten auch die Frankfurter Architekten und kommunale Verantwortungsträger grundsätzlich darin überein, dass Städte und städtische Räume – neu – gestaltet werden konnten und mussten. (Mit einigem Optimismus hatte das schon der erste Oberbürgermeister Frankfurts nach dem Krieg, Kurt Blaum, zum Ausdruck gebracht: Er wollte die Kriegszerstörungen als Chance begriffen sehen, »Probleme anzufassen und zu lösen, um die seit Jahrzehnten […] in den deutschen Städten ihre besten Köpfe gerungen und gekämpft haben‹«51.) Auch trug die Tatsache, dass Frankfurt unter Ernst May bereits zum »Mekka modernen Städtebaus«52 geworden war, mit dazu bei dazu, dass in Frankfurt, anders als in anderen Städten, Pläne für einen völligen (eben »modernen«) Neuauf bau gar nicht erst ventiliert wurden. Aus demselben Grund war in Frankfurt allerdings eine überaus interessierte, organisations-, diskussions- und durchsetzungsfreudige Öffentlichkeit entstanden, konkret der »Bund der tätigen Altstadtfreunde« um Fried Lübbecke.53 Er setzte sich immer wieder dafür ein, tradierte Strukturen und Formen beim 49 Mit dieser Linie entwickelte Frankfurt eine Vorbildfunktion, sie wurde Basis für die »Baustoffbewirtschaftung«, die in Hessen am 1.4.1946 allgemein durchgeführt wurde, und für das Hessische Wiederaufbaugesetz von 1948, vgl. dazu Bendix, Hauptstadt, S. 236-244; Rasch, Maß, S. 70. 50 Das folgende nach Bendix, Phoenix, S. 75-78 und ders., Hauptstadt, S. 243f. 51 Zitiert bei Rasch, Maß, S. 71f. Wie u.a. Rasch betont, war diese Ansicht bereits im Nationalsozialismus entwickelt und dort von den Architekten und Machthabern dezidiert vertreten worden, s. ebd., S. 85f. 52 S. dazu Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 22. Zum Neuen Frankfurt vgl. auch Kapitel 1.4 und die Nachweise in Fußnote Nr. 204 der Einführung. 53 Zu diesem Bund, der bereits 1922 als Reaktion auf die Planungen und Baumaßnahmen des Neuen Frankfurts vom Kunsthistoriker Fried Lübbecke (1883-1965) gegründet worden und nach dem Krieg Sprachrohr aller Kräfte war, die eine stärkere Berücksichtigung der überkommenen Stadtstruktur verlangten, vgl. Gehebe-Gernhardt, Architektur, passim; Rasch, Maß, S. 77-87; von Beyme, Frankfurt a.M., bes. S. 203-205.
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Wiederauf bau zu berücksichtigen und dem Willen privater Bauherren Raum zu lassen. Das führte zu intensiven und kontroversen Diskussionen, die anstehende Entscheidungsprozesse verlängerten. Das galt schon für die Frage, wie der Verkehrsf luss (neu) zu ordnen war, die in Frankfurt, wie in anderen Kommunen auch, sehr früh als dringlichstes und grundlegendes Problem identifiziert worden war: Bereits 1946 hatte die Stadt einen Hauptstraßenwettbewerb (als offenen Ideenwettbewerb) ausgeschrieben und die Vorschläge der prämierten Entwürfe in den Fluchtlinienplan einf ließen lassen, der Ende 1948 von den städtischen Gremien beschlossen wurde.54 Die damit fixierte Grundentscheidung für die Schaffung einer Nord-Süd- und einer Ost-West-Verbindung war allerdings so stark umstritten,55 dass sich die weiteren (und darauf auf bauenden) Planungen verzögerten und die städtischen Körperschaften erst Anfang des Jahres 1951 dem »Leitplanke für die Fluchtlinien und bauliche Einzelplanung« zustimmen konnten.56 (Für das Gelände der ehemaligen gotischen Altstadt konnte aber auch danach keine Lösung gefunden werden, sodass das eigentliche Kernstück, der Bereich zwischen Dom und Römer, für Jahrzehnte unbebaut blieb.57) Etwas anders als in Wiesbaden lagen die Dinge in Frankfurt auch im Hinblick auf das »Wer« der Entscheidungsfindung. Zwar war auch in Frankfurt das den Wiederauf bau prägende Gremium weniger die (nach der hessischen Gemeindeordnung eigentlich zentrale) Stadtverordnetenversammlung als der, 1950 von SPD und CDU gestellte, 22-köpfige Magistrat.58 Er hatte, unterstützt von der hauptamtlichen Verwaltung, die Initiative in diesem Feld schon sehr früh an sich gezogen.59 Als der Bau des Bundesrechnungshofs anstand, hatte es zudem eine weitere organisatorische Zuspitzung gegeben: Wie für alle Neubauten von Gebäuden für Verwaltungsinstitutionen war auch für ihn der »Fünfer-Rat für Wirtschaftsför-
54 Auf seiner Grundlage wurde nach der Währungsreform die Innenstadt im Bereich nördlich der Hauptwache und westlich des Karmeliterklosters hauptsächlich mittels privater Investitionen rasch bebaut, s. dazu Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 46-55. Zu den Planungen s. auch Gehebe-Gernhardt, Architektur, S. 71-97. 55 Mit dem Goetheplatz, dem Mainufer und der Bebauung des Geländes südlich des Doms gehörte die Ost-West-Verbindung nach von Beyme zu den strittigsten Aufbauprojekten in Frankfurt, s. von Beyme, Frankfurt a.M., S. 210. 56 Zwischen 1952 und 1954 wurden auf seiner Grundlage die Gebiete nördlich der Berliner Straße, südlich des Doms und am Rathaus bebaut, dazu s. Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 66-71 und S. 407. 57 Es war durch seine kleinteilige Struktur für Investoren uninteressant, »musste« also durch die öffentliche Hand bebaut werden, s. dazu Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 70. 58 In den Kommunalwahlen 1948 hatte die SPD 36,8, die CDU 26,1 und die FDP 23,6 Prozent erreicht. 59 S. dazu Bendix, Hauptstadt, S. 122-124 und S. 165.
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derung«60 zuständig. Dabei handelte es sich um eine Magistratskommission, die die am 27. Februar 1950 (mit Wirkung zum 1. April desselben Jahres) ins Leben gerufene Abteilung für Wirtschaftsförderung61 f lankierte. Diese bildete sozusagen eine organisatorische Konsequenz aus der beschriebenen Neuorientierung der Frankfurter Stadtpolitik, war im Wirtschaftsdezernat von Bürgermeister Walter Leiske (CDU) angesiedelt62 und sollte alles bündeln, was mit Wirtschaftsförderung zusammenhing. In monatlich stattfindenden Sitzungen behandelte dieser Rat, dem neben Oberbürgermeister Kolb und Walter Leiske nur noch der Stadtkämmerer Georg Klingler (CDU),63 der Stadtrat für Tief bau, Adolf Miersch und der für die Stadtwerke verantwortliche Dezernent Treser angehörten, die entsprechenden Fragen und bereitete sie für den Magistrat vor. Mit seiner Einrichtung verschoben sich auch Machtverhältnisse: Innerhalb der Bauverwaltung konnte der (ohnehin erfahrene und durchsetzungsfreudige) Adolf Miersch64 seine Position weiter festigen, vor allem gegenüber seinen Kollegen in der Bauverwaltung, wie dem Dezernenten für Hochbau, Moritz Wolf,65 und dem Leiter der 60 Zur Einrichtung und Tätigkeit der Abteilung für Wirtschaftsförderung und des Fünferrats s. Bendix, Hauptstadt, S. 167-196. 61 Geleitet wurde die Abteilung von Karl Altheim, sie umfasste neben ihm noch einen Referenten und zwei Sekretärinnen. Im Jahr 1950 sah der Haushalt 500.000 DM für die Abteilung vor, die Stadtverordnetenversammlung bewilligte nachträglich noch weitere 600.000 DM. 1951 lagen die Ausgaben bei knapp 2,5 Millionen DM, vgl. Bendix, Hauptstadt, S. 167-201, bes. S. 168 und 172. Zu den strukturellen Konflikten zwischen der Abteilung und der Stadtplanung s. auch Roden stein, Hochhausseuche, S. 21. 62 Walter Leiske (1889-1971) war von 1948 bis 1960 Bürgermeister und Wirtschaftsdezernent von Frankfurt, von 1953 bis 1961 vertrat er die Stadt zudem im Deutschen Bundestag, s. zu ihm Bendix, Hauptstadt, passim. 63 Zu Georg Klingler, der von 1946 bis 1966 für die Finanzen Frankfurts verantwortlich war und parteiübergreifend geschätzt wurde, s. Bendix, Hauptstadt, passim. 64 Adolf Miersch (1887-1955) war 1928 in das Frankfurter Siedlungsamt eingetreten, dessen Leiter (als Nachfolger Ernst Mays) er einige Zeit später wurde. Nach dem Krieg übernahm er zunächst das Bauamt, dann die – vielerorts entscheidende (s. dazu Hackelsberger, Moderne, S. 32f.) – Position des Stadtrats für Tiefbau, einschließlich der Trümmerbeseitigung. Mit dem Bau- und Liegenschaftswesen bestens vertraut übernahm er 1954, nach dem Ausscheiden von Moritz Wolf, auch den Hochbau und die Stadtplanung. Miersch erlangte überregionale Bedeutung: Das in Fußnote Nr. 49 erwähnte Hessische Aufbaugesetz ging zu großen Teilen auf ihn (und auf Karl Maury) zurück. Vgl. zu Miersch: Balser, Aus Trümmern, passim; Bendix, Hauptstadt, passim; Gehebe-Gernhardt, passim; Meyer zu Knolle, Vertikale, passim; Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 161f. 65 Moritz Wolf (1886-1971) war für verschiedene Stadtbauämter und von 1944 bis 1948 im bayerischen Arbeitsministerium tätig gewesen. Vom 1.7.1948 bis zum 30.6.1954 war er Dezernent für Hochbau und Stadtplanung in Frankfurt. Zum ihm vgl. Bendix, Hauptstadt, passim; Gehebe-Gernhardt, Architektur, passim; Meyer zu Knolle, Vertikale, passim; Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 162; Zu seinen Schwierigkeiten, sich gegen Miersch bzw. die Fünfer-Kommission
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Stadtplanung, Herbert Boehm.66 Innerhalb des Magistrats und im Verhältnis zur Stadtverordnetenversammlung wurde zudem der Fünferrat als Ganzes zur entscheidenden Instanz: Er arbeitete nahezu abgeschottet, fast clandestin: Themen, Argumentationen und Ergebnisse wurden außerordentlich diskret behandelt, weder mit einer Tagesordnung versehene Einladungen noch ausführliche Protokolle oder gar Rechenschaftsberichte wurden verfasst. Auch gegenüber der Stadtverordnetenversammlung und noch weniger gegenüber der Öffentlichkeit wurden Aussagen oder gar Festlegungen laut. Diese entschieden nichtöffentliche Form der Entscheidungsfindung war auch deshalb möglich, weil zwischen den wichtigsten Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung, denen von SPD und CDU, – und sogar bei der »oppositionellen« FDP – weder die Ziele noch die Art und Weise des Wiederauf baus und der Wirtschaftsförderung im Grundsatz umstritten waren.67 Ganz anders als in der Öffentlichkeit, die, wie erwähnt, die Grundsätze und die Grundrichtung des Wiederauf baus heftig diskutierte, standen solche Fragen in der Stadtverordnetenversammlung eher im Hintergrund.68 Zudem legten, das ist, anders als in Wiesbaden, greif bar, viele Stadtverordnete offenbar eine Art selbstverordnete Abstinenz an den Tag: Wenn sie sich gegen Kritik der Presse, bei den Sitzungen handele es sich erkennbar um Pf lichtübungen, mit dem Hinweis verwahrten, »sich nicht ›künstlich die Köpfe heißreden‹ und einen ›Theaterdonner‹ veranstalten«69 zu wollen, akzeptierten und legitimierten sie die weitgehende Handlungsfreiheit des Magistrats und gaben eine gewisse Distanz zu der Vorstellung von einer diskursiven, konfrontativen und partizipativen kommunalen Entscheidungsfindung und Politik zu erkennen. Zusammengefasst bedeutete das, dass der Neubau des Bundesrechnungshofs nicht nur im Bund, sondern auch (und deutlicher als in Wiesbaden) auf kommunaler Ebene Fragen der Kräfteverhältnisse verschiedener Gremien aufwarf – und beantwordurchzusetzen, vgl. (exemplarisch) Auszug aus der Niederschrift der Fünfer-Kommission vom 27.1.1953, in: Bauaktenarchiv Frankfurt a.M., Berliner Straße 51-55, Bd. V, fol. 4. 66 Herbert Boehm (1894-1954) war in Breslau Mitarbeiter von Ernst May gewesen und 1947 als Baurat wieder in die Frankfurter Verwaltung eingetreten, 1949 hatte er als Nachfolger von Werner Hebebrand, der ebenfalls unter Ernst May tätig gewesen war, die Stadtplanung in Frankfurt übernommen. Zu ihm vgl. Gehebe, Ringen, S. 257 und S. 262; Meyer zu Knolle, Vertikale, S. 185190 und passim. 67 Bendix zufolge wurden die Fluchtlinienpläne und damit die Festlegungen der Struktur des Wiederaufbaus kaum debattiert (geschweige denn kritisiert). Streit gab es allerdings regelmäßig um die Höhe der Entschädigungen für enteignete Grundstücke, s. dazu Bendix, Hauptstadt, S. 147f. 68 Im Vordergrund standen hier nach Bendix beispielsweise soziale Notlagen und der Wiederaufbau der städtischen Bühnen, s. Bendix, Hauptstadt, S. 149. 69 Walter Möller (SPD) in der Stadtverordnetensitzung vom 25.3.1954, zitiert bei Bendix, Hauptstadt, S. 124.
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tete: So, wie er in Frankfurt organisiert und durchgeführt wurde, war er Teil einer Entwicklung, die in der Stadt durchaus kritisch thematisiert wurde: 1954 stellte beispielsweise der Fraktionsvorsitzende der FDP etwas resigniert fest, in Frankfurt geschehe dasselbe, was »›auch im Bund und in den Ländern‹« zu beobachten sei, »›daß nämlich die Exekutive in ihrer Wirkungskraft […] außerordentlich überwiegt und im Vorschreiten begriffen ist‹«70.
3.2.2 Planung, Organisation und Architekten des Neubaus Diese »Exekutive« begann also 1951 mit den Planungen zur Errichtung eines Neubaus für den Bundesrechnungshof, genauer gesagt mit der Suche nach einer Finanzierungsmöglichkeit und, anders als in Wiesbaden, mit der nach einem geeigneten Ort. Eine erste Idee, auf einem Grundstück in der Junghofstraße von der Eigentümerin, der Effecten- und Wechselbank, einen Neubau errichten zu lassen, den die Stadt durch Termingelder in Höhe von zwei Millionen DM finanzieren würde,71 ließ sich nicht realisieren: Für die angestrebte Miete von zwei Mark pro Quadratmeter war der Zinssatz zu hoch (beziehungsweise war die Miete zu gering, um die Zinsen zu finanzieren).72 Zudem verlor die Bank, die am Anfang durchaus Sympathien mit dem Projekt gehabt hatte, in der Folgezeit ihr Interesse. Sie erklärte, »grundsätzlich der Auffassung« zu sein, »dass das Gelände in der Junghofstraße für eine Behörde zu wertvoll« sei. Es solle »für ein grösseres Unternehmen der Privatwirtschaft reserviert bleiben«, da ein »ähnlich günstig gelegenes grösseres Gelände in der Innenstadt kaum noch verfügbar«73 sei. Konkret hatte die Hessische Bank Interesse an dem Grundstück signalisiert, was der angestrebten Neuausrichtung der Stadt entsprach und den kommunalen Verantwortungsträgern gut gefiel. Auch der Vorschlag, in der Adickesallee zu bauen, setzte sich nicht durch, diesmal aus verkehrstechnischen Gründen: Die ohnehin bestehende Gefahr einer Erhöhung des Verkehrsauf kommens (es war absehbar, dass die dort angesiedelte Bundesstelle für Warenverkehr mehr Platz benötigen würde) sollte nicht durch die Ansiedelung einer weiteren Behörde forciert werden.74 Im Juli 1951 begann sich schließlich die Lösung abzuzeichnen: Auf dem Trümmerfeld zwischen dem Großen Kornmarkt, der Bethmannstraße und der »neu 70 Protokoll der Stadtverordnetenversammlung vom 25.3.1954, zitiert bei Bendix, Hauptstadt, S. 124. 71 Schreiben von Stadtrat Dr. Altheim vom 10.4.1951 an das Rechneiamt-Finanzverwaltung, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195. 72 Vermerk von Stadtrat Dr. Altheim an die Abt. Wirtschaftsförderung vom 8.6.1951, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195. 73 Aktenvermerk vom 18.7.1951, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195. 74 Aktenvermerk vom 19.7.1951, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195.
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geplanten Verkehrsstraße nördlich der Paulskirche«, das allerdings noch mit von »Freudenmädchen« bewohnten »Behelfsbuden«75 bestückt war, wollte die Stadt ein Gebäude errichten oder – lieber – durch die Frankfurter Auf bau AG (FAAG)76 errichten lassen77 und durch eine Mietvorauszahlung des Bundesrechnungshofs finanzieren. Noch im selben Monat wurde ein beschränkter Wettbewerb ausgeschrieben: Fünf Frankfurter Architekten und Architektengemeinschaften wurden aufgefordert, bis zum 27. August Entwürfe einzureichen.78 Schon am 31. August 1951 tagte die Gutachterkommission,79 bestehend aus dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs Josef Mayer, Moritz Wolf und Adolf Miersch, den Baudirektoren Herbert Boehm und Grossmann, Heinrich Schütz von der FAAG, dem Architekten Alois Giefer80 und dem Präsidenten des Bundes Deutscher Architekten (BDA) Otto Bartning.81 Sie entschied sich für den Entwurf von Friedel Steinmeyer und Werner Dierschke.82 Steinmeyer, 1908 geboren, war Architekt und Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Dierschke, drei Jahre älter, war seit 1946 als freier Architekt in Marburg und Frankfurt tätig, wechselte im Jahr des Wettbewerbs um die Errichtung des Bundesrechnungshofs allerdings 75 Scheiben der FAAG an die Bauaufsichtsbehörde der Stadt Frankfurt vom 21.6.1952, in dem um eine Räumungsverfügung gegen »die Mädchen« gebeten wird, in: Bauaktenarchiv Frankfurt a.M., Berliner Straße 51, Bd. III. 76 Die FAAG war eine kommunale Gesellschaft (die im Rahmen des bizonalen Aufbauprogramms wiederbelebte ehemalige Frankenallee-Gesellschaft), die durch die private Rechtsform flexibler agieren konnte, zu ihr vgl. Bendix, Hauptstadt, S. 128f.; Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 34. 77 Aktenvermerk vom 19.7.1951, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195; Auszug aus der Niederschrift der Fünfer-Kommission vom 24.7.1951, in: Bauaktenarchiv Frankfurt Main, Berliner Straße 51, Bd. III. Notwendig für den Bau war die Erstellung eines neuen Fluchtlinienplans für das Areal zwischen der Neuen Kräme und der Friedensstraße. Mit den entsprechenden Vorplanungen sollten unter anderem die Architekten Dierschke und Steinmeyer betraut werden, s. ebd. 78 Neben Werner Dierschke und Friedel Steinmeyer wurden so bedeutende (Frankfurter) Architekten wie Max Meid und Helmut Romeick, Gerhard Weber und Günther Gottwald, Johannes Krahn sowie Helmut Hartwig aufgefordert, Entwürfe einzureichen, s. die Niederschrift der Fünfer-Kommission vom 24.7.1951, in: Bauaktenarchiv Frankfurt a.M., Berliner Straße 51, Bd. III. 79 Einladung zur Sitzung der Gutachterkommission, Frankfurter Aufbau AG an Stadtkämmerer Klingler vom 23.8.1951, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 1.195. 80 Alois Giefer (1908-1982) war im Vorstand des BDA und betrieb nach dem Krieg zusammen mit Hermann Mäckler eines der wichtigsten Architekturbüros in Frankfurt. Er war eine zentrale Gestalt im Wiederaufbau Frankfurts und der entsprechenden öffentlichen Debatten und Kontroversen, s. Alois Giefer u.a. (Hg.), Planen und Bauen im neuen Deutschland, Opladen 1960 (eine exemplarische Übersicht über wichtige Nachkriegsbauten). Vgl. zu ihm auch Gehebe-Gernhardt, Architektur. 81 Zu Otto Bartning vgl. Kapitel 1.3.2. 82 Der Bundesrechnungshof als Gegengewicht zur Paulskirche, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.9.1951; Moderner Zweckbau in der Innenstadt, in: Frankfurter Neue Presse vom 30.10.1952, beide in: StadtA Frankfurt S6b/38 Nr. 549.
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zur Stadtverwaltung Hannover. Dort leitete er bis 1961 als Oberbaurat und dann als Baudirektor das Städtische Hochbauamt und baute, parallel zur Errichtung des Bundesrechnungshofs, zusammen mit Ernst Zinsser von 1951 bis 1953 das bereits erwähnte Verwaltungsgebäude der Continental Gummiwerke am Königsworther Platz.83 Wie beim BKA wurden die Planungen für den Bundesrechnungshof in den folgenden Wochen und Monaten konkretisiert. Um für die Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium den vollständigen Kostenvoranschlag aufstellen zu können, finanzierte die Stadt die Baugrunduntersuchung, die Ausarbeitung der endgültigen Pläne und die statischen Rechnungen, insgesamt 76.000 DM.84 Was das Gebäude selbst anging, so wurde wie beim BKA ein eher niedriger Betrag veranschlagt, in diesem Fall 3,5 Millionen DM.85 Ebenfalls wie beim BKA war im Fall des Bundesrechnungshofs zunächst geplant, dass die Stadt das Gebäude errichten und dann an den Rechnungshof vermieten beziehungsweise an den Bund verkaufen würde. Für diesen Zweck sollte sie zwei Millionen DM aufbringen, der Restbetrag von 1,3 bis 1,5 Millionen DM sollte durch eine Mietvorauszahlung des Bundes bereitgestellt werden.86 Schon während der Planung (und dann der Durchführung) der Bauarbeiten wurde allerdings immer wieder diskutiert, ob der Bund den Neubau nicht auf eigene Kosten errichten solle.87 Dieser Vorschlag kam interessanterweise nicht von den Frankfurter Behörden, die, allen
83 Werner Dierschke (1906-1983) hatte von 1926 bis 1930 Architektur an der TU Hannover und an der TU Dresden studiert. 1931 hatte er als Architekt im Büro von Adolf Musemann in Dresden gearbeitet und war dann ins Stadtbauamt Plauen gewechselt. Nach der Regierungsbaumeisterprüfung 1935 war er Leiter der Abteilung Stadtplanung im Stadtbauamt Hildesheim geworden und 1937 als Stadtbaurat nach Marburg (Lahn) gegangen. Nach seiner Tätigkeit in Hannover war er von 1961 bis 1972 Professor für Gebäudelehre und Entwerfen an der TU Karlsruhe. Vgl. zu ihm: Werner Durth/Jörn Düwel/Niels Gutschow, Architektur und Städtebau der DDR, Bd. 1: Ostkreuz Personen, Pläne, Perspektiven, Frankfurt a.M. 1998, S. 349; Helmut Knocke, »Dierschke, Werner«, in: Dirk Böttcher/Klaus Mlynek/Waldemar R. Röhrbein/Hugo Thielen (Hg.), Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart, Hannover 2002, S. 95. 84 Vgl. das Schreiben der FAAG an Stadtkämmerer Klingler vom 17.12.1951 und das Schreiben des Stadtkämmerers Klingler an die FAAG vom 15.1.1952, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195. 85 Bauprojekt Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Neue Presse vom 10.9.1952, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 86 Notiz über eine Besprechung beim Bundes-Rechnungshof bezüglich der Planung vom 11.2.1952 der FAAG und Aktenvermerk vom 19.7.1951 Endgültige Unterbringung des Bundesrechnungshofes, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195. 87 Aktenvermerk vom 19.7.1951 Endgültige Unterbringung des Bundesrechnungshofes, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195. Explizit forderte der BRH-Präsident Mayer die Errichtung durch den Bund, s. Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Mayer an den BMF betr. räumliche Unterbringung des Bundesrechnungshofs vom 19.1.1952, in: BArch B 126/14904.
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voran der Stadtkämmerer, damit allerdings mehr als einverstanden waren,88 sondern von Vertretern des Rechnungshofs. Deren Motive bleiben im Unklaren, die in der Presse angedeuteten »Billigkeitsgründe[…]«89 lassen aber vermuten, dass Statuserwägungen eine Rolle spielten. Finanziell und organisatorisch war eine solche Lösung jedenfalls nicht notwendigerweise von Vorteil. Wie insbesondere der Stadtkämmerer Klingler betonte, sparte eine Eigenregie dem Bund nicht automatisch Kosten.90 Zudem wurden damit Beschlüsse auf Bundesebene notwendig, die, so die Sorge, den Baubeginn verzögern könnten. Im März 1952 wurde die endgültige Regelung gefunden:91 Der Neubau sollte auf alleinige Rechnung des Bundes erfolgen, die Durchführung, einschließlich der Rechnungsführung und -prüfung der FAAG übertragen werden. Das war ein neues Modell, dessen großer und entscheidender Vorteil darin bestand, dass die FAAG als Gesellschaft schneller als staatliche Stellen Auftragnehmer bezahlen konnte. Damit war es nicht nur möglich, Vergünstigungen wie das Skonto auszunutzen,92 sondern auch dem politischen Druck zu begegnen: Handwerksbetriebe und Interessenvertretungen waren mit zahlreichen Schreiben an Abgeordnete der Koalitionsfraktionen herangetreten, in denen sie die schlechte Zahlungsmoral des Bundes und die daraus resultierenden mitunter existenziellen Schwierigkeiten der Betriebe be88 Kurzvermerk von Ministerialrat Kleberger BMF über die Besprechung mit dem Frankfurter Stadtkämmerer Klingler betr. Neubau für den Bundesrechnungshof am 28.2.1952 vom 4.3.1952, in: BArch B 126/14904. 89 Moderner Zweckbau in der Innenstadt, in: Frankfurter Neue Presse vom 30.10.1952, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 90 Klingler wies darauf hin, dass eine Errichtung durch den Bund für diesen nur dann finanziell vorteilhaft sei, wenn er das Gebäude aus ordentlichen Haushaltsmitteln finanzieren könne, Aktenvermerk vom 19.7.1951 Endgültige Unterbringung des Bundesrechnungshofes, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195. Dagegen drang Josef Mayer, unter Hinweis auf die Mietkosten, darauf, dass der Bund den Neubau errichten ließ, vgl. das Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofs Mayer an den BMF betr. Räumliche Unterbringung des Bundesrechnungshofs vom 19.1.1952, in: BArch B 126/14904. 91 Schreiben Klinglers an Ritzel, MdB vom 5.3.1952; gleichlautendes Schreiben an Peter Horn, MdB; Schreiben der FAAG an Klingler vom 7.3.1952, alle in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195. Zur Entwicklung der endgültigen Lösung vgl. Kurzvermerk der Unterabteilung II A/1 BMF über die Besprechung mit dem Frankfurter Stadtkämmerer Klingler betr. Neubau des Bundesrechnungshofs am 28.2.1952 vom 4.3.1952, in: BArch B 157/3066, fol. 84-85; Vermerk von Kämmerer Klingler vom 3.3.1952 über Besprechung in Bonn vom 28.2.1952 in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195; Schreiben Rossigs BMF an die Stadtverwaltung Frankfurts/Klingler vom 29.2.1952, in: ebd. Ein Schreiben des BMF an die OFD Frankfurts vom 4.3.1952 kündigte hingegen noch die Errichtung des Gebäudes durch die Kommune an, s. Schreiben des BMF an die OFD Frankfurt – Landesbauabteilung in Wiesbaden betr. Neubau eines Dienstgebäudes für den Bundesrechnungshof in Frankfurt vom 4.3.1952, in: BArch B 157/3066, fol. 83. 92 So argumentierte jedenfalls das BMF, s. Vermerk der Unterabteilung II/D BMF betr. Vertrag mit der Frankfurter Aufbau AG vom 15. November 1952, in: BArch B 157/3066, fol. 239f.
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klagten, das hatte schon zu einer Debatte im Bundestag geführt.93 Anfang Juni desselben Jahres stimmte der Haushaltsausschuss des Bundestages dem Neubau und der Verausgabung der entsprechenden Mittel von inzwischen 3,9 Millionen DM zu, Stadtkämmerer Klingler hatte die hessischen Bundestagsabgeordneten bereits im März gebeten, diese Lösung im Parlament zu unterstützen.94 Die Errichtung des Bundesrechnungshofs wurde damit als staatliches Bauvorhaben durchgeführt. Im Oktober 1952 genehmigte die Stadtverordnetenversammlung den Verkauf des Grundstücks an die Bundesrepublik und für den Preis von 60 DM pro Quadratmeter Nettobauland kaufte der Bund das insgesamt rund 3100 Quadratmeter große Gelände.95 Damit ging die Gesamtleitung an das Hessische Staatsbauamt in Frankfurt über.96
93 Vgl. dazu BArch B 157/583 passim; Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, Drucksache Nr. 01/2985 vom 10.1.1952, Kleine Anfrage Nr. 240 betr. Unbezahlte Handwerkerrechnungen; abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/01/029/0102985.pdf; Drucksache Nr. 01/3061 vom 30.1.1952, Antwort auf die Kleine Anfrage betr. Unbezahlte Handwerkerrechnungen, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/01/030/0103061.pdf; Drucksache Nr. 01/2050 vom 13.3.1951, Interpellation der Fraktion der CDU/CSU, der Fraktion der FDP, der Fraktion der DP betr. Bezahlung von Handwerkerrechnungen, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/ btd/01/020/0102050.pdf; Plenarprotokoll Nr. 01/140 vom 9.5.1951 (140. Sitzung), S. 5580-5583, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/01/01140.pdf, alle abgerufen am 16.12.2014. 94 Kurzprotokoll der 182. Sitzung des Haushaltsausschusses am 4.6.1952, in: BArch B 126/14904; Schreiben der Baugruppe BMF an die OFD Frankfurt betr. Neubau des Dienstgebäudes für den Bundesrechnungshof in Frankfurt vom 9.6.1952, in: BArch B 157/3066, fol. 118-121; Schreiben Klinglers an Ritzel, MdB vom 5.3.1952, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195; gleichlautendes Schreiben an Peter Horn, MdB, in: ebd. 95 Die genauen Zahlen differieren, in dem Antrag der Bauverwaltung ist von 2775 Quadratmetern für 166.500 DM die Rede, hinzu sollten nach dem Abriss eines Gebäudes noch weitere 385 Quadratmeter kommen, vgl. Bauverwaltung-Tiefbau Liegenschaftsamt an den Magistrat vom 22.9.1952; in: StadtA Frankfurt, Magistratsakte 3.620, fol. 226; Zustimmung des Magistrats vom 29.9.1952; Genehmigung der Stadtverordnetenversammlung vom 16.10.1952, in: ebd., fol. 229 und 231. Ein im Bauaktenarchiv überlieferter Kaufvertrag nennt allerdings insgesamt 3147 Quadratmeter, die für 188.820 DM verkauft wurden, dazu kamen noch weitere 69 Quadratmeter bzw. die Summe von 4.140 DM für ein später bereitzustellendes Zusatzgelände, s. Kaufvertrag zwischen dem Bund, vertreten durch die Oberfinanzdirektion Frankfurt a.M., und der Stadt Frankfurt vom 11.5.1953, in: Bauaktenarchiv Frankfurt a.M., Berliner Straße 51, Bd. III. 96 Vgl. Schreiben des Staatsbauamts an die Bauaufsichtsbehörde vom 27.9.1952; Schreiben des Regierungspräsidenten als höhere Bauaufsichtsbehörde an die Bauaufsichtsbehörde vom 24.10.1952, beide in: Bauaktenarchiv Frankfurt a.M., Berliner Straße 51, Bd. III.
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3.2.3 Lage und Gestaltung des Gebäudes Geklärt wurden nicht nur die organisatorischen Fragen. Auch der Entwurf wurde »fortentwickelt«97 und konkreter auf die Anforderungen des Rechnungshofs, Vorgaben des Bundes, den finanziellen Rahmen und die spezifische städtebauliche Situation abgestimmt. Gerade letztere sah beim geplanten Bundesrechnungshof ganz anders aus als beim BKA in Wiesbaden. Denn das für ihn vorgesehene Grundstück war kein bisher unbebautes, großes Areal am Stadtrand, sondern ein relativ kleines Grundstück mitten in der Innenstadt. Dort markierte es überdies einen neuralgischen Punkt, nämlich ein, wie es die Frankfurter Allgemeine Zeitung ausdrückte, für die »neue […] Stadtplanung« sehr wichtige[s] Dreieck[…]«98: An ihm trafen das »alte« und das »neue« Frankfurt aufeinander, deren harmonische Verbindung ein Kern des seit 1945 gepf legten Images der Stadt bildeten.99 Eine überzeugende Gestaltung des Geländes und des zu errichtenden Gebäudes lag also im Interesse der kommunalen Verantwortungsträger. Im Einzelnen: Das Grundstück bildete das westliche Ende der erwähnten neuen, umstrittenen, knapp 900 Meter langen, vierspurigen Ost-West-Achse, die gerade in diesem Abschnitt einen Bruch mit dem bisherigen Straßengrundriss darstellte.100 Gleichzeitig befand es sich in unmittelbarer Nähe zu Bauten, die einen hohen Symbolwert hatten und für die tradierte städtische Identität von herausragender Bedeutung waren: zum Rathaus, zum Goethe-Haus und vor allen Dingen zur Paulskirche (Abbildung 4). Die Frage, ob der geplante Neubau in einem angemessenen Verhältnis zu letzterer stand, war für die Gutachterkommission denn auch das zentrale Kriterium für die Bewertung der Entwürfe101 – und für die beteiligten Architekten eine nicht ganz leicht zu lösende. Die ehemalige (von 97 So die Formulierung der FAAG, Frankfurter Aufbau AG an Stadtkämmerer Klingler vom 17.12.1951, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195. 98 Doris Schmidt, Der Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 99 S. dazu Giese, Imagepolitik, S. 328-352. Die Sorge der Bauverwaltung um das Erscheinungsbild dieser Gegend ist auch an der Auseinandersetzung erkennbar, die sich 1954/55 um die Gestaltung des unmittelbar an den Rechnungshof angrenzenden Verwaltungsgebäudes der Bau-Berufsgenossenschaft entspann, s. dazu unten und Fußnote Nr. 124. 100 Östlich der Neuen Kräme folgte die Berliner Straße einer ehemaligen engen Altstadtgasse, der Schnurgasse, war allerdings erheblich breiter angelegt. Eine Idee, wie die im Vergleich zu heute kaum befahrene Straße 1953 gewirkt hat, vermitteln die Abbildungen bei Bredenbeck, Sparsamkeit S. 128f. In ihrem westlichen Teil hat sich die Berliner Straße gegenüber der Situation im Jahr 1953 stark verändert, da unmittelbar hinter dem Rechnungshofgebäude der 1974 eingeweihte Theatertunnel beginnt. 101 Der Bundesrechnungshof als Gegengewicht zur Paulskirche, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.9.1951, in: StadtA Frankfurt S6b/38, Nr. 549.
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1789 bis 1833 errichtete) evangelische Frankfurter Hauptkirche war am 18. März 1944 schwer zerstört und 1947/48 von einem Team um Rudolf Schwarz kritisch rekonstruiert worden.102 Das allerdings stellte nicht alle Frankfurter zufrieden, eine Mehrheit hätte eine originalgetreue Restauration, wie sie das Goethe-Haus erlebt hatte, bevorzugt.103 Der Paulskirche ein neues, modernes Gebäude an die Seite zu stellen, barg also das Risiko, den Kritikern neue Nahrung zu geben. Hinzu kam, dass der Bundesrechnungshof auch als Behörde als ungenügendes Kompensationsobjekt erscheinen konnte: Er war eine zentrale Institution der Bundesrepublik, die den – nicht zuletzt an die Paulskirche geknüpften – Anspruch der Stadt, Hauptstadt zu werden, gerade enttäuscht hatte:104 Wie kein anderer Bau verkörperte die Kirche die Überzeugung Frankfurts, die demokratische und kulturelle Tradition Deutschlands zu repräsentieren. Sie bildete, wie es der Oberbürgermeister Walter Kolb 1948 ausdrückte, den »›Beginn der deutschen Demokratie‹« und zeigte, dass deren »›Geist‹« in der Stadt »›immer lebendig‹«105 geblieben sei. Vor allem aber musste der Neubau sehr groß werden, drohte also die Kirche zu dominieren. All dem wurde der Entwurf von Dierschke und Steinmeyer in den Augen der Gutachter am ehesten gerecht. Ihrer Überzeugung nach bildete der von ihnen geplante Bundesrechnungshof durch seine ungewöhnliche Anlage und leichte Bauweise eine »sehr glückliche Entsprechung« zur »massive[n] und etwas gedrungene[n] Paulskirche«106.
102 Zur Paulskirche und ihrem Wiederaufbau s. Bartetzko, Symbol. Vgl. auch Balser, Aus Trümmern, S. 87-94; Durth/Sigel, Baukultur, S. 405-420; Gehebe, Ringen, S. 257f.; Gehebe-Gernhardt, Architektur, S. 59-67; Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 41-43. Zu Rudolf Schwarz vgl. die Nachweise in Fußnote Nr. 225 des 2. Kapitels (2.2.2). 103 Zur Haltung der Frankfurter s. Frank, Demokratie, S 17. Zum Wiederaufbau des Goethe-Hauses s. Balser, Aus Trümmern, S. 101-103; Gehebe-Gernhardt, Architektur, S. 67-71; Gehebe, Ringen, S. 259; Mandelkow, Goethe, S. 545-547; Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 43-45; von Beyme, Frankfurt a.M., S. 204f. 104 Dass die Hauptstadtfrage nach Überzeugung der Frankfurter noch nicht endgültig entschieden war, deuten Schreiben von Dr. Rudolf Kraft an, ein (nicht abgedruckter) Leserbrief an die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.8.1951 und ein Schreiben an Oberbürgermeister Kolb vom 3.1.1952. Wie die Zeitung hielt auch Kolb eine erneute Hauptstadtdebatte aber für inopportun, vgl. Schreiben von Dr. Rudolf Kraft, Darmstadt an den Oberbürgermeister von Frankfurt, Dr. Kolb vom 3.1.1951, Leserbrief Dr. Rudolf Krafts, Darmstadt an die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.8.1951; Schreiben Kolbs an Dr. Rudolf Kraft vom 11.1.1952, in: StadtA Frankfurt, Magistratsakte 3.620, fol. 79-83. 105 Aufruf von Oberbürgermeister Walter Kolb zum 18. März 1948, zitiert nach Balser, Aus Trümmern, S 87 und S. 94. Vgl. auch Meyer zu Knolle, Vertikale, S. 178; Balser, Aus Trümmern, S. 72 und S. 119f. 106 Der Bundesrechnungshof als Gegengewicht zur Paulskirche, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.9.1951, in: StadtA Frankfurt S6b/38, Nr. 549.
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Abbildung 4: Der Bundesrechnungshof, im Hintergrund die Paulskirche, der »Lange Franz« und der Kaiserdom, unten die Baustelle
Quelle: Bundesrechnungshof
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Was die Anlage anging: In dem Bemühen, die Dimensionen des Baus – immerhin 35.000 Kubikmeter umbauter Raum mit einer Bürof läche von 8071 Quadratmetern – zu verschleiern,107 hatten sich die Architekten für einen mit Flachdächern versehenen Stahlbetonskelettbau und gegen eine Blockrandbebauung und für ein Z-förmiges Gebäude entschieden.108 An einen in der Nord-Süd-Achse stehenden achtstöckigen Mitteltrakt schlossen sie nach Westen und nach Osten zwei leicht gegeneinander verschwenkte Seitentrakte an. Ebenfalls mit dem Hinweis auf die unmittelbare Umgebung setzte die Frankfurter Bauverwaltung allerdings Änderungen an dem ursprünglichen Entwurf durch:109 Das geplante »Novum«, der »gewächsartige Fahrstuhlschachtauf bau« auf dem Dach, wurde von Baudirektor Böhm erfolgreich bemängelt. Indem er, vor allem »unter dem Eindruck des abschreckenden Beispiels des Bayer-Hochhauses«, vor »derartigen ›dynamischen‹ Formgebungsexperimenten in luftiger Höhe eindringlich«110 warnte, erreichte er, dass der Auf bau für die Aufzüge überarbeitet und deutlich weniger betont wurde. Mit dem Argument, dass der geplante Bau eine zu starke »akzentgebende Wirkung«111 entfalte – seine Nähe zu Rathaus und Paulskirche also wirklich problematisch wurde –, erreichte die Bauverwaltung zudem, dass die Höhe des Gesamtgebäudes reduziert, konkret der Mitteltrakt um ein Stockwerk verringert wurde und die Seitentrakte um jeweils eins erhöht wurden. Das Gebäude hat da107 Auch deshalb wurde das Gebäude 1985 unter Denkmalschutz gestellt, s. Denkmalschutz für den Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.12.1982, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210. 108 Baubeschreibung Neubau Verwaltungsgebäude für den Bundesrechnungshof, 5.11.1952, in: Bauaktenarchiv Frankfurt a.M., Berliner Straße 51, Bd. III; vgl. auch die kompakte Beschreibung von Bredenbeck, Sparsamkeit, S. 130-134. Durch Umbau- und Sanierungsmaßnahmen weicht die heutige Gestalt des Gebäudes von der ursprünglichen ab: 1976/77 wurde das Kasino umgebaut, 1984 die Fassade saniert. Dabei wurde die Farbgebung verändert, außerdem wurden Kunststofffenster eingesetzt. Auch deshalb wurde der Bau unter Denkmalschutz gestellt, dazu und zu den Hintergründen s. Bredenbeck, Sparsamkeit, S. 138. 109 Das lassen jedenfalls die Presseberichte vermuten, vgl. Neubau des Bundesrechnungshofs, in: Frankfurter Rundschau vom 12.8.1951; Der Bundesrechnungshof als Gegengewicht zur Paulskirche, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.9.1951; Richtfest am Großen Kornmarkt, in: Frankfurter Rundschau vom 15.4.1953, alle in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 110 Vermerk Baudirektor Boehm vom 16.10.1952, s. auch das Schreiben Boehms an den Regierungspräsidenten als höhere Bauaufsichtsbehörde in Wiesbaden über das Staatsbauamt vom 30.1.1953, beide in: Bauaktenarchiv Frankfurt a.M., Berliner Straße 51, Bd. III. Auch der Architektenbeirat der Stadt kritisierte den geplanten Dachaufbau, Stellungnahme des Architektenbeirats vom 12.11.1952, in: ebd. Zu vermuten ist, dass Boehm sich an dem den Gesamteindruck prägenden, auskragenden Flachdach des 1952 nach Plänen von Stefan Blattner errichteten Bayer-Haus störte. 111 Doris Schmidt, Der Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. S. auch Der Neubau des Bundesrechnungshofs in Frankfurt, in: Frankfurter Rundschau vom 21.1.1953, in: ebd.
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her »nur« eine Höhe von 26,5 beziehungsweise 17,5 Metern und wirkte und wirkt damit deutlich kompakter und weniger spannungsvoll als ursprünglich geplant.112 Weniger erfolgreich war die Bauverwaltung allerdings, als sie versuchte, Änderungen an der für Frankfurt neuen Außengestaltung des Gebäudes zu erreichen. Gegenüber der von Baudirektor Böhm geäußerten Vermutung, dass »mit einer so offenbaren Stilwidrigkeit« wie dem angesprochenen Dachauf bau (vergeblich) versucht werden sollte, die »schon fast etwas zu nüchterne Tektonik der Hauptmassen des Bauwerks«113 zu mildern, verwiesen die Architekten auf die beschränkten finanziellen Mittel und verteidigten so ihren Entwurf. Bei der Stahlbetonskelettstruktur wurde, wie geplant, auf jede irgendwie geartete Plattenverkleidung verzichtet,114 sodass auch beim Bundesrechnungshof – und, wie gesagt, neu für Frankfurt – das Raster die Fassade ganz unmittelbar strukturierte. Das Grundelement bildet dabei ein querrechteckiges, durch eine Betonstrebe geteiltes Feld mit einer Feldweite von 4,20 Metern. Die je vier Fenster bestanden ursprünglich aus Eisen, die »ohne Anschlag in die Laibung eingesetzt«115 wurden (der untere Teil stand fest, der obere war als Schwingf lügel ausgestaltet). Ausgefacht wurde das Skelett mit gemauerten Brüstungen (die Fensterbrüstungen bestanden aus TVG-Material, die Fensterbänke aus Naturstein), die mit Spaltklinkern mit einer senkrechten Riffelstruktur belegt wurden. Weil sie dieses Grundmodul variierten, machten die Architekten die Struktur und Gliederung des Gebäudes zudem von außen erkennbar: Die mit Glasbausteinen ausgemauerten Felder markierten das Treppenhaus, größere Fenster das Archiv und den Speisesaal, paarige Bull-
112 So auch Doris Schmidt, Der Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. Eine Ahnung, wie das Gebäude in seiner ursprünglichen Fassung hätte wirken können, vermittelt die Abbildung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 4.9.1951, in: ebd. Der Bau hätte damit klar zu den Hochhäusern gehört, die in Frankfurt zwar zahlreich errichtet wurden, aber umstritten blieben und insbesondere von Herbert Boehm kritisch beäugt wurden. Dazu vgl. Meyer zu Knolle, Vertikale; Müller-Raemisch, Frankfurt a.M., S. 47-52, Rodenstein Hochhausseuche, bes. S. 22-31; dies., Wolkenkratzer oder Hochhäuser – zwei Typen der Stadtentwicklung, Forschung Frankfurt 4/2002, S. 22-30, abrufbar unter www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/36050194/Wolkenkratzer_22-31. pdf, abgerufen am 12.5.2016; von Beyme, Frankfurt a.M., S. 211f. 113 Vermerk Baudirektor Boehm vom 16.10.1952, s. auch das Schreiben Boehms an den Regierungspräsidenten als höhere Bauaufsichtsbehörde in Wiesbaden über das Staatsbauamt vom 30.1.1953, beide in: Bauaktenarchiv Frankfurt a.M., Berliner Straße 51, Bd. III. 114 Schreiben der Architekten Werner Dierschke und Friedel Steinmeer an die Bauaufsichtsbehörde der Stadt Frankfurt vom 3.3.1953, in: Bauaktenarchiv Frankfurt a.M., Berliner Straße 51, Bd. III. Das Schreiben war eine direkte Reaktion auf das oben erwähnte Schreiben Boehms an den Regierungspräsidenten. 115 Baubeschreibung Neubau Verwaltungsgebäude für den Bundesrechnungshof, 5.11.1952, in: Bauaktenarchiv Frankfurt a.M., Berliner Straße 51, Bd. III.
3. Der Bundesrechnungshof in Frankfurt am Main
augenfenster die Toiletten und ein kastenartig vorspringender Betonrahmen den großen Sitzungssaal (Abbildung 5). Abbildung 5: Die Fassade des Bundesrechnungshofs
Quelle: Bundesrechnungshof
Die Leichtigkeit der Fassadengestaltung wurde noch durch die zahlreichen (mehr als 1100) Fenster des Gebäudes unterstützt sowie durch die filigranen Geländer und Loggien im obersten Geschoss, wie sie auch das BKA und viele in dieser Zeit errichteten Gebäude kannten. Sie wurde auch im Inneren fortgesetzt:116 In »besserer Ausführung hergestellt[e]«117 Türen führten in eine großzügig dimensionierte Eingangshalle, deren Fußboden mit Naturstein (und nicht wie sonst mit Estrich und Linoleum) belegt wurde,118 und in der schwingende, fast schwebende Linien116 Zum Gebäudeinneren und seiner zeitgenössischen Wahrnehmung vgl. Doris Schmidt, Der Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 117 Die Türen der Windfänge und Flurabschlüsse wurden in Eichenholz mit Drahtglas ausgeführt, s. Baubeschreibung Neubau Verwaltungsgebäude für den Bundesrechnungshof, 5.11.1952, in: Bauaktenarchiv Frankfurt a.M., Berliner Straße 51, Bd. III. 118 Auch bei den anderen Eingängen wurden die Fußböden in Naturstein gefertigt, Doppelwände kennen nur die Räume des Präsidenten, Vizepräsidenten und Direktoren. Alle Innenwände wurden mit Binderfarbe, alle Decken mit Leimgarbe »in hellen Tönen« gestrichen, s. ebd.
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führungen dominierten: Hier befand sich nicht nur das »schwungvoll gekrümmte Treppenhaus«119 (Abbildung 6), das das Gebäude erschloss, sondern auch das zentrale (und noch zu behandelnde) Kunstwerk des Baus, ein großes Sgraffito des Darmstädter Künstlers Eberhard Schlotter120 mit seiner freien und beschwingten Anlage (Abbildung 7). Abbildung 6: Das Treppenhaus im Eingangsbereich des Bundesrechnungshofs
Quelle: Bundesrechnungshof
119 Doris Schmidt, Der Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 120 Der Maler und Grafiker Eberhard Schlotter (1921-2014) war an der Akademie der Bildenden Künste München ausgebildet worden und hatte sich 1941 an der Großen Deutschen Kunstausstellung beteiligt. Im selben Jahr waren seine auf einer Ausstellung in seiner Heimatstadt Hildesheim gezeigten Werke als »entartet« angegriffen, Schlotter daraufhin zur Wehrmacht eingezogen und in der Sowjetunion eingesetzt worden. Nach Verwundung und Kriegsgefangenschaft baute er sich seine (künstlerische) Existenz in Darmstadt auf, wurde oft im Rahmen der »Kunst am Bau« beauftragt und orientierte sich stärker in Richtung der modernen Malerei. Der Freund des Schriftstellers Arno Schmidt starb 2014 in Spanien. Zum ihm http://eberhard-schlotter-stiftung.celle.de/K%C3%BCnstler, abgerufen am 19.7.2016; Hans Reinhardt, Eberhard Schlotter – Kunst am Bau 1950-1958, Wilhelmshaven 1991, S. 12. Zur Kontroverse, die sein Sgraffito für den Bundesrechnungshof provozierte s. Kapitel 3.2.1.2.
3. Der Bundesrechnungshof in Frankfurt am Main
Abbildung 7: Das Sgraf fito im Eingangsbereich des Bundesrechnungshofs
Quelle: Bundesrechnungshof
Nicht nur die Gutachterkommission lobte die Leichtigkeit des Gebäudes des Bundesrechnungshofs. Ähnlich wie das BKA wurde der Neubau in Fachzeitschriften besprochen, in architektonischen Publikationen (exemplarisch) vorgestellt121 und auch außerhalb der Fachwelt positiv aufgenommen: Die »grazile«122 Form und die Transparenz des Gebäudes wurde in der Tagespresse hervorgehoben. Und noch heute gilt der Bundesrechnungshof nicht nur als typischer, sondern als ausgesprochen überzeugender Bau der frühen 1950er Jahre und als Beispiel für die »›charakteristische, zurückhaltend-farbige und feingliedrig-qualitätsvolle Architekturauffassung‹«123 dieser Zeit. Wie begründet solche Einschätzungen und Urteile waren, zeigen auch Vergleiche: 1954/55 wurde das unmittelbar an den Rechnungshof anschließende 121 Vgl. zum Beispiel Giefer u.a. (Hg.), Planen und Bauen; Sitte/Leuschner, Stein, S. 41. 122 Moderner Zweckbau in der Innenstadt, in: Frankfurter Neue Presse vom 30.10.1952, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 123 Denkmalschutz für den Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.12.1982, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210. S. auch die zustimmende Bewertung von Ulrich Adolphs, Eine »glückliche Entsprechung zur Paulskirche« – der Bundesrechnungshof, in: Detlev Janik (Hg.), Hochhäuser in Frankfurt: Wettlauf zu den Wolken, Frankfurt a.M. 1995, S. 25f.
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»Haus des Handwerks« errichtet. Deutete schon der Name eine traditionalistischere Orientierung an, machte die Gestaltung sie offensichtlich: Mit seiner werksteinverkleideten Fassade und einem Satteldach (gegen die sich die Frankfurter Bauverwaltung vergeblich zur Wehr zu setzen versuchte124), knüpfte der Bau an Gestaltungselemente an, die in den 1930er Jahren üblich gewesen waren. Auch vom BKA unterschied sich der Bundesrechnungshof. Etwas salopp formuliert, war die Entschlossenheit, auf große Gesten, auf jeden Eindruck von Monumentalität, zu verzichten, in seinem Fall stärker ausgeprägt. Zwar betonen beide Gebäude die Eingänge von außen nicht – sie waren weder an einer herausgehobenen Stelle untergebracht, noch wurden sie in der Fassadengestaltung fortgesetzt. Beim Bundesrechnungshof wurde er nur durch eine kleine, wenn auch steinmetzmäßig behandelte, Treppe, angezeigt, die ihrerseits nur mit einem schmalen, auf schlanken Stützen ruhenden Vordach versehen wurde. Der Bundesrechnungshof brach aber weit deutlicher (und bewusster) mit Symmetrien und Axialitäten. Auch der Gesamteindruck ist ein anderer: Kann man beim BKA von einer harmonischen Gewichtung von Horizontalität und Vertikalität sprechen, überwiegt beim Bundesrechnungshof erstere: Die Fenster sind zwar hochformatig, aber in Fensterbändern angeordnet, wodurch die Vertikalität gerade nicht betont wird. Weil diese Fensterbänder – und nicht wie beim BKA Lisenen – die Fassade prägen, dominiert zudem die Fläche oder die Flächigkeit. Während das BKA also, wenn auch in milder und »freundlicher« Weise, die kubische Form betont und damit (auch) massiv, statisch und »wuchtig« wirkt, verzichtet der Bundesrechnungshof auf jeden Eindruck von Plastizität, von Masse oder Massigkeit und von Körperlichkeit125 – und damit auf Elemente, die klassischerweise Hierarchien, Autorität, Macht(ausübung) und (staatliche) Herrschaft anzeigten und zum Ausdruck brachten. Eine solche Zurückhaltung lässt sich auch in anderer Weise beobachten: Zwar war es durchaus zeittypisch, dass alle Hinweise darauf, dass der Bundesrechnungshof als eine oberste Bundesbehörde eine zentrale Einrichtung des 124 Sie konnte lediglich erreichen, dass das Dach weniger steil ausfiel, vgl. dazu die Auszüge aus der Niederschrift der Dezernatskonferenz vom 11.10.1955, vom 18.10.1955 und vom 24.10.1955; die Vermerke des Stadtplanungsamts zum Bauantrag für das Verwaltungsgebäude vom 8.12.1955 und vom 22.12.1955, alle in: Bauaktenarchiv Frankfurt a.M., Berliner Straße 51-55, Bd. V. Vgl. auch Bredenbeck, Sparsamkeit, S. 126 und, in dieser Arbeit, Fußnote Nr. 99. Lustigerweise übernahm der Bundesrechnungshof das Gebäude 1970/71, beide Bauten wurden durch Wanddurchbrüche verbunden, s. dazu Bredenbeck, Sparsamkeit, S. 138. Zum heutigen, ebenfalls konservativeren, Gebäude des Bundesrechnungshofs, dem 1953/54 nach Plänen von Josef Trimborn errichteten ehemaligem Dienstgebäude des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen vgl. ebd., S. 140-142 sowie Kapitel 4.3. 125 Vgl. auch die Gestaltung des Continentalgebäudes, dessen Betonfachwerk, Meyer zu Knolle zufolge, durch die Auflösung der »schweren Wand« einer Traditionslinie der Neuen Sachlichkeit folgte, s. Meyer zu Knolle, Vertikale, bes. S. 298-300.
3. Der Bundesrechnungshof in Frankfurt am Main
(neuen) Staates war, sehr dezent ausfielen (vor dem Gebäude befindet sich eine Plastik eines stilisierten Adlers126 und am Äußeren des Gebäudes ließen sich die heraldischen Farben erkennen127). Weniger typisch war aber die Anordnung einiger wichtiger Räumlichkeiten: Brachte Herbert Rimpl die Direktionsräume prominent hinter der Loggia unter und hob sie so baulich hervor, befanden sie sich im Bundesrechnungshof zwar an zentraler Stelle (im ersten Obergeschoss des Mitteltrakts, in unmittelbarer Nähe der Haupttreppe), waren in der Fassade aber nicht erkennbar. Hinter der Loggia lag vielmehr das allen Mitarbeitern zugängliche Kasino. Das baulich betonte Obergeschoss war also nicht der Amtsleitung und ausgewählten, »wichtigen« Besuchern vorbehalten, sondern stand, wie bei einigen Gebäuden der Klassischen Moderne, allen Beschäftigten des Rechnungshofs offen, also, wenn man so will, der arbeitenden Gesamtbevölkerung. Die Höhe und die Möglichkeit, einen »panoramatischen Blick […] auf die Stadt«128 zu werfen, hatten im Fall des Bundesrechnungshofs also weniger eine repräsentative als eine integrative Funktion und Bedeutung. Zwar war auch eine solche »Vergesellschaftung« der Höhe (Meyer zu Knolle)129 nicht gänzlich unüblich130 und ergab sich im Fall des Bundesrechnungshofs sicher auch daraus, dass bei ihm – und anders als beim BKA – kaum mit internationalem Besuch zu rechnen war, die von Rimpl angesprochene Repräsentation also tatsächlich eine geringere Rolle spielte. Gleichzeitig war sie aber, das lässt sich jedenfalls vermuten, eine Aussage und (als solche) ein Anliegen und/oder Markenzeichen der beteiligten Architekten: Das von Dierschke mitentworfene und bereits mehrfach erwähnte Verwaltungsgebäude der Continental in Hannover zeichnete sich nicht nur durch eine ähnliche Lösung aus. Der Verzicht auf die bauliche Betonung der Hierarchie wurde auch von dem die Einweihungsrede haltenden Rudolf Hillebrecht gelobt131 – und von dem im Wettbewerb unterlegenen Konstanty Gutschow (vermutlich kritisch)
126 Über den Künstler, Hans-Oskar Wissel, ist nur bekannt, dass er 1925 als Sohn des Metallplastikers und Lehrers an der Kölner Kunstakademie, Hans Wissel, geboren wurde. 127 Dazu s. Bredenbeck, Sparsamkeit, S. 133. 128 So die Formulierung von Herbert Rimpl in seiner Ansprache anlässlich der Einweihung des BKA, s. Albrecht, Dienst, S. 82f., hier S. 83. 129 S. dazu Meyer zu Knolle, Vertikale, S. 306. 130 Zu Beispielen vgl. etwa Krieger, Wiederaufbau-Wettbewerb, S. 135-165, bes. S. 141 und 147. 131 Diesen Aspekt hob Hillebrecht in seiner Ansprache zur Einweihung des Continental-Gebäudes besonders hervor, s. Meyer zu Knolle, Vertikale, S. 288-293 und S. 380-384. Dagegen ging auch Friedrich Wilhelm Kraemer davon aus, dass die Direktionsräume besonders zu positionieren seien, s. Kraemer, Bauten, S. 316.
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thematisiert.132 Jedenfalls suchte Rudolf Wolters133 seinen ehemaligen Kollegen Gutschow mit dem Hinweis zu trösten, dass der »›Gedanke des abgesonderten Direktoriumsgebäudes […] etwas Hierarchisches, Ordnendes, Über- und Unterordnendes‹«134 habe und deshalb »›genau das‹« sei, »›was der Architekt sucht, wenn er ein Programm in die Finger bekommt‹«. Dem zeitgenössischen Bauherrn sei das aber nicht (mehr) zu vermitteln, er sei einfach nicht »›der Ordnende‹«, der er eigentlich sein müsse. Wolters fügte hinzu, dass der der »›Konzeption Hitler-Speer‹« zugrundeliegende Gedanke, »›so zu bauen, daß man ein kleines Direktionsgebäude an die Nord-Süd-Achse postiert und mit gebührendem Abstand im Hintergrund die Verwaltungskaserne der Beamten‹«, der Gutschow unter »›anderen Vorzeichen, aber ebenso richtig vor[ge]schwebt‹« habe, »›in letzter Zeit‹« nur »›sehr selten verwirklicht worden‘“sei. Damit machte er direkt deutlich, mit welchen (wichtigen) Kontinuitäten Dierschke brach, und welche Bedeutung einem solchen Bruch bei staatlichen Gebäuden zukommen konnte.
3.3 Die Wahrnehmung und Einordnung des Bundesrechnungshofs 3.3.1 Die Auseinandersetzung mit dem Gebäude 3.3.1.1 Das Gebäude in der Wahrnehmung der Presse Wie das BKA war auch der Bundesrechnungshof – als Gebäude wie als Institution – Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzung. Und auch im Fall des Bundesrechnungshofs berichteten vor allem die lokalen Zeitungen über den Bau und taten das zumeist in einer freundlichen, begleitenden und beschreibenden Weise.135 Dass das auch daran lag, dass auch die Frankfurter Redakteure mehrheit132 Konstanty Gutschow (1902-1978) hatte sich wie Herbert Rimpl während der nationalsozialistischen Herrschaft profiliert. Er plante den Ausbau Hamburgs zur »Führerstadt« und war, als Stellvertreter von Rudolf Wolters, der eigentliche Leiter des von Albert Speer eingesetzten »Arbeitsstabes für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte«. Wegen seiner exponierten Position verboten ihm die Alliierten nach dem Krieg, für öffentliche Auftraggeber tätig zu werden. Als selbstständiger Architekt übernahm er allerdings zahlreiche Bauaufträge und prägte mit seinen stadtplanerischen Ansätzen den bundesdeutschen Wiederaufbau mit. Zu ihm vgl. Durth, Deutsche Architekten, S. 508 und passim; Krieger, Wiederaufbau-Wettbewerb, passim, bes. S. 39-52; Sylvia Necker, Vom »räumlichen Gelenk«. Zu den Hamburger »Führerstadtplanungen« Konstanty Gutschows, in: Seidl (Hg.), Raumtypen, S. 99-110. 133 Zu Rudolf Wolters vgl. die Nachweise in Fußnote Nr. 153 der Einführung. 134 Durth, Deutsche Architekten, S. 342. Von dort sind auch die folgenden Zitate. 135 Artikel über den Bundesrechnungshof erschienen hauptsächlich in der Frankfurter Rundschau, der Frankfurter Neuen Presse und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Frankfurter Rundschau erschien seit dem 1.8.1945 als Lizenzzeitung. Herausgegeben wurde sie von Arno Rudert (1897-1954) und Karl Gerold (1906-1973), einem der profiliertesten Journalisten
3. Der Bundesrechnungshof in Frankfurt am Main
lich keine Experten für Architektur und vertiefte Auseinandersetzungen mit dem Gebäude entsprechend schwierig waren, kann deshalb vermutet werden, weil hier eine »Gegenprobe« möglich ist: Mit Doris Schmidt verfügte die Frankfurter Allgemeine Zeitung über eine ausgewiesene Kunst- und Architekturkritikerin, deren Artikel sich, was Ausführlichkeit, Meinungsfreudigkeit und Sachkunde anging, denn auch deutlich von denen ihrer Kollegen unterschieden.136 Exemplarisch zeigte sich das in der Auseinandersetzung mit der erwähnten, vor dem Gebäude positionierten Skulptur Hans Oskar Wissels: Die Feststellung Schmidts, das »Gestänge der Flügel« lasse die »graphischen Elemente nachklingen […], mit denen die Außenfassaden des Rechnungshofes gegliedert sind«137, war ebenso berechtig wie eine Ausnahme. Die meisten anderen Zeitungen versuchten, aus der Not der fehlenden Expertise eine Tugend zu machen und die Plastik bewusst und humoristisch aus einem Laienstandpunkt heraus einzuordnen: Der Adler firmierte dann als »›Hungergeier‹«, dessen »große[…] Krallen« das »›einnehmende[…] Wesen‹«138 des Bundesrechnungshofs kennzeichneten oder schlicht als »›Bundeskuckuck‹«139. und Herausgeber in der jungen Bundesrepublik (er wurde nach dem Tod Ruderts der alleinige Herausgeber). Sie pflegte ein dezidiert links-liberales Profil. Ihr konservatives Gegenstück, die Frankfurter Neue Presse, erschien seit dem 15.4.1946 ebenfalls als Lizenzzeitung, der alleinige Verleger war Hugo Stenzel. Seit dem 1.11.1949 erschien dann auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung, sie ging auf eine Initiative der Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (Wipog), eines Unternehmerverbandes zurück. Einer ihrer einflussreichsten und wegen seiner Aktivitäten während des Nationalsozialismus umstrittensten Gründungsherausgeber war der Journalist und Publizist Paul Sethe (1901-1967), der die Zeitung 1955 wegen Adenauers Deutschlandpolitik verließ. Vgl. dazu Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 400. Zur grundsätzlich zukunftsorientierten Ausrichtung und daher freundlichen Haltung der Presse gegenüber Neubauten s. auch Giese, Imagepolitik, S. 26. 136 Doris Schmidt (1918-2008) arbeitete zuerst als Dolmetscherin und wechselte 1941 in den Journalismus. 1943/44 nahm sie ein Studium auf, das sie aber zunächst nicht abschloss. Von 1945 bis 1951 arbeitete sie als Sekretärin im Städelschen Kunstinstitut und in der Städelschen Galerie Frankfurt a.M., dann als Kunstkritikerin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Ab 1950 studierte sie Kunstgeschichte und wurde 1958 in München promoviert. Danach arbeitete sie zunächst im musealen Bereich und ab 1961 als Kunstkritikerin für die Süddeutsche Zeitung. Zu ihr vgl. http://gesichter-des-dka.gnm.de/content/mdc_person80ef, abgerufen am 20.7.2016; Der Schwung der Präzision. Zum Tod der Kritikerin Doris Schmidt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5.9.2008. 137 Doris Schmidt, Der Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 138 Frankfurter Rundschau vom 2.6.1966, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210. Vgl. auch Dieser Adler (Bildunterschrift), in: Bremer Nachrichten vom 10.3.1959, in: StadtA Frankfurt S 6b/38 Nr. 549. 139 So die Bildunterschrift unter einem Foto der Skulptur in dem Artikel von H. C. Franz, Herr Mayer zählt die Pfennige, in: Christ und Welt vom 20.5.1954, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. Die evangelisch-konservative Wochenzeitung Christ und Welt war 1948 von Eugen Gerstenmaier ins Leben gerufen worden. Sie entwickelte sich insbesondere unter Giselher Wirsing (1907-1975),
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Ebenfalls ähnlich wie die Wiesbadener berichteten auch die Frankfurter Zeitungen über das entstehende Gebäude vor allem in Anknüpfung an zentrale und augenfällige Ereignisse wie an die Entscheidung im Wettbewerb, die Errichtung des Bauzauns, das Richtfest und natürlich die feierliche Eröffnung am 19. November 1953. Und auch hier dominierte die lokale Perspektive. Wie für die Gutachterkommission und die Bauverwaltung war die Nähe des Rechnungshofs zu den alten Gebäuden und die Bedeutung des Baus für die »Altstadt-Silhouette«140 für die Frankfurter Zeitungen das entscheidende Kriterium. Gerade die Frankfurter Allgemeine Zeitung zeigte sich hier allerdings skeptisch. Sie bezeichnete das Gebäude, relativ neutral, als »Gegengewicht zur Paulskirche«, referierte die Überzeugung der Gutachterkommission von der Güte des Entwurfs lediglich – und resümierte, nicht »ganz verhehlen« zu können, »daß es uns etwas bedenklich erscheint, ein so hohes Bauwerk in unmittelbarer Nähe der Altstadttürme aufragen zu lassen.« Die »Silhouette Alt-Frankfurts« und damit »das einzige, was uns von dieser Altstadt noch einigermaßen geblieben ist«, werde dadurch jedenfalls »nicht gewinnen«141. Andere Zeitungen waren optimistischer und schilderten den geplanten Neubau, ganz im Sinne der städtischen Verwaltung (und, vielleicht, entsprechender Pressemitteilungen), nicht als Konkurrenz, sondern als harmonische Ergänzung: Die Frankfurter Rundschau wollte ihn gerade in seiner Modernität als ästhetisch überzeugendes Gegengewicht und gelungene Überleitung vom Rathaus zur anschließenden Bebauung an der Weißfrauenstraße und um das Schauspielhaus verstanden wissen.142 Auch für die Frankfurter Neue Presse brachte das Gebäude einen »neuen Effekt im Straßenbild« und bildete ein neues, »bewußt im Gegensatz zu der Rathaus-Architektur«143 stehendes Stilelement. seit 1954 Chefredakteur und Nachfolger von Klaus Mehnert, zu einer der auflagenstärksten und einflussreichsten Zeitungen. Wegen der nationalsozialistischen Vergangenheit und des rechtskonservativen Engagements vieler Beteiligter, neben Wirsing vor allem auch Paul Karl Schmidt (1911-1957), dem ehemaligen Pressechef Ribbentrops, wurde sie insbesondere von US-amerikanischer Seite immer wieder misstrauisch beäugt. Die Zeitung fusionierte später mit dem katholischen Rheinischen Merkur, zu ihr s. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 269, S. 400-402. 140 Der Bundesrechnungshof als Gegengewicht zur Paulskirche, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.9.1951, in: Stadtarchiv Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. S. auch den Artikel Bauprojekt Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Neue Presse vom 10.9.1952, in: ebd. 141 Der Bundesrechnungshof als Gegengewicht zur Paulskirche, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.9.1951, in: Stadtarchiv Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 142 Der Neubau des Bundesrechnungshofs in Frankfurt, in: Frankfurter Rundschau vom 21.1.1953; Richtfest am Großen Kornmarkt, in: Frankfurter Rundschau vom 15.4.1953, Vgl. auch die Unterzeile des Artikels »Neubau des Bundesrechnungshofs«, in: Frankfurter Rundschau vom 12.8.1952, alle in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 143 Moderner Zweckbau in der Innenstadt, in: Frankfurter Neue Presse vom 30.10.1952, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549; vgl. auch Behörde mit Argusaugen, in: Frankfurter Neue Presse vom 18.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210.
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Dieser freundliche, zustimmende Ton sollte sich durchsetzen. In der weiteren Berichterstattung der Zeitungen erschien die Errichtung des Bundesrechnungshofs als unproblematische Angelegenheit. Wie in Wiesbaden war die Grundstimmung positiv und die Darstellung in der Regel neutral und beschreibend.144 Die Zeitungen referierten die Anlage (die Z-Form), die Konstruktion (den Stahlbetonskelettbau) und die Größe des Gebäudes. Deutlicher als ihre Wiesbadener Kollegen konzentrierten sie sich dabei auf die sachliche Ebene und führten zum Beispiel einzelne bauliche Entscheidungen weniger auf ästhetische Gründe zurück.145 Auch waren sie noch vorsichtiger, wenn es darum ging, das Gebäude insgesamt oder in Details grundsätzlich einzuordnen. Selbst so zaghafte Ausf lüge in die Metaphorik, wie Doris Schmidt einen wagte, als sie den Blick aus dem Obergeschoss mit dem »von der Kanzel eines Schiffes aus«146 verglich, oder die erwähnten, zusammenfassenden Urteile waren selten. Sofern die Zeitungen das Gebäude überhaupt insgesamt charakterisierten, wählten sie »konf liktfreie« Begriffe. In der Regel bezeichneten sie es als »neuartig«147 oder »modern«, wobei diese Adjektive sich primär auf die Konstruktion (also nicht auf die Gestaltung) bezogen, und beließen es dabei148: Urteile wie das der Frankfurter Rundschau, das Haus werde »ein ganz moderner Bau mit f lachem Dach und sichtbarem Stahlbetongerippe«149 waren abschließende Feststellungen und leiteten keine näheren Erörterungen ein, also etwa Vergleiche mit anderen aktuell entstehenden Gebäuden oder Würdigungen der modernen Architektur insgesamt, ihrer Genese und Prinzipien. In etwas anderer Weise als die Wiesbadener Zeitungen gingen die Frankfurter auch mit Fragen nach einer eventuellen Bedeutung des neuen Gebäudes um – beziehungsweise blendeten diese Fragen in einer etwas anderen Weise aus: Die erwähnten, zumeist humoristischen Einordnungen der Adler-Plastik waren nahezu die einzigen Hinweise darauf, dass es sich bei dem Gebäude um das einer 144 Beispielhaft: Im Frühjahr bezugsfertig, in: Frankfurter Neue Presse vom 4.9.1951; Richtkrone über dem Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.4.1953, Verwaltungs-Richtkränze (Bildunterschrift), in: Wiesbadener Kurier vom 6.4.1953, alle in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 145 Zum Beispiel wurden die zahlreichen Fenster mit der Notwendigkeit vieler Einzelbüros erklärt, s. Bauprojekt Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Neue Presse vom 10.9.1952, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 146 Doris Schmidt, Der Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 6b/38 Nr. 549. 147 Behörde mit Argusaugen, in: Frankfurter Neue Presse vom 18.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210. 148 Ähnliches hat Stephanie Warnke für den Umgang der Berliner Presse mit Neubauten festgestellt, s. Warnke, Stein, S. 87. 149 Neubau des Bundesrechnungshofs, in: Frankfurter Rundschau vom 12.8.1952, in: Stadtarchiv Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549.
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obersten Bundesbehörde handelte.150 (Wenn die Zeitungen die Farbigkeit des Gebäudes lobten, äußerten sie sich nicht dazu, dass es sich um die heraldischen Farben der Bundesrepublik handelte.) Vor allem aber stand der Zweckcharakter des Rechnungshofgebäudes im Mittelpunkt – beziehungsweise rückte in den Mittelpunkt: Anders als die Wiesbadener Zeitungen, die, wie geschildert, das BKA immer wieder als monumentalen und repräsentativen Bau bezeichneten, ordneten die Frankfurter Zeitungen den Bundesrechnungshof nur am Anfang in dieser Weise ein (und beschrieben ihn als »ein weiteres großes Repräsentativgebäude moderner Bauart«151 oder als eines der »repräsentativsten Gebäude der Altstadt«152). Je weiter die Zeit voranschritt, desto mehr betonten die Zeitungen stattdessen die Funktionalität des Neubaus, hoben hervor, dass er kein »Luxusbau«, sondern reiner »Zweckbau ohne Repräsentation«153 sei. Bei der feierlichen Einweihung am 19. November 1953 war diese Linie dann gefestigt: Das Fehlen jeder »betont kostbare[n] Ausstattung« oder besondere[r] große[r] Räumlichkeiten«154 wurde durchgängig betont und Sparsamkeit und Funktionalität als entscheidende Kennzeichen des Gebäudes vorgestellt. Gerade Doris Schmidts Feststellung, dass weder »im Treppenhaus des Hauptbaus« noch in der Eingangshalle »Raum verschwendet« werde und die Einrichtung der Büros und des Sitzungssaales »von imponierender Einfachheit«155 sei, wurde sozusagen kanonisch (und entsprechend oft zitiert). Diese immer klarer werdende Einordnung des Rechnungshofs als sparsamer Zweckbau hatte, so kann vermutet werden, zum einen etwas mit der Frankfurter Situation zu tun. Ein Gebäude von der Größe des Bundesrechnungshofs hatte, wie erwähnt, anders als in Wiesbaden Anfang der 1950er Jahre in Frankfurt keinen Seltenheitswert. Zudem, auch das wurde bereits beschrieben, konnte die hessische Landeshauptstadt den Zuzug des BKA eher als echten »Zugewinn« betrachten, demgegenüber »behielt« Frankfurt »nur« eine der Behörde der jun150 Vgl. dazu die Nachweise in den Fußnoten Nr. 138 und 139. Zu ähnlichen Beobachtungen für Berlin s. Warnke, Stein, bes. S. 83 und S. 87. 151 Bauprojekt Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Neue Presse vom 10.9.1952, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 152 Der Neubau des Bundesrechnungshofs in Frankfurt, in: Frankfurter Rundschau vom 21.1.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 153 Moderner Zweckbau in der Innenstadt, in: Frankfurter Neue Presse vom 30.10.1952, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 154 Farbenfrohe Harmonie belebt das neue Haus, in: Frankfurter Rundschau vom 20.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210. Vgl. auch die Hinweise auf die sparsame Innenausstattung, in: Moderner Zweckbau in der Innenstadt, in: Frankfurter Neue Presse vom 30.10.1952, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 155 Doris Schmidt, Der Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549.
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gen Bundesrepublik, deren Hauptstadt es vergeblich hatte werden wollen. Möglicherweise wurde der Bundesrechnungshof deshalb ohnehin neutraler, wenn nicht kritischer beäugt und geriet schneller als das BKA in Wiesbaden in den Verdacht, überf lüssig, zu teuer und zu luxuriös zu sein.156 Jedenfalls war die in der Kontroverse um das Bundeshaus ausgeprägte Überzeugung, dass »Architektur-Professoren […] eben nicht nur gern in Formen und Linien, sondern auch in Geld [schwelgen]«157, in Frankfurt offenbar schneller aktivierbar. Zudem und mit dem gerade Gesagten direkt zusammenhängend scheinen die Verantwortlichen des Frankfurter Baugeschehens Neubauten, und hier gerade Verwaltungsbauten, generell eher nüchtern betrachtet und weniger als Wert an sich, als mehr in ihrer Bedeutung für die städtische Wirtschaft und Gesellschaft thematisiert zu haben. In den Feierlichkeiten, wie sie in Frankfurt aus Anlass von Richtfesten und Einweihungen geplant und ausgerichtet wurden, dominierten sozioökonomische Gesichtspunkte jedenfalls ganz klar. Beim Richtfest des Bundesrechnungshofs konzentrierte Heinrich Schütz (von der FAAG) seine Rede beispielsweise darauf, dass 120 Arbeitskräfte beteiligt und viele Aufträge an »Flüchtlingsfirmen«158 und Berliner Unternehmen hätten vergeben werden können, was auch von der Presse aufgenommen wurde. Lag das vielleicht auch in der Natur eines Richtfestes, lassen sich ähnliche Schwerpunktsetzungen bei den Eröffnungsfeiern anderer Frankfurter Verwaltungsbauten greifen,159 schon weil bei diesen, ganz anders als bei der Einweihung des BKA in Wiesbaden, die Architekten selten bis nie zu Wort 156 Ein Leserbrief, allerdings aus Berlin, attestierte dem Neubau des Rechnungshofs, wegen seiner Größe sogar repräsentativer als Bauten aus der Kaiserzeit zu sein, s. Zu viel Repräsentation (Berlin) [Zuschrift], in: Ost-West-Kurier vom September 1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 157 Willkommen, Herr Mayer!, in: Main-Echo vom 15.3.1952, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. Das Main-Echo erschien seit dem 24.11.1945 als Lizenzzeitung, der Chefredakteur war August Gräf. 158 Richtfest am Großen Kornmarkt, in: Frankfurter Rundschau vom 15.4.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38, Nr. 549. Vgl. auch die Hervorhebung, dass der Bundesrechnungshof keinesfalls zu einer »Belastung des Frankfurter Wohnungsmarktes« führen werde (da die Beamten schon in der Stadt wohnten) in: Moderner Zweckbau in der Innenstadt, in: Frankfurter Neue Presse vom 30.10.1952, in: ebd. 159 Vgl. dazu die Stichworte für die Rede Walter Kolbs bei der Einweihung des Verwaltungsgebäudes für ernährungswirtschaftliche Stellen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der Adickesallee, die ebenfalls die Einhaltung des Kostenvoranschlags und der Termine und die Beschäftigung von Flüchtlingen betonte, Notiz für die Rede des Herrn Oberbürgermeisters am 19.7.1952, in: StadtA Frankfurt, Magistratsakte 3.620, fol. 69f., und die mehr als knappen Aussagen zur Architektur bei der Einweihung des Neubaus der Bundesanstalt für Flugsicherung, s. Stichpunkte für die Ansprache des Herrn Oberbürgermeisters anlässlich der Einweihung und Übergabe des Neubaus der Bundesanstalt für Flugsicherung am Opernplatz, in: StadtA Frankfurt, Magistratsakte 3.620, fol. 407f.
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kamen: Bei den Planungen für die Eröffnung des Verwaltungsgebäudes für die Flugsicherung am Frankfurter Opernplatz musste die Institution darauf dringen, dass der planende Architekt, Alfred Winkler, überhaupt eingeladen und von dem Oberbürgermeister in dessen Rede wenigstens erwähnt wurde.160 Gleichzeitig hatte die Betonung des sparsamen Zweckcharakters auch etwas mit dem Bundesrechnungshof als Institution und seiner Identität zu tun. Denn Sparsamkeit oder Sorge um Sparsamkeit war auch ein entscheidender Teil des (Selbst-)Bilds des Rechnungshofs. Schon beim Richtfest hatte der Vertreter des Bundesfinanzministeriums, als er sich für den Neubau bedankte, angemerkt, dass dieser »von der Schlichtheit und Einfachheit einer Behörde zeugen solle«161. Diese Einordnung setzte sich zwar durch (und/oder wurde von der Behörde, je näher die Einweihungsfeier rückte, bewusst lanciert): Anlässlich der Einweihung stellte Doris Schmidt fest, es spreche für den »Geist dieser Behörde«, dass bei dem Bau des Amtsgebäudes »die mit vier Millionen DM angesetzten Kosten gerade knapp erreicht worden«162 seien. Allerdings geschah das nur andeutungs160 Vermerk der Stadtkanzlei vom 18.12.1953 betr. Die Einweihung des Neubaus des Verwaltungsgebäudes für die Flugsicherung am Opernplatz, in: StadtA Frankfurt, Magistratsakte 3.620, fol. 339-341; Schreiben der FAAG an OB Kolb vom 15.12.1953, in: ebd., fol. 366; Vermerk der Pressereferentin Knoll vom 19.1.1954, in: ebd., fol. 411. 161 Richtfest am Großen Kornmarkt, in: Frankfurter Rundschau vom 15.4.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 162 Doris Schmidt, Der Bundesrechnungshof, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. Vgl. auch Dieter Schröder, Der gefürchtete Frankfurter Rotstift, in: Süddeutsche Zeitung vom 30.12.1958, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. (Die Süddeutsche Zeitung erschien seit dem 6.10.1946 als Lizenzzeitung, Lizenznehmer waren August Schwingenstein (1881-1968), Edmund Goldschagg (1886-1971) und Franz Josef Schöningh (1902-1960). Chefredakteur war von 1951 bis 1960 Werner Friedmann (1909-1969), der Gründer der Deutschen Journalistenschule.) Der Artikel führte die kleinen Arbeitszimmer als Beleg für die beim BRH geübte Sparsamkeit an. Tatsächlich standen den meisten der 400 Mitarbeiter nur zehn, den leitenden Beamten 20 und dem Präsidenten 25 Quadratmeter zur Verfügung. Allerdings war das weniger ein Ergebnis bewusster Entscheidungen der Institution. Präsident Mayer hatte im Vorfeld durchaus versucht, mit Verweisen auf die für die Arbeit notwendigen umfangreichen Aktenbestände größere Büros durchzusetzen, war damit aber gescheitert. Vgl. dazu: Aktenvermerk vom 18.7.1951, in: StadtA Frankfurt, Stadtkämmerei 2.195; Vermerk der Baugruppe BMF betr. Neubau Bundesrechnungshof über die Besprechung des Projekts am 31.3.1952 vom 2.4.1952, in: BArch B/157/3066, fol. 122f.; Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofs an den BMF betr. Neubau des Bundesrechnungshofs vom 16.4.1952, in: ebd., fol. 134. Darauf dass solche Versuche keine Seltenheit waren, deutet eine ähnliche Auseinandersetzung hin, die sich bei der Errichtung des Deutschen Bundespatenamts entspann, vgl. dazu: BArch B/157/3728, fol. 369-371; Schreiben von Unterabt. II/A/4 BMF an II/D/2 BMF vom 6.5.1955, in: ebd., fol. 397; Vermerk Deutsches Patentamt München, Raumbedarf vom 18.1.1956, in: ebd., fol. 50; Schreiben des BPA an das BMJ vom 19.1.1960, in: ebd., fol. 177-180. Auch weil solche Konflikte nicht öffentlich wurden, hatte die Presse allerdings keinen Grund, an den (Eigen-)
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weise, ohne breitere Erläuterungen – und ohne dass Institution und Architektur in eine ganz unmittelbare Beziehung gesetzt worden wären. In dieser Hinsicht markierte die Einordnung des Bundesrechnungshofs durch die Frankfurter Zeitungen also einen Mittelweg zwischen dem, was in Wiesbaden beobachtet wurde – wie geschildert, thematisierten die dortigen Zeitungen einen eventuellen Zusammenhang von Gebäude und Institution überhaupt nicht, wogegen Herbert Rimpl genau diese Frage zum Ausgangs- und Mittelpunkt seiner umfassenden Darlegungen macht und den neuen Gebäuden gerade wegen ihrer »programmatische[n] Unterdrückung« der Repräsentation eine repräsentative Kraft zumaß.163 Die Linie der Frankfurter Zeitungen sah dagegen so aus: Wenn der Rechnungshof und sein Gebäude in ihren Augen auch gleichermaßen auf Sparsamkeit und Zweckrationalität verpf lichtet waren, kam das, zugespitzt gesagt, weniger direkt in der Gestaltung des Neubaus zum Ausdruck als in den (seine Entstehung bestimmenden) Handlungen und Entscheidungen. Dass die Frankfurter Zeitungen die Nähe zwischen dem sparsamen Bau und der Institution des Rechnungshofs nicht offensiver betonten, liegt sicher an ihrer grundsätzlich zurückhaltenden Art der Berichterstattung. Gleichzeitig gibt es aber Hinweise darauf, dass das Gebäude im Hinblick auf das (Selbst-)Bild des Rechnungshofs, auf seine Tradition und Identität Unsicherheiten und Schwierigkeiten aufwerfen konnte – und dass die zurückhaltende, aber doch fassbare Art und Weise, wie die Frankfurter Zeitungen, Gebäude und Institution in Beziehung setzten, diese ref lektierte.
3.3.1.2 Das Gebäude in der Wahrnehmung der Vertreter von Politik, Staat und Institution Dass eine Einordnung des Gebäudes von Problemen begleitet werden konnte, wird im Zusammenhang mit der Einweihungsfeier greif bar: Obwohl das einzuweihende Gebäude und die Behörde gleichermaßen auf Sparsamkeit und Schlichtheit bezogen werden konnten und, wie beschrieben, in der Presse ansatzweise auch bezogen wurden, hieß das nicht, dass die Redner dem Neubau grundsätzlich oder gar enthusiastisch begegneten. Ästhetische Vorbehalte formulierte beispielsweise der Ministerialdirigent im Bundespräsidialamt und langjährige Vertraute Theodor Heussʼ, Hans Bott, in einem privaten Schreiben an den (ihm wohl persönlich bekannten) Stadtamtmann und persönlichen Referenten Walter Kolbs, Hans Lohne. Bott bezeichnete das Gebäude als »immense[n] Zementbau«, der, so vermutete er, die vielen bei der Einweihung anwesenden »Bundeskoryphäen«164 Aussagen zu zweifeln und Nüchternheit und Sparsamkeit des Gebäudes nicht als augen- und sinnfälligen Ausdruck des Selbstverständnisses der Institution anzusehen. 163 Welzbacher, Staatsarchitektur, S. 12. 164 Schreiben von Ministerialdirigent Hans Bott an Stadtamtmann Hans Lohne vom 13.11.1953, in: StadtA Frankfurt, Magistratsakte 3.620, fol. 325. Zu Hans Bott und seiner langjährigen Tätig-
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an sich wenig interessiere. Ob eine solche ästhetisch motivierte Skepsis gegenüber dem Neubau auf seinen »Chef«, den Bundespräsidenten Theodor Heuss zutraf, ist unklar. Allerdings attestierte Heuss dem Architekten, eine »der Zukunft zugewandte Phantasie« nur »durch eine Nebentür«165 hereingelassen zu haben, woraus nicht eben helle Begeisterung sprach. Zudem äußerte sich Heuss in seiner Rede überhaupt nicht weiter zu architektonischen Fragen, was angesichts seiner Expertise möglich gewesen wäre: Heuss war Geschäftsführer des Deutschen Werkbunds gewesen,166 hatte eine Biografie des neusachlichen Architekten Hans Poelzig verfasst und trat des Öfteren als Verteidiger moderner Architektur in Erscheinung. (Allerdings war er dabei aber nicht unkritisch – und sich bewusst, in welche Wespennester er mit Parteinahmen stechen konnte. So lehnte er nicht nur regelmäßig Bitten ab, sich zu Bauvorhaben zu äußern zu nehmen, sondern verweigerte sich 1953 auch einer Stellungnahme im erwähnten Bauhaus-Streit.167) Blieb also offen, wie Heuss Haltung zu dem Gebäude letztlich aussah und motiviert war, sah es bei einem weiteren Redner, Fritz Schäffer, etwas anders aus. Auch der Bundesfinanzminister schwieg zwar zu dem von ihm mit eingeweihten Gebäude, sein Schweigen lässt sich aber, bei aller gebotenen Vorsicht, als ein beredtes interpretieren:168 Zum einen begann er seine Ansprache mit einer mindestens melancholischen Reminiszenz an das alte Potsdamer Gebäude:
keit für Theodor Heuss s. Radkau, Heuss, S. 340f. Walter Kolb bezeichnete, ebenfalls in einem nicht öffentlichen Schreiben, die »architektonische Gestaltung« immerhin als »bemerkenswert[…]«, Schreiben von Oberbürgermeister Kolb an den Präsidenten des BRH vom 8.12.1953, in: StadtA Frankfurt, Magistratsakte 3.620, fol. 331. 165 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 6 [der Rede Heussʼ]. Heuss bezog sich dabei auf das umstrittene Hauptkunstwerk des Hauses, das Sgraffito Eberhard Schlotters, zu diesem Konflikt s.u. und Fußnote Nr. 194. 166 Zum Deutschen Werkbund s. (statt aller) Durth/Sigel, Baukultur, S. 78-106 und passim; zu ihm und zu Heussʼ Tätigkeit s. auch Welzbacher, Staatsarchitektur, S. 26-32. Zu Heussʼ Beschäftigung mit Hans Poelzig s. Theodor Heuss, Hans Poelzig. Bauten und Entwürfe eines deutschen Baumeisters, 1939, Nachdruck Stuttgart 1985. Zu Poelzig s. Fußnote Nr. 244 des 2. Kapitels (2.2.2). 167 Zu Heussʼ Haltung zu zeitgenössischen Bauten vgl. Becker, Heuss, S. 363-367; Stock, Verfassung, S. 283. (Vgl. auch das Vorwort, das Heuss für den erwähnten 1960 unter anderem von Alois Giefer herausgegebenen Band über die bundesdeutsche Nachkriegsarchitektur verfasst hat, Giefer, Planen.) Zu seiner Weigerung, im Bauhaus-Streit Partei Walter Gropius zu ergreifen, vgl. den Entwurf einer entsprechenden Bitte Paul Klopfers vom 16.[7?].1953 und die Antwort Heuss vom 20.7.1953, beide abgedruckt in Conrads u.a., Bauhaus-Debatte, S. 199-201. 168 Schäffers Schweigen einzuordnen ist deshalb nicht ganz leicht, weil er dafür bekannt war, seine Reden frei zu halten (s. dazu Henzler, Schäffer, S. 452). Ob er also wirklich, wie hier vermutet, sachliche Gründe für sein Schweigen gegenüber dem Neubau hatte oder ob es ihm an Expertise fehlte, kann nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden.
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»In der Stunde, in der man eine neue Arbeitsstätte und ein neues Heim betritt, hat man in seinem Herzen nicht nur vielleicht die Freude und den Stolz über einen gegenwärtigen Erfolg […] man lässt seine Gedanken auch zurückschweifen an die Häuser der früheren Arbeitsstätten, die früheren Heime.« 169 Ließen die Zuhörer nun, wie von Schäffer vorgeschlagen, »Bilder der Vergangenheit und der Erinnerung« in sich »aufsteigen«170 – an den Rechnungshof des Deutschen Reiches in der Potsdamer Dortusstraße, den viele der Anwesenden sicherlich aus eigener Anschauung kannten –, mussten sie sich zwangsläufig des Gegensatzes bewusst werden. Denn der sparsame und funktionale Neubau war in mehr als einer Hinsicht das Gegenteil des äußerst repräsentativen, wuchtigen, in der Anlage wie in der Fassadengestaltung an die barocke Schlossarchitektur angelehnten Gebäudes, das zwischen 1904 und 1907 vom Postbaurat Waltz und dem Postbausekretär Nicolaysen errichtet worden war.171 Zum anderen nahm Schäffer, als er am Schluss seiner Rede ankündigte, auf den Neubau, auf »das Äußere, das Gebäude«172, zu sprechen zu kommen, gerade nicht zu gestalterischen Fragen Stellung. Stattdessen beschränkte er sich darauf, festzuhalten, dass der Neubau sowohl aus funktionalen (Effektivitäts-)wie aus finanziellen Gründen geboten gewesen und fristgerecht fertiggestellt worden sei. Während der Bundespräsident in seiner Rede das Gebäude und seine Gestaltung also gar nicht berührte, schien Schäffer solche Fragen bewusst in den Hintergrund zu rücken – Sachnotwendigkeiten, deren pünktliche Erfüllung und die Sparsamkeit, die der Bund bei der Errichtung des Amtsgebäudes unter Beweis gestellt hatte, waren das, was für den Bundesfinanzminister an dem Bau erwähnenswert war. Wieder anders verfuhr der Präsident des Bundesrechnungshofs, Josef Mayer in seiner Rede – und brachte eine gewisse Distanz zum Gebäude offen zum Ausdruck: Zwar lobte er die »würdige, sachgemäss und schön eingerichtete Stätte«173. Er merkte aber auch an, dass es ihm und seinen Mitarbeitern »nicht gerade leicht 169 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 1 [der Rede Schäffers]. 170 Ebd. 171 Das Gebäude in der Dortusstraße 30-34 in Potsdam beherbergt heute eine Außenstelle des Bundesrechnungshofs. Es ist ein dreieinhalbgeschossiger Bau, der mit seinen zwei vorspringenden Seitenrisaliten und einem mit Säulen und Schweifgiebel betonten Mittelrisalit eine Dreiflügelanlage andeutet. Damit und mit seinen rustifizierten Untergeschossen, den mit Pilastern, Säulen und zum Teil mit Fensterverdachungen ausgestatteten Obergeschossen, dem mit Gauben versehenen Mansardendach und den vor dem Gebäude positionierten überlebensgroßen Sandsteinfiguren (Personifikationen der »Glückliche Stunde« und des »Überflusses«), lehnt es sich an die barocke Schlossarchitektur an. Zum Gebäude s. Bredenbeck, Sparsamkeit; Paul Sigel u.a., Architekturführer Potsdam, Berlin 2006, S. 23. 172 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 5 [der Rede Schäffers]. 173 Ebd., S. 1 [der Rede Mayers].
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gefallen« sei, sich mit dem Bau anzufreunden, »zumal in dieser ehrwürdigen historischen Umgebung« sei er zunächst »ungewohnt modern«174 erschienen. Zudem stellte er fest, dass es den Architekten zwar in Ansätzen gelungen sei, »uns zu ihm zu bekehren«, der »Eine oder Andere mit dieser oder jener Einzelheit aber noch nicht recht warm geworden« sei und sich der Rechnungshof daher »Mühe geben« wolle, »auf dem Weg der Bekehrung fortzuschreiten«175. Offen war Mayer auch (und vor allen Dingen), wenn es um die Gründe für seine Distanz gegenüber der modernen Gestaltung ging. Dabei bezog er sich zwar nicht direkt auf das Gebäude, sondern auf das erwähnte Sgraffito des Darmstädters Eberhard Schlotter,176 das aber als zentrales und im Wettbewerb im Rahmen des Programms »Kunst am Bau«177 mit dem ersten Preis bedachtes Kunstwerk in einem ganz unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gebäude stand. Dieses Wandbild, an dessen Auswahl er beteiligt gewesen war,178 kritisierte der Präsident des Bundesrechnungshofs ebenso unumwunden wie öffentlich und löste damit einen in der Presse vielbeachteten Eklat aus.179 Die Leichtigkeit, Heiterkeit und mitunter Verspieltheit des großen Wandbildes, die freie und beschwingte Linienführung und die betont f lächige, bunte und dekorative Darstellungsweise, die aus Schlotters Auseinandersetzung mit dem Kubismus, Fauvismus und Matisse resultierte, war nicht jedermanns Fall; auch Doris Schmidt kritisierte sie als »geschmäcklerisch«180. Mayer lehnte die sorglos bis arkadisch anmutenden Szenerien aber weniger aus ästhetischen Gründen ab, sondern weil sie, für ihn, dem Selbstverständnis und der Identität des Bundesrechnungshofs diametral widersprachen: Ebenso brüsk wie öffentlich erklärte er, die »Begriffe Potsdam und Rechnungshof [seien] untrennbar miteinander verbunden«, der »Sinn dessen, was Potsdam gerade in Beziehung auf den Rechnungshof« bedeute, sei von dem Sgraffito aber »in keiner Weise erfasst«181 174 Ebd., S. 5 175 Ebd. 176 Zu Schlotter s. Fußnote Nr. 120. 177 Zur Kunst am Bau s. Claudia Büttner, Geschichte der Kunst am Bau in Deutschland, Berlin 2011, hg. vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), bes. S. 44-71 (Abbildungen des Sgraffitos auf S. 45-48). 178 So Büttner, Geschichte, S. 64. Zum Auswahlverfahren s. ebd., S. 48f. und S. 51f. 179 Vgl. z.B. den Artikel Der Wandschmuck, in: Frankfurter Rundschau vom 13.2.1954, in: StadtA Frankfurt S 6/b 38 Nr. 549. Sogar eine süddeutsche Regionalzeitung brachte ein Bild der beanstandeten Darstellung und schilderte den Konflikt, s. Schwarzwälder Bote vom 25.11.1953, in: ebd. 180 Eine ganz ähnliche Kritik betraf die Bauten des Architekten Oscar Niemeyer, Reinhardt führt sie auf eine »bauhäuslerisch« inspirierte Abneigung gegen freie und schwingende Linienführung zurück. Vgl. Reinhardt, Schlotter, S. 12. 181 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S 5 [der Rede Mayers]. Ähnlich äußerte sich Mayer auch in einem Schreiben an den Architekten Friedel Steinmeyer vom 9.12.1953, es ist zitiert in Büttner,
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worden. Dieses verkannte seiner Ansicht nach vielmehr (und insbesondere) völlig, dass »Geist und Arbeit der Potsdamer Kontrollbehörden«182 primär von der »Härte der preussischen Staatsauffassung« geprägt (und dass diese »Härte« ihrerseits von dieser Arbeit mit geformt) worden war: Wenn Schlotter mit seinem als Stadtplan lesbaren Hintergrund aus unregelmäßigen Farbfeldern, auf den er wichtige Bauten und genrehafte bis verspielte Szenen aus dem friderizianischen Potsdam gesetzt hatte, das Verhältnis zwischen »Potsdam« und Rechnungshof als historisches und geografisches begriff, missdeutete er es und verkannte seine prinzipielle identitätsstiftende Qualität und die Tatsache, dass es nach wie vor Bestand hatte. Von welcher Bedeutung die »preußische Identität« des Bundesrechnungshofs – und das diese Identität missinterpretierende Sgraffito – für Mayer war, zeigten die weiteren Geschehnisse. Zwar konnte Mayer (erst) vom Finanzministerium davon abhalten werden, das Sgraffito zur Gänze hinter einem Vorhang verschwinden zu lassen.183 Aber er sorgte dafür, dass besonders anstößige Darstellungen – wie etwa eine »Dame aus dem angedeuteten Schäferszenen-Motiv«, die der Frankfurter Rundschau zufolge mehr als zum Rechnungshof »in die Umgebung von Schloß Rheinsberg« zu passen schien, und die etwas »zu balletteusenhaft« geratenen »Waden« eines »Potsdamer Grenadier[s]« – durch »rein architektonische Motive ersetzt«184 wurden. Vor allem aber »degradierte« Mayer das Sgraffito, indem er einen Gobelin anfertigen und im Sitzungssaal auf hängen ließ, der doppelt so teuer war wie das Sgraffito und die tradierte Identität sozusagen im doppelten Sinne bewahrte: Der Wandteppich, ein klassisches Medium absolutistischer (Selbst-)Repräsentation,185 zeigte den preußischen Adler und zitierte den Ausspruch Friedrichs II. »Man wird sagen, die Rechnungen langweilen mich. Ich erwidere: das Wohl des Staates erfordert, daß ich sie nachsehe und in diesem Falle darf mich keine Mühe verdrießen«.186 Damit war die Tatsache, dass als BeGeschichte, S. 66. 182 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 6 [der Rede Mayers]. 183 S. dazu Büttner, Geschichte, S. 66f. 184 Der Wandschmuck, in: Frankfurter Rundschau vom 13.2.1954, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 185 S. dazu (statt aller) Charlotte Steinbrucker, Bildteppich (Bildwirkerei, Gobelin), in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. II (1940), Sp. 707-740; in: RDK Labor, URL: www.rdklabor. de/w/?oldid=89199, abgerufen am 6.8.2018. 186 Vgl. die Abbildung des Gobelins bei Bredenbeck, Sparsamkeit, S. 134. Vgl. auch Dieter Schröder, Der gefürchtete Frankfurter Rotstift, in: Süddeutsche Zeitung vom 30.12.1958, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549; Wilfried Salinger, Das Argusauge des Bundesrechnungshofs, in: Die Neue Zeitung vom 28.3.1953, in: ebd. Die Neue Zeitung war eine der bedeutendsten Zeitungen im Nachkriegsdeutschland. Sie erschien von 1945 bis 1955 zunächst in München, dann mit einer eigenen Ausgabe in Berlin und ab 1949 mit einer eigenen Ausgabe in Frankfurt. Letztere fusio-
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zugspunkt für das (Selbst-)Verständnis des Bundesrechnungshofs das aufgeklärte, absolutistische Preußen zu gelten hatte, konkret: dass ein unlösbarer, wechselseitiger Zusammenhang zwischen einer institutionalisierten Rechnungsprüfung und dem preußischen bürokratisch-rationalen Staat bestand, in aller Eindeutigkeit zum Ausdruck gebracht. Allerdings wurde die Anschaffung des Gobelins offenbar nicht als öffentlichkeitswirksames Ereignis inszeniert. Ob das Zufall war oder ob die Kosten nicht öffentlich thematisiert werden sollten und/oder weil der Teppich als Ausdruck der »inneren« Gesinnung des Rechnungshofs, seines Ethos, zu verstehen war (er wurde im »Innersten«, den Besuchern nicht ohne Weiteres zugänglichen Teil des Gebäudes aufgehängt), ist dabei nicht zu rekonstruieren. Eine weitere Erklärung für das Ausbleiben von Feierlichkeiten (und vielleicht für die gerade erwähnte Tatsache, dass der Gobelin gerade nicht öffentlich zugänglich war), ist allerdings, dass die Eindeutigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der Josef Mayer den Bundesrechnungshof in die preußisch-staatliche Tradition einordnete, nicht allgemein geteilt wurde. Das galt weniger für die zweite, die staatliche Ebene: Wenn Mayer die Sorge des Rechnungshofs um »Gewissenhaftigkeit« und »Gründlichkeit«, um den »Sinn für unbedingte Sauberkeit in der Verwaltung«187 und deren Bedeutung für das Gemeinwesen, für dessen Ordnung, Funktionieren und letztlich für dessen Verständnis, in den Mittelpunkt rückte, plädierte er für ein sachliches, objektives, rationales Staatshandeln (und indirekt gegen alle Formen charismatischer Herrschaft),188 – und traf, wie noch erläutert werden wird, den zeitgenössischen Nerv. Weit weniger galt das aber, wenn er diese Orientierung klar und eindeutig auf die preußische Tradition und Prägung zurückführte. Diese war für Mayer und nierte 1953 mit der Münchner Ausgabe, ab 1953 erschien sie nur noch in Berlin. Herausgegeben wurde sie von der US-amerikanischen Information Control Division (als Organ zur »politischen Umerziehung«). Die Qualität ihrer Berichterstattung war außerordentlich hoch, sie orientierte sich an der kritischen US-amerikanischen Presse und die Liste ihrer Autoren liest sich wie das Who is who der deutschen Politik- und Literaturszene der Nachkriegszeit, vgl. https://de.wiki pedia.org/wiki/Die_Neue_Zeitung, abgerufen am 16.3.2016; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, S. 268. 187 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 6 [der Rede Mayers]. 188 Indirekt wandte sich Mayer damit auch gegen die Inanspruchnahme Preußens durch die Nationalsozialisten, s. dazu Jürgen Mirow, Das alte Preussen im deutschen Geschichtsbild seit der Reichsgründung, Berlin 1981, S. 180-230; Andreas Thier, Preußen in der deutschen Rechtsgeschichte nach 1945, in: Hans-Cristof Kraus (Hg.), Das Thema »Preußen« in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik vor und nach 1945, Berlin 2013, S. 293-317. Ob Mayer dabei auch die Versuche der Weimarer Republik vor Augen hatte, das neue Gemeinwesen über eine Integration des nüchternen preußischen Staatsgedanken zu legitimieren, ist unklar, vgl. dazu Welzbacher, Staatsarchitektur; Laurenz Demps, Die Wilhelmstraße, in: Stiftung Topographie des Terrors (Hg.), Die Wilhelmstraße 1933-1945. Aufstieg und Untergang des NS-Regierungsviertels, Berlin 2012, S. 157-160, bes. S. 159.
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für viele der für ihr elitäres Selbstbewusstsein bekannten Rechnungshof beamten189 evident, feststehend, konstitutiv – und, jedenfalls auf den ersten Blick, als Anknüpfungspunkt geeignet: Wenn Mayer die Institutionalisierung der Rechnungsprüfung als Reaktion auf strukturellen Mangel, auf die »[k]arge[n] Lebensbedingungen«190 in Preußen deutete und auf den legendären Präsidenten des Reichsrechnungshofs, Moritz Saemisch,191 verwies, der »in einer ähnlich schweren Zeit«, nach dem Ersten Weltkrieg, die »Methodik der Kontrolle den Erfordernissen der Zeit angepasst und dem ›wirtschaftlich richtigen Sparen‹ in der Verwaltung bahn gebrochen«192 habe, argumentierte er geschickt. Denn er knüpfte direkt an Erfahrungen und Gefühlslagen der Zeitgenossen an und beschrieb den Bundesrechnungshof auch als eine in der Gegenwart notwendige und legitime, ja als eine im unmittelbaren und pragmatischen gesamtgesellschaftlichen Interesse liegende Institution. Allerdings drang er damit nicht durch. Mit der »preußischen Identität« konkurrierte zum einen das – für die Frankfurter (Presse) wichtige – städtische Selbstbewusstsein, das Oberbürgermeister Kolb in seinem Grußwort ins Bewusstsein rief: Er legte dem Rechnungshof ausdrücklich die weltoffenere Haltung der Frankfurter ans Herz und plädierte damit indirekt genau für das, was Mayer kritisierte, nämlich dafür, die Beziehung zu Preußen als historische zu begreifen.193 Auch Bundespräsident Theodor Heuss deutete an, dass das tradierte Selbstverständnis des Rechnungshofs nicht völlig bruchlos weitergelten konnte, wenn er das Sgraffito verteidigte und erklärte, eine »sachliche Institution« wie der Rechnungshof brauche die erwähnte, »der Zukunft zugewandte Phantasie«194. Zum anderen war Preußen ein schwieriges Stichwort – und eines 189 Vgl. dazu Weinert, Sauberkeit, S. 61 f und Kapitel 1.4. 190 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 5 [der Rede Mayers]. 191 Zu Friedrich Ernst Moritz Saemisch (1869-1945) und zu seiner Bedeutung für die illegalen Finanzierungspraktiken der Reichswehr in der Weimarer Republik vgl. Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 101f. und passim; Weinert, Sauberkeit, S. 13-21, S. 57-61. Zu den Verwaltungsreformdebatten in der Weimarer Republik vgl. auch Peter Collin, Ökonomisierung durch Bürokratisierung. Leitkonzepte und Umsetzungsstrategien in der tayloristisch beeinflußten Verwaltungsreformdebatte der Weimarer Republik, in: ders./Klaus-Gert Lutterbeck (Hg.), Eine intelligente Maschine. Handlungsorientierungen moderner Verwaltung (19./20. Jh.), Baden Baden 2009, S. 217-231. 192 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 6 [der Rede Mayers]. 193 Der Bundesrechnungshof im neuen Heim, in: Frankfurter Neue Presse vom 20.11.1953; An der Paulskirche wird gerechnet, in: Volksstimme vom 28.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210. 194 S. Fußnote Nr. 165. Ähnlich äußerte sich der hessische Finanzminister Heinrich Troeger (19011975) in seinem Grußwort, s. Der Bundesrechnungshof im neuen Heim, in: Frankfurter Neue Presse vom 20.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210. Troeger brachte der (modernen) Architektur offenbar Interesse entgegen, am 10.10.1953 redete er auf der Jahrestagung des BDA in Wiesbaden, s. Conrads u.a., Bauhaus-Debatte, S. 214-218, bes. S. 218. Zu Troeger s. auch Fußnote Nr. 249.
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der heißesten Eisen der Nachkriegsdiskussionen. So stand die von Mayer und seinen Kollegen gepf legte positive Sicht auf Preußen zwar in einer starken Tradition in der preußisch-deutschen Geschichtsschreibung, aber im Widerspruch zu den Einschätzungen der Alliierten und deutscher Publizisten, die Preußen als Hort der Reaktion und des Militarismus verstanden und verstanden wissen wollten.195 Die Berichterstattung der allermeisten Zeitungen lässt sich daher auch als Versuch verstehen, in solche Auseinandersetzungen nicht hineingezogen zu werden. Artikel wie der aus der Zeitung Christ und Welt, der 1954 erklärte, man habe zwar »nach 1945 viel auf das Preußentum geschimpft, aber eine der Säulen des preußischen Staates, den Potsdamer Rechnungshof […] mit geradezu peinlicher Gewissenhaftigkeit auch in der Bundesrepublik wieder aufgebaut« und das »gewiß nicht bereut«196, waren jedenfalls eher die Ausnahme als die Regel. Weit überwiegend wurde der Rechnungshof zwar als Hort des »preußische[n] Geist[s] der Sparsamkeit und der Verwaltung«197 beschrieben, das aber nicht weiter ausgeführt und die Kritik Mayers an der (der Dignität des Rechnungshofs nicht gerecht werdenden) Verspieltheit des Sgraffitos eher im- als explizit geteilt.198 Diese Zurückhaltung in Sachen Preußen wurde zudem dadurch erleichtert, dass weder die Zeitungen noch die anderen Redner es als Bezugspunkt benötigten, um die der Behörde attestierte Sachorientierung, ihre Sorge für Sparsamkeit, Regelhaftigkeit und Nüchternheit zu entfalten. Sie konnten auch an ganz andere Gesichtspunkte anknüpfen – und taten das auch, was im Folgenden kurz dargestellt werden soll.
195 Diese Einschätzung lag bekanntlich der Auflösung Preußens durch das Alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25.2.1947 zugrunde. Zu zeitgenössischen Diskussionen um Preußen und ihren Implikationen vgl. Mirow, Preussen, S. 231-293; Hans-Cristof Kraus (Hg.), Das Thema »Preußen« in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik vor und nach 1945, Berlin 2013; Wolfgang Neugebauer (Hg.), Das Thema »Preußen« in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik des 19. und 20. Jahrhunderts, Berlin 2006. Vgl. auch Winkler, Weg, Bd. 2, S. 169-171. 196 H. C. Franz, Herr Mayer zählt die Pfennige, in: Christ und Welt vom 20.5.1954, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 197 Dieter Schröder, Der gefürchtete Frankfurter Rotstift, in: Süddeutsche Zeitung vom 30.12.1958; in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. Vgl. auch Wilfried Salinger, Das Argusauge des Bundesrechnungshofs, in: Die Neue Zeitung vom 28.3.1953; H. C. Franz, Herr Mayer zählt die Pfennige, in: Christ und Welt vom 20.5.1954, Bundes-Sparbüchse, in: Höchster Kreisblatt vom 17.10.1953, alle in: ebd. 198 Der Wandschmuck, in: Frankfurter Rundschau vom 13.2.1954, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549.
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3.3.2 Die Auseinandersetzung mit der Institution 3.3.2.1 Fritz Schäffer, Theodor Heuss und die Bedeutung der Finanzkontrolle für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie Wie gesagt: In der Auseinandersetzung mit dem Bundesrechnungshof als Institution stand dessen Sorge für Sparsamkeit und Regelhaftigkeit im Vordergrund. Die klare Sachorientierung und die Verpf lichtung auf Objektivität, die in Wiesbaden in Bezug auf das BKA so betont (und die in Form der Sparsamkeit, wie beschrieben, auch in der Beschäftigung mit dem Rechnungshofgebäude thematisiert) wurden, bestimmten also auch in Frankfurt die Ausrichtung der Auseinandersetzung und wurden hier zur umfassenderen Vorstellung von einem sachlichen, regelgeleiteten, berechenbaren, kurz: rationalen Staatshandeln verdichtet. Wie sehr und direkt der Rechnungshof mit dem Entwurf eines solchen Staatsbilds verknüpft wurde, zeigt schon ein oberf lächlicher Blick auf die Reden der beiden den Bundesrechnungshof einweihenden Amtsträger: Der Bundespräsident bezeichnete den Rechnungshof explizit als Indikator und Motor der »Rationalisierung des Staates«, der »Entwicklung des Staates zum sachlich-Zweckmäßige[n]«199. Ähnlich argumentierte Bundesfinanzminister Schäffer; er setzte allerdings andere Akzente als Theodor Heuss: Für Fritz Schäffer bildete die Bedeutung des Rechnungshofs für die junge Bundesrepublik den Mittelpunkt und die (grundgesetzlich fixierte) Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofs den Ausgangspunkt seiner Rede: Er hob hervor, dass der Bundesrechnungshof »wieder das geworden« sei, was »er sein will und sein soll«, nämlich »keiner Gewalt im Staat […], nur dem Gesetz« unterworfen, in seiner Tätigkeit »in keiner Weise« eingeschränkt und »Ratgeber der Gesetzgebung« und der »ausführenden Gewalt«200. Worauf genau Schäffer dabei abzielte, zeigte sich, als er den Bundesrechnungshof nicht nur, der zeitgenössischen Einordnung entsprechend, als »vierte
199 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 2f. [der Rede Heussʼ]. 200 Ebd., S. 2 [der Rede Schäffers]. Ergänzt wurde das durch Mayer, der an der Ernsthaftigkeit dieses Bekenntnisses keinen Zweifel lassen wollte. Ihm zufolge war sich gerade der Bundesfinanzminister der Bedeutung bewusst, die der Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofs für den Erfolg seiner Arbeit zukam. Dieses grundsätzliche Einverständnis hinderte die beiden Redner aber nicht daran, völlig entgegengesetzte Schlussfolgerungen zu ziehen: Während Schäffer erklärte, der Rechnungshof müsse die Sparsamkeit auch an sich selbst üben, betonte Mayer das staatliche Interesse an einer mit mehr Beamten einhergehenden vermehrten Kontrolle, s. ebd., S. 2 und S. 6-9 [der Rede Mayers] und S. 5 [der Rede Schäffers].
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Gewalt«201 bezeichnete, sondern als »ein Stück des rechtsstaatlichen Denkens«202 beziehungsweise wiedergewonnenen rechtsstaatlichen Denkens. Damit stellte der Bundesfinanzminister den Bundesrechnungshof in eine klare Traditionslinie und maß ihm (und seinen Vorgängern) eine gewisse Güte und einiges an Dignität zu – und legte die zeitgenössische Einschätzung, der zufolge gerade der Reichsrechnungshof als Bewahrer von Rechtsstaatlichkeit und rationalem, berechenbaren Staatshandeln zu gelten hatte, ebenso zugrunde wie er sie transportierte. Zum anderen ordnete er dadurch die Bundesrepublik ein, und zwar sehr grundsätzlich: Sie hatte mit der Errichtung des unabhängigen Bundesrechnungshofs den entscheidenden Schritt getan, um ein Rechtsstaat zu sein, also eines der, wie geschildert, wichtigsten und allgemein akzeptierten Ziele zu erreichen und den Bruch mit dem Nationalsozialismus manifest werden zu lassen. Letzteren sprach Schäffer, ganz anders als etwa Herbert Rimpl und die meisten Zeitungen, dabei offen an203 – angesichts seiner Biografie konnte er es sich, »leisten«, die Zeit von 1933 bis 1945 nicht mehr oder weniger gef lissentlich zu übergehen. Inhaltlich bestanden aber zumindest Parallelen zu Einschätzungen, wie sie der Architekt formulierte. Denn genauso eindeutig wie Schäffer zufolge eine (institutionalisierte) Rechnungsprüfung für Rechtsstaatlichkeit stand, charakterisierte ihr Fehlen den Nationalsozialismus – als Willkürsystem: Als rechtsstaatliche Institution sei der Reichsrechnungshof im Nationalsozialismus »etwas Fremdes«204, also systemwidriges, dieser daher keinesfalls rechtsstaatlich gewesen. Und die faktische Ausschaltung der Rechnungsprüfungsbehörde205 bewies für Schäffer klar – und vor allem –, dass dem »Hitler-Staat« der »Gedanke einer Einschränkung«, der der »Kontrolle der eigenen persönlichen Macht«, der »Gedanke der Gewaltenteilung von Natur aus fremd«206 gewesen sei. Demgegenüber stellte die Bundesrepublik, Schäffer zufolge, mit der Errichtung des unabhängigen Bundesrechnungshofs den (notwendigen) staatlichen Normalzustand wieder her, was auch bedeutete, dass der Nationalsozialismus 201 Die Bezeichnung, die auch Heuss verwendete, war zeittypisch und reflektierte die Schwierigkeiten, den Bundesrechnungshof in die klassische Gewaltenteilungslehre einzuordnen. Vgl. auch H. C. Franz, Herr Mayer zählt die Pfennige, in: Christ und Welt vom 20.5.1954, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. Deutlich distanzierter gegenüber dem Begriff hingegen Wilfried Salinger, Das Argusauge des Bundesrechnungshofs, in: Die Neue Zeitung vom 28.3.1953, in: ebd. 202 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 2 [der Rede Schäffers]. 203 Z. B. erwähnte Wilfried Salinger alle Stationen der Institutionalisierung der Rechnungsprüfung seit 1714, sprang aber von 1918 direkt in das Jahr 1945, s. Wilfried Salinger, Das Argusauge des Bundesrechnungshofs, in: Die Neue Zeitung vom 28.3.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 204 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 2 [der Rede Schäffers]. 205 S. dazu Fußnote Nr. 213. 206 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 2 [der Rede Schäffers].
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als Abweichung von diesem Normalzustand und als Bruch mit der eigentlichen staatlichen Tradition zu verstehen war. Das hieß zum einen, dass ein spezifisch »deutscher«, ein eigener und nicht korrumpierter »Bestand von Prinzipien und rechtlichen Regelungen«207 identifiziert (und aktiviert) werden konnte und zum anderen, dass der Nationalsozialismus mit einer im Ganzen positiv zu begreifenden Tradition gebrochen hatte, mithin nicht zu dieser Tradition gehörte. Mit einer unabhängigen Rechnungsprüfung und als Rechtsstaat stand die Bundesrepublik zudem nicht nur in dieser – eigentlichen deutschen – Tradition. Sie war damit auch »allen autoritären Staaten«208 entgegengesetzt und klar dem Westen zugehörig. Rechtsstaatlichkeit und Willkür waren also nicht nur entgegengesetzt. Sie ließen sich auch eindeutig den verschiedenen politischen Systemen zuordnen und beschrieben und kategorisierten diese: Im Sinne der Totalitarismustheorie konnten Nationalsozialismus und indirekt auch der Kommunismus einander zugeordnet und eindeutig auf der »falschen«, der Bundesrechnungshof, die »deutsche Rechtsstaatlichkeit« und die Bundesrepublik grundsätzlich auf der »richtigen Seite« der Geschichte verortet werden. Abgesehen davon, dass die Einweihung eines Dienstgebäudes kaum der richtige Ort war, um differenziertere oder gar kritischere Auseinandersetzungen zu beginnen, war vieles an Schäffers Darlegungen berechtigt und plausibel. Wie bereits beschrieben, konnte daran, dass der Nationalsozialismus den Rechtsstaat abgebaut oder unterminiert und in weiten Teilen durch ein Willkürsystem ersetzt hatte (und dass das eminente Bedeutung für die Theorie und Praxis des Systems gehabt hatte),209 kaum jemand Zweifel haben. Auch das Misstrauen, das gerade Hitler der regelgeleiteten, hierarchischen und auf Eigengesetzlichkeiten pochenden Verwaltung entgegenbracht hatte, war bekannt und vielfach belegt.210 Und als jemand, der den Nationalsozialismus nicht nur erlebt, sondern auch überlebt hatte, war sich Schäffer all dessen vermutlich mehr als andere bewusst. Wenn er die Bedeutung des Rechtsstaats und die des Rechnungshofs für diesen betonte, wollte er ersteren in der Bundesrepublik verankern und ihm – mit dem Bundesrechnungshof und der Verwaltung allgemein – ein starkes und allen Zweifeln enthobenes Fundament verschaffen. Diese klare – und als Versprechen für Gegenwart und Zukunft zu verstehende – Einordnung der Bundesrepublik als Rechtsstaat ging allerdings mit einer einseitigen und, wenn man so will, einhegenden Sicht auf die Vergangenheit einher. Denn tendenziell sprach Schäffer, insofern dem Zeitgeist und zum Beispiel den Äußerungen Rimpls entsprechend, die »normalen« Deut207 Stolleis, Sintflut, S. 637. 208 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 2 [der Rede Schäffers]. 209 Zu den (verschiedenen) juristischen »Konstruktionsversuchen« des »nationalsozialistischen Staates« s. Stolleis, Geschichte, Bd. 3, S. 316-341; ders., Leviathan. 210 S. dazu Eschenburg, Rückhalt, S. 77.
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schen, die deutsche Geschichte und speziell die tradierten staatlich-politischen und gesellschaftlichen Strukturen weitgehend von jeder Verantwortung frei (und stellte sich damit in direktem Gegensatz zu den Überzeugungen, die die Alliierten der Entnazifizierung zugrunde gelegt hatten211): Wenn Schäffer die Willkürherrschaft in Hitler konzentriert sah, entsprach das der damals gängigen, personalisierten (und alle anderen tendenziell entlastenden) Sichtweise. Auch seine Bemerkung, dass der Rechnungshof nur deshalb nicht formal aufgehoben worden sei, weil das »zuviel Aufsehen«212 verursacht hätte, wies in diese Richtung: In ihr klang nicht nur die in den 1950er Jahren gleichfalls populäre These an, nach der die deutsche Bevölkerung von Hitler/den Nationalsozialisten getäuscht worden war und eigentlich mehrheitlich für eine tradierte Staatlichkeit optiert hatte. Mit der grundsätzlichen Entgegensetzung von tradierter Rechnungsprüfung/Rechtsstaatlichkeit und nationalsozialistischer Willkür wurde außerdem unterschlagen, wie unterschiedlich Ausmaß und Art der nationalsozialistischen Eingriffe in die tradierte Verwaltung, ihre Struktur und ihr Personal gewesen waren – und allen Fragen nach spezifisch »deutschen Ursachen«, nach der Rolle und Bedeutung von Verwaltung und Beamtenschaft und anderer überkommener (institutioneller) Strukturen und Eliten für die Durchsetzung der nationalsozialistischen Herrschaft vorgebeugt:213 Schäffer begriff den Rechtsstaat schließlich nicht nur als den eigentlichen (und erklärten) Gegner des Nationalsozialismus. In seinen Augen waren die Anwälte (oder Inkarnationen) des Rechtsstaats, zu denen an vorderster Front die Rechnungsprüfungsbehörden gehörten, zwar ausgeschaltet, nicht aber »kontaminiert« worden. Diese mussten daher als notwendiger und legitimer Ausgangspunkt für die Wiederrichtung der (rechts-)staatlichen Ordnung betrachtet werden. Für Schäffer, und ganz anders als für Rimpl, war Willkür also weniger als illegitimer, subjektiver Gestaltungswille, sondern eben als Negation von Rechtsstaatlichkeit zu verstehen – und ihre Überwindung weniger als Auf bruch in eine gänzlich »neue« Zeit (Posthistoire), die sich in jeder Hinsicht von jeder Vergangenheit unterschied, sondern als Rückkehr zu bekannten, »richtigen«, erprobten und bewährten Zuständen.
211 Bernd Stövers bündiger Formulierung zufolge war der Nationalsozialismus für die Alliierten eine »groß angelegte Verschwörung gegen den Weltfrieden«, an der alle Segmente der deutschen Gesellschaft beteiligt gewesen waren, s. Stöver, Bundesrepublik, S. 47. 212 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 2 [der Rede Schäffers]. 213 Zum RRH im Nationalsozialismus vgl. Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 104-184; Rainer Weinert, Wie ein »Veilchen im Verborgenen« – Der Rechnungshof des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg, in: Pirker (Hg.), Rechnungshöfe, S. 51-76. Vgl. auch Stefan Fisch, Willkür und Regelhaftigkeit. Personal und Organisation des Reichswirtschaftsministeriums im Dritten Reich, in: Albrecht Ritschl (Hg.), Das Reichswirtschaftsministerium in der NS-Zeit. Wirtschaftsordnung und Verbrechenskomplex, Berlin/Boston 2016, S. 18-75, hier S. 41-43.
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Mit einer solchen Sicht auf die Dinge stellten sich, wie in der Einführung geschildert, nahezu zwingend Fragen nach Wesen und Bedeutung von Gesellschaft und Demokratie, also nach »Größen«, die in der jungen Bundesrepublik und ihren Debatten ohnehin außerordentlich wichtig waren. Diesen ging der Bundesfinanzminister auch nicht aus dem Weg, im Gegenteil. Seinen Ansatzpunkt bildete der seit 1945 vieldiskutierte Begriff der Republik,214 also die Eigenbezeichnung des west- wie des ostdeutschen Teilstaats: Für den Bundesfinanzminister war der Bundesrechnungshof »in erster Linie mit berufen, für den Gedanken der res publica im Staatsleben zu stehen und insofern ein Verbündeter, Freund und Berater aller mit den gleichen Gedanken«215. Diese res publica verstand Schäffer dabei weniger formal, als neutrale Bezeichnung der Staatsform, denn als inhaltlichen, ja normativen Begriff und feststehende politische Konzeption, nämlich als öffentliches Gemeinwesen beziehungsweise als Verpf lichtung, für dieses Gemeinwesen Sorge zu tragen. Diese Sorge – daran ließ Schäffer wenig Zweifel – oblag dem der Objektivität verpf lichteten Staat, genauer: dem der Gesellschaft gegenübergestellten, exekutivischen Staat. Denn »der Gedanke der res publica« wurde, ihm zufolge, von »Angriffen und der inneren Zersetzung durch die »Gedanken der res privata«216 bedroht. Ganz klassisch identifizierte Schäffer also Einzelinteressen, den »partikulare[n] Geist«217 als gefährdende Größen. Und wiewohl, wie Schäffer betonte, alle Parlamentarier schworen, sich »als Vertreter des Volksganzen [zu] fühlen«, wurde doch deutlich, dass dieser »partikulare[…] Geist« sich für Schäffer in erster Linie in der Vertretung dieses Volkes und seiner »Interessenschichten«, also im Bundestag, manifestierte und in erheblichem Maße »geltend«218 machte. (Die Distanz, die Schäffer zum Parlament hatte, zeigte sich auch daran, dass er sich, wenn er, wie beschrieben, die Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofs 214 Zum Republikbegriff in den 1950er Jahren vgl. William A. Barbieri, Jr., The Many Faces oft the Republic: Or, What’s in a Name?, in: Jan-Werner Müller (Hg.), German Ideologies since 1945: Studies in the Political Thought and Culture of the Bonn Republic, New York/Basingstoke 2003, S. 221-245; Martin Wengeler, Die Deutschen Fragen. Leitvokabeln der Deutschlandpolitik, in: Böke/Liedke/ders., Leitvokabeln, S. 325-377, bes. S. 366. Vgl. auch Wilhelm Henke, Die Republik, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrechts der Bunderepublik Deutschland, Bd. 1: Grundlagen von Staat und Verfassung, Heidelberg 1987, S. 863-886 und (als kritische Einordnung der dort entwickelten Ansichten) Wolfgang Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: ebd., S. 887-952, bes. S. 946-948. Speziell zur rechtswissenschaftlichen Verknüpfung des Rechtsstaatsbegriffs mit dem der res publica vgl. auch ders., Entstehung, bes. S. 145-147. 215 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 4 [der Rede Schäffers]. 216 Ebd., S. 3. 217 Ebd., S. 3f. Zu den Begriffen vgl. Karin Böke, Zwischen Föderalismus und Zentralismus. Leitvokabeln zum bundesstaatlichen Aufbau, in: dies./Liedtke/Wengeler, Leitvokabeln, S. 51-129, bes. S. 56-59 und S. 72. 218 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 4 [der Rede Schäffers].
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hervorhob, auf die Bundesregierung konzentrierte, die Volksvertretung aber mit kaum einem Wort erwähnte.219) Der wichtigste Bezugspunkt, Hüter und Promoter des »Gedankens der res publica« wie des Bundesrechnungshofs und seiner Unabhängigkeit waren für Schäffer die Exekutive und, jedenfalls was letzteren anging, speziell das Bundesfinanzministerium. (Die tatsächlich bestehende, exklusive Nähe zwischen Exekutive und Rechnungshof ref lektierte der Bundesfinanzminister damit nicht nur,220 er legitimierte sie auch.) Von diesem exekutivisch verstandenen Begriff der Republik aus bestimmte und verortete Schäffer auch den der Demokratie: Er unterschied beide klar voneinander und brachte sie – unter Bezugnahme auf das alte Rom – in eine klare Rangfolge: Zwar sei Rom »als Demokratie entstanden« und habe den Gedanken der Demokratie »in erster Linie mit geboren«, dabei habe aber »jeder einzelne Römer den Sinn für den Gedanken der res publica«221 gehabt. Das Wissen, dass die Demokratie nur in ihrer strikten Ausrichtung auf die res publica konstruktiv wirken konnte, begründete also ihre Einordnung hinter dem exekutivischen, objektivistischen Staat und bestimmte für Schäffer den ursprünglichen, eigentlichen und wieder zu entfaltenden Gehalt der Demokratie. Mit anderen Worten: Eine der zentralen grundgesetzlichen Entscheidungen und einen der wichtigsten Begriffe der jungen Bundesrepublik interpretierte der Bundesfinanzminister (ansatzweise) in einer einhegenden Art und Weise.222 Die klare Verortung des Bundesrechnungshofs auf der Seite des (tradierten Rechts-)Staats mündete also in dem Versuch einer möglichst weitgehenden Revitalisierung des klassischen deutschen Staatsbegriffs und einer entsprechenden Einordnung der Bundesrepublik: Er wollte die Bundesrepublik im Sinne des (tradierten) wesenhaften, dem Allgemeinwohl und der Objektivität verpf lichteten exekutivischen (Rechts-) 219 Ganz anders verfuhr Mayer, er begrüßte in seiner Ansprache die anwesenden Bundestagsabgeordneten und insbesondere den Vizepräsidenten Dr. Schneider ausdrücklich, s. ebd. S. 1f. [der Rede Mayers]. 220 Die entscheidende »Figur« in dieser Exekutive war dabei Schäffer selbst: Die Bemerkungen des BRH durften, bis zur Neufassung des Art. 114, Abs. 2, S. 2 GG, nur via BMF (also Schäffer) an den Bundestag und Bundesrat gehen. Das war allerdings nicht unumstritten, eine (seit Jahrzehnten) diskutierte Verantwortung der Rechnungsprüfungsbehörden gegenüber dem Parlament war auch im Parlamentarischen Rat (etwa vom Präsidenten des ZRH, Franz Haaser) gefordert worden. Zum Verhältnis der Rechnungsprüfungsbehörden zur Legislative vgl. Karl Wittrock, Das Bundesrechnungshofgesetz im Lichte historischer Rückblicke, in: Pirker (Hg.), Rechnungshöfe, S. 155-174. S. auch Bögershausen, Rechnungshöfe, S. 200, S. 247-256, S. 308 und S. 311. 221 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 3 [der Rede Schäffers]. 222 Zur Bedeutung der Abschottung der Politik gegen jede demokratisch legitimierte Zielbestimmung im konservativen Denken der Bundesrepublik vgl. auch Lenk, Konservatismus, S. 640642. Zur damit zusammenhängenden, vielfach geäußerten Überzeugung, dass der Nationalsozialismus als Ergebnis einer Überdemokratisierung zu betrachten sei, s. Mommsen, Weimar, S. 746.
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Staats verstanden und klar – und ganz anders als etwa Herbert Rimpl – von der (zerrissenen) Gesellschaft und ihrer Vertretung abgegrenzt wissen. Diesen Staat beschrieb er zwar zugleich als Demokratie, mit dem Verweis auf ein ursprüngliches, römisches, Verständnis definierte er diese aber in einem sehr konservativen Sinne. Anders gesagt, war die politisch-staatliche Dimension in ihrer tradierten Ausformung, die Rimpl für überwunden erklärte, für Schäffer zentral und soweit wie möglich wiederzubeleben. Ganz anders sah die Sache für den Bundespräsidenten aus. Auch für Theodor Heuss standen, wie erwähnt, Fragen nach dem (neuen) Staat und dem (neuen) Gemeinwesen im Vordergrund. Er entwickelte dabei allerdings ein ganz anderes Modell.223 Das zeigte sich schon daran, wie er seinem Publikum begegnete: Heuss setzte der Öffentlichkeit und, so gesehen, der Gesellschaft und dem Souverän gegenüber weniger auf Apodiktik als auf Anekdotisches, weniger auf Selbstbewusstsein als auf Selbstironie und Understatement:224 Er begann seine Ansprache mit dem Hinweis, es sei seine »Berufsfunktion […], nett zu sein« und beschrieb seinen Gesamteindruck von seinem Verhältnis zum Bundesrechnungswort mit den (von »Heiterkeit« begleiteten) Worten »es geht«225. Aber auch inhaltlich unterschied sich der Liberale Heuss von dem bayerisch-föderalistisch-katholisch-konservativem Schäffer: Zwar bildete der Bundesrechnungshof auch für Heuss ein »neutrales Element, in dem sich die Dauer des Objektiven konstituiert«. Mit dem Zusatz »oder doch konstituieren soll«226 erschien die Feststellung aber weniger absolut. Vor allem aber wies der Bundespräsident darauf hin, dass in einer Demokratie (wie der bundesdeutschen) mit dem Budgetrecht des Parlaments diese Konstituierung des Objektiven grundsätzlich konf liktär verlaufen musste. Ähnlich differenziert schilderte Heuss das Verhältnis von Staat und Gesellschaft: Er unterschied die beiden, brachte sie aber nicht in eine Rangfolge. Er trennte sie nicht absolut, indem er sie wie Schäffer statisch einander gegenüberstellte. Vielmehr betrachtete er sie (auch anders als zum Beispiel Herbert Rimpl) als sich wechselseitig beeinf lussende Größen und die dadurch erzeugte Dynamik positiv: Der Staat erschien bei Heuss weniger als unwandelbare, feststehende (Schäffer) oder zeitlose (Rimpl) Größe, denn als Ergebnis einer historischen (kontingenten) 223 Ansprachen, in: BArch B/126/14904. Zu den Vorstellungen und Initiativen Heussʼ als Bundespräsident vgl. Baumgärtner, Republik; Becker, Heuss, bes. S. 45-51, S. 68-75, S. 111-120; Karl Dietrich Bracher, Theodor Heuss und die Wiederbegründung der Demokratie in Deutschland, Stuttgart 1965; Radkau, Heuss, bes. S. 302-305. Zu seiner Tätigkeit an der Deutschen Hochschule für Politik in der Weimarer Republik s. Wilhelm Bleek, Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland, München 2001, S. 198-228. 224 Zu Heussʼ Stil und dessen Bedeutung für die junge Bundesrepublik s. Becker, Heuss, S. 128f. und S. 156-163; Radkau, Heuss, bes. S. 317 und S. 359. 225 Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 1 [der Rede Heussʼ]. 226 Ebd., S. 3.
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Entwicklung, einer stetigen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und der sich in ihr ausformenden (divergierenden) Interessen. (Dementsprechend war das Gemeinwohl weniger als vorgegebene Größe denn als »Produkt« dieses Prozesses denkbar.) Wenn Heuss formulierte, der Staat gewinne »seiner Natur nach aus dem Machtstreben von Parteien und Gruppen seine Bewegungskräfte«227, bezog er Staat und Gesellschaft strukturell aufeinander und bewertete den gesellschaftlichen (Interessen-)Pluralismus nicht negativ als Zerrissenheit, sondern als produktive Kraft. Der Bundesrechnungshof, den Schäffer so eindeutig dem Staat und damit dem Bollwerk gegenüber der Gesellschaft und ihren partikularen Interessen zuordnete, bildete bei Heuss mehr ein Scharnier, das einen permanenten, ergebnisoffenen, also gestaltenden Austauschprozess zwischen Staat und Gesellschaft ermöglichte: Jedenfalls aus dessen Akten war Heuss zufolge seine »Funktion« zu erfassen, »gesellschaftliche Entwicklungen zu begreifen, ihnen zu dienen, sie aus dem staatlichen Raum, aus der staatlichen Schau wieder zu regulieren«228. Erschien die Demokratie bei Schäffer tendenziell als destruktives, Partikularinteressen Raum gebendes Element und bildete der Staat ihr (notwendiges) neutralisierendes Korrektiv, nutzte der Bundespräsident die Eröffnungsrede, um eine pluralistische Demokratie, ihre Bedeutung und Funktionsweise, wenigstens ansatzweise zu entwerfen und »den Staat« zwar nicht von dort aus zu konstruieren, aber in eine konstitutive Beziehung zu ihr zu setzen.
3.3.2.2 Die Zeitungen und die Bedeutung der Finanzkontrolle in der bundesrepublikanische (Normal-)Staatlichkeit Unter ganz anderen Gesichtspunkten setzten sich die Frankfurter Zeitungen mit dem Bundesrechnungshof auseinander. Wie die Redner sahen auch sie ihn, seine Rolle, Funktion und Tätigkeit ausgesprochen positiv. Prinzipiell teilten sie auch die Art und Weise, in der die Behörde grundsätzlich eingeordnet wurde: Auch für die Journalisten war der Bundesrechnungshof nicht nur (wie das BKA) eine sachlich arbeitende Behörde. Ihm kam vielmehr, wie bereits angedeutet, eine zentrale Bedeutung für die Zweckmäßigkeit und Richtigkeit des staatlichen Finanzverhaltens und die Korrektur unangemessenen Verhaltens, allgemeiner für sachgerechtes und, wenn man so will, objektives staatliches Handeln und (damit) für die Bundesrepublik insgesamt zu. Gerade letzteres stand in den Zeitungen nicht nur außer Frage, sondern im Mittelpunkt ihrer Berichterstattung. Wie es die »Neue Zeitung« formulierte, setzte der Rechnungshof die »grosse Tradition einer peinlich genauen, unbestechlichen und ohne Ansehen der Person geübten Kontrolle
227 Ebd. 228 Ebd., S. 4.
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der öffentlichen Finanzen« fort, was die Bundesrepublik in eine Reihe mit »anderen westlichen Demokratien«229 stellte. Allerdings richteten die Zeitungen ihre Berichterstattung deutlich weniger grundsätzlich aus als Mayer, Heuss und Schäffer es taten (was schon daran deutlich wird, dass sie solche Aussagen der Politiker zwar paraphrasierten, aber nicht näher erläuterten230): Für die Unabhängigkeit des Rechnungshofs und deren Bedeutung interessierten sie sich weniger, dagegen umso mehr für die Kompetenzen der Behörde, die sie ausführlich und mitunter detailliert beschrieben. Sie betonten, dass die Verwaltung verpf lichtet sei, dem Rechnungshof Auskünfte zu erteilen, dass dieser die Behebung von Mängeln anordnen, ja Schadenersatz einfordern, das Dienststrafrecht nutzen,231 kurz, seine Anordnungen »auf dem Dienstwege erzwingen«232 könne. Ergänzt und illustriert wurde das oft durch anekdotische Berichte,233 wobei, ähnlich wie beim BKA, das Repertoire begrenzt war: Das Insistieren des Rechnungshofs darauf, dass auf staatlichem Boden angepf lanzte Obstbäume, die bisher dem »Personal der betreffenden Amtsstelle zugute«234 gekommen waren, verpachtet wurden und sein Vorschlag, das Personal der bizonalen Verwaltung für Wirtschaft von über 2000 auf 795 Beschäftigte zu reduzieren, wurden oft kolportiert. Dasselbe galt für zwei vom Bundespräsidenten in seiner Rede angesprochene Episoden. Seine Schilderung, wie er 24 Pfennige für eine aus der Sicht des Bundesrechnungshofs unnötige Klingelborte hatte zurückerstatten müssen, und der Kritik des Reichsrechnungshofs an seinem Schwiegervater, dem Professor für Nationalökonomie Friedrich Knapp, der statt weißer bunte Kreide in seinen Vorlesungen verwendet hatte, wurden häufig – und beifällig – in der Presse zitiert.235 Diese Art der Berichterstattung war, ähnlich wie in Wiesbaden, auf eine fehlende Expertise, aber auch auf die Erwartungen, Bedürfnisse und den Kenntnisstand einer breiteren Leserschaft zurückzuführen. Wie in Fragen der Architek229 Wilfried Salinger, Das Argusauge des Bundesrechnungshofs, in: Die Neue Zeitung vom 28.3.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 230 Etwa in: An der Paulskirche wird gerechnet, in: Volksstimme vom 28.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210. 231 Wilfried Salinger, Das Argusauge des Bundesrechnungshofs, in: Die Neue Zeitung vom 28.3.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 232 Sitz des Bundessparkommissars, in: Frankfurter Rundschau vom 19.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210. 233 Wilfried Salinger, Das Argusauge des Bundesrechnungshofs, in: Die Neue Zeitung vom 28.3.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549, vgl. auch H. C. Franz, Herr Mayer zählt die Pfennige, in: Christ und Welt vom 20.5.1954, in: ebd. 234 Zu diesem Gutachten und seiner politischen Bedeutung vgl. Weinert, Wasserkopf. 235 Vgl. exemplarisch H. C. Franz, Herr Mayer zählt die Pfennige, in: Christ und Welt vom 20.5.1954, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549.
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tur dürfte den (Lokal-)Redakteuren umfangreicheres Wissen gefehlt haben, um anhand des Bundesrechnungshofs Grundfragen nach dem staatlich-politischen Sein und Sollen explizit und direkt stellen und beantworten zu können. Vor allem aber, und das war deutlicher zu erkennen als in Wiesbaden, wollten sie solche Fragen auch gar nicht beantworten. Etwas pointiert ausgedrückt, zielten die Zeitungen weniger auf eine Beschreibung und Verortung von »Staat« und »Demokratie« der jungen Bundesrepublik als auf eine einige Stufen darunterliegende, pragmatischere Ebene: Eine auch in Details kontrollierende beziehungsweise kontrollierte, auf Sparsamkeit und Sachgerechtigkeit verpf lichtete Staatstätigkeit war für sie weniger im Hinblick darauf interessant, ob und wie damit Vergangenheit und Gegenwart und/oder die Bundesrepublik als Gesamtsystem bestimmt (und nobilitiert) werden konnte, als schlicht und einfach eine Notwendigkeit – jenseits der Fragen, wie die Bundesrepublik systematisch, typologisch, historisch oder sonstwie zu bestimmen war, war sie vor allem entschieden zu ausgabefreudig und bereit, »Repräsentation in einem Ausmaß« zu betreiben, das »reiche Völker – es gibt noch welche! – vor Neid erblassen lässt«236. Dass die Verwaltung »immer damit rechnen« müsse, »daß auch die kleinste Abweichung von den Haushaltsvorschriften zu einer Beanstandung führt«237, war die für die Zeitungen mit Abstand die wichtigste Aussage, die sie über den Bundesrechnungshof trafen. Die Zeitungen betrachteten den Bundesrechnungshof also aus einem anderen Blickwinkel als Schäffer und Heuss, vereinfacht gesagt, nicht von »oben«, vom Staat und seiner Spitze aus, sondern von »unten«, vom »Volk«, genauer vom Steuerzahler aus. Die erwähnten Anekdoten, auch und gerade die des Bundespräsidenten, wurden auch deshalb so breit kolportiert, weil sie zeigten, dass sich die Kontrolle des Rechnungshofs auf diesen Staat, auf die Spitzen in Regierung und Verwaltung erstreckte.238 Dementsprechend anders verorteten die Zeitungen auch das (vom Rechnungshof zu unterbindende) unsachgemäße – oder an unsachgemäßen Maßstäben orientierte – Verhalten: Sie fanden es sozusagen, nicht wie Schäffer, vor allem in der nationalsozialistischen Vergangenheit beziehungsweise in der parallelen kommunistischen Gegenwart, sondern im Hier und Jetzt der Bundesrepublik. Ein solches Verhalten kennzeichnete (oder definierte) in den 236 Willkommen, Herr Mayer!, in: Main-Echo vom 15.3.1952, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 237 Wilfried Salinger, Behörde mit Argusaugen, in: Frankfurter Neue Presse vom 18.11.1953, in: Stadtarchiv Frankfurt S 3/L 2210. Vgl. auch ders., Das Argusauge des Bundesrechnungshofs, in: Die Neue Zeitung vom 28.3.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. In eine ähnliche Richtung zielte der Verweis auf veröffentlichte Gegenüberstellung der Ausgaben des Reichsrechnungshofs und der durch ihn eingesparten Mittel in der Weimarer Republik und die geäußerte Hoffnung, dass diese erfolgreiche Tätigkeit fortgesetzt werden könne, s. Sitz des Bundessparkommissars, in: Frankfurter Rundschau vom 19.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210. 238 Das sprachen auch Schäffer und Heuss an, setzten aber, wie beschrieben, andere Schwerpunkte, s. Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 2 [der Rede Schäffers] und S. 1f. [der Rede Heussʼ].
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Zeitungen auch weniger ganze politische Systeme als dass es, sehr konkret, im Handeln des – bundesrepublikanischen – Staates und seiner Institutionen, genauer: in dem der oberen Etagen von Verwaltung und Regierung zu entdecken war. Von daher – und anders als zum Beispiel Fritz Schäffer – sprachen die Zeitungen einzelne Behörden und ihr Ausgabegebaren an: Sie kritisierten zum Beispiel die Ausstattung des Bundespresseamts, die Ausgaben für Besatzungsbauten oder allgemeiner »Ministerreisen« und zusätzliche Verwaltungsstellen.239 Sie konnten aber auch ganz generell formulieren und etwa feststellen, dass die »Bundessparmeister in der Nähe der Frankfurter Paulskirche« dafür sorgten, dass die »Bäume der Bonner Bürokratie nicht in den Himmel wachsen«240 oder, etwas weniger bildhaft, die »Unabhängige Überwachung der gesamten Haushaltsführung des Bundes«241 postulieren. Wenn man so will, war der Bundesrechnungshof in den Zeitungen weniger als Gegenstand staatlichen Handelns und/oder Ausweis von dessen Qualität interessant denn als handelndes Subjekt: Während für Schäffer der – den unabhängigen Rechnungshof schaffende – »Staat« für Objektivität, Rationalität und Sachgemäßheit stand, repräsentierten in den Zeitungen die Steuerzahler diese Qualitäten, indem sie ein entsprechendes Verhalten verlangten. Und wenn Schäffer Subjektivität und die Verfolgung unangebrachter Einzelinteressen in der Gesellschaft ansiedelte, vermuteten die Zeitungen sie in Verwaltung und Regierung. Knapp gesagt, begründete der Rechnungshof für Schäffer das rechtsstaatliche Sein der Bundesrepublik insgesamt, während er bei den Zeitungen für das Sollen eines sparsamen, sachgemäßen Staatshandelns stand. (Allerdings waren auch die Zeitungen optimistisch, dass die Kontrolle des Bundesrechnungshofs nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch wirksam und insofern Wirklichkeit war.242) 239 Vgl. beispielhaft Wilhelm Liske, Willkommen Herr Mayer!, in: Main-Echo vom 15.3.1952, in: Stadtarchiv Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 240 H. C. F[ranz?], In Frankfurt paßt man auf, in: Christ und Welt vom 24.3.1955, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. Vgl. Diplomatenschnitzel unter Kontrolle, in: Der Tag vom 1.12.1953, in: ebd. Die Westberliner Zeitung vermutete, dass die Kontrollfunktion des BRH der Grund gewesen war, ihn nicht am selben Ort wie die Regierung anzusiedeln. 241 Wilfried Salinger, Das Argusauge des Bundesrechnungshofs, in: Die Neue Zeitung vom 28.3.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 242 Demgegenüber hatten auch Versuche, wie der der »Deutschen Volkszeitung«, die Anekdoten zu entlarven, keine Chance auf Durchsetzung. (Die Zeitung stellte die vom Rechnungshof beanstandeten Pfennigbeträge unbeanstandet gebliebenen, aber sehr viel größeren Ausgaben, wie die Mittel zur Behebung der Raumnot beim Bundespräsidialamt oder die Klimaanlage im Speisezimmer des Bundeskanzlers, gegenüber). S. Die Klingelleitung des Präsidenten, in: Deutsche Volkszeitung vom 26.3.1955. Ihrem Impressum zufolge war die Zeitung am 12.5.1953 von den ehemaligen Zentrumspolitikern Joseph Wirth und Wilhelm Elfes (die sich nun gegen die Westbindung engagierten) gegründet worden. Chefredakteur war der ehemalige Mitarbeiter der (katholischen) Germania, Georg Hermann. Ihre Auflage betrug 24.000 bis 32.000
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Beispielhaften Ausdruck und einen Kulminationspunkt fand die so beschriebene Auseinandersetzung der Presse mit dem Bundesrechnungshof in den Berichten über dessen Präsidenten, Josef Mayer. Mit ihm beschäftigten sich die Zeitungen besonders gerne und, das ist anzunehmen, aus mehreren Gründen. Zum einen machte eine solche Personalisierung die Artikel illustrativer. Zudem kamen Mayer als Bundesbeauftragtem für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung tatsächlich besondere Kompetenzen zu. Diese ließen ihn noch wichtiger und, vor allen Dingen, als die Verkörperung der Konsequenz erscheinen, mit der Sparsamkeit und Objektivität in der Bundesrepublik verfolgt und durchgesetzt, Macht und Politik im Interesse der steuerzahlenden Bevölkerung gezügelt wurden. So bezeichneten die Zeitungen Mayer nicht nur, wenn auch in Anführungsstrichen, als »›Vorgesetzte[n]‹«243 Adenauers, schließlich unterlag der Bundeskanzler wie der Bundespräsident der Kontrolle des Rechnungshofs. Sie betonten auch, dass Mayer als »Spar-Kommissar«244, dieser bildhafte und schon in der Weimarer Republik geprägte Ausdruck wurde gerne gebraucht, Prüfungen sogar gegen den Willen eines Behördenleiters vornehmen,245 an den Kabinettssitzungen teilnehmen und dort, soweit seine Zuständigkeit betroffen sei, Anträge stellen könne. Vor allem konnte Mayer geradezu als Verkörperung des Ausgangspunkts der Zeitungen vorgestellt werden. Aufgrund seiner Integrität, Seriosität und persönlichen Bescheidenheit, die die Zeitungen ihm unisono attestierten,246 ließ er sich nicht nur als Inkarnation von Sparsamkeit, Sachgerechtigkeit und Objektivität darstellen. Er firmierte auch als Prototyp des »einfachen Mannes«, verkörperte also das »unten«, das »Volk«, seinen Kampf gegen behördliche, staatliche und politische Willkür und garantierte dessen Erfolg: Mayer, dessen Name schon »zu den schlichtesten« gehöre und »nicht einmal durch den akademischen Grad des Dok-
Exemplare. Laut Hubertus Knabe handelte es sich bei ihr allerdings um ein »Trojanisches Pferd« der SED, s. Hubertus Knabe, Honeckers Millionen für ein Trojanisches Pferd, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9.10.2008. 243 H. C. Franz, Herr Mayer zählt die Pfennige, in: Christ und Welt vom 20.5.1954, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 244 Vgl. exemplarisch: Wilfried Salinger, Das Argusauge des Bundesrechnungshofs, in: Die Neue Zeitung vom 28.3.1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549; H. C. Franz, Herr Mayer zählt die Pfennige, in: Christ und Welt vom 20.5.1954, in: ebd. Nicht beleg-, aber vorstellbar ist es, dass das besondere Interesse der Zeitungen an Mayer auch auf eine gelungene Pressearbeit seinerseits oder seitens des Bundesrechnungshofs zurückging. Zum Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung s. die Nachweise in Fußnote Nr. 13. 245 Sitz des Bundessparkommissars, in: Frankfurter Rundschau vom 19.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210. 246 Vgl. exemplarisch Günther Feyler, Mayer spart Millionen, in: Wochenend Nürnberg 13/1953, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549.
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tors geziert«247 werde, wachte dann, völlig unbeeindruckt vom gesellschaftlichen oder politischen Status seines Gegenübers, hartnäckig und genau über die Einhaltung von Regeln und hatte »keine Angst davor […], daß er sich es mit irgend jemand verdirbt, dafür aber umso mehr Mut, allen Verantwortlichen deutlich zu sagen, daß es in dieser Zeit der Not keine größere Sünde gibt, als mit den Steuergroschen des Volkes so herumzuwerfen, als wären sie vom Himmel gefallen.«248 Auch wenn sich die Zeitungen abstrakten Begriffen verweigerten, bedeutete das nicht, dass sie die grundsätzliche Ebene völlig ausblendeten. Indirekt kolportierten sie durchaus ein (Ideal-)Bild eines Staates, der in seinem Handeln feststehenden, objektiven (oder wenigstens objektivierbaren) Sachnotwendigkeiten gerecht wurde, also primär und vor allen Dingen regelgeleitet war. Das entsprach dem klassischen, etwa von Schäffer beschworenen, Staats(selbst-)Bild – und gleichzeitig wieder nicht. Denn wenn sich »der Staat« den Zeitungen zufolge auch in erster Linie durch sein – überprüf bares, berechenbares und rationales – Handeln auszeichnete, betrachteten sie ihn pragmatisch und nicht etwa als vorgegebene, feststehende Größe. Ohne großes Bedauern und ohne weitere Erörterung, quasi selbstverständlich und im Vergleich zur Wiesbadener Berichterstattung über das BKA auch selbstbewusst, schilderten die Frankfurter Zeitungen den Staat indirekt nicht (mehr) als eine die Objektivität oder Sittlichkeit verkörpernde Größe von (welt-)geschichtlicher Bedeutung, sondern als eine funktional auf die Gesellschaft und deren (finanzielle) Interessen bezogene Einrichtung. So gesehen ähnelten ihre Äußerungen denen Herbert Rimpls, zu dessen Darlegungen auch noch in anderer Hinsicht Parallelen bestanden: Wie der Architekt stellten die Zeitungen den Staat zwar in eine direkte Beziehung zur Gesellschaft, die sie als Gesamtheit der Steuerzahler begriffen und deren Interesse an einer sachgerechten und sparsamen Haushaltsführung sie als allgemeines beschrieben. Interessengegensätze, die Schäffer und Heuss voraussetzten (wenn auch sehr verschieden bewerteten), blendeten die Zeitungen aber ebenso vollständig aus wie alle konf liktären, voluntaristischen, deliberativen und/oder herrschaftlichen Elemente des politisch-staatlichen Betriebs. Etwas überspitzt ausgedrückt, ermöglichte es die als Gesamtheit der »Steuerzahler« verstandene Gesellschaft den Zeitungen zum einen, ähnlich wie Rimpl, das Bild einer harmonischen, egalitären, aber eben nicht »art-« und »rassegleichen« Gesellschaft (neu) zu entwerfen, ohne die bundesdeutsche Seele durch eine direkte Auseinandersetzung mit der jüngsten Ver247 H. C. Franz, Herr Mayer zählt die Pfennige, in: Christ und Welt vom 20.5.1954, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. 248 Willkommen, Herr Mayer!, in: Main-Echo vom 15.3.1952, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549.
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gangenheit allzu sehr zu irritieren. Zum anderen konnten sie mit der allein über den »Steuerzahler« konstruierten Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft die – gesamtgesellschaftlich heikle – Frage nach dem Wesen und der Bedeutung der Demokratie umgehen (und/oder der verbreiteten Skepsis ihr gegenüber Raum geben). Die von ihnen – indirekt als homogene beschriebene – Gesellschaft war zwar Bezugspunkt, aber eher Objekt als Subjekt des regelgeleiteten, funktionalen Staats und seines Handelns. Und wie Rimpl setzten auch die Zeitungen diese Regelgeleitetheit im Endeffekt der Demokratie, jedenfalls ihrer pluralistischen und partizipatorischen Dimension, entgegen. Das klingt schon in der Tatsache an, dass der Bundestag in der Berichterstattung der Zeitungen über den Bundesrechnungshof keine Rolle spielte: Selbst die zurückhaltende, allein die Kontrollfunktion ansprechende Verbindung, die der Vertreter des Bundestags zwischen diesem und den Rechnungshof zog – beide seien »berufen, zu überwachen und zu kontrollieren […], und zwar objektiv und kritisch«249 –, wurde nirgendwo näher erläutert. Sogar die Einlassung Josef Mayers, der, vielleicht um die Erwartungen an die Tätigkeit seiner Behörde auf ein realistisches Maß zu beschränken, darauf hinwies, dass die Vorstellung eines jederzeit eingreifen könnenden Sparkommissars, wie sie in der Presse kolportiert wurde, mit einem demokratischen System nicht vereinbar sei,250 konnte die Journalisten offenbar nicht irritieren. Das Staatshandeln wurde vielmehr durch Regelhaftigkeit abschließend bestimmt, und eben nicht durch politische Willensbildungs-, Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse oder in solchen Prozessen geformt. Anders gesagt wurde mit dem 249 Bundesrechnungshof im neuen Haus, in: Frankfurter Rundschau vom 20.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210. Dasselbe galt für die Interpretation, die der (in Fußnote Nr. 194) erwähnte hessische Finanzminister Heinrich Troeger seiner Einordnung des Bundesrechnungshofs als »Anwalt der Steuerzahler« zugrunde legte. Sie wird zitiert in: Der Bundesrechnungshof im neuen Heim, in: Frankfurter Neue Presse vom 20.11.1953; An der Paulskirche wird gerechnet, in: Volksstimme vom 28.11.1953, in: StadtA Frankfurt S 3/L 2210: Werner Hager, Anwalt der Steuerzahler, in: Aachener Volkszeitung vom 29.7.1959, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. Zu Heinrich Troeger (1901-1975) s. die Angaben bei der Friedrich Ebert Stiftung, abrufbar unter: https://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/nachlass/nachlass_t/troeger-he.htm, abgerufen am 28.11.2016. Zu seiner Tätigkeit in der nach ihm benannten Sachverständigenkommission, die zur Finanzreform von 1969 und damit auch zur Änderung von Art. 114 GG führte, s. Rolf Gross, Finanzreform und föderalistischer Staatsaufbau, abrufbar unter: http://library.fes.de/ gmh/main/pdf-files/gmh/1967/1967-10-a-599.pdf, abgerufen am 28.11.2016. S. auch Wittrock, Bundesrechnungshofgesetz, bes. S. 165-167. 250 Bundessparkommissar hat keine Exekutive. Interview von Alfons Montag mit Josef Mayer, in: Frankfurter Rundschau vom 8.7.1952, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. Einen ganz ähnlichen Hinweis hatte Mayer schon in seiner Ansprache zur Einweihung des Gebäudes formuliert, s. Ansprachen, in: BArch B/126/14904, S. 9f. [der Rede Mayers]. Auch bei anderen »Rechnungsprüfern« war das Bewusstsein für die Bedeutung des Parlaments für die Behörde deutlich ausgeprägter als in den Zeitungen, s. dazu Fisch, Einflüsse, S. 15f.
3. Der Bundesrechnungshof in Frankfurt am Main
Ideal des rationalen Staat(shandelns) das (im doppelten Sinne mit Konf likten und Konfrontationen belegte, nämlich in seinem Wesen und seiner Bedeutung umstrittene und Streit integral beinhaltende) »government by the people« von dem unstrittigeren »government for the people« und Fragen nach dessen Bedingungen getrennt – und das Gemeinwesen und seine Funktionalität nicht als Ergebnis einer (inhaltlich offenen) bewussten Gestaltung dargestellt. Bei aller inhaltlichen Nähe zu Rimpl, in einem wichtigen Punkt, nämlich in ihrer Ausrichtung, unterschieden sich die Zeitungen von dem Architekten und seinen Darlegungen: Ganz anders als Rimpl, der, wie geschildert, auf den Entwurf einer gänzlich neuen (natürlichen) Ordnung des gesamten Lebens zielte, versuchten sie, den Ball f lach und gerade Abstand von allen (offensichtlichen) Sinnstiftungen, von »großen« Zusammenhängen (wie dem von Inhalt und Form), Begriffen und deren programmatischer Entwicklung oder gar abschließender Deutung zu halten. In dieser Beziehung stand die Berichterstattung der Presse nicht nur in der Nähe der (allerdings auf einer ganz anderen Basis entwickelten) Äußerungen des Bundespräsidenten. Die Zurückhaltung verschaffte den Zeitungen auch mehr Spielraum, ermöglichte ihnen mehr Flexibilität und war von daher ausgesprochen wichtig und wirkungsmächtig. So ließen sich die geschilderten Äußerungen auch so verstehen, dass sich im Rechnungshof ein Staat manifestierte, der erst oder vor allem durch sein Handeln (das überdies mess- und kontrollierbar war) fassbar wurde – Gestalt und Substanz gewann, also nicht notwendigerweise über eine vorgegebene Wesenhaftigkeit verfügte. Und dieses pragmatische Verständnis des Staates, die kritische Wahrnehmung seines Handelns wurde, mittelfristig, weiterentwickelt: Nur wenige Jahre später hatten die Zeitungen überhaupt kein Problem damit, den Bundesrechnungshof im Hinblick auf Parlament(arismus) und Demokratie zu beleuchten (und umgekehrt),251 wobei 251 Vgl. etwa: Dieter Schröder, Der gefürchtete Frankfurter Rotstift, in: Süddeutsche Zeitung vom 30.12.1958; Erfreulich unbequemer Rechnungshof, in: Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung vom 6.12.1958; Haushälterisch und sparsam, in: Frankfurter Neue Presse vom 30.10.1958; Der Rechnungshof kommt, in: Verwaltungskunde Februar 1962, alle in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549. Interessant wäre es, zu untersuchen, inwieweit dieser Wandel mit Guido Hertel (1903-1963) verbunden war, der 1957 als Nachfolger von Heinz Maria Oeftering an die Spitze des Bundesrechnungshofs rückte. Er hat, jedenfalls einem ersten Eindruck nach, die Funktion des Bundesrechnungshofs in der Öffentlichkeit und in den Medien stark propagiert und damit die öffentliche Aufmerksamkeit deutlich erhöht. Dabei scheint der Konflikt um ein kritisches Gutachten über das Investitionsverhalten der Post und dessen Veröffentlichung 1958 als Katalysator gewirkt zu haben: Der Vorwurf des Bundespostministers, das Gutachten sei sachlich problematisch und die Veröffentlichung bedeute eine Kompetenzüberschreitung (Hertel habe sich mit Sondervermögen der Post nur als »Sparkommissar« befassen und Gutachten deshalb nicht öffentlich machen dürfen), wurde in der Presse sehr kritisch begleitet. Hertels vorsichtige Äußerung, die Ministerien gingen »›manchmal an der verfassungsmäßigen Unabhängigkeit des Rechnungshofes vorbei‹« wendete jedenfalls die Süddeutsche Zei-
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sie die bisher ausgeblendeten »großen« Begriffe (und deren genauere Definition) quasi dazu treten ließen. Diese Schnelligkeit des Wandels zeigt nicht nur, welche Wegstrecke die gesamtgesellschaftliche Debatte um die neue politische Ordnung in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik zurücklegte, sondern wirft (noch einmal) die Frage auf, zu was genau die Zeitungen im Fall der Demokratie Anfang der 1950er Jahre eigentlich Abstand hielten: zu einem klar umrissenen Konzept oder zu einem umstrittenen und unklaren Begriff.
3.3.3 Die Einordnung der Institution als Hintergrund für die Auseinandersetzung mit dem Gebäude Soll die öffentliche Auseinandersetzung mit der (Wieder-)Errichtung des Bundesrechnungshofs zusammengefasst werden, ist Folgendes festzuhalten: Wie beim BKA spielten auch hier Vorstellungen von Sachorientiertheit, Regelgeleitetheit, (Zweck-)Rationalität und Objektivität eine zentrale Rolle. Anders als in Wiesbaden wurden diese Ideen von nahezu allen Beteiligten nicht nur auf die konkrete Behörde und ihre Tätigkeit, sondern auf das System, in das sie eingebettet war, bezogen. Wenn die Redner und Zeitungen in Frankfurt auch weniger umfassend verfuhren als Herbert Rimpl, zeichneten sie doch alle, mehr oder weniger detailliert, ein (Ideal-)Bild eines rationalen, berechenbaren Staats(handelns). Dieses Bild war dabei, auch das machte die Auseinandersetzung um den Bundesrechnungshof deutlich, wie der Rechtsstaat, mit dem es in unmittelbarer Verbindung stand und als dessen pragmatische Variante es verstanden werden kann, ein Konsensbegriff: Es bildete eine Art kleinster gemeinsamer Nenner für höchst divergente Vorstellungen und bündelte, in unterschiedlicher Intensität und Akzentuierung, die Diskussionen um die junge Bundesrepublik, um deren Verhältnis zu vorangegangen Formen deutscher Staatlichkeit, um die Ausdeutung und -formung der 1949 installierten Ordnung, also um Staat, Gesellschaft und Demokratie und deren Beziehungsgefüge. Wie unterschiedlich es entwickelt werden konnte, zeigt schon ein Blick auf das Gegenbild: Es bestand, wenn man den Begriff ein wenig dehnt, in willkürlichem Entscheiden und Handeln. Diese tung offensiv, wenn sie schlussfolgerte, dass damit von Seiten der Regierung »absichtlich oder nicht« die »Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes in Frage gestellt« werde, und zudem die Bedeutung des Bundestags als Rückhalt für den Rechnungshof betonte, s. dazu den oben angegebenen Artikel von Dieter Schröder in der Süddeutschen Zeitung vom 30.12.1958. Vgl. auch das Interview mit und den kurzen Artikel über Hertel (Dr. Guido Hertel), in: Der Spiegel 2/1959, abrufbar unter www.spiegel.de/spiegel/print/d-42624228.html, abgerufen am 15.1.2016 und die zustimmende Berichterstattung über die Forderung des damaligen Präsidenten des BRH, Schäfer, Präsident und Vizepräsidenten durch den Bundestag wählen und nicht durch die Bundesregierung bestimmen zu lassen, in: Rügen ohne Folgen, in: Die Zeit vom 29.10.1976, in: Stadtarchiv Frankfurt S 3/L 2210.
3. Der Bundesrechnungshof in Frankfurt am Main
Willkür konnte in verschiedener Weise entfaltet werden: Sie beschrieb zum Beispiel sachlich (und rechtlich) unangemessenes Handeln, speziell unsachgemäßes Finanzgebaren, eine (illegitime) subjektive, partikulare Interessenverfolgung, eine (illegitime) Selbstermächtigung zu (politischer) Gestaltung oder (politischen) Gestaltungswillen insgesamt, jede Akzentuierung von (staatlicher) Macht und Herrschaft und damit, auch, aber nicht nur auf die Architektur bezogen, alle Formen statusbetonender, repräsentativer Prachtentfaltung. Spätestens hier wird deutlich, dass Fragen nach der Gestalt(ung) des neuen oder wiedererrichteten Staates nicht nur für Herbert Rimpl wichtig waren (wenn sie von dem Architekten auch gerade für überwunden erklärt wurden). Auch einige der Aussagen über das Frankfurter Gebäude erscheinen in einem anderen Licht. So lässt sich wenigstens als These formulieren, dass die Distanz, die in den Reden des Präsidenten des Bundesrechnungshofs, Mayer, und noch mehr in den Äußerungen des Bundesfinanzministers, Schäffer, zum Ausdruck kam, auch etwas damit zu tun hatte, dass beide tradierten Vorstellungen anhingen: Mayer beschwor die preußische Identität und Tradition des Rechnungshofs; der Bundesfinanzminister plädierte in seiner Rede indirekt für eine weitgehende Rückkehr zum klassischen deutschen Staatsbild, das vor allem über den Begriff der Repräsentation mit der Architektur verklammert war. (Eine sachgerechte Staatstätigkeit war in erster Linie als objektive denkbar. Sicherzustellen war sie im Grunde nur, wenn die allen partikularen – also unsachgemäß agierenden und willkürlichen – Interessen und deren Vertretung enthobenen Exekutive exklusiv für sie zuständig war, was von und in einer richtig verstandenen Demokratie auch anerkannt wurde.) Wenigstens vermutet werden kann, dass sowohl Mayer als auch Schäffer sich daher (eigentlich) veranlasst sahen, so zu dem Gebäude Stellung zu nehmen, dass es zu ihren Vorstellungen passte, dem engen und konstitutiven Verhältnis zwischen der Institution und tradierter (preußischer) Staatlichkeit und dessen Dignität also gerecht wurde. Dabei gingen sie allerdings verschiedene Wege. Mayer machte, wenn er dem Gebäude eine gewisse Würde attestierte, seine Vorstellungen nicht nur offen geltend, er sah sie auch als erfüllt an, billigte dem Neubau also eine repräsentative Dimension zu.252 Dagegen verwies der Bundesfinanzminister nicht nur auf das alte Potsdamer Rechnungshofgebäude, also auf einen klar zur wilhelminischen Staatsarchitektur zählenden Bau, der, wie erwähnt, ausgesprochen repräsentativ war – im Sinne einer öffentlichkeitswirksamen Prachtentfaltung und, gerade als neobarockes Gebäude, auch im Sinne einer
252 Vgl. auch die von Seiten der Bauverwaltung erhobene Forderung, Staatsbauten müssten trotz ihrer Bescheidenheit »staatliche Würde« zum Ausdruck bringen, s. Sitte/Leuschner, Stein, S. 16f.
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Visualisierung unsichtbarer Prinzipien.253 Er ließ auch das von ihm immerhin mit eingeweihte Gebäude nahezu vollkommen außer Acht und erwähnte allenfalls nachgeordnete Gesichtspunkt wie die pünktliche Fertigstellung. Dieses Schweigen lässt sich durchaus so interpretieren, dass Schäffer einen Versuch, die moderne Gestaltung des Baus offen zu kritisieren, für aussichtslos hielt, einen Versuch wie den Mayers, den so betont zurückgenommenen, funktionalen Neubau klassisch-repräsentativ zu deuten, allerdings auch. Mit seinem Schweigen beugte Schäffer so gesehen Versuchen vor, den funktionalen Bau in irgendeiner Weise als Verkörperung eines im politischen Sinne modernen, nämlich demokratischen Neuauf bruchs zu thematisieren. Das taten schließlich nicht nur Architekten wie Schwippert, Bartning und auch Rimpl. Es lag auch gerade beim Bundesrechnungshofgebäude nahe, das so betont auf jede Repräsentativität/Repräsentation verzichtete, was auch noch kurz zuvor öffentlichkeitswirksam, bei der Einweihung eines anderen von Dierschke miterrichteten Neubaus, betont worden war. Auf das Bundesrechnungshofgebäude näher einzugehen oder es direkt auf die Institution und damit auf den Staat zu beziehen, barg aus Schäffers Sicht also möglicherweise das Risiko, die letztgenannten ihres spezifischen Werts und Wesens zu berauben und ebenfalls als in erster Linie funktionale Einrichtungen erscheinen zu lassen. Indem er das Gebäude kaum würdigte, weigerte er sich dagegen indirekt, ihm überhaupt irgendeine eigenständige (und über sich selbst hinausgehende) Bedeutung zuzusprechen und deutete es als neutrale Hülle, sprach der (modernen) Form also jede Aussagekraft für den Rechnungshof und den Staat, der das Gebäude errichtete und dem die Institution angehörte, ab. Nicht nur die Demokratie, auch die funktionale, moderne Gestaltung des Rechnungshofgebäudes, die ein entschieden unklassisches Bild des Staates zu entwerfen und legitimieren drohte, wollte Schäffer also in ihrer Bedeutung (und Bedeutungsentfaltung) eingehegt wissen. Damit unterschied sich seine Einordnung ganz klar von der, die beispielsweise Herbert Rimpl vertrat. Während letzterer die funktionalen Gebäude als nicht »gestaltete« begriff, die gerade als solche eine Bedeutung gewannen und dem gesamtgesellschaftlichen demokratischen Neuauf bruch Gestalt verliehen, in ihrer Nicht-Repräsentativität also repräsentativ waren, wollte Schäffer das Rechnungshofgebäude als nicht »gestaltendes« verstanden wissen: So wie (oder: weil) Institution und Staat in den Amtsgebäuden gerade keine – moderne – Gestalt gewannen, also durch diese nicht repräsentiert wurden, konnten die modernen Gebäude keine – modernisierenden – Wirkungen auf Institution und Staat entfalten (und die Idee eines objektiven, den partikularen gesellschaft253 Zur Bedeutung und den Bedeutungsebenen von Repräsentation in der frühneuzeitlichen, insbesondere in der barocken Architektur vgl. Meinrad von Engelberg, Die Neuzeit 1450-1800. Ordnung – Erfindung – Repräsentation, Darmstadt 2013, bes. S. 40-51; Kari Jormakka, Geschichte der Architekturtheorie, 3. Auflage, Wien 2007, S. 141f.
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lichen Kräften entgegengesetzten, deshalb notwendigerweise übergeordneten, aber durchaus gestaltenden Staates gefährden). Schwieriger ist es, das Schweigen des Bundespräsidenten einzuordnen. Neben Problemen, die er möglicherweise mit der Gestaltung des Baus hatte, können auch Fragen nach dem Ob und Wie einer baulichen Repräsentation des demokratischen Staates und damit nach dem Ob und Wie der gesamtgesellschaftlichen Sinnstiftung – beziehungsweise die Schwierigkeiten ihrer Beantwortung – eine Rolle gespielt haben: Auch auf das Risiko hin, die spärlichen Bemerkungen zu überinterpretieren, ist denkbar, dass Heuss, der für eine pluralistische Demokratie plädierte, einen starken Staat als Schutzmacht für sie forderte und konzipierte, mit der architektonischen und künstlerischen Moderne vertraut war und dieser grundsätzlich eine repräsentative Kraft und Aufgabe zumaß,254 die Dinge ganz anders sah als Schäffer und Rimpl: Möglicherweise begriff er die pluralistische Demokratie ebenso wie die künstlerische Moderne als bewusste und von daher bedeutende (sinngebende) Gestaltungsentscheidungen, die im Falle des Bundesrechnungshofs vielleicht nicht vollständig zur Deckung kamen und ein anderes Verständnis von Repräsentation nahelegten,255 wollte das aber nicht im Rahmen einer Einweihungsfeier ausführen. Das angesprochene andere oder neue Verständnis von Repräsentation knüpft sich vor allem daran, dass in einer Demokratie die Frage nach der Gestalt(ung) in gewisser Weise eine ergebnisoffene ist, der gesamtgesellschaftliche Sinn nicht vorgegeben, sondern (permanent) produziert wird. Daraus entspringt eine Skepsis gegenüber umfassenden, absoluten und abschließenden Sinnstiftungen und eine Hinwendung zum prozessualen Denken. Diese lässt sich, wenn auch ganz anders gelagert und motiviert, auch bei den Zeitungen fassen. Wie beschrieben, blendeten die Zeitungen die Dimensionen Demokratie und (demokratische) Politik insgesamt aus und entwarfen mit dem berechenbaren Staatshandeln ein Gemeinwesen, in dem Regelhaftigkeit und Sachorientierung der demokratischen Selbstbestimmung und Gestaltung nicht gegenüberstand, sondern diese ersetzte. 254 Vgl. dazu Baumgärtner, Republik, S. 104. Zu Heussʼ Haltung zu Staat und Demokratie vgl. die Nachweise in Fußnote Nr. 85 der Einführung. 255 Nicht umsonst entwickelte sich in den folgenden Jahren, anknüpfend an den bereits erwähnten Vortrag Adolf Arndts in der Akademie der Künste, die Debatte um das Bauen in der Demokratie, vgl. dazu (exemplarisch) Arndt, Demokratie; Günter Behnisch, Bauen für die Demokratie, in: Flagge/Stock (Hg.), Architektur, S. 76-75; Ingeborg Flagge/Wolfgang Jean Stock, Vorwort der Herausgeber, in: ebd., S. 8f.; Klaus von Beyme, Parlament, Demokratie und Öffentlichkeit. Die Visualisierung demokratischer Grundprinzipien im Parlamentsbau, in: ebd., S. 32-46; Karin Wilhelm, »Demokratie als Bauherr«. Überlegungen zum Charakter der Berliner politischen Repräsentationsbauten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) B 34-35/2001, S. 7-15. Vgl. auch Bartetzko, Symbol; Brendgens, Bauen, bes. S. 163-165; Frank, Demokratie, S. 14f.; Kraemer, Ästhetik, S. 83f.; Stock, Verfassung.
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Zudem betonten auch sie die Funktionalität des Neubaus und begriffen zumindest ansatzweise auch den Staat funktional, bezogen ihn auf die Gesellschaft und wollten das staatliche Handeln an deren Interessen orientiert und dadurch berechenbar gemacht wissen. Allerdings legten sie andere Schwerpunkte. Zum einen setzten die Zeitungen ein sachgerechtes, objektives und berechenbares Staatshandeln weniger voraus, als dass sie es als gegen die staatlichen und politischen Eliten durchzusetzendes und durchgesetztes Postulat beschrieben. (Zugespitzt gesagt, oszillierte es zwischen einem affirmativen und einem kritischen Begriff.) Zudem verdichteten sich die in den Zeitungen fassbar werdenden Vorstellungen nur bedingt zu einem festen Konzept. Sie erschienen eher als Pf löcke, die »eingerammt« wurden und die neue Ordnung grob konturieren sollten. So gesehen, ref lektierte die Berichterstattung in erster Linie Unsicherheit beziehungsweise einen Zustand des Suchens nach Möglichkeiten, die grundlegenden Entscheidungen (etwa des Grundgesetzes), die einschneidenden Veränderungen der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart (und nach Möglichkeit auch diese selbst) in »entnationalsozialisierter« Art und Weise fassen und beschreiben zu können. Ein wichtiges Element war dabei die Abneigung gegen alle Versuche umfassender Sinnstiftung (die sich allerdings in erster Linie an »die Politik« beziehungsweise an ihre voluntaristische Dimension richtete): Die Zeitungen hielten den Ball gewissermaßen f lach und Abstand von endgültigen, umfassenden Erklärungen. Deshalb (und drittens) verfuhren die Zeitungen in einem wichtigen Punkt auch ganz anders als Rimpl: Während der Architekt Architektur und gesamtgesellschaftliche Ordnung gleichermaßen als Ausdruck einer Orientierung auf vorgegebene, feststehende, objektive, nicht verfügbare Naturgesetzlichkeiten deutete, gingen die Zeitungen sozusagen den umgekehrten Weg: Bei ihnen blieben Architektur und Institution/ gesamtgesellschaftliche Ordnung jeweils selbstständig. Damit erschien der funktionale Bau, ähnlich wie bei Schäffer, weniger als bewusste, direkte und explizite Manifestation und als repräsentativer Ausdruck eines funktionalen Staates. Von dem Bundesfinanzminister unterschieden sich die Zeitungen allerdings, wenn es um den Grund für diese Verweigerung ging: Pointiert ausgedrückt, sprachen sie der Architektur eine Bedeutung oder »Bedeutungsträgerschaft« nicht deshalb ab, weil sie eine moderne war und damit die Behörde/die Verwaltung/die Bundesrepublik insgesamt modern zu bestimmen drohte, sondern weil sie jeder die Gesamtgesellschaft formenden, sinnstiftenden Kraft von Architektur skeptisch begegneten. (Zum Ausdruck kam das auch in den erwähnten humoristischen Bezeichnungen der Adler-Plastik als »Bundeskuckuck«256.) Wenn die funktionale, unrepräsentative Gestalt des Bundesrechnungshofs überhaupt etwas über sich selbst Hinausweisendes anzeigte, dann dass die Behörde und der – kommuna256 H. C. Franz, Herr Mayer zählt die Pfennige, in: Christ und Welt vom 20.5.1954, in: StadtA Frankfurt S 6 b/38 Nr. 549.
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le/staatliche – Bauherr, sich seiner finanziellen Verantwortung und damit seiner Verantwortung für die Gesellschaft (wenn man so will, seiner Funktionalität) bewusst waren. Auch hier lag der Akzent also weniger auf einem Sein, als auf einem Handeln des Staates, was die beobachtete Tendenz zu einer nichtwesenhaften und – in letzter Konsequenz vielleicht – nichtvisuellen Vorstellung vom Staat weiter unterfütterte. (Dass die Zeitungen nur wenige Jahre später das neue Gemeinwesen nicht nur als funktionales, sondern diese Funktionalität als demokratisch gestiftete, begriffen, erscheint aus diesem Blickwinkel als folgerichtig.) Mit dieser Linie umgingen die Zeitungen auch Schwierigkeiten, denen eine klassisch-etatistische Position, wie sie, idealtypisch überzeichnet, von Bundesfinanzminister Schäffer vertreten wurde, fast zwangsläufig begegnete: Fragen, wo der – klassische und damit repräsentationsbedürftige – Staat denn repräsentiert wurde, wenn nicht in einem Gebäude einer »seiner« zentralen Behörden, und ob ein sich in Repräsentationsverzicht übender Staat sich nicht eigentlich selbst in Frage stellte, lagen nahe, blieben unbeantwortet – und stellten sich bei der Deutung der Zeitungen gar nicht erst. Deren Linie gewann damit an zusätzlicher Überzeugungskraft und mit der Akzentuierung des staatlichen Handelns (anstelle des Seins) sogar an (zukunftsweisender) »Modernität«.
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4. Der (Wieder-)Aufbau von BKA und Bundesrechnungshof Die Allgegenwärtigkeit von Sachlichkeit und Nüchternheit und die Frage nach der Gestalt(ung) der jungen Bundesrepublik 4.1 Die Charakteristika: Die Dominanz der Exekutive und die Nachrangigkeit gestalterischer Fragen Insgesamt lässt sich festhalten: Der (Wieder-)Auf bau der Verwaltung, jedenfalls der des BKA und des Bundesrechnungshofs, war in seiner institutionellen wie in seiner baulichen Seite auf mehreren Ebenen und in vielerlei Hinsicht Teil der (Aus-)Gestaltung der jungen Bundesrepublik: Im Bund und in den Kommunen machte er praktische Entscheidungen notwendig und formte die politisch-administrative Struktur mit. Zudem war er mit grundsätzlichen Debatten und Diskussionen um das Sein und Sollen der neuen und vergangenen Ordnungen und Realitäten verbunden und als solcher ein vielschichtiger, auch von Reibungen und Ambivalenzen geprägter Prozess. Wenn die gewonnenen Einsichten im Folgenden noch einmal zusammengefasst dargestellt werden sollen, geschieht das in einer pointierten, zum Teil vielleicht sogar überzeichneten Form. Das ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass die Auseinandersetzung mit den (wieder-)errichteten Behörden in großen Teilen eine knappe und wenig vertiefende war. Vielmehr ist auch das Wissen darum begrenzt, wie und in welchem Umfang sie eigentlich rezipiert worden sind. Weil sich gerade die Frage, ob die Aussagen in ihrer gesamten Bandbreite auf ein (gemeinsames) Publikum trafen, nicht beantworten lässt, bleiben die folgenden Einordnungen abstrakt. Sie können und wollen also weniger »fertige« Einsichten formulieren, als die wichtigen Themen, Fragen, Deutungsmuster und Konf likte benennen und konturieren. Schon ein erster, oberf lächlicher Blick auf die Geschehnisse macht deutlich, dass die (Wieder-)Errichtung des BKA und des Bundesrechnungshofs von zwei korrespondierenden Charakteristika geprägt war – beziehungsweise zwei korrespondierende Charakteristika ausprägte: zum einen eine klare Dominanz der Ex-
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ekutive(n), so problematisch der Begriff für die kommunale Ebene auch ist, zum zweiten, vielfach, wenn nicht überwiegend eine klare Nachordnung ästhetischer, gestalterischer Fragen. Zum ersten Punkt: Die Exekutive(n) war(en) sozusagen allgegenwärtig: In den Kommunen drückten die Verwaltungen und Magistrate den Geschehnissen ihren Stempel auf, auf Bundesebene die Bundesregierung. Dabei – und damit – setzten sich beide regelmäßig gegen »parlamentarische Gremien« durch: In Wiesbaden wie in Frankfurt konnten die Magistrate in und mit den Entscheidungsprozessen, die mit der Ansiedlung der Behörden verbunden waren, ihre Position gegenüber den Stadtverordnetenversammlungen behaupten und ausbauen. Auf der Bundesebene wurden in und mit der institutionellen (Wieder-)Errichtung beider Behörden zwar hauptsächlich Fragen der Ausformung des Bund-Länder-Verhältnisses aufgeworfen – und beantwortet. In der Auseinandersetzung um den Sitz des Bundesrechnungshofs wurden aber auch Macht- und Kompetenzverhältnisse zwischen Exekutive (Bundesregierung) und Legislative unmittelbar angesprochen und (grundsätzlich) entschieden. Diese Dominanz der Exekutive(n) war zudem nicht nur faktischer Natur. Sie wurde unterfüttert und legitimiert durch die Art und Weise, wie die (Wieder-) Errichtung der beiden Behörden dargestellt und wahrgenommen wurde. Denn in nahezu allen Äußerungen, die sich um den (Wieder-)Auf bau der beiden Behörden rankten, hatten und gewannen mit der Exekutive assoziierte Eigenschaften wie Sachlichkeit und Nüchternheit zentrale Bedeutung: Sie prägten den Stil der Auseinandersetzung – im Ganzen überwog hier klar ein darstellender und nüchterner Ton. Und sie prägten die Inhalte. Am deutlichsten wird das bei Herbert Rimpl. Er pf legte in seiner Rede und in seiner Monographie Sachlichkeit und Nüchternheit zwar nicht, begrüßte und beschwor sie aber als allgemeinen Zeitgeist und begriff sie programmatisch. Die schon von den Zeitgenossen ref lektierte – und als Reaktion auf die Erfahrungen im Nationalsozialismus gedeutete – gesamtgesellschaftliche Hinwendung zu Sachorientierung, Pragmatismus und Nüchternheit prägte sich also auch in der Auseinandersetzung um die (Wieder-)Errichtung der beiden hier betrachteten Behörden aus und bestimmte Erwartungshaltungen und (Selbst-)Bilder. Im Fall des BKA bezogen sich diese Erwartungshaltungen und (Selbst-)Bilder vor allem auf die Behörde selbst. Sie wurde, pointiert ausgedrückt, als eine streng nach sachlichen Gesichtspunkten arbeitende und sich dabei die Technik zunutze machende beschrieben. Das deckte sich mit dem tradierten (aus guten Gründen nun aber klar auf die Gegenwart und Zukunft gerichteten, dazu nachher mehr) Selbstverständnis der Kriminalpolizei – und wurde von Seiten des Amts, darauf deuten insbesondere die Einweihungsfeierlichkeiten hin, sorgsam gepf legt. Gleichzeitig, und allgemeiner gesehen, wurde damit an das überkommene (Selbst-)Bild »der Verwaltung« angeknüpft. Und es wurde deutlich, dass, und wie selbstverständlich, dieses (Selbst-)Bild »anknüpfungsfähig« war – und dass, und
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wie sehr solche Anknüpfungspunkte gesucht wurden: Die Charakteristika und Strukturen von Behörden und Verwaltung, ihre Bedeutung und ihr (Selbst-)Verständnis als sach- und regelgeleitete Einrichtungen, ihre immer wieder betonte systemneutrale Notwendigkeit und Wirkungsmächtigkeit waren im allgemeinen Bewusstsein ganz offenbar nicht nur fest verankert. Sie wurden durch solche Darstellungen auch aktiviert und bestätigt. In welche Richtung das wies, wird klar, wenn einbezogen wird, wovon die Verwaltung abgegrenzt wurde: Das von strenger Sachorientierung und wissenschaftlich-technischer Finesse gekennzeichnete BKA stand in kaum einer Nähe zu Politik, zu Macht und Herrschaft. Nicht nur alle (und durchaus naheliegenden) Verweise auf die »Staatsmacht« und die staatliche »Gewalt« blieben aus. Vielmehr wurde, wenn das BKA als Wirkungsstätte kriminalistischer Masterminds vorgestellt wurde, die auf intellektuelle und technische Überlegenheit setzten, die gesamte körperliche Dimension ausgeblendet. Physischer Zwang schien in der kriminalpolizeilichen Arbeit absolut nachgeordnet zu sein. Das war nicht nur ein Versprechen für die Ausrichtung der kriminalpolizeilichen Arbeit in der Bundesrepublik (und eine aus guten Gründen stillschweigend vorgenommene Abgrenzung von der jüngsten Vergangenheit), sondern auch eine Aussage über die Bundesrepublik insgesamt: Eine solchermaßen arbeitende zentrale Kriminalpolizei belegte die selbstverständliche Zugehörigkeit der Bundesrepublik zur internationalen Gemeinschaft (zum Teil stiftete sie diese Zugehörigkeit sogar, denn die Errichtung der Behörde war unmittelbar mit der Aufnahme der Bundesrepublik in die internationale Polizeiorganisation Interpol verbunden). Auch die Arbeit des Bundesrechnungshofs war in der (Selbst-)Wahrnehmung von Neutralität und Objektivität geprägt. Die Auseinandersetzung mit ihm war allerdings wesentlich stärker auf das gesamte Gemeinwesen ausgerichtet: Staat und Politik wurden nicht ausgeblendet, sondern bildeten die entscheidenden Bezugspunkte. Der Bundesrechnungshof erschien als strikter, unparteilicher und von Statusfragen, Hierarchien etc. absolut nicht zu beeindruckender Wächter über Sparsamkeit (im Sinne einer Beschränkung auf das Notwendige) und, als solcher, als Garant dafür, dass letztlich alle Ebenen des neuen Staates und damit dieser insgesamt, ihr/sein Handeln an den sachlichen Notwendigkeiten ausrichteten. Auch das entsprach einem tradierten (Selbst-)Bild, transportierte und bestätigte dieses. Außerdem zeigte es, dass nicht nur »die Verwaltung« in den 1950er Jahren über eine allgemein anerkannte Identität und Legitimität – beziehungsweise über einen Legitimitätsvorsprung – verfügte, sondern auch die von ihr maßgeblich mitgeformte (und von Max Weber idealtypisch beschriebene) rationale staatliche Herrschaft. Letztere wurde, was nach den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus, angesichts der (allerdings nicht gleichzusetzenden) Entwicklungen in der DDR und vielleicht auch angesichts der »Performance« von Parlamentarismus und Demokratie in der Weimarer Republik gut nachvollziehbar war, geradezu zum Programm: »Der Staat«, genauer sein Handeln, sollte
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– erstmalig oder wieder – sach- und lösungsorientiert, den (legitimen) Interessen der Gesellschaft verpf lichtet, also gemeinwohlorientiert, pragmatisch und, vor allen Dingen, berechenbar sein, das war die allgemeine Erwartungshaltung, deren Erfüllung die Behörde soweit wie möglich sicherstellen sollte. Die (praktizierte wie eingeforderte) Nüchternheit und Sachlichkeit verdichteten sich also zur Vorstellung eines berechenbaren, rationalen Staat(shandelns), eines »verwaltungsmäßig« handelnden Staats. So gesehen ref lektierte die Auseinandersetzung um die (Wieder-)Errichtung von BKA und Bundesrechnungshof die in der Einleitung geschilderten Debatten um einen von der Verwaltung aus konzipierten Staat – beziehungsweise bildeten ein Feld, in dem solche Ansätze entfaltet, plausibel und wirksam gemacht wurden. All das ging einher, und das ist der zweite Punkt, mit einer bewusst zurückhaltenden und vorsichtigen Behandlung der Gebäude, ja mit einer klaren Nachordnung der ästhetischen, architektonischen Dimension. Sowohl in den internen Planungen und Entscheidungen wie in der Öffentlichkeit spielten Fragen nach der Gestalt(ung) der Behörden und des sie errichtenden öffentlichen Gemeinwesens nur eine untergeordnete Rolle. Im Bundeskabinett und im Bundestag wurden sie gar nicht thematisiert. Auch in den kommunalen Gremien dominierten sozioökonomische und technisch-organisatorische Gesichtspunkte: Die Ansiedlung der beiden Bundesbehörden wurde vor allem darauf hin diskutiert, welche Möglichkeiten sie für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt eröffneten. Und bei der Errichtung der Neubauten ging es nahezu ausschließlich darum, wie diese organisiert und finanziert werden konnte und sollte. Auch in der öffentlichen Auseinandersetzung mit den neuen Gebäuden wurden gestalterische Fragen vielfach nur peripher und andeutungsweise behandelt. Die Vertreter von Behörden, Regierung und Politik verzichteten in ihren Reden in der Regel auf längere, inhaltliche, vergleichende und wertende Aussagen zur architektonischen Gestalt der von ihnen eingeweihten Bauten, Ähnliches lässt sich über die Berichterstattung der Presse sagen. Diese war generell im Zwischenbereich von Sympathie und Distanz angesiedelt, behandelte die neuen Amtsgebäude und deren Entstehung darstellend und unaufgeregt, als »normale« Vorgänge und Gegenstände rationaler Erwägung und Wahrnehmung, insgesamt also als Prozesse, die keinesfalls zu irgendeiner Erregung Anlass gaben. Alle grundsätzlichen Fragen vermieden die Zeitungen, schon weil – und/oder indem – sie die entstehenden Gebäude nicht in Bezug auf das neue Gemeinwesen insgesamt (also die Bundesrepublik), sondern ausschließlich aus der kommunalen Perspektive heraus betrachteten – und sich dabei in Harmonie übten. Insbesondere wenn sie sich mit dem Verhältnis der entstehenden Gebäude zur bestehenden Bebauung auseinandersetzten, bemühten sie sich in der Regel, die Gebäude nicht in Konkurrenz zur überkommenen städtischen Identität treten zu lassen: So wie in ihrer Darstellung die Behörden als Institutionen dem sozioökonomischen Profil der Stadt entsprachen oder
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es weiterentwickelten, ergänzten die Neubauten das tradierte »Stadtbild« ganz unproblematisch. (Allerdings zeigte die Tatsache, dass sich in Frankfurt alle Zeitungen mit dem Verhältnis des Neubaus zur nahegelegenen Paulskirche auseinandersetzten – und speziell die Skepsis, mit der die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Neubau in dieser Hinsicht beäugte –, dass hier ein entscheidender und potenziell konf liktträchtiger Punkt berührt wurde.) Vor allem aber berichteten die Journalisten aus einer distanzierten Perspektive über die Gebäude: Sie konzentrierten sich auf die Fakten (wie Ausmaße etc.) und behandelten die Gebäude generell als objektiv beschreibbare, nicht als subjektive Wirkungen auslösende. Ästhetisches, Atmosphärisches, die Frage, wie die Betrachter und/oder Besucher die Gebäude (emotional) erlebten, blendeten sie also weitgehend aus. Eine nähere Charakterisierung der neuen Amtsbauten erschöpfte sich in der Regel in der Betonung ihrer Modernität, die gleichermaßen die Konstruktionsweise wie den freundlichen Zweckcharakter bezeichnete. Ganz ähnlich wie Stefanie Warnke es für die Berliner Presse beschrieben hat, war die Einordnung der Bauten als »moderne« auch in Wiesbaden und Frankfurt tendenziell eine abschließende, sie markierte den End- und nicht den Ausgangspunkt der Erörterung, beschrieb also eine feststehende und selbstverständliche Tatsache, die gerade nicht weiter ausgeführt wurde oder werden musste. Vergleiche mit anderen – zeitgenössischen wie früheren – Gebäuden, Ausf lüge in die Entwicklung, Prinzipien und Ausprägungen moderner Architektur, umfassende Würdigungen der zeitgenössischen Architektur und nähere Aussagen zu ihrem Verhältnis zur gesamtgesellschaftlichen Ordnung, wie Herbert Rimpl sie anstellte und unternahm, unterblieben. Diese Zurückhaltung hatte viel mit fehlender Expertise zu tun. Die Vertreter von Behörden, Staat und Politik und die Redakteure der (Lokal-)Zeitungen waren zumeist keine Architekturexperten. Ihnen fehlte – genau wie vermutlich großen Teilen der Zuhörer- und Leserschaft – schlicht das Fachwissen, um die Gebäude breiter und/oder kritischer beschreiben und würdigen zu können. (Nur die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte in Doris Schmidt eine ausgewiesene, entsprechend meinungsfreudigere und in der Darstellung wie Beurteilung mutigere Architekturexpertin, ansonsten fiel die Berichterstattung über den entstehenden Bundesrechnungshof aber wohl in die Zuständigkeit der Lokalredaktion.) Die Berichterstattung orientierte sich daher, ganz offensichtlich, zu guten Teilen an der Pressearbeit der Behörden und/oder kommunalen Verwaltungen. Gerade letztere waren, verständlicherweise, bemüht, die Ansiedlung der Behörden und die Errichtung der Bauten als »normale« und gänzlich konf liktfreie Vorgänge erscheinen zu lassen – und gerade nicht zu weiteren Objekten der ohnehin kräftezehrenden städtischen Auseinandersetzungen um das »Was« und »Wie« des kommunalen (Wieder-)Auf baus werden zu lassen. Dabei kam ihnen der Umstand entgegen, dass es sich um Neubauten handelte und nicht um den (Wieder-)Aufbau von Bauten, die für die kommunale Identität wichtig waren.
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Aber auch darüber hinaus hatten Redner, Pressestellen und Zeitungen gute Gründe, eine vertiefte Erörterung architektonischer Fragen zu vermeiden. In der Bundesrepublik waren Anfang der 1950er Jahre noch so viele und mitunter existenzielle Probleme zu bewältigen, dass ästhetische Fragen keine große Priorität hatten und entsprechende Ausführungen beim Publikum kaum auf Verständnis gestoßen wären. Außerdem waren die »modernen« Gebäude in der erwähnten doppelten Hinsicht, in Konstruktionsweise und Funktionalität, sozusagen selbstverständlich und »alternativlos«: Als Stahlbetonskelettbauten waren die Gebäude schlicht wesentlich preiswerter als traditionelle Massivbauten. Und mit ihrer freundlich-funktionalen Gestaltung waren sie nach allgemeiner, in der Regel aber unausgesprochener Überzeugung auch »westliche« Gebäude. Als solche belegten und verkörperten sie die Rückkehr der Bundesrepublik in die westliche Staatengemeinschaft. Eine breitere Erörterung war, so gesehen, überf lüssig und Widerspruch inopportun. Gleichzeitig war die moderne Formensprache aber keinesfalls breit akzeptiert. Während der Einweihung des Bundesrechnungshofgebäudes in Frankfurt wurde das, ansatzweise, sogar öffentlich deutlich, als der Präsident des Bundesrechnungshofs hörbar mit dem Gebäude, mehr noch allerdings seinem zentralen Kunstwerk, »fremdelte« und der Bundesfinanzminister es geradezu ignorierte. Umgekehrt erfreuten sich (gerade) die neoklassizistischen, im Nationalsozialismus errichteten – nunmehr politisch-gesellschaftlich als »totalitär« und architektonisch als »monumental« kritisierten – Gebäude jedenfalls in der Bevölkerung noch einiger Beliebtheit. Auch das kann die angesprochene Zurückhaltung aber mit erklären: Die neuen »modernen« Gebäude näher zu würdigen und positiv von den konkreten Vorgängerbauten (oder allgemein von Bauten vergangener Zeiten) abzugrenzen, war vor diesem Hintergrund nicht einfach und barg das Risiko, die Akzeptanz der Gebäude, vielleicht aber auch der Institutionen und der Bundesregierung (und -republik) beziehungsweise der städtischen Administration, die die Bauten ja errichteten, zu gefährden. In dieser Richtung kann selbst die Argumentation Herbert Rimpls verstanden werden: Auch um die zeitgenössische Architektur für ein breites Publikum plausibel und akzeptabel zu machen, präsentierte er sie geradezu als Gegenentwurf zur Klassischen Moderne. (Das allerdings war inhaltlich so angreif bar – und führte direkt in eine unter Architekten geführte kontroverse Diskussion –, dass es mit erklärt, warum etwa die Zeitungen so viel zurückhaltender waren. Dazu kam die offensichtliche persönliche Dimension der Deutung Rimpls: Wenn er die Gestaltungsprinzipien und die Legitimität der zeitgenössischen Architektur nicht nur auch, sondern allein auf den Industriebau zurückführte, war das sachlich nicht nur höchst problematisch. Es ließ sich auch ohne allzu große gedankliche Anstrengung als (Selbst-) Rechtfertigung des ehemals bedeutendsten Industriearchitekten des Nationalsozialismus erkennen.)
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Die angesprochene Zurückhaltung zudem auf den Umstand beziehen, dass die neuen Amtsbauten als moderne Bauten, das war eine allgemeine und explizit geäußerte Überzeugung, das Gegenteil repräsentativer Gebäude waren. Sie ließen sich also nicht mit einem Begriff bezeichnen, der, vielleicht wie kein anderer, Architektur mit Staat und Politik verklammerte. Die sachliche und nüchterne Berichterstattung der Zeitungen und die Zurückhaltung der Vertreter von Behörden und Politik zog daraus, so gesehen, Konsequenzen: Sie nahm die Nicht-Repräsentativität ernst, also den Umstand, dass den unrepräsentativen, freundlich-funktionalen Gebäuden keine über sie selbst hinausgehende Bedeutung zukam. Das wiederum macht deutlich, dass die beiden Charakteristika – die Dominanz der Exekutive, ihrer Orientierungs- und Verhaltensmuster und die Nachordnung gestalterischer Fragen – nicht nur parallel liefen, sondern in einem inneren Zusammenhang standen und sich gegenseitig bedingten: Mit der Zurückhaltung, die die Redner und die Zeitungen an den Tag legten, erklärten sie indirekt, dass die modern gestalteten Gebäude keine Aussagen über den »Inhalt«, über den rational handelnden Staat und seine Institutionen trafen (oder solche Fragen jedenfalls in den Hintergrund rückten), dass letzterer in den neuen Gebäude nicht zwingend Gestalt annahm und aus ihnen heraus näher zu bestimmen war. Allerdings gibt es auch Hinweise, dass die erwähnte Zurückhaltung gerade keine selbstverständliche und einzig angemessene, sondern eine bewusste – und, wenn man so will, eine interpretierende und defensive – Reaktion darstellte. Sie stand nämlich nicht nur in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den Feierlichkeiten und der Öffentlichkeitswirksamkeit, mit denen die Gebäude eingeweiht wurden. Mit ihr schwiegen Redner und Zeitungen auch zu der – naheliegenden – Frage, ob der Repräsentationsverzicht der Gebäude nicht etwas über die gesamtgesellschaftliche Ordnung verriet oder für diese von Bedeutung war – und sie schwiegen zu den Antworten, die beispielsweise Herbert Rimpl auf diese Fragen gab. Der Architekt bekannte sich schließlich nicht nur umfassend und emphatisch zu den ästhetischen Qualitäten der modernen, zeitgenössischen Architektur, genauso emphatisch beschwor er eine grundsätzliche »Bedeutung des Bedeutungsverzichts«: Die funktionalen, unrepräsentativen Bauten waren ihm zufolge Ausdruck und Manifestation einer umfassenden, Architektur, Gesamtgesellschaft und Staat prägenden Neuorientierung auf Natürlichkeit im Sinne einer Anerkennung objektiver Gesetzlichkeiten und eines Bruchs mit jedem bewussten Gestaltungswillen, der damit nur als illegitimer, willkürlicher, und in Architektur und Gesellschaft zu künstlichen Differenzierungen und Segmentierungen – eben Repräsentation – führender gedacht werden konnte. Aus den Amtsgebäuden ließen sich also klare Aussagen über den rational handelnden Staat und seine Institutionen ableiten, sie bildeten dessen (und deren) logische und zwingende Gestalt und machte insbesondere den beiden zugrundeliegenden Gestaltungsverzicht offensichtlich. Dass solche Einschätzungen gerade nicht allgemein geteilt wurde
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– und dass sich die angesprochene Zurückhaltung auch auf sie bezog –, zeigten die Ereignisse in Frankfurt: Wenn der Präsident des Rechnungshofs dem Gebäude eine gewisse »Würde« zusprach und der Bundesfinanzminister das Potsdamer Rechnungshofgebäude andeutungsweise ansprach, ließ sich das auch als Hinweis darauf verstehen, dass Repräsentation eine nach wie vor wichtige Kategorie war, sich nicht in der Nicht-Repräsentation durch die neuen Amtsgebäude erschöpfte. Mit anderen Worten: Die Zurückhaltung, die mehrheitlich gegenüber einer näheren Einordnung der neuen Amtsgebäude an den Tag gelegt wurde, zeigte, dass das Verhältnis der in institutioneller Hinsicht gerade bewusst kontinuitätswahrend wiederaufgebauten Verwaltung zur modernen Form doch nicht ganz selbstverständlich war, dass letztere nicht völlig selbstverständlich, problem- und bruchlos auf die Institutionen und den (sie wiedererrichtenden und sich in ihnen wiedererrichtenden) Staat bezogen werden konnte. Vielmehr ließen sich gerade mit den modernen Gebäuden Fragen nach der Gestalt des rational handelnden Staats und (damit) nach der Gestaltung in diesem Staat stellen (danach, ob, inwieweit, wie und durch wen eine solche stattfinden sollte oder konnte), die in der Öffentlichkeit wie in vielen wissenschaftlichen Disziplinen diskutiert wurden.
4.2 Das rationale Staatshandeln und das Problem der Gestalt(ung) 4.2.1 … in der Auseinandersetzung mit der (nationalsozialistischen) Vergangenheit Diese Fragen waren allerdings schwierige und heikle, letzteres nicht zuletzt deshalb, weil sie unmittelbar mit der jüngsten Vergangenheit und deren Deutung verbunden waren. Denn das Gegenbild des rationalen Staatshandelns und die Negativfolie für seine nähere Entwicklung bildete ebenso eindeutig wie in der Regel unausgesprochen der Nationalsozialismus. Ein sachliches, nüchternes, regelgeleitetes und berechenbares bundesrepublikanisches Staatshandeln zeigte die Überwindung des Nationalsozialismus und zugleich deren Notwendigkeit an: Mit dem Bekenntnis zu ersterem wurde letzterer nicht nur verurteilt, sondern gedeutet, wenn nicht definiert, nämlich als Willkürherrschaft. Dieses Gegensatzpaar wurde zudem, in unterschiedlichem Ausmaß, mit spezifischen Akzentsetzungen versehen: Die »Willkür« wurde vielfach als rechtswidrige, irrationale, subjektive und eben illegitimerweise gestaltende verstanden, die zu reinstallierende rationale Rechtsstaatlichkeit »objektivistisch« als auf eine vorgeordnete objektive Gerechtigkeit hin orientierte, natürliche oder überkommene »richtige« Verhältnisse wiederherstellende. Diese Konzentration auf den Gegensatz von gestaltender Willkür (oder willkürlicher Gestaltung) und rationaler Rechtsstaatlichkeit und die spezifische Ak-
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zentuierung beider war einerseits naheliegend und – nicht zuletzt als »Bewältigungsversuch« (im Sinne von Verstehen und einer Wiederholung vorbeugen) – verständlich: Entwicklung und Erfahrung des nationalsozialistischen Unrechts ließen sich kaum von der nationalsozialistischen »Bewegung« und ihren Dynamiken trennen, was erklärte, warum das Bedürfnis nach Rechtsstaatlichkeit unmittelbar mit dem Bedürfnis nach Regelhaftigkeit, Berechenbarkeit und Rationalität, nach Pragmatismus, Nüchternheit, nach einem Verzicht auf gesamtgesellschaftliche Neugestaltung und Sinnstiftung, nach Objektivität und einer gewissen Statik verbunden wurde. Allerdings war sie nicht zwangsläufig – und führte zu einer spezifischen, einseitigen Ausdeutung der Geschehnisse und Erfahrungen: Die aus dem Gegensatz von gestalterischer Willkür und objektiver rationaler Rechtsstaatlichkeit entspringenden Aussagen waren, kurz gesagt, vielfach Ergebnis, Spiegel und Motor der verbreiteten verharmlosenden Sicht auf den Nationalsozialismus. Im Fall des BKA verpf lichtete das beschriebene (Selbst-)Bild einer strikt sachund regelorientiert, objektiv arbeitenden Behörde diese zwar auf ein »zivilisiertes« Verhalten in Gegenwart und Zukunft, trennte sie aber gleichzeitig ebenso klar wie wahrheitswidrig von jeder Verbindung mit dem Reichskriminalpolizeiamt im Nationalsozialismus. Die dort geleistete kriminalpolizeiliche Arbeit, so ließ sich suggerieren, war entweder wie das gesamte System eine willkürliche und damit keine kriminalpolizeiliche Arbeit im eigentlichen Sinne oder eine sachliche und damit keine nationalsozialistische gewesen. So oder so wurde der Nationalsozialismus aus der deutschen kriminalistischen Tradition gelöst und jede Frage nach den – tatsächlich ausgeprägten und prägenden personellen, inhaltlichen und strukturellen – Kontinuitäten unterbunden. (Genauer gesagt wurden durch die eindeutige und ausschließliche Zuordnung von »Objektivität« und »zeitgenössischer kriminalpolizeilicher Arbeit« die Paradoxien geleugnet, die mit der Suche nach »Objektivität« einhergegangen waren: Die im 19. Jahrhundert aus dem Bestreben, die Kriminalitätsbekämpfung auf objektive Grundlagen zu stellen, heraus entwickelte Figur des Berufs- und Gewohnheitsverbrecher war, rassistisch aufgeladen, eine wichtige Grundlage der alles andere als objektiven kriminalpolizeilichen Tätigkeit im Nationalsozialismus gewesen.) Aber nicht nur die kriminalpolizeiliche Tätigkeit, auch der Nationalsozialismus insgesamt wurde, wenn er aus der beschriebenen Entgegensetzung heraus gedeutet wurde, tendenziell relativiert, auch wenn, wie gesagt, der Bruch mit dem Rechtsstaat und die »Willkür« den Nationalsozialismus zweifelsohne prägten: Jedenfalls wenn die Entgegensetzung als strikte und absolute betrachtet wurde, rückten die Gleichzeitigkeit oder Amalgamierung von irrationaler Destruktivität und routinemäßigem Handeln aus dem Blick, die, vor allem außerhalb Deutsch-
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lands, viele Intellektuelle beschäftigte.1 Dasselbe galt für Fragen nach einer eventuellen Einbindung und damit Verantwortlichkeit tradierter staatlich-politischer Institutionen (oder, weitergehend, gesamtgesellschaftlicher Strukturen) und der Bedeutung ihres verwaltungsmäßigen Handelns. Die Annahme eines strikten Gegensatzes von rationaler Rechtsstaatlichkeit und Willkür erlaubte es, Aspekte der »bürokratisierten Rechtlosigkeit«2 außen vor zu lassen und stattdessen das (Selbst-)Verständnis der Verwaltung und Beamtenschaft aufzugreifen und zu bestätigen, mit dem Nationalsozialismus inkompatibel gewesen, von diesem bekämpft, aber nicht »kontaminiert« worden, mithin der jeder Einf lussmöglichkeit beraubte, zentrale, wenn nicht definitorische Gegenpol (und Gegner) der »nationalsozialistischen Willkür« gewesen zu sein.3 Das ließ sich fortsetzen: Waren die tradierten staatlichen Strukturen Rationalität und Rechtsstaatlichkeit zuzuordnen, konnte die »Willkür« – in erster Linie oder ausschließlich – bei Parteien/ der NSDAP und Politik und/oder bei Hitler und den »wenigen« überzeugten Nationalsozialisten angesiedelt werden, was der in den 1950er Jahren stark verbreiteten extrem eingeschränkten und einschränkenden, am Ende personalen Sicht auf den Nationalsozialismus ebenso entsprach wie es diese transportierte. Wenn man so will, sorgte die strikte Gegenüberstellung mit dafür, dass in der Terminologie, aber völlig entgegen den Aussagen Ernst Fraenkels das »Dritte Reich« auf den »Maßnahmenstaat« reduziert und gegen den klassischen und jetzt wieder zur Geltung kommenden »Normenstaat« ausgespielt wurde (beziehungsweise war Ausdruck und Motor der Tatsache, dass Fraenkels Beschreibung zweier einander ergänzender Funktionsmechanismen des Nationalsozialismus in der bundesrepublikanischen Rezeption über lange Strecken so konsequent wie den Autor missverstehend als Beschreibung eines Dualismus von Staat und Partei interpretiert wurde).4 Mit dem gerade Gesagten hingen weitere (problematische) Ausdeutungen des Nationalsozialismus direkt zusammen. So rückten mit der alleinigen Betonung der anti-(rechts)staatlich ausgerichteten Willkür andere zentrale Charakteristika 1 Neben Ernst Fraenkel waren das beispielsweise Hannah Arendt und Herbert Marcuse. Zu Arendts und (knapp) auch zu Marcuses Erkenntnissen über die Bedeutung der »Sachlichkeit«, von verwaltungstechnischer Organisation, Planung und Rationalität in der Praxis wie in der Ideologie des Nationalsozialismus s. Schulze Wessel, Ideologie, bes. S. 196-206. 2 So die Formulierung von Ernst Fraenkel in der Widmung seines Buches »Der Doppelstaat«. 3 So gesehen erscheint die Regelung, nach der Beamte wiedereinzustellen waren, wenn sie »nur« an NS-Organisationen abgeordnet worden waren, konsequent. 4 Dazu s. Horst Dreier, Nachwort: Was ist doppelt am »Doppelstaat«? Zur Rezeption und Bedeutung der klassischen Studie von Ernst Fraenkel, in: Fraenkel, Doppelstaat, S. 274-300. Wie (eventuelle) Zusammenhänge wirklich aussehen, wäre allerdings näher zu untersuchen, wie beschrieben war Fraenkels Analyse 1953 einem deutschsprachigen Publikum zumindest noch nicht allgemein zugänglich.
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des Regimes, wie der Antisemitismus und die rassisch-biologistisch begründete systematische Kriegs- und Massenvernichtungspolitik und deren Opfer zumindest potenziell in den Hintergrund: Sie erschienen wenigstens indirekt als in der Bedeutung nachgeordnete und nicht zwangsläufige Folgen oder als konkrete Erscheinungsformen des willkürlichen Herrschens – die Opfergruppen waren dann willkürliche im Sinne von zufällig ausgewählte. Wenn, wie etwa bei Herbert Rimpl, die Willkür als überbordende Subjektivität, als illegitime Selbstermächtigung zur Gestaltung begriffen wurde, war der Bruch mit der rationalen Rechtsstaatlichkeit zudem letztlich gleichbedeutend mit einem Bruch ewiger, nicht verfügbarer, transzendent beziehungsweise göttlich verankerter, objektiv bestehender (Natur-)Gesetzlichkeiten. Die Leugnung von deren Existenz und Verbindlichkeit stand dann im Vordergrund – und rückte die Leugnung der Legitimität konkurrierender Vorstellungen beziehungsweise die Verabsolutierung und ebenso umfassende wie rücksichtslose Durchsetzung der eigenen Vorstellungen gegen konkurrierende in den Hintergrund, die etwa von Hannah Arendt (mit dem Begriff der »totalen Herrschaft«5) erfasst und in den Mittelpunkt gestellt wurde. So gesehen entsprach die Entgegensetzung von gestalterischer Willkür und objektiver rationaler Rechtsstaatlichkeit nicht nur der Totalitarismustheorie, die in der Bundesrepublik en vogue und von enormer Bedeutung dafür war, dass sich gerade konservative Zeitgenossen mit den neuen Verhältnissen arrangierten.6 Sie erleichterte auch deren konservative, antipluralistische Ausdeutung.7 Wird zusätzlich einbezogen, dass die Konzentration auf den Bruch mit objektiven Gesetzlichkeiten Deutungen erleichterte, die den Nationalsozialismus (seine Entstehung, Durchsetzung, seine Theorie und Praxis) aus der konkreten geschichtlichen »Umgebung« herauslösten und als »schicksalhaften« Bruch mit – abendländischen und/oder christlichen – Prinzipien betrachteten, wird deutlich, wie sehr gerade in diesen Zuspitzungen eine Charakterisierung des Nationalsozialismus aus dem Gegensatzpaar (gestalterischer) Willkür und rationaler (Rechts-)Staatlichkeit heraus die weitverbreitete Weigerung, sich mit dem Nationalsozialismus näher auseinanderzusetzen, spiegelte, legitimierte und transportierte. Wenn man so will,
5 S. dazu Vollnhals, Totalitarismusbegriff. 6 S. dazu Günther, Denken, S. 89 (m. w. N.). 7 Hannah Arendt etwa begriff die Willkür nicht als Ausdruck übersteigerter Subjektautonomie, sondern als auf deren Zerstörung gerichtete – und setzte Ideologie gegen Pluralismus und nicht gegen Objektivität. Vgl. dazu Schulze Wessel, Ideologie, passim und die vorangegangene Fußnote. Zu Fraenkels Gegenüberstellung totalitärer und pluralistischer Systeme vgl. (zum Beispiel) Ernst Fraenkel, Der Pluralismus als Strukturelement der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie. Festvortrag anläßlich des 45. Deutschen Juristentages in Karlsruhe vom 22. Sept. 1964, in: ders., Deutschland, S. 256-280.
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lässt sie sich als ein Element des »kommunikativen Beschweigens«8 des Nationalsozialismus beschreiben, das dann allerdings weniger eine konstruktive, integrative Leistung des Beschweigens bezeichnet als vielmehr die sprachlichen Mechanismen, die dieses Beschweigen ermöglichten – und mit dafür sorgten, dass das »allgemeine Bewußtsein von der Haftungsgemeinschaft aller Deutschen für das Dritte Reich über Jahrzehnte hinweg unterentwickelt blieb«9. Wie bereits gesagt, wurde die Entgegensetzung von rationaler (Rechts-)Staatlichkeit und (nationalsozialistischer) Willkür in verschiedene Richtungen entfaltet (und führte nicht zwangsläufig zu den dargestellten problematischen Deutungen). Für den hier untersuchten Zusammenhang interessant ist vor allem der Umstand, dass einige der Aussagen, die aus der Entgegensetzung heraus über die (jüngste) Vergangenheit getroffen wurden, unmittelbare Auswirkungen auf die Sicht der Gegenwart hatten und sich in entscheidenden Punkten unterschieden. Für Herbert Rimpl, der die nationalsozialistische Willkür besonders eng auf den Gestaltungswillen bezog, war die Etablierung des rational handelnden Staats gleichbedeutend mit der Absage an jeden Gestaltungswillen und mit einen echten Neubeginn: Die Gegenwart brach vollständig mit überkommenen Strukturen, mit der gesamten Geschichte und bildete den Beginn eines qualitativ neuen und geschichtslosen Zeitalters, des Posthistoire. Anders sah es zum Beispiel für den Bundesfinanzminister Schäffer und den Präsidenten des Bundesrechnungshofs Mayer aus. Für beide brach der Nationalsozialismus mit bewährten und richtigen Ordnungsprinzipien und stellte die Durchsetzung der rationalen Rechtsstaatlichkeit eine Rückkehr zu diesen von den Nationalsozialisten hinweggefegten Struk8 Der von Hermann Lübbe geprägte Begriff wird hier also weniger im Hinblick auf die Etablierung und Stabilisierung der neuen (bundesrepublikanischen) Ordnung betrachtet, denn als im Element oder sprachlicher Mechanismus einer (bewussten) »Vergangenheitspolitik« (Norbert Frei), also (als) kritischer gebraucht. Damit lassen sich auch die von Lübbe ausgeblendeten Dimensionen erfassen, etwa die Tatsache, dass nicht nur die eigene Schuld, sondern auch das Leid der Opfer »beschwiegen« wurde und die eigenen Leidenserfahrungen breit (und mitunter durchaus im Sinne einer »Aufrechnung«) thematisiert wurden. Zum »kommunikativen Beschweigen« vgl. Hermann Lübbe, Der Nationalsozialismus im deutschen Nachkriegsbewusstsein, in: Historische Zeitschrift (HZ) 236 (1983), S. 579-599; ders., Vom Parteigenossen zum Bundesbürger. Über beschwiegene und historisierte Vergangenheiten, München 2007. Zur Diskussion des Begriffs s. (statt aller) Hans-Michael Empell, Besprechung: Lübbe, Hermann, Vom Parteigenossen zum Bundesbürger – über beschwiegene und historisierte Vergangenheiten, Fink, München 2007, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte/Germanistische Abteilung 127 (2010), S. 908-910; Frei, Vergangenheitspolitik, S. 7-24. 9 So die (auf die genannte Studie von Norbert Frei über die »Vergangenheitspolitik« bezogene) Formulierung von Anselm Doering-Manteuffel, Die Interessenten des Vergessens, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.8.1996, abrufbar unter: www.faz.net/aktuell/feuilleton/ politik/rezension-sachbuch-die-interessenten-des-vergessens-11306573.html?printPagedArtic le=true#pageIndex_0, abgerufen am 2.10.2017.
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turen dar. Im Fall Schäffer war es konkret der (unmittelbar mit »der Verwaltung« zusammenhängende) konstitutionelle Rechtsstaat, dagegen akzentuierte Mayer die mit der Wiedererrichtung »seiner« Behörde die Bestätigung eines spezifisch preußischen Staatsverständnisses. Ähnlich wie Schäffer, aber offensiver als dieser, bezog sich Mayer mit der Figur des rationalen Staatshandelns positiv auf die deutsche Geschichte und deren tradierte Interpretation: Mit seinen Darlegungen skizzierte er das klassische Preußenbild und widersprach indirekt der Deutung Preußens als Hort des Militarismus und Autoritarismus, der die Alliierten und gute Teile der bundesdeutschen Publizistik anhingen. Solche Aussagen über die Vergangenheit waren gleichzeitig welche über die Gegenwart; das die beschriebenen Deutungen tragende Gegensatzpaar von (objektiver) rationaler Rechtsstaatlichkeit und (gestalterischer) Willkür und damit die Frage nach der Gestalt(ung) ersterer war also auch für die Debatten um das Sein und Sollen der Bundesrepublik von Bedeutung.
4.2.2 … in der Auseinandersetzung mit der Gegenwart: 4.2.2.1 Wieder- oder Neugewinn des rational handelnden Staates … Wie bereits gesagt, prägte sich in der Auseinandersetzung um die (Wieder-)Errichtung von BKA und Bundesrechnungshof das (Selbst-)Bild einer auf Rationalität verpf lichteten staatlichen Exekutive, ja das eines primär verwaltend tätigen, alle Aspekte von Macht und Herrschaft in den Hintergrund rückenden Staats aus. (Um es zugespitzt auszudrücken: Der Staat wurde zum großen Teil mit der Verwaltung identifiziert oder auf diese reduziert.) Als solcher war der rational handelnde (Rechts-)Staat ein Konsensbegriff, bildete also eine gemeinsame Plattform für die Formulierung und Erörterung sehr verschiedener Vorstellungen und Ideen über das Sein und Sollen der (neuen) gesamtgesellschaftliche Ordnung, also darüber, wie Politik, Gesellschaft und Demokratie, ihr jeweiliges »Wesen« und ihre Beziehungen zueinander und zum Staat begriffen wurden. Diese verschiedenen – und hier idealtypisch als ein klassisch-etatistischer, ein pluralistisch-demokratischer, eine offensiv-technokratischer und ein indirekt-technokratischer identifizierten und nachgezeichneten – Ansätze lassen sich nicht linear (zwischen den Polen progressiv und konservativ) verorten. Vielmehr berührten sie sich, wenn auch mehr oder weniger ausgeprägt, mit den jeweils anderen. Anhand der Frage nach der Rolle und Bedeutung der (politischen) Gestaltung werden die ersten beiden aber in »politische« und die anderen beiden in »technokratische« Positionen zusammengefasst. Die beiden »politischen« Ansätze können dem Bundespräsidenten, Theodor Heuss, und dem Bundesfinanzminister, Fritz Schäffer zugeordnet werden. Ihnen gemeinsam ist, dass sie das rationale Staatshandeln, vergröbert gesagt, als einen seit Langem gültigen, durch den Nationalsozialismus unterbrochenen
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Ist-Zustand, den Staat als eine eigenständige Größe und (an sich) als Hort von Objektivität beschrieben. Demgegenüber erschien die Gesellschaft als eine von Interessengegensätzen, Konf likten und Dynamiken gekennzeichnete. Während Heuss ersteres positiv beschrieb, auf das sachliche Staatshandeln bezog und Staat und Gesellschaft – über die Demokratie – in eine wechselseitige und produktive Beziehung setzte, zog Schäffer in seiner Rede die entgegengesetzte Schlussfolgerung: Die gesellschaftlichen Interessenkonf likte und ihre Dynamik erscheinen bei ihm als tendenziell unkalkulierbare und nur durch eine ordnende Staatstätigkeit zu bändigende – und als Grund dafür, letztere so weit wie möglich abzuschotten. In dieser Weise interpretierte er auch den Demokratiebegriff. Anders als der Bundespräsident war er skeptisch, was deren konstruktive Kraft anging. Zugespitzt ausgedrückt, ging sein Bekenntnis zu ihr daher mit einem Begriffsverständnis einher, das ihrer Bedeutung für »den Staat« oder das Staatshandeln erkennbare Grenzen setzte und sie (jedenfalls nach heutigem Verständnis) geradezu entkernte: Ihm zufolge war der Demokratie in ihrer eigentlichen, ursprünglichen, römischen (und als Vorbild empfohlenen) Form eine Orientierung auf das Objektive inhärent, sie übte sich also letzten Endes in Selbstbescheidung. Partizipatorische und pluralistische Dimensionen, die Heuss zumindest der Tendenz nach betonte und auf Staat, Verwaltung und Gesellschaft sozusagen anwandte, waren damit minimiert oder sogar im Ansatz gekappt. Anders gelagert waren die beiden technokratischen Positionen, vertreten von den (politologischen und staatsrechtlichen »Laien«, den) Zeitungen und Herbert Rimpl. Das rationale Staatshandeln erschien bei ihnen als ein erst in der Gegenwart verwirklichtes Ideal (Rimpl) oder, etwas pragmatischer, als ein anzustrebender, aber kaum endgültig zu erreichender Soll-Zustand (die Zeitungen). Zudem markierte oder indizierte es einen fundamentalen und begrüßenswerten Wandel des Staates, der Gesellschaft und ihres beiderseitigen Verhältnisses: Die von allen grundsätzlichen (die Zeitungen) und/oder ideologischen (Rimpl) Auseinandersetzungen und Hierarchien befreite, insgesamt, also in Sein und Wollen pragmatische und egalitäre Gesellschaft begegnete dem Staat auf Augenhöhe. Sie verpf lichtete ihn darauf, ihren Vorstellungen gemäß zu handeln, die, ihrer Homogenität entsprechend, im Grunde allgemein akzeptierte, auf der Hand liegende waren (die Zeitungen) beziehungsweise als solche aus der Einsicht in vorgegebene, ewige Gesetzlichkeiten resultierten (Rimpl). Zwar akzentuierten sie damit, ähnlich wie Heuss, die grundsätzliche Legitimität gesellschaftlicher Forderungen an Staat und Politik. Allerdings, und in diesem Punkt unterschieden sie sich auch vom Bundesfinanzminister, betrachteten sie diese gesellschaftlichen Forderungen nicht als heterogene, in kontroversen Prozessen entwickelte und formulierte; Pluralismus und Konf likt, Interessengegensätzen und Konfrontation spielten bei den Zeitungen und bei Rimpl keine (positiv bestimmte) Rolle. Das schlug sich auch im Blick auf Demokratie
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und Politik nieder: Bei ersterer fehlte, kurz gesagt, jeder Bezug zur staatlichen Willensbildung und zum staatlichen Handeln, den Heuss und Schäffer zwar unterschiedlich beurteilten, aber beide annahmen. Demgegenüber verzichteten die Zeitungen auf den Begriff und auf jede nähere Würdigung nahezu vollständig: Allein behördliche und eben nicht parlamentarische Kontrolle garantierte für sie das geforderte nüchterne und sachorientierte Staatshandeln. Und wenn sie sich selbst durch den Hinweis des Präsidenten des Bundesrechnungshofs nicht irritieren ließen, der festhielt, dass die in der Berichterstattung seiner Behörde zugemessenen Kompetenzen nach Art und Ausmaß mit der Demokratie nicht vereinbar seien, zeigt das, dass die Möglichkeit, dass Inhalte, Regeln, Ziele und Wege dieses Staatshandelns Resultate eines demokratischen – kontroversen und ergebnisoffenen – Prozesses sein könnten, offenbar jenseits ihrer Vorstellungskraft lag. Verdichtet und gewissermaßen erklärt wurde diese Distanz bei Rimpl: So enthusiastisch er sich zur Demokratie bekannte, so eindeutig verstand er diese als gesellschaftliches Prinzip, das sich faktisch in der (die Homogenität sichernden) Egalität der Staatsbürger erschöpfte und gerade keinen Anspruch auf politische Gestaltungsmacht enthielt. Wurde ein »politische[r] Begriff des Volkes« damit ausgeblendet, galt dasselbe für einen »politische[n] Begriff der Herrschaft« und die Vorstellung einer »in der Demokratietheorie entwickelten Klammer der politischen Legitimität«10. Letztendlich wurde jede »Politik« im Sinne eines konf liktären Aushandlungsprozesse, einer konfrontativen Artikulation und eines Ausgleichs gesellschaftlicher (Interessen-)Gegensätze negiert und ihre gestalterischen, voluntaristischen oder deliberativen Dimensionen beschnitten (die sie bei Schäffer, das kann unterstellt werden, hatte und die der Grund dafür war, dass er die Politik für den der pluralistischen und willkürlichen Gesellschaft enthobenen Staat reservierte). Die von der homogenen Gesellschaft geforderte und ausgehende Rationalität im Sinne von Berechenbarkeit des staatlichen Handelns stand nicht nur einer pluralistischen, partizipatorischen (Parteien-)Demokratie entgegen, sondern tendenziell jedem bewussten politischen Wollen (und dessen Dynamik). In einem, allerdings zentralen, Aspekt ähnelten die Aussagen Rimpls und die der Zeitungen denen Schäffers: Sie alle entfalteten mit dem (Selbst-)Bild des rational handelnden (Rechts-)Staats die Demokratie gerade nicht im pluralistischen, partizipatorischen Sinn, sondern reduzierten sie auf ein »Government for the people« – und zeigten, wie wenig die Bundesbürger und Bundesbürgerinnen Anfang der 1950er Jahre mit einer Demokratie westlichen Zuschnitts anfangen konnten – oder anzufangen bereit waren. Allerdings ist es nicht eindeutig, ob das der Intention der Zeitungen und Rimpls entsprach oder nicht auch Suchbe10 Greiffenhagen, Dilemma, S. 337 (die Formulierung bezieht sich dabei auf die Vorstellungen Helmut Schelskys).
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wegungen darstellten. Die von Rimpl und den Zeitungen entworfene homogene Gesellschaft ließ sich zum Beispiel einigermaßen unproblematisch mit dem – tradierten und appellierenden – Kollektivsingular »das Volk« beschreiben, wurde aber als Gegenteil einer autoritär und hierarchisch vom Staat und auf diesen hin organisierten Gesellschaft beschrieben und nicht von Begriffen wie eben den des »Volkes«, aber auch den der »Nation« oder der »Rasse- oder Artgleichheit« aus konstruiert. Zudem lassen sich inhaltliche Unterschiede ausmachen: Entwarf und beschwor Rimpl die neue gesamtgesellschaftliche Ordnung ganz explizit, waren die Zeitungen auch hier zurückhaltender. Statt von »Volk« oder »Gesellschaft« sprachen sie, neutraler und weniger appellativ, von der »Bevölkerung« oder, am liebsten, von »dem Steuerzahler/den Steuerzahlern« und betonten so die pragmatische und zweckrationale Natur der Beziehungen zwischen Staat und den Bürgerinnen und Bürgern. Wie Rimpl distanzierten sich die Zeitungen damit (unausgesprochen) von der gerade im Nationalsozialismus eingeforderten, inszenierten und praktizierten affektiven Hingabe der Bevölkerung an einen charismatischen »Führer«. Im Gegensatz zu dem Architekten entwickelten sie das aber im Rahmen einer Distanzierung nicht nur von der spezifisch nationalsozialistischen »Sinnstiftung«, sondern von Sinnstiftungen überhaupt, indem sie ihre Aussagen gerade nicht als endgültige Antworten auf grundsätzliche Fragen nach Wesen, Zielen und/oder Bestimmung des sozialen Ganzen präsentierten. Und in dieser Hinsicht waren ihre Äußerungen ähnlich gelagert wie die des Bundespräsidenten, der die Frage der Sinnstiftung bewusst offenhielt (sie allerdings, so ist zu vermuten, im Rahmen eines demokratischen Prozesses geklärt wissen wollte). Alles in allem lässt sich die Auseinandersetzung um die (Wieder-)Errichtung des BKA und des Bundesrechnungshofs als ein Feld begreifen, in dem sich eine vorsichtige, konservative Modernisierung der Bundesrepublik ausdrückte, vollzog – und deutlich wurde, wie und in welch vielfältiger Weise beide Dimensionen verwoben waren und wurden und wie facettenreich, mitunter ambivalent und widersprüchlich dieser Prozess war.
4.2.2.2 … und sein Preis Die zuletzt angesprochenen Ambivalenzen treten besonders deutlich zu Tage, wenn, zum Abschluss, noch einmal die Auseinandersetzung mit den beiden neuen Amtsgebäuden thematisiert wird. Denn, vergröbert ausgedrückt, wurde das (Selbst-)Bild des rationalen Staatshandelns vor allem in Bezug auf die Institutionen und hier vielfach in eher traditioneller, konservativer Weise entwickelt. Konkret wurde es vielfach als Rückkehr zu »sein sollenden«, bewährten Verhältnissen begriffen, mit denen die Nationalsozialisten gebrochen hatten. Demgegenüber zeigten die modernen, funktionalen und als solche wahrgenommenen und beschriebenen Gebäude an, dass es neben der Rückkehr auch um Bruch ging, dass die Wiedergewinnung des rationalen Rechtsstaats mit Zurückhaltung und Ver-
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zicht einherging: mit Zurückhaltung, was die Entfaltung von Bedeutung (für den Staat oder die des Staates) und die Repräsentation (dieses Staats) anging, mit, das betonte gerade die zeitgenössische Deutung, dem Verzicht auf architektonische Opulenz, auf jeden imponierenden Gestus, auf eine Akzentuierung der Dimensionen von Macht und Herrschaft. Damit eröffnete sich die Möglichkeit, das Sein und Sollen des rationalen Staatshandelns anders zu begründen, zu akzentuieren und zu konzipieren. Mit anderen Worten: Aus den Gebäuden heraus konnte eher nach der Modernität als nach der Traditionalität des neuen Gemeinwesens gefragt – beziehungsweise konnten moderne und modernisierende Ansätze und Vorstellungen entwickelt und plausibel gemacht werden. Allerdings blieb das, jedenfalls in den hier betrachteten Äußerungen, mehr eine Möglichkeit, als dass es Wirklichkeit wurde. Der einzige, der sich länger und tiefergehend äußerte, der Architekt Herbert Rimpl, entwickelte eine technokratische Deutung der zeitgenössischen Architektur und Gesellschaftsordnung: Wenn er die zeitgenössische Architektur als Beleg wie Manifestation der zeitgenössischen natürlichen, auf der Anerkennung objektiver Gesetzlichkeiten basierenden, egalitären, demokratischen und insgesamt funktionalen Ordnung begriffen wissen wollte, verstand er die moderne Form als einzig mögliche und zwangsläufige Gestalt des »Inhalts«, erkannte in dem Gestaltungsverzicht das Charakteristikum beider und maß der unrepräsentativen Gestaltung eine repräsentative Kraft zu. Etwas anders gelagerte Einschätzungen entwickelten der Präsident des Bundesrechnungshofs, Mayer, und Bundesfinanzminister Schäffer. Mayer deutete »sein« neues Amtsgebäude zumindest ansatzweise als repräsentatives, also als eines, das einem tradierten Anspruch gerecht wurde. Hingegen wollte der Bundesfinanzminister aus dem Gebäude überhaupt keine Aussagen über die Institution, Verwaltung und den Staat ableiten und es vielleicht als gestaltetes, aber gerade nicht als letztere irgendwie gestaltendes verstanden wissen. Wiederum anders sah es bei den Zeitungen aus. Dass der der (klassische) Rechtsstaat den (ebenso klassischen) Machtstaat quasi abstreifte, war eine Ebene, die sie nicht weiter interessierte. Aber sie waren zurückhaltend, wenn es darum ging, Form und Inhalt in direkte Beziehung zu setzen. Anders als Schäffer hatten sie dabei weniger ein Problem mit der gestaltenden Kraft moderner Architektur als mit Gestaltungsansprüchen im Allgemeinen und solchen der Architektur im Besonderen. Diese lösten sie aber nicht wie Herbert Rimpl, der im Gestaltungsverzicht das entscheidende Merkmal von Architektur und gesamtgesellschaftlicher Ordnung sah und damit beide unmittelbar aufeinander bezog. Statt auf Identifikation setzten die Zeitungen auf Differenzierung: Die neue gestalterische Zurückhaltung drückte sich gerade darin aus, dass Form und Inhalt ihre Selbstständigkeit behielten und sich höchstens zu einem Teil aufeinander beziehen ließen. Das hieß auch, dass die Funktionalität der Bauten mehr über das staatliche Handeln als über das staatliche Sein aussagte und dass, umgekehrt, Institution und Staat die Form primär anhand von
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Sachgesetzlichkeiten, nicht im Rahmen eines gestalterischen Anspruchs beeinf lussten. Die Nähe zwischen dem (Selbst-)Bild des rationalen Staatshandelns und den funktionalen Bauten erschien eher als Kongruenz denn als eine innere, wesenhafte Beziehung. Vorbehalte gegen eine – umfassende – architektonische Sinnstiftung und, darüber hinaus, ein Bewusstsein für die Eigenwertigkeiten und -logiken von Architektur und gesamtgesellschaftlicher demokratischer Ordnung waren vielleicht auch ein Grund für Heussʼ relatives Schweigen gegenüber dem neuen Amtsgebäude des Bundesrechnungshofs. Aufgrund seiner politischen Haltung und seines Werdegangs wäre es dem Bundespräsidenten am ehesten zuzutrauen gewesen, den Neubau mit Fragen nach dem neuen, demokratischen Staat zu verknüpfen, also Diskussionen wie sie etwa Hans Schwippert und Otto Bartning angestoßen hatten, für die Einordnung von Verwaltung und rationalen (Rechts-)Staat fruchtbar zu machen. Warum er das nicht tat, muss offenbleiben. Mögliche Gründe sind, neben den gerade angesprochenen, Absprachen zwischen den Rednern, was die Themen und Ausrichtung der Reden anging, auch Vorbehalte gegenüber dem Gebäude des Bundesrechnungshofs, was seine architektonische Qualität und vielleicht auch was »seine Aussagen« zum (Spannungs-) Verhältnis von Staat und Demokratie und zum Ob und Wie der Gestaltung und/ oder Repräsentation eines demokratischen Staates anging. Im Ergebnis wurde – jedenfalls beim Bundeskriminalamt und beim Bundesrechnungshof – das modernisierende Potenzial der neuen Gebäude nur wenig ausgeschöpft, und wenn doch, dann in einem technokratischen Sinne. Auf unterschiedlichen Wegen und aus unterschiedlichen Motivlagen heraus wurde die moderne Formensprache vielmehr in ihrer Bedeutung nachgeordnet und, bewusst oder unbewusst, ihres gestalterischen – modernisierenden – Potenzials beraubt: Sie war Ausdruck eines umfassenden gesamtgesellschaftlichen Gestaltungsverzichts, einer Skepsis gegenüber architektonischer Sinnstiftung und/oder Ausdruck von nicht so viel, jedenfalls von nichts, das Verwaltung und rational handelnden Staat definierte und ihnen Gestalt verlieh. Das hieß auch, dass mit der Wahrnehmung und Einordnung der beiden Amtsgebäude das allgemein geforderte sachgesetzliche Handeln und mit ihm Verwaltung und rationales Staatshandeln von Gestaltungsansprüchen abgegrenzt, letzteren übergeordnet – und entgegengesetzt wurde. Die Exekutive(n) verfügte(n) also mit dem (Wieder-)Auf bau von BKA und Bundesrechnungshof nicht nur faktisch über ein wichtiges Handlungsfeld. Auch ideell wurden Güte, Bedeutung und Angemessenheit einer sach- und handlungsorientierten Herangehensweise betont, klar auf sie bezogen und tendenziell gegen gestalterische Ansätze und Kräfte, also gegen parlamentarische Gremien, gestellt. In und mit der Einordnung der Neubauten für BKA und Bundesrechnungshof wurde also ein Verständnis entwickelt, geltend und plausibel gemacht, das Politik als sachlich angemessene Lösung von sachlich zu begreifenden Problemen deutete, gegen parlamentarische
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oder öffentliche, auf Grund- oder Wertentscheidungen zielende Erörterungen und Debatten stellte und damit klar der Exekutive zuordnete. So betrachtet setzte sich hier etwas fort, was seit der Errichtung des Bundeshauses zu beobachten war, nämlich die Tendenz, demokratisierenden, progressiven Ansätzen nicht offen entgegenzutreten, sondern diese durch »Versachlichung« und Bürokratisierung zu unterlaufen: Im Falle des Bundeshauses begegnete Adenauer einer beginnenden Auseinandersetzung um die Gestalt(ung) des neuen demokratischen Gemeinwesens damit, dass er das Baugeschehen einer anderen, sachgesetzlichen, »bürokratischen«, Logik unterwarf, monopolisierte und es der angesprochenen politischen Debatte als Feld und Thema entzog. Im Fall der Verwaltungsbauten jedenfalls der Dienstgebäude des BKA und des Bundesrechnungshofs, sah es so aus, dass die beiden Gebäude in einem Typus errichtet wurden, an den gestalterische Fragen traditionellerweise kaum beziehungsweise in ganz anderer Weise gestellt wurden, was in der öffentlichen Wahrnehmung und Einordnung nachvollzogen wurde: Eine eventuelle gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Bauten beziehungsweise ihres Repräsentationsverzichts wurde bestritten oder nur ansatzweise thematisiert und dann eher technokratisch als progressiv gedeutet. Im Handeln der politisch Verantwortlichen wie in der Ref lexion war das Baugeschehen also gerade kein Gegenstand von Debatten um die Gestalt(ung) des neuen Gemeinwesens – und diese waren eines wichtigen und augenfälligen Ansatzpunktes beraubt. Anders gesagt: In und mit der (Wieder-)Errichtung von BKA und Bundesrechnungshof wurde das (Selbst-)Bild eines rational handelnden Staats in mehrfacher Hinsicht und mit vielfältigen Bezugspunkten entfaltet, geltend und plausibel gemacht. Bezogen auf die Institutionen wurden tradierte Kernbestände angesprochen und entwickelt. Als solcher wurde der Staat auf die Gesellschaft bezogen, dieser also nicht mehr eindeutig gegenübergesellt und übergeordnet. Die damit einhergehende Zurückhaltung in puncto Macht, Herrschaft und Befehl wurde in den Gebäuden augenfällig, aber zumeist nur ansatzweise, indirekt thematisiert und nicht partizipatorisch-pluralistisch-demokratisch, sondern, wenn überhaupt, als Gestaltungsverzicht ausgedeutet. Der Staat erschien damit als primär oder ausschließlich verwaltungsmäßig handelnder, also als exekutivischer, nicht aber als gestaltender. Darüber gewann er eine neue Legitimität und die Bundesregierung einen weiten Handlungsspielraum (wobei ein ausgewiesener Machtpolitiker wie Adenauer sich der Möglichkeiten bewusst war, seine alles andere als herrschafts-, macht und politikfreien Vorstellungen als sachlich gebotene darzustellen und durchzusetzen). Allerdings hatte dieser Gewinn an Legitimität und Handlungsspielraum seine Nachteile. Nicht nur, dass schon die Zeitgenossen die Berufung auf Sachgesetzlichkeiten als Verschleierungstaktik kritisierten. Wenn der Staat hinter der Verwaltung sozusagen verschwand und darauf verzichtete, (eigenständig) in Erschei-
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nung zu treten, barg das Risiken. Auch wenn die Gebäude keine über sich selbst hinausgehende Aussagen trafen (ihrer »Bedeutungslosigkeit« also gerade keine Bedeutung zukam), musste sich ein klassischer Etatist fragen (lassen), wo der Staat denn visualisiert wurde, wenn nicht in seinen Gebäuden. War der staatliche Verzicht auf eine (bewusste) architektonische Gestalt(ung) nicht gleichbedeutend mit einem Verzicht darauf, die nicht unmittelbar greif bare, nicht herstellbare, aber sinn- und identitätsstiftende staatliche Substanz zu visualisieren, emotional erlebbar zu machen, kurz darauf, sich selbst zu bestimmen? Und was hatte es zu bedeuten, wenn andere Bauten (wie Kirchen, Gedenkstätten oder Museen) als repräsentative angesehen wurden? Fand die gesamtgesellschaftliche Sinnstiftung, wenn man so will, die gesamtgesellschaftliche Integration dann nicht mehr durch den Staat, sondern anderswo statt? Erklärte der Staat nicht so oder so seinen eigenen Bankrott? Hinzu kam, dass die funktionalen Gebäude nicht zwangsläufig so ausgedeutet werden mussten, wie es etwa Rimpl tat. Der Architekt sah in ihnen sozusagen das Wesen der neuen Staats- und Gesellschaftsordnung verkörpert, die sich in erster Linie durch einen Verzicht auf jeden Gestaltungs- und eigenständigen Sinnstiftungsanspruch auszeichnete. Demgegenüber ließen sich die funktionalen Gebäude auch auf das Handeln des Staates beziehen – und rückten letzteres in den Vordergrund. Zumindest ansatzweise taten das die Zeitungen (und, wenn man so will, sogar Bundesfinanzminister Schäffer, wenn er die Sorge für die pünktliche Fertigstellung erwähnte). Mit dieser Ausrichtung wurde die prozessuale Dimension zur wichtigen, wenn nicht entscheidenden – und konnte die gesamtgesellschaftliche Sinnstiftung als ergebnisoffene (eben prozessuale) und die gesamtgesellschaftliche Ordnung als demokratische bestimmt (beziehungsweise die prozessuale Dimension der Demokratie neu akzentuiert) werden. In den Zeitungen, die sich, wie gesagt, am ehesten auf das staatliche Handeln konzentrierten, trat die Demokratie als Begriff und Bezugspunkt seit dem Ende der 1950er Jahre sozusagen hinzu. Und 1960 entwickelte Adolf Arndt in seinem erwähnten Vortrag in Berlin einen prozessual verstandenen Demokratiebegriff anhand des Baugeschehens: An letzterem ansetzend, formulierte er einen (theoretisch ref lektierten) Gegenentwurf zu der in dieser Untersuchung beschriebenen Entgegensetzung von rational handelndem Staat und demokratischer und/oder baulicher Gestalt(ung).11 Er rückte die (in dieser Arbeit als solche beschriebenen) klassisch konservativen und technokratischen Positionen aneinander, stellte die 11 Arndt, Demokratie. Zu Adolf Arndt vgl. die Nachweise in Fußnote Nr. 142 der Einführung. Vgl. auch Regina Ogorek, Adolf Arndts Bedeutung für Gründung und Wirkungsgeschichte des Bundesverfassungsgerichts und die Entwicklung des Richterbildes, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.), Die Verfassung der Politik. Adolf Arndt. Anwalt der sozialen Demokratie und des demokratischen Rechtsstaats, Berlin 2007, S. 43-60. In gewisser Weise als Gegenstück lassen sich die Diskussionen betrachten, die unter Kunsthistorikern und -theoretikern bereits am Kriegsende um die Notwendigkeit und Möglichkeiten des Monumentalen (also des Verweisenden, Sinn-
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modernen Bürobauten im Hinblick auf ihre einer Demokratie angemessene Gestaltung in Frage und klagte eine öffentliche Auseinandersetzung um die Gestaltung ein. Statt Bauten »›von Behörden für Behörden‹«12 (nach dem hier Gesagten zu verstehen als umfassende Dominanz einer sachgesetzlich handelnden Exekutive beziehungsweise einer exekutiv bestimmten Sachgesetzlichkeit) sollten die Bautätigkeit wie die Gebäude Mittel beziehungsweise Ergebnisse einer bewussten und diskursiven Identitätsfindung der bundesdeutschen Bürgerinnen und Bürger sein. Ausgangs- und Bezugspunkt der öffentlichen Bautätigkeit war also nicht mehr der Staat, sondern die demokratische Gesellschaft, die sich in ihr visualisierende Substanz war keine vorgegebene und objektive mehr, sondern eine in einem Prozess gefundene oder zustande gekommene. Die bundesdeutsche Demokratie sollte in und mit den Gebäuden also Gestalt annehmen, sich selbst bestimmen und gestalten, einen Sinn geben und sinnlich (in Bauten) erlebbar werden, also all das tun, was sie bisher – den unausgesprochenen und in dieser Untersuchung skizzierten Vorstellungen entsprechend – gerade nicht hatte tun sollen.
4.3 Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen Wie schon gesagt, sind die gerade zusammengefassten Erkenntnisse als vorläufige (und idealtypisch zugespitzte) zu sehen. Um sie abzugleichen und belastbarer zu machen, müsste das Untersuchungsfeld ausgeweitet werden. Zu analysieren wären zum einen weitere Diskurse, etwa die architektonischen Fachdebatten. Zweitens wären die »Gegenstände« der Debatten und Auseinandersetzungen zu erweitern. Einzubeziehen wären zum einen das jeweilige Gebäudeinnere. So ließen sich Erkenntnisse darüber gewinnen, wie die Beziehungen zwischen den verschiedenen Mitarbeitern der Verwaltung und die zwischen Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern »gedacht« oder sogar geformt wurden.13 Ein wichtiger Ansatzpunkt wäre hier die Tatsache, dass bei den neu errichteten Verwaltungsstiftenden und emotional Erlebbaren in der Architektur) geführt wurden, vgl. dazu Frank, Monument, S. 226-228. 12 Arndt, Demokratie, S. 55. 13 S. dazu Kutting, Verwaltungsarchitektur, S. 54-57. Eine formende Kraft, in diesem Fall für die Ausformung des Arbeitsmarkts, wird beispielsweise der Architektur der Arbeitsämter zugemessen, vgl. dazu: Mattiesson, Rationalisierung; Rüdiger von Krosigk, Räume der Arbeitslosenbürokratie: Zur Kommunikation zwischen moderner Verwaltung und Bürger, ca. 1900-1930. Vortrag gehalten auf dem Kulturgeschichtetag in Linz im Jahr 2009 [Manuskript]; ders., Spatial Dimensions of Management Concepts in Employment Exchanges in Gemany 1900-1933. Vortrag gehalten am Human Geography Seminar School of Geosciences Universtity of Edinburgh im März 2012 [Manuskript]; Thomas Buchner, Arbeitsämter in Deutschland 1890-1933, in: Peter Becker (Hg.), Sprachvollzug im Amt. Kommunikation und Verwaltung im Europa des 19. und 20.
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gebäuden der eigentliche Amts- und Arbeitsbereich in der Regel sehr klar von den, wie geschildert oft bewusst freundlich und einladend gehaltenen, Eingangsbereichen getrennt war. Die Frage steht im Raum, ob das als Hinweis darauf zu verstehen ist, dass die – räumliche wie staatliche – Binnenorganisation und -gestaltung in erster Linie als eine Binnenangelegenheit begriffen wurde14 und/oder darauf, dass »nur die Fassade« moderner wurde, es im Inneren aber »beim Alten blieb«, das überlieferte (Selbst-)Bild der Verwaltung als Arkanum und den Bürgerinnen und Bürgern übergeordnete Instanz (»Obrigkeit«) also im Kern erhalten blieb?15 Zweitens wären weitere, Anfang der 1950er Jahre (wieder-)errichtete Institutionen einzubeziehen,16 vor allem solche der Leistungsverwaltung, also Behörden, Jahrhunderts, Bielefeld 2011, S. 305-333. Vgl. auch Peter Becker, Sprachvollzug: Kommunikation und Verwaltung, in: ebd., S. 9-42. 14 Bei aller Leichtigkeit waren die neuen Verwaltungsbauten nicht »einladend« und, jedenfalls im Verständnis von Lankes, eher dem Palast als der Agora und damit einem Arkanverhalten und nicht einer öffentlichen Debatte zuzuordnen. Vgl. dazu Lankes, Politik, S. 96-99. Auch insofern wahrten sie die Kontinuität (auch die repräsentativen Verwaltungsbauten des Kaiserreichs waren nicht einladend) beziehungsweise machten ein wichtiges Charakteristikum offensichtlich. Denn Max Weber zufolge »sucht jede Bürokratie [die] Ueberlegenheit des berufsmäßig Wissenden […] noch durch das Mittel der Geheimhaltung [Sperrung im Original] ihrer Kenntnisse und Absichten zu steigern. Bürokratische Verwaltung ist ihrer Tendenz nach stets Verwaltung mit Ausschluß der Öffentlichkeit.« Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 572. 15 Wie bei der Frage, ob, und wenn ja welche, (gesellschaftlichen) Intentionen mit einzelnen Bauten verbunden wurden (s. dazu Kapitel 1.4 und Fußnote Nr. 186 der Einführung), ist auch hier mit einem erheblichen »Quellenproblem« zu rechnen. In den für diese Untersuchung ausgewerteten Quellen finden sich jedenfalls kaum entsprechende Hinweise. Ausnahmen bilden aber die Rede Adolf Arndts (Arndt, Demokratie, bes. S. 55) und Zeitungsartikel wie (beispielsweise) St. Bürokratius im Rampenlicht, in: Wiesbadener Kurier vom 17.6.1950, in: Gärtner 1950 II (der Artikel formuliert eine klassische Bürokratiekritik); Leistungsprinzip auch in der Beamtenschaft, in: Wiesbadener Tagblatt vom 24.9.1951, in: StadtA Wiesbaden NL 73/93; Bisher hinter verschlossenen Türen, in: Wiesbadener Tagblatt vom 18.10.1951, in: ebd. 16 Das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen wurde 1953/54 nach Plänen von Josef Trimborn errichtet, das von Hans Freese geplante Auswärtige Amt wurde 1955 fertig gestellt. Hans Freese (1889-1953) war mit Karl Badberger von der Bundesbaudirektion offenbar persönlich bekannt, beide unterliefen Adenauers Gestaltungsansprüche (zu Freese vgl. Hans Reuther, »Freese, Hans« in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 388f. [Online-Version]; URL: https:// www.deutsche-biographie.de/pnd129407070.html#ndbcontent, abgerufen am 11.2.2019); das zeigen jedenfalls die überlieferten Akten, s. BArch B 157/3519, bes. fol. 176. Vgl. auch Kübler, Chronik, S. 129-131. Zudem lassen im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts eingesehene Akten (Bestand B 111, Aktengruppe 81) erkennen, dass zumindest beim Staatssekretär des AA, Walter Peter Hallstein (1901-1981), ein Bedürfnis nach klassischen architektonischen Würdeformeln fassbar ist. Zu den Gebäuden vgl. Ingeborg Flagge, Architektur in Bonn nach 1945. Bauten in der Bundeshauptstadt und ihrer Umgebung. Architecture in Bonn since 1945. Building in the Federal Capital and its Surroundings, Bonn 1984, S. 46f.; Matthias Hannemann/Dietmar Preißler, Bonn – Orte der Demokratie. Der historische Reiseführer, Berlin 2009, S. 78-91; Ursel Zänker/
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die der (von Forsthoff und anderen erkannten und beschriebenen) »modernen«, vor allem, was ihren (physischen wie theoretischen) Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern angeht, in Art und Umfang neuartigen Verwaltungstätigkeit zuzurechnen sind. Auch die Bonner Ministeriumsbauten, konkret das Auswärtige Amt und das (ehemalige) Bundespostministerium wären zu betrachten. Gerade bei der Entstehung des ersteren gibt es nicht nur klare Hinweise auf die Existenz und Wirksamkeit von in die NS-Zeit zurückreichenden Seilschaften, sondern auch für den Wunsch, in der Außen- wie in der Innengestaltung Repräsentativität und Hierarchie zum Ausdruck zu bringen. Schließlich wären private Verwaltungen einzubeziehen. Die mehrfach erwähnte Rede, mit der Rudolf Hillebrecht am 28. August 1953 das Continental-Hochhaus in Hannover einweihte, zeigt jedenfalls, dass viele der in dieser Untersuchung herausgearbeiteten Momente – die Überzeugung von der Architektur als Spiegel der zeitgenössischen Verhältnisse, der Bezug zur Stadt und zur städtischen Identität, die Absage an Repräsentation und Pathos, die Bedeutung von Nüchternheit und Funktionalität, der Entwurf einer (sittlich verstandenen) Arbeitsgesellschaft – greif bar werden. Zudem ließe sich der Zugriff ausdehnen – und etwa die Frage untersuchen, welche Rolle die (Wieder-)Errichtung der bundesdeutschen Verwaltung für die »strukturelle« Ausformung der jungen Bundesrepublik spielte: Aus den vor allem von Dennis Kutting erschlossenen Quellen wird ganz praktisch erkennbar, wie sich (Bau-)Verwaltungen in und mit dem Baugeschehen horizontal und vertikal ausdifferenzierten, ihre Kompetenzen klärten, als Beziehungsgefüge entstanden und sich (und ihre Selbstbilder) formten. Schlussendlich wäre zu untersuchen, wie die Diskurse sich entwickelten, als sich zwischen 1955 und Anfang der 1960er Jahre nahezu alle wichtigen Parameter änderten – beziehungsweise ob, und, wenn ja, wie die Diskurse diese Veränderungen beeinf lussten. Denn nicht nur faktisch, politisch und wirtschaftlich trat die Bundesrepublik in eine andere Phase (war und wurde der eigentliche Wiederauf bau beendet). Auch in der Ref lexion über die Bundesrepublik, die bundesdeutsche Gesellschaft, die Vergangenheit und Gegenwart an sich wurde ein neues Niveau erreicht. Wenn es um Vorstellungen und (Selbst-)Bilder von Staat, Gesellschaft etc. ging, wurden neue Ansätze und Konzepte entwickelt: Die an den bundesdeutschen Universitäten etablierte, als Demokratiewissenschaft angelegte Politologie erarbeitete Alternativen zu dem tradierten, von der größtenteils konservativen Staatsrechtslehre inspirierten Arsenal (wobei letztere ihr Jürgen Zänker, Bauen im Bonner Raum 49-69. Versuch einer Bestandsaufnahme, hg. vom Landschaftsverband Rheinland, Düsseldorf 1969, S. 133-135. Vgl. auch das den dort gefällten wohlwollenden Urteilen entgegenstehende Verdikt Winfried Nerdingers, ihm zufolge ist das Auswärtige Amt ein Beispiel für »Bauten, die nahtlos wieder an die NS-Zeit anknüpften«, Nerdinger, Aufbrüche, S. 10 und die kritische Einordnung bei Kutting, Verwaltungsarchitektur, S. 29f. Insgesamt zu den Bonner Nachkriegsbauten s. auch Durth/Sigel, Baukultur, S. 420-428.
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Monopol energisch verteidigte). Zudem begriffen Rechtsprechung (des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts) und jüngere Verwaltungsrechtswissenschaftler das Verhältnis zwischen Verwaltung und Gesellschaft (beziehungsweise Bürgerinnen und Bürgern) ganz neu und lösten oder modifizierten die starke, einseitige bis exklusive Verbindung von Verwaltung und »Staat«. Schließlich führten neue (wissenschaftliche) Erkenntnisse (wie die genannte Untersuchung Hans Mommsens über die nationalsozialistische Beamtenpolitik von 196617) und Gerichtsverfahren wie der »Ulmer Einsatzgruppenprozess« (1958), der Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem (1960-1962) und der erste Auschwitz-Prozess (1963-1965) zu einer Neubewertung der Bedeutung, die staatliche Strukturen und bürokratische Abläufe und Verhaltensmuster im Nationalsozialismus gehabt hatten – nicht von ungefähr etablierten sich Begriffe wie der des »Schreibtischtäters«18 in der bundesdeutschen Debatte – und damit vielleicht auch zu einer Relativierung der Entgegensetzung von Gestaltung/Ideologie/Willkür und berechenbarer, rationaler Rechtsstaatlichkeit. Auch im Bereich Architektur und Stadtplanung änderten sich die Dinge bekanntlich grundlegend: Die DDR vollzog eine Wende in der Baupolitik und forcierte – in Worten wie in Taten – eine moderne und rationelle Bauweise. »Kritische Urbanisten« (Reckwitz) wie Kevin Lynch, Lewis Mumford, Jane Jacobs, Aldo Rossi und Robert Venturi traten auf den Plan19 und wurden in der Bundesrepublik rezipiert. Gleichzeitig entstanden und erschienen die ersten mehr oder weniger kritischen Bestandsaufnahmen der bundesdeutschen Nachkriegsarchitektur. Einen wichtigen Meilenstein bildete auch die Weltausstellung, die 1958 in Brüssel stattfand. Sie hob die Frage danach, wie die Bundesrepublik – in den Expo-Gebäuden – in Erscheinung treten wollte, wieder auf die Tagesordnung und führte zu einem klaren Akzeptanzgewinn der modernen, zeitgenössischen Architektur in der Bundesrepublik. Das geschah in einer interessanten Volte: Die unter der Ägide der Bundesbaudirektion von Sep Ruf und Egon Eiermann gestalteten transparenten und leichten Pavillons wurden in der bundesrepublikanischen Presse zunächst hart kritisiert. Erst als diese rea17 S. dazu Fußnote Nr. 39 der Einführung. 18 Zum »Schreibtischtäter« s. Christoph Jahr, Die Täter hinter den Tätern, in: Neue Züricher Zeitung vom 17.1.2017. Zu den (begrifflichen) Reaktionen auf den Eichmann-Prozess in der Bundesrepublik und m. w. N. s. Schulze Wessel, Ideologie, bes. S. 7-12. 19 Vgl. zu der Debatte und den Protagonisten (Lewis Mumford, The City in History, New York 1960; Kevin Lynch, The Image of the City, Cambridge 1960; Jane Jacobs, The Death and Life of Great American Cities. The Failure of Current Planning, New York 1961; Aldo Rossi, L’architterua della città, Padua 1966; Robert Venturi, Complexity and Contradiction in Architecture, New York 1966) statt aller Reckwitz, Erfindung, bes. S. 276-294. Für Deutschland sind zudem relevant: Alexander Mitscherlich, Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden, Frankfurt a.M. 1965; Wolf Jobst Siedler, Die gemordete Stadt. Abgesang auf Putte und Straße, Platz und Baum, Berlin 1964.
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lisierte, dass die ausländische Presse voll des Lobes war, änderte sie ihre Berichterstattung grundlegend20 und beschrieb die Gebäude als Inkarnation der neuen – bescheidenen und modernen – Bundesrepublik und ihres Selbstverständnisses. Wenn es sich auch nicht um Verwaltungsgebäude handelte, zeigt das, wie wichtig die materiell präsente, gebaute Form für Selbstvergewisserungsprozesse, für Bedeutungszuschreibungen, für die Findung und Ausformung der Identität der jungen Bundesrepublik nach wie vor war – und umgekehrt.
20 Die Bedeutung der Pavillons und der durch sie ausgelösten Debatte wurde damals schon erkannt. Sie fand ihren Niederschlag – und kann gut nachvollzogen werden – in dem eigens erstellten Band Deutschlands Beitrag zur Weltausstellung Brüssel 1958. Ein Bericht, hg. vom Generalkommissar der Bundesrepublik Deutschland bei der Weltausstellung Brüssel 1958, bearbeitet von Wend Fischer und G. B. von Hartmann, Düsseldorf [1958]. Vgl. auch Frank, Demokratie, S. 17-19.
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5. Quellen- und Literaturverzeichnis Archivbestände Bundesarchiv B 106 (BMI), B 115 (Bundesvermögensverwaltung), B 126 (BMF), B 136 (Bundeskanzleramt), B 141 (BMJ), B 157 (Bundesbauverwaltung); N 1314/220 (Nachlass Erich Welter)
Landeshauptarchiv Koblenz Bestand 546 (Staatliche Hochbauämter), 920 (Ministerium für Finanzen und Wiederauf bau), 922 (OFD Koblenz)
Hessisches Hauptstaatsarchiv Bestand 502 (Hessische Staatskanzlei), 503 (Ministerium der Finanzen), 507 (Ministerium für Wirtschaft und Verkehr), 531 (OFD Frankfurt), 650 (Regierungspräsidium Wiesbaden), 756 (Staatsbauamt Wiesbaden) 3008 (Fotosammlung)
Landesarchiv Speyer Bestand M 1 (Hochbauamt Kaiserslautern), M 2 (Hochbauamt Speyer)
Hauptstaatsarchiv Stuttgart Bestand EA 5/4 (Staatlicher Hochbau im Finanzministerium), EA 5/001 (Finanzministerium und unterstellte Behörden), EA 6/7 (Öffentliches Bauen im Wirtschaftsministerium) Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt a.M. Stadtkämmerei 2.195; Magistratsakte 3.620; S 3 (Sammlung Dokumentation Ortsgeschichte) L 2210, S 6 b 38/Nr. 549
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Bauaktenarchiv der Stadt Frankfurt Akten Berliner Str. 51-55: 51 Bd. III, 51-55 V und VII
Stadtarchiv Wiesbaden WI/3 Nr. 3174, Nr. 3009, Nr. 2201, Magistratsprotokolle MAG Nr. 205, 206, 208, 209, 210 (Nr. 207 wurde nicht aufgefunden), das Protokoll der Stadtverordnetenversammlung STVV Nr. 106; NL 73, 95-105
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Tradierte Institutionen, moderne Gebäude
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Geschichtswissenschaft Reinhard Bernbeck
Materielle Spuren des nationalsozialistischen Terrors Zu einer Archäologie der Zeitgeschichte 2017, 520 S., kart., zahlr. z.T. farb. Abb. 39,99 € (DE), 978-3-8376-3967-4 E-Book: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3967-8
Gertrude Cepl-Kaufmann
1919 – Zeit der Utopien Zur Topographie eines deutschen Jahrhundertjahres 2018, 382 S., Hardcover, zahlr. z.T. farb. Abb. 39,99 € (DE), 978-3-8376-4654-2 E-Book: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4654-6
Eva von Contzen, Tobias Huff, Peter Itzen (Hg.)
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Geschichtswissenschaft Gertrude Cepl-Kaufmann, Jasmin Grande, Ulrich Rosar, Jürgen Wiener (Hg.)
Die Bonner Republik 1945–1963 – Die Gründungsphase und die Adenauer-Ära Geschichte – Forschung – Diskurs 2018, 408 S., kart., zahlr. z.T. farb. Abb. 39,99 € (DE), 978-3-8376-4218-6 E-Book: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4218-0
Julia A. Schmidt-Funke, Matthias Schnettger (Hg.)
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Nele Maya Fahnenbruck, Johanna Meyer-Lenz (Hg.)
Fluchtpunkt Hamburg Zur Geschichte von Flucht und Migration in Hamburg von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart 2018, 262 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-4089-2 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4089-6
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