Hände in Unschuld : Pontius Pilatus in der Geschichte 341201799X

PONTIUS PILATUS ist eine Schlüsselfigur der Weltgeschichte. Am Kreuzweg von Römertum, Judentum und Christentum hat er oh

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German Pages [303] Year 1999

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Hände in Unschuld : Pontius Pilatus in der Geschichte
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Alexander Demandt

Hände in Unschuld Pontius Pilatus in der Geschichte

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Hände in Unschuld Pontius Pilatus in der Geschichte

Alexander Demandt

Hände in Unschuld Pontius Pilatus in der Geschichte

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Böhlau Verlag Köln • Weimar • Wien

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Demandt, Alexander: Hände in Unschuld : Pontius Pilatus in der Geschichte / Alexander Demandt. Köln ; Weimar ; Wien : Böhlau, 1999 ISBN 3-412-01799-X

© 1999 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Alle Rechte vorbehalten Umschlagabbildung: Matthias Stomer (ca. 1600-1650): Die Handwaschung Pilati, Louvre, Paris (Foto: AKG, Berlin) Satz: primustype Hurler GmbH, Notzingen Druck und Bindung: Pustet, Regensburg Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 3-412-01799-X

Inhalt Vorwort....................................................................................................VII 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

11. 12. 13. 14.

Israel - Judäa - Palästina.............................................................. 1 Die Römer im Osten .................................................................... 15 Römische Provinzialverwaltung ................................................... 33 Religionen in Judäa........................................................................ 45 Außerbiblische Quellen zu Pilatus............................................... 63 Pilatus als Statthalter...................................................................... 79 Ist die Bibel ein Geschichtsbuch?................................................. 93 Messiaserwartung .......................................................................... 109 Leben und Lehre Jesu .................................................................. 127 Die Passion .................................................................................... 143 Exkurs: Was ist Wahrheit?............................................................. 156 Ort und Zeit der Passion.............................................................. 179 Von Golgatha nach Masada........................................................... 193 Ende und Legende .......................................................................... 213 Was wäre geschehen, wenn ...?....................................................... 231

Träume in Gethsemane.......................................................................... 247

Zeittafel.................................................................................................... 251 Beamten-Tabelle...................................................................................... 254 Literatur und Abkürzungen...................................................................258 Bildnachweise.......................................................................................... 265 Register.................................................................................................... 266

Vorwort Ein subtiles, delikates, heikles Thema, wie die Themen sein müssen, über die man schreibt. Ortega

Pontius Pilatus, unfreiwillig und unverdient weltbekannt geworden, ist ein Paradoxon für die Christen, die Juden, die Römer und für die Histori­ ker. Paradox für den Christen: Das schlimmste Verbrechen, die Hinrichtung des schuldlosen Gottessohnes, wird zur größten Wohltat für die Mensch­ heit, erlöst sie von Sünde und Tod. Pilatus, gedankenloses Werkzeug im göttlichen Heilsplan, dient Gott und dem Teufel zugleich. Paradox für die Juden: Der Statthalter will ihnen einen Gefallen tun, verurteilt den verhaßten Verführer des Volkes und bringt ungewollt uner­ meßliches Leid über die Juden. Sein Blut komme über uns und unsere Kin­ der! Welcher Fluch ist grausiger in Erfüllung gegangen? Paradox für die Römer: Ein Unruhestifter wird beseitigt und setzt eine Bewegung in Gang, die nicht nur die römische Ordnung umwälzt. Das Zeichen des gekreuzigten Judenkönigs prangt dreihundert Jahre später auf dem Helm des Kaisers Constantin, auf den Schilden der Legionäre und auf ihren Feldzeichen. Paradox nicht zuletzt für den Historiker: Ein durch nichts, aber auch wirklich gar nichts ausgezeichneter Verwaltungsmann vollzieht eine Rou­ tinehandlung, die von Außenstehenden kaum wahrgenommen wurde, an die er sich selbst, wie man vermutet hat, in seinen alten Tagen nicht mehr erinnern konnte und die doch das Bild der Welt stärker verändert hat als ir­ gendeine andere Maßnahme. Wie erklärt sich dieses Mißverhältnis zwi­ schen Leistung und Wirkung? Der Schlüssel liegt nicht in der Person, sondern in der Postition. Wie in den meisten Lebensbereichen, so gibt es auch in der Geschichte so etwas wie einen „Stellenwert“. An der richtigen Stelle entscheidet ein Bauer das Schachspiel, zerstört ein Funke die Stadt, gewinnt selbst eine Null an Be­ deutung. Pontius Pilatus stand an einem neuralgischen Punkt, am Kreuz­ weg zwischen Römern und Juden, Christen und Griechen, zwischen Reli­ gion und Politik.

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Vorwort

Gleichwohl war Pilatus keine Null. Wir hören einiges über ihn, aller­ dings zu wenig, um eine Biographie über ihn zu verfassen. Wer dennoch ein Buch über Pilatus schreiben will, hat drei Möglichkeiten. Die erste ist, die fehlenden Quellen zu erfinden. Diese literarische Variante hat Jörg von Uthmann in seinem ebenso geistreichen wie ergötzlichen Buch von 1991 über den Briefwechsel des Statthalters gewählt. Die zweite besteht darin, die Forschungsgeschichte aufzuarbeiten und die zahllosen Meinungen über die Probleme um Pilatus zu sammeln und zu sichten. Diese gelehrte Arbeit haben unter anderen Erich Fascher 1950, Josef Blinzler 1969 und Jean-Pierre Lemonon 1981 geleistet. Die Doktorarbeit von Helen Bond (1998), gut geschrieben und abgewogen urteilend, rekonstruiert die Pila­ tus-Bilder bei Philo, Josephus und den Evangelisten und stellt sie gegen die Galerie der modernen Charakterisierungen. Sie bietet einen Einstieg in das Labyrinth der Forschung und zeigt, daß alle Quellen tendenziös sind, keine das wahre Wesen wiedergibt, aber die verläßlichen Nachrichten sich eher ergänzen als widersprechen. Die dritte, hier gewählte Variante ist der Versuch, Pilatus gemäß dem kritisch geprüften Quellenbefund zu präsentieren und in einen größeren historischen Zusammenhang zu stellen, dabei nach Möglichkeit Wissen­ schaft und Lesbarkeit zu verbinden. Ich habe mich bemüht, den jeweiligen Forschungsstand wiederzugeben und zu den zahlreichen noch immer un­ entschiedenen Streitpunkten meine eigene Auffassung zu begründen. An einigen Stellen biete ich auch eigene Lösungen an, doch ist über plausible Hypothesen gewöhnlich nicht hinauszukommen. Meine Beschäftigung mit den biblischen Geschichten reicht weit zu­ rück. Sie beginnt mit einem Entschluß des Dreizehnjährigen, den Konfir­ mandenunterricht in Lindheim zu besuchen. Meine Eltern waren noch nicht wieder in die Kirche eingetreten, als ich am 30. März 1952 die mit ei­ nem beträchtlichen Lernpensum verbundene Konfirmationsprüfung ab­ legte. Von meinem ersten Taschengeld erstand ich 1954 in der Frankfurter Buchhandlung Amelang eine Konkordanz-Bibel, am 8. September begann ich die erste (und einzige) Lektüre des Gesamtwerks. Mein Vater hatte die »Historia Mundi« subskribiert, zu den spannendsten Leseabenteuern ge­ hörte Ethelbert Stauffers Darstellung des Jesus-Prozesses im vierten Band, erschienen 1956. Mich empörte, daß er die Auferstehung für eine gut be­ zeugte historische Tatsache erklärte. Aber gibt es nicht noch immer Pro­ fessoren, die das vertreten? Während des Studiums trat die althistorische Seite der Fragestellung in den Vordergrund, namentlich die der römischen Administration. Als Rei­ sestipendiat des Deutschen Archäologischen Instituts besuchte ich im Ja­ nuar 1965 (satzungswidrig gemeinsam mit meiner Frau) die damals jorda­ nische Altstadt von Jerusalem, Bethlehem und Jericho. Zwanzig Jahre spä­

Vorwort

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ter, im Jahre 5745 seit Erschaffung der Welt, war ich als Gast der Tel AvivUniversity abermals im Heiligen Lande. Zwi Yavetz und Wolfgang Rubin­ sohn hatten mich eingeladen. Mit letzterem besuchte ich Nazareth, wo die 1969 vollendete Verkündigungskirche eine 1863 von Ernest Renan ausge­ sprochene Forderung erfüllt. Am 1. März sah ich die Pilatus-Inschrift im Israel-Museum, ziemlich lieblos präsentiert. Ich legte meine Finger in die Rillen der Buchstaben wie der ungläubige Thomas die seinen in die Wun­ den des Herrn. Es folgten ein Besuch in Samaria/Sebaste mit dem Jakobs­ brunnen und den Ruinen von Sichern, ein Aufstieg zum Garizim, dem hei­ ligen Berg der Samaritaner, ein Ausflug nach Hebron und, unvermeidlich mit Militäreskorte: Masada. Die Idee, ein Buch über Pilatus zu schreiben, wurde auf einem Abend­ essen bei Wolf Jobst Siedler im Dahlemer Falkenried geboren. Das war am 24. März 1988, doch haben weder er noch ich die Sache weiter verfolgt. Er­ neut kam der Plan zur Sprache mit Johannes van Ooyen, dem Programm­ leiter des Böhlau-Verlages in Köln, und gewann Gestalt auf dem 18. Inter­ nationalen Historikertag in Montreal am 30. August 1995 bei einem Essen mit dem Inhaber des Verlages, Dr. Peter Rauch. Er ließ nicht locker, so daß ich Böhlau das Thema versprach. Die Grundlage für das vorliegende Buch lieferten mir einige Seminare, die ich an der Freien Universität gehalten habe. Im Winter 1986/87 behan­ delte ich die Prozesse gegen Sokrates und Jesus im Vergleich, im Sommer 1988 hielt ich, gemeinsam mit meinem Kollegen Peter Schäfer, ein Seminar ab zum Thema »Das Neue Testament als Geschichtsquelle«. 1991 führte ich, wieder mit Schäfer, ein Seminar zum Thema »Auseinandersetzungen mit dem Judentum in der griechisch-römischen Welt« durch, im Sommer 1996 mit Ernst Baltrusch eines über »Lukas als Historiker«. Unvergessen sind auch die beiden Sommerakademien der Studienstiftung des Deut­ schen Volkes 1988 und 1991 in Sankt Johann im Ahrntal, die ich mit Schä­ fer zu diesem Themenkomplex gestaltete. Im Winter 1998/99 hielt ich ein Seminar über Pilatus, wieder in Berlin. Am 3. Mai 1999 stellte ich strittige Punkte bei Kai Brodersen in Mannheim zur Diskussion, nachdem ich am 8. März 1998 mit Pfarrer Eckart Wragge in der Alten Dorfkirche Zehlen­ dorf einen Focus-Gottesdienst zu Pilatus gestaltet hatte. Das war die Keimzelle zu dem vorliegenden Buch. Das Manuskript lag im Sommer 1999 meiner Vorlesung über den historischen Jesus zugrunde. Belehrung und Hilfe erfuhr ich durch Geza Alföldy, Ernst Baltrusch, Horst Blanck, Carsten Colpe, Jörg Dendl, Joachim Ehlers, Kay Ehling, Iradj El-Qalqili, Gisela Grundmann, Andreas Luther, Maja Naumann, El­ vira Ofenbach, Ina Ulrike Paul, Jochen Piest, Uwe Puschner, Tessa Rajak, Michael Redies, Hans Schwarzlow und Alina Soroceanu. Meine Schwester Holle hat den halben, meine Frau den gesamten Text mit kritischem Blick

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Vorwort

und zahlreichen Verbesserungsvorschlägen durchgearbeitet. Renate Meincke schrieb die siebzehn immer wieder korrigierten und erweiterten Fassungen mit unendlicher Geduld in den Rechner. Ein Seufzer über die Menge der Literatur zum Thema klingt ungereimt aus dem Munde von jemandem, der sie vermehrt. Dennoch ist er unver­ meidlich. Die Quellen zum historischen Pilatus sind leicht erfaßt; die zum legendären Pilatus schwer zu erschöpfen, wohl auch nur in Auswahl zu­ mutbar. Von den wissenschaftlichen Arbeiten über Pilatus habe ich viel­ leicht ein Fünftel zu Rate gezogen. Dies erschien mir hinreichend, da die Interpretationen sich mit geringen Varianten wiederholen und allzuoft neuere Untersuchungen hinter älteren Einsichten Zurückbleiben. Apolo­ getische Schriften katholischer, evangelischer oder jüdischer Ausrichtung wurden nur in Ausnahmefällen herangezogen, sie sind mit meinem eige­ nen Erkenntnisinteresse nicht vereinbar. Für die letzte Feinarbeit am Text bot mir ein Forschungsaufenthalt am Deutschen Archäologischen Institut zu Rom im März 1999 unschätzbare Hilfe. Dank auch den (und der) Un­ genannten! Die Formulierung »Hände in Unschuld« entschlüpfte meinem Sohn Philipp bei einem familiären Pizza-Essen in Zehlendorf am 5. Februar 1999. Dir, Philipp, widme ich mein Buch in der Hoffnung, daß Du die von Deinem Ururgroßvater gleichen Namens, dem Brombeerforscher Philipp Demandt, begründete wissenschaftliche Tradition unserer Familie weiter­ führst.

Lindheim, 17. August 1999

Alexander Demandt

Griechische Zitate Griechische Buchstaben werden folgendermaßen latinisiert: Alpha mit a, Beta mit b, Gamma mit g, vor Gutturalen mit n (z. B. synklétos, phalanx), Delta mit d, Epsilon mit e, Zeta mit z, Eta mit é, Theta mit th, Iota mit i, Iota subscriptum erscheint als Iota adscriptum (z. B. téi géi), Kappa mit k, Lambda mit 1, My mit m, Ny mit n, Xi mit x, Omikron mit o, Pi mit p, Rho mit rh, Sigma mit s, Tau mit t, Ypsilon mit y, Ypsilon nach Alpha, Epsilon oder Omikron mit u (z. B. autono­ mía, eunomia, boule), Phi mit ph, Chi mit ch, Psi mit ps, Omega mit ó; Spiritus asper, auch der verlorene innerhalb des Wortes, erscheint als h (z. B. synhodos); griechische Akzente und Spiritus lenis werden ignoriert.

i. Israel - Judäa - Palästina a. Mythos b. c. Isaak Jakob d. e. Von Ägypten nach Kanaan Richterzeit f. g. Königszeit: Saul David h. i. Salomon Reichsteilung: Israel ik. Südreich Juda Nebukadnezar zerstört Jerusalem 1. m. Perserzeit Diadochen n. o. Ptolemäerzeit Septuaginta Pq. Seleukidenzeit Hellenisierung r. s. Heliodor-Affäre Antiochus IV in Jerusalem t. u. Makkabäerkrieg Simon V. w. Judenfeindschaft Hyrkan I X. y. Alexander Iannaeus Leidensgeschichte z. Abraham

Nicht die Dinge seihst, sondern die Meinungen über sie bewegen die Menschen. Epiktet

a. „Und bin herniedergefahren, daß ich sie führe in ein Land, wo Milch und Honig fließt, an den Ort der Kanaaniter, Hethiter, Amoriter, Pheresiter, Hewiter und Jebusiter.“ Auf diesen, nicht allein im Buch Exodus (3, 8) bezeugten Glauben, daß Gott sein Volk aus der Knechtschaft in Ägypten befreit und ihm das Gelobte Land geschenkt habe, begründete Israel im Altertum seine Identität. Wie kein anderes Volk der Antike fanden die Ju­ den ihr Selbstbewußtsein und ihr Selbstvertrauen in der Geschichte, ge­ nauer: in ihrer historischen Überlieferung. Daß beides auseinandergehal­ ten werden kann und auseinandergehalten werden muß, diese Einsicht verdankt die moderne Wissenschaft den Griechen. Während in der bibli­ schen Tradition nirgends Zweifel an der Verläßlichkeit des Überlieferten auftauchen, haben die Griechen seit Hekataios von Milet um 500 v. Chr. Kritik an den bei ihnen tradierten Meinungen geübt und damit zwischen Mythos (Erzähltem) und Historia (Erforschtem) unterschieden. In der Bi­ bel begegnet uns beides neben- und durcheinander in schwer entwirrbarer Gemengelage. Und doch ist es für den Historiker ebenso schwierig wie unabdingbar, die legendäre Überlieferung auf ihren geschichtlichen Kern zurückzuführen, um im Prozeß der Traditionsbildung jene Kräfte zu er­ kennen, die das Wesen des Volkes ausmachen. Der Mythos ist die Form, in der Geschichte wirksam wird. b. Nach dem Text der Genesis, im ersten Buch Mose, beginnt die konti­ nuierliche, über namentlich identifizierte Generationen zusammenhän­ gende Geschichte des Volkes Israel lange vor dem Exil in Ägypten. Am Anfang stehen die drei Erzväter Abraham, Isaak und Jakob - Großvater, Vater und Sohn. Abraham, der Stammvater der Juden, soll entweder aus Harran/Carrhae in Nordmesopotamien oder aus Ur in Chaldäa, das heißt aus dem südlichen Mesopotamien in das später Palästina genannte Land eingewandert sein und dort mit seinen Herden als Nomade gelebt haben. Die Sage von der durch Gott erst befohlenen, dann verhinderten Opferung seines Sohnes Isaak ist die mythische Erklärung für die Abschaffung des Menschenopfers. Bei den Griechen leistet dies die Geschichte vom Opfer Iphigeniens durch Agamemnon in Aulis. Ihm schickte Artemis eine Hinde als Ersatzopfer, Abraham erhielt einen Widder (1. Mose 22). Mit der Ab­ schaffung des Menschenopfers ist bereits vor Moses die religiöse Grenze

Israel - Judäa - Palästina

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gegen die Kanaanäer gezogen, bei denen das Erstlingsopfer bis weit in hi­ storische Zeit üblich war. Prägend blieb das Opfer Abrahams indessen für die Interpretation der Kreuzigung Jesu, wenn sie als Selbstopfer von Got­ tes eingeborenem Sohn, dem Lamm Gottes verstanden wurde. c. Isaak, der einzige Sohn Abrahams von Sarah, hatte nach der Überlie­ ferung von der Syrerin aus Mesopotamien Rebekka zwei Söhne, den älte­ ren Esau und den jüngeren Jakob, der jenem das Erstgeburtsrecht mit ei­ nem Linsengericht entlockte (1. Mose 25, 27 ff) und von seinem blinden, alten Vater den Erstgeburtssegen erschlich (1. Mose 27). Diese Sage be­ gründet einen Überlegenheitsanspruch der Nachkommen Jakobs, der Is­ raeliten, gegenüber den Nachkommen Esaus, den Edomitern im Süden. Die gelungene Überlistung wird nicht als Betrug abgelehnt, sondern als Schläue gefeiert. d. Jakob, der dritte Erzvater, rang mit dem Engel des Herrn und be­ nannte sich um in „Israel“ (Gotteskämpfer). Seine zwölf Söhne wurden die Stammväter des späteren „Volkes Israel“. Sie verkauften ihren Bruder Jo­ seph nach Ägypten, wo er am Hofe des Pharao aufstieg und seine elf Brü­ der nebst seinem alten Vater ins Land Gosen im östlichen Nildelta nach­ holte. Am Nil mußten die Israeliten dienen und leiden, bis Moses und Aa­ ron sie in die Wüste Sinai führten. Von dort aus eroberten sie auf göttliches Geheiß unter Josua das gelobte Land „Kanaan“ (£urpurland), dessen Ein­ wohner hebräisch sprachen. Von ihnen übernahmen die Israeliten die Sprache. e. Die Einwanderung nach Kanaan aus Süden und Südosten gilt als hi­ storisch zutreffend, dagegen fehlt für einen Aufenthalt des Volkes Israel in Ägypten zuvor jede archäologische Spur. Die sehr gesprächigen Hierogly­ phentexte schweigen dazu. Es gibt eine Ausnahme: Eine Inschrift des Pha­ rao Merenptah aus der Zeit um 1220 v. Chr. meldet: „Gefangen ist Askalon, gepackt ist Gezer, Jenoam vernichtet, Israel ist verdorben, es hat kei­ nen Namen mehr, Palästina ist zur Witwe geworden“. Sind damals jene Is­ raeliten als Gefangene ins Niltal gekommen, von deren Leiden die Bibel berichtet? Die Erzählung ist mythisch. Dennoch kann ein Kern wahr sein, denn der Name Moses ist ägyptisch, er bedeutet „Sohn“. Die Verfolgung der Israeliten in Ägypten und ihre glückliche Errettung durch Gottes Hand wurde in der Überlieferung zum Urerlebnis. Die Pro­ pheten werden nicht müde, den zum Abfall von Jahwe (s. u. 4 b) neigenden Israeliten den Exodus in Erinnerung zu rufen und das Volk zur Dankbar­ keit gegen Gott zu ermahnen, der sie aus Ägyptenland gerettet hat. Das Passah-Fest, zu dem bis zur Zerstörung des Tempels 70 n. Chr. die Israeli­ ten nach Jerusalem pilgerten, galt der Erinnerung an die Befreiung. Schon darin wird eine Denkfigur deutlich, die geradezu identitätsstiftend für die Israeliten geworden ist: Immer wieder werden sie von den anderen Völ­

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kern bedroht und bedrängt, weil sie vom Gesetz Moses abgewichen sind, und durch die göttliche Strafe wieder auf den Weg des Herrn zurück­ geführt. f. Nach der Landnahme in Kanaan waren es vor allem die Philister, die den Israeliten zusetzten. Die Philister waren Indogermanen, die im Zuge der sogenannten Seevölkerwanderung um 1200 v. Chr. aus dem Ägäisraum in die Levante vorstießen und sich zuletzt an der Küste um Gaza festsetz­ ten, nachdem die Ägypter sie zurückgeschlagen hatten. Um diesen Geg­ nern standzuhalten, bestellten die Israeliten Heerführer, die als Charisma­ tiker beschrieben werden und in der Bibel den irreführenden Titel „Rich­ ter“ trugen; der bekannteste neben dem kriegerischen Gideon ist der starke Simson. Sie konnten sich der Philister nicht wirksam erwehren. De­ ren Herrschaft über Kanaan hat diesem Land den Namen „Philistäa - Pa­ lästina“ gegeben. Palästina heißt das „Philisterland“. Der Name findet sich in der griechischen Literatur um 430 v. Chr. bei Herodot (II 104) für das südliche Syrien und wurde nach dem Ende des Bar-Kochba-Krieges 135 n. Chr. von Hadrian für die neuorganisierte römische Provinz gewählt, während er Jerusalem in Aelia Capitolina umbenannte. Die neuen Namen sind bei den Kirchenvätern gebräuchlich. Umbenennung ist eine Maßnahme, die bezeugt, daß man einen neuen Anfang setzen will. Man ist mit dem, was sich mit dem alten Namen ver­ knüpft, nicht zufrieden und will nicht daran erinnert werden. Namens­ wechsel ist die einfachste Form, Geschichte loszuwerden. Das gelingt je­ doch nicht so einfach, wie die häufige Rückbesinnung auf historische Na­ men beweist. Im Mittelalter setzte sich der Name Jerusalem wieder durch. Der Name Palästina ist ein Kampfbegriff geblieben, weil er den Anspruch der Juden auf das Heilige Land in Frage stellt, der umgekehrt im Namen Judäa verborgen ist. g. Angesichts der fortdauernden Philistergefahr empfahl sich die Schaf­ fung einer starken Zentralmacht in der Gestalt eines Königtums, wie es die meisten Völker damals besaßen. Der Begriff „König“ bezeichnet den ober­ sten Repräsentanten eines Volkes. In der Frühzeit ist das Amt stets lebens­ länglich und vererbt sich vom Vater auf den Sohn. Der König ist in der Regel der höchste Richter, der oberste Heerführer und der reichste, angesehenste, bekannteste Mann im Lande. Stets hat er zugleich eine sakrale Aufgabe, er steht zwischen Gott und Volk, auch wenn es neben ihm Priester gibt. Selt­ sam bei den Juden ist, daß ihr Gott Jahwe bereits die Züge eines Königs trug, bevor das Volk einen König besaß. Die Figur Jahwes ist mithin nach dem Muster eines nichtjüdischen Herrschers gestaltet, mit Thron, Heerscharen und Sendboten, den Engeln. Max Weber hat den Gott der Juden mit einem orientalischen Despoten verglichen, und tatsächlich gehen die Überein­ stimmungen sehr weit. Die Macht des Monarchen kann sich auch gegen das

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eigene Volk wenden, und daher gab es in Israel stets Widerstand gegen die Monarchie. Die Opposition gegen das Königtum jedoch erklärte, allein Jahwe sei König. Sie fand Ausdruck in der Fabel Jothams im Buch der Richter (9, 7 ff). Jotham war mit der Wahl seines Bruders Abimelech zum König nicht einverstanden, und nachdem die ersten Greueltaten bekannt geworden waren, „ging er hin und trat auf die Höhe des Berges Garizim und hob auf seine Stimme, rief und sprach zu ihnen: Höret mich, ihr Männer zu Si­ chern, daß auch Gott euch höre! Die Bäume gingen hin, daß sie einen Kö­ nig über sich salbten, und sprachen zum Ölbaum: Sei du unser König! Aber der Ölbaum antwortete ihnen: Soll ich meine Fettigkeit lassen, die beide, Götter und Menschen, an mir preisen, und hingehen, daß ich schwebe über den Bäumen? Da sprachen die Bäume zum Feigenbaum: Komm du und sei unser König! Aber der Feigenbaum sprach zu ihnen: Soll ich meine Süßigkeit und meine gute Frucht lassen und hingehen, daß ich über den Bäumen schwebe? Da sprachen die Bäume zum Weinstock: Komm du und sei unser König! Aber der Weinstock sprach zu ihnen: Soll ich meinen Most lassen, der Götter und Menschen fröhlich macht, und hingehen, daß ich über den Bäumen schwebe? Da sprachen alle Bäume zum Dornbusch: Komm du und sei unser König! Und der Dornbusch sprach zu den Bäumen: Ist’s wahr, daß ihr mich zum König salbt über euch, so kommt und vertraut euch unter meinen Schatten; wo nicht, so gehe Feuer aus dem Dornbusch und verzehre die Zedern Libanons.“ Die Fabel soll die Folgen einer unbesonnenen Königswahl erklären. Der Dornbusch ist im Alten Testament eine „gefährliche“ Pflanze. Die War­ nung Jothams verhallte jedoch, die Opposition unterlag, bestand als gei­ stige Strömung im Judentum gleichwohl lange fort, bis zu den Zeloten un­ ter und nach Pilatus (s. u. 4q). In dem Benjaminiter Saul erhoben die Nordstämme um 1020 dann einen König. Er wurde von dem Gottesmann Samuel gesalbt und vom Volk durch Zuruf anerkannt. Saul unterlag im Kampf gegen die Philister und nahm sich das Leben (1. Samuel 31). h. Sauls Spielmann, Waffenträger und Heerführer David besiegte den Philister Goliath und wurde ums Jahr 1000 v. Chr. Nachfolger Sauls, dessen Tochter er geheiratet hatte. Unter David, dem Sohn des Jesse aus Bethlehem, erlebten die zum ersten Mal politisch vereinten zwölf Stämme eine Glanz­ periode. Deren späterer Verlust blieb ein jüdisches Trauma, die Wiederher­ stellung ein Traum bis in die römische Kaiserzeit und darüber hinaus (s. u. 8 d). Die Jesus zugeschriebene Abstammung von David (s. u. 9 d) gründete sich auf die Erinnerung an dessen Großreich, als Israel allen Nachbarn über­ legen war. Die Herkunft von Jesse war ein Element der Messianität. Anders als in den Zeiten vor und nach David, die von den benachbarten Großmächten überschattet waren, eröffnete eine momentane Schwäche­

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periode am Nil und in Mesopotamien zugleich den Juden einen politi­ schen Handlungsspielraum. David besiegte und unterwarf die Philister und eroberte mit seinen Söldnern die Jebusiterstadt Jerusalem. Die Jebusiter waren ein kanaanäischer Stamm, einer ihrer Könige, Melchisedek (1. Mose 14) wird in der Bibel als Zeitgenosse Abrahams erwähnt. Im Neuen Testament (Hebräer 7) erscheint Melchisedek als Vorläufer und Vorbild Christi als Priesterkönig. Die Jebusiter wurden von David unterworfen und verschwinden aus der Geschichte. Der Name Jerusalem ist nicht das Ergebnis einer Umbenennung. Seine ältesten Formen finden sich auf ägyptischen Texten vor und in der Amarna-Zeit (14. Jahrhundert). Der Name „Jerusalem“ bedeutet ursprünglich „Gründung des Gottes Scha­ lem“, wurde dann hebräisch umgedeutet in „Stätte des Friedens“ oder griechisch in „Heilige Stadt Salomons“. David erhob die Stadt zum politischen Zentrum seines Reiches, das auch zahlreiche unterworfene Randvölker umfaßte. Er gilt in der Bibel als Lieb­ ling Jahwes, trotz einigen allzumenschlichen Verfehlungen. Zahlreiche Psalmen sind unter seinem Namen überliefert, sein Attribut in der Kunst ist die Harfe. Wegen Davids Zugehörigkeit zum Stamme Juda wurden die Israeliten später insgemein als Juden bezeichnet. Der Ländername Judaea ist zuerst bezeugt wiederum bei einem griechischen Autor, bei Klearchos von Soloi, einem Schüler des Aristoteles, den Flavius Josephus (Gegen Apion I 179) zitiert. i. Aufgrund einer Haremsintrige mit dem Propheten Nathan brachte nach dem Tode des Königs um 960 Bathseba ihren und Davids Sohn Sa­ lomon an die Macht. Dieser war berühmt für seine Weisheit und seinen Tempelbau in Jerusalem. Der Bauvorgang wird in der Bibel, im ersten Buch der Könige (Kap. 6-8) und im zweiten Buch der Chronik (Kap. 27), so ausführlich geschildert, daß man das „Haus des Herrn“ danach zeichnerisch rekonstruieren konnte. Baumeister und Bauholz bezog Sa­ lomon von König Hiram aus der Phönizierstadt Tyros. Der Tempel be­ herbergte die schon von David in seine Hauptstadt überführte Bundeslade, in der Gott gegenwärtig gedacht wurde. Seit der Eroberung von Je­ richo bei der Landnahme war sie als siegbringendes Palladium mit ins Feld genommen worden, ähnlich wie später der Rock des heiligen Martin oder die Lanze des heiligen Mauritius das christliche Heer in den Sieg führen sollten. Die Lade fand ihren Ort im Hinterraum des Tempels, dem nur den Priestern zugänglichen „Allerheiligsten“, verschwindet dann aber für Jahrhunderte aus der Überlieferung. Der Tempel stand ne­ ben dem Palast und versinnlichte damit die enge Verbindung zwischen König und Gott. Die bewegte Geschichte des Tempelberges in der Folge­ zeit ist die Ursache dafür, daß vom salomonischen Bau keine archäologi­ schen Spuren erhalten sind.

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Bild 1. Das Reich Davids nach Clauss 1993. Das Territorium des Südreiches Juda um­ faßt auch das Gebiet des Stammes Benjamin. Im Territorium des Nordreiches Israel siedelten die übrigen zehn Stämme. Das Reich Davids umfaßte beide Territorien. Die Vasallenstaaten wurden von Satellitenfürsten aus heimischen Dynastien regiert. Die Grenzen sind nur ungefähr feststellbar.

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j. Nach Salomons Tod um 930 v. Chr. sagten sich die zehn Nordstämme von seinem Sohne Rehabeam los und erhoben auf einem Landtag zu Si­ chern den Fronvogt Jerobeam zum König (2. Chronik 10). Fortan gab es im Norden das Reich Israel, im Süden das Reich Juda. Das Verhältnis der beiden Reiche schwankte in der Folgezeit zwischen dynastischem Bündnis und offener Feindschaft. 926 plünderte Pharao Scheschonk, um 780 Joas von Israel den Tempel in Jerusalem. Die von David eroberten Randgebiete gewannen ihre Selbständigkeit zurück. Israel stand unter Königen wech­ selnder Dynastien, als Hauptort bildete sich um 870 v. Chr. Samaria, das spätere Sebaste, heraus, in unmittelbarer Nähe des heiligen Berges Garizim. Angesichts der wachsenden Macht der Assyrer im nordöstlichen Me­ sopotamien zahlte Israel mehrfach Tribut; auf Abfallbewegungen folgten Strafexpeditionen. 721 wurde Samaria erobert, Tausende von Israeliten mußten nach Assyrien auswandern. Das Land wurde eine Provinz der Kö­ nige von Assur, die verbliebene Bevölkerung mischte sich mit Einwande­ rern und Alteingesessenen und schien den „echten“ Juden nicht ebenbür­ tig. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter bei Lukas (10,29 ff), rich­ tet sich unter anderem gegen die Geringschätzung dieses Volkes. k. In Jerusalem behauptete das Haus Davids die Herrschaft über die Stämme Juda und Benjamin. Könige, die sich an das mosaische Gesetz hielten, wechselten mit solchen, die sich fremden Einflüssen öffneten. Im Jahre 621 kam es zu einer „zweiten“ Gesetzgebung durch König Josia, der das angeblich damals aufgefundene Deuteronomium, erhalten als 5. Buch Mose, einführte und die alten Regeln erneut einschärfte (2. Chronik 34). In beiden Reichen gab es soziale und religiöse Probleme, um deren Lösung sich Propheten bemühten: Elias und Amos im Norden; Hosea und Hesekiel, Jesaja und Jeremia im Süden. Diese Gottesmänner predigten Able­ gung fremder Sitten, Zerstörung fremder Kultorte, Verstoßung fremder Frauen und Rückkehr zum Gesetz der Väter. Sie verhießen ein bevorste­ hendes Strafgericht und eine künftige Erhöhung Israels über die Völker durch einen gesalbten Retterkönig aus Davids Stamm - durch den Messias (s.u. 8). l. Das Assyrerreich wurde 612 von den Medern und den Chaldäern aus Babylon erobert. Damit war das Reich Juda einer neuen Gefahr aus dem Norden ausgesetzt. Es wurde 605 tributpflichtig. Nach dem zweiten Ab­ fallversuch nahm Nebukadnezar im Jahre 587 Jerusalem ein und zerstörte den Tempel. Abermals wurden Tausende von Juden, die nicht nach Ägyp­ ten entkommen waren, nach Mesopotamien verschleppt. Nach dem im 2. Jahrhundert v. Chr. abgefaßten Zweiten Makkabäerbuch (2, 4 ff) soll der Prophet Jeremias auf dem Weg ins Exil die Bundeslade mitgenommen und in einer Höhle des Berges Nebo verborgen haben. Die heiligen Geräte sollten dort schlummern, bis sich die Herrlichkeit des Herrn auf den Wol­

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ken des Himmels wiederum offenbare. Gemäß der Johannesapokalypse (11,19) steht die Lade dereinst im Tempel Gottes im himmlischen Jerusa­ lem. Der eschatologische Glaube an die Wiederentdeckung im Berge ver­ borgener Kultgeräte wird uns bei den Samaritanerunruhen wieder begeg­ nen, über die Pilatus gestürzt ist (s. u. 12 a). Die Deportierten wurden in Babylonien angesiedelt. Religionsge­ schichtlich bedeutsam wurde die Not des Exils durch den für das spätere Judentum grundlegenden, für das Christentum selbstverständlichen Glau­ ben, daß es nur einen einzigen wahren Gott gebe und sein Widersacher der Satan sei. Der bei einzelnen Propheten schon zuvor verkündete Mono­ theismus hat sich damals durchgesetzt: Jahwe ist nicht mehr allein der Gott Israels, der auf die Götter der anderen Völker eifersüchtig ist, sondern auch der Gott der Welt, wie er nach dem Exil in der Genesis literarisch ge­ staltet wurde. m. Nachdem der Perserkönig Kyros 539 Babylon erobert und das Chal­ däerreich annektiert hatte, erlaubte er den Juden die Heimkehr. Nur ein Teil machte jedoch davon Gebrauch. Viele blieben. Einzelne Juden brach­ ten es zu Reichtum und Ansehen, noch in der Spätantike gab es große jüdi­ sche Kolonien im persischen Zweistromland, der »Babylonische Talmud« ist dort entstanden. Juda, persisch Jehud, wurde ein Teil der Satrapie „Jen­ seits des Flusses“, Transeuphrat (Esra 6,13). Die Perser gaben die geraub­ ten Kultgeräte zurück und ließen den Jerusalemer Tempel mit königlichen Spenden wiederherstellen. Kyros gab den Befehl dazu, unter Darius war der Neubau 515 v. Chr. vollendet (Esra 6, 15). Als persischer Statthalter amtierte damals Serubbabel, ein Davidssproß, der vom Propheten Haggai (2, 20 ff) als messianischer Gottesknecht gepriesen wurde. Nehemia, der 445 zum Statthalter ernannte jüdische Mundschenk des Großkönigs Artaxerxes I Langhand, erneuerte zudem die Mauern Jerusa­ lems, ließ die Schriften des Alten Testaments zusammenstellen und re­ gierte das Land mit Umsicht. 398 sandte Artaxerxes II den jüdischen Prie­ ster Esra nach Jerusalem, um die Gemeinde dem mosaischen Gesetz ge­ mäß zu ordnen. Fortan blieb die Thora - das sind die fünf Bücher Moses kanonisch. 332 kamen Israel und Juda zum Alexanderreich. Der Wechsel der Herr­ schaft vollzog sich geräuschlos. Die im ptolemäischen Alexandria entstan­ dene Legende vom Besuch des Makedonen in Jerusalem, erstmals faßbar in den »Antiquitates« des Flavius Josephus (XI 8), zeichnet den König als Freund der Juden. Die später im Alexander-Roman ausgestaltete Legende besagt, daß zwischen dem Hohen Priester der Samaritaner und dem der Juden ein Streit ausgebrochen war. Darauf zog Alexander nach Jerusalem. Der jüdische Hohe Priester verzweifelte an einem Widerstand gegen den Makedonen und kam dem König mit dem Schlüssel zur Stadt entgegen.

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Als Alexander den Priester erblickte, sprang er vom Pferd und erwies dem Juden seine Verehrung. Verwundert fragte Parmenion, Alexanders Gene­ ral, wieso der König sich vor einem Priester verbeuge. Darauf bekannte Alexander, er habe in diesem Manne eine Erscheinung wiedererkannt, die ihm Vorjahren im Traume die Weltherrschaft vorhergesagt habe. Gemeint ist damit die Prophezeiung aus dem Buch Daniel, das als letztes oder vorletzes Weltreich das der Makedonen vorhergesagt haben soll. n. Unter den Diadochen war Palästina ein Zankapfel zwischen den Seleukiden in Antiochia und den Ptolemäern in Alexandria, ähnlich wie zu­ vor zwischen den Königen von Mesopotamien und den Pharaonen am Nil. Ein halbdutzend Mal wechselte das Land den Besitzer, ehe es dem ersten Ptolemaios 302 v. Chr. gelang, Jerusalem zu besetzen, einen Großteil der Bevölkerung nach Ägypten zu deportieren und die Herrschaft seines Hau­ ses für ein Jahrhundert zu sichern. Die Nordgrenze der „Syrien und Phö­ nikien“ genannten Provinz bildete der Fluß Eleutheros nördlich von Heliopolis-Baalbek. o. Aus dem späten 3. Jahrhundert v. Chr. stammt der Stoff zu dem in den »Antiquitates« des Josephus überlieferten halbhistorischen Tobiaden-Roman, kennzeichnend für die hellenisierte Oberschicht der Juden, doch be­ richten die Geschichtsschreiber kaum etwas über Palästina unter ptolemäischer Ägide. Frieden war stets ein unergiebiges Thema für Historiker. Das Land erlebte, trotz des zentralisierten Steuersystems, das dem König aus Verpachtung, Monopolen, Zöllen und Grundsteuern beträchtliche Einnah­ men verschaffte, einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die wichtigste Insti­ tution war der Hohe Priester und der Ältestenrat, daneben ist ein vom Kö­ nig ernannter Tempelvorsteher (epistates) anzunehmen, der die Abgaben aus den Einkünften des Tempels abzuführen hatte. Im Jahre 259 bereiste ein ptolemäischer Inspektor das Land und sorgte für die Einführung neuer Weinsorten, für die Verbesserung von Ackergerät und die Anlage von Be­ wässerung. Hauptstadt war Akko am Meer, nun umbenannt in Ptolemais. p. Ein bleibendes Zeugnis für die Verbindung zwischen dem Judäa und Ägypten ist der Aristeasbrief, angeblich aus der Zeit um 250 v. Chr. Dieser zu den Apokryphen des Alten Testaments zählende griechische Text ist die literarische Fälschung eines philhellenischen Juden aus der Zeit um 100 v. Chr. Er erzählt die Entstehungsgeschichte der »Septuaginta«, der Über­ setzung des Alten Testaments ins Griechische. Nachdem die Bibliothek von Alexandria auf 200 000 Buchrollen angewachsen war, sei dem Biblio­ thekar eine Anschaffungslücke aufgefallen, die Bibel. Um sie ins Griechi­ sche übersetzen zu lassen, habe Ptolemaios II 72 Gelehrte aus Jerusalem eingeladen, sie fürstlich bewirtet und dann einzeln auf der Insel Pharos einquartiert, um die Übersetzung anfertigen zu lassen. Nun wurde aber nicht jedem Juden ein Zweiundsiebzigstel des Textes anbefohlen, sondern

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jedem der gesamte. Am Ende der Klausur verglich man die Übersetzun­ gen, und - o Wunder! - sie stimmten Wort für Wort überein. Die »Septua­ ginta« blieb bis in die Spätantike die kanonische Heilige Schrift für die griechisch sprechenden Juden. q. Nachdem die Ptolemäer in vier syrischen Kriegen Palästina behaup­ ten konnten, ging das Land im fünften Krieg im Jahre 200 v. Chr. an den Seleukiden Antiochus III verloren. Nach seinem Sieg an den Jordanquel­ len besuchte der König, wie mehrere Ptolemäer vor ihm, Jerusalem und gewann das Wohlwollen der Bevölkerung durch einen Steuererlaß. Die Priester und Ältesten, Schreiber und Sänger des Tempels wurden über­ haupt von Abgaben befreit, das Gebäude selbst auf Kosten des neuen Herrn ausgebessert. Das jüdische Ethnos sollte weiter nach den väterli­ chen Gesetzen leben. r. In der Bevölkerung hatte sich indessen die Sozialstruktur verändert. Schon unter der ptolemäischen Herrschaft war eine zunehmend griechisch sprechende Oberschicht aus Grundbesitzern und Priesteradel entstanden, die überwiegend in den Städten, namentlich in Jerusalem lebte. Sie hielt Verbindung mit der großen jüdischen Gemeinde in Alexandria. Durch pünktliche Steuerzahlung gewann und bewahrte die hellenisierte Aristo­ kratie in Palästina die Gunst der Könige, geriet aber in Gegensatz zur ar­ beitenden Landbevölkerung, die an den alten Bräuchen festhielt und apo­ kalyptische Erwartungen hegte. Hinzu trat ein weiterer Gegensatz: der zwischen Anhängern der Ptolemäer und solchen der Seleukiden. s. Ein erster Konflikt entlud sich in der Heliodor-Affäre. Nach der Nie­ derlage gegen Rom hatte sich Antiochus III im Frieden von Apamea 188 v. Chr. zu einer ungeheuren Geldbuße von 15000 Talenten Silber ver­ pflichten müssen (s. u. 2e). Sein Nachfolger Seleukos IV konnte die Summe nicht aufbringen und versuchte daher, auf den Jerusalemer Tem­ pelschatz zurückzugreifen. Er enthielt fast 3000 Talente. Gemäß dem Be­ richt im Zweiten Makkabäerbuch (Kap. 3), gab es einen Streit zwischen dem seleukidenfreundlichen Tempelvorsteher und dem Hohen Priester. Als der Reichskanzler Heliodor auf seiner Inspektionsreise Jerusalem be­ suchte, wollte er den Tempelschatz konfiszieren, wurde aber in einem Tu­ mult zurückgeworfen. Nach dem biblischen Bericht erschien ein goldener Ritter von übermenschlicher Gestalt und Gewalt und ritt den Eindringling nieder - eine messianische Retterfigur, wie sie fortan in allen Kämpfen mit den Feinden der Juden eine Rolle spielte. Papst Julius II ließ die Szene 1514 durch Raffael in den Stanzen des Vatikan darstellen, um die Unantastbar­ keit der geistlichen Schätze zu erweisen, die freilich dann doch beim Sacco di Roma 1527 den Landsknechten in die Hände fielen. t. Das Vorspiel zum Makkabäerkrieg war dann aber der Versuch des nächsten Hohen Priesters, selbst griechische Sitten einzuführen. Er helle-

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nisierte Jerusalem - möglicherweise erwirkte er das Bürgerrecht von An­ tiochia für die Stadtbewohner, errichtete ein Gymnasion, wo nackt geturnt wurde, und sandte Jünglinge zu den königlichen Sportkämpfen in Tyros. Dagegen erhob sich bei den Frommen Widerstand. Es kam zu Kontakten mit den Ptolemäern. Der Seleukide Antiochus IV Epiphanes, seit 175 Kö­ nig in Antiochia, besiegte jedoch 170 die Ägypter, eroberte im Herbst 169 Jerusalem, plünderte den Tempel, zerschlug den Leuchter, der damals zu­ erst genannt wird (1. Makk. 1, 23), und legte eine Besatzung in die zu die­ sem Zweck neben dem Tempel errichtete Burg Akra. «. Möglicherweise war der schwere Prestigeverlust, den der König 168 vor Alexandria in Eleusis durch die Römer erlitt (s. u. 2 f), der Anlaß dafür, daß er den Juden gegenüber den Herrn herauskehrte. Er befahl, alle Unter­ tanen sollten ein einziges Volk werden. Sabbatruhe, Beschneidung und Speisetabus wurden verboten. Der Tempel wurde 167 dem Zeus Olympios geweiht, den die Griechen mit Jahwe gleichsetzten. Mit diesen Maßnah­ men aber übereilte der König den innerjüdischen Hellenisierungsprozeß. Mattathias, ein thorafrommer Landpriester, empörte sich. Gemeinsam mit seinen Söhnen, Judas, genannt Makkabäus, der Hammer, Jonathan und Si­ mon sammelte er die Frommen, nahm Verbindung mit Rom auf (s. u. 2 b) und besiegte den Feldherrn des Königs, der gleichzeitig in einen Krieg ge­ gen die Parther verwickelt war. Der Aufstand wurde beflügelt durch die Erwartung des Messias. Zeugnis dafür ist das prophetische Buch Daniel (s. u. 8f). Der Autor (11, 31) spricht vom „Greuel der Verwüstung“, latei­ nisch abominatio desolationis, von der Entweihung des Tempels, und ver­ heißt das Nahen des rettenden Messias. v. Dessen aber bedurfte es nicht, die Makkabäer konnten sich aus ei­ gener Kraft behaupten. Am 14. Dezember 164 wurde der Tempeldienst erneuert, später hat man dies alljährlich im Chanukkafest gefeiert. 163 wurde der Friede wiederhergestellt, wie es im 1. Makkabäerbuch heißt (6, 57 ff), die Religionsbräuche wurden von den Seleukiden fortan re­ spektiert. Nach weiteren Wechselfällen vermochte Simon, der Bruder des Makkabäus, seine Herrschaft über Judäa zu sichern. 142 v. Chr. übertrug ihm das Volk die erblichen Ämter des Ethnarchen, des Hohen Priesters und des Heerführers. Simon erwirkte seine Anerkennung durch den König und Befreiung von Abgaben. So war ein faktisch selb­ ständiger Staat innerhalb des durch dynastische Wirren geschwächten Seleukidenreiches entstanden. Josephus nennt die neue Dynastie die der Hasmonäer. Dieser Name verweist auf den schwer faßbaren Stammvater der Familie und verwurzelt sie in der Vergangenheit. In gleicher Absicht wurden auch die Dynastien der Achämeniden und Sassaniden in Per­ sien, der Herakliden oder Argeaden in Makedonien, der Amaler bei den Goten und der Merowinger bei den Franken nicht nach den wirklichen

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Gründern, sondern nach deren mehr oder weniger mythischen Urvätern benannt. •w. Dennoch kam es noch zu schweren Rückschlägen. Antiochus VII verlangte die Räumung der vertragswidrig besetzten Städte und Steuern für die nichtjüdischen Gebiete. 134 v. Chr. eroberte der König die vom Hohen Priester Hyrkanos I, dem Sohn und Nachfolger Simons, vertei­ digte Stadt Jerusalem (Jos. Ant. XIII 8, 3). Die Hasmonäer mußten die Forderungen des Seleukiden erfüllen und Kriegsfolge leisten. Bei dieser Gelegenheit wurden im Kreis der Berater des Königs judenfeindliche Stimmen laut, die nie wieder verklungen sind. Der König solle, so wurde gefordert, die Juden ausrotten. Denn unter allen Völkern verweigerten sie allein den Umgang, die Eheverbindung und die Tischgemeinschaft mit an­ deren und betrachteten die übrigen Menschen als ihre Feinde. Ihre Vorfah­ ren seien als Aussätzige aus Ägypten vertrieben worden, hätten sich in und um Jerusalem festgesetzt und lehrten den Haß auf alles Fremde. Im Aller­ heiligsten ihres Tempels werde ein Esel angebetet, darum sei der Zugang versperrt. Die später von Tacitus (Annalen XV 44) auch auf die Christen gemünzte Formel vom odium generis humani, vom Haß auf alle anderen Menschen, begegnet uns in dem von Diodor (XXXIV 1,2 f) überlieferten Text für die Juden. x. Der Seleukide machte sich diese Ratschläge nicht zu eigen. Als er 129 v. Chr. eine Niederlage gegen die Parther erlitt, gewann Hyrkanos wieder Handlungsfreiheit. Innenpolitisch gestützt auf die Sadduzäer (s. u. 4 m), nahm er die Eroberungspolitik seiner Vorgänger wieder auf: Sein Ziel war die Erneuerung des Davidreiches. Die Idumäer wurden aus Edom im Sü­ den vertrieben öder mußten sich, wie Josephus (Ant. XIII9,1) erzählt, be­ schneiden lassen. Zu diesen Neujuden gehörte die Familie des Herodes, die von den strenggläubigen Juden nicht als zugehörig anerkannt wurde, weil sie nicht auf einen der alten Stämme Israels zurückging. Noch in der Zeit des Claudius verwehrte ein Schriftgelehrter einem fürstlichen Nach­ kommen des Herodes wie einem Fremden den Zutritt zum Tempel, so Jo­ sephus (Ant. XIX 7, 4). Hyrkans Sohn und Nachfolger Aristobul I mit dem Beinamen „der Philhellene“ nahm 104/103 den Königstitel an. Auch seine Politik verlief in den üblichen hellenistischen Bahnen: Er wütete ge­ gen seine Familie und eroberte Ituräa im Norden, das so wie Idumäa zwangsjudaisiert wurde. y. Den Höhepunkt der Hasmonäermacht bildet die Zeit unter Alexan­ der Jannaeus (102-76). Er eroberte große Teile des Ostjordanlandes, Gali­ läa und mehrere Küstenstädte. Sein griechischer Lebensstil aber mißfiel den Pharisäern. An einem Laubhüttenfest kam es zur Empörung, sechs­ tausend Juden wurden niedergemacht. Ein sechsjähriger Bürgerkrieg folgte, der nach Josephus (Ant. XIII13, 5) fünfzigtausend frommen Juden

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das Leben kostete. Der König setzte dabei nichtjüdische Söldner ein, doch auch die Pharisäer hatten keine Bedenken, die Hilfe der Seleukiden gegen ihren König und Hohen Priester anzurufen und unter fremdem Befehl ge­ gen ihn zu Felde zu ziehen. Alexander Jannaeus behauptete sich und starb während eines Krieges gegen die Araber. Die Nachfolge des Königs übernahm seine Witwe Salome Alexandra. Sie versöhnte sich mit den Pharisäern, die an Einfluß gewannen, ja die ei­ gentliche Macht in den Händen hatten. Es kam zum Bruderzwist der Kö­ nigssöhne, Hyrkan (II) als Hoher Priester stützte sich auf die Pharisäer, Aristobul (II) auf die Sadduzäer und den Adel. Nach dem Tode der Köni­ gin brach der Bürgerkrieg aus. Hyrkan unterlag, er überließ dem Bruder Königtum und Priesteramt. Dann aber griff der Idumäer Antipater ein, der Vater des späteren Königs Herodes. Gemeinsam mit ihm und den Arabern belagerte Hyrkan seinen Bruder Aristobul in Jerusalem. Von diesen Vor­ gängen hörte Pompeius, der mit Heeresmacht in Syrien stand. Er hatte zahlreiche Streitfälle in Asien geregelt, so lag es nahe, daß er auch in Judäa eingriff. Damit begann dort eine neue Epoche: die Vorherrschaft Roms (s. u. 2 e). Sie hatte freilich ihre Vorgeschichte, denn das Interesse Roms an den Machtverhältnissen im Osten war damals bereits über hundert Jahre alt. z. „Das jüdische Volk hat den Vorteil gehabt, von der Babylonischen Gefangenschaft an bis ins Mittelalter sich stets in einer sehr bedrängten Lage zu befinden.“ Ernest Renan (1863/1902 S. 82) ahnte nicht, daß dieser Zustand in der Neuzeit eine unvorstellbare Fortsetzung finden würde. Doch hätte er wissen können, daß die Bedrängnis schon in Ägyptenland begann und mit den Philistern, Assyrern und Chaldäern fortging, bevor die Juden nach Mesopotamien verschleppt wurden. Ihre Geschichte ist die ihrer Verfolgung und ihrer Selbstbehauptung: Die Wiederholung von Pas­ sion und Auferstehung im Großen. Indem die Propheten im Unglück stets die strafende Hand eines liebenden Gottes erkannten, kehrten die Juden nach vorübergehender Entfremdung immer wieder zu den alten Bräuchen zurück und bewahrten damit ihre Identität durch die Jahrtausende. Epiktet abwandelnd könnte man folgern: Nicht die Geschichte als solche prägt die Völker, sondern die Art, wie sie das Geschehen verarbeiten.

2. Die Römer im Osten

Makkabäer und Rom Punische Kriege

Tag von Eleusis 168 v. Chr. Mithridates VI

Gabinius Herodes der Große Herodes Klientelkönig

seine Bauprojekte Tempel-Neubau

Familienaffären

Nachfolger: Philippus Archelaus in Judäa Judäa wird 6 n. Chr. Provinz

a. Äsop b. c. Römische Kriegsführung d. e. Antiochus der Große f. g. Hasmonäer h. i. Pompeius jk. Caesar l. m. Octavian n. o. Einkünfte des Herodes Pq. Jerusalem r. s. Goldadler t. u. Testament des Herodes v. w. Herodes Antipas x. y. Der falsche Alexander z.

Romani ambitiosi, quos non Oriens non Occidens satiaverit, soli omnium opes atque inopiam pari adfectu concupiscent. Tacitus

a. „Wildpferd und Hirsch stritten um eine Wiese. Da rief das Wildpferd den Menschen zu Hilfe, der schwang sich auf den Rücken des Pferdes und vertrieb den Hirschen. Dann aber stieg er nicht mehr ab, und das Pferd mußte dienen.“ Mit dieser Fabel illustrierte Aesop das Hilfsgesuch einer kleinen Stadt auf Sizilien an eine große. Wie viele Völker erlebten das nicht mit den Römern! Man rief sie zu Hilfe und hatte sie dann. So auch die Ju­ den im Hellenismus. Von allen Nachbarn bedrängt und bedroht, wandten sie sich an die Großmacht im Westen und wurden sie dann nicht mehr los. b. Nach biblischer Überlieferung - die römischen Quellen schweigen darüber - kamen die Juden zum ersten Male mit Rom in Berührung wäh­ rend des Makkabäer-Aufstandesfs.o. 1 u). Im zweiten der beiden unter die Apokryphen zum Alten Testament gerechneten Makkabäer-Bücher (11, 34 ff) ist von einem Brief die Rede, den Quintus Memmius und Titus Manlius, die „Botschafter der Römer“ am 15. April des 148. Jahres der Seleukidenära, das heißt 164 v. Chr. an die Juden geschickt haben sollen. Darin bitten die Römer um ein Bündnis, während sie im Begriffe sind, gegen An­ tiochia zu ziehen. Dieses Dokument ist sicherlich unecht, weil es die Ini­ tiative umdreht, bezeugt aber das Interesse der Juden an einer Verbindung zu Rom, die wenig später, 161 v. Chr., von jüdischer Seite tatsächlich ge­ sucht wurde. Im ersten Makkabäer-Buch (8,1 ff) lesen wir: „Es hörte aber Judas von den Römern, daß sie sehr mächtig wären und fremde Völker, die Hilfe bei ihnen suchten, gern in Schutz nähmen, und daß sie Treu und Glauben hielten“. Die Römer nötigten, heißt es, die feindlichen Völker, den Frieden zu wahren, und lebten mit den befreundeten Nachbarn im Einvernehmen. c. Rom genoß damals den Ruf einer internationalen Ordnungsmacht. Dies ersehen wir aus Hilfsbegehren auch anderer kleiner Völker, die sich bedroht fühlten. Die Römer vertraten die Theorie des bellum iustum, des gerechten Krieges, der nur gegeben ist, wenn eine förmliche Kriegserklä­ rung erfolgt ist, nachdem Rom selbst angegriffen wurde, oder indem es ei­ nem anderen Volk gegen einen Angreifer zu Hilfe kommt. So gewiß der Verteidigungsfall mitunter auch bei einer bloß scheinbaren Bedrohung er­ klärt wurde, so gewiß hat man sich doch regelmäßig darauf berufen. Wäh­

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rend bei den Griechen, den Kelten und Germanen der Krieg eine agonale, sozusagen sportliche Seite hatte, von den Assyrern und Juden hingegen im Namen Gottes als heiliger Krieg geführt wurde, handelten die Römer nach Rechtsprinzipien, zwar als Richter in eigener Sache, aber nicht ohne die Bemühung um eine Legitimation. Daß dies ernst gemeint war, ergibt sich aus der Deutung von Niederlagen: Stets entdeckte man, gegen das Prinzip des gerechten Krieges verstoßen zu haben. Das politische Eigeninteresse ergab sich erst aus dem Friedensschluß. Er stellte in der Regel nicht den Vorkriegszustand wieder her, sondern führte zu einem dauerhaften Bünd­ nis, sei es mit dem unterstützten Volk, sei es mit dem überwundenen Feind. So ist es im Grundsatz zutreffend, wenn Cicero in seiner Schrift »De re publica« (III 35) bemerkt: Noster autem populus sociis defendendis terrarum iam omnium potitns est - „Unser Volk hat fast die gesamte Welt gewonnen, indem es seine Bundesgenossen verteidigt hat“. d. Die Intervention der Römer im griechischen Osten entwickelte sich aus dem Zweiten Punischen Krieg. Denn Hannibal hatte sich nach seinem großen Sieg bei Cannae 216 v. Chr. mit Philipp V von Makedonien verbün­ det, worauf Rom einen Beistandspakt mit den von Philipp bedrohten Ätolern in Nordwestgriechenland und mit dem Königtum Pergamon schloß. 202 lag Karthago am Boden, im Westen des Mittelmeerraumes hatte Rom keinen nenneswerten Gegner mehr. Hilfsgesuche aus dem Osten riefen die Römer über die Adria, Philipp erlebte 197 eine schwere Niederlage. Den Griechen wurde die Freiheit von Makedonien verheißen, über die Rom zu wachen versprach. e. Nach dem Rückzug der Römer aus Griechenland bewogen ihre Geg­ ner den Seleukiden Antiochus III, aus Syrien nach Griechenland zu kom­ men. Antiochus war der ehrgeizigste unter den Nachfolgern Alexanders und hatte nach einem spektakulären Feldzug in die „oberen Satrapien“ Persiens ebenfalls den Beinamen des Großen erhalten. In der Besorgnis vor seiner wachsenden Macht unterstützten die Römer nun die ihnen treu gebliebenen Achäer und Athener, besiegten Antiochus 191 in den altersbe­ rühmten Thermopylen, verfolgten ihn über den Hellespont und zwangen ihn nach einer abermaligen Niederlage 189, sich hinter das Taurosgebirge nach Syrien zurückzuziehen und eine gewaltige Kriegsschuld zu unter­ schreiben. So wurde Kleinasien zum römischen Protektorat. f. Eindrucksvoll demonstrierte Rom seinen Anspruch, als Antiochus IV 168 v. Chr. beschloß, Ägypten zu erobern. Als der König mit seinem Heer bei Eleusis vor Alexandria stand, um Ägypten zu erobern, erschien ein Se­ natsgesandter in seinem Lager und befahl ihm, umzukehren. Der König forderte Bedenkzeit, aber der Römer Popillius Laenas zog mit seinem Stab einen Kreis in den Staub um Antiochus und erklärte, bevor er diesen Kreis verlasse, habe er sich zu entscheiden. Der König gab nach. Möglicherweise

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war es dieser Gesichtsverlust, der Antiochus zu seiner Härte gegen die Ju­ den bewog, so daß sie sich gegen ihn erhoben. Judas Makkabäus begrün­ dete die jüdische Unabhängigkeit (s. o. 1 u). g. Es folgte eine labile, von Kleinkriegen geprägte Zeit. Die Schwäche sowohl der Seleukiden als auch der Ptolemäer, die sich gegenseitig in Schach hielten, erlaubte den Priesterfürsten aus dem Hause der Hasmonäer, ihr Reich zu stabilisieren. Dabei erfreuten sie sich des politischen Wohlwollens des Senats. Die Verbindung zu Rom wurde von den beiden Brüdern und Nachfolgern des Judas Makkabäus gepflegt. Um 145 v. Chr. erneuerte der Hohe Priester Jonathan das Bündnis, um 138 schickte Simon einen großen goldenen Schild im Gewicht von tausend Pfund nach Rom so lesen wir im Ersten Makkabäerbuch (12,3; 14,16 ff). Josephus berichtet darüber hinaus von zwei Senatsbeschlüssen zugunsten Hyrkans (Ant. XIII9,2; XIV 10,22). Die Juden suchten und fanden Hilfe gegen die Grie­ chen bei den Römern, und deren Interesse an den Verhältnissen im Osten nahm erkennbar zu. h. Die starke Position Roms intensivierte den Verkehr mit dem Westen; Tausende von Italikern zog es nach dem Osten, zumal nach Kleinasien. Dort versuchte Mithradates VI von Pontos zum letzten Male, als neuer Alexander eine hellenistische Großmacht aufzubauen. Rom wurde miß­ trauisch, aber Mithradates ging aufs Ganze. Im Jahre 88 v. Chr. befahl er, alle Italiker in Asien zu töten. Bei dieser „Vesper von Ephesus“ sollen 80000 Menschen an einem Tage umgekommen sein. Rom sandte Sulla, dann Lucullus und schließlich Pompeius mit Heeresmacht und umfassen­ den Vollmachten in den Osten; Mithradates wurde 66 v. Chr. besiegt. Nun fühlte sich Pompeius als der neue Alexander und erhielt den Beinamen Magnus, der Große. i. Pompeius ordnete den in zahlreiche Königtümer zerfallenen kleinasia­ tischen Raum, indem er Grenzen zog und Fürsten ein- und absetzte. Dar­ aufhin wandte er sich nach Syrien. Auch dort herrschten seit vielen Jahren Anarchie und Bürgerkrieg. Dies barg die Gefahr, daß eine der Parteien die Parther zu Hilfe holen würde; diese Großmacht im Osten war für Roms Herrschaftsanspruch bedrohlich. Dem wollte Pompeius zuvorkommen. Den Winter 64/63 verbrachte er in Antiochia, wo er es mit dem Bruder­ zwist unter den Söhnen des verstorbenen Alexander Jannaeus, den Hasmonäerprinzen Hyrkanos II und dem jüngeren, aber tatkräftigeren Aristobul II zu tun bekam (s. o. 1 y). Dieser verehrte ihm einen goldenen Weinstock, über 500 Talente schwer, wie Josephus (Ant. XIV 3,1) erzählt. In Damaskus empfing Pompeius zwei um Roms Gunst buhlende Ge­ sandtschaften aus Jerusalem, deren jede die Herrschaft über Judäa bean­ spruchte. Dazu kam eine dritte Abordnung, diesmal aus dem Volk, beste­ hend aus 200 Mann, die das Königtum überhaupt abschaffen und die Prie­

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sterherrschaft wiederherstellen wollte (Diodor XL 2). Pompeius vertagte seine Entscheidung, doch Aristobul II fügte sich nicht. j. Sein Widerstand gegen die Legionen war aussichtslos. Pompeius nahm Aristobul II gefangen und belagerte Jerusalem, das ihm die Anhänger Hyrkans öffneten. Bestärkt von den Priestern, verteidigten die Männer Aristobuls den Tempelberg, doch wurde er von den Legionen erstürmt. Pompeius betrat den Tempel, auch das Allerheiligste, wo es, wie Tacitus (Hist. V. 9) vermerkt, tatsächlich kein Götterbild gab, so daß die ganze Ge­ heimniskrämerei doch eigentlich albern sei. Die Römer rührten, wie Josephus (Ant. XIV 4, 4) betont, den Tempelschatz nicht an. Anders später Crassus, Pilatus und Floras (s. u. 12 r) - jeweils mit üblen Folgen. Hyrkan erhielt 63 v. Chr. das Amt eines Ethnarchen, eine mit weltlichen Funktio­ nen ausgestattete Hohepriesterschaft. Ihn unterstützten die Pharisäer. Ari­ stobul mußte als Gefangener mit nach Rom ziehen, und Aemilius Scauras wurde Statthalter in Syrien mit der Oberaufsicht auch über Judäa. k. Erneute dynastische Wirren nahm der nächste, im Jahre 57 ernannte Statthalter Gabinius zum Anlaß, Hyrkan II politisch zu entmachten und Judäa in fünf Distrikte aufzuteilen, die durch Synhedrien von Einheimi­ schen aristokratisch verwaltet wurden; Hyrkan blieb jedoch Hoher Prie­ ster. So berichtet Josephus (Ant. XIV 5,4). Als der nächst folgende, seit 54 amtierende Proconsul Syriens, Marcus Licinius Crassus 53 v. Chr. gegen die Parther zog, nahm er den Umweg über Jerusalem und bereicherte seine Kriegskasse mit den Geldern des Tempelschatzes. Im selben Jahr fiel er in einer katastrophalen Niederlage in der Schlacht bei Carrhae, dem heutigen Harran im türkischen Mesopotamien. Darin konnte man die Strafe Gottes für den Frevel am Tempelschatz erblicken. Der starke Mann der Folgezeit war Antipater, Sohn eines Feldherrn des Alexander Jannaeus und selbst die eiserne Faust Hyrkans. Antipater war Idumäer, gehörte zu dem durch Johannes Hyrkanos um 126 v. Chr. zwangsjudaisierten Volk in Edom, südlich von Judäa. Die Edomiter galten als Nachkommen von Esau, dem älteren Bruder Jakobs, der jenem sein Erstgeburtsrecht abgelistet hatte. Rechtgläubige Juden blickten auf die Idumäer herab. Antipater pflegte seine Beziehung zu den Römern, die 55 v. Chr. ihn zum epimeletes, zum Aufseher der Juden erhoben hatten. l. Eine neue Lage entstand in Judäa, nachdem Pompeius von Caesar 48 v. Chr. bei Pharsalos in Thessalien besiegt und beim Versuch, in Ägypten zu landen, getötet worden war. Als der siegreiche Caesar 47 in Syrien er­ schien, wiederholte sich das Schauspiel der rivalisierenden Gesandtschaf­ ten. Caesar bestätigte den Hohen Priester Hyrkan II als socius et amicus populi Romani und Antipater, seinen mächtigen Feldherrn, der ihn beim Kampf um Alexandria unterstützt hatte. Der Diktator hatte dort in den Krieg zwischen Kleopatra und ihrem Bradergemahl Ptolemaios XIII ein­

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gegriffen und brachte die Sache der Königin mit jüdischer Hilfe zum Siege. Antipater erhielt das römische Bürgerrecht und die militärische Aufsicht im Lande. Jerusalem wurde wieder befestigt. Judäa mußte an Rom Tribut zahlen, wurde aber von der sonst üblichen Pflicht, Hilfstruppen zu stellen, befreit. Das Land war damit weder Provinz noch frei, ein Satellitenstaat mit doppelter Staatsspitze. m. Nach dem Tode Caesars 44 v. Chr. erschien dessen Mörder Cassius in Syrien und rüstete gegen Marc Anton und Octavian. Dabei unterstützte ihn Herodes, ein Sohn Antipaters, der unter seinem Vater für Hyrkanos II Galiläa verwaltete. Das Land mußte ungeheure Kontributionen zahlen. Zwei Jahre später hatten die Caesarmörder bei Philippi verloren. Abermals mußten die Parteien um die Gunst der Römer buhlen. Hyrkan behauptete sich, aber der Stern des Herodes stieg, nicht zuletzt infolge des Partherein­ falles 41 v. Chr., der Herodes zur Flucht nach Rom bewog. Hier ernannte ihn der Senat auf Vorschlag von Marc Anton 40 v. Chr. zum König von Ju­ däa anstelle Hyrkans, der sich bei den Parthern befand. Während Ventidius als Legat des Marc Anton die Parther zurückwarf und 38 Syrien be­ setzte, eroberte der neue Vasallenkönig Herodes gemeinsam mit römi­ schen Truppen unter dem Proconsul Sosius 37 v. Chr. Jerusalem, wo unter dem Schutz der Parther noch ein letztes Mal ein Hasmonäer, Antigonos, Sohn des Aristobul, regiert hatte. Seinem Widersacher Hyrkan biß Hero­ des „mit seinen eigenen Zähnen“ die Ohren ab, so Josephus (Bellum I 13, 9), und machte ihn dadurch gemäß dem mosaischen Gesetz (3. Mose 21, 17) untauglich für das Priesteramt. n. Herodes, der den Beinamen megas erhielt, was ursprünglich „der Äl­ tere“ in Beziehung zu seinem gleichnamigen Sohn bedeutete, aber auch als „der Große“ verstanden werden konnte und verstanden wurde, ist eine schillernde Figur. Seine geradezu virtuose Anpassungsfähigkeit an die je­ weils Mächtigen in Rom erweist ihn als politischen Opportunisten. Doch innerhalb des dadurch bestimmten Handlungsraumes entfaltete er ein au­ ßergewöhnliche Tatkraft. Als Idumäer wurde er von den frommen Juden abgelehnt, doch betrachtete er sich selber als Juden und fand bei dem hellenisierten Teil der Bevölkerung Anklang. Schon während der Belagerung Jerusalems 37 v. Chr. heiratete Herodes die Mariamne, eine Enkelin des Hasmonäers Hyrkanos II, und legitimierte durch diese dynastische Ver­ bindung mit dem alten Herrscherhaus seinen Anspruch auf die Herr­ schaft. Die Erben Caesars, Octavian und Marc Anton, hatten nach dem Sieg über die Caesarmörder Brutus und Cassius das Reich so aufgeteilt, daß Octavian Rom und den Westen, Antonius Alexandria und den Osten er­ hielt. Der Friede aber blieb nicht bestehen. Nach dem Sieg Octavians über Marc Anton und Kleopatra bei Actium 31 v. Chr. verstand es Herodes, der

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Günstling des Antonius, abermals, die Gunst des neuen Herrschers in Rom zu gewinnen. Im System des römischen Staatsrechts war er als rex socius et amicus populi Romani, als verbündeter und mit dem römischen Volk befreundeter König ein Satelliten- oder Klientelkönig. Solche gab es an allen Grenzen Roms: in den Westalpen (Cottius), in Mauretanien (Juba), in Thrakien (Kotys) und anderen Randgebieten. Mit dieser indirek­ ten Herrschaft suchte Rom einerseits seine Grenzen zu sichern und ande­ rerseits die Randvölker zu befrieden. Die Herrscher kamen stets aus der landeseigenen Dynastie und hatten innenpolitisch weitgehend freie Hand. Sie besaßen die Hochgerichtsbarkeit und eigenes Militär, doch mußten sie ihr Diadem aus der Hand des Kaisers entgegennehmen und Tribut entrich­ ten. Sie durften Bronzemünzen prägen, aber keine eigene Außenpolitik betreiben. Rom wollte den Frieden nicht aufs Spiel setzen. o. Herodes regierte sein Land, indem er die zuvor bestehenden Gaue (Toparchien) beibehielt und sie königlichen Strategen unterstellte, die zi­ vile und militärische Funktionen vereinten. Der Fortführung der seleukidischen Administration entspricht die Empfänglichkeit des Königs für die hellenistische Kultur. Unter seinen jüdischen, griechisch gebildeten Freun­ den ragt Nikolaos von Damaskus hervor, der gute Beziehungen zu Augu­ stus unterhielt. Diesem schickte er die köstlichen Damaskus-Pflaumen, die Augustus schätzte. Damaskus und die anderen zum herodianischen Herr­ schaftsgebiet zählenden Griechenstädte waren weitgehend autonom und nicht steuerpflichtig. Herodes bezog Einkünfte aus seinem umfangreichen Eigengut in Idumäa und erhob Steuern und Zölle, die durch Pächter einge­ zogen wurden. Die aus dem Neuen Testament bekannten unbeliebten Zöllner gehen auf das im Hellenismus verbreitete System der privatisierten Steuereinnahme zurück, das während der Republik auch in den römischen Provinzen üblich war. p. Judäa nahm einen wirtschaftlichen Aufschwung. Es verbreitete sich ein erkennbarer Wohlstand. Augenfällig wird er in den großen Bauprojek­ ten des Königs. Herodes baute die Festungen Masada und Herodeion, gründete im Jordantal die bald florierende Stadt Phasaelis und westlich von Jerusalem die Stadt Antipatris, bei Samaria die Stadt Sebaste und an der Küste Caesarea Maritima, beide zur Demonstration seiner Loyalität gegenüber Rom nach Caesar Augustus benannt. Caesarea, an der Stelle von Stratons Turm gewissermaßen aus dem Boden gestampft, war eine durch und durch hellenistische Stadt - Josephus (Bellum I 21, 5 ff) be­ schreibt sie - mit Palast, Hafen und Agora, mit Theater und Amphitheater, mit Aquädukt, Statuen, einem prachtvollen Tempel für Augustus und Roma (s. u. 61) und einem außerhalb gelegenen Hippodrom für 20000 Zu­ schauer: Er wird uns im ersten Konflikt zwischen Pilatus und den Juden wieder begegnen.

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Kapitel 2

q. Neben Caesarea wurde Jerusalem großartig ausgebaut. Im Westen der Stadt baute Herodes seinen Palast mit den drei untereinander verbundenen Türmen, benannt nach seinem Bruder, seinem Freunde und seiner Gattin. Josephus (Bellum V 4, 4) bezeugt die beispiellos prunkvolle Ausstattung. Auch für Sicherheit wurde gesorgt. Der König errichtete auf der seit Nehemia befestigten Akropolis nordwestlich vom Tempel eine Festung und benannte sie zu Ehren Marc Antons „Antonia“. Das war natürlich vor Actium, doch hielt sich der Name. Die Burg wurde nach der Eroberung Jeru­ salems 70 n. Chr. von den Römern abgetragen. Bei dieser Gelegenheit er­ fahren wir von Josephus (Bellum V 5, 8), wie sie aussah: ein viereckiger kompakter Bau mit vier Ecktürmen, von einer Mauer umgeben und durch eine Treppe mit den Tempelhallen verbunden. Im Inneren befanden sich Wohnräume für die Besatzung, palastartige Hallen, Höfe und Bäder. Im Mittelalter suchte man hier das Prätorium des Pilatus (s. u. 111). r. Die wichtigste Baumaßnahme war indes die Erneuerung des Jerusale­ mer Tempels. Bis heute sichtbar ist die später so genannte Klagemauer, die gewaltige Böschungsmauer des Tempels, dessen Plateau Herodes vergrö­ ßerte. Nach Josephus (Ant. XV 11) ließ er den bestehenden Tempel abbre­ chen und einen neuen in doppelter Größe errichten. Anläßlich des Neu-

Bild 2. Der Tempel des Herodes von SO (Rekonstruktion von C. Schick). Im Vorder­ grund rechts das Kidrontal mit der Brücke nach Gethsemane und zum Ölberg. Der große Tempelhof („Vorhof der Heiden**) war ringsum von Säulenhallen umgeben, in denen sich Lehrbetrieb und Gebet, aber auch Opferhandel abspielten. In der Mitte des Platzes führten Stufen zu einer etwas höheren Plattform; sie war durch eine nie­ dere Mauer abgeschirmt, an der Warntafeln Heiden das Weitergehen untersagten. Nach Reicke/Rost.

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Die Römer im Osten

Alte Mauerreste in »¡tu

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Archöol. begründete Ergänzungen

Hypothetische Ergänzungen Maueralternativen

Via Dolorosa Anlagen aus späterer Zeit

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Bild 3. Jerusalem in neutestamentlicher Zeit, nach Reicke/Rost. Der Plan enthält auch spätere Zutaten, so die Grabeskirche auf Golgatha, das Goldene Tor und die unvoll­ endete dritte Mauer im Norden, sie wurde durch Herodes Agrippa 141-44 n. Chr. er­ richtet. Südlich des Herodes-Tempels, aber noch im Bezirk desselben, lag der Palast Salomos. Die Akra südlich des Tempels gilt als die Stadt Davids. Das Südtor heißt auch Scherben- oder Misttor.

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Kapitel 2

Mattathias Priester Judas Makkabäus 166-160 Jonathan Hoher Priester 160-143

Simon Hoher Priester 143-134 Johannes Hyrkaons I Hoher Priester 134-104

1 Aristobulos I, König 105-104

Alexander Jannäus °° Alexandra Salome König Königin 103-76 76-67 1 Hyrkan II Ethnarch 67-40

1 Aristobul II Prätendent 67-65 1

1 1 Alexandra °° Alexandras f29 149

Herodes d. Gr. °° Mariamne König f 29 40-4 v. Chr.

Bild 4. Stammbaum der Hasmonäer

1 Antigonos Prätendent 40-37

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baus und bei der Zerstörung im Jahre 70 (s. u. 12 v) liefert Josephus (Bel­ lum V 5) eine so genaue Beschreibung, daß man wie den salomonischen so auch den herodianischen Tempel hat nachmodellieren können. 20 v. Chr. wurde der Bau begonnen, doch kamen die Arbeiten erst unter dem Procurator Albinus um 63 n. Chr. zum Abschluß. Nach Salomon und Kyros er­ richtete Herodes den dritten Tempel. Gemäß orthodox jüdischer Zählung ist dies allerdings erst der zweite Tempel, denn den dritten erbaut erst der Messias (s. u. 10 e). s. Trotz des prachtvollen Neubaus blieb der Tempel ein Zentrum des Widerstandes gegen Herodes. Josephus (Ant. XVII6) berichtet von einem Aufruhr, erregt durch zwei für ihre Frömmigkeit berühmte Schriftge­ lehrte. Sie nahmen Anstoß an einem der Weihgeschenke des Königs, das in Form eines goldenen Adlers über dem Tempeltor angebracht war. Dies wi­ derspreche dem Bilderverbot. Eine Krankheit des Königs nutzend erklär­ ten sie diese für eine himmlische Strafe wegen der begangenen Lästerung. Die Empörer rissen den Adler herunter. Der König aber schickte Militär, die Schuldigen wurden bestraft und der Hohe Priester ausgewechselt. Das Amt blieb in der Hasmonäerfamilie, verlor aber an Bedeutung, ebenso das Synhedrion (s. u. 4 h). Es amtierte weiter, doch wurden widerspenstige Mitglieder hingerichtet, so daß es an Einfluß einbüßte. t. Ein trübes Kapitel bilden die Familienaffären des Herodes. Da die alt­ testamentarische Polygamie dies gestattete, wie Josephus (Bellum I 24, 2) betont, wählte sich Herodes mehrere Frauen nach Schönheit aus. Wir ken­ nen zehn. Jede suchte ihrem Lieblingssohn das Erbe zu sichern. Gift und Dolch, Lüge und Verleumdung, Konspirationen und Hinrichtungen be­ stimmten das letzte Jahrzehnt der Herrschaft, wobei immer wieder Augu­ stus in die Querelen einbezogen und als Richter angerufen wurde. Er soll gesagt haben, lieber wäre er eine Sau als ein Sohn des Herodes. Diese Anspielung auf das jüdische Schweinetabu ist bei Macrobius (IV 2, 11) lateinisch überliefert, doch liegt ihm eine griechisches Wortspiel zwischen hys - Sau und hyios -Sohn zugrunde. Als Herodes im Frühjahr 4 v. Chr. mit fast 70 Jahren starb, endete die zweite kurze Phase jüdischer Eigen­ staatlichkeit bis zur Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948. u. Herodes hatte in seinem dritten Testament das Reich unter drei seiner Söhne geteilt. Während diese mit ihrem jeweiligen Gefolge in Rom sich ge­ genseitig beschuldigten, erschien, wie Josephus (Ant. XVII 11, 2) meldet, eine vierte Gesandtschaft vor dem Kaiser. Der seit 6 v. Chr. amtierende Le­ gat von Syrien, Publius Quinctilius Varus, 9 n. Chr. im Teutoburger Wald gefallen, hatte sie genehmigt. Sie kam vom „Volk“, bestand aus fünfzig Frommen, denen sich in Rom noch über achttausend Mitglieder der dorti­ gen Gemeinde anschlossen. Derartige Massenauftritte waren bei den Ju­ den auch später beliebt (s. u. 10 s) und haben sie in Verruf gebracht. Augu-

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Kapitel 2

Herodes I ■±> 37-4 v. Ch

1. Doris

2. Mariamne I 129 v. Chr.

3. Mariamne II

/ Antipater

Alexander

Aristobul

Herodes

Archelai

Bild 5. Die Familie des Herodes, nach Reicke/Rost. Doppelstriche bedeuten „verheiratet m

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ialthake

Herodes Antipas 4 v.-39 n. Chr.

Salome

5. Kleopatra

Philippus 4 v.-34 n. Chr.

6.-10. Gemahlin

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Kapitel 2

stus empfing sie im neuerbauten Apollontempel auf dem Palatin. Sie baten ihn, die verhaßten Herodianer durch römische Statthalter zu ersetzen. Sie wünschten Aufnahme in den Reichsverband, nur Rom böte Ruhe. Denn gleichzeitig wurde das Land von messianischen Bandenführern heimge­ sucht, die jede irdische Ordnung ablehnten und das Königtum Jahwes wiederherstellen wollten (s. u. 4 q). Augustus indessen akzeptierte das Testament. Archelaos erhielt als Ethnarch, nicht als König, die Hälfte des Reiches: Judäa, Samaria und Idumäa; das alte Philistergebiet um Askalon wurde als Eigentum seiner Tante, der Herodes-Schwester Salome zugesprochen. Sie vermachte es testamenta­ risch der Kaiserin Livia. Herodes Antipas bekam als Tetrarch (Viertelfürst) Galiläa und Peräa, Philippus das Gebiet um die Golan-Höhen, die Gaulanitis östlich vom See Genezareth. Seit 4 v. Chr. zerfiel das Reich des Hero­ des somit in drei von Rom abhängige Fürstentümer. Das Prinzip divide et impera findet sich zwar nirgends in der lateinischen Literatur, desto häufi­ ger aber in der römischen Politik. v. Die drei Söhne des Herodes entwickelten sich unterschiedlich. Philip­ pus regierte friedlich über eine vorwiegend nichtjüdische Bevölkerung. Das erlaubte ihm, Münzen mit Kaiserporträts zu prägen. Wir hören von Städtebauten: Bethsaida/Julias und Panias/Caesarea Philippi. Gegen Ende seines Lebens heiratete er seine Nichte und Großnichte Salome, die um dreißig Jahre jüngere Tochter der Herodias, die nach Matthäus (14, 6 ff) das Haupt von Johannes dem Täufer ertanzt hatte. Philippus starb 34 n. Chr. ohne Kinder, sein Gebiet wurde der Provinz Syrien zugeschlagen. w. Herodes Antipater oder kurz Antipas, das „Ebenbild seines Vaters“, wie der Name nicht zufällig besagt, war mit einer Tochter des Araberkö­ nigs Aretas IV vermählt, verstieß diese aber, als er sich der Herodias, der Frau seines in Rom lebenden Halbbruders Herodes Philippus zuwandte, und wurde in einen Krieg mit seinem Schwiegervater verwickelt (s. u. 12 e). Antipas trat ebenfalls als Bauherr und Städtegründer in Erscheinung. Als Johannes der Täufer gegen seinen Ehebruch predigte, ließ Antipas ihn auf der Festung Machärus östlich des Toten Meeres einkerkern und hinrichten (s. u. 4 s). Nach Lukas (13, 32) stellte er auch Jesus nach; als die Pharisäer ihn vor Antipas warnten, nannte er diesen einen „Fuchs“. Die Teilnahme ah der Wallfahrt zu Passah nach Jerusalem läßt Antipas als frommen Juden erscheinen, seine Rolle im Prozeß Jesu ist dubios (s. u. 10n). 39 n. Chr. be­ warb sich Antipas bei Caligula um den Königstitel, wurde aber von dessen Freund Agrippa I (s. u. 12 g) angeschwärzt und nach Lugdunum/Lyon verbannt. Herodias begleitete ihn freiwillig. Sein Gebiet fiel durch Kaiser­ spruch an Agrippa und kam 44 mit dessen Erbe zur Provinz Judäa. x. Herodes Archelaus, der älteste überlebende Sohn von Herodes dem Großen hatte am wenigsten Glück mit seiner Herrschaft. Er wetteiferte

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mit seinem Vater in Prachtentfaltung, namentlich in seinem Palast zu Jeri­ cho, aber auch in seiner Grausamkeit und seinem zügellosen Privatleben. Die von den Frommen sofort erhobene Forderung, den von Herodes ein­ gesetzten Hohen Priester abzulösen, führte zum Aufruhr. Am Passah-Fest 4 v. Chr. kochte er hoch, Archelaus schickte Reiterei, Josephus (Ant. XVII 9,3) spricht von dreitausend Toten. Während der Ethnarch sich nach Rom begeben hatte, um sich von Augustus bestätigen zu lassen (s. o. 2 u), ver­ suchte der Procurator Sabinus, ein Untergebener des Legaten von Syrien, in Jerusalem sich der Schätze zu bemächtigen, die Herodes testamentarisch für den Kaiser und seine Familie bestimmt hatte. Zu Pfingsten 4 v. Chr. be­ lagerten die jüdischen Wallfahrer den Sabinus in der Burg von Jerusalem, bei den Kämpfen wurden die Säulenhallen um den Tempel zerstört. Al­ lenthalben kam es zu Aufständen gegen die Herodeer und die Römer. Als Judäa sich in eine „wahre Räuberhöhle“ verwandelt hatte (Jos. Ant. XVII 10, 8), erschien Quinctilius Varus aus Syrien. Er besiegte die Empörer, be­ freite Sabinus aus der Antonia und ließ eine Legion als Besatzung zurück. Zweitausend Rebellen wurden gekreuzigt, die Anführer zur Aburteilung nach Rom gesandt, so wiederum Josephus (Bellum II 5, 2 f). Die Schätze, die Herodes dem Kaiser vermacht hatte, übereignete dieser den Söhnen des Königs. y. Bezeichnend für die politische Gärung unter den Juden jener Zeit ist die von Josephus (Ant. XVII12) berichtete Episode vom falschen Alexan­ der. Herodes hatte einen Sohn dieses Namens von Mariamne, den er mit dessen Bruder hatte hinrichten lassen. Nach dem Tode des Königs erhob sich ein Mann, der jenem Alexander glich, behauptete, er sei es, und hatte großen Zulauf; Er fuhr nach Kreta, gewann die dortigen Juden für sich, ebenso die von Melos, erhielt erhebliche Summen und segelte, „wie wenn er schon König wäre“, nach Puteoli. Von den Juden der Stadt glänzend empfangen, begab er sich in einer königlichen Sänfte nach Rom. Auch die dortige Judenschaft fiel ihm zu. Augustus aber bewog ihn zum Geständ­ nis, lachte über die Leichtgläubigkeit der Juden und schickte ihn zur Strafe auf die Ruderbank. z. Archelaus regierte sein Land nur zehn Jahre. Entgegen dem jüdischen Gesetz nahm er die Witwe seines Bruders Alexander zur Frau, wechselte die Hohen Priester nach Gutdünken aus und verübte solche Grausamkei­ ten, daß sich die Juden und die stets mit ihnen verfeindeten Samaritaner zusammentaten und sich bei Augustus über den Ethnarchen beschwerten. Abermals baten sie um Aufnahme ins Römerreich. Archelaus mußte sich vor dem Kaiser verantworten, vermochte sich nicht zu rechtfertigen und wurde in einem ordentlichen Gerichtsverfahren im Jahre 6 n. Chr. zur Ver­ bannung nach Vienne in Gallien verurteilt. Der Bericht des Josephus wird bestätigt durch Strabo (XVI2,46) und Cassius Dio (LV 27,6), dem zu ent-

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Kapitel 2

Bild 6. Palästina zur Zeit Jesu.

nehmen ist, daß sich auch die beiden Brüder des Archelaus, Herodes Anti­ pas und Philippus der Beschwerde anschlossen. Das Vermögen des Verur­ teilten fiel an den Fiskus. Judäa wurde 6 n. Chr. der Provinz Syrien ange­ gliedert, bewahrte aber unter eigenen Präfekten eine gewisse Selbständig­

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keit. Augustus ernannte den Ritter Coponius zum praefectus Judaeae, den Senator und Konsular Publius Sulpicius Quirinius zum „Stellvertreter des Kaisers im Rang eines Prätors für die Provinz Syrien“ - lateinisch: legatus Augusti propraetore provinciae Syriae. Manche Forscher haben angenom­ men, daß Quirinius damals zum zweiten Male Legat in Syrien gewesen sei, doch läßt sich dies nicht überzeugend begründen. Zugunsten einer ordent­ lichen Besteuerung befahl der Kaiser, in Syrien und Judäa eine Volkszäh­ lung durchzuführen (s. u. 3 r). Dies bot Anlaß zu neuen Unruhen. War doch schon die Volkszählung Davids (2. Samuel 24) als Gotteslästerung von Jahwe mit Pestilenz bestraft worden!

3- Römische Provinzialverwaltung

Judengesandtschaft in Rom

Senatsprovinzen

Judäa unter Präfekten Antiochia Beschwerdeinstanz Hinrichtung zu Passah? Religionsstreit: Paphos Öffentliche Ordnung Bürgerzensus Cyrenius-Schätzung Zöllner

Tempelsteuer

Hilfstruppen in Judäa Pax Romana

a. Plinius maior b. c. erste Provinzen d. e. Kaiserprovinzen f. g. Judäa und Syrien h. i. Recht und Gericht jk. Verhaftung des Paulus l. m. dito Korinth n. o. Steuern Pq. Provinzialzensus r. s. Abgaben t. u. Währungen v. w. Legionen in Syrien x. y. Provinzhauptstadt z.

History, in general, only informs us, what bad govemment is. Jefferson

a. In seiner Naturgeschichte behandelt der ältere Plinius die Bewohner im nördlichen Germanien, die sich trotz ihrer trostlosen Lebensumstände einer Eingliederung ins Römische Reich widersetzten. Angesichts der zivi­ lisatorisch aufblühenden Provinzen findet der Autor für das Verhalten der Germanen kein Verständnis. Et hae gentes, si vincantur hodie a populo Ro­ mano, seruire se dicunt! Ita est profecto: multis fortuna parcit in poenam (XVI4) - „Und diese Stämme, wenn sie heute vom römischen Volk besiegt werden, erheben Klage darüber, in die Sklaverei zu geraten! Aber so ist es wahrlich: Viele verschont das Schicksal, um sie zu strafen.“ b. Die Abneigung der Germanen gegen die Herrschaft Roms haben nicht alle Völker der alten Welt geteilt. Nach dem Tode des Herodes 4 v. Chr. hatte die Volkspartei der Juden eine Gesandtschaft nach Rom ge­ schickt mit der Bitte, ihr Land nicht den Söhnen des Herodes zu überlas­ sen (s. o. 2 u). Sie wollten zur Provinz Syrien gehören und baten um einen Statthalter aus Rom. Josephus (Ant. XVII 11, 2) motiviert das mit dem Wunsch nach Befreiung von den Herodianern. Augustus gab dem zu­ nächst nicht statt und überließ Judäa dem Prinzen Archelaus, bis eine er­ neute Abordnung der Juden und der Samaritaner 6 n. Chr. die Absetzung des Fürsten und die Ernennung eines Landpflegers erreichte (s. o. 2 z). Au­ gustus verwandelte damit die Länder Judäa, Samaria und Idumäa mit den bedeutenden Städten Jerusalem, Samaria/Sebaste und Caesarea in eine rö­ mische Provinz. Fälle dieser Art sind selten, zeigen jedoch, daß die römi­ sche Provinzialverwaltung einen guten Ruf genoß. Sie hatte damals schon eine lange Geschichte. c. Begonnen hatte das römische Provinzialsystem mit der Übernahme Siziliens nach dem Sieg über die Karthager 241 v. Chr. Die Insel wurde ge­ mäß Senatsbeschluß einem von der römischen Volksversammlung, den Centuriatscomitien, gewählten Prätor unterstellt, dem Quästoren für die Steuererhebung beigegeben waren. Der Prätor war für je ein Jahr oberster Richter und besaß Polizeigewalt; die Städte hatten unterschiedlichen Rechtsstatus und verwalteten sich selbst. Einige civitates liberae besaßen und behielten bis in die Kaiserzeit die volle Autonomie einschließlich der Hochgerichtsbarkeit, so Rhodos, Chios und Knidos im Osten und Massilia im Westen.

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Nach dem Erwerb Siziliens kamen im Laufe der folgenden Jahre Sardi­ nien mit Korsika, Spanien, Griechenland, Nordafrika, Kleinasien, Südgal­ lien und im Jahre 63 auch Syrien hinzu (s. o. 2 i), so daß die Zahl der Präto­ ren nicht mehr ausreichte. Darum wurden seit Sulla gewesene Prätoren und Consuln, das heißt Proprätoren und Proconsuln, mit oftmals verlän­ gerter Amtszeit herangezogen. Auch darüber befand der Senat. Sofern die Römer die Provinz von einem hellenistischen Herrscher übernahmen, be­ wahrten sie die vorgefundene Verwaltungsstruktur so weit als dienlich und modifizierten sie durch eine lex provincialis, ein Provinzialstatut, das vom jeweils siegreichen Feldherrn und einer Senatskommission entworfen und vom Senat beschlossen wurde. d. In der folgenreichen, von Cassius Dio (LIII2 ff) geschilderten Senats­ sitzung vom 13. Januar 27 v. Chr. legte Octavian seine diktatorischen Voll­ machten als Triumvir nieder. Am 16. Januar erhielt er den Ehrennamen Augustus - der Erhabene, und einen goldenen Ehrenschild, der seine Tu­ genden verzeichnete. Fortan besaß Augustus ein übergeordnetes prokon­ sularisches Imperium und als princeps des Staates die höchste Autorität. Zugleich reformierte er, wie Strabo (XVII 3,25) ausführt, die Provinzi­ alverwaltung. Die alten, befriedeten Provinzen wurden wie zuvor durch einen vom Senat entsandten Promagistrat regiert, und zwar die beiden wichtigeren, Africa und Asia, durch einen Proconsul, die zehn anderen durch einen Proprätor. Diese Senatsprovinzen waren völlig oder weitge­ hend frei von Militär, das Finanzwesen oblag aber auch dort kaiserlichen Prokuratoren. e. Die Grenzprovinzen, in denen Legionen standen, behielt sich der Kai­ ser selber vor, und zwar in seiner Eigenschaft als oberster Feldherr, das heißt als Inhaber des Imperium proconsulare maius. Es waren am Rhein Germanien und Gallien; an der Donau Raetien, Pannonien und Moesien; im Orient Kappadokien und Syrien. Augustus ließ sie durch von ihm er­ nannte Stellvertreter verwalten, die den Titel eines legatus Augusti pro praetore führten, selbst dann, wenn sie, so wie Quirinius in Syrien, schon ein Consulat hinter sich hatten. Die Legaten besaßen in den Kaiserprovin­ zen die höchste militärische und zivile Macht. Wenn sie diese in der Folge­ zeit seltener mißbrauchten, als das in der Republik der Fall war, so darum, weil sie unter den Kaisern von diesen gerichtet wurden. Sie wünschten Ruhe im Lande. Einen Verres, der Sizilien ausgeplündert hatte und von Ci­ cero dafür öffentlich angeprangert wurde. Sie wünschten Ruhe im Lande. Die Provinzen besaßen in den Provinziallandtagen, den concilia provinciarum, ein Organ, bestehend aus den Städtehonoratioren, die sich beim Kai­ ser über Statthalter beschweren durften. Solche Klagen konnten für den Betroffenen - so für Pilatus - böse Folgen haben (s. u. 12b,c). Die Abset­ zung war die mildeste Strafe. Die Länge der Amtszeit wechselte, unter Ti-

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Kapitel 3

berius regierten einzelne Statthalter, wie Tacitus (Annalen VI 39) anmerkt, bis zu 24 Jahren. Sie bezogen ein festes Gehalt und besaßen einen Kreis von Beratern oder Assessoren (consilium). f. Judäa ist indessen weder zu den senatorischen noch zu den kaiserli­ chen Provinzen im beschriebenen Sinne zu rechnen. Denn neben den durch Proconsuln und den durch Legaten verwalteten Ländern gab es eine dritte Kategorie von Provinzen, die unter Präfekten standen. Präfekten und Procuratoren gehörten nicht, wie die Legaten, zum senatorischen Amtsadel, sondern dem darunter stehenden ordo equester an, dem Ritter­ stand. In der Centurienordnung der Republik zählten zu ihm alle Bürger, die sich im Kriegsfall ein Pferd leisten konnten, später formalisiert auf ein Vermögen von 400 000 Sesterzen. Seit der späten Republik bildeten sie die reiche plebejische Oberschicht, die nicht die Senatslaufbahn einschlug. Die Gracchen besetzten mit ihnen die Gerichtshöfe, die über Statthalter urteil­ ten. Augustus schuf für den Reichsdienst eine ritterliche Ämterlaufbahn: die im finanziellen Bereich eingesetzten Procuratoren und die im Heere die­ nenden Präfekten, an der Spitze derpraefectus praetorio und der praefectus Aegypti. Sehen wir ab von dem Sonderfall Ägypten, wo der mächtige prae­ fectus Aegypti den als fernen Pharao betrachteten Kaiser vertrat, handelt es sich bei den von Rittern regierten Provinzen um kleinere Länder wie die beiden Mauretanien, Raetien, Noricum und Thrakien, deren Statthalter unter Nero, wie Tacitus (Historien 111) anmerkt, Procuratoren hießen. Zu diesen von „Präsidialprokuratoren“ (Hirschfeld) verwalteten Provinzen zählten weiterhin die drei Alpenprovinzen, sodann Epirus und Korsika und seit 6 n. Chr. eben auch Judäa. g. Diese kleineren Provinzen waren wegen ihrer schwachen militäri­ schen Besatzung abhängig vom Legaten der nächstgelegenen Provinz mit Legionen. Dies gilt auch für Judäa, das, wie Josephus (Ant. XVIII 1, 1) schreibt, „mit Syrien verbunden war“. Die Kompetenzverteilung ist nicht ganz deutlich. Vermutlich wurde sie pragmatisch geregelt: alle Aufgaben in Judäa, für die der Präfekt in Caesarea zu schwach war, oblagen dem Lega­ ten in Antiochia. Dies gilt namentlich für Aufträge, die auf örtlichen Wi­ derstand stießen. Dazu zählen die Schatzung des Quirinius und die Aus­ wechslung des Hohen Priesters 6 n. Chr. (s. u. 4 g), weiterhin die dem Petronius 39 n. Chr. übertragene Aufstellung der Caligula-Statuen im Tem­ pel (s. u. 12 h), die von Marsus 43 n. Chr. verhinderte Mauerverstärkung in Jerusalem (s. u. 12 k) und der militärische Eingriff bei der Erhebung der Ju­ den 66 n. Chr. (s. u. 12 s). In all diesen Fällen wurde der syrische Legat in Judäa tätig. h. Der Legat von Syrien war darüber hinaus zugleich Beschwerde-In­ stanz gegen den Statthalter Judäas, wie die Anklage gegen Pilatus bei Vitel-

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lius durch die Juden 36 n. Chr. (s. u. 12 b) und die gegen den Procurator Cumanus bei dem Legaten Ummidius Quadratus 51 n. Chr. durch die Sa­ maritaner (s. u. 12 n) dartun. Daneben stand den Notabein der Provinz na­ türlich stets der Weg zum Kaiser offen, wenn es Grund zur Klage gab. Bei­ spiel für eine solche Beschwerde-Gesandtschaft war die der Juden Alexan­ drias nach den dortigen Ausschreitungen 38 n. Chr. (s. u. 12 g). Die durch den Legaten Syriens mediatisierte Stellung des Statthalters von Judäa war kein Einzelfall, die nächste Parallele bietet die Dreiteilung von Dakien 158 n. Chr., als die Procuratoren der Teilprovinzen den Legaten konsulari­ schen Ranges unterstellt wurden. i. Senatorische Proconsuln, kaiserliche Legaten und ritterliche Präfekten oder Procuratoren werden in ihrer Eigenschaft als Provinzialgouverneure im Lateinischen übergreifend als praeses (Vorsteher), im Deutschen allge­ mein als „Statthalter“ bezeichnet. Luther verwendet den Begriff „Land­ pfleger“ sowohl für den Legaten in Syrien als auch für den Proconsul in Judäa. Die wichtigste Aufgabe der Statthalter war die Rechtspflege, daher hießen sie umgangssprachlich in der späteren Kaiserzeit vielfach iudex. Josephus (Ant. XVIII 1,1) tituliert den Legaten Quirinius, der die Schatzung vornahm (s. u. 3 r), dikaiodotês, Rechtspfleger. Zur Wahrung der Rechts­ ordnung unternahmen die Statthalter nach einem festen Turnus Inspek­ tionsreisen durch die Städte ihrer Provinz und hielten Convente ab, auf denen die streitenden Parteien ihre Sorgen vortrugen. Bei der Entschei­ dung stützte sich der Statthalter auf ein consilium von Ratgebern (assessores et comités), unter denen auch einheimische Honoratioren waren. Für Routinefälle konnte der Präses Stellvertreter (legati) ernennen. Kapitalprozesse durfte allein der Statthalter entscheiden, nur er besaß das Recht über Leben und Tod der Provinzialen, auch das ius gladii über Bürger, das mit dem imperium, der Blutgewalt, verbunden war. Selbstver­ ständlich ist dies für Proconsuln und Legaten, eigens vermerkt wird es für Präfekten und Präsidialprocuratoren. Für den ersten Statthalter Judäas Coponius bezeugt Josephus das Recht, die Todesstrafe zu verhängen, die exousia tou kteinein (Ant. XVIII 1,1), das Recht, das Eisen zu führen, die exousia sidêrou (Bellum II 8, 1). Belegt ist das ebenso für den procurator provinciae Raetiae (Dessau 9200) und den der poeninischen Alpen um den Großen Sankt Bernhard (Dessau 1368). Zutreffend ist daher bei Johannes (18, 31) die Antwort der Juden an Pilatus: „Wir dürfen niemand töten“. Die von Lietzmann 1931 angeführten Gegenbeispiele können die Regel nicht entkräften. Die Steinigung des Stephanus erfolgte vermutlich kurz nach der Absetzung des Pilatus (s. u. 12 d), sie hätte vom Nachfolger ge­ ahndet werden müssen, doch haben, anders als umgekehrt, die Christen offenbar nie vor dem römischen Richter Klage gegen Juden erhoben, und wo kein Kläger ist, da ist eben auch kein Richter. Die Steinigung des Her­

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renbruders Jakobus 62 n. Chr. (s. u. 12 q) fiel in die Sedisvakanz und führte immerhin dazu, daß der dafür verantwortliche Hohe Priester Ananus auf römisches Verlangen durch König Agrippa II abgesetzt wurde, wie Josephus (Ant. XX 9,1) berichtet. Blutrecht war im ganzen Reich Römersache. Dies galt auch - trotz Josephus - für unbefugtes Betreten des Tempelbe­ zirks (s. u. 12 p). Wenn Ehebrecherinnen gesteinigt wurden (Joh. 8,3 ff), so war das Lynchjustiz (s. u. 12 c). Sie begründet kein Recht. j. Der Verzicht der Juden darauf, Jesus selbst zu richten, ist von einzel­ nen Kirchenvätern, so von Johannes Chrysostomos (PG. 59, S. 452) und Augustinus in einem Traktat über das Johannes-Evangelium (114, 4) auf die Festzeit zu Passah bezogen worden. Die Juden hätten gesagt, sie dürf­ ten niemanden töten wegen der Heiligkeit des Tages (propter diei festi sanctitatem). Der Festesfrieden aber kann der Grund für ihre Zurückhal­ tung nicht gewesen sein, denn man hätte ja nach der Gefangennahme mit der Hinrichtung warten können, bis das Fest vorbei war. Die Bemerkung der Kirchenväter ergibt sich vermutlich aus ihrem Wissen darum, daß die Juden unberechtigt Todesstrafen vollzogen haben. k. Bezeichnend für die Rechtslage ist die Verhaftung des Paulus, wahr­ scheinlich im Jahre 58 n. Chr. Der Apostel brachte den Griechen Trophimus aus Ephesus mit in den Tempelbezirk, was bei Todesstrafe verboten war, und erregte damit einen Aufruhr. Wenn sich die Wut der Juden nun gegen Paulus richtete, so ist dies aus der Tendenz der Apostelgeschichte (21, 26 ff) zu erklären, denn schuldig war Trophimus, über den weiter nichts verlautet. Die Juden legten Hand an Paulus, schleppten ihn aus dem Tempel und wollten ihn töten. „Da kam das Geschrei hinauf vor den ober­ sten Hauptmann der Schar“, die in der Antonia lag. Der Chiliarch, das heißt der Militärtribun, erscheint, legt Paulus in Ketten und läßt ihn über die Treppe in die Festung hinaufbringen. Hier verhört er ihn und seine An­ kläger und schickt ihn dann nach Caesarea vor den Landpfleger Felix. Nach dessen Ablösung durch Festus vernahm dieser den Apostel, gab ihn aber mit Blick auf die Juden nicht frei. Er hörte, gemeinsam mit Herodes Agrippa II die Geschichte des Paulus und sandte ihn, da er das römische Bürgerrecht besaß, zum Kaiser nach Rom (s. u. 12 p). Im Unterschied zur Blutgerichtsbarkeit blieben das niedere Strafrecht und die Zivilsachen bei den örtlichen Behörden, sie wurden nach heimi­ schem Recht entschieden. Dazu zählten auch Körperstrafen wie Geiße­ lung, die in Judäa vor den Synagogen durchgeführt wurden - so Matthäus (10, 17; 23, 34) und Lukas (12, 11). Vor seiner Bekehrung stäupte Paulus die Christen „in den Schulen hin und her“ (Apg. 22,19) und wurde später selbst fünf Mal von den Juden ausgepeischt (2. Kor. 11, 24). Unangetastet blieb die Selbstverwaltung der Städte. Bauten, Finanzen und Wahl der Ma­ gistrate waren wie zuvor den Bürgern überlassen, soweit keine romfeindli-

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chen Kräfte in die Ämter drängten. Einen Sonderstatus besaßen Städte, die in einem eigenen Vertragsverhältnis zu Rom standen. l. Mitunter wurden die Provinzialgouverneure in religiöse Streitigkeiten hineingezogen. Über den Umgang damit unterrichten uns zwei Begeben­ heiten aus der Apostelgeschichte. Als Paulus auf seiner Missionsreise durch Cypern nach Paphos kam, rief ihn der dortige Proconsul Lucius Sergius Paulus, den wir inschriftlich in Rom nachweisen können (Dessau 5926), „um das Wort Gottes zu hören“ (Apg. 13,6 ff). Der Statthalter aber hatte schon einen geistlichen Berater, den jüdischen „Zauberer und fal­ schen Propheten“ namens Elymas Bar Jesus. Mit ihm geriet der Apostel in Streit und gewann, indem er seinen Gegner, das „Kind des Teufels“ mit Blindheit schlug. Der Landvogt sei daraufhin gläubig geworden. Das ist wohl Legende. Historisch ist zweifellos das Interesse des Senators an jüdi­ scher Religion und sein Verzicht darauf, in den jüdisch-christlichen Streit einzugreifen. m. Die zweite Konfrontation ereignete sich später in Korinth, der Hauptstadt der Provinz. Als Proconsul von Achäa, das heißt als Statthalter in Griechenland, amtierte 52/53 n. Chr. Lucius Junius Gallio, der von dem Rhetor Junius Gallio adoptierte Bruder des Philosophen Seneca. Auch ihn können wir epigraphisch identifizieren, sein Name steht auf einer griechi­ schen Inschrift aus Delphi, in der ihn Kaiser Claudius „meinen Freund“ nennt (SIG. 801). Als Paulus in Korinth war und dort in der Synagoge pre­ digte, empörten sich die Juden und verklagten ihn vor dem Richterstuhl des Gallio (Apg. 18, 12 ff). Dieser aber entgegnete: „Wenn es sich um ein Verbrechen handelte, dann hörte ich euch wohl. Da es aber um eure Lehre und um Personen geht, so regelt ihr das unter euch. Ich will darüber nicht Richter sein.“ Er wies die Juden ab; sie ergriffen daraufhin Sosthenes, den Vorsteher der Synagoge, und prügelten ihn. Gallio aber kümmerte sich darum nicht. Der Fall ist insofern bemerkenswert, als er eine gewisse Par­ allele zur Anklage Jesu vor Pilatus darstellt, der freilich in dem Streit mehr als eine religiöse Auseinandersetzung sah (s. u. 10 h). n. Über die Schlichtung von Streitfällen hinaus hatte der Statthalter al­ lenthalben nach dem Rechten zu sehen und die öffentliche Ordnung zu bewahren: Er solle die landesüblichen Feiertage halten, solle die heiligen und weltlichen Bauten besichtigen, ob sie etwa Schäden an Mauern und Dächern aufwiesen, ob steckengebliebene Bauvorhaben gefördert werden müßten, soweit es die örtlichen Finanzen erlaubten - dies wird uns bei dem Wasserleitungsprojekt des Pilatus in Erinnerung kommen (s. u. 6 v) -, er solle geeignete Aufseher ernennen und ihnen gegebenenfalls militäri­ schen Beistand zuteil werden lassen und alle Aufgaben wahrnehmen, die in der Stadt Rom auf verschiedene Behörden verteilt seien. Außergerichtlich solle der Statthalter dafür sorgen, daß Eltern und Patrone Respekt genös-

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sen, daß sich niemand unerlaubte Rechte anmaße, daß jeder einen Rechts­ beistand fände, zumal Frauen, Waisen sowie körperlich und geistig Behin­ derte (debiles et qui suae mentis non sunt). Und finde sich kein Bittsteller, dann möge der Statthalter ungebeten freigiebig sein. So steht es in den Di­ gesten des Corpus Juris Civilis (I 16,7 ff). o. Nun zum Steuerwesen! Für antikes Denken war Bürgerrecht mit re­ gelmäßigen persönlichen Steuern kaum vereinbar. Der Bürger diente sei­ nem Staat mit seinem Blut im Kriege, mit seiner Zeit im Frieden - nicht aber mit seinem Gelde, so wie er auch umgekehrt sich seine Dienste für den Staat nicht bezahlen ließ. Dies war so in Sparta, in Athen und allen freien demokratischen Poleis der Griechen. Die wichtigsten Staatsein­ künfte im republikanischen Gemeinwesen Roms waren die Erträge (vectigal) des verpachteten Staatslandes unter Einschluß von Wald und Weide, die Abgaben (tributum) der Provinzen und die indirekten Steuern wie Marktgebühren, Hafen-, Tor- und Brückenzölle (portorium). Wie Plinius (NH. XXXIII 56) bezeugt „ entfielen Kriegssteuern in Rom seit dem er­ tragreichen Sieg über den Makedonenkönig Perseus 168 v. Chr. p. Regelmäßige persönliche Steuern erhoben nur Könige von ihren Un­ tertanen und Sieger von den Unterworfenen. In ihren östlichen Provinzen hatten die Römer mithin einen doppelten Grund, Steuern zu erheben, ei­ nerseits als die Sieger, andererseits als die Nachfolger der Könige. Grund­ lage für die Steuerfassung war eine Volkszählung der Provinzialen, wohl zu unterscheiden von dem römischen Bürgerzensus, der grundsätzlich alle fünf Jahre, in jedem lustrum, von den Censoren durchgeführt wurde und nur für die Schätzung der Wehrfähigen bedeutsam war. Da Heer und Volksversammlung nach Vermögensklassen gegliedert waren, wurde auch bei Bürgern der Besitz verzeichnet. Augustus hat gemäß seinem Tatenbe­ richt (II 8) dreimal die Bürger gezählt, 28 und 8 v. Chr. sowie 14 n. Chr. (censum egi). Das erste Mal waren es 4063000, das letzte Mal 4937000 wehrfähige Männer. q. Eine Volkszählung in den Provinzen diente der Steuerschätzung und fand statt bei der Einrichtung und später unregelmäßig nach Bedarf. Nach der Absetzung des Archelaus im Jahre 6 n. Chr. übertrug Augustus dem Legaten in Syrien Publius Sulpicius Quirinius die Volkszählung, offenbar nicht nur in dem neugewonnenen Gebiet, sondern ebenso in Syrien. Es gibt eine Grabinschrift für einen römischen Ritter, der unter seinen militä­ rischen Leistungen erwähnt, auf Geheiß des Quirinius die Bürger der syri­ schen Stadt Apamea gezählt zu haben (censum egi) und gibt uns deren Zahl: 117000 (Dessau 2683). Unter den dort genannten homines cives wa­ ren vermutlich auch Frauen erfaßt: Ulpian nennt in den Digesten des Cor­ pus Iuris (L 15, 3) für Syrien Männer vom 14. bis 65. Jahr, Frauen vom 12. bis 65. Jahr. Die Juden in Jerusalem ließen sich dies, wie Josephus (Ant.

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XVIII 1,1) erzählt, nach anfänglichem Widerstand gefallen. Ernsthafte Unruhen gab es damals auf dem Lande, wo Judas aus Gamala das Volk auf­ rief (s. u 8 m). r. Die Erinnerung an die ungewohnte Quirinius-Schätzung 6 n. Chr. ist so lebendig geblieben, daß Lukas (2,1 f) sie mit der Geburt Jesu in Verbin­ dung gebracht hat. „Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzt würde. Und diese Schät­ zung war die allererste und geschah zur Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war“. Es ist längst gesehen worden, daß es eine reichsweite Volks­ zählung nie gegeben hat, daß vielmehr der Evangelist das Provinzialge­ schehen universalisiert, um die Bedeutung der Geburt Jesu zu erhöhen. Lukas ignoriert die Chronologie und verwendet die Schätzung als Grund für die Wanderung der Eltern Jesu nach Bethlehem, die als messianische Legende erkannt worden ist (s. u. 9j). s. Sehen wir ab von den Einnahmen des Kaisers aus seinen umfangrei­ chen Domänen und aus der Verpachtung von Krongut, so sind bei den Provinzialen vier Arten von Abgaben zu unterscheiden: die Kopfsteuer (tributum capitis), die Bodensteuer (tributum soll), die indirekten Steuern der Zölle an Brücken, Toren und Häfen, darunter die Salzabgabe, die Frei­ lassungsgebühr für Sklaven, die diese mit dem Freilassungspreis üblicher­ weise selbst erwirtschaftet hatten, und schließlich die außerordentlichen Abgaben wie das Kranzgold (aurum coronarium) beim Herrscherwechsel oder zum Herrschaftsjubiläum, bei dem die Soldaten beschenkt wurden. t. In der Höhe der ordentlichen Steuern haben die Römer sich gewöhn­ lich an den vorgefundenen Sätzen orientiert. Bisweilen blieben sie sogar bewußt dahinter zurück - so nach der Unterwerfung Makedoniens. Gleichfalls haben sie in der Form der Eintreibung gern bestehende Tradi­ tionen fortgesetzt. Das hellenistische System der Steuerpächter blieb zu­ nächst erhalten. Der zu erwartende Ertrag wurde geschätzt, und gegen Vorkasse erhielt diejenige Gesellschaft von Steuerpächtern den Zuschlag, die das höchste Gebot machte. Sie konnte die Steuerpflicht der Provinzia­ len nicht erhöhen, sich aber durch gründliche Ausschöpfung der geschul­ deten Summen bereichern. Daß die örtlichen Eintreiber der publicani, die Zöllner, griechisch teldnai, im Neuen Testament in einem Atemzug mit den Sündern genannt werden - so bei Matthäus (11,19) und Lukas (7, 34) - bezeugt ihre Verhaßtheit bei den Juden. u. Die Abgaben wurden in der frühen Kaiserzeit in Bargeld erhoben, im Osten gab es Geldwirtschaft seit der Achämenidenzeit,das heißt seit dem 5. Jahrhundert v. Chr., und wurde unter Alexander gängig. Die zuvor übli­ chen, in den Schriften des Alten Testaments erwähnten Schekel sind ur­ sprünglich Hacksilber, nach Gewicht gemessenes ungeprägtes Edelmetall in Barren-, Ring- oder Zungenform. Zur Zeit des Pilatus kursierten im

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Osten Münzen dreier Währungen. Bronzenes Kleingeld (lepta) prägte der Statthalter (s. u. 5n), es war für die Marktgeschäfte bestimmt. Dieser Münztypus ist vermutlich mit dem „letzten Heller“ oder „Pfennig“ und dem „Scherflein der Witwe“ bei Lukas (12, 59; 21, 2) gemeint. Für die Entlohnung der Soldaten, die Steuereinziehung und für größere Geschäfte verwendete man römische Silberdenare. Sie werden in den Evangelien genannt, so im Gleichnis vom Schalksknecht bei Matthäus (18, 28). Gewiß handelt es sich bei den dreißig Silberlingen (argyria) des Judas­ lohnes bei Matthäus (26, 15) ebenfalls um Denare. Sicher ist dies der Fall im Gleichnis vom Zinsgroschen: Auf die Frage, ob man Steuern zahlen solle, läßt sich Jesus einen denarion reichen (s. u. 10w). Die Erwähnung von Stateren, Drachmen und Doppeldrachmen bezieht sich auf hellenisti­ sche Münzen, die noch umliefen, aber nicht mehr neu geprägt wurden. v. Dies gilt ebenso für die in der phönikischen Stadt Tyros geschlagenen Doppel- und Tetradrachmen, in denen die Tempelsteuer entrichtet werden mußte. Sie waren noch großer Zahl im Umlauf. Zur Tempelsteuer waren alle männlichen Israeliten vom 20. Jahr an verpflichtet. Wer die geforderte Doppeldrachme nicht mitbrachte, konnte sie bei den Wechslern im Vorhof des Tempels kaufen. Erstaunlich ist, daß die Juden diese Münze akzeptier­ ten, obschon sie das Bild des Herakles-Melkart zierte. Auch Jesus zahlte die Tempelsteuer, wie das Fischwunder bei Matthäus (17, 24 ff) bezeugt. Dennoch schien ihm die Profitsucht der Wechsler mit wahrer Frömmig­ keit unvereinbar. Das demonstrierte er, indem er gemäß der Überlieferung (Mt. 21,12 f) die Wechslertische vor dem Tempel umwarf. Zu den mit dem Messias verbundenen Erwartungen gehörte das Ende der Steuerpflicht. Wenn Jesus mehrfach nahegelegt, ja nachgesagt wurde - so im Verhör vor dem Hohen Priester bei Lukas (23, 2) - Steuerverweigerung zu predigen, so wäre das nach römischem Recht Hochverrat gewesen. Dies aber wies Jesus von sich. w. Neben den Aufgaben in Recht, Verwaltung und Steuerwesen hatte ein Statthalter auch militärische Pflichten zu erfüllen. Gemäß seiner Lauf­ bahn als Präfekt war dies für Pilatus sein eigentliches Metier. In einem so unruhigen Lande wie Judäa war mit friedlichen Mitteln allein nicht zu re­ gieren. Dazu benötigte man Soldaten. Stolz und Stärke Roms waren seine Legionen. Sie waren aus Bürgern gebildet, die ursprünglich nur ihrer Wehrpflicht genügen mußten. Bereits in den letzten Jahren der Republik indessen hatte sich ein stehendes Heer herausgebildet. Es umfaßte nur ei­ nen kleinen Teil der Wehrpflichtigen, rekrutierte sich aus Freiwilligen, die unter Augustus 20 Jahre dienten, besoldet wurden und bei ihrer Entlas­ sung als Veteranen eine Abfindung in Geld oder Land erhielten. Die be­ deutendste Veteranenkolonie im syrischen Raum war Berytos/Beirut, hier wurde bis in die Spätantike Latein gesprochen.

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Die namentlich durch die Parther bedrohte Ostgrenze wurde in der Zeit des Augustus bewacht durch drei Legionen: die dritte „Gallica“, die galli­ sche, die sechste „Ferrata“, die eiserne, und die zehnte „Fretensis“, die sich 36 v. Chr. an der Straße von Messina (Fretum Siculum) im Kampf für Octavian gegen Sextus Pompeius ausgezeichnet hatte. Unter Tiberius kam noch die zwölfte „Fulminata“, die „Blitzlegion“ hinzu. Diese Truppen mit einer Sollstärke von zuletzt insgesamt 21600 Mann, ergänzt um Hilfstruppen in etwa denselben Größenordnung unterstanden dem Legaten der Provinz Syrien, dem damit mächtigsten Mann im Osten. In den ersten Jahren, die Pilatus in Judäa regierte, war der Statthalterposten in Syrien vakant - ob ihn das beunruhigt hat? x. Pilatus hatte keine Legionäre unter seinen Truppen, sondern lediglich Auxiliareinheiten: eine berittene Schwadron in doppelter Stärke zu tau­ send Mann, die aus Inschriften bekannte erste ala gemina Sebastenorum (Dessau 2738) und fünf Kohorten zu 500 Mann, von denen eine in Jerusa­ lem lag, insgesamt also etwa 3000 Mann. Die Hilfstruppen waren ur­ sprünglich leicht bewaffnet, wurden aber seit Augustus ebenso gerüstet wie die Legionäre. Sie bezogen weniger Sold, mußten 25 Jahre dienen und rekrutierten sich normalerweise aus dem Umland ihres Standortes. Sie lernten Latein als Kommandosprache und erhielten bei der Verabschie­ dung das begehrte römische Bürgerrecht, wurden damit cives Romani. Da sich die civitas Romana vererbte, förderte der Dienst in den Auxiliartruppen die Romanisierung. Die Hilfstruppen der Gouverneure im Gebiet des Herodes bestanden vermutlich zunächst überwiegend aus Kriegern dieses Königs und ergänz­ ten sich später aus Syrien (Josephus, Bellum II13, 7) oder aus Samaria/Sebaste, Caesarea und den nichtjüdischen Landeskindern (Josephus, Ant. XX 8, 7). Die Juden hatte Caesar vom Wehrdienst befreit, wie Josephus (Ant. XIV 10,6) stolz vermerkt. Die Inschriftenfunde bestätigen dies; alae oder cohortes Judaeorum werden nirgends genannt. Die mosaischen Sitten waren mit dem römischen Soldatenleben nicht vereinbar: Sabbatruhe, Speisetabus und Bilderfeindlichkeit mußten zu Reibereien führen. Dieses im Reich beispiellose Privileg hatte allerdings zur Folge, daß die Juden sich nicht, wie alle anderen Völker Roms, mit dem Römertum identifizierten, zumal es wieder und wieder Zusammenstöße zwischen Juden und den Sol­ daten im Lande gab. Die sonst allenthalben zu beobachtende Romanisie­ rung über den Wehrdienst fand in Judäa nicht statt. y. Die Gouverneure residierten die meiste Zeit in der Hauptstadt ihrer Provinz. Dies war gewöhnlich die größte und prächtigste, besonders ver­ kehrsgünstig gelegene Stadt. In den griechischen Quellen trägt sie den Ti­ tel metropolis -Mutterstadt, in den lateinischen heißt sie caput provinciae. In Judäa war das Caesarea Maritima, wie Tacitus (Historien II 78), Jose-

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phus (Ant. XV 9, 6) und die Apostelgeschichte (23, 23 ff; 25, 1 ff) bezeu­ gen. Caesarea war eine moderne Hafenstadt, von Herodes aufwendig aus­ gebaut (s. o. 2 p). Sein Palast, 24 v. Chr. errichtet, diente später dem Statt­ halter als Amtssitz: In der Apostelgeschichte (23, 35) heißt es, Paulus sei vom Procurator Felix im praetorium des Herodes verwahrt worden. Daß Caesarea der alten Königsstadtjerusalem vorgezogen wurde, hatte teils re­ ligionsgeschichtliche, teils praktische Gründe. Während der Wallfahrtsfe­ ste war Jerusalem überfüllt, und sie lag fern vom Meer, abseits der Ver­ kehrswege. Aus ähnlichen Motiven bevorzugte die römische Verwaltung auch sonst die günstige Lage gegenüber der ruhmvollen Tradition: Alexan­ dria gegenüber Memphis, Korinth gegenüber Athen, Thessalonike gegen­ über Pella. Rom setzte auf Zukunft. z. Die römische Reichsverwaltung hatte, wie die Fälle von Korruption und Brutalität nicht zuletzt in Judäa beweisen (s. u. 12 r), massive Mängel. Dennoch gab sich Tiberius bei der Auswahl seiner Statthalter große Mühe, wirkte der Ausbeutung entgegen und zog die angeklagten Statthalter zur Rechenschaft, wieTacitus (Annalen III66 f; IV 6; 15) berichtet. „Ein guter Hirte schert seine Schafe, er schindet sie nicht“, schrieb er an seine Statt­ halter (Sueton, Tib. 32). So war die römische Provinzialverwaltung im gan­ zen segensreicher als die antike Administration im allgemeinen. Dafür spricht nicht nur das Bild der kaiserzeitlichen Städte mit ihren gepflaster­ ten und kanalisierten Straßen, ihren Brücken und Bädern, mit ihren Tem­ peln und Theatern, Säulen und Statuen. Das bezeugen auch zahlreiche Stimmen der Zeit, gerade aus nichtrömischem Munde, denken wir an die Griechen Dio Chrysostomus (41, 9) aus Prusa, der die politische Gleich­ behandlung der Völker rühmt, an Plutarch aus Chaironeia, der Rom als Heimat Fortunas mit dem Füllhorn preist (Moralia 318 A) und als Hort des Friedens, des Wohlstands und der Freiheit rühmt, wäre doch mehr Freiheit den Völkern selbst nicht zuträglich (Moralia 824 C). Dahin zielt auch die Romrede des Griechen Aelius Aristides aus Pergamon (Oratio 26). Er betete zu den Göttern, daß dieses Reich ewig bestehen möge, eine Bitte die wohl ebenso unbescheiden klingt wie die Hoffnung auf den Messias, aber uns eher nachvollziehbar ist.

4- Religionen

Monotheismus

Lebensregeln

Opfer Sanhedrin Passah

Pharisäer Essener

Therapeuten Christen?

Samaritaner Beelzebub, Saun, Teufel Römer

in Judäa

a. Religiosität der Juden b. c. Thora d. e. Tempel in Jerusalem f. g. Priester h. i. Wallfahrt j. k. Philosophenschulen 1. m. Sadduzäer n. o. Qumran Pq. Zeloten r. s. Johannes der Täufer t. u. Kanaanäer, Philister V. w. Griechen X.

y. Übersetzbarkeit der Götternamen Kaiserkult z.

In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen Ev. Johannis

a. Polybios, der Geschichtsschreiber der Punischen Kriege, hatte erklärt, was die Römer auszeichne, sei ihre Gottesfurcht (VI 56, 6 f); Religion be­ stimme ihr Leben, Denken und Handeln. Cicero bemerkte in seiner Rede über die Antwort der haruspices 56 v. Chr. (9/19) dazu: Weil die Römer sich durch pietas und religio auszeichneten und erkannt hätten, daß alles durch göttlichen Willen bewirkt werde, hätten sie den Vorrang vor allen Völkern. Entsprechendes wird man für das Selbstverständis der Juden be­ haupten dürfen, indes mit dem Unterschied, daß sich die Feststellung des Polybios aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus für die Römer der Zeit Ciceros kaum noch aufrecht erhalten ließ, während sie für die Juden durch die Zeiten hin gültig ist. Die bei Griechen wie Römern zu beobach­ tende Tendenz zur Säkularisierung ist zwar auch bei den Juden erkennbar, betrifft bei ihnen indes nur einen Teil der Oberschicht. In der Landbevöl­ kerung und in der Diaspora bewahrten sie die überlieferten Ansichten und Bräuche, ein Abflauen der Religiosität ist nicht zu erkennen. Welches Volk hat sich je so ausschließlich über die Religion identifiziert? b. Die Religion der Juden in der Antike ist durch drei Elemente gekenn­ zeichnet: durch den Monotheismus, das mosaische Gesetz und den Tem­ pelkult in Jerusalem. Die Vorstellung, daß es nur einen Gott gebe, der ewig und allmächtig ist, hat sich nur langsam herausgeschält. „Jahwe“ hieß wahrscheinlich der Stammesgott der nach Kain genannten Keniter in Midian, zu denen die Frau von Moses gehörte. „Jahwe“ wurde zum Namen Gottes der Väter. Das erste Gebot „Ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir“, verbietet den Israeliten, die Göt­ ter anderer Völker zu verehren, wie solches im Altertum durchaus üblich und statthaft war. Im Laufe der Zeit stieg Jahwe auf zum Gott der Götter, die in den Rang von Völkerengeln absanken. Bei Amos, um 750 v. Chr., ist Jahwe sodann der Herr aller Völker, auch wenn diese selbst das nicht wis­ sen. Aus der Verehrung eines einzigen Gottes, der Monolatrie, wurde ein Henotheismus, der den eigenen Gott als den höchsten ansah. Daß die Göt­ ter der anderen Völker ebenfalls Götter seien, wurde erst spät bestritten: „Siehe, sie sind alle nichts, und nichtig sind ihre Werke; ihre Götzen sind leerer Wind“, so Deutero-Jesaja (41, 29) um 550 v. Chr. Seit der Zeit Jesu gelten die fremden Götter als Dämonen und Trabanten des Teufels (s. u.

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4v). Im Gegensatz zu allen anderen antiken Völkern stellten die Juden ih­ ren Gott nicht bildlich dar und scheuten sich, seinen Namen auszuspre­ chen. In modernen wissenschaftlichen Texten englischsprachiger Juden findet sich für das Wort God die Schreibweise G-d. c. Einzigartig in der Antike war zudem die schriftliche Überlieferung des Religionsgesetzes. Das mit dem Namen von Moses verbundene „Fünf­ buch“, der Pentateuch (eigentlich „die“, he pentateuchos biblos) oder die Thora beschreibt die mythische Frühzeit von der Schöpfung bis zum Tode von Moses und regelt das religiöse, soziale und rechtliche Leben der Juden in minutiösen Einzelbestimmungen. Die älteren Teile der Sammlung wer­ den zweien, nach der Verwendung des Gottesnamens unterschiedenen Autoren zugewiesen, dem Jahwisten, der im 9. Jahrhundert im Südreich Juda schrieb, und dem Elohisten, der im 8. Jahrhundert im Nordreich Is­ rael lebte. Die Schlußredaktion erfolgte durch Esra den Schreiber unter den Persern, nach Julius Wellhausen (1876) wahrscheinlich 444 v. Chr. d. Die drei für den antiken Beobachter auffälligsten mosaischen Lebens­ regeln waren die Beschneidung, die Sabbatruhe und die Speisevorschrif­ ten. Die Beschneidung, die auch die Ägypter übten, galt als Bundeszeichen (2. Mose 12, 48). Vorhäute besiegter Feinde dienten als Trophäen wie Skalpe bei den Irokesen; David lieferte zweihundert Vorhäute von Phili­ stern an Saul, um dessen Tochter Michal zur Frau zu gewinnen (2. Samuel 3, 14). Das Sabbatgebot entspricht der Unterscheidung zwischen Glücks­ und Unglückstagen im Kalender auch anderer Völker. In Rom unterschied man dies fasti und dies nefasti, abgeleitet von fas, göttliches Recht. Dort herrschte an den dies nefasti Gerichtsruhe. Der Sabbat jedoch enthielt un­ gleich mehr Verbote. Alle Arbeit hatte zu ruhen. Selbst auf Feueranzünden (2. Mose 35, 2 f) und Holzauflesen stand Steinigung. Dies galt ebenso für Fremde im Lande (4. Mose 15,29 ff). Die mosaischen Speisetabus beruhen auf Reinheitsvorschriften. Untersagt war der Genuß von Blut (1. Mose 9, 4), von Speisen aus fremden Händen (Daniel 1, 8) und der Verzehr unrei­ ner Tiere, namentlich von Schweine- und Hasenfleisch (3. Mose 11). Diese Gebote machten eine Speisegemeinschaft mit Fremden unmöglich. Auch Mischehen waren gesetzeswidrig und wurden wieder aufgelöst. Die bibli­ sche Mehrehe war in römischer Zeit außer Gebrauch, doch hat sich Herodes der Große anscheinend noch auf das alte Gesetz berufen (s. o. 21). e. Zentrum des jüdischen Kultes war seit der Überführung der Bundeslade durch David die „hochgebaute Stadt“ Jerusalem mit dem von Salo­ mon errichteten, dann unter Kyros beziehungsweise Darius und schließ­ lich durch Herodes erneuerten Tempel (s.o. 2 r). Der Besuch des Tempels war schon 198 v. Chr. durch den Seleukiden Antiochus III für Fremde und damit für ihn selbst - unter Strafe gestellt worden, wie Josephus (Ant. XII 3, 4) überliefert. Später wurde zudem der Zutritt in den Innenhof

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Kapitel 4

^HeENAsÄAAOrENHEKn O FE YE I TOZ TOYI3E P1TO1EPON tWAKTOYSUl Fl EPWOAOYOI A AN Mi ^©HEAYTOlAmOIE \ TÄJAÜttPE H akoaoy " ,gElN@ÄNATOM 4 4 MtiGevoc alXoyevT| eiotcopEVEOÖai EVTOO TOD 7l£pl TO tepov TpOCpOCKTOD Kai TCEplßoXoi). Oo ö’av Xt|(p0r|, eauTCüi aiTioa eoxai öia To E^aKoXoo0eiv 0avaTov. Bild 7. Verbots-Schild vom Jerusalemer Tempel (60 x 90 cm) aus herodianischer Zeit, heute in Istanbul, nach Reicke/Rost. Fragmente eines zweiten Exemplars befinden sich im Israel-Museum zu Jerusalem. Schilder auf Lateinisch sind nur bei Josephus überliefert.

Nichtjuden bei Todesstrafe verboten. Josephus (Bellum V 5, 2) bezeugt Warninschriften auf Latein und auf Griechisch. Von den griechischen Steintafeln sind zwei gefunden worden, die erste 1871, heute im Archäolo­ gischen Museum von Istanbul, die zweite 1935, heute im Israel-Museum in Jerusalem. Der aus herodianischer Zeit stammende, wortgleiche Text lau­ tet deutsch: „Kein Fremdbürtiger darf in den Raum innerhalb der Absper­ rung um den Tempel und in die Umfassung eintreten. Wer aber dabei er­ griffen wird, ist selbst schuld, wenn sein Tod die Folge ist “ (OGIS

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Nr. 598). Josephus (Bellum VI 2, 4) läßt Titus erklären, die Römer hätten den Juden gestattet, jeden hinzurichten, der den Platz beträte, selbst einen römischen Bürger. Dies aber widerspricht dem Paulus-Prozeß, bei dem die Juden nur Kläger, nicht Richter waren (s. u. 4 p). Wie die meisten großen antiken Heiligtümer, so besaß der Jerusalemer Tempel einen Schatz. In Anlehnung an den biblischen Sprachgebrauch nennt Josephus (Bellum II9,4) ihn korbönas, nach hebräisch korban - Ge­ schenk. Im Unterschied zu den antiken Tempelschätzen enthielt er aber nicht Weihegaben, sondern Geld, das aus der Tempelsteuer (s. u. 4 f), Spen­ den oder dem Erlös verkaufter Weihegaben stammte. Aus diesem Kapital wurden die Opfer und die Kosten des Kultes bestritten, bisweilen auch ge­ meinnützige Unternehmungen, etwa Mauerbauten. Bereits in seleukidischer Zeit erregte der Schatz die Begehrlichkeit der Politiker, mehrfach ist er geplündert worden. Untergebracht war er in einem Schatzhaus, das Nehemia (10, 39) die „Kammern im Vorratshause“, der Prophet Maleachi (3, 10) das „Kornhaus“ nennt. f. Die wichtigste Kulthandlung bildete - ähnlich wie bei den übrigen Religionen des Altertums - das Speiseopfer. Man glaubte, die Götter be­ dürften der Ernährung durch die Menschen, darum verbrannte man einen Teil des Opfertieres - in der Regel den ungenießbaren -, dessen „lieblicher Geruch“ auch Jahwe erfreute, während der Rest von den Priestern oder der Gemeinde verzehrt wurde. Einzelne Opfergaben wurden als ganze verbrannt, dafür verwendete Philo Judaeus das griechische Wort holokauston. Es gab das Morgen- und Abendopfer, daneben Fest-, Dank- und Süh­ neopfer, durch welche die Gottheit gnädig gestimmt werden sollte. Geop­ fert wurden sowohl Tiere, in Jerusalem vorrangig Widder, als auch Back­ waren und Feldfrüchte, öl, Wein und Weihrauch. g. Der Tempeldienst war Sache der Priester. Anders als Griechen und Römer, bei denen Laien den Priesterdienst sozusagen im Nebenamt versa­ hen, gab es bei den Juden einen eigenen Priesterstand. Er war erblich in be­ stimmten Familien, so in der des Eli aus dem Stamme Levi und in der des Sadok, der unter David auftrat und seinen Stammbaum auf Aaron zurück­ führte. Die Sadokiten dominierten in Jerusalem, während die überwiegend als Landpriester tätigen Leviten nur untergeordnete Bedeutung besaßen. An der Spitze der Priesterschaft stand der Hohe Priester, griechisch archiereus, der bei der Einsetzung gesalbt wurde und mit Hilfe der Tempelskla­ ven das tägliche Tempelopfer vollzog. Er amtierte unbefristet, präsidierte dem Synhedrion (s. u. 4 h), galt als Mittler zwischen Gott und Volk und ge­ wann während des Makkabäerkrieges politische Bedeutung. In der Folge­ zeit finden wir keine Nachkommen Sadoks mehr im Amt, die von ihm sich herleitenden Sadduzäer in der Zeit Jesu sind eine der großen religiösen Parteien der Juden (s. u. 4 m).

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Seit Antiochus IV wurde das Amt des Hohen Priesters von den syri­ schen Machthabern nach Gutdünken vergeben, in Einzelfällen an den Meistbietenden verkauft. Mit der Ernennung des Makkabäers Jonathan durch den Seleukiden Alexander Balas 153 v. Chr. wurde das Amt in des­ sen Familie erblich, verlor aber an Bedeutung, als Herodes und die Römer über die Besetzung entschieden. An die Stelle der Salbung trat eine Investi­ tur. Sobald Judäa 6 n. Chr. Provinz wurde, bestellte Quirinius den Ananias anstelle des Joazar, der vom Volk nicht anerkannt wurde, wie Josephus (Ant. XVIII 2, 1) meldet. Dem Ananias oder Ananos, biblisch Hannas, folgten seine fünf Söhne und dann sein Schwiegersohn Kaiphas. Diese ra­ sche Folge führte bei Johannes (11,49) zu der Auffassung, das Hohe Prie­ stertum sei ein Jahresamt gewesen. Ein- und Absetzung war zunächst Sa­ che der Römer, doch überließen sie dies seit dem Herrschaftsantritt von Agrippa I im Jahre 41 diesem und anschließend Herodes von Chalkis und Agrippa II. So blieb dieses wichtige Recht beim Hause des Herodes. Wenn im Neuen Testament von Hohen Priestern in der Mehrzahl die Rede ist, sind die abgesetzten Amtsträger und deren Verwandte gemeint. Mit dem Fall Jerusalems 70 n. Chr. erlosch das Amt. h. Seit etwa 200 v. Chr. (Josephus, Ant. XII 3, 3) gab es neben dem Ho­ hen Priester einen Hohen Rat, griechisch Synhedrion, aramäisch Sanhedrin. Er ist der spartanischen Gerusie und dem römischen Senat vergleich­ bar, denn er bestand aus den „Ältesten“ der großen Familien, zumal der sadduzäischen Priestergeschlechter, und den Schriftgelehrten, griechisch grammateis, die zumeist Pharisäer waren (s. u. 41). Mit dem Hohen Prie­ ster waren es nach den Numeri (11,16 f) insgesamt 71 Personen. Man tagte in der Quaderhalle in der Südwestecke des inneren Tempelvorhofs. Zur Zeit des Herodes führte der Hohe Rat nur ein Schattendasein, besaß aber in römischer Zeit Autorität in Fragen der Religion und des Zivilrechtes. i. Höhepunkte des religiösen Lebens der Juden waren die drei Wall­ fahrtsfeste, zu denen Tausende von Gläubigen aus aller Welt nach Jerusa­ lem strömten. Die Pfingsterzählung der Apostelgeschichte (2, 9 ff) nennt Juden aus Parthien, Medien, Elam, Mesopotamien, Kappadokien, Pontus, Asia, Phrygien, Pamphylien, Ägypten, Libyen, Kyrene, Rom, Kreta und Arabien. Alle drei Feste: Passah, Pfingsten und Laubhüttenfest, waren an­ fangs wohl Naturfeste, dienten später aber der Erinnerung an mythisch­ historische Ereignisse: Passah (ursprünglich Frühlingsbeginn, später bei Vollmond nach Frühlingsbeginn) gemahnte an den Auszug aus Ägypten­ land, sieben Wochen später, am „fünfzigsten“ (griechisch pentekoste) Tag, erinnerte das Wochenfest Pfingsten (ursprünglich Erntedank) an die Of­ fenbarung der Zehn Gebote am Sinai und das Laubhüttenfest (ursprüng­ lich Weinlese) an die Tempelweihe unter Salomon. Zu diesen Festen er­ schien der Hohe Priester in den heiligen Gewändern, die gemäß Josephus

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(Ant. XX 1, 1) in der von den Römern besetzten Burg Antonia sorgsam verschlossen gehalten wurden. In der Zeit der römischen Herrschaft, und schon zuvor, kam es bei den Passah-Festen häufig zu Unruhen in den reli­ giös erregbaren Massen. Deswegen war gewöhnlich der Statthalter mit ei­ ner Wachtruppe anwesend, wie Josephus (Ant. XX 5, 3) erzählt. j. Im Mittelpunkt des Passah-Festes stand das Opfer im Tempel und das Passah-Mahl, das zur Zeit Jesu nach griechischem Vorbild liegend abgehal­ ten wurde. Darauf deutet die Stelle im Johannes-Evangelium (12, 20) von dem Jünger, „welchen Jesus lieb hatte, der auch beim Abendessen an seiner Brust gelegen hatte“ - Künstler des Mittelalters, die nur sitzende Tischge­ meinschaften kannten, hat dieser Passus vor ein Darstellungsproblem ge­ stellt, dessen Lösung bisweilen komisch wirkt. Hauptspeise am „Fest der ungesäuerten Brote“ war das Passah-Lamm. Man tafelte am Vorabend des Festes im Kreis der Familie oder in Pilgergenossenschaften; zu diesen läßt sich auch der Kreis der Jünger zählen. k. Das Judentum war vielfältigen Einflüssen ausgesetzt und hat auf diese unterschiedlich reagiert. Es bildeten sich einzelne Richtungen, von Flavius Josephus in zwei Exkursen beschrieben (Bellum II 8,2 ff; Ant. XVIII1,2 ff) und mit griechischen Philosophenschulen verglichen. Die Parallele ist insofern irreführend, als wir bei den jüdischen Sekten keine Stifter kennen, wie sie Platon für die Akademie oder Zeno für die Stoa darstellen. Auch gehen die Lehrmeinungen nicht entfernt so weit auseinander wie zum Bei­ spiel die Ansichten der griechischen Philosophen über Gott, Welt und Mensch. Kritik an Mythos und Tradition, so grundlegend für das philoso­ phische Denken der Griechen, scheint bei den Juden ebenso zu fehlen wie die Bemühung um wissenschaftliche Erfassung der Natur. Schließlich war die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Glaubensrichtung Sache der Fami­ lie, man wurde zum Pharisäer erzogen und entschied sich in der Regel nicht als Erwachsener aus freien Stücken für die eine oder die andere Rich­ tung. Daß jemand die Lehren der verschiedenen Schulen prüfte, ehe er sich einer von ihnen anschloß, wie dies Flavius Josephus (Vita 2) von sich be­ richtet, war gewiß die Ausnahme. Alle jüdischen Sekten sahen sich selbst als die echten Bewahrer der mo­ saischen Tradition und erwarteten den Messias. Sie betrachteten und be­ handelten sich gegenseitig allerdings nicht mit der Feindschaft, die später zwischen den jüdischen und den christlichen Glaubensrichtungen und un­ ter den letzteren herrschte. Dies mag damit Zusammenhängen, daß es keine institutionalisierte jüdische Orthodoxie gab, die der römischen Kir­ che entsprochen hätte. Insofern gab es auch keine Häresien, wenn wir von Christentum und Islam als „jüdischen Häresien“ absehen. Der Jerusale­ mer Tempel war jedenfalls nicht der Hort der Dogmatik, sondern der Mit­ telpunkt des Kultes.

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/. Die im Neuen Testament am häufigsten genannte Gruppe ist die der Pharisäer, zuerst bezeugt gemäß Josephus (Ant. XIII 5, 9) unter Johannes Hyrkanus I zu Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. Ihr gehörten Paulus und Flavius Josephus an. Aus dieser Schule sind auch die Jünger Jesu selbst her­ vorgegangen, daraus erklärt sich die Gegnerschaft gerade der Pharisäer. Ihr Name ist vermutlich eine Fremdbezeichnung, er bedeutet „die Abgeson­ derten“ und verweist auf ihre betonte Frömmigkeit. Dies spiegelt sich darin, daß die meisten Schriftgelehrten, das heißt Thorakundigen, dieser Richtung zugehörten. Die Pharisäer beteten dreimal täglich, fasteten zwei­ mal wöchentlich, übten Wohltätigkeit und zahlten den Zehnten. Sie beach­ teten eine Unzahl von Geboten und Verboten, um die Heiligkeit des Tem­ peldienstes auch im Privatleben zu erreichen. Im Hinblick auf ihre Sitten­ strenge vergleicht Josephus (Vita 12) sie mit den Stoikern. Beim Volk stan­ den die Pharisäer in hohem Ansehen. Aus ihrem Kreise gibt es Zeugnisse für den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele. Die Bösen werde mit ewiger Kerkerhaft unter der Erde bestraft, die Guten mit einem neuen Leib zu neuem Leben belohnt. Einmal wird Josephus (Bellum III 8, 5) deutlich und spricht von dem „heiligsten Ort im Himmel“, der den Seelen der Gerechten zugewiesen werde, bis sie nach dem Umlauf der Zeiten in reinen Körpern wieder eine Behausung fänden. Die Seelenwanderung ge­ hört indessen nicht zu den üblichen Glaubensartikeln der Pharisäer, sie er­ warteten die Auferstehung der Toten (anabiösis), wie sie bei Daniel (12,2) und im zweiten Makkabäerbuch (7, 9) beschrieben wird. Die Lehre kam von den „Magiern“ aus Persien, das läßt die antike Philosophiegeschichte des Diogenes Laertius (I 9) vermuten. Typisch für die Pharisäer ist weiter­ hin ihr Glaube an Engel, an Wunder und an den „Geist“ (griechisch: pneuma). Unter Herodes wird die Zahl der Pharisäer von Josephus auf sechstausend beziffert. m. Den Pharisäern stehen von Anfang an und so auch im Neuen Testa­ ment (Apg. 23, 8) die Sadduzäer gegenüber. Sie leiteten sich von Sadok, dem Priester Davids, her (s.o. 1 h) und bildeten die dem Griechentum nä­ her stehende reiche Oberschicht, insbesondere den Priesteradel Jerusa­ lems, wo sie das Synhedrion dominierten. Auch Kaiphas und die Hohen Priester, die Jesus gefangennahmen, verhörten und an Pilatus auslieferten, sind den Sadduzäern zuzurechnen, obwohl Jesus stets nur gegen die Phari­ säer gepredigt hat. Die Sadduzäer lehnten die bloß mündlich tradierten Gebote ab, bestanden gegenüber dem Fatalismus der Pharisäer auf dem freien Willen, verwarfen den Glauben an Geister, an ein Weltgericht und an ein Nachleben der Toten. Insofern vertreten sie das ältere jüdische Glaubensgut. Wenn die Pharisäer den Stoikern entsprechen, dann ähneln die Sadduzäer den Anhängern Epikurs. Für die Evangelisten gehörten sie samt den Pharisäern zum „Otterngezüchte“ (Mt. 3, 7; 12, 34).

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n. Die Gruppe, über die wir am meisten vernehmen, sind die Essener, die dritte der von Josephus behandelten Schulen. Auch Philo (Quod omnis probus über sit, 75 ff) berichtet über sie. Ihr Name wird mit dem der Chassidim, der Frommen, verbunden. Die Essener sonderten sich von den übri­ gen Juden und vom Tempelkult in Jerusalem ab und schlachteten keine Opfertiere. Die heiligen Schriften aber studierten sie täglich, übten sich in allen Tugenden und führten ein asketisches Ordensleben. Die strenge Richtung verzichtete auf Ehe und Nachkommen, laut Josephus (Bellum II 121), weil alle Frauen treulos seien. Weltliche Wissenschaft verwarfen sie. Die Essener mißbilligten die Sklaverei, den Kriegsdienst und den Eid und lebten in Gütergemeinschaft unter selbstgewählten Oberen, denen man Gehorsam schuldete. Sie vermieden die Städte, trieben Ackerbau und üb­ ten Handwerke aus, gestatten untereinander jedoch keine Handelsge­ schäfte. Gold und Silber gab es bei ihnen nicht. Der Aufnahme in den Orden (hairesis) ging eine Probezeit voraus, es gab vier Grade des Aufstiegs. Dabei wurde eine Art Taufe vollzogen. Der Sabbat wurde streng geachtet, penible Spuck- und Abortvorschriften dien­ ten der kultischen Reinheit. Die Essener trugen nur weiße Kleidung (die aber, bis sie in Fetzen fiel), lebten in Speisegemeinschaften und übten Gast­ freundschaft gegen ihresgleichen. Sie glaubten an die Allgewalt des Schick­ sals (heimarmene), so Josephus (Ant. XIII 5,9), an die Unsterblichkeit der Seele und an die Bestrafung der Bösen wie die Pharisäer, doch wurden die Guten nicht wiedergeboren, sondern auf die Inseln der Seligen im Atlantik versetzt. Josephus (Ant. XV 10, 4) führt dies auf griechischen Einfluß zu­ rück; manches erinnert in der Tat an die Pythagoreer, mit denen er die Es­ sener vergleicht. Die Gesamtzahl der Essener wird von Josephus (Ant. XVIII 1, 5) mit viertausend angesetzt, doch gab es auch eine weniger strenge Richtung, die zum Zwecke der Kinderzeugung die Ehe zuließ. Männer und Frauen badeten bekleidet. Die jeweilige Obrigkeit wurde als von Gott ernannt geachtet. Wer gegen die Regeln verstieß, wurde ausge­ schlossen. o. Außer Philo und Josephus berichtet auch der ältere Plinius in seiner Naturalis Historia (V 73) über die Essener: eine gens sola et in toto orbe praeter ceteras mira, ein „einmaliges Volk und in aller Welt seltsam, vergli­ chen mit anderen“. Plinius beschreibt ihre Sitten und siedelt sie am Toten Meer nördlich von Engedi an. Das ist insofern bemerkenswert, als 1947 ebendort in Qumran über fünfhundert Schriftrollen aus Pergament, elf Wohnhöhlen und eine kibbuzähnliche Anlage für etwa zweihundert Be­ wohner entdeckt wurden, die in der Zeit von 130 v. Chr. bis zum Jüdischen Krieg 70 n. Chr. bewohnt gewesen ist. Eine kommentierte Übersetzung der Texte verdanken wir Johann Maier (1995/96). Zwölfhundert Gräber, überwiegend von Männern, wurden gefunden. Die Gemeinde stand unter

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Bild 8. Rekonstruktion der Gebäudegruppe in Chirbet Qumran nach Leen Ritmeyer. Der klosterartige Komplex, in dem die berühmten „Rollen vom Toten Meer“ gefun­ den wurden, stammt aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. und wurde im Jüdischen Krieg zerstört.

der Leitung von drei Priestern und zwölf Laien. Die aus den hebräischen, aramäischen und griechischen Texten erkennbaren Lehren fügen sich trotz gewisser Unterschiede (in Qumran wurde geopfert) - gut in das Bild der Essener. Die Gemeinde von Qumran lebte abgesondert vom Jerusale­ mer Tempelkult, hatte einen Sonnenkalender mit eigenen Festzeiten und glaubte an die Vorsehung. Besonders ausgeprägt war ihre Messiaserwar­ tung (s. u. 8j). Es ist begreiflich, wenn Jesus schon durch Ernest Renan 1863 mit den Essenern in Verbindung gebracht wurde. Daß Jesus von ih­ nen Anregungen erfahren hat - wer will das ausschließen? p. Ähnlich wie die Essener und die Qumranleute lebten die Therapeu­ ten, über die Philo in seiner Schrift »De vita contemplativa«, zitiert in der Kirchengeschichte Eusebs (II 17), bewundernd berichtet. Diese „Diener“ fänden sich in vielen Weltgegenden, insbesondere in Ägypten in der Nähe von Alexandria. In jedem ihrer Häuser wäre ein heiliges monasterion, wo sie sich der Versenkung in die heiligen Schriften hingäben. Tagsüber übten sie sich in der Betrachtung und der Deutung der Bibel, die allegorisch aus-

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gelegt würde. Des Lichtes sei nur das Studium der Weisheit würdig, die Bedürfnisse des Leibes wie Speise und Trank seien im Finsteren zu stillen. Einige fasteten mehrere Tage, gewohnt, wie Zikaden von Luft zu leben. Es gäbe auch fromme Frauen unter ihnen, doch verzichteten sie auf die Ver­ gnügungen des Körpers, schliefen auf Stroh, tränken nur Wasser, äßen kein Fleisch; Lobgesänge und Nachtwachen, Andachten und Liebesmahle - all das interpretiert Euseb als Vorwegnahme christlicher Lebensführung, in­ sofern mit Recht, als hier ein asketisches Gemeinschaftsideal beschrieben wird, das Christen mit frommen Juden teilen. Seltsamerweise weiß Josephus in seinem Überblick über die jüdischen „Philosophenschulen“ nichts zu den Therapeuten. Waren das für ihn Essener? q. Neben den Pharisäern, den Sadduzäern und den Essenern nennt Josephus (Ant. XVIII 1, 6) noch eine vierte Schule, die griechisch als Zeloten, Eiferer bezeichnet werden. Sie beanspruchten gleichfalls besondere Fröm­ migkeit, vertraten nun aber im krassen Gegensatz zu den quietistischen Essenern einen unbedingten Aktionismus. Ihr Gründer war der kriegeri­ sche Judas von Gamala (s. u. 8 m). In ihren Auffassungen standen sie den Pharisäern nahe, sie unterwarfen sich aber keiner politischen Macht, da sie die Theokratie verkündeten und allein Gott als König anerkannten. Dies führte zum Zusammenstoß mit Rom, bei dem sie jedes Martyrium auf sich nahmen. Die auch als Sikarier, „Dolchmänner“ bezeichnete radikale Gruppe besaß Anhänger unter den Jüngern Jesu (s. u. 10e). Sie verfolgten sozialrevolutionäre und messianische Ziele und erdolchten ihre jüdischen Gegner im Gedränge der hohen Feste (Josephus, Ant. XX 8, 5), unter an­ deren den Hohen Priester Jonathan, Sohn des Amos. Die Sikarier bildeten den Kern der Aufständischen im Jüdischen Krieg unter Nero (s. u. 12 s) und verschwinden mit dem Fall von Masada aus der Geschichte. r. Außer den vier von Josephus beschriebenen Richtungen gab es noch kleinere Gruppen, die für das religiöse Leben der Zeit bedeutsam waren. An erster Stelle sind hier natürlich die Christen zu nennen. In der Apostel­ geschichte wird ihre Lehre zweimal als jüdische „Häresie“ bezeichnet, ein­ mal von den Juden in Rom (28, 22), andermal von Paulus, der diesen Sprachgebrauch übernimmt (24,14). Warum Josephus, der doch die Steini­ gung von Jakobus, dem Bruder von „Jesus, dem sogenannten Christus“, erwähnt (Ant. XX 9,1), die Christen weder im Bellum noch in den Antiquitates unter den Religionsparteien aufführt, ist unklar. Waren sie zu un­ bedeutend? Hat er sie zu den „normalen“ Juden gezählt oder überhaupt nicht zum Judentum gerechnet? s. Ebenso verschweigt Josephus die Gemeinde von Johannes dem Täu­ fer, obschon er ihn selber nennt. Johannes, der Sohn des Zacharias und der Elisabeth, stammte aus altem Priesteradel (Luk. 1, 5). Seine Geburt unter Herodes dem Großen dürfte zutreffend sein, jedoch die Kindheitsge-

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schichten, namentlich die Begegung der schwangeren Mütter (Lk. 1,39 ff) sind legendär. Johannes lebte asketisch: er trug einen zottigen Kamelhaar­ mantel, trank keinen Wein und nährte sich als Eremit in der Wüste von Heuschrecken und wildem Honig (Mt. 3, 4). Seine ungemein populäre Predigt mahnte zur Buße, zum Fasten und zur Nächstenliebe. Johannes verkündete das nahe Weltgericht und wetterte gegen Pharisäer und Saddu­ zäer. Wie Jesus lehrte er die Zöllner und wurde selbst vom Volk für den Messias (Christos) gehalten, wie Lukas (3, 15) schreibt. Johannes aber er­ klärte sich lediglich als neuer Elias (Luk. 1,17) für dessen Wegbereiter. Die von Johannes geübte Taufe, die Jesus, anders als seine Jünger, selbst nicht vollzog (Joh. 4,2), knüpfte an die rituelle Waschzeremonie an, die den zum Judentum übertretenden Fremden, den Proselyten vorgeschrieben war. Johannes kritisierte Herodes Antipas wegen seiner unkanonischen Heirat und wurde 29 n. Chr. auf der Festung Machärus inhaftiert (s.o. 2 w), damit er das Volk nicht zum Aufruhr reize, wie Josephus (Ant. XVIII 5, 2) be­ merkt. Wenig später ließ der Tetrarch den Prediger enthaupten. Die Ge­ schichte von Salome, die auf dem Geburtstag ihres Stiefvaters getanzt und zum Lohn das Haupt des Johannes erhalten habe (Mt. 14, 6 ff), ist kaum historisch. Aus dem Gefängnis hatte er, gemäß Matthäus (11,3), Jesus fra­ gen lassen: „Bist du der, der da kommen soll, oder sollen wir eines anderen warten?“ Seine Rolle als Vorläufer des Messias aus Nazareth ist eine christ­ liche Interpretation. Wenig später (s. u. 12 e) erlitt Herodes eine Niederlage durch den Araberkönig Aretas IV, und darin sah das Volk, so Josephus (Ant. XVIII 5, 2), die göttliche Strafe für den Tod des Täufers. Jesus begegnete Johannes mit Hochachtung und schloß sich seiner Bot­ schaft an. Offenbar hat er eine Zeitlang zum Jüngerkreis des Täufers gehört, auch wenn das die Evangelisten aus theologischen Gründen verschweigen. Die Jünger des Täufers lebten streng (Mt. 9,14), sie dienten ihm als Boten (Mt. ll,2)und begruben ihn (Mt. 14,12). Das »Vater Unser« wurde vonjesus formuliert nach dem Muster des Gebetes, das Johannes seine Jünger ge­ lehrt hatte (Lk. 11,1). Den Text haben wir nicht. Paulus traf in Ephesus auf Jünger des Johannes, die offenbar ebenso missionierten wie er selbst. Es ge­ lang ihm, sie auf Jesus umzutaufen (Apg. 19,1 ff). Auf Johannes den Täufer führt sich die noch heute in Mesopotamien le­ bendige Gemeinde der Mandäer zurück. Diese auch Nazoräer, Sabier oder Hemerobaptisten genannten „Täufer“ üben das Sakrament täglich und vertreten ein gnostisches Weltbild, das jüdische, christliche, persische und islamische Einflüsse verschmilzt. Sie erwarten den „Herrn der Größe“, der Licht und Finsternis, Gut und Böse, die zur Zeit noch gemischt sind, auf Ewigkeit scheiden wird. t. Handelt es sich bei den bisher behandelten Gruppen - von den Mandäern abgesehen - um Juden, so gehören nach jüdischem Verständnis die

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Samaritaner nicht dazu. Sie gehen zurück auf die Zeit des geteilten Reiches, als um 870 v. Chr. der König Omri die Stadt Samaria gründete. Ihre Kult­ gemeinschaft ist seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. faßbar, als sie auf dem Sa­ maria benachbarten, im Deuteronomium (11, 29) gesegneten Berg Garizim ihren Tempel erbauten. Als eine Art Gegenjerusalem wurde er, wie Josephus (Ant. XIII 9, 1) vermerkt, 128 v. Chr. von den Hasmonäern zer­ stört, die aber den Kult nicht unterbinden konnten. Nach dem Glauben der Samaritaner wurde auf dem Garizim Adam geschaffen, legte Noah hier mit der Arche an, träumte Jakob hier von der Himmelsleiter. Die Samaritaner erkennen von den Schriften des Alten Testaments nur die fünf Bücher Moses an und besaßen später Synagogen innerhalb wie au­ ßerhalb von Palästina. Sie erwarten einen „Taheb“ genannten MessiasPropheten nach dem Deuteronomium (18,18), der beim Versöhnungsfest, dem höchsten Feiertag der Samaritaner, erscheinen sollte. Johannes (4,25) legt dem samaritischen Weib das Wort in den Mund: „Ich weiß, daß der Messias kommt,“ Jesus aber betont: „Das Heil kommt von den Juden.“ Sa­ maritaner und Juden lebten in Feindschaft, man aß und trank nicht ge­ meinsam (Luk. 9, 52 f; Joh. 4, 9). Unter den Sprüchen des Jesus Sirach (50, 27 f) in der Bibel lesen wir: „Zweierlei Volk bin ich von Herzen feind, dem dritten aber bin ich gram wie sonst keinem: dem Volk, das da wohnt auf dem Gebirge Seir, den Philistern und dem tollen Pöbel zu Sichern“. Das sind die Samaritaner. Im Zusammenhang mit Beschwerden über Pilatus (s. u. 12 b) erfahren wir, daß sie einen Rat, eine boule, und damit eine gewisse Selbstverwaltung besaßen. Zur Zeit Jesu stritten sich die Samaritaner, als ein Prophet namens Dositheos auftrat und sich als neuen Moses ausgab (s. u. 8 p, 12 a). Nach Constantin wurden die Samaritaner von Juden und Christen zugleich be­ drängt. Justinian ließ ihre Bethäuser im 6. Jahrhundert n. Chr. abreißen, nachdem schon im späten 5. Jahrhundert auf dem Garizim eine Marienkir­ che errichtet worden war. Als ich den Berg am 4. März 1984 bestieg, fand ich oben noch die Spuren, zwei übereinanderliegende Postamente, auf dem jüngeren die Ruinen eines Oktogons mit Apsis und Vorhalle, innen ein Säulenrund, das Ganze in einer quadratischen Festung mit Türmen an den Ecken und in den Seitenmitten. Daneben auf der einen Seite eine kleine Moschee, auf der anderen der heilige Felsen, wo die Samaritaner die Pas­ sah-Lämmer schlachten, leicht abschüssig, mit einem Bogen am Ende des Trichters, wohl für das abfließende Opferblut. Ein uralter Hoher Priester, Yusef Abu ben Hasan Cohen, zeigte mir das kleine Samaritaner-Museum und bezifferte die Gemeinde auf 550 Personen. u. Waren die Samaritaner wenigstens noch jüdischen Ursprungs, so sind die im folgenden zu besprechenden Religionsgruppen nach jüdischem Verständnis Heiden (gojrin), unrein und gottlos. Dazu zählen die Vorbe-

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wohner Judäas, die Kanaanäer und Philister (s.o. 1 f). Ihre Kultstätten, die in den älteren Schriften der Bibel oft genannten Baalsheiligtümer auf den Höhen, hat es in der Zeit des Pilatus offenbar nicht mehr gegeben, sie wa­ ren dem jüdischen Glaubenseifer zum Opfer gefallen. So wie die äußere Geschichte der Juden in der dauernden Auseinandersetzung mit den an­ dersgläubigen Nachbarn bestand, so wurde ihre innere Geschichte durch die wiederholte Abwehr fremder Sitten geprägt. Noch lange nach der Landnahme haben sich unter den Kanaanäern die Riten des Erstlingsop­ fers für Moloch (3. Mose 18, 21; Hesekiel 20, 26) und die Sakralprostitu­ tion zu Ehren der Aschera gehalten (5. Mose 23,18 f). „Und es wird kein Kanaaniter mehr sein im Hause des Herrn Zebaoth zu der Zeit“, heißt es beim Propheten Sacharja (14, 21). Zuletzt hatte Judas Makkabäus, dessen Freiheitskampf zugleich ein heiliger Krieg gegen die nichtjüdischen Reli­ gionen war, die Götterbilder und Altäre der Philister zerstört (1. Makk. 5, 68). Sein Bruder Jonathan setzte 147 den Dagon-Tempel von Asdod in Brand (1. c. 10, 84). Überlebt haben die Kanaanäer als Volksgruppe gleich­ wohl, das lehrt die Begegnung Jesu mit dem „kanaanäischen Weib“ bei Matthäus (15, 22). Vermutlich handelt es sich um eine aramäisch redende Angehörige eines hellenisierten Baalskultes. Markus (7, 26) nennt sie eine „Syrophönikerin“. v. Ein Erbe der Philister ist Beelzebub, entstanden aus Baal Zebub, dem Heilgott der Philisterstadt Ekron. Im Neuen Testament wird damit der Oberste der Dämonen bezeichnet, so bei Matthäus (12,24). In dessen Na­ men, so meinten die Pharisäer, treibe Jesus die bösen Geister aus. Beelze­ bub ist, so wie Belial (2. Kor. 6,15), eine Erscheinungsform des „leibhafti­ gen“ Bösen. Diese Figur war der jüdischen Mythologie ursprünglich fremd. Sie geht zurück auf den Ahriman der altpersischen Religion, der dem lebendigen Guten entgegengestellt ist, dem Herrn der Weisheit, Ahura Mazda, und fand in nachexilischer Zeit Eingang ins Denken der Ju­ den. „Satan“, der Widersacher Gottes, Ankläger der Menschen und An­ stifter zum Bösen, begegnet uns im 1. Buch der Chronik (21,1), abgefaßt um 300 v. Chr. Aus dieser Zeit stammt ebenfalls das Buch Hiob, wo Satan als einer der Söhne Gottes auftritt. Die um 100 v. Chr. verfaßte »Weisheit Salomonis« (2, 24) identifiziert die Paradiesesschlange mit dem Teufel, griechisch diabolos, dem „Verleumder“. Im Neuen Testament erscheint Satan als der Versucher Jesu (Mt. 4,1 ff), als „Fürst dieser Welt“ (Joh. 12,31), ja als deren „Gott“ (2. Kor. 4,4). Aus der Verbindung des Herrenwortes bei Lukas 10, 18 „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz“ mit dem Prophetenspruch bei Jesaja 14,12 „Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern!“ ge­ münzt auf den König von Babel, entstand die Bezeichnung „Luzifer“ für den Teufel. Lateinisch Lucifer, griechisch Phösphoros, deutsch „Lichtbrin-

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ger“ ist der Name des Morgensterns, des Planeten Venus. „Mephistophe­ les“ als Name des Teufels ist erst im Faust-Buch des späten 16. Jahrhun­ derts belegt. w. Neben den Kanaanäern und den Philistern gab es noch weitere Hei­ den, war doch das jüdische Land um Jerusalem, abgesehen von der Wüste im Süden, umgeben von einem Kranz griechischer oder hellenisierter Städte. Im Westen waren das Gaza, Askalon, Asdod und Jamnia im Gebiet der ehemaligen Philister, nördlich anschließend Apollonia, Caesarea Mari­ tima, Dora und Ptolemais (Akkon) und schließlich das einst phönizische Tyrus. Griechisch geprägt waren im Binnenland Antipatris und Samaria /Sebaste, im jüdischen Galiläa waren es Autokratoris/Sepphoris, Tiberias und Julias, in der Gaulanitis Caesarea Philippi, in der Dekapolis Hippus, Gadara, Skythopolis, Pella, Gerasa und Philadelphia/Ammon und in Peräa Julias. Schon die Namen verraten hellenistische Prägung. In all diesen Städten ist der im Mittelmeerraum übliche Polytheismus anzutreffen mit seinen Tempeln und Altären, Götterbildern und Götterfesten. Die griechi­ sche Religion hatte auch nie Probleme mit dem Kaiserkult, der ja seiner­ seits hellenistischen Ursprungs ist. x. Abschließend wäre nach der Religion der Römer zu fragen. Sie waren unter Pilatus Herren im Lande. Sollte die Religion der Herrschenden nicht zugleich die herrschende Religion sein? Mitnichten. Die Römer haben ih­ ren Auftrag nicht darin gesehen, den Völkern ihre Kultur, ihre Sprache, ihre Religion zu bringen. Sie brachten ihren Frieden, ihre Zivilisation, ihr Recht - wobei diese Ideale nicht als römisch, sondern als universal emp­ funden wurden. Keiner Provinz, keinem Volk, keiner Stadt wurde ein Kult für den Juppiter Optimus Maximus aufgenötigt. Anders als bei den Kolo­ nialherren der europäischen Großmächte gab es im Gefolge der römischen Expansion keine Missionare. Der griechisch-römische Polytheismus kannte keine Orthodoxie, keine Häresie, keine Dogmatik, keine Inquisi­ tion. Eine allein selig machende Lehre konnte es schon darum nicht geben, weil Religion überhaupt nicht selig machen sollte, sondern allein der Bitte um, beziehungsweise dem Dank für die Gottesgaben galt, für Wachsen, Blühen und Gedeihen. Unsterblichkeit versprachen die Mysterienkulte und Erlösungsreligionen, die jedoch nie Alleingeltung beanspruchten. y. Der antike Mensch fragte nicht, welche Religion „die richtige“ sei. Ein Streit darüber gliche dem bei Cicero (De natura deorum I 78) beschriebe­ nen Zank zwischen Mensch, Ameise und Stier, wer die schönere Gestalt besäße. Die Vielzahl der Kulte erschien naturgegeben. Plato erklärte in sei­ nem »Politikos« (271 D), der Schöpfer habe die Weltgegenden unter die Götter aufgeteilt, und das meinte noch zur Zeit Marc Aurels der Christen­ gegner Kelsos in seinem »Wahren Wort« ( Origenes, Gegen Kelsos 5, 25). Zudem entsprach die Zahl der Götter keineswegs der ihrer Namen, denn

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man glaubte an die Übersetzbarkeit der Götternamen. Der Gott des Krie­ ges, die Göttin der Liebe und der Gott des Himmels usw. hießen eben bei verschiedenen Völkern verschieden. Der Zeus der Griechen entsprach dem römischen Juppiter, dem ägyptischen Ammon, dem germanischen Thor, dem persischen Ahura Mazda und sogar dem jüdischen Jahwe, so etwa im Aristeasbrief (16) oder bei Diodor (I 12, 2). Darüber hinaus war es jedem Menschen freigestellt, die Götter nach ei­ genem Ermessen zu verehren oder aber überhaupt für Chimären zu halten. Es gibt eine Tradition des Atheismus von der ionischen Aufklärung der Vorsokratiker über die Materialisten und Sophisten bis zu Spöttern wie Lukian zur Zeit Marc Aurels. Auch Pilatus scheint zu den Skeptikern ge­ hört zu haben (s. u. 10j). Die Römer haben ins religiöse Leben der Völker nur dann eingegriffen, wenn öffentliches Ärgernis erregt wurde, wie bei den ägyptischen Ritualen in der Stadt Rom, wenn die Prinzipien der Hu­ manität verletzt wurden, wie bei den Kinderopfern der Karthager, oder wenn politische Konspiration befürchtet wurde, so bei den keltischen Druiden oder den jüdischen Messiasgestalten. z. Gewissermaßen als Ersatz für die vor Constantins Übertritt zum Christentum fehlende Reichsreligion diente der Kaiserkult. Er wurzelt in der dem antiken Polytheismus, zumal bei den Griechen, eigenen Nähe zwischen Göttern und Menschen (Taeger 1957). So wie die Götter im grie­ chischen Mythos sehr menschliche Züge zeigten, so empfand man Men­ schen von hervorragender Leistung oder ungewöhnlicher Schönheit als „göttlich“. Niemand nahm Anstoß daran, daß Praxiteles die Statue der Göttin Aphrodite nach dem Körper der Hetäre Phryne modellierte (Athenaios 591 A). Die Idee des Heroen, eines Halbgottes überbrückte den Ab­ stand. So erhielten Stadtgründer in der Regel heroische Ehren in Gestalt unblutiger Opfer. Seit Alexander d. Gr. fand die Bereitschaft, überragende Fürsten als Inkarnation von Göttern zu ehren, Verbreitung. In mythi­ schem Rollenspiel erschienen Sterbliche mit den Attributen von Göttern, eine Selbstindentifikation, die mitunter frivole Formen annahm, grund­ sätzlich aber als Ausdruck eines religiösen Bedürfnisses verstanden wer­ den darf. Die Herrscher haben ihre Vergöttlichung teils geduldet, teils ge­ fordert. Bisweilen hat dies den Spott von Intellektuellen ausgelöst, nie aber religiös oder moralisch motivierten Widerstand. Im Zuge der Hellenisierung Roms drangen diese Vorstellungen auch nach Westen vor (Taeger 1960). Nachdem bereits der „Befreier Griechen­ lands“ Titus Quinctius Flamininus nach seinem Sieg über Philipp V 197 v. Chr. kultisch verehrt worden war, wurden erfolgreiche Feldherren im Osten als Retter gefeiert. Es gibt Anzeichen für eine Vergöttlichung zu Lebzeiten bei Caesar. Nach seinem Tode hieß er Divus Caesar, der unter die Götter versetzte Caesar. Augustus hat derartige Tendenzen eher abge-

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wehrt, kleinasiatischen Städten dann aber doch erlaubt, ihn - oder seinen Genius - gemeinsam mit der Göttin Roma zu verehren. Der altrömisch gesinnte Tiberius lehnte den Kult seiner Person entschieden ab (Tacitus, Ann. IV 37); dennoch gab es auch für ihn im ganzen Reich Priester und Heiligtümer. Bei seinen Nachfolgern setzte sich das fort. Längst war es Brauch, daß bei den hohen Staatsfesten dem Kaiser Weihrauchkörner ins Opferfeuer gestreut und seine Bilder heilig gehalten wurden. Der Kaiserkult spielte sich hauptsächlich in den hellenisierten Städten ab. Caesarea und Sebaste besaßen Kaisertempel und Vierjahres-Spiele. Da­ neben war der Kaiserkult die Zivilreligion des römischen Heeres, der Le­ gionen wie der Hilfstruppen. Jedes Lager besaß ein Heiligtum (sacellum), in dem außer der Kriegskasse die Feldzeichen und das Bild des Kaisers auf­ bewahrt wurden. Die symbolische Präsenz des Kaisers in seinen Bildnis­ sen sollte Loyalität und Disziplin sichern. Die Zeremonie des Kaiserkul­ tes, bei der niemand gefragt wurde, was er dabei denke, war den Juden und später den Christen ein gotteslästerlicher Greuel. Das hat viel Unheil ge­ stiftet. Um ihre Loyalität zu beweisen, haben die Christen für den Kaiser gebetet und die Juden ihm gestattet, für das tägliche Opfer zwei Lämmer und einen Stier zu stiften (Philo, Legatio 157). Das religiöse Umfeld des Pilatus war mithin außerordentlich bunt. Die in ihm angelegten Spannungen haben das politische Geschick der Statthal­ ter überfordert, nicht nur das von Pontius Pilatus. Toleranz ist da unzurei­ chend, wo die Tolerierten sich gegenseitig nicht tolerieren und gemeinsam die tolerierende Macht ablehnen.

$. Ausserbiblische Quellen zu Pilatus

Doketisten Philo Judaeus: Leben Flavius Josephus: Jugend

Josephus in der Zisterne

Testimonium Flavianum

Steinigung des Jakobus Tacitus

Münzdaten, Münzembleme Tiberieum Inschriften: Simon Titulus Tiburtinus

Mara bar Sarapion Parallelquellen schweigen

a. Napoleon b. c. Pilatus historisch d. e. seine Schriften f. g. Kommando in Galiläa h. i. seine Schriften jk. Echtheit? l. m. Josephus altrussisch n. o. Pilatus-Münzen Pq. Pilatus-Inschrift r. s. Leuchtturm t. u. Kaiphas-Ossuar v. w. Quirinius? x. y. Jüdische Quellen z.

Quod non est in actis, non est in mundo. Iurisconsulti

a. Im Oktober 1808 unterhielt sich Napoleon in Weimar mit dem Dich­ ter Wieland über das Christentum und flüsterte ihm ins Ohr, es sei die große Frage, ob Jesus Christus jemals gelebt hätte. Napoleon schloß sich hier der Skepsis seines Freundes Constantin François de Volney an, der in seinem Buch »Les Ruines« 1791 die historische Existenz Jesu bestritten hatte. Diese These fand Eingang in die wissenschaftliche Literatur. Im Jahre 1840 schrieb der Berliner Hegel-Schüler Bruno Bauer seine »Kritik der Evangelischen Geschichte des Johannes«. Darin suchte er zu zeigen, daß der biblische Jesus ganz und gar eine religiöse Konstruktion sei, die mit dem historischen Jesus nichts zu tun habe. Zehn Jahre später publi­ zierte Bauer seine »Kritik der paulinischen Briefe«. Darin fragte er, ob ein historischer Jesus je gelebt habe. Bauers Ergebnis lautet, wie Albert Schweitzer in seiner »Geschichte der Leben Jesu-Forschung« (1906/1933, S. 159) formuliert: „Eine historische Persönlichkeit Jesus hat es nie gege­ ben“. b. Die These, Jesus habe nie gelebt, gab es schon in der Antike bei jenen Gnostikern, die alles Materielle für böse erklärten und darum bestritten, daß Jesus einen Körper besessen habe. Phantasma sine corpore hieß die Formel für Jesus bei den Anhängern von Valentinus und Bardesanes, bei Markioniten und Manichäern, bei Bogomilen und Katharern im Mittelalter. Sie verstanden die Lebensgeschichte Jesu als Allegorie ohne ge­ schichtliche Grundlage und wurden darum von den Kirchenvätern angegriffen.Die sogenannten Doketisten (von griechisch dokein - scheinen) glaubten, der Logos Jesus habe nur einen Scheinleib (putativa caro) beses­ sen. Sein Leben sei eine fortlaufende Theophanie, sein Tod eine optische Täuschung gewesen. Diese Vorstellung beruht indessen nicht auf einer hi­ storischen Kritik an den Evangelien, sondern auf einer eigentümlichen, von Johannes inspirierten Theologie. c. Bauers Ansicht steht, wie Albert Schweitzer (1906/33, S. 444 ff) zeigt, keineswegs allein. Dennoch ist nicht daran zu rütteln, daß Jesus sehr wohl eine geschichtliche Gestalt ist. Erwähnt sei diese wissenschaftsgeschicht­ liche Episode lediglich darum, weil an der Geschichtlichkeit des Pontius Pilatus nie jemand gezweifelt hat. Pilatus war als historische Person immer anerkannt. Tatsächlich wissen wir aufgrund der besseren Quellenlage über

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Pontius Pilatus wesentlich besser Bescheid als über Jesus Christus. Wäh­ rend die Nachrichten über Jesus in der Bibel Geschichte und Verkündung auf eine schwer zu entwirrende Weise vermischen, ist in der Überlieferung zu Pilatus das Historische vom Legendären vergleichsweise leicht zu tren­ nen. d. Unser Wissen über Pontius Pilatus beruht nur zum kleinsten Teil auf den Berichten der Evangelisten. Betrachten wir die Quellen in chronologi­ scher Reihenfolge, so steht am Anfang Philo mit dem neuzeitlichen Bei­ namen Judaeus, der ihn von mehreren anderen Autoren gleichen Namens unterscheiden soll. Philo stammt aus einer angesehenen und wohlhaben­ den Priesterfamilie aus Alexandria und wurde um 12 v. Chr. geboren. Phi­ los Bruder Tiberius Alexander bekleidete hohe römische Ämter, unter Kaiser Tiberius war er Arabarches, d. h. Vorsteher der zwischen Nil und Rotem Meer lebenden, teilweise nomadisierenden Araber. Alexander machte Stiftungen zugunsten des Jerusalemer Tempels und unterstützte Agrippa I (s. u. 12 k), dessen Tochter einen seiner Söhne heiratete. Dieser befreundete sich mit Kaiser Claudius. Ein zweiter Sohn, Philos Neffe, Ti­ berius Julius Alexander, wurde römischer Bürger, amtierte 46 bis 48 als Procurator von Judäa, stieg auf zum Präfekten von Ägypten und verei­ digte als erster römischer Beamter Truppen auf den zum Kaiser ausgerufe­ nen Vepasian (s. u. 81). An der Belagerung Jerusalems beteiligt, suchte er vergebens, den Tempel zu retten, wie Josephus (Bellum VI 4,3) berichtet. Über das Leben Philos selbst wissen wir weniger. Wir hören von einer Wallfahrt nach Jerusalem und einem Aufenthalt als Gesandter der alexan­ drinischen Juden in Rom im Jahre 40, wo er bei Caligula Beschwerde über die Ausschreitungen der Griechen führte (s. u. 12 g). e. Der ausführliche Bericht hierüber, bekannt unter dem Titel »Legatio ad Gaium«, enthält den Passus über Pilatus, der für uns bedeutsam ist (s. u. 6 k). Philo zeichnet hier und in der Schrift gegen den praefectus Aegypti Flaccus die wirklichen und vermeintlichen Feinde der Juden in den finster­ sten Farben und scheut sich vor keiner Übertreibung. Man fühlt sich an die Greuelberichte in den Büchern Esther, Judith und im Zweiten MakkabäerBuch erinnert. Daneben hat Philo eine Fülle von anderen, zumeist theologisch-philo­ sophischen Schriften verfaßt. Sie sollten erweisen, daß griechische Philo­ sophie und jüdische Lehre im Kern übereinstimmen. Ganz im Griechi­ schen verwurzelt und des Hebräischen nicht mächtig, interpretierte er die Septuaginta (s.o. 1 p) allegorisch, ähnlich wie die Mythen von den Stoikern ausgelegt wurden. Mit ihnen teilte er sein asketisches Ideal. Lieblingsautor Philos war indessen Plato. Dieser soll seine Weisheit auf dem Weg über Ägypten von Moses erhalten haben. Die Juden seien unter den Völkern das, was die Priester unter den Menschen seien, die Mittler zu Gott. Wenn

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Philo den Logos als den Dolmetscher (hermeneus) zwischen Gott und Welt anspricht, ja als den ältesten Sohn Gottes und als zweiten Gott be­ trachtet, nimmt er die Theologie des Evangelisten Johannes vorweg. Dies erklärt, daß er die Rezeption, die ihm das Judentum verweigert hat, im or­ thodoxen Christentum fand, wo er bisweilen als Kirchenvater angesehen wurde. f. Ebenfalls griechisch-sprachiger Jude war Flavius Josephus, unsere ausführlichste Quelle zu Pilatus. Über sein Leben wissen wir vergleichs­ weise gut Bescheid, weil er nicht nur in seinem Geschichtswerk öfter auf sich zu sprechen kommt, sondern auch eine Autobiographie (Vita) hinter­ lassen hat. Darin verteidigt er sich gegen die Angriffe des Justus von Tibe­ rias, der ihm Geschichtsfälschung im eigenen Interesse vorwarf, wohl nicht ganz zu Unrecht, wie einige sehr gewundene Passagen bei Josephus über seine Rolle im Jüdischen Krieg vermuten lassen. Nach seiner Philoso­ phie verwirklicht Gott die Gerechtigkeit auf Erden. Ein gelungener Betrug ist für Josephus ebenso wie ein böses Ende wohlverdient und himmlische Fügung, die Gute belohnt und Böse bestraft. Josephus wurde im Winter 37/38 n. Chr. zu Jerusalem geboren und stammte aus altem Priestergeschlecht. Seine Mutter war angeblich eine Hasmonäerin (s.o. 2 g). Als Jüngling machte er eine asketische Phase durch, lebte als Schüler eines Gottesmannes drei Jahre in der Wüste und schloß sich dann in Jerusalem den Pharisäern an. Mit 26 Jahren fuhr er zum ersten Mal nach Rom, um dort für befreundete Priester einzutreten, die der Procurator Felix fünf Jahre zuvor zur Aburteilung an den Hof gesandt hatte. Josephus erlitt Schiffbruch, wurde jedoch durch einen Segler aus Kyrene gerettet. In Rom vermittelte ihm ein jüdischer Schauspieler die Be­ kanntschaft mit Neros Frau Poppaea, die sein Anliegen unterstützte und ihn beschenkte. g. Zurückgekehrt fand er eine gegen Rom revolutionäre Stimmung vor. Glaubhaften Bedenken gegen die Siegeshoffnung zum Trotz stellte sich Jo­ sephus in den Dienst der jüdischen Sache und erhielt, gemeinsam mit zwei anderen Priestern vom Sanhedrin 67 n. Chr. den Auftrag, den militärischen Widerstand in Galiläa zu organisieren. Hier hat Josephus, wie seine Vita erkennen läßt, auf eine etwas undurchsichtige Art zwischen den verschie­ denen jüdischen Parteien, den Griechen und den Römern laviert. In Tibe­ rias versuchte er vergebens, die Zerstörung des von Antipas errichteten Pa­ lastes zu verhindern, dieser erregte den Zorn der Frommen, weil ihn Tier­ bilder schmückten (Vita 65). Von Vespasian in die Enge getrieben, verschanzte Josephus sich mit sei­ nen Truppen in Jotapata. Einleitend zu der ausführlichen Schilderung der Belagerung (Bellum III 7) beteuert er, lieber hundert Mal hätte er sterben wollen, als Verrat an seinem Vaterland und seinem Feldherrnrang zu bege­

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hen, obschon er glaubte, sich auf die Milde der Römer verlassen zu kön­ nen. Dann berichtet er ungeniert, wie er seine Haut mit verschiedenen Tricks zu retten versuchte, seine Leute dies aber verhinderten. h. Schließlich gelang ihm seine Rettung auf eine ingeniöse Weise. Nach 47 Tagen hatten die Römer die Stadt genommen, die letzten Verteidiger, die besten Leute des Josephus, nahmen sich das Leben. Er selbst aber flüchtete in eine trockene Zisterne. Dort traf er auf vierzig Männer, die sich bereits verproviantiert hatten. Das Versteck wurde den Römern verraten, sie schickten einen mit Josephus bekannten Offizier an den Eingang und forderten ihn unter Zusicherung seines Lebens auf, herauszukommen, an­ dernfalls wollten sie Feuer in die Höhle werfen. Josephus reinigte sich durch ein Gebet von dem Vorwurf des Verrats und wollte die Höhle ver­ lassen. Da aber traten ihm die Mitgefangenen mit blanker Waffe entgegen. Sie erinnerten ihn daran, wie viele Juden er während der Belagerung in den Tod für die Freiheit geschickt habe, und hielten ihm vor, „er sei ein anderer geworden“. Dies war gewiß unrichtig, denn auch zuvor hatte er Proben des Taktierens geliefert, bei denen er kein Mittel scheute, wie er in seiner Vita, stolz über den Erfolg, unverblümt erzählt. Die Eingeschlossenen schworen, lieber zu sterben als sich zu ergeben. Nun legt Josephus eine philosophische Predigt über die Verwerflichkeit des Selbstmordes ein, die mit dem Vorwurf der Feigheit belastet wird. Die Männer zücken die Schwerter; Josephus sieht, es wird ernst. Er verkündet: „Da wir den Ent­ schluß, gemeinsam zu sterben, nun einmal gefaßt haben, wollen wir, um den Selbstmord zu vermeiden, uns gegenseitig töten. In der Reihenfolge soll der jeweils später Erlöste den vor ihm Erlösten niederstoßen.“ Das Losen übernahm Josephus selbst, um seine Todesbereitschaft zu unter­ streichen: „Es wäre doch arg, wenn den Letzten die Reue ergriffe und er sein Leben rettete“. So starb einer nach dem anderen „in dem Bewußtsein, daß kurz darauf auch der Feldherr sterben würde, denn der Tod mit Jose­ phus schien ihnen angenehmer als das Leben“. Der aber besann sich dann doch eines Besseren. Als durch göttliche Fügung nur noch ein einziger Mitkämpfer übrig war, wollte Josephus seine Hand nicht mit dem Blut ei­ nes Landmannes beflecken und überredete diesen, mit ihm sich den Rö­ mern zu ergeben. i. Seine gute Aufnahme bei Vespasian verdankte Josephus einem gewag­ ten, aber gelungenen Spiel mit der Messiasprophezeihung (s. u. 8 t). Er wurde freigelassen und ging mit Titus nach Rom. Hier erhielt er das Bür­ gerrecht, übernahm das nomen gentile des Kaiserhauses „Flavius“ und er­ hielt eine Pension. In den Jahren danach schrieb er seine historischen Werke. Für unser Thema ist seine früheste Schrift über den Jüdischen Krieg (Bellum Judaicum) bedeutsam, vollendet um 78, ebenso seine um 93 fertiggestellte Jüdische Geschichte bis zum Ausbruch des Krieges 66

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n. Chr., überliefert unter dem irreführenden Titel »Jüdische Altertümer« (Antiquitates Judaicae). Das frühere, ursprünglich aramäisch verfaßte Werk wirbt bei den Juden um Verständnis für die Römer, beim späteren will er den Griechen und Römern das Judentum nahe bringen. Wie Philo bemüht er sich um Vermittlung. Philo ging es um jüdische und griechische Philosophie, Josephus um jüdische und römische Politik. Er legt Wert auf das hohe Alter der jüdischen Weisheit, betont die Fürsorge Gottes für sein Volk und begründet dessen Kalamitäten mit Gesetzesverstößen, während den Feinden der Juden als Feinden Gottes immer ein böses Ende droht. Philo und Josephus bringen Einzelheiten aus der Statthalterschaft des Pila­ tus, nichts jedoch zum Tode Jesu, sofern wir die nachfolgende, höchst zweifelhafte Stelle ausscheiden. j. In den Antiquitates (XVIII 3, 3) findet sich im Anschluß an den Aquaedukt-Konflikt des Pilatus (s. u. 6v) folgender, in der Forschung als Testimonium Flavianum bezeichneter Passus: „Um diese Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann (sophos aner), wenn man ihn denn überhaupt als Men­ schen bezeichnen kann. Denn er hat wunderbare Taten (paradoxa erga) vollbracht und war ein Lehrer aller, die an der Wahrheit Freude haben. Viele Juden und Griechen gewann er für sich, er war der Messias (christos). Als Pilatus hörte, daß einige unserer ersten Männer ihn anklagten, verur­ teilte er ihn zum Tod am Kreuz; aber die ihn zuerst lieb gewonnen hatten, hielten an ihm fest. Am dritten Tage erschien er ihnen wieder lebendig, denn die Propheten Gottes hatten dies und zahllose andere Wunder über ihn vorhergesagt. Bis heute ist die nach ihm benannte Gruppe (phylon) der Messianisten (Christianen) nicht verschwunden “. k. Seit Joseph Justus Scaliger und der Humanistenkritik im 16. Jahrhun­ dert ist die Echtheit jener Passage bezweifelt worden. „Diese Notiz“, schreibt Albert Schweitzer (S. 451), „ist entweder unecht oder so maßlos interpoliert, daß sie nicht mehr als glaubwürdiges Zeugnis angeführt wer­ den kann.“ Sie enthält Formulierungen, die einem gläubigen Pharisäer wie Josephus nicht zuzutrauen sind, namentlich das Bekenntnis, Jesus sei der Messias gewesen. Dennoch ist der Passus schon früh in den Text gelangt. Terminus post quem ist die Zeit um 250 n. Chr. Damals zitierte der Kir­ chenvater Origenes in seiner Polemik gegen Kelsos, den Christenfeind (I 47; II13), die Stellen aus Josephus über das Ende des Täufers Johannes und des Herrenbruders Jakobus zum Beweis, daß Josephus sehr wohl vom Christentum Notiz genommen habe, was Kelsos bestritt. In diesem Zu­ sammenhang wäre ein Verweis auf den Kreuzestod Jesu zu erwarten, wenn Origenes einen solchen bei Josephus gefunden hätte. Da er fehlt, stand ihm das Testimonium Flavianum offenbar nicht zur Verfügung. Dagegen hat dieser Abschnitt zur Zeit Constantins bereits im Josephus-Text gestanden, denn Euseb zitiert ihn um 320 n. Chr. in seiner Kirchengeschichte (I 11).

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Die Stelle müßte also zuvor, vielleicht von Euseb selbst, in das Werk des Juden eingeschmuggelt worden sein, um eine außerbiblische Beglaubigung der Passion vorweisen zu können. Die neuere Wissenschaft ist, im Gegensatz zu Adolf von Harnack (1913) und Richard Laqueur (1920) mit Eduard Norden (1913) und Eduard Meyer (1924, S. 206 ff), der Ansicht, daß es sich um einen christlichen Ein­ schub handelt, doch gibt es ebenfalls die These von einer bloßen Verfäl­ schung (Betz 1982, S. 580 f). In dem Fall hätte Josephus das von den Juden geforderte Pilatus-Urteil zwar verzeichnet, ein Christ aber die bekenntnishaften Bemerkungen über Jesus eingefügt. Noch jüngst wurde dies, Nor­ den ignorierend, vertreten (Bond 1998, S. 197; Crossan 1999, S. 17). Doch auch wenn Messias-Titel und Auferstehung als Zutat gestrichen werden, bleibt die dadurch unangetastete Bewunderung Jesu an dieser Stelle für Jo­ sephus unglaubhaft und die Unkenntnis der Stelle bei Origenes unerklär­ lich. Hätte Josephus die Christen wahrgenommen, so hätte er sie unter den „Philosophenschulen“ aufgeführt (s.o. 4 k). Das Testimonium Flavianum basiert auf den Evangelien und besitzt daher keinerlei eigenen Zeugnis­ wert, u. a. für die in der angelsächsischen Forschung daraus abgeleitete Mitschuld der Juden. l. Daß Josephus die Kreuzigung übergeht, ist keineswegs befremdlich. Als historisches Ereignis war sie einstweilen zu folgenschwach und als Tat des Pilatus lag sie quer zur Tendenz des Autors. Josephus beschreibt die Vorgeschichte des Jüdischen Krieges, ihn will er erklären, und dafür sind nur Reibungen und Zusammenstöße mit der Besatzungsmacht bedeutsam. Alle über Pilatus berichteten Handlungen dienen dieser Beweisabsicht oder werden ihr, wenn auch manchmal mühsam, dienstbar gemacht. Die Hinrichtung Jesu jedoch war, wenn wir uns im Vorgriff einmal auf die Evangelien verlassen (s. u. 7 v), eine Tat, die den Wünschen der Juden ent­ gegenkam und dem Einvernehmen zwischen Rom und dem Hohen Rat entsprang, daher sowohl dem Auswahlprinzip der berichtenswerten Er­ eignisse als auch dem Bild vom judenfeindlichen Statthalter widersprach. Ganz anders die Steinigung des Herrenbruders Jakobus Justus. Jose­ phus (Ant. XX 9,1) erwähnt sie, weil sie dem römischen Prokurator vor­ getragen wurde, der sie ahndete, indem er den verantwortlichen Hohen Priester Ananus durch König Agrippa II absetzen ließ (s. u. 12 q). Josephus nennt bei dieser Gelegenheit Jakobus den „Bruder Jesu, des sogenannten Christus“. Gewiß wußte Josephus auch vom Ende Jesu, hat es indes be­ wußt ignoriert. Diese Erwähnung Jesu gilt als echt. Mit dem „sogenann­ ten“ Christus distanziert sich Josephus von dem Messiasanspruch Jesu, wie das von einem frommen Juden zu erwarten ist. m. Im Jahre 1906 weckte Alexander Berendts, Professor für Kirchenge­ schichte in Dorpat, die Aufmerksamkeit für eine mittelalterliche Uberset-

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zung des »Bellum Judaicum« ins Altrussische, 1924 erschien der slawische Text auf deutsch. Berendts glaubte, daß hier eine Überlieferung vorliege, die auf die bezeugte, aber verlorene aramäische Urfassung des Josephus zu­ rückgehe, so daß man darin das älteste außerchristliche Zeugnis über Jesus zu besitzen meinte. Das aber war - wie Bickerman (1986, S. 172 ff) 1936 ge­ zeigt hat - ein Irrtum. Der „slawische Josephus“ kann nicht authentisch sein, denn er verwendet das spätantike »Testimonium Flavianum« und ge­ staltet es legendär aus. Jesus erscheint als göttlicher Wundertäter, einem En­ gel ähnlich. Er mißachtet den Sabbat, aber tut Gutes, und das Volk hofft, er werde es aus den Händen der Römer befreien, Pilatus töten und an seiner statt über die Juden herrschen. Die Hohen Priester aber fürchten die römi­ sche Übermacht und verraten Jesus an Pilatus. Dieser tötet viele Anhänger Jesu, ihn selbst aber findet er schuldlos. Jesus heilt das sterbende Weib des Pilatus und wird freigelassen. Nun bestechen die Schriftgelehrten den Landpfleger mit dreißig Talenten, darauf erlaubt er ihnen, Jesus entgegen ihrem Gesetz, das nur Steinigung vorsieht, zu kreuzigen. All dies ist - trotz neuerer Wiederbelebungsversuche der These von Berendts (Carmichael 1963) - wuchernde Legende christlicher Provenienz. n. Verläßlich hingegen ist das Zeugnis des Tacitus. Im Anschluß an den Brand Roms unter Nero im Jahre 64 berichtet Tacitus über die Christen­ verfolgung Neros. Der Kaiser war im Volksmund der Brandstiftung be­ schuldigt worden, um Baufreiheit für seine gigantische Domus Aurea zu gewinnen, und benötigte zu seiner Entlastung einen Sündenbock. Ihn fand er in den verhaßten Christen, den Juden der Juden. Tacitus schrieb zwar erst zu Beginn des zweiten Jahrhunderts, fußt aber auf außerbiblischen Dokumenten. In den »Annalen« (XV 44) lesen wir: Auctor nominis eius (sc. Christianorum) Christus Tiberio imperitante per procuratorem Pontium Pilatum supplicio adfectus erat. - „Der Stifter jener Sekte Christus war unter der Regierung des Tiberius durch den Procurator Pontius Pila­ tus hingerichtet worden“. Der Ursprung jenes Übels (origo eius malt) liege in Judäa. Über Ort, Grund und Form der Hinrichtung sagt Tacitus nichts. Unklar ist, woher Tacitus sein Wissen hat, möglicherweise geht es mittel­ bar auf Christen in Rom zurück. Anderenfalls hätte er wohl von Jesus, nicht von Christus geschrieben. Zu denken wäre an die Bekanntschaft mit einem Richter aus den Christenprozessen. Aus der Tatsache, daß Tacitus so knapp referiert, könnte man folgern, daß er das Nähere bei seinen Le­ sern als bekannt voraussetzte, wenn er im 5. Buch seiner Annalen, wo die entsprechenden Jahre des Tiberius dargestellt waren, den Jesusprozeß be­ handelt hat. Da er aber darauf nicht verweist, scheint er ihn nicht erwähnt zu haben. Das fünfte Buch ist nur fragmentarisch erhalten. - Die zahlrei­ chen jüngeren literarischen Quellen zu Pilatus benutzen die eben genann­ ten oder sind legendär.

Außerbiblische Quellen zu Pilatus

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o. Bemerkenswert sind fernerhin die archäologischen Zeugnisse. Pilatus hat, wie seine Vorgänger Coponius, Ambibulus und Gratus und sein Nachfolger Felix, Bronzemünzen ausgegeben. Sie setzen die Hasmonäerprägungen fort, die unter Claudius zwischen 41 und 44 n. Chr. nochmals kurz auflebten, als Agrippa I regierte. Die Stücke sind verzeichnet bei Hill (1914). Sie entsprachen dem seleukidischen Dilepton und dienten dem ört­ lichen Kleinhandel; für größere Geschäfte benutzte man römische Denare, die ebenfalls im Lande kursierten. Die Provinzialprägungen tragen aller­ dings nicht die Namen der Präfekten und Procuratoren; bestimmbar sind sie durch den Typus. Pilatus prägte drei Serien. Die Exemplare der ersten zeigen auf der Vorderseite drei an den Halmen verbundene Ähren, darum herum die Umschrift der durch Augustus testamentarisch in die gens Iulia aufgenommenen Kaiserin und Kaisermutter Livia auf Griechisch Ioulia Kaisaros, auf der Rückseite ein Opfergefäß (simpulum) mit der Um­ schrift Tiberiou Kaisaros und das 16. Regierungsjahr, das heißt 29/30 n. Chr. Die zweite Serie trägt vorn einen lituus, den Krummstab der Augu­ ren, umschriftet Tiberiou Kaisaros; hinten das Datum in einem Kranz, das 17. Jahr, das heißt 30/31. Die dritte Serie gleicht der zweiten, nur ist sie auf das 18. Jahr, das heißt 31/32 datiert. Der Name der Livia ist nach der er­ sten Serie verschwunden, weil die Kaiserin im Jahre 29 gestorben war. p. Die Daten auf den Pilatus-Münzen bestehen aus drei Zeichen: LIF, L IZ und L IH. Die beiden letzten Buchstaben bezeichnen jeweils die ge­ nannten Regierungsjahre durch die Zahlenwerte in griechischen Buchsta­ ben: Iota-Digamma (IF) für 16, Iota-Zeta (IZ) für 17 und Iota-Eta (IH) für 18. Das Zeichen davor ist kein lateinisches L, sondern ein Symbol unge­ klärter Herkunft mit der Bedeutung „Jahr“. Möglicherweise stammt es aus dem Demotischen, denn seit Ptolemaios IV begegnet es auf ägyptischen Münzen. Doch könnte es auch phönikischen Ursprungs sein: Der Buch­ stabe L hat im Phönikischen den Zahlenwert 12, was vielleicht auf die Mo­ nate deutet. Jedenfalls finden wir es auf phönikischen Geprägen von Ara­ dos, auf jüdischen Herrschermünzen, so denen des Herodes Antipas und

Bild 9. Bronzemünze des Pilatus. Vorn Simpulum (Opferkanne), umschriftet TIBE­ RIOU KAISAROS L (Jahr) IF (16, gerechnet nach Regierungsbeginn des Tiberius 14 n. Chr., also 29/30 n. Chr.), hinten Ährenbündel, umschriftet IOULIA KAISAROS, nadh Reicke/Rost.

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Bild 10. Bronzemünze des Herodes Antipas aus Tiberias. Vorn Palmzweig, umschriftet HERODES TETRARCHES, L (Jahr) MG (43, gerechnet nach Regierungsbeginn des Antipas 4 v. Chr. also 38/39 n. Chr.); hinten Kranz, umschriftet GAIO KAISARI GERMAN(IKO) - „für Gaius Caesar Germanicus“ (Caligula), nach Reicke/Rost.

auf kaiserlichen Tetradrachmen Alexandrias bis in die Zeit Diocletians um 300 n. Chr. Die von Pilatus gewählten Embleme gehören der römischen Religion an. Dies wurde mitunter als bewußter Affront gegen jüdisches Empfinden gewertet. Was hätte dies bezwecken sollen? Fühlten sich Juden je durch heidnische Zeichen auf Münzen beleidigt? Derartiges ist nicht einmal für die herodianischen Münzen mit dem Kaiserkopf anzunehmen. Schon Alexander Jannaeus hatte seleukidische Embleme übernommen. Das Gleichnis vom Zinsgroschen bei Matthäus (22,15 ff) hätte Anlaß geboten, die Thematik anzusprechen, aber offenbar erregte das Münzporträt des Kaisers ebensowenig Anstoß wie der Kopf des Herakles auf den Silber­ stücken der Tempelsteuer (s.o. 3 v). Insofern ist auch kein Zusammenhang zwischen dem unerklärten Ende der Prägung 31 und dem Sturz des angeb­ lich judenfeindlichen Prätorianerpräfekten und Reichsverwesers Sejan an­ zunehmen (s. u. 6 y). Kultgeräte waren in Rom auf Münzen geläufig, auch Valerius Gratus, der Vorgänger des Pilatus, verwendete im Jahre 16/17 sa­ krale Münzembleme: den Heroldsstab des Hermes mit gekreuzten Füll­ hörnern. Ein Religionskrieg mit Symbolen lag den Römern fern. Dafür gibt es kein Beispiel. q. Unsere wichtigste archäologische Quelle ist die Pilatus-Inschrift aus Caesarea Maritima. Sie wird heute im Israel-Museum in Jerusalem aufbe­ wahrt. Ihre Entdeckung im Jahre 1961 war eine Sensation. Auf einem später im 4. Jh. n. Chr. - als Treppenstufe im römischen Theater wieder­ verwendeten 82 cm hohen Stein fand sich eine fragmentarische lateinische Inschrift: ...S TIBERlfiVM ...NTIVS PILATVS ...ECTVS IVDAEAE ....£... Pontius Pilatus erscheint mit vollem Namen, nur die ersten beiden Buchstaben fehlen, ebenso das abgekürzt zu denkende unbekannte Prae-

Außerbiblische Quellen zu Pilatus

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nomen, T für Titus, M für Marcus oder was auch immer. Kopfzerbrechen hat zunächst der Amtstitel gemacht. Die Inschrift nennt ihn Praefectus Judaeae, Tacitus aber schreibt Procurator Judaeae. Die Diskrepanz verliert an Gewicht, wenn wir bedenken, daß die Begriffe procurator und praefec­ tus beide Male für Beamte ritterlichen Standes verwendet wurden, wobei procurator allerdings eher dem zivilen, finanziellen Bereich, praefectus ge­ wöhnlich dem militärischen Sektor angehört. Da Pilatus über Hilfstrup­ pen (auxilia) verfügte, ähnlich wie die unter Tiberius in Moesien und Raetien regierenden Praefekten, hätte die Bezeichnung praefectus die höhere Wahrscheinlichkeit auch dann für sich, wenn sie nicht durch die Authenti­ zität der Inschrift gesichert wäre. Der Mommsenschüler Otto Hirschfeld hat bereits in einer Berliner Akademieabhandlung von 1889 (ders. 1905, S. 384 f) bemerkt, daß Tacitus in der Amtsbezeichnung einem Irrtum erlegen sei. Ein Mommsenschüler darf Tacitus berichtigen, denn unsere Inschrift bestätigt Hirschfelds These. Der Wechsel in der Titulatur ist damit zu erklären, daß seit der Wiederein­ richtung der Provinz Judäa 44 n. Chr. unter Claudius (s. u. 121) die ritterli­ chen Statthalter generell als Procuratoren bezeichnet wurden. Tacitus hat mithin die spätere Terminologie anachronistisch auf die Zeit unter Tibe­ rius übertragen. Eine andere Verformungstendenz liegt bei dem Kirchen­ vater Lactanz vor, der um 300 nach Christus in seinen »Divinae Institutiones« (IV 18,4) Pilatus zum Legaten von Syrien aufgewertet hat. Die kaiser­ lichen Procuratoren bezogen ein Jahresgehalt zwischen 60000 und 300000 Sesterzen, für Pilatus ist mit Hirschfeld eine Summe von 100000 anzuneh­ men. r Größere Schwierigkeiten machen Ergänzung und Deutung der ersten und der vierten Zeile unserer Inschrift. Genannt wird ein „Tiberieum“, das heißt ein dem Kaiser Tiberius gewidmeter Bau. Nach Kaisern benannte Gebäude waren nicht selten. Selbst aus Caesarea kennen wir eines: das Sebasteion, lateinisch Augusteum, das von Herodes für den Kult des Kaisers Augustus und der Göttin Roma errichtete Heiligtum (s.o. 2 p). Tempel für den Kaiserkult unter dem Namen Caesareum oder Augusteum gab es ebenso in anderen Orten Judäas und sonst im Reich. Josephus nennt sol­ che in Samaria/Sebaste, Paneion/Caesarea Philippi und „vielen anderen Städten“. Tacitus (Ann. IV 37) bezeugt die Scheu des Tiberius gegenüber kultischer Verehrung. Vor dem Senat läßt er den Kaiser erklären: „Ich bin ein Sterblicher und muß Menschenpflichten erfüllen. Bewahrt mir die Nachwelt ein gutes Gedächtnis, so habe ich einen Tempel in ihrem Her­ zen.“ Dennoch gab es im ganzen Reich Priester und Kultstätten für Tibe­ rius (Orth 1970, S. 112). Wenn gleichwohl bei dem Tiberieum eher an ei­ nen Profanbau zu denken ist, spricht dafür die Episode mit den Ehren­ schilden für Tiberius aus der Statthalterzeit des Pilatus (s. u. 6 n): Nach

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Kapitel 5

NAVUJIteERIE^A ’PONTTVSPILAIVS PRAEFE®5MMEAE

REFELsT Bild 11. Die Pilatus-Inschrift von Caesarea Maritima, gefun­ den 1961. Links Umzeichnung nach Reicke/Rost, rechts Er­ gänzung nach Alföldy 1999. Vor dem Gentil-Namen PON­ TIUS stand sicher der Vorname in Abkürzung.

Philo (Legatio 305) hängte Pilatus sie am Sebasteion auf. Da es in Caesarea ein Tiberieum gab, wäre das der gegebene Ort gewesen, vorausgesetzt, es war ein Kultbau. Pilatus aber ließ die Schilde nicht am Tiberieum anbrin­ gen, darum dürfen wir in diesem einen Nutzbau erblicken. s. Für Profanbauten mit Kaisernamen bietet Josephus ebenfalls Bei­ spiele. So benannte Herodes Anbauten an der Antonia-Festung und Gä­ stehäuser nach Augustus und Agrippa (Bellum I 21, 1 ff). Insbesondere Türme erhielten Namen hochgestellter Freunde. Den höchsten Turm an der Hafenmauer in Caesarea nannte Herodes Drusion (sic) nach Drusus, dem Stiefsohn des Augustus und Bruder des Tiberius (Bellum 121,6). Auf diesen Quellenbefund gründet Geza Alföldy (1999) den Vorschlag, das Ti­ berieum ebenfalls auf einen Turm zu beziehen. Wenn das Drusion auf ei­ ner der beiden Molen als Leuchtturm diente, wie vermutet wurde, dann dürfte auf der anderen der Turm des Tiberius gestanden haben. Das Brü­ derpaar war berühmt für seine Eintracht. Aus dieser Zweckbestimmung des Tiberieums leitet Alföldy nun auch seine Ergänzung des ersten Wortes der Inschrift ab: [NAVTIJS, den Seeleuten. Ihnen habe Pilatus das Tibe­ rieum hergerichtet. Das in der vierten Zeile verlorene Prädikat ergänzt Alföldy mit Rücksicht auf den Raum zu [REF]fi[CIT]. Damit gewinnt der Text nach links die erforderte Symmetrie. Die Inschrift besagt demnach, daß Pilatus den Tiberius-Turm erneuert habe, er muß also schon vorher dort gestanden haben.

Außerbiblische Quellen zu Pilatus

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t. Für zwei am Prozeß Jesu beteiligte Juden gibt es möglicherweise eben­ falls inschriftliche Zeugnisse. Die erste betrifft Simon aus Kyrene, den Va­ ter von Alexander und Rufus, der nach dem Markus-Evangelium (15, 21) genötigt wurde, das Kreuz Jesu zur Richtstätte zu tragen. 1941 wurde im Kidrontal ein Knochenbehälter, ein Ossuarium aus dem 1. Jh. n. Chr. ge­ funden, das in einem cyrenäischen Familiengrab stand und einem Alexan­ der, Sohn des Simon gehörte, wie die Namensaufschrift lehrt. u. Die jüngste epigraphische Überraschung stammt aus dem Jahre 1992, als die bereits zwei Jahre zuvor in Jerusalem gefundene Inschrift auf dem Ossuarium des Kaiphas publiziert wurde. Es handelt sich höchst wahr­ scheinlich um jenen Hohen Priester, der Jesus an Pilatus auslieferte. Sei­ nem vollen Namen bei Flavius Josephus (Ant. XVIII 2, 2) „Iösepos ho Kaiaphas“ entspricht die Inschrift „Yehosef bar Qayafa“ - Joseph, der auch Kaiphas hieß. v. Zu den für die Geschichte Jesu und daher auch mittelbar für die des Pilatus bedeutsamen Quellen gehört schließlich der Titulus Tiburtinus (Dessau 918), die 1764 bei Tibur gefundene Grabinschrift des Publius Sulpicius Quirinius, der im Jahre 6 n. Chr. den Census in Judäa durchgeführt hat (s.o. 3r). Das Problem dieser seit dem 18.Jh. bekannten Inschrift be­ steht in dem fehlenden Namen. Sie lautet mit den sicheren Ergänzungen: REGEM, QVA REDACTA IN POTESTATEM IMPERATOR« CAESARIS AVGVSTI POPVLIQVE ROMANI SENATVS DIS IMMORTALIBVS SVPPLICATIONES BINAS OB RES PROSPERE AB EO GESTAS ET IPSI ORNAMENTA TRIVMPHALIA DECREVIT, PRO CONSVLE ASIAM PROVINCIAM OPTINVIT, LEGATVS PRO PRAETORE DIVI ÄVGVSTIITERVM SYRIAM ET PHOENICEN OPTINVIT

. .den König, nachdem dieses Volk unter die Herrschaft des Imperator Caesar Augustus und des römischen Volkes gebracht worden war, be­ schloß der Senat angesichts der von ihm (d. h.: von dem im verlorenen Teil der Inschrift genannten Senator) erfolgreich vollbrachten Taten zweima­ lige Dankopfer an die Unsterblichen Götter und für ihn selbst die (Verlei­ hung der) Rangabzeichen eines Triumphators. Als Prokonsul erhielt er die Provinz Asia. Zum zweiten Mal Legat des vergöttlichten Augustus mit proprätorischer Vollmacht erhielt er Syria und Phoenice....“. w. Der schon von Borghesi auf Quirinius erwogene Bezug wurde von Theodor Mommsen 1883 bestätigt, sodann neben vielen anderen durch Sir Ronald Syme bestritten, jedoch 1997 durch Geza Alföldy bewiesen. Qui­ rinius, der unter Tiberius starb und auf dem Gelände seiner Villa in Tivoli bestattet wurde, dürfte als homo novus aus Lanuvium in prätorischem Rang Proconsul von Kreta und Kyrene gewesen sein und nach seinem Konsulat 12 v. Chr. als Legat zum ersten Mal um 4 n. Chr. in Zentralanato-

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Kapitel 5

lien Galatien und Pamphylien verwaltet haben, wo er die unbotmäßigen Homonadenses niederschlug, die den römischen Klientelkönig Amyntas getötet hatten. So wie das Ossuar des Kaiphas bringt die Quirinius-Inschrift keine neuen Einsichten in die Geschichte von Pilatus, bestätigt aber gundlegende Aussagen der literarischen Quellen. x. Unter den außerbiblischen Quellen zum Tode Jesu wird bisweilen noch das syrische Mahnschreiben des Mara bar Sarapion an seinen Sohn angeführt. Es ist überliefert in einer Sammelhandschrift aus der Zeit um 600 n. Chr., die vor allem das »Buch der Gesetze der Länder« des Gnosti­ kers Bardesanes aus dem frühen 3. Jahrhundert enthält. Der Text ist ein philosophischer Lehrbrief in stoischem Geiste, der inmitten der irdischen Unbill zum tugendhaften Leben aufruft, durch seine persönlichen Anspie­ lungen aber durchaus privaten Charakter zeigt. Der Vater schreibt aus dem Gefängnis und erhofft von den Römern die Erlaubnis zur Rückkehr in seine Heimatstadt Samosata am oberen Euphrat, aus der Freunde und An­ gehörige nach Seleucia zu ziehen genötigt worden waren. Wenn die Ge­ waltherrscher sich an den Weisen vergriffen, dann treffe sie die Vergeltung. Als Beispiele führt Mara an: das Schicksal der Athener nach der Verurtei­ lung des Sokrates, das der Samier nach der Verbrennung (?) des Pythagoras und das der Juden, nach der Hinrichtung ihres „weisen Königs“. Sie seien getötet oder in die Zerstreuung vertrieben worden, doch der „weise Kö­ nig“ lebe fort durch die neuen Gesetze, die er gegeben habe. Gewiß ist der „weise König“ Jesus und die Strafe der Juden die Zerstö­ rung Jerusalems. Möglicherweise handelt es sich hier um das älteste Zeug­ nis für die später geläufige Annahme dieser höheren Vergeltung, denn un­ ter den strittigen Datierungen spricht der früheste, neuerdings durch Fer­ gus Millar (1994, 460 ff) wieder erwogene Vorschlag durch Ewald (1856) am ehesten an: Josephus (Bellum VII 7,1 ff) berichtet von der Flucht des „Großkönigs“ (so seine Münzen) Antiochus IV von Commagene aus sei­ ner Hauptstadt Samosata, als die Römer anrückten, und von seinem späte­ ren unfreiwilligen Aufenthalt in Kilikien, wo eine der drei in Frage kom­ menden Städte namens Seleucia liegt, das heutige Silifke. Der Vorgang fällt ins Jahr 72 n. Chr., so daß wir hier den ersten Hinweis einer außerbibli­ schen Quelle auf Jesus vor uns hätten, noch vor Josephus (Ant. XX 9, 1) und Tacitus (Ann. XV 44). y. Die im jüdischen Schrifttum der Spätantike, in Mischna, Tosefta und Talmud überlieferten Bemerkungen über den Nazarener sind mitunter als Quellen herangezogen worden, werden heute jedoch nicht mehr als au­ thentische Zeugnisse für den historischen Jesus anerkannt. Es handelt sich um Reflexe der christlichen Legendentradition, das heißt um Rezeption des Gekreuzigten bei den Juden. Insofern haben wir hier Dokumente der jüdisch-christlichen Auseinandersetzung, nicht aber zusätzliche Informa-

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tion über Jesus (Betz 1982, S. 568). Pilatus wird nie erwähnt. Zutreffend schrieb bereits Moses Mendelssohn am 15. Januar 1771 an Lavater: „Wir besitzen übrigens, unserer Seits, von jener großen Begebenheit keine zu­ verlässigen Nachrichten, keine Aktenstücke, keine Berichte, die wir den Ihrigen entgegensetzen könnten“. z. Aufs Ganze gesehen, ist die Information aus den außerbiblischen Quellen für die Statthalterschaft des Pilatus, der wir uns nun zuwenden, dürftig. Das gilt insbesondere für den Prozeß Jesu. Im Rahmen der Zeitge­ schichte war er zunächst eine bloße Episode, andernfalls hätten die übri­ gen antiken Quellen zur Regierung des Tiberius ein Wort darüber verlo­ ren. So wie der Apostel Paulus und seine vielfältige Wirksamkeit von kei­ nem antiken Autor erwähnt wird, ignorieren außer den genannten Auto­ ren alle in Frage kommenden Zeugen Leben, Lehre und Leiden von Jesus, als da sind: Philo, Josephus, Cassius Dio, Sueton, Velleius Paterculus und die späteren Epitomatoren um Aurelius Victor, so wie sie auch andere Un­ ruhestifter nur dann erwähnen, wenn es zu größerem Blutvergießen kommt. Abertausende sind am Kreuz gestorben, ohne daß man ihrer ge­ dachte. Tacitus (Historien V 9), der ja wußte, daß Pilatus Jesus hingerichtet hat, schreibt gleichwohl lakonisch über Judäa: sub Tiberio quies - unter Ti­ berius herrschte Ruhe im Lande. Für den Historiographen heißt dies: Es gibt nichts zu berichten. Die Kreuzigung eines - so schien es - galiläischen Winkelpropheten und Möchtegern-Messias war eine Bagatelle.

6.

Pilatus

als Statthalter

a. Schimon ben Gamliel Vorgänger Pilati: Coponius b. c. Ambivius Valerius Gratus d. e. Name des Pilatus Herkunft f. g. Titel Laufbahn h. i. Amtszeit Bilderverbot jk. Philo: Goldschilde Tiberius m. Ehrenschilde Sebasteion und Tiberieum n. o. Feldzeichen Stadion Pq. Dasselbe Ereignis? Kaiserstatue r. s. Schweinekopf Vertreibung unter Tiberius t. u. Verbannung nach Sardinien Wasserleitung v. w. Tempelschatz Blut der Galiläer x. y. Sejanus Judenfeind? Pilatus Werkzeug Sejans? z.

l.

Lugent omnes provinciae, queruntur omnes Liberi populi. Cicero

a. Rabban Schimon ben Gamliel sprach: „Auf drei Dingen beruht der Bestand der Welt: auf dem Recht, auf der Wahrheit und auf dem Frieden.“ Kein Römer hätte das besser formulieren können, doch bleibt zu fragen: Wessen Recht? Wessen Frieden? Wessen Wahrheit? Die Antwort ist in zwei Fällen für Pilatus unstrittig: Er hatte die Aufgabe, mit Hilfe des römi­ schen Rechtes die Pax Romana zu sichern. Beides konnte man sich ohne eine Garantiemacht nicht vorstellen. Das gilt nicht nur für die Inhaber der Herrschaft, sondern ebenso für alle Teilhaber und Nutznießer derselben, und das waren im Imperium Romanum anteilmäßig mehr Angehörige als in anderen Weltreichen der Geschichte. Im dritten Fall freilich bleibt die Frage offen. Die Wahrheit ist keiner Macht unterworfen. Sie selbst ist eine Macht; ihr muß sich unterwerfen, wer an ihr Teilhabe und Nießnutz be­ gehrt. b. Pilatus, bekannt für seine Distanz zur Wahrheit, war der fünfte der Präfekten von Judäa. Über seine Vorgänger ist außer den Namen und Zei­ ten wenig bekannt. Als Augustus 6 n. Chr. das Land auf jüdischen Wunsch zur Provinz gemacht hatte, unterstellte er sie dem römischen Ritter Coponius. Dieser trat nun an die Stelle des verbannten Herodes-Sohnes und Ethnarchen Archelaus. Coponius besaß zwar, wie Josephus (Bellum II 8, 1) bezeugt, die exousia ton kteinein, lateinisch das ins gladii, blieb aber dem Legaten von Syrien, dem gleichzeitig ernannten Publius Sulpicius Quirinius (s.o. 2 z) verantwortlich. Die Unruhen, mit denen Coponius zu tun hatte, sind unten im Zusammenhang mit den messianischen Bewegungen behandelt (s. u. 8 m). Josephus (Ant. XVIII 2,2) berichtet noch von einem Passah-Fest aus seiner Zeit, bei dem die Samaritaner im Tempel Menschen­ knochen verstreut und ihn dadurch verunreinigt hätten, so daß man den Zugang fortan schärfer bewachte. Coponius amtierte bis 9 n. Chr. An ihn erinnert das auf den Tempelberg führende Qiphonos-Tor, das er vermut­ lich hatte errrichten oder ausbessern lassen. c. Sein Nachfolger Marcus Ambivius oder Ambibulus (die Namensform ist strittig) hatte offenbar keine Probleme im Lande, er bleibt daher im Dunkeln. Wir hören nur von Josephus (Bellum II 9,1), daß damals Salome, die intrigante Schwester Herodes* des Großen, starb und der Kaiserin Ju­ lia, d. h. der von Augustus durch testamentarische Adoption in die gens

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Iulia aufgenommenen Livia, beträchtliche Erbschaften hinterließ. Schon Herodes hatte in seinem Testament den Kaiser bedacht und dies gewiß nicht bis zu seinem Tode geheimgehalten. Man brauchte den Großen Bru­ der im Westen. Im Jahre 12 n. Chr. folgte als dritter Annius Rufus in der Präfektur. Während seiner Amtszeit starb Augustus am 19. August 14. d. Der vierte, nun von Tiberius ernannte praefectus Iudaeae war seit 15 n. Chr. Valerius Gratus. Dieser hatte mit einem Räuberkönig zu tun (s. u. 81) und griff in die Leitung des Tempels ein. Viermal wechselte er den Ho­ hen Priester aus. Das hatte seltsamerweise nie Beschwerden der Juden zur Folge, könnte aber auf solche zurückzuführen sein. Als letzten ernannte er 18 n. Chr. Joseph, der auch Kaiaphas hieß. Er ist der biblische Kaiphas. Daß dieser ungewöhnlich lange, bis 36 n. Chr. amtierte, mag Zusammen­ hängen mit seinem guten Verhältnis zu dem Kaiserneffen Germanicus, der 17 bis 19 im Orient regierte, und dann zum Nachfolger des Gratus, zu Pi­ latus. e. Tiberius pflegte, wie Tacitus (Annalen IV 6) bemerkt, seine Statthalter lange auf ihren Posten zu belassen. Das gilt auch für die Präfekten von Ju­ däa. Auf die elfjährige Amtszeit des Gratus folgt von 26/27 bis 36/37 die fast ebenso lange des fünften Präfekten Pontius Pilatus. Zunächst zu sei­ nem Namen! Die klassische römische Namensform besteht aus drei Tei­ len. Vorname (praenomen), Geschlechtsname (nomen gentile) und Bei­ name der Familie (cognomen). Wenn „Pontius“ - nur bei Lukas 3, 1 be­ zeugt - mit lateinisch pons zusammenhängt, könnte man den Namen mit „Brückner“ übersetzen. Den Vornamen des Pilatus kennen wir nicht; ob er Titus oder Marcus oder wie auch immer gelautet hat, bleibt unbekannt. Se­ hen wir davon ab, daß Pontius im Oskischen auch als Vorname erscheint, fassen wir in den Pontiern ein uns wohlbekanntes Geschlecht der späten Republik und der Kaiserzeit. Mehrere Männer werden bei Cicero genannt; einer von ihnen, Pontius Aquila, befand sich unter den Mördern Caesars. Da er Volkstribun war, handelt es sich um eine plebejische Familie, die in den Ritterstand, den ordo equester aufgestiegen war. Pauly/Wissowas »Realencyklopädie der classischen Altertumswissenschaft« nennt insge­ samt 68 Personen mit diesem Familiennamen, doch kann es auch mehrere Familien Pontius gegeben haben. f. Indizien sprechen für eine Herkunft der gens Pontia aus Samnium. Unter der Führung des Samniten Gaius Pontius, Sohn des Herennius, er­ litten die Römer 321 v. Chr. eine ihrer empfindlichsten Niederlagen. In den Caudinischen Pässen eingekesselt, kapitulierten die Consuln und wurden „unters Joch geschickt“. Aus drei Speeren bastelte man ein Tor, durch das die Besiegten Mann für Mann gebeugten Hauptes hindurchgehen mußten. Livius (IX 1), der unter Augustus diese Szene beschreibt, bezeugt die da­ mit verbundene Schmach für den Römerstolz. Im Bundesgenossenkrieg 90

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v. Chr. gab es dann einen samnitischen Feldherren Publius Pontius Telesi­ nus, das heißt aus Telesia, der sich auf den oben genannten Ahnherren zu­ rückführte (Velleius II 16,1). Er starb für Marius im Bürgerkrieg 82 v. Chr. Der Beiname „Pilatus“ ist außerhalb der Bibel nicht literarisch, wohl aber epigraphisch bezeugt: Eine Stammsitz-Inschrift aus dem Amphitheater von Syrakus, die Mommsen Alfiani et Pilati las (CIL. X 7130,18), hat sich als. Irrtum erwiesen, dort steht Alfiani et Philatimi (Gradante 1997). Verläß­ lich scheint die Pilatus-Inschrift aus Ameria in Umbrien (CIL. XI4396). Sie befand sich an der Kirche des Heiligen Secundus, galt einem städtischen Be­ amten, einem Quattuorvir namens Pilatus und hat zu der Lokaltradition geführt, daß die Familie des Pontius Pilatus in dieser Stadt zuhause sei: vetus esse traditio Pilatam familiam esse Amerinam sicut et ipsum Pontium Pilatum, so der im »Corpus Inscriptionum Latinarum« zur Stelle zitierte »Codex Barberinianus«. Dieses, nach dem Kardinal Franciscus Barberini benannte, heute im Vatikan befindliche Sammelwerk aus dem 17. Jahrhun­ dert enthält unter anderem die Ende des 16. Jahrhunderts zusammengetra­ genen Inschriften des Archipresbyters Cosimo Brancatelli aus Ameria, der die inzwischen verlorene Pilatus-Inschrift aufgezeichnet hat. Die Bedeutung des Beinamens ist nicht klar, mehrere Ableitungen sind möglich. Berücksichtigen wir, daß die Stammsilbe pil- lang ist, wie die Buchstabenform der Inschrift aus Caesarea (Jota longa) lehrt, so wäre zu denken an pilatus -„mit dem Wurfspeer (pilum) bewaffnet“, oder an pila­ tus - „eingepflanzt“, vonpila - „Pfeiler“, doch könnte der Name auch von pileus abgeleitet sein und ursprünglich Pileatus gelautet haben. Pileus ist die Filzkappe, die den Sklaven bei ihrer Freilassung aufgesetzt wurde, die Freiheitsmütze, später in der Französischen Revolution als „phrygische Mütze“ berühmt geworden. Brutus prägte sie auf die Gedenkmünzen zur Befreiung Roms vom Tyrannen Caesar. Der Berg namens Pilatus bei Lu­ zern ist zwar schon im Mittelalter mit der Pilatuslegende verquickt wor­ den, doch dürfte dessen alte Namensform auch Pileatus, „der mit einer Haube, nämlich von Schnee, Bedeckte“ gelautet haben (s. u. 13 v). Auf ägyptischen Papyri findet sich der griechische Name Peilatos oder Pilatos, zweimal in antoninischer Zeit und fünfzehnmal nach Constantin (Solin 1970), vermutlich in Anlehnung an den bei den Kopten christianisierten Landpfleger (s. u. 13o). g. Was melden nun die antiken Autoren über Pilatus? Wenig! Und doch mehr als über andere: Pilatus ist der am besten dokumentierte Statthalter Judäas. Sein Titel lautet bei Matthäus (27, 2; 11) unspezifisch hegemön (Führer, Herrscher), in der Vulgata, der lateinischen Bibel des Hierony­ mus, wiedergegeben mit praeses (Vorsitzender, Vorsteher), bei Luther „Landpfleger“. Die übrigen Evangelisten geben ihm keinen Titel. Philo (Legatio 299) und Josephus (Bellum II 9,2) nennen ihn epitropos (Verwal-

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ter, Vorsteher), das ist das übliche griechische Äquivalent für lateinisch procurator, so wie auch Pilatus bei Tacitus (Annalen XV 44) bezeichnet wird. Die Vorgänger und die Nachfolger des Pilatus heißen bei Josephus in den Antiquitates auch eparchos (Kommandant, Befehlshaber), womit ge­ wöhnlich das lateinische Wort praefectus (Vorgesetzter, Aufseher) wieder­ gegeben wird. Praefectus war, wie wir aus der Inschrift von Caesarea wis­ sen (s.o), die korrekte Amtsbezeichnug des Pilatus. h. Im Staatswesen der frühen Kaiserzeit bezeichnet der Rang praefectus verschiedene, zumeist militärische Positionen. Die Stellung eines Statthal­ ters, wie Pilatus sie bekleidete, setzt bestimmte Vorstufen voraus. Nach der von Augustus neben dem cursus honorum der senatorischen Magistrate eingerichteten ritterlichen Laufbahn mußte ein Kandidat vor der Amts­ übernahme als Präfekt eine militärische Funktion als Centurio, Primipilus oder Tribun in einer Grenzlegion an Rhein oder Donau hinter sich haben. Wahrscheinlich kannte Tiberius unsern Statthalter. i. Die Amtszeit des Pilatus füllt die Jahre zwischen 26/27 und 36/37. Das ergibt sich aus der Nachricht bei Josephus (Ant. XVIII 4, 2), daß Pilatus nach zehnjähriger Amtsführung in Rom eintraf, wo Tiberius kurz zuvor gestorben war. Sein Tod fällt auf den 16. März 37. Die Dauer der Reise und der Zeitabstand zwischen dem Tod des Kaisers und der Ankunft des Pila­ tus sind schwer zu schätzen, daher ist eine Feinchronologie kaum möglich. Die Lage im Osten war unter Tiberius entspannt, so daß er nach dem Ende der Statthalterzeit des Saturninus zunächst keinen Legaten nach Syrien entsandte. Der vor 32 n. Chr. für das Amt vorgesehene Aelius Lamia hat das Land nie betreten (Tacitus, Annalen VI27), es wurde vermutlich kom­ missarisch durch Pacuvius, den Legaten der 6. Legion, verwaltet. j. Der Grund für die Berichterstattung der antiken Historiker über Pila­ tus liegt in den unter ihm entstandenen Konflikten mit den Juden. Reibun­ gen gab es zunächst wegen des jüdischen Bilderverbotes. Das zweite Ge­ bot nach der jüdischen Zählung lautet: „Du sollst dir kein Bildnis noch ir­ gendein Gleichnis machen... bete sie nicht an und diene ihnen nicht“. So steht es im 2. Buch Mose (20,4). Gemeint war die bildliche Verehrung Jah­ wes oder anderer Götter, doch wurde das Verbot von strenggläubigen Ju­ den so ausgelegt, daß es die Präsenz von Menschendarstellungen generell untersagte, insbesondere die des römischen Kaisers, dem ja kultische Ver­ ehrung zukam. Daß es noch weiter gefaßt werden konnte, bekam Pilatus zu spüren. Philo (Legatio 299 ff) zitiert einen langen Brief von Agrippa, dem Herodesenkel. Dieser will den Kaiser Caligula angesichts der Aus­ schreitungen in Alexandria (s. u. 12 g) an die judenfreundliche Haltung sei­ ner Vorgänger, namentlich des Tiberius, erinnern und schreibt: k. „Auch von seiner Großmut kann ich ein Beipiel erwähnen, obwohl ich zu seinen Lebzeiten zahllose Demütigungen erfahren habe. Aber die

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Wahrheit geht vor und ist Dir teuer. Pilatus, einer seiner Regierungsbeamten, war damals zum Verwalter von Judäa ernannt. Dieser ließ, weniger um Tiberius zu ehren, als um die Volksmenge zu kränken, im Herodespalast (basileia) der Heiligen Stadt vergoldete Schilde anbringen. Sie trugen keine figürliche Darstellung oder sonst etwas Verbotenes, sondern nur eine kurze Inschrift, die zweierlei nannte, den Namen des Weihenden und den des Geehrten. Als aber die Menge das bemerkte - denn die Sache war schon Stadtgespräch -, wählte sie zu ihren Sprechern die vier Söhne des Königs, die in Rang und Würden Königen gleichstanden, weitere Nach­ kommen von Herodes und Würdenträger des Volkes. Durch diese ersuch­ ten sie Pilatus, die anstößigen Schilde zurückzunehmen und die Vätersitte nicht anzutasten, die seit Urzeiten geachtet und von Königen und Kaisern unverletzt geblieben war. Pilatus lehnte es schroff ab. Er war nämlich von Natur aus unbeugsam, eigenwillig und unnachgiebig. Darauf schrieen sie: ,Errege keinen Aufstand! Entfessele keinen Krieg! Brich nicht den Frie­ den! Entehrung alter Gesetze bedeutet keine Ehrung für den Kaiser. Tibe­ rius sei Dir nicht Vorwand für eine Kränkung des Volkes! Der will nicht, daß ein Stück von unserer Tradition beseitigt wird. Behauptest Du es aber, so weise selbst einen Befehl, einen Brief oder etwas Ähnliches vor, damit wir Dir nicht länger lästig sind, Gesandte wählen und unsere Bitten vor den Herrscher tragen/ /. „Dieser letzte Vorschlag“ - so weiter Agrippa bei Philo - „brachte Pi­ latus besonders in Erregung, denn er fürchtete, man werde wirklich eine Gesandtschaft schicken und sich über seine sonstige Amtsführung be­ schweren. Dabei könnte man seine Bestechlickeit, seine Gewalttätigkeit, seine Räubereien, Mißhandlungen, Beleidigungen, fortgesetzten Hinrich­ tungen ohne Gerichtsverfahren sowie seine unaufhörliche und unerträgli­ che Grausamkeit vortragen. Als boshafter und unversöhnlicher Mensch geriet Pilatus in Verlegenheit. Denn er wagte nicht, die einmal angebrach­ ten Schilde zu beseitigen, und wollte seinen Untertanen nichts zu Gefallen tun. Auf der anderen Seite kannte er die Unbeirrbarkeit des Tiberius in solchen Dingen sehr genau. Die Bevollmächtigten sahen das und bemerk­ ten, daß ihm sein Vorgehen leid tat, er es aber nicht zugeben wollte. Sie richteten daher an Tiberius ein dringendes Bittgesuch. Was der aber sagte, welche Drohungen er gegen Pilatus ausstieß, als er das Schreiben las, wie sehr er in Zorn geriet, obwohl er nicht zum Zorn neigte, ist müßig auszu­ führen, da sein Vorgehen für sich selbst spricht. Denn unverzüglich und ohne bis zum nächsten Tag zu warten, verfaßte er seine Antwort. Darin ta­ delte er Pilatus aufs schärfste wegen seiner ungewöhnlichen Unüberlegt­ heit und befahl, sofort die Schilde zu entfernen und sie aus Jerusalem nach Caesarea ans Meer zu schaffen, auch „Augusta“ (Sebaste) nach Deinem Urgroßvater (gemeint ist Augustus) genannt, um sie dort im Sebasteion

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aufzuhängen. Das geschah dann auch. So wurde beides gewahrt, die Ehre für den Kaiser und die herkömmliche Politik gegenüber der Heiligen Stadt.“ Soweit der Agrippa-Brief bei Philo. Der Text ist, wie wörtliche Rede in antiken Texten gewöhnlich, rhetorisch aufgebauscht und ausge­ ziert. Zumal die Verteufelung des Pilatus und die Beschreibung des kaiser­ lichen Zorns wecken Verdacht. Dennoch dürfte es ein Original gegeben haben. m. Bei den von Philo genannten Schilden handelt es sich um Rund­ schilde, wie sie in der republikanischen Zeit üblich waren (griechisch aspis, lateinisch clupeus oder clipeus), im Unterschied zum viereckigen Lang­ schild der kaiserzeitlichen Legionäre (griechisch thyreos, lateinisch scutum). Rundschilde wurden vielfach als Ehrenzeichen verwendet, ein Fall ist uns bei dem Makkabäer Simon begegnet (s.o. 2 g). Ursprung und Be­ deutung dieser Ehrenschilde erörtert Plinius (NH. xxxv 12 ff), er spricht von solchen aus Bronze und Silber. In Rom erhielten Germanicus (Tacitus, Ann. II 83) und Caligula (Sueton 16) Schilde aus Gold. Sie waren oft mit dem als Relief getriebenen Bild des Geehrten geschmückt oder trugen In­ schriften. Am bekanntesten ist der goldene clipeus virtutis, den der Senat 27 v. Chr. dem Augustus in der Curia Julia geweiht hat, darauf wurden die virtus (Tapferkeit), clementia (Güte), iustitia (Gerechtigkeit) und pietas (Frömmigkeit) des Kaisers gepriesen (Monumentum Ancyranum 34). Die von Pilatus in Caesarea aufgehängten Schilde bestanden vermutlich aus Bronze und waren mit Gold überzogen, trugen nur die „kürzest mög­ liche Inschrift“, nämlich den Namen des Stifters und den des Geehrten, also vermutlich: TIBERIO AVGVSTO PONTIVS P1LATVS

Mithin gab es nichts, was das mosaische Gesetz verbot. Dies betont Philo, um die enorme Rücksicht des Kaisers herauszustellen: Sogar eigent­ lich unbegründete Klagen der Juden nahm er ernst! Unfreiwillig entschul­ digt Philo damit allerdings den Landpfleger, der somit nicht gegen die Thora verstoßen hätte, und ihn entlastet Philo unabsichtlich noch durch eine weitere Angabe. Philo (Legatio 133) erwähnt, daß bei der Judenhetze in Alexandria 38 n. Chr. die Griechen die Synagogen zerstört hätten samt den an ihnen angebrachten Ehrenzeichen für den Kaiser. Er nennt Stelen, Inschriften, Goldkränze und Schilde (aspides), die dort offenbar keinen Anstoß bei den Frommen erregt haben. Dies macht es schwer, an eine pro­ vokative Absicht des Pilatus zu glauben. Die diesem nachgesagten Schlechtigkeiten entsprechen den Schmähungen, die Philo auch anderen „Judenfeinden“ anhängt (Bond 1998, S. 36). Sohin bleibt offen, was denn die Juden an den Schilden gestört hat. Suchten sie nur einen Vorwand, um ihre Abneigung gegen den Statthalter

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zum Ausdruck zu bringen? Helen Bond (1998, S. 39) denkt an die durch­ aus erwägenswerte vollere Namensform TIBERIO CAESARI DIVI AVGVSTI FILIO, die durch die Nennung „Sohn des vergöttlichten Augustus“ Anstoß hätte erregen können. Warum aber verschweigt uns dies Philo? n. Das von Philo beziehungsweise Agrippa erwähnte Sebasteion kennen wir aus den beiden Stadtbeschreibungen Caesareas bei Josephus. Auf einer Erhebung gegenüber der Hafeneinfahrt habe das Heiligtum für Augustus gestanden, naos Kaisaros, bemerkenswert durch seine Schönheit und Größe; das Innere berge eine Kolossalstatue des Kaisers, nicht kleiner als der Zeus des Phidias von Olympia, dem sie nachempfunden sei, und eine zweite der Göttin Roma, die mit der Hera von Argos wetteifere (Bellum I 21, 7; Ant. XV 9). Als Zeitpunkt für den Aufruhr der Juden gegen die Anbringung der Schilde in Jerusalem bietet sich das erste Passahfest des neuen Statthalters an. Dies würde den Brief der vier Herodes-Söhne erklären, die wir bei die­ ser Gelegenheit in Jerusalem vermuten dürfen. o. Eine sehr ähnliche Geschichte berichtet Josephus, und zwar zweimal, im „Bellum“ (II 9,2 f) und ausführlicher in den „Antiquitates“ (XVIII 3,1). Zusammen ergeben sie ein eindrucksvolles Bild. Als Pilatus seine Truppe von Caesarea nach Jerusalem ins Winterlager schickte, führte sie ihre Feld­ zeichen (semaiai) mit sich. Diese signa zierte der Kopf des Kaisers. Jose­ phus denkt an getriebene Rundbilder aus Bronze, die gewöhnlich den Herrscher zeigten. Solche Medaillons trugen ebenso die Feldzeichen der Auxilia im Bataverkrieg, wie Tacitus (Hist. IV 62) meldet. Da Pilatus jüdi­ sche Proteste ahnte, ließ er die Zeichen verhüllen und zudem nachts in die Stadt bringen. Frühere Präfekten hatten die Bildnisse von den Standarten abnehmen lassen, Pilatus aber wollte, so Josephus, Macht demonstrieren. Die Vorsichtsmaßnahmen des Pilatus sprechen freilich dagegen. Jedenfalls löste die Anwesenheit der Kaiserbilder in Jerusalem einen Massentumult aus. Man sah in ihnen eine schwere Verhöhnung des mosaischen Gesetzes. In großen Scharen zogen die Juden nach Caesarea zu Pilatus und flehten ihn mehrere Tage an, die Bilder aus der heiligen Stadt wieder zu entfernen. Er weigerte sich, um den Kaiser nicht zu beleidigen. p. Am sechsten Tage schließlich ließ er die Juden sich im Stadion versam­ meln und bestieg die Tribüne (bema). Gemeint ist wohl die Ehrenloge in der Mitte der Rennbahn. Von dort aus ermahnte er die Demonstranten ab­ zuziehen, anderenfalls wären sie des Todes. Pilatus hatte heimlich Militär aufmarschieren lassen. Nach dem Bericht im »Bellum« kamen die Soldaten von draußen herein, während nach den »Antiquitates« das Volk sich vor dem Stadion versammelt hatte, die Krieger in dessen Innerem versteckt waren. Auf das Zeichen des Statthalters zückten die Soldaten ihre Schwer­ ter, die schärfste Drohung lag vor. Derartige Einschüchterungsversuche

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mit der blanken Waffe gehörten zur römischen Taktik und sollten Blutver­ gießen vermeiden. Vespasian und Titus praktizierten dies mehrfach im Jü­ dischen Krieg (Josephus, Bellum III6,3; 7,4; V 9,1). Pilatus aber hatte sich getäuscht. Die Juden wichen nicht. Sie warfen sich zu Boden, entblößten ihre Nacken und wollten lieber sterben als den Bilderfrevel dulden. Jetzt endlich gab Pilatus nach und ließ die Bilder nach Caesarea zurückholen. q. Die beiden geschilderten Episoden zeigen solch auffällige Gemein­ samkeiten, daß bereits Euseb (s. u. 6 r) sie gleichgesetzt hat. Dieselbe An­ sicht vertrat Heinrich Graetz (1878, S. 285 f; 1905, S. 270) und in jüngerer Zeit wieder F. H. Colson in seiner Einleitung zur zweisprachigen Ausgabe der »Legatio« des Philo (LCL. 1962 S. XIX), er hat jedoch entschieden Wi­ derspruch erfahren, so durch Paul L. Maier (1969), J.-P. Lemonon (1981, S. 229 f) und Helen Bond (1998, S. 39 f). Trotzdem ist Graetz beizustim­ men. Beide Male handelt es sich um anscheinend unbeabsichtigte Provo­ kation, und beide Male geht es um das Bilderverbot, indem der Präfekt mi­ litärische Symbole der Kaiserverehrung in runder Form, deren Präsenz von den Juden als anstößig empfunden wurde, nach Jerusalem bringen, dann aber auf jüdischen Massenprotest hin nach Caesarea zurückführen ließ, nachdem er sich beide Male geweigert hatte, weil er befürchtete, den Kaiser zu verletzen. Es ist nicht glaubhaft, daß Pilatus sich einer solchen Demütigung mehrfach ausgesetzt hat. Nachdem er eine Lektion erhalten hatte, dürfte er sich eine Wiederholung erspart haben. Dazu kommt ein gewichtiges argumentum e silentio. Erstaunlicher­ weise übergeht Josephus die Sache mit den Schilden. Hätte er bei der Ge­ schichte der Feldzeichen nicht auch auf den zweiten ganz ähnlichen Fall hingewiesen, wenn es denn tatsächlich zwei Ereignisse dieser Art gab? Das hätte doch vorzüglich in sein Konzept gepaßt! Daß Josephus, der die Miß­ achtung der Juden durch Pilatus herausstellt, den Beleg aus Philo, wenn dieser einen anderen Fall meint, sowohl im »Bellum« als auch in den »Antiquitates« einfach verschweigt, ist mehr als unwahrscheinlich, zumal Jose­ phus (Ant. XVIII 8,1) Philos Gesandtschaft kannte. Daß hingegen Philo, dem es um Beispiele für judenfreundliche Kaiserpolitik zu tun war, den Fall der Feldzeichen ignoriert, wäre verständlich, weil dabei der Kaiser nicht selbst ins Spiel kommt. Damit ist freilich noch nicht gesagt, daß Tiberius wirklich mit der Affäre befaßt war. Hennig (1975 S. 160 ff) hat in Philos Bericht über die angeblich so judenfreundliche Haltung des Tiberius, die Philo dem Claudius zur Nachahmung empfahl, bemerkenswerte Unstimmigkeiten aufgezeigt und den Appell der vier Herodes-Söhne an den Kaiser in Frage gestellt. Das aber muß nicht bezweifelt werden, einen solchen Beschwerdebrief kann es gegeben haben, auch wenn Pilatus, wie Josephus meldet, bereits am sech­ sten Tage eingelenkt hat. Träfe Philos Bericht zu, daß dies erst das kaiserli-

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che Schreiben bewirkt hätte, dann wären die Schilde monatelang in Jerusa­ lem verblieben, denn rascher war eine Antwort des Kaisers, der sich 27 n. Chr. nach Capri zurückgezogen hatte, kaum zu erhalten gewesen - so­ fern er sich denn überhaupt damit beschäftigt haben sollte. Plausibler ist hier der Bericht des Josephus über die Rückführung, der gleichwohl ein Schreiben der Herodes-Söhne ebensowenig ausschließt wie eine Antwort des Kaisers. Es ist unwahrscheinlich, daß Josephus seine dramatischen Einzelheiten im Hippodrom von Caesarea einfach erfunden hat. Zu viele Zeugen waren daran beteiligt. Ein Motiv für die eindrucksvolle Schilderung könnte sein, daß Josephus, der den gewaltsamen Widerstand gegen Rom immer wieder als töricht, ja gotteslästerlich hinstellt, den gewaltlosen Widerstand als er­ folgversprechend dartun will. Für ihn war die Massenaktion wichtig, für Agrippa und Philo dagegen belanglos, ja störend, denn sie konnte von Caligula und Claudius als Unbotmäßigkeit der Juden aufgefaßt werden und widersprach dem von Agrippa beziehungsweise Philo entworfenen Bild vom unbeugsamen Statthalter. Das bedeutet, daß Josephus nicht den Text Philos umgestaltet hat, sondern daß beide Autoren weglassen, was ihrer Tendenz entgegensteht, und übertreiben, was ihr nützt, indem sie unter­ schiedliche Traditionen desselben Vorfalles wiedergeben. Diese Möglich­ keit wird von Maier (1969) überhaupt nicht in Betracht gezogen. Er meint, einer der zwei Gewährsleuten müsse recht haben oder aber es handle sich um verschiedene Ereignisse. Tatsächlich, so scheint mir, hat jeder der bei­ den den Vorgang umgestaltet: Philo die Lösung durch den Brief, Josephus den Anlaß in den Feldzeichen. r. Motive für die Umformung der Schilde in Feldzeichen sind denkbar: Die religiöse Neutralität der Schilde widerspricht der Tendenz Philos, Pi­ latus anzuschwärzen, darum dürfte es sich tatsächlich um Schilde, nicht um Medaillons gehandelt haben. Daß bei Josephus aus den Schilden Feld­ zeichen geworden sind, macht dem Leser das Verhalten der Juden leichter verständlich, weil sie auch bei späteren Gelegenheiten an den Standarten Anstoß genommen haben, die das Kaiserbild zeigten. Josephus berichtet davon im Zusammenhang mit dem Besuch des Vitellius in Jerusalem (s. u. 12 e). Hier fassen wir ein Motiv für die Verformung: Steigerung der Prä­ gnanz. Noch begreiflicher wäre der Zorn der Frommen, wenn Pilatus die Wei­ hegaben nicht in den Herodespalast, sondern in den Tempel gebracht hätte. Dies behauptet, angeblich nach Philo, der doch die basileia nennt, Euseb in seiner »Demonstratio Evangélica« (VIII 2, 123), abgefaßt unter Constantin. Indem der Kirchenvater den Pilatus die Objekte (sémaia) nachts in den Tempel (to hieron) bringen läßt, gewinnt das Sakrileg weiter an Schärfe. Ohne Nachfolge blieb die noch krassere Verzerrung bei Orige-

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nes im frühen 3. Jh. In seinem Kommentar zu Matthäus (17, 25) sind aus den Medaillons regelrechte Kaiserstatuen geworden, die Pilatus im Tempel aufstellen und weihen wollte. Muster für dieses Stadium der legendären Verformung ist Caligulas Anspruch auf Verehrung im Tempel (s. u. 12 h). s. Indes ist die Legendenbildung sogar darüber hinausgegeangen. Ephrem der Syrer behauptet Ende des 4. Jahrhunderts in seinem Diatessaron-Kommentar (XX 16), Pilatus habe einen Schweinekopf in den Tempel bringen lassen. In der legendären Ausgestaltung des Sakrilegs ist Josephus somit nicht Ausgangsbasis, sondern Zwischenstufe. Die Geschichte wurde immer drastischer. Darum sind schon bei Philo und Josephus Abstriche nötig. Ob durch den Kaiser oder durch die Juden oder durch beide zum Einlenken genötigt - in jedem Falle erlitt Pilatus einen Prestigeverlust, der sein späteres Verhalten erklärlicher macht. Durch die Verurteilung Jesu suchte und erhielt er dann den Beifall der führenden Juden. Einen beson­ deren Anlaß für die Aktion, etwa einen Loyalitätsbeweis nach Sejans Tod (Bond 1998, S. 46), brauchen wir wohl nicht zu suchen. Es handelt sich eher um einen Routinefall, vermutlich zu Beginn der Amtszeit des Pilatus, eben das erste Passah-Fest, wie bei den Schilden zu vermuten war. t. Im Konflikt zwischen Pilatus und den Juden steht Tiberius auf Seiten der letzteren, bei Philo bzw. Agrippa ausgesprochen, bei Josephus unaus­ gesprochen. Dies ist insofern bemerkenswert, als Tiberius zuvor die Juden in Rom aus der Stadt verbannt hatte. In größerer Zahl waren sie als Sklaven des Pompeius aus dem Orient gekommen, waren überwiegend freigelassen worden und hatten sich in Trastevere, der Regio trans Tiberim angesiedelt. Wir hören von 13 Synagogen-Gemeinden. Ihre Neigung zu Massenaufläu­ fen hatte sie indessen unbeliebt gemacht, wie wir aus Ciceros Rede für Flaccus (66 ff) und aus Versen bei Horaz (Satiren I 5,100) entnehmen kön­ nen. Augustus hatte nach Sueton (§ 93) eine Abneigung gegen die jüdi­ schen wie gegen die ägyptischen Riten. Sie wirkten auf ihn bizarr. In der Folgezeit wuchs die jüdische Gemeinde an, wenn Dio (LVII 18,5 a) verläß­ lich berichtet, und verstand es, viele Römer zu ihrem Glauben zu bekeh­ ren. Den jüdischen Missionseifer bestätigen auch andere antike Autoren (s. u. 14w). u. Dann aber kam es in Rom zum Eklat. Ein jüdischer Verbrecher war aus seiner Heimat nach Rom geflüchtet, wo er sich als Lehrer des mosai­ schen Gesetzes einen Namen machte. Gemeinsam mit drei Anhängern ge­ wann er Fulvia, eine Dame senatorischen Standes, für das Judentum. Sie stiftete sogar Purpur und Gold für den Jerusalemer Tempel, doch jener Be­ trüger unterschlug die Stiftung. Tiberius erfuhr davon durch Fulvias Ehe­ mann, einen seiner engeren Freunde, und verbannte alle Juden aus Rom. Eine solche Kollektivstrafe wäre unverständlich, wenn die Juden nicht im­ mer wieder lautstark in Massen (lateinisch turba, griechisch thorybos) auf-

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getreten wären. Viertausend seien damals als Soldaten nach Sardinien ge­ sandt worden. Wer sich aus religiösen Gründen weigerte, sei mit harten Strafen belegt worden. Josephus (Ant. XVIII 3,5) berichtet die Episode im Zusammenhang mit Pilatus, Tacitus (Annalen II85) aber setzt sie unter die Consuln von 19 n. Chr. Die Verbannten sollten, so fügt er hinzu, in Sardi­ nien die Räuber bekämpfen, und wenn sie dem angeblich so rauhen Klima dort erlägen, so wäre das ein vile damnum, ein geringer Schaden. Sowohl Tacitus als auch Sueton (Tiberius 36) verbinden die Aktion mit dem Verbot ägyptischer Riten in Rom: Auch die Isis-Verehrer und die Astrologen mußten verschwinden. Es ging daher nicht gezielt gegen die Juden, son­ dern gegen orientalischen Aberglauben. Die Ausweisung der Juden wie­ derholte sich unter Claudius (s. u. 12 j), war mithin nicht von langer Wir­ kung - oder es waren nicht alle gegangen. v. Der folgende Konflikt - nun wieder in Palästina - ist ganz anderer Natur, aber wiederum auf seine Weise bezeichnend. Zu den Aufgaben ei­ nes Statthalters zählte die Förderung der Zivilisation: der Bau von Straßen und Brücken, von Tempeln und Theatern, von Bädern und öffentlichen Bauten jeder Art. In diesem Sinne hat Pilatus, wenn Geza Alföldy das Tiberieum zutreffend bestimmt hat (s.o. 5 r, s), einen der beiden Türme an der Hafeneinfahrt von Caesarea erneuern lassen. Doch nicht nur dieses. Der Stolz jeder römerzeitlichen Stadt war ihre reichliche Wasserversor­ gung. Josephus (Bellum 121,10 f) lobt die Aquädukte, die Herodes für das Herodeion und für Laodicea Maritima bauen ließ. Daß sich auch ein Statt­ halter darum kümmerte, wissen wir aus dem Briefwechsel zwischen Pli­ nius und Trajan (X 37 f), in dem es um den Bau und die Finanzierung einer Wasserleitung für Nicomedia in Bithynien geht. Plinius war dort um 111 n. Chr. kaiserlicher Legat. Jerusalem hatte wenig Wasser. Dies mußte sich zumal bei den Wall­ fahrtsfesten bemerkbar machen, wenn Tausende von Pilgern nach Jerusa­ lem strömten. Pilatus beschloß, wie Josephus berichtet, von einer nach Bellum (II 9,4) vierhundert, nach Antiquitates (XVIII 3,2) zweihundert Stadien entfernten Quelle das Wasser in die Stadt zu führen. Für die Ko­ sten der Wasserleitung griff er auf den Tempelschatz, den Korban, zurück (s.o. 2 j, k). Wenn der Schatz größere Reserven besaß, und damit ist zu rechnen, war das vielleicht nicht nur nach römischer Ansicht totes Kapital, das in Form eines Aquäduktes größeren Nutzen stiftete. In den Augen der strenggläubigen Juden aber plante Pilatus ein Sakrileg. Die Massen um­ ringten das Tribunal des Statthalters, als er Jerusalem besuchte, und tobten zu Zehntausenden. Pilatus hatte das erwartet und Soldaten in Zivil mit Knüppeln unter die Menge gemischt. Den Gebrauch von Schwertern hatte der Statthalter untersagt. Von der Rednerbühne gab er das Signal, die Sol­ daten droschen auf die Juden los, diese setzten sich zur Wehr, und es ent-

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stand eine Panik, bei der viele Menschen umkamen. Die Juden gaben ihren Widerstand auf. w. Der Bericht des Josephus (Bellum II 9, 4) will seinen jüdischen Le­ sern eine politische Botschaft vermitteln: Trotz gegen die Römer führt ins Unglück, Rebellion kostet Blut. Die Gegenprobe erweist der gewaltlose Widerstand gegen die Standarten, er hatte Erfolg. Die Tendenz ist klar, das Geschehen nicht. Die Darstellung läßt Fragen offen. Da der Tempelbezirk bei Todesstrafe von keinem Unbefugten betreten werden durfte (s.o. 4 e), hätte Pilatus Gewalt anwenden oder das Einverständnis des Synhedrions besitzen müssen, um an den Tempelschatz zu kommen. Einen gewalt­ samen Zugriff hätte Josephus zweifellos vermerkt, während er das Einver­ nehmen des Statthalters mit den Hohen Priestern unterdrückt haben könnte, um diese zu schonen und den Römer allein zu belasten, dem er nicht gewogen war, oder weil er über die Rolle der Tempelpriester im Un­ klaren war. Gewiß hatte die jüdische Geistlichkeit keinen Grund, ihr Ent­ gegenkommen gegenüber dem Statthalter bekannt zu machen, obschon sie ein reines Gewissen haben konnte. Denn die Überschüsse aus dem Korban durften für gemeinnützige Zwecke, etwa zum Ausbessern der Stadtmau­ ern verwendet werden. Der Traktat Schekalim aus der Mischna (IV 3,48 a) gestattete dies. Topographische Erwägungen Schürers (1901 S. 490) spre­ chen dafür, daß die Wasserleitung von den Salomonsteichen südwestlich von Bethlehem nach Jerusalem geführt werden sollte. Zwei Aquädukte sind archäologisch nachgewiesen, von denen einer auf Pilatus zurückgehen könnte. x. In die Zeit vor der Hinrichtung Jesu gehört auch noch ein Konflikt, den allein Lukas (13,1 ff) andeutet. „Es waren aber zu der Zeit etliche da­ bei, die verkündigten ihm von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit dem ihrer Opfer vermischt hatte. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Meinet ihr, daß diese Galiläer vor allen Galiläern Sünder gewesen sind, die­ weil sie das erlitten haben? Ich sage: Nein, sondern so ihr euch nicht bes­ sert, werdet ihr alle auch also umkommen.“ Der griechische Begriff thysia steht für das Opfer im Tempel zu Jerusalem. Was dem Eingreifen des Pila­ tus, bei dem es Tote gegeben hat, vorausgegangen ist, bleibt unklar. Gewiß ist, daß es sich um Untertanen des Herodes Antipas handelte, mit dem Pi­ latus nach Lukas (23,12) später verfeindet war. Vielleicht wegen dieser Sa­ che? Das Neue Testament schweigt über den Grund des Zusammenstoßes. Jesus wendet das Problem ins allgemeine und nimmt gemäß Lukas zur Schuldfrage nur mittelbar Stellung: Verdient hätten alle die Strafe des Statt­ halters, wenn sie sich nicht besserten. y. Die von Philo und Josephus behauptete judenfeindliche Haltung des Pilatus ist in jüngerer Zeit wieder mehrfach in Verbindung gebracht wor­ den mit der Politik des praefectus praetorio Lucius Aelius Seianus, der

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schon vor 20 n. Chr. die Gunst des Kaisers genoß und bis zu seinem Sturz 31 n. Chr. Tiberius vertreten hat. Bei der Ernennung des Pilatus könnte der damals mächtigste Mann im Reich mitgesprochen haben. Er hatte den Kai­ ser Tiberius bewogen, Ende 26 n. Chr. sich nach Capri zu begeben und ihm die Regierung zu überlassen. Sejan wird von Philo (Legatio 159 ff; In Flaccum 1) gemeinsam mit dem praefectus Aegypti Aulus Avillius Flaccus als Erzfeind der Juden dargestellt. Angeblich wollte Sejan das Judenvolk geradezu ausrotten, ähnlich Haman, der Großwesir des Perserkönigs Xerxes im Buch Esther (3,6 ff). Und so wie Haman schließlich sein verdientes Ende als Gottesfeind findet, verknüpft auch Philo den schrecklichen Un­ tergang der beiden Präfekten mit ihren Machenschaften gegen die Juden. War nun Flaccus tatsächlich an den Ausschreitungen der Alexandriner ge­ gen die dortigen Juden beteiligt, bleibt doch offen, was denn Sejan wirklich gegen die Juden Italiens unternommen hat. Philo schreibt unbestimmt, die Parallelquellen schweigen. Offenbar sieht er ihn als den Drahtzieher der Judenvertreibung des Jahres 19, die vor Sejans Ende gerückt wird, um die göttliche Vergeltung zu unterstreichen und Tiberius zu entlasten, der als Judenfreund dargestellt wird. So kann er für Claudius, unter dem, wie Eusebs Kirchengeschichte (II18,8) zeigt, die »Legatio« veröffentlicht wurde, neben Caesar und Augustus als Vorbild dienen. z. So wenig nun die Judenfeindschaft Sejans Glauben verdient (anders Maier 1969), so wenig steht sie hinter den Maßnahmen des Pilatus in Judäa. Wenn Heinrich Graetz (1905, S. 269) Pilatus als „Kreatur Sejans“ diffa­ miert, so ist das durchaus unbegründet. Pilatus tat bis zum Schluß, was er nicht ohne Grund für üblich und angemessen hielt. Die Verknüpfung der beiden „Judenfeinde“ in Caesarea und Rom beruht auf dem Mißverständ­ nis einer ohnehin historisch unbegründeten Behauptung in Eusebs Kir­ chengeschichte (II 5, 7). Im Anschluß an den tendenziösen Bericht Philos stellt er die Drangsal der Juden in Rom und Judäa nebeneinander, um daran die Strafe Gottes für die Kreuzigung Christi zu zeigen. Wie zuvor bei Philo in jüdischer wird nun bei Euseb in christlicher Absicht Ge­ schichte als Vergeltung gedeutet. Von einem Einfluß Sejarts auf Pilatus ist bei Euseb nichts zu erkennen. Auch andere Anhaltspunkte fehlen. Schließ­ lich fällt das harte Vorgehen gegen die Samaritaner (s. u. 12 h) in die Zeit nach dem Sturz des Prätorianerpräfekten, als es längst nicht mehr ratsam war, dessen Linie zu folgen. Ob aber überhaupt Pilatus den Namen eines Judenfeindes verdient, bleibt zu untersuchen. Die Passionsgeschichten sprechen dagegen. Zuvor aber sind die materiellen und ideellen Vorausset­ zungen für diese zu prüfen.

7- Ist die Bibel ein Geschichtsbuch? a. Buch der Bücher b. c. Testament Altes - Neues d. e. Kanonbildung Athanasios f. g. Ideologieverdacht Paulusbriefe h. i. Parusieverzögerung Evangelisten, Symbole )• k. Eigene Gattung? Synoptiker - Johannes m. Markus Matthäus n. o. Lukas Johannes Pq. Autor Apostelgeschichte r. s. Urgemeinde Apokalypse t. u. Apokryphen Biblische „Geschichte“ ? v. x. Historische Kritik Heilsgeschichte yz. Verformung Bibel

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Warum schrieb Christus nicht, wenn er die Evangelien wollte? Hebbel

a. Die Bibel ist das Buch der Bücher. Tausend Jahre waren nötig, bis sie fertig war. Eine Unzahl von - überwiegend unbekannten - Gewährsleu­ ten, Erzählern und Schreibern, von Autoren, Redaktoren und Editoren hat sie gestaltet. Das gilt in erster Linie für das Alte Testament, in gewisser Weise aber ebenso für das Neue. Seit über zweitausend Jahren bestimmt die Bibel das Denken, Handeln und Hoffen eines Großteils der Mensch­ heit. Welche Schrift hat mehr zu Heil und Unheil beigetragen? An histori­ scher Bedeutung kommt ihr kein anderes heiliges Buch gleich. Abermillionen von Bibeln sind gedruckt und gelesen worden. Pilatus war, ohne es zu wissen oder zu wollen, entscheidend am Erfolg dieses Buches beteiligt. b. Unser Wort „Bibel“ geht zurück auf spätantik biblia, Genitiv bibliae, obschon die Kirchenväter diesen Ausdruck vermieden und statt dessen von der „Heiligen Schrift“, den „Heiligen Schriften“ oder der „Schrift“ schlechthin sprachen, lateinisch libri divini oder litterae sanctae, bezie­ hungsweise sacrae, griechisch zumeist einfach graphe oder grammata, bis­ weilen erläutert durch das Adjektiv hieros - heilig. Lateinisch biblia be­ ruht auf dem griechischen Plural ta biblia, im Singular to biblion, und be­ deutet nicht eigentlich Buch, - das wäre he biblos - sondern eher Büchlein, Brief, oder einfach „beschriebenes Blatt“. Unser Wort „Blatt“ erinnert daran, daß man ursprünglich nicht auf das von den Chinesen erfundene und erst im hohen Mittelalter über die Araber in Spanien nach Mittel­ europa gelangte Papier schrieb, sondern auf Papyrus-Blätter. Die vor­ nehmlich in Ägypten angebaute Papyrus-Staude wurde in frühgriechi­ scher Zeit durch phönizische Seefahrer aus der Stadt Byblos im heutigen Libanon ausgeführt. Der Name der Stadt geht zurück auf semitisch gebal, im Akkusativ gubal - „Berg“, in regressiver Assimilation wurde der An­ fangsbuchstabe durch die Griechen von G in B verwandelt. Seit dem spä­ ten 3. Jahrtausend lieferten die Phönizier den Ägyptern das dort fehlende Holz, erhielten dafür unter anderem Paryrus und verhandelten diesen wei­ ter zu den Griechen. Bei Homer in der Odyssee (XXI 391) bezeichnet das Adjektiv byblinos ein aus Papyrus geflochtenes Tau. c. Bleiben wir zunächst bei der Namensgeschichte, so erleben wir eine ähnliche Irrfahrt bei den Bezeichnungen Altes und Neues „Testament“ für die Teile der christlichen Bibel. Lateinisch testamentum, abgeleitet von te-

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stis -Zeuge, ist die Bezeichnung für den schriftlich niedergelegten letzten Willen, der rechtskräftig wird mit dem Todes des Testierenden. Wenn die Bibel das Wort Gottes ist, dann könnte sich aus der Bezeichnung „Testa­ ment“ die von Nietzsche gezogene Folgerung: „Gott ist tot“ ableiten. Dies aber kann wohl nicht gemeint sein. Das mit testamentum übersetzte grie­ chische Wort diatheke besitzt die weitere Bedeutung „Vermächtnis, Verfü­ gung“, aber auch „Vereinbarung, Bündnis“ und gibt das hebräische Wort berit wieder. Dies jedoch bedeutet ursprünglich „Bund“, so daß die beiden Teile der Bibel statt testamentum richtiger pactum oder foedus hätten hei­ ßen müssen. Gemeint ist mit dem „Alten Bund“ die Übergabe der Zehn Gebote an Moses auf dem Sinai, verstanden als Vertrag zwischen Gott und seinem Volk darüber, daß Gott sein Volk schützt, sofern es die Gebote hält. Dieser im Buch Exodus (19 ff; 32 ff) beschriebene Bund wurde nach der Tradition später mehrfach erneuert, so mit den Königen von Juda Josia (2. Könige 23) und Zedekia (Jeremia 34, 8). Die im Alten Testament von den Propheten mehrfach verheißene Stiftung eines Neuen Bundes war Aus­ druck der Hoffnung auf den Messias, der für die Christen in Jesus er­ schien. Daher bekamen die Schriften über ihn den Namen „Neues Testa­ ment“ im Sinne von „Neuem Bund“. So heißt bei Irenaeus von Lyon (Adversus haereses IV 28,2) novum testamentum soviel wie „Zeit des Neuen Bundes“. Die Bezeichnung für ein Ereignis oder eine Zeit ist erst um 200 n. Chr. zum Namen für zwei Textcorpora geworden. d. Die Gegenüberstellung von beiden testamenta im Sinne von Altem und Neuem „Bund“ stammt aus dem Galaterbrief des Paulus (4,24). Der Name „Altes Testament“, pa/aia diatheke mit dem Gedanken an einen Text begeg­ net zum ersten Male ebenfalls bei Paulus (2. Kor. 3,14); das Gegenstück no­ vum testamentum zuerst um 210 bei Tertullian (Adversus Marcionem IV1, 6), muß aber zuvor schon geläufig gewesen sein. Bei dem Bischof Melito von Sardes in der Zeit Marc Aurels ist, wie Euseb in seiner Kirchengeschichte (IV 26,14) meldet, von den „Büchern des Alten Testamentes“ (palaias diathekes biblia) die Rede. Hieronymus hat in seiner 406 vollendeten lateini­ schen Übersetzung der Bibel, in der »Vulgata«, das Wort testamentum so­ wohl für „Bund“ - an der zitierten Stelle des Galaterbriefes - als auch für die beiden Textcorpora verwendet - so im Begleitschreiben an Papst Damasus. Der „Neue Bund“ wurde stets, so im Hebräerbrief (8,6 ff), als Erfüllung der Prophetie des Jeremias (31, 31) verstanden: „Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund machen“. Im Hinblick auf das Gemeindeleben dürfen wir bereits für das 2. Jahrhundert n. Chr. mit Sammlungen von heiligen Schriften rechnen, das heißt mit Ansätzen zu einem Kanon. e. Das griechische Wort kanon geht zurück auf die altsemitische, auch im Hebräischen gebräuchliche Bezeichnung für Schilfrohr und gewann

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schon früh die Bedeutung „Meßlatte, Richtschnur“. Kanonisierung von Literatur ist eine allgemeingeschichtliche Erscheinung, sie dient der Be­ wußtseinsbildung von Gruppen, die ihre Zusammengehörigkeit auf eine gemeinsame Textgrundlage von Klassikern stellen wollen. Nachdem die Juden in der hebräischen Bibel und der griechischen Septuaginta ein heili­ ges Buch besaßen, erwuchs das Bedürfnis nach einem ähnlichen gemein­ schaftstiftenden Werk auch in der Christengemeinde. Die Schwierigkeit dabei lag darin, daß die Christen, anders als die Juden im Jerusalemer Tem­ pel und im Hohen Rat, keine zentrale Institution besaßen, die darüber be­ finden konnte, welche Texte für den Gebrauch im Gottesdienst zulässig seien. Daher brauchte es Jahrhunderte, bis der Kanon der heute im Neuen Testament enthaltenen Texte abgeschlossen und anerkannt war. Aus Zitaten bei den Kirchenvätern läßt sich der Vorgang der Kanonbil­ dung historisch verfolgen. Der um 165 n. Chr. in Rom enthauptete Justinus Martyr (Apologia I 67) bezeugt die Lektüre von commentaria apostolorum aut ¡cripta prophetarum im sonntäglichen Gottesdienst. Seit etwa 180 n. Chr. steht die Vierzahl der Evangelien fest. Das ergibt sich aus einer in barbarischem Latein verfaßten, im 8. Jahrhundert kopierten Liste, die aus dem Kloster Bobbio nach Mailand gekommen war und dort 1740 durch den italienischen Gelehrten Lodovico Antonio Muratori veröffent­ licht wurde, dem sogenannten »Kanon Muratori«. Er ist die früheste und wichtigste Quelle für Sammlung und Sichtung der heiligen Schriften und nennt 22 der 27 heute im Neuen Testament enthaltenen Texte. Gemeinsam mit den Paulusbriefen bilden die Evangelien den Kern des Neuen Testaments. Später kamen die Apostelgeschichte, die JohannesApokalypse und die sogenannten sieben Katholischen, das heißt nicht an Einzelgemeinden gerichtete Briefe hinzu. Bis ins 5. Jahrhundert gab es un­ terschiedlich zusammengesetzte Konvolute: Für apokryph erklärte Texte wurden später als kanonisch aufgenommen, so die Johannes-Apokalypse und der Brief »An die Hebräer«, anfangs von bestimmten Gruppen als ka­ nonisch betrachtete Texte dagegen ausgeschlossen, so der »Hirte« des Hermas, die Petrus-Apokalypse und die sogenannte Didache, die Lehre der zwölf Apostel. f. Um derartige Schwankungen zu beheben und den damit verbundenen Unsicherheiten zu begegnen, hat bereits Athanasios, der mächtige Patri­ arch von Alexandria, in seinem Osterbrief von 367 den heutigen Kanon von 27 Schriften zusammengestellt. Papst Damasus hat ihn auf einer Syn­ ode zu Rom 382 festgeschrieben und die Zustimmung von Augustinus ge­ funden. Im Jahre 405 bestätigte Papst Innozenz I die Sammlung. Die älte­ sten im Original erhaltenen Textfragmente sind Papyri aus dem 2. Jahr­ hundert n. Chr. Aus dem 4. Jahrhundert haben sich auch Pergamentkodi­ zes erhalten.

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g. In jüngerer Zeit ist die Verwendung der Namen „Altes und Neues Te­ stament“ unter Ideologieverdacht geraten, da sie „jüdischerseits als reli­ giöse Form von Antisemitismus“ verstanden oder mißverstanden werden könnte (Noethlichs 1996, S. 144). Gewiß unterstellt die Bezeichnung »Al­ tes Testament« Unvollständigkeit, die dem jüdischen Bibelverständnis wi­ derspricht. Für die orthodoxen Juden ist die Heilige Schrift ohne das Neue Testament komplett. Wer einen aus jüdischer Sicht korrekten Sprachge­ brauch bevorzugt, verwendet für das Alte Testament den Ausdruck „jüdi­ sche Bibel“ und für beide Testamente den Namen „christliche Bibel“. Da­ mit wird freilich die Tatsache verdunkelt, daß die christliche Bibel aus zwei Teilen besteht und auch das Alte Testament umfaßt, was ja keineswegs das „Veraltete Testament“ bedeutet, und daher zu drei Vierteln mit der jüdi­ schen Bibel übereinstimmt. Wer von „Heiliger“ Schrift und von „Gottes“ Wort spricht, läßt es dann an Feingefühl gegenüber Moslems und Atheisten fehlen, während ein vorgesetztes „sogenanntes“ wiederum Juden und Christen zugleich verstimmen könnte. Keine Begrifflichkeit kann es allen recht machen. Diese Gründe empfehlen eine Beibehaltung der im christli­ chen Europa überlieferten Nomenklatur. h. Wenden wir uns nun der Entstehung jener im Neuen Testament ka­ nonisierten Schriften zu, so bilden die Paulusbriefe den Anfang. Sie sind griechisch geschrieben, ebenso wie alle anderen, die jüngeren Schriften des Neuen Testaments. Jesus selbst sprach aramäisch, konnte gewiß auch die hebräische Bibel lesen, doch ist unklar, ob er die griechische Sprache be­ herrschte. Die christlichen Gemeinden in Antiochia und anderen Städten des Ostens sprachen schon vor Paulus griechisch. Der Übergang zur grie­ chischen Sprache steht vermutlich hinter dem Pfingstwunder (s. u. 12 d). Da der Apostel, wie auch immer (s. u. 12 p), unter Nero in Rom gestor­ ben sein dürfte, verteilen sich die Briefe auf die Jahre zuvor. Als älteste Schrift gilt der kurz nach 50 geschriebene Brief an die Thessalonicher, ge­ folgt von den beiden Korintherbriefen, dann denen an die Galater, Philipper und an Philemon. Das letzte und größte der Sendschreiben ist der Rö­ merbrief. In ihm ist von der Zugehörigkeit Jesu zum Stamme Davids und vom Tod am Kreuz die Rede (1, 3; 6, 6), ebenso im ersten Korintherbrief (1, 23). Pilatus selbst wird hier nicht genannt, er erscheint in den unbe­ zweifelt echten Briefen des Paulus nirgends. Erwähnt wird er im ersten Brief an Timotheus (6,13), der mit dem zweiten an diesen und dem an die Epheser zu den Pastoralbriefen mit hirtenamtlichen Vorschriften zählt. Sie laufen ebenfalls unter dem Namen des Paulus, sind aber nach überwiegen­ der Auffassung ihm nachträglich zugeschrieben, ähnlich wie der Brief an die Hebräer, der nach Tertullian (De pudicitia 20) von Barnabas stammt, sonst in der alten Kirche als paulinisch galt, von und seit Luther jedoch mit gutem Grund dem Apostel abgesprochen wurde.

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i. Dem Apostel Paulus lagen noch keine Evangelien vor. Er zitiert ein­ zelne Herrenworte, die uns in den Evangelien wieder begegnen, so die Einsetzung des Abendmahls (1. Kor. 11,23 ff), daneben aber auch andere, die dort nicht aufgenommen wurden (1. Thess. 4, 15). Wenn die Evange­ lien erst nach Paulus niedergeschrieben wurden, so beruht das darauf, daß zunächst noch kein Bedarf nach ihnen bestand. Jesus selbst konnte schrei­ ben. Als man ihm die Ehebrecherin vorführte, „bückte er sich nieder und schrieb mit dem Finger in die Erde“. Was, wie und warum er schrieb, ver­ schweigt uns Johannes (8,6 ff). Das kann doch nur heißen: Worauf ihr, die Ankläger, euch beruft, das ist in den Staub geschrieben. Vielleicht gar: Auf das Geschriebene kommt es überhaupt nicht an. Darum hinterließ Jesus keine Schriften für die Nachwelt. Nicht er allein. Die großen Lehrer der Menschheit wirkten durch das gesprochene Wort: Auch Buddha und Konfuzius, Sokrates und Mohammed hinterließen keine Schriften. Jesus freilich besaß einen besonderen Grund, darauf zu verzichten. Er hatte sei­ nen Jüngern die Erscheinung des Menschensohnes noch zu deren Lebzei­ ten angekündigt (Mt. 10, 23; 16, 28). Auch Paulus rechnete, wie er selber schreibt, noch vor seinem Tode mit der Parusie, der Wiederkehr des Herrn auf den Wolken des Himmels (1. Thess. 4,15). Erst die unerwartete Verzö­ gerung erforderte die Aufzeichnung der Frohen Botschaft. Vierzig Jahre lang war sie nur mündlich weitergegeben worden. Nun starben die Zeu­ gen, und Schrift mußte die Überlieferung wahren. j. Die Evangelien im Neuen Testament, namentlich die Passionsbe­ richte, sind neben Philo und Josephus die wichtigsten Quellen für Pila­ tus. Das griechische Wort euangelion bedeutet „gute Botschaft“, eu heißt „gut“, angelos ist der Bote, der Engel. Gemeint ist eine mündliche Mit­ teilung oder eine Sache: „Opfer für gute Botschaft“ oder auch „Lohn für gute Botschaft“, so schon bei Homer. Der als Bettler verkleidete Odys­ seus, soeben wieder auf Ithaka gelandet, sagt zum Sauhirten Eumaios: „Ich schwöre es, heimkehren wird Odysseus! Der Botenlohn (euange­ lion XIV 152) erwartet mich gewiß, sobald er sein Haus betritt“. In den Schriften des Neuen Testamentes wird das Wort euanglion nicht für die Evangelien als Texte verwendet, sondern allein im inhaltlichen Sinne der „frohen Botschaft“ von Jesus, gleichbedeutend mit logos (Wort) oder kerygma (Verkündigung). Paulus zitiert im Römerbrief (10, 15) ein JesajaWort aus der Septuaginta (52, 7): „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Boten, die da Frieden verkünden, Gutes predigen (euangelizomai), Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Gott ist König!“ Eine Textgattung für die Frohe Botschaft ist weder bei Jesaja noch bei Paulus benannt. Erst wiederum Justinus Martyr bezeichnet in seinem Dialog mit dem Juden Tryphon (§ 10) die in der Bibel so genannten Schriften als Evangelien.

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Erklärung verlangt das Nebeneinander der vier doch weitgehend in­ haltsgleichen Evangelien. Warum hat man bei der Kanonisierung aus ihnen nicht einen einzigen Text gemacht? Tatsächlich ist dies später geschehen, in der »Diatessaron« benannten „Evangelienharmonie“ des Syrers Tatian, der unter Marc Aurel lebte. Dieser Versuch aber hat keine allgemeine Zu­ stimmung gefunden. Vermutlich war jedes der Evangelien in bestimmten Gemeinden schon so verwurzelt, daß diese zugunsten eines Gesamtevan­ geliums nicht auf das Ihre verzichten mochten. Dazu hätte es eines Kon­ zilsbeschlusses bedurft, der kaum zu erzielen war. Das Thema stand 325 in Nicaea nicht auf der Tagesordnung und kam auch bei späteren Konzilien nicht zur Sprache. Sehr seltsam! Eine theologische Begründung der Vierzahl lieferte Hieronymus im Vorwort zu seinem Matthäus-Kommentar aus dem Jahre 398 (PL. 26, S. 19). Die vier Evangelien seien in den vier Visionen des Propheten Hesekiel (1,10) vorausgesagt: Das Bild des Menschen verweise auf die Mensch­ werdung bei Matthäus, das Bild des Löwen auf die Stimme des Predigers in der Wüste bei Markus, das Bild des Stieres oder Kalbes (lateinisch vitulus) auf Zacharias bei Lukas (hier wird kein Grund angegeben), das Bild des Adlers auf die Erhebung durch das Wort Gottes bei Johannes. Schon Ire­ näus (Adversus Haereses III 11, 8) hatte die Symbole auf die Geschichte Jesu bezogen, allerdings auf einzelne Aspekte, nicht individuell den vier Evangelisten zugeordnet. Die Evangelisten-Symbole begegnen seit dem 4. Jahrhundert in der Kunst. k. Die Evangelien der Bibel wurden lange als literarische Gattung sui generis betrachtet, so von Rudolf Bultmann 1921 in seiner »Geschichte der synoptischen Tradition«. Faßt man den Begriff aber nicht allzu eng, so handelt es sich um Biographien eines Heiligen, die den Leser belehren und bekehren wollen. Texte dieser Art sind in der Antike nicht selten. Abgese­ hen von zahlreichen Fragmenten, ist hier zu denken an die Lebensbe­ schreibung des Apollonios von Tyana aus der Feder des Philostrat (um 200 n. Chr.), an die des Pythagoras aus der des Jamblichos (um 300 n. Chr.) oder an die des Proklos aus der des Marinos (um 500). Der Held ist jeweils ein philosophierender Wundermann, der durch Leben und Lehre Vorbild sein soll. Möglicherweise hat das Neue Testament hier gattungsbildend ge­ wirkt und heidnische Gegenevangelien hervorgerufen. /. Unter den vier Evangelien werden die drei ersten: Markus, Matthäus und Lukas, unter dem Begriff »Synoptiker« zusammengefaßt, denn ihre Berichte laufen weitgehend parallel und lassen sich daher „zusammense­ hen“. Stücke, die nur je ein Evangelium enthält, werden als „Sondergut“ gezeichnet. Das Johannes-Evangelium unterscheidet sich von ihnen durch seine literarische Gestalt und durch seine Theologie (s. u. 7 p). Die Evange­ lien bringen einzelne Episoden aus dem Leben Jesu, beginnend mit der

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Kindheits- und Familiengeschichte, der Geburt und der Jugend, und en­ den mit der Leidensgeschichte, dem jeweils größten zusammenhängenden Textteil. Die verschiedenen Abschnitte, griechisch: Perikopen, liefern Gleichnisse, Kurzgeschichten, Ermahnungen, Wunderberichte, Wechsel­ reden usw.: offenbar ursprünglich separat überliefertes, mündliches Tradi­ tionsgut, das seine Form der Verkündigungspraxis verdankt. Das berühm­ teste und längste Stück dieser Art, die Bergpredigt, ist nie so gehalten wor­ den, sondern von Matthäus (5-7) aus vermutlich authentischen Überliefe­ rungen zusammengestellt und dadurch zu einem der großartigsten Texte der Weltliteratur geworden. Da Jesus selbst aramäisch gesprochen hat, stellt sich die Frage, ob erst die Evangelisten oder bereits ihre Gewährs­ leute die Herrenworte ins Griechische übersetzt haben. Die Entscheidung ist offen. m. Durch formgeschichtliche Beobachtung der Übereinstimmungen und Abweichungen unter den Synoptikern hat sich das Markus-Evange­ lium als das früheste erwiesen. Es ist das kürzeste Evangelium, ihm fehlen noch die großen Reden, die für die späteren Evangelien bezeichnend sind. Den angeblichen Autor Markus kennen wir aus der Apostelgeschichte (12, 12), aus dem Kolosserbrief (4, 10) und aus Eusebs Kirchengeschichte (III 39, 15). Danach trug er den jüdisch-römischen Doppelnamen JohannesMarkus, ähnlich dem Saulus-Paulus oder dem Simon-Petrus, war Sohn ei­ ner Christin namens Maria aus Jerusalem, Neffe des Barnabas und diente dem Petrus in Rom als Dolmetscher aus dem Aramäischen ins Griechi­ sche. Gemäß der legendenfrohen Kirchengeschichte Eusebs (II 16) grün­ dete Markus die Kirche von Alexandria und wurde dort begraben. Seine Reliquien fielen im Jahre 828 zwei venezianischen Kaufleuten in die Hände. Sie sollen sie in eingepökeltem Schweinefleisch, unberührbar für islamische Zöllner, den Moslems entführt haben. Die Venezianer errichte­ ten über den Knochen die Kirche San Marco und wählten als ihr Wappen den Markus-Löwen mit dem Buch und der Inschrift PAX TIBI MARCE EVANGELISTA MEVS.

Das Evangelium ist vermutlich in Rom von einem unbekannten Hei­ denchristen verfaßt und dem Petrus-Begleiter zugeschrieben, möglicher­ weise nach den Erzählungen des Petrus. Die Sprache des Markus ist ein unbeholfenes Griechisch, durchsetzt mit aramäischen Redefiguren und la­ teinischen Fremdwörtern. Der Hinweis auf die Zerstörung des Jerusale­ mer Tempels (13,2) spricht für eine Abfassung nach dem Jahre 70. Zudem scheint der Autor die Christenverfolgung Neros 64 n. Chr. zu kennen, denn er legt Jesus die Worte in den Mund: „Sie werden euch überantwor­ ten den Gerichten... und vor Fürsten und Könige wird man euch führen um meinetwillen“ (Mk. 13, 9 ff).

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Bild 12. Evangelien-Stemma. Markus (Mk.) ist über unbekannte Zwischenstufen (?) von Nachrichten aus der Umgebung Jesu (J) abhängig. Auf letzterer beruht ebenso die verlorene Logienquelle (Q). Matthäus (Mt.) bringt das Material von Markus und der Logienquelle, sowie Sondergut unbekannter Herkunft, hier nicht ausgewiesen. Lukas (Lk.) benutzt ebenfalls Markus und die Logienquelle und berichtet eigenes Sondergut. Johannes (Joh.) verwendet Nachrichten, die über unbekannte Vermitt­ lung (?) auf die Nähe Jesu zurückführen. Abhängigkeit von Matthäus und Lukas wird erwogen. Johannes vertritt eine eigenständige Theologie.

n. Das Evangelium nach Matthäus trägt den Namen eines auch Levi genannten Jüngers Jesu. Er war Zöllner. Der früheste Zeuge dafür ist Clemens von Alexandrien, der erste christliche Gelehrte aus der Zeit um 200. Dennoch ist das Bibelbuch kaum von Matthäus abgefaßt. Das ergibt sich daraus, daß der tatsächlich unbekannte Autor die Schrift des Mar­ kus, der weder Jünger noch Apostel war, ausschreibt, so daß wir neun Zehntel der Nachrichten des Markus bei Matthäus wiederfinden. Dane­ ben benutzt er die sogenannten Logienquelle, eine nicht erhaltene Spruchsammlung Jesu. Sie wird mit Q bezeichnet und enthielt Passagen, die sich ebenfalls bei Lukas befinden, nicht aber bei Markus. Sicher ist, daß der Evangelist nach dem Jahre 70 geschrieben hat, denn auch bei ihm prophezeit Jesus den Untergang des Tempels (23, 38). Das ist gewiß ein vaticinium post eventum. Da Ignatius von Antiochia, der um 110 n. Chr. in Rom den Zirkusbestien vorgeworfen wurde, das Matthäus-

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Evangelium gelesen hat, dürfte es gegen Ende des ersten Jahrhunderts entstanden sein, vermutlich in Syrien. o. Das dritte Evangelium mit der zugehörigen, später durch den Ein­ schub des Johannes-Evangeliums abgetrennten Apostelgeschichte wird seit dem Kanon Muratori (s.o. 7 e) als Werk des Lukas betrachtet. Es ist das umfangreichste Evangelium. Der Text nennt seinen Verfasser nicht, die ge­ pflegte Sprache deutet auf einen Griechen. Dieser Lukas, dessen Name auf lateinisch Lucanus oder Lucius zurückgeht, war gemäß mehreren Erwäh­ nungen im Neuen Testament ein Begleiter des Paulus, wird als geborener Heide und gelernter Arzt bezeichnet. Lukas vermeidet hebräische Wörter und verwendet nur griechische Ortsnamen, er soll nach Eusebs Kirchen­ geschichte (III 4, 6) aus Antiochia stammen. Die byzantinische Legende des 6. Jahrhunderts betrachtet ihn als Maler. Die beträchtlichen Unter­ schiede zwischen der Theologie des Paulus und der des Lukasevangeliums lassen an der Autorschaft zweifeln. Die Zuweisung an Lukas erklärt sich aus der Tendenz im frühen Christentum, den Evangelien apostolische Au­ thentizität zuzuschreiben. Wie „Matthäus“, so fußt auch „Lukas“ auf dem Markusevangelium, von dessen Nachrichten er mehr als die Hälfte über­ nimmt. Zudem benutzt er die Logienquelle (Q). Die Hälfte seines Textes besteht aus Sondergut. Anders als die übrigen Evangelisten gibt sich „Lu­ kas“ durchaus als Historiker. Er versichert, die Überlieferung sorgsam ge­ sammelt und erkundet zu haben, und versucht, sie in eine zusammenhän­ genden Erzählung zu bringen. Auch Lukas (Kap. 21) setzt die Zerstörung Jerusalems voraus, schrieb mithin nach 70, vermutlich zwischen 80 und 90 n. Chr. p. Das unter dem Namen des Johannes überlieferte vierte Evangelium hat wenig mit den Synoptikern gemein. Das Bild Jesu ist ein anderes. Ei­ nerseits ist er entmythisiert: er stammt nicht aus dem Hause Davids und nicht aus Bethlehem, sondern aus Nazareth (7, 40 ff) und ist der Sohn Jo­ sephs (1,45). Andererseits ist er der gottgleiche Logos: „Ich und der Vater sind eins“ (10, 30), eine Stellung, die über die alte Messiasrolle hinausgeht, ja kaum noch mit dem Monotheismus vereinbar ist. Die mehrfach beton­ ten Gegensätze Licht - Finsternis, Retten - Richten, Neu - Alt, Oben Unten erinnern an den gnostischen Dualismus. q. Der Autor nennt sich anonym „Lieblingsjünger Jesu“, nach dem Ka­ non Muratori (s.o. 7 e) war dies Johannes, der Sohn des Zebedäus (21,20), der auch als Verfasser des ersten Johannesbriefes auftritt; er beansprucht Augenzeugenschaft (11,1-3). Zugleich wird im Text des Evangeliums, of­ fenbar von einem Herausgeber, dieses bestätigt (21, 24). Die Kirchenväter haben dem Selbstzeugnis vertraut, doch hielt es der Kritik nicht stand. Da das Johannesevangelium die Synoptiker benutzt und zudem das intellek­ tuell anspruchvollste Werk ist, ein hohes literarisches und theologisches

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Niveau aufweist, das einem Fischer vom See Genezareth nicht zuzutrauen ist, wird die Autorschaft als fiktiv angesehen. Alle vier Evangelien laufen sohin unter falschem Namen und sind - pia frans! -, um ihr Ansehen zu steigern, Autoren aus der Nähe Jesu zugeschrieben worden. Schon Irenaeus betrachtete um 185 n. Chr. das Johannes-Evangelium in seiner Schrift »Gegen die Häresien« (III1,2) als das jüngste; heute wird es ans Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. gesetzt. Einzelne Forscher denken auch ans frühe 2. Jahrhundert. Für die Verläßlichkeit der historischen An­ gaben bleiben Autorschaft und Abfassungszeit zweitrangig. Auch ein Au­ genzeuge kann, wenn er Gründe hat, einen Sachverhalt entstellen; auch ein später Berichterstatter wird, wenn er gute Quellen benutzt, Verläßliches liefern. Dies scheint, wie bereits Ernest Renan 1863 gesehen hat, bei Johan­ nes für das Leben Jesu der Fall. Seine Angaben über Geburt und Tod Jesu beruhen teilweise auf vorsynoptischer Überlieferung, die noch nicht im Sinne der Messias-Idee umgeformt ist. r. Die im Neuen Testament auf das Johannesevangelium folgende Apo­ stelgeschichte bildete ursprünglich mit dem Lukasevangelium eine Ein­ heit. Ihr Titel Praxeis Apostolon, lateinisch Acta Apostolornm, „Taten der Apostel“ wurde schon von Luther mit „Der Apostel Geschichte“ wieder­ gegeben. Er verwendet damit „Geschichte“ jedoch noch nicht wie wir als Kollektivsingular, sondern als Plural von „das Geschieht“. Ebenso wie das Evangelium nach Lukas ist auch die Apostelgeschichte das Werk eines spä­ teren Ungenannten aus domitianischer Zeit, nicht vor 80 n. Chr. Auf Lu­ kas selbst gehen möglicherweise die Wir-Berichte zurück, die unvermittelt autobiographische Züge in den Text bringen. Pilatus wird an drei Stellen genannt (3,13; 4,27; 13,28), sie sagen jedoch nichts über den Landpfleger aus, was über das aus den Evangelien Bekannte hinausginge. s. Die Apostelgeschichte beschreibt die Ausbreitung des Neuen Glau­ bens im östlichen Mittelmeergebiet, namentlich unter den Heiden. Sie ist unsere einzige Quelle für die Geschichte der Urgemeinde. So wie die Evangelien verbindet sie historische Berichte mit Wundererzählungen denken wir an den heilkräftigen Schatten des Petrus (5,12 ff.) - und ist gleichfalls in der Absicht geschrieben, den Glauben der jungen Gemeinde zu stärken. Auch wenn wir auf die Annahme verzichten müssen, daß sie tatsächlich von Lukas, dem Begleiter des Paulus, verfaßt wurde, (s.o. 7 o), so dürfen wir ihr doch einige Daten zum Urchristentum entnehmen. Man erzählte sich von einem Befehl des Auferstandenen, die Gemeinde solle vorerst in Jerusalem bleiben (1,4), wo sie dann zu Pfingsten den „Geist empfing“ (2) und sich dann trotz der Verfolgung durch die Juden auszu­ breiten begann. Im Mittelpunkt steht die Gestalt des Paulus. Seine Mis­ sionsreisen werden ausführlich beschrieben, ebenso die Fahrt als Gefange­ ner nach Rom. Die letzten Worte besagen, daß Paulus dort zwei Jahre in

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seiner Wohnung lebte, viel Umgang hatte und lehrte „mit allem Freimut ungehindert“. Über das Ende des Apostels verlautet nichts (s. u. 12 p), ob­ schon die Schrift nach seinem Tode verfaßt wurde, wie sich aus der Abfas­ sungszeit des Lukas-Evangeliums ergibt. t. Historisch bedeutsam ist schließlich noch die Apokalypse des Johan­ nes. So wie das erste Buch der Bibel die Schöpfung der Welt behandelt, so beschreibt das letzte ihren Untergang. Das Wort apokalypsis bedeutet in weltlichem Zusammenhang soviel wie „Entdeckung, Entschleierung, Er­ öffnung“, in religiösem Kontext sodann „Offenbarung, Vision“, unabhän­ gig vom Inhalt. Mit einer Katastrophe ist das Wort ironischerweise durch seine Überlieferungsgeschichte verbunden, denn seine älteste Verwendung findet sich bei dem epikureischen Philosophen Philodemos von Gadara, von dessen Schriften ein Exemplar beim Ausbruch des Vesuv 79 n. Chr. in Herculaneum verkohlt ist. Es konnte teilweise wiederhergestellt werden. Als Autor der Apokalypse präsentiert sich der angeblich nach Patmos verbannte Jünger Johannes Zebedäi, doch ist an dieser Verfasserschaft schon früh begründet Kritik geübt worden. Geschrieben wurde das Buch höchst wahrscheinlich in den letzten Jahren vor dem Tode des Kaisers Do­ mitian 96 n. Chr. Das an sieben Gemeinden in Kleinasien gerichtete Send­ schreiben interpretiert das Herrenwort „Das Himmelreich ist nahe herbei­ gekommen“ und entwirft in phantastischen Bildern ein hochtheatralisches Endzeitgeschehen. Rom, die große Hure Babylon mit ihrem satanischen Kaiserkult wird überwunden, Gericht wird gehalten über die Feinde des Lammes, sein Volk triumphiert und geht ein in die himmlische Herrlich­ keit Gottes. Apokalyptische Endzeiterwartungen dieser Art, die ebenfalls aus dem jüdischen Schrifttum der Zeit bekannt sind, haben das Bewußtsein der rö­ mischen Christen geprägt und veranschaulichen uns den Hintergrund ih­ res Denkens und Handelns. Wie derartige Phantasmagorien immer wieder zu Lebensmächten werden konnten, ist ein Rätsel, das zwar nicht gelöst werden kann, aber einiges von seiner Rätselhaftigkeit verliert, wenn wir es in Verbindung mit anderen Angst- und Wunschträumen der Menschheit bringen. Auch wo der Historiker das Geschehen weder selbst verstehen noch anderen verständlich machen kann, da hat er es doch zu beschreiben. Wer weiß, ob nicht doch wer den Schlüssel findet? u. Neben den im Neuen Testament gesammelten und autorisierten Schriften sind in der frühen Kirche noch zahlreiche weitere „im Verborge­ nen“ verfaßt und benutzt worden, die darum so genannten Apokryphen. Zwar hat man nach der Kanonbildung im 4. Jahrhundert n. Chr. alle er­ reichbaren unkanonischen Texte beseitigt, um Verwirrung zu vermeiden, doch sind durch glückliche Umstände einige von ihnen erhalten geblieben. Zahlreiche Zitate finden sich bei den Kirchenvätern, einige Schriften besit-

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zen wir auch ganz, so die 1946 in Nag Hammadi in Oberägypten gefunde­ nen koptischen Evangelien, besser: Spruchsammlungen nach Thomas und nach Philippus, die um 400 n. Chr. abgeschrieben wurden, aber auf Texte des späten 2. Jahrhunderts zurückgehen. Schon vor diesen Funden lieferte der Wüstensand Überraschungen. 1886 wurde in Oberägypten das PetrusEvangelium gefunden. Die von Hennecke und Schneemelcher (HS) über­ setzten Schriften sind für die Legendenbildung bedeutsam, für Pilatus lie­ fern sie viel Stoff (s. u. 13). Unter den Apokryphen hat jüngst das angeblich von Petrus höchst per­ sönlich verfaßte Evangelium den Versuch einer Aufwertung erfahren. Die­ ser im späten 2. Jahrhundert zuerst bezeugte, um 150 n. Chr. verfaßte Text (HS. I6, S. 180 f) soll nach Crossan (1999) in seinen wesentlichen Teilen von ihm »Kreuzevangelium< genannt - bereits um 40 n. Chr. entstanden sein und allen Evangelisten als Quelle gedient haben. Die evident jüngeren Stellen seien nachträgliche Anpassungen an die kanonischen Evangelien. Mit dieser These wird der Autor kaum Anklang finden. Denn die von ihm für ursprünglich gehaltene Erzählung ist eine üppig ausgestaltete Legende, die über die Passion im Neuen Testament weit hinausgeht: literarisch de­ taillierter, theologisch tendenziöser und weiter vom historisch Wahr­ scheinlichen entfernt: nicht Pilatus, sondern Herodes läßt Jesus kreuzigen. Das soll im Ur-Evangelium gestanden haben? v. Wenn auch die Bibel kein Geschichtsbuch im strengen Wortsinn ist, so ist damit noch nicht gesagt, daß sie kein Geschichtsbuch sein will. Wenn wir von „biblischer Geschichte“ sprechen, was anderes meinen wir dann als die in den „Geschichtsbüchern“ des Alten und Neuen Testaments überlieferten Begebenheiten aus dem Heiligen Lande? Zu warnen ist vor einer unbedachten Gleichsetzung unseres Geschichtsbegriffs mit dem der Bibel. Daß beide Male überhaupt von Geschichte gesprochen werden darf, ergibt sich aus dem Inhalt des Berichteten. Übereinstimmend geht es um Worte, Taten und Schicksale namentlich bekannter Menschen, die zu be­ stimmten Zeiten an bestimmten Orten stattgefunden haben, verläßlich überliefert und für die Nachwelt bedeutsam sind. In diesem Punkt ent­ spricht das, was die Bibel über David und Salomon, über Jesus und Pilatus erzählt, dem, was die Antike über Kyros und Alexander, das Mittelalter über Karl den Großen oder über Barbarossa meldet. x. Der Unterschied zu unserem Geschichtsbegriff liegt in zwei Berei­ chen: in der Kritik und in der Relevanz. Unser modernes, an Thukydides angelehntes Geschichtsverständnis, wie es Leopold von Ranke entwickelt hat, verlangt eine quellenkritische Prüfung der Tradition. Die Bibel kennt Kritik am religiösen, moralischen und politischen Handeln ihrer Perso­ nen, übt aber nirgends für uns erkennbare Zweifel an der sachlichen Rich­ tigkeit der tradierten Taten und Worte. Auch gibt es keine Polemik zwi-

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sehen den Autoren, so wie etwa Polybios seine Vorgänger kritisiert. Ge­ wiß mag eine solche Kritik des jeweils vorgefundenen Erzählgutes vom Schreiber geübt worden sein, bevor er seinen eigenen Text niederschrieb. Da er dies aber nicht thematisiert, so wie Herodot ohne Namensnennung mehrfach zwischen Glaubwürdigem, Möglichem und Unglaubwürdigem unterscheidet, wissen wir nicht, ob und wie das als historisch Überlieferte gesichtet und gesiebt wurde. Sicher ist, daß in hohem Grade Historisches mit Legendärem durchsetzt ist. y. Der Grund für diesen Mangel an Kritik beruht auf dem eigentümli­ chen Relevanzkriterium der biblischen Geschichtsschreiber. Wollten die antiken Autoren bewundernswerte Leistungen und bedenkenswerte Er­ fahrungen mitteilen, die für die Menschenbildung, Staatsführung und Le­ benserwartung bedeutsam waren, und will der moderne Historiker dieje­ nigen Geschehnisse ermitteln, die kausal oder symptomatisch ergiebigen Erkenntnisgewinn über Gesellschaften der Vergangenheit abwerfen, so geht es der Bibel um Ereignisse, die das Handeln Gottes am Menschen er­ kennen lassen, mithin heilsrelevant sind. Die in der Bibel berichteten Ge­ schichten haben eine theologische Interpretation hinter sich und sind durch diesen Filter geformt, mal mehr und mal minder. Es ist daher nicht zu erwarten, daß die biblische Heilsgeschichte beispielsweise sine ira et Studio den „Feinden Gottes“ Verständnis entgegenbringt, daß sie ihren Propheten Irrtümer nachweist, Unglück unerklärt läßt und Fälle berichtet, die den Glauben an Gottes Heilsplan erschüttern könnten. Selbst der un­ verschuldet geplagte Hiob erhält als Lohn für seine Standfestigkeit zuletzt „zwiefältig so viel als er gehabt hatte“. z. Historische Kritik an den Bibelgeschichten gibt es in der heidnischen Spätantike und dann wieder seit dem 18. Jahrhundert. Im Jahre 1762 em­ pörte sich Johann Georg Hamann in seiner »Aesthetica in nuce« über die Bibelkritik der Aufklärung, indem er die philologia sacra gegen die philolo­ gia profana zu verteidigen suchte. Der Göttinger Orientalist Johann David Michaelis hatte die Bibel ohne Vorzug und Vorbehalt der antiken Literatur zugeschlagen und damit einen bis heute nicht völlig behobenen Streit aus­ gelöst. Darf man die Bibel so wie jeden anderen Text kritisch befragen? Die Antwort lesen wir bereits in dem Brief, den Thomas Jefferson am 10. August 1787 an seinen Neffen schrieb: Read the Bible, as you would read Livy or Tacitus! Die den Naturgesetzen entsprechenden Tatsachen seien vertrauenswürdig, aber die Behauptungen, die sich allein auf göttliche In­ spiration gründeten, verdienten Skepsis. Your own reason is the only oracle given you by heaven. Das Gebot für einen Historiker ist klar: Man muß die Bibel wie jeden anderen antiken Text lesen, - sofern man die Eigenart, die dieses Werk auszeichnet, berücksichtigt. Dieses Gebot wiederum gilt für die Behandlung jeden Textes.

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Historische Kritik erfordert Untersuchung über das Zustandekommen der Quellen. In diesem Betracht ist die biblische Überlieferung zu hinter­ fragen genau wie jede andere, davon kann sie ebensowenig dispensiert werden wie irgendeine sonstige historisch auszuwertende Tradition. Denn die den Evangelien zugrunde liegende historische Erinnerung wurde über­ formt durch allgemeine Prinzipien der Legendenbildung und durch die besondere religiöse Ansicht und Absicht der Evangelisten. Die legendären Verformungstendenzen überhaupt liegen in einer Steigerung des erzähleri­ schen Reizes: Effekte werden aufgebauscht, Zeitabstände verkürzt, Zu­ sammenhänge hergestellt; Unbestimmtes wird konkretisiert, Verstreutes gesammelt, Unvollständiges ergänzt. Personennamen, Zeit- und Ortsan­ gaben kommen hinzu. Was immer eine Überlieferung beglaubigt und an­ schaulich macht, was Überliefertem tieferen Sinn und höhere Bedeutung verleiht, ist der Legendenbildung willkommen. All diese Momente lassen sich ablesen an einem Vergleich zwischen dem Text der Evangelien und den späteren Legenden, ja schon zwischen Markus und den drei jüngeren Evangelien. Dabei zeigt sich, daß sie nicht nur die Basis für eine Weiterbil­ dung geliefert haben, sondern ihrerseits Ergebnis von Verformungspro­ zessen sind, die denselben Tendenzen gehorchen. Die speziellen Verformungstendenzen der Evangelien erwachsen aus der in ihnen enthaltenen Theologie. Hier fassen wir die Sonderstellung der Bibel unter den antiken Texten. Diese Theologie muß erkannt sein, um die durch sie geformte Faktensubstanz auszumachen. Und dabei zeigt sich, daß ein je anderer Realitätsbezug zugrunde liegt, wenn wir Personen, Orte und Ereignisse verschiedener Denkebenen gegeneinander stellen: den Statthalter Pilatus gegen den Dämonenfürsten Asmodäus, die Stadt Jerusa­ lem gegen den Ort des Endkampfes Harmageddon, die Kreuzigung Jesu gegen das Weinwunder auf der Hochzeit zu Kana. Alles, was allein aus der heilsgeschichtlicheen Absicht der Evangelisten erwächst, wird der Histo­ riker zur Seite legen. Klio ist eine heidnische Göttin. Wiewohl es dem Historiker bei einem Quellentext wie der Bibel aller­ erst um die Freilegung des durch Zeugenschaft Miterlebten und sachgetreu Weitergegebenen gehen muß, ist die literarisch-religiöse Hülle doch mehr als ein bloßes Hindernis auf dem Wege zur Wahrheit. Denn nicht das Ge­ schehen selbst, sondern das von ihm entworfene und gestaltete Bild ist es, was zur Wirkung kommt. Dies gilt für die Bibel gewiß, hat sie doch Ge­ schichte gemacht, wie kein zweites Buch - nicht zuletzt weil sie Ge­ schichte verarbeitet. In diesem Betracht stehen andere heilige Bücher hin­ ter ihr zurück - so die indischen Veden, das persische Avesta und der ara­ bische Koran. Das Geschichtsbild der Bibel beginnt mit der Schöpfung, endet aber nicht mit der Gegenwart, sondern greift in die Zukunft. Das Ende der Geschichte soll der Messias bringen.

8. Messiaserwartung a. Zeugnis des Täufers Salbung b. c. Erlösergestalten Königstitel, Sternprodigium d. e. Kyros Daniel f. g. Koloß auf tönernen Füßen Vergil und Augustus h. i. Priene-Inschrift Qumran k. Herodianer Judas, Simon, Athronges m. Judas der Galiläer Barabbas n. o. Gottesknecht, Menschensohn Simon Magus, Dositheos Pq. Tholomäus, Theudas Eleazar, Ägypter, Jesus Anani r. s. Menahem Vespasian t. u. Königstitel J ohannes-Apokalypse v. w. Viertes Buch Esra, Sibyllinen Bar Kochba x. y. Nachantike Politischer Messianismus z.

jl.

Die christliche Religion ist eine intentionierte politische Revolution, die, verfehlt, nachher moralisch geworden ist. Goethe

a. „Bist du der Christus? Bist du Elias? Bist du der Prophet? So fragten die Juden Johannes den Täufer. Er aber wies auf Jesus, der sei Gottes Sohn, das Lamm Gottes. Dies vernahm ein Jünger des Johannes, der Fischer An­ dreas von Kapernaum. Er sprach zu seinem Bruder Simon: Wir haben den Messias gefunden, das ist verdolmetscht: der Gesalbte.“ In diesem Text aus dem Johannes-Evangelium (1,19 ff) spiegelt sich einerseits die fieberhafte Erwartung nach dem Erlöser, andererseits die schillernde Vorstellung von ihm. Der Prophet Elias war durch die Überlieferung von seiner geheimnis­ vollen Entrückung in den Himmel auf einem feurigen Wagen mit feurigen Rossen (2. Könige 2,11) zu einer Endzeitfigur geworden, wie die drei jüdi­ schen Elias-Apokalypsen aus der frühen Kaiserzeit bestätigen. Er wurde als Herold des Weltengerichtes oder als Vorläufer des Messias angespro­ chen. b. Der für Juden wie Christen zentrale Begriff „Messias“ begegnet in der griechischen Bibel nur an je zwei Stellen bei Daniel (9,25 f) und im Johan­ nes-Evangelium (1, 41; 4, 25). Es ist die gräzisierte Fassung von aramäisch meschiha, hebräisch hammaschiah, was ebenso wie griechisch christos, ab­ geleitet von chrio - ich salbe, „der Gesalbte“ bedeutet. Deutsch „Creme“ geht zurück auf griechisch chrima - die Salbe. Das lateinische Äquivalent zu christos ist unctus, davon leitet sich französisch rOint her. Die Salbung ist ein altorientalisches, bei den Ägyptern und den Hethi­ tern bezeugtes Ritual der Erhebung von weltlichen und geistlichen Wür­ denträgern, ähnlich der Investitur, der Inthronisation oder der Krönung bei anderen Völkern, und wurde bei den Israeliten auch zur Priesterweihe vollzogen. Die Salbung Sauls ist das früheste Beispiel in der Geschichte Is­ raels (s.o. 1 g). Im Griechischen wird für den Messias neben christos auch kyrios - Herr oder soter - Retter gebraucht, im Lateinischen salvator Heiland, der das Heil (salus) bringt, oder vindex - Erlöser, der die Freiheit herbeiführt. c. Die Hoffnung auf einen übermenschlichen Retter am Ende der Zeiten war bei vielen Völkern verbreitet. In der persischen Religion Zarathustras wurde Astvat-Arta, „das lebende Recht“ erwartet, um das Böse zu ver­ nichten, so im 19. Yascht des Avesta. In der mittelpersischen PahlaviÜberlieferung heißt er Saoschyant, bei dessen Erscheinen die Welt geläu­

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tert wird und die Toten auferstehen. Manichäische Texte verkünden die Ankunft des „Großen Königs“. Die Mithrasanhänger warten auf den wie­ der Fleisch gewordenen Mithras. Nach der Lehre des Islam wird das Werk Mohammeds dereinst vom Mahdi, dem „Rechtgeleiteten“ vollendet, der die Ungläubigen bekehrt oder vernichtet und eine gerechte Verteilung der Güter vornimmt. Wie diese Vorstellungen entstanden sind und sich gegen­ seitig beeinflußt haben, ist unklar und umstritten. Deutlich aber ist, daß sie oft genug politische Bewegungen ausgelöst haben. d. Die jüdische Messiaserwartung trägt von Anbeginn politische Züge. Als der „Gesalbte Jahwes“ wird im Alten Testament der jeweilige König bezeichnet, so Saul im ersten Buch Samuel (24, 7), David im zweiten (19, 22), Zedekia in den Klageliedern Jeremias (4, 20). Zedekia war der letzte König von Juda, er nahm 587 ein trauriges Ende in der Babylonischen Ge­ fangenschaft. Die dort zu vermutende Berührung mit persischen Vorstel­ lungen (s.o. 8 c) ist kaum ohne Folgen für die jüdische Endzeiterwartung geblieben. Nach nicht ganz zweifelsfreien Überlieferungen reicht sie aller­ dings in frühere Zeiten zurück, so die Prophezeiung Bileams: „Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen und wird zerschmettern die Schläfen der Moabiter und den Scheitel aller Söhne Seths“ (4. Mose 24, 17). Den Stern kennen wir aus der Weihnachtsge­ schichte. Einerseits leuchtet er den Weisen aus dem Morgenland voran und zeigt ihnen den Weg (Mt. 2, 9), andererseits ist er in geheimnisvoller Iden­ tität selbst der neugeborene König (Mt. 2, 2). Daß ihn persische Magier, nicht aber jüdische Schriftgelehrte erkennen, greift zurück auf den 72. Psalm, der die Anbetung Jahwes durch alle Könige auf Zion voraussagt (s. u. 9x). Eben darum sind aus den magoi in der christlichen Legende auch Könige geworden. Ihre Dreizahl ist nicht biblisch bezeugt, sondern aus den Gaben: Gold (chrysos), Myrrhe (smyma) und Weihrauch (Libanon) ab­ geleitet. Im Ansatz verfehlt sind alle Versuche, den Stern von Bethlehem im Milchstraßensystem auszumachen. Das hat schon Eduard Meyer (1924, S. 59) mit aller Deutlichkeit festgestellt. Es handelt sich um ein bloßes Sprachbild, um eine Metapher für Ruhm und Herrschaft. Von Thutmosis III bis zu Mao Tse-tung wird der neue Machthaber im Orient mit einem neuen Stern oder mit der aufgehenden Sonne verglichen. „Ich bin die Wur­ zel des Geschlechtes David, der helle Morgenstern“, sagt Jesus in der Jo­ hannes-Apokalypse (22,16). Auch das Umgekehrte kommt vor. „Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern!“ ruft Jesaja (14, 12) und meint damit den Sturz des Königs von Babylon. Der Stern von Bethlehem gilt als die Erfüllung der zitierten Weissagung Bileams. Diese Prophezeihung wurde indes zuvor von der Qumran-Gemeinde auf den erwarteten Lehrer aus Damaskus bezogen (Maier I, 1995

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S. 18 ff), und hernach von Rabbi ben Akiba auf Bar Kochba (s. u. 8 x), ohne daß jemals jemand versucht hätte, auch deren Äquivalente am Nachthim­ mel zu entdecken. Denkbar wäre dies indessen für den Kometen nach Caesars Tod, bloß ist der kaum zu identifizieren, da alle fünf bis zehn Jahre ein Komet gemeldet wird und die Beschreibungen desselben Phänomens oft auseinandergehen. Der Komet des Jahres 44 v. Chr. zeigte Caesars Auf­ nahme in den Himmel an, weswegen man Caesars Bildern einen Stern auf die Stirne setzte. Nach antiker Auffassung werden bedeutsame Ereignisse auf Erden oft von ungewöhnlichen Erscheinungen am Himmel begleitet. Das wird uns bei der angeblichen Sonnenfinsternis während der Kreuzi­ gung wieder begegnen. Der Stern von Bethlehem ist keine astronomische Angabe. Er ist ebensowenig am Himmel wie das Paradies auf Erden zu su­ chen - Astronomen und Geographen können keine Mythen entschlüsseln. e. Auftrieb erfuhr die Messiashoffnung nach dem Ende des Reiches Da­ vids, während des Exils. Als der Perserkönig Kyros dann im Jahre 539 Ba­ bylon erobert und im folgenden Jahre den Juden die Heimkehr und den Wiederaufbau des Tempels gestattet hatte, wurde er, der Verehrer Ahura Mazdas, von Deutero-Jesaja als der Hirte Jahwes (44,28), ja als der Gesalbte des Herrn (45,1) gepriesen. Nach seinem Tode finden wir als Statthalter der Perser in Jerusalem Serubbabel, den letzten Nachkommen aus dem Hause Davids. Auf ihn nun richtete sich die Hoffnung, daß Tempel und Reich er­ neuert würden, hatte doch der Prophet Nathan zu David gesagt: „Nach dei­ nem Tode werde ich deinen Samen erwecken, der soll dir einen Tempel bauen und ewig herrschen“ (2. Samuel 7,12 f). Nachdem der zweite Tempel 515 v. Chr. vollendet war (s.o. 1 m), erklärte der Prophet Haggai (2,20 ff) Se­ rubbabel zum Erwählten Zebaoths, er soll „die Throne umstürzen und die mächtigen Königreiche der Heiden vertilgen, umwerfen die Streitwagen und die darauf fahren; Roß und Reiter sollen fallen, ein jeder durch des an­ deren Schwert“. Ähnlich der Prophet Maleachi (3, 19): „Denn siehe es kommt ein Tag, der brennen soll wie ein Ofen; da werden alle Verächter und Gottlosen Stroh sein, und der künftige Tag wird sie anzünden, spricht der Herr Zebaoth, und wird ihnen weder Wurzeln noch Zweige lassen“. f. Die folgenreichste Epoche in der Geschichte der jüdischen MessiasErwartung ist der Makkabäer-Krieg, in dem das Buch Daniel entstand. Die Schrift ist als vierte unter den „großen Propheten“ des Alten Testaments überliefert, teils aramäisch, teils hebräisch abgefaßt. Die teilweise in der Ich-Form gehaltene Erzählung wird einem jüdischen Jüngling am Hofe Nebukadnezars in Babylon zugeschrieben und enthält eine bildlich ver­ schlüsselte Vorhersage der Weltgeschichte bis zur Ankunft des Gesalbten. Wie schon der neuplatonische Philosoph Porphyrios um 300 n. Chr. er­ kannt hat, handelt es sich um die literarische Fiktion eines ungenannten und unbekannten Autors aus der Zeit des Makkabäer-Krieges gegen An-

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tiochus IV Epiphanes (s.o. 1 u). Die Schlußredaktion ist auf den Winter 165/164 zu datieren, denn bis dahin lassen sich die Prophezeiungen mit dem historischen Geschehen abgleichen. Die späteren Ereignisse kennt der Autor nicht: weder der Tod des Königs 164 an einer Krankheit noch der Triumph der Aufständischen werden vorhergesagt. g. Eingangs erklärt Daniel dem König ein Traumgesicht. Beschrieben wird eine Statue mit goldenem Haupt, silberner Brust, kupfernem Bauch, eisernen Schenkeln und Füßen aus Ton und Eisen gemischt. Diese Körper­ teile verbildlichen vier aufeinander folgende Weltreiche von abnehmender Haltbarkeit: Gold steht für Nebukadnezars eigenes babylonisches Reich, Silber für das medische, Kupfer für das persische und Eisen für das make­ donische. Die Füße symbolisieren das unstabile Reich des Antiochus Epi­ phanes. Nun sieht Nebukadnezar einen Stein herunterkommen ohne Zu­ tun von Menschenhand, der den Koloß auf tönernen Füßen zermalmt. Die Brocken werden wie Spreu auf der Tenne vom Winde verweht, der Stein aber wächst und wird zu einem Berg, der die ganze Welt füllt. Daniel deu­ tet: Gott errichtet ein Reich, das nimmermehr zerstört wird, und die Herr­ schaft wird nie auf ein anderes Volk übergehen (2, 31 ff). Eine weitere Vision kleidet dieselbe Aussage in das Bild von den Tieren aus dem Abgrund. Das letzte, gemeint ist wiederum Antiochus, wird getö­ tet und ins Feuer geworfen. „Und siehe es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem Uralten, der gab ihm Macht, Ehre und Reich, daß ihm alle Völker dienen sollten. Seine Macht ist ewig und sein Reich hat kein Ende“ (7, 13 f). Später wird davor noch ein Gericht eingeschaltet, ehe Antiochus vernichtet wird (7,26). Eine dritte Erscheinung von Widder und Ziegenbock bekräftigt die Vorhersage abermals: die böse Macht wird zerstört „ohne Zutun von Menschenhand“ (8, 25). Am Ende der Zeiten kommt eine große Trübsal, dann aber wird Michael, der Schutzengel der Juden, alle im Buch des Lebens Verzeichne­ ten von den Toten auferwecken. Und die Lehrer der Gerechtigkeit werden leuchten wie die Sterne immer und ewiglich (12, 3). h. Die Theorie der Weltreichfolge ist noch in republikanischer Zeit in den Westen gelangt, wie der bei Velleius Paterculus (16,6) genannte Aemilius Sura zeigt, ebenso die Lehre von dem zum Ende führenden Zeitalter, so die Säkularphilosophie der Etrusker (Censorinus 17,6). Dies erleichtert das Verständnis für eines der seltsamsten Stücke antiker Literatur, für Ver­ gils vierte Ekloge. Dies aus dem Jahre 40 v. Chr., dem Konsulat des Asinius Pollio stammende Hirtengedicht erhielt im Mittelalter die Überschrift »Saeculi novi interpretatio«, Verheißung des neuen Zeitalters. Die Sibylle verkündet die ultima aetas, die Endzeit: magnus ab integro saeclorum nascitur ordo - „aus reinem Ursprung erwächst die große Ordnung der Zei­ ten“, ein neues Geschlecht wird vom Himmel gesandt, ein Knabe wird ge­

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boren, mit dem das Goldene Zeitalter Saturns wiederkehrt. Das Böse ver­ schwindet, die Furcht wird überwunden, der Knabe regiert die Welt im Frieden mit den Tugenden seines Vaters. Die Natur bringt ihre Gaben ohne die Arbeit der Menschen, die Rinder fürchten nicht länger die riesi­ gen Löwen, alle Welt jubelt den kommenden Zeiten entgegen... Dieser über hundert Jahre vor den Evangelien niedergeschriebene Text ist schon im frühen Christentum geheimnisvoll auf Jesus bezogen worden. Vergil wurde ohne eigenes Wissen zum Verkünder des Messias, darum wählte ihn Dante sich in seiner »Divina Commedia« als Führer durch das Weltenge­ bäude. In Vergils »Äneis« (VI 791 ff) wird die Wiederkehr der Goldenen Zeit mit Augustus verbunden, der damit selbst charismatische Züge ge­ winnt. Juppiter verleiht den Römern ein imperium sine fine (I 279), ein Reich ohne räumliche und zeitliche Grenzen. i. Die in der augusteischen Zeit verbreitete Hoffnung auf einen Erlöser und eine neue Zeit bezeugt ebenso eine zufällig erhaltene Inschrift aus der Stadt Priene in Kleinasien. Es handelt sich um eine Kalendertafel aus dem Jahre 9 v. Chr. Dort wird der Geburtstag des Kaisers Augustus folgender­ maßen erläutert: „Dieser Tag hat der ganzen Welt ein neues Ansehen ver­ liehen; sie wäre dem Untergang verfallen, wenn nicht in dem Neugebore­ nen für alle Menschen ein gemeinsames Glück erstrahlt wäre. Richtig ur­ teilt, wer in diesem Geburtstag den Anfang des wahren Lebens und all sei­ ner Kräfte erkennt; endlich ist die Zeit vorbei, da man bereuen muß, gebo­ ren zu sein. Von keinem anderen Tage empfängt jeder Einzelne und die Menschheit als ganze so viel Gutes. Unmöglich ist es, gebührenden Dank abzustatten für die Wohltaten, die dieser Tag gebracht hat. Die über allem Leben waltende Vorsehung hat diesen Mann zum Heile der Menschen mit Gaben erfüllt, hat ihn uns und den künftigen Geschlechtern als Heiland (söter) geschickt, allem Zwist wird er ein Ende machen. In seiner Erschei­ nung haben sich die Hoffnungen unserer Vorfahren verwirklicht, nie gab es einen größeren Wohltäter, nie wird es einen geben. Der Geburtstag die­ ses Gottes hat die Welt durch seine frohe Botschaft (euangelion) erneuert, damit muß eine neue Zeitrechnung beginnen“ (Ogis. 458). Ähnliche Texte aus anderen Städten stimmen hier ein. Hymnisches Lob erfuhr Augustus auch aus jüdischem Munde. Philo (Legatio 143 ff) läßt die Tugendfülle des Kaisers die Menschennatur über­ strahlen, nennt ihn den wunderbaren Wohltäter, Abwehrer des Bösen (alexikakos), der die Unwetter und Seuchen beseitigt, Frieden und Freiheit gebracht habe und erklärt geradezu, die Menschheit hätte sich in Bürger­ kriegen praktisch selbst ausgerottet, wäre vollständig verschwunden, wäre er nicht als Retter erschienen. Die mit Augustus äußerlich wie innerlich gefestigte Herrschaft wurde nicht nur von den Römern selbst für endgültig erachtet. Es fehlt auch nicht

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an griechischen Denkern, die dies glaubten. Ein Beispiel für viele: Plutarch (Moralia 317 F ff) verfaßte im frühen 2. Jahrhundert einen Traktat über das Glück der Römer und beschreibt darin den Weg, den Fortuna auf ihrer Kugel zurückgelegt habe. Zunächst habe sie die Perser und Assyrer begün­ stigt, habe dann kurz bei den Makedonen und bei Alexander verweilt, sei dann nach Ägypten und Syrien gegangen und habe auch Karthago erhöht. Als sie aber zum Palatin kam und den Tiber überquerte, legte sie ihre Flü­ gel ab, schlüpfte aus den Sandalen und stieg herab von ihrer niemals ruhen­ den Kugel. Hier halte sie das Füllhorn im Arm, das die Früchte der gesam­ ten Erde über die Menschheit ergieße. So ist für Plutarch mit Roms Herr­ schaft das Ende der Geschichte gekommen. j. Die zur Zeit Jesu verbreitete Erwartung eines Retterkönigs verdichtet sich im jüdischen Raum. Aus den Schriftrollen von Qumran am Toten Meer (s.o. 4 o) ersehen wir, daß die Essener auf einen priesterlichen und ei­ nen königlichen Messias hofften, auf den Aarons und Israels (J. Maier, Qumran I, S. 26 f), den „Gesalbten der Gerechtigkeit, den Sproß Davids“ (1. c. IIS. 70). Sie glaubten, in den letzten Tagen der Welt zu leben, erwarte­ ten ein Ende mit Schrecken und einen siegreichen Krieg der Söhne des Lichts gegen die Söhne der Finsternis, zu denen außer den Heiden auch die übrigen Juden gerechnet wurden. Gleichwohl war die Sekte, anders als ihre Texte vermuten lassen, grundsätzlich quietistisch. k. Mit den Essenern gleichgesetzt werden von einzelnen Forschern die „Herodianer“. Sie erscheinen bei Markus (3, 6; 12, 13) und Matthäus (22, 16) neben den Pharisäern unter den Gegnern Jesu. Gemäß den spätantiken Sektenkatalogen sollen sie in Herodes dem Großen den Messias erblickt haben. Aus ihnen schöpfen die »Etymologiae« des Isidor von Sevilla aus der Zeit um 600 n. Chr.: Herodiani. Haec haeresis temporibus Salvatoris surrexit. Hi Herodem magnificabant, dicentes ipsum esse Christum. Zu deutsch: „Herodianer. Diese Sekte erhob sich in den Zeiten des Heilands. Sie erklärten den Herodes für groß und sagten, er sei der Messias“ (VIII4, 10). Josephus (Bellum I 10, 5) berichtet, Herodes sei in Siegesliedern als Friedensbringer besungen worden. Möglicherweise wurde dabei die Hei­ landsprophezeiung aus der Genesis (49,10) auf Herodes angewandt. Daß Herodes immerhin eine der messianischen Hoffnungen erfüllte, ergibt sich aus der Tatsache, daß der den dritten Tempel erbaut hat. Diese von Jose­ phus (Ant. XV 11) überlieferte Nachricht, die weder historisch noch ar­ chäologisch anzufechten ist, wird in der jüdischen Orthodoxie aus religiö­ sen Gründen bestritten. Sie akzeptiert nur eine „Renovierung“ des zwei­ ten unter Kyros und Darius erbauten (s.o. 1 m), weil der dritte Tempel dem Messias vorbehalten sei, den man in Herodes eben nicht erblicken wollte. Die im Neuen Testament gemeinten Herodianer sind möglicherweise bloß Soldaten oder Gefolgsleute des Herodes Antipas.

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l. Zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam es bereits in der Frühzeit des Herodes. Im Winter 47/46 v. Chr. besiegte und beseitigte er mit römi­ schem Flankenschutz die Räuberbande des Ezechias/Hiskia an der syri­ schen Grenze (Josephus, Bellum 110, 5). Daraufhin habe er die oben er­ wähnten Loblieder erhalten. Schlimmere Erhebungen folgten nach dem Tode des Herodes 4 v. Chr. in mehreren Teilen des Landes. Stets waren so­ ziale, politische und religiöse Motive im Spiel. Josephus berichtet in seinen »Antiquitates« (XVII 10) von Räuberbanden, die darin wetteiferten, sich messianische Könige zu wählen. In Galiläa brachte der „Erzräuber“ Judas, Sohn des Ezechias, die Festung Sepphoris in seine Gewalt. Er hatte schon dem Herodes Widerstand geleistet und sah nun die Gelegenheit, selbst König zu werden. Der praefectus Judaeae Gratus, der Vorgänger des Pila­ tus, schlug ihn im Felde und ließ ihn köpfen. In Peräa nahm der Sklave Si­ mon das königliche Diadem und brannte die Paläste des Herodes nieder, angefangen mit Jericho. Dies erwähnt auch Tacitus (Hist. V 9). Gegen die Römer und die Reichen erhob sich Athronges, wie David ein Hirte (1. Samuel 16,11), der sich ebenfalls zum König erklärte, aber von den romtreuen Sebastenem niedergeworfen wurde. Als ganz Judäa unter dem „Räuberkrieg“ litt, erschien noch im selben Jahre 4 n. Chr. der kaiserliche Legat Quinctilius Varus mit seinen Legionen (s.o. 2 x) und ließ zweitau­ send Empörer kreuzigen. m. Nirgendwo in ihrem riesigen Reich hatten die Römer derart dauer­ haft mit Widerstand zu kämpfen wie in Judäa. Er nahm und nahm kein Ende. Ein messianischer Heerführer war sodann Judas der Galiläer aus Gamala in der Gaulanitis, das heißt auf den Golan-Höhen. Er wird viel­ fach, aber wohl zu Unrecht mit Judas, dem Sohn des Ezechias (s.o. 4q), gleichgesetzt. Josephus unterscheidet die beiden. Judas aus Gamala nahm die nach der Absetzung des Archelaus (s.o. 3 r) anberaumte Schätzung des Jahres 6 n. Chr. zum Anlaß für seinen Aufstand. Ihn unterstützte der Pha­ risäer Sadduk (Josephus, Ant. XVIII 1,1). Die Unruhen sind in Judäa an­ zunehmen, denn Josephus (Bellum II 8,1) berichtet, der Präfekt Coponius (s.o. 6 b) habe mit Judas zu schaffen gehabt und nennt ihn den Begründer der Zeloten, die für die Herrschaft Gottes, die Theokratie, kämpften und die Steuern verweigerten. Gemäß der Apostelgeschichte (5,37) kam er um, seine Anhänger verliefen sich. n. Wenn wir Johannes den Täufer ausklammern, der den Messias nur verkündete, nicht verkörperte (s.o. 4 s), so finden wir bei den Evangelisten zwei möglicherweise messianische Bewegungen neben der von Jesus. Es ist zum einen die bei Lukas (13,1 ff) erwähnte Galiläer-Erhebung, deren Blut Pilatus mit dem ihrer Opfertiere vermischte (s.o. 6x), zum anderen der Aufruhr des Barabbas, der in der Osteramnestie begnadigt worden sein soll (s. u. 10o). Er wird als Mörder, Räuber und Empörer bezeichnet, der

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mit seiner Bande gefangen worden war, so Markus (15, 7). Lukas lokali­ siert die Rebellion in Jerusalem (23, 19). Mithin paßt er in die Reihe der „Erzräuber“ bei Josephus. o. Allein in seiner Zeit für Jesus bezeugt ist eine quietistische Variante der Messiasvorstellung: der stellvertretend für das Volk leidenden Gottes­ knecht. Die Bezeichnung „Gottesknecht “ tragen einige der frühen Messi­ asfiguren, so nach David der Perser Kyros und der Nachkomme Davids, Serubbabel, der unter Darius den von Nebukadnezar zerstörten Tempel erneuerte (s.o. 1 m). Die auf ihn bezüglichen Texte bei Deutero-Jesaja (42, 1 ff; 52, 13 ff) lassen babylonischen Einfluß aus der Zeit des Exils erken­ nen: Zum Neujahrsfest mit Beginn des Nisan, das heißt zur FrühlingsTag- und Nachtgleiche, erscheint der König öffentlich als Büßer, um stell­ vertretend für sein Volk vom Vegetationsgott Tammuz den Segen für das kommende Jahr zu erwirken. Er wird von einem Priester seiner Insignien beraubt, auf die Backe geschlagen und spricht ein Bußgebet (Zimmern 1918, S. 41). Der zugehörige Mythos auf einer bei den Ausgrabungen in Assur ge­ fundenen Keilschrift-Tafel aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. erzählt vom Gotte Tammuz alias Bel: er wird gefangen, verwundet und in den Berg ge­ führt, seine Kleider werden weggebracht. Wächter stehen vor dem Grab im Berg. Eine Frau sucht Bel, er kommt aus dem Berg hervor als Sieger über die Finsternis (Zimmern 1918, S. 12 f). Ausgeweitet auf den künftigen Aion, wird diese Aufgabe dem Endzeitpropheten zugewiesen, der durch sein persönliches Leiden die Menschheit entsühnen soll. Verwandt mit der Vorstellung vom Gottesknecht ist die vom „Men­ schensohn“, ein Titel, der im 80. Psalm und sonst dem Retter Israels verlie­ hen wird. In den Evangelien wird er 83 mal auf Jesus bezogen. Nach Exo­ dus 32,32 wollte Moses die Strafen für den Tanz der Israeliten um das Gol­ dene Kalb auf sich nehmen. Der Gedanke, daß der Herrscher für die Sün­ den seines Volkes büßen muß, ist in vielen archaischen Monarchien nach­ zuweisen. Es ist die Umkehr des noch weiter verbreiteten Glaubens, daß die Sünden des Herrschers zur Bestrafung des Volkes führen. So züchtigt Gott aus Zorn über David Israel mit Pestilenz (2. Samuel 24). Walther Rathenau hat dies im Ersten Weltkrieg säkularisiert. Am 12. Mai 1917 schrieb er: „Das Volk büßt für seine Führer. Das ist der Sinn des Krieges. Und diese Buße ist gerecht.“ p. Messianische Gestalten müssen somit nicht politisch ausgerichtet sein. Zu den unpolitischen Gottesmännern wird man neben Johannes dem Täufer und Jesus auch Simon Magus zählen dürfen. Die Apostelgeschichte (8, 9 ff) berichtet von einem Simon, der in Samaria Magie trieb und lange Zeit das Volk dort bezauberte. „Und sie hingen ihm alle an, klein und groß und sprachen: Der ist die Kraft Gottes, die da groß heißt.“ Dieser wunder­

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wirkende Gottesmann, der einen beträchtlichen Anhang um sich versam­ melt, steht dem Messias-Typus nahe, auch wenn wir nicht erfahren, welche Ziele Simon verfolgt hat. Nach der Apostelgeschichte verlor er seine Ge­ meinde, als Philippus predigte und taufte. Auch Simon selbst sei gläubig geworden. Als er aber sah, daß die Apostel „Zeichen und große Taten“ verrichteten und durch Handauflegen den Heiligen Geist vermittelten, bot Simon den Aposteln Geld, damit sie ihm diese Kunst ebenfalls beibräch­ ten. Sie aber verfluchten ihn, und er wurde reuig. Auf dieser Geschichte beruht die mittelalterliche Bezeichnung „Simonie“ für den Handel mit geistlichen Ämtern. Gemäß den apokryphen Petrus-Akten (HS. II5, S. 261 ff) aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. begab sich Simon anschließend nach Rom, wo er von der Gemeinde als der wiedergekehrter Christus betrachtet wurde. Als „Heiland der Römer“ verrichtete er „durch die Macht Satans“ Wunder, stiftete Unruhen, bei denen eine Kaiserstatue zerbrach, wurde aber schließlich von dem eigens nach Rom geholten Petrus überwunden, da dieser die Kraft besaß, Tote zu erwecken. Als Zeitgenosse des Simon Magus wird der Samaritaner Dosthes oder Dositheos bezeichnet (Photios 285 a b). Die sonst auf Josua bezogene Weissagung Moses: „Einen Propheten wie mich wird der Herr, dein Gott, dir erwecken“ (5. Mose 18,15), reklamierte Dositheos für sich und gewann als messianischer neuer Moses viele Anhänger. Er soll die Heilige Schriften verfälscht und die Auferstehung geleugnet haben. Dies hätte Unfrieden unter den Samaritanern gestiftet. Möglicherweise ist damit jener Marsch zum Garizim zu verbinden, über den Pilatus stürzen wird (s. u. 12 c). q. In der Zeit nach Pilatus hatte der von Claudius entsandte Procurator Cuspius Fadus, der zwischen 44 und 46 amtierte, zunächst mit dem Räu­ berhauptmann Tholomäus zu tun. Dieser hatte unter den Idumäern und Arabern gehaust, wurde gefesselt vorgeführt und hingerichtet. Von weite­ ren Banden erzählt Josephus (Ant. XX 1, 1) nur pauschal. Zu den sicher messianischen Anführern ist Theudas zu zählen. Nach Josephus (Ant. XX 5, 1) führte er seine ungeheure Gefolgschaft mitsamt ihrer Habe an den Jordan, dessen Fluten sich auf seinen Befehl teilen sollten, wie die des Ro­ ten Meeres vor Moses. Der Procurator schickte Reiter gegen sie, vermut­ lich wieder die Sebasteni; die Menge wurde teils getötet, teils gefangen, der Führer geköpft. In der Apostelgeschichte (5, 36 ff) wird dieser Vorgang in die Zeit vor 40 n. Chr. datiert, wohl aufgrund eines Irrtums des Lukas. Un­ ter dem folgenden Procurator, Tiberius Alexander, dessen Amtszeit eben­ falls nur zwei Jahre, von 46 bis 48 n. Chr. währte, kam es zu einem Nach­ spiel der Erhebung von Judas dem Galiläer, der sich nach der QuiriniusSchätzung empört hatte: Zwei seiner Söhne traten in die Fußstapfen ihres Vaters, gerieten, wie Josephus (Ant. XX 5,2) berichtet, in Gefangenschaft und starben am Kreuz.

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r. Nach kurzer Ruhe hatte sodann der zwischen 52 und 60 amtierende Procurator Felix mit Zeloten zu tun (s. u. 12 o). Es gelang ihm, deren An­ führer Eleazar Deinäi zu überlisten, der gemäß der rabbinischen Tradition Israel erlösen wollte und samaritanische Dörfer niedergebrannt und ausge­ mordet hatte. Felix schickte ihn, wie Josephus (Ant. XX 8, 5) bezeugt, zur Aburteilung nach Rom, da er ihm zugesichert hatte, ihn nicht zu strafen. Die Apostelgeschichte (21, 38) erwähnt noch einen Propheten aus Ägypten, der 4000 Sikarier in die Wüste geführt hatte. Mit ihm wurde Pau­ lus verwechselt. Nach Josephus (Bellum II 13, 5) brachte der Scharlatan dreißigtausend Törichte hinter sich, versammelte sie auf dem Ölberg und prophezeite, daß auf sein Geheiß wie einst durch die Posaunen vor Jericho die Stadtmauern einstürzen würden (Ant. XX 8,6), dann zöge er in Jerusa­ lem ein und würde der Herr (tyrannos). Felix aber wartete in der Antonia nicht auf die Belagerung, sondern machte einen Ausfall, vierhundert An­ hänger des Wundermannes wurden erschlagen, zweihundert gefangen, er selbst entkam. In jener aufgeregten Zeit fehlte es auch an Endzeit-Propheten nicht. Im Jahre 62 trat ein gewisser Jesus, des Ananus Sohn, auf, ein ungebildeter Landmann, der „Wehe!“ rief über Jerusalem und den Tempel, über Bräuti­ game und Bräute und über alles Volk. Durch nichts zu beruhigen, wurde er dem Procurator Albinus vorgeführt. Bis auf die Knochen durch Peitschen zerfleischt, jammerte er immer nur über die Stadt. Albinus ließ ihn als Ir­ ren entlaufen, doch klagte er fort, sieben Jahre und fünf Monate, bis wäh­ rend der Belagerung Jerusalems eine Wurfmaschine des Titus ihn traf und tötete - so Josephus (Bellum VI 5, 3). s. Der letzte der messianischen Krieger war wiederum ein Sohn von Ju­ das dem Galiläer namens Menahem. Nach dem Ausbruch des Aufstands gegen Rom gelang es ihm, die Festung Masada einzunehmen und sein Ge­ folge zu bewaffnen. Im Sommer 66 zog er im Königsornat in Jerusalem ein und übernahm die Führung im Kampf gegen die Römer. Dann aber kam es zum Zwist mit dem Sohn des Hohen Priesters, den Menahem hatte ermor­ den lassen. Menahem wurde im Tempel ergriffen und erschlagen, seine Anhänger flohen nach Masada. Josephus (Bellum II17, 8 f) zeigt hier eine neue Facette am Messias-Typus, insofern er Menahem und seinen Vater als „Sophisten“ bezeichnet. Dies deutet auf Thora-Gelehrsamkeit, wie sie auch Jesus ausgezeichnet hat. t. Der jüdische Krieg war eine fruchtbare Zeit für Messiaserwartungen, ja er wurde von Sueton (Vespasian 4, 5) geradezu darauf zurückgeführt: „Es hatte sich im ganzen Orient die ebenso alte wie feste Meinung verbrei­ tet, daß von Judäa ausgehend eine Macht zur Herrschaft gelangen würde. Diese Weissagung bezog sich, wie sich später zeigte, auf den neuen römi­ schen Kaiser. Die Juden aber wähnten, sie selbst seien gemeint und rebel­

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lierten.“ Mit fast denselben Worten meldet Tacitus (Historien V 13) diesen Glauben an die bevorstehende Weltherrschaft. Auch Josephus hatte davon gehört (Bellum VI 5, 4). In genialer Weise machte er davon Gebrauch. Im zweiten Jahr des Jüdischen Krieges, im Sommer 67 n. Chr. war er bei der Verteidigung von Jotapata in römische Gefangenschaft geraten (s.o. 5 h). Er erreichte es, vom Legaten Neros, dem späteren Kaiser Vespasian ver­ hört zu werden, und sagte ihm auf den Kopf zu, er werde der Nachfolger Neros. Das war Hochverrat; doch da Vespasian der Begünstigte war und offenbar selbst mit einem solchen Gedanken spielte, hielt er Josephus, wie dieser berichtet (Bellum III 8, 9), vorerst in Gewahrsam. Nachdem Nero am 9. Juni 68 umgekommen und sein Nachfolger Galba am 15. Januar 69 ebenfalls erschlagen worden war, wurde Vespasian am 1. Juli 69 in Alexandria zum Kaiser ausgerufen. Hier verrichtete er, wie Sueton (Vespasian 7) und Dio (LXVI 8, 1) erzählen, ein messianisches Heil­ wunder. Zwei Kranke drängten sich an ihn heran und baten im Namen des Gottes Serapis um Hilfe. Der Kaiser zögerte, seine Freunde jedoch rieten zu. Ginge es schief, so würde das niemanden wundern, und die Sache würde vergessen. Gelänge es aber, so würde der Fall berühmt. Und er ge­ lang. Den Lahmen berührte Vespasian mit der Ferse, dem Blinden schmierte er Speichel aufs Auge, und beide wurden, so heißt es, augen­ blicklich gesund. Die den Königen zugerechnete Kraft, durch Handauflegen zu heilen, hat sich in der christlichen Volksmeinung lange gehalten. Bei den Königen Frankreichs wurde das zu einer Tradition, die mit Robert II (996-1031) und Ludwig IX (1226-1270) beginnt und bis zur Revolution reicht. Die Verwunderung darüber bei kritischen Beobachtern ist glaubhaft: Montes­ quieu schreibt in seiner 24. »Lettre Persane«, daß Ludwig XIV in den Au­ gen seiner Untertanen diese Gabe besäße. u. Die angeführten Beispiele zeigen, wie verbreitet und wie verschieden­ artig die Messiaserwartungen waren. Messianität schillert und ist gleich­ sam quantifizierbar, entsprechend der Kumulierung der Indizien. Allen Fällen gemeinsam ist die Hoffnung auf einen charismatischen Führer, der seinem Volk das Heil bringt. Immer gelingt es ihm, eine große Menge hin­ ter sich zu scharen. Bei den jüdischen Charismatikern kommt es zu Ge­ waltakten gegen die römische Herrschaft, aber ebenso gegenüber den Sa­ maritanern und den mit Rom sympathisierenden Landsleuten. Oft bean­ sprucht der Messiasanwärter den Königstitel, bisweilen verrichtet er Wun­ der. Bemerkenswert ist die bei Judas von Gamala wie schon bei Judas Makkabäus zu beobachtende dynastische Erbfolge. Die Herkunft aus dem Hause Davids wird, abgesehen von den Hilleliten, den jüdischen Patriar­ chen in Babylonien, indessen nur für Jesus überliefert - beide Male un­ glaubhaft. Eine Salbung ist nirgends bezeugt.

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v. Der nach und neben dem Buch Daniel einflußreichste Text zur Messiaserwartung war die Offenbarung Johannis (s.o. 71). Sie beschreibt den Endkampf gegen den in den Johannes-Briefen angekündigten Anti­ christ und den endgültigen Sieg der Gemeinde Gottes über ihre satani­ schen Gegner. Das Buch endet mit einer Vision der vollendeten Kirche, der Vereinigung von Himmel und Erde. Der Sturz der „Hure Babylon“, die über die Völker herrscht, und das „Tier aus dem Abgrund“ werden auf Rom bezogen - das unterscheidet dieses letzte Buch der Bibel von der sonst gegenüber dem Reich loyalen Haltung im Neuen Testament. Die in der Apokalypse beschriebene Messias-Gestalt wird nicht gottgleich ge­ schildert, wie es zu erwarten wäre, wenn der Autor der Apokalypse auch das vierte Evangelium geschrieben hätte, sondern orientiert sich am Buch Daniel und den anderen Prophetenbüchern. Der Sonnenengel ruft alle Vö­ gel unter dem Himmel zusammen, damit sie das Fleisch der gottlosen Kö­ nige, ihrer Hauptleute, Reiter und Pferde fräßen, und „alle Vögel wurden satt von dem Fleisch“. Die Feinde des Lammes werden „lebendig in den feurigen Pfuhl geworfen, der mit Schwefel brennt“ (19,17 ff), und sie wer­ den „gequält werden Tag und Nacht von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (20, 10). Im einzelnen trifft es die Verzagten, Ungläubigen, Verworfenen, Mörder, Hurer, Giftmischer, Götzendiener und Lügner (21, 8). Die Zahl der Erlö­ sten und Verdammten steht fest: „Wer böse ist, der sei fernerhin böse, und wer unrein ist, der sei fernerhin unrein; aber wer fromm ist, der sei ferner­ hin fromm, und wer heilig ist, der sei fernerhin heilig. Siehe ich komme bald und mein Lohn kommt mit mir“ (22, 11 f). w. Aus derselben Zeit vor dem Ende Domitians 96 n. Chr. stammt das vierte Buch Esra. Es zählt zu den Apokryphen des Alten Testaments (Kautzsch II S. 331 ff). Der unbekannte Verfasser, ein über das Los seines Volkes verzweifelter Jude, weissagt dem Römerreich einen schrecklichen Untergang durch einen als Raubtier beschriebenen Messias. Der Löwe von Juda hält dem römischen Adler eine Strafpredigt, rechnet ihm seine Frevel­ taten gegen die Völker der Welt vor, und verkündet, der Höchste habe Rom nun ein Ende gesetzt, das Weltgericht stehe bevor, das Volk Jahwes werde triumphieren. Ähnliche Bilder entfalten die sibyllinischen Weissagungen, in griechi­ schen Hexametern zu Alexandria verfaßt, ursprünglich jüdisch, dann christlich überarbeitet: Ein von Sonnenaufgang heranziehender König, bisweilen mit Nero Redux, dem wiederkehrenden Nero, verbunden (Oracula Sibyllina V 363; VIII 71), werde die Rache Asiens an Rom vollziehen. „Roma du üppige, goldreiche Dame, von deinen vielen Buhlen betrunken gemacht, als Sklavin wirst du zum Bräutigam kommen, schmucklos, und deine Haare wird die Herrin dir abschneiden, Rache übend dich vom Himmel zur Erde herabstürzen“ (III 350 ff).

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x. Die Hoffnung auf den Messias äußerte sich nicht nur in der Literatur, sondern ebenso in der Politik. Sie hat nach dem Titus-Krieg noch mehr­ mals zum Konflikt mit Rom geführt. Zunächst unmittelbar anschließend, als der Weber Jonathan mit großer Anhängerschar in die Wüste von Kyrene ging, Zeichen und Wunder verheißend (Josephus, Bellum VII 11,1), sodann 115 n. Chr., als die Juden von Kyrene und Alexandria unter dem „König“ Lukuas rebellierten (Euseb HE. IV 2, 1 ff) und schließlich, als sich die Juden Palästinas 133 bis 138 gegen Hadrian erhoben. Sie wurden geführt von Simon ben Kosiba, genannt Simon bar Kochba, - Simon, Sohn des Sterns. Dies berichtet auch Euseb in seiner Kirchengeschichte (IV 6) und fügt hinzu, Simon habe den Juden vorgespiegelt, er sei als Himmels­ licht aus der Höhe zu ihnen gekommen, um ihnen in ihrer Drangsal wun­ derbar zu leuchten. Im Jerusalemer Talmud wird das Auftreten dieses Mannes wiederum als Erfüllung der Weissagung Bileams aus den Numeri (24,17) gedeutet: „Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen“ - wohlbekannt aus der Weihnachtsliturgie. Daraus erkannte Rabbi ben Akiba in Bar Ko­ siba den Messias-König. Auf seinen Münzen nennt sich bar Kochba nasi Fürst und verwendet den Stern als Emblem. y. Im Mittelalter häufen sich die Messiasgestalten unter den Juden im arabisch-orientalischen Bereich. Im Jahre 705 fiel Abu Isa Isfahani in Per­ sien im Kampf gegen die Moslems; um 1160 trat David Alroy im persi­ schen Kurdistan auf. Ende des 13. Jahrhunderts wirkte Abraham ben Samuel Abulaifa auf Sizilien, zu Anfang des 16. Jahrhunderts finden wir nach der Vertreibung der Maranen, das heißt der zwangsweise getauften Juden, David Reubeni und Salomon Molcho als messianische Figuren. Unter den apokalyptischen Heilsfiguren der christlichen Welt des Mit­ telalters ragt der Priesterkönig Johannes hervor. Otto von Freising berich­ tet in seiner Chronik (VII 33) zum Jahre 1145 die Erzählung eines syri­ schen Bischofs von jenem Presbyter, der als Nachfahre der Magier aus dem Morgenlande mit smaragdenem Zepter über Indien herrsche, die benach­ barten Völker unterworfen habe und den Kreuzfahrern zu Hilfe kommen wollte, um die Heiligen Stätten zu befreien. Nur der unüberschreitbare Ti­ gris habe das verhindert. Als Herr über die Völker Gog und Magog, die ge­ mäß der Apokalypse (20, 8) am Ende der Tage über die Kulturwelt herein­ brechen sollen, wurde er in der folgenden Ausgestaltung der Sage eine messianische Gestalt. Er wird auch als neuer König David bezeichnet. Da­ hinter verbirgt sich vermutlich die Macht der Mongolen, die unter Ugedei, dem Enkel Dschingis-Khans, damals Persien und Irak verwüsteten. Der Messiasgedanke hat bis in die Neuzeit seine inspirierende Kraft be­ wahrt. Der aus Smyrna stammende Jude Sabbatai Zewi oder Zwi interpre­ tierte die polnischen Pogrome 1648 bis 1658 als Geburtswehen der End­ zeit, frei nach Markus (13, 7 ff), und erklärte sich selbst am 31. Mai 1665 in

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Jerusalem zum Messias. Für den 18. Juni 1666 prophezeite er das Weltge­ richt, ist dann aber, als es ausblieb, zum Islam übergetreten. Auch in Deutschland fehlte es nicht an Messiasprätendenten. Stendhal notierte am 9. Januar 1817, ein Mann namens Rosenfeld habe 1760 sich als Messias präsentiert und Friedrich den Großen als Verkörperung Satans, Jesus als falschen Propheten bezeichnet. Rosenfeld heiratete sieben Frauen, mit denen er die sieben Siegel der Johannes-Apokalypse lösen wollte, landete aber nach zehn Jahren als Betrüger im Gefängnis. Was Jesus durch Pilatus widerfahren ist, blieb unter den Messiasgestalten mithin kein Einzelfall. Immer wieder sind sie an den irdischen Mächten gescheitert, gleichgültig ob sie das Heil in dieser oder jener Welt versprachen. z. Folgenreicher als der religiöse Erlöserglaube war dessen säkulare Va­ riante, der politische Messianismus. Er beginnt in seiner linken Variante während der Französischen Revolution mit dem Kult für den am 13. Juli 1793 von Charlotte Cordai in der Badewanne erstochenen Jakobiner Jean Paul Marat. Dem Toten wurde das Herz herausgenommen und in einer Urne auf einem Altar präsentiert. Dazu ein Redner: Cœur sacré de Marat, cœur sacré de Jésus, vous avez les mêmes droits à nos hommages. Ein zum Revolutionär gewordener Priester aus Arles verkündete: Nous ne devons avoir pour divinité que Marat. Bei der Überführung der Leiche ins Pan­ théon erklang die Litanei „Marat, Freund des Volkes, Marat, Tröster der Mühseligen, Marat, Vater der Beladenen, erbarme dich unser!“ Ja, es ent­ stand ein neues Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an Marat, den Allmäch­ tigen, Schöpfer der Freiheit und Gleichheit, unsere Hoffnung, den Schrekken der Aristokraten, der hervorgegangen ist aus dem Herzen der Nation und offenbart in der Revolution, der ermordet ist von den Feinden der Republik, der ausgegossen hat über uns seinen Gleichheits-Atem, der nie­ dergefahren ist zu den Elysischen Feldern, von dannen er eines Tages kommen wird, zu richten und verdammen die Aristokraten“ (Gaehtgens S. 198 ff). Messiaserwartungen von links setzten sich im 19. und 20. Jahrhundert fort. Als Erlöser begrüßt wurde Claude Henri de Saint-Simon, desgleichen Ferdinand Lassalle, den dann Heinrich Heine als „Messias des Jahrhun­ derts“ anpries, während ihn Marx als „modernen Erlöser“ anprangerte. Der Tod von Lassalle im Duell 1864 wurde zum Martyrium stilisiert; seine Büste in einem Blumenmeer, umrahmt von musikalisch-poetischen Dar­ bietungen, war das sakralpolitische Zentrum bei den Totenfeiern seines „Opfertodes für das unerlöste Proletariat“. Lassalle hatte die Arbeiter­ schaft als den „Fels“ bezeichnet, worauf „die Kirche der Gegenwart ge­ baut“ würde. Die Erlösersehnsucht von rechts war noch formen- und folgenreicher. Ihre erste Ausprägung war die Hoffnung auf die Wiederkehr des auf die

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Insel Avalon entrückten Königs Artus, der dort von der Fee Morgane ge­ sundgepflegt wird und „wenn die Zeit erfüllt ist“ sein Volk erlöst. Die Sage fand ihre klassische Form bei Thomas Malory um 1470. Der deutsche Ret­ terkönig hingegen schlummert im rabenumschwärmten Kyffhäuser: Kai­ ser Rotbart Lobesam, festgeschrieben in den Deutschen Sagen der Brüder Grimm. Selbst ein Heinrich Heine suchte dort den eher empereur Frédéric und rief: viens, Barberousse, viens! Er möge erscheinen, pour faire le bonheur du peuple allemand. So steht es in Heines »Elementargeistern« von 1835. Die Legende bezog sich ursprünglich auf den in Italien weilenden Kaiser Friedrich II von Hohenstaufen und verwendet das arabische Motiv des Mahdi (s.o. 8 c). Mit der Romantik und ihrer Sehnsucht nach Wieder­ herstellung der deutschen Kaiserherrlichkeit verband sich im 19. Jahrhun­ dert die nationale Einigungsbewegung. 1871 schien der deutsche Traum vom neuen Reich erfüllt, doch war er 1918 wieder zerstoben. Aus Enttäuschung darüber wurde in der Weimarer Zeit die Denkfigur eines säkularen Heilands populär. Schon 1917 hatte Max Weber in seiner Rede über »Wissenschaft als Beruf« vor dem Verlan­ gen nach dem Charismatiker gewarnt. Reichsmythos und Führervision aber blieben lebendig, zumal im Bannkreis um Stefan George, in der Ju­ gendbewegung und der Konservativen Revolution. 1921 beendete Oswald Spengler seinen Aufsatz »Pessimismus?« mit der These: „Zu einem Goe­ the werden wir Deutschen es nicht wieder bringen, aber zu einem Cäsar“. Und 1932 schrieb der „Mann fürs Deutsche“, der Germanist Hans Nau­ mann: „Es schläft einer irgendwo, der Held und Retter unseres Landes, verwunschen und verborgen, der erweckt werden muß.“ Die Repolitisie­ rung der Messiaserwartung in der Neuzeit hat angesichts der Zweischneidigkeit alles Politischen die Heilandsgestalt mit dem Antichrist zur Kipp­ figur verkoppelt. Der Nero Redivivus verdankt sich nicht zuletzt messianischen Hoff­ nungen und hat selbst solche geweckt. Der Grundbegriff der Frohen Bot­ schaft, das Wort „Heil“, wurde mit seinem Namen zum Gruß verknüpft. Den Konflikt zwischen Jesus und den Juden beschwor Hitler am 14.X. 1931 in seinem Schreiben an den Reichskanzler. Brüning solle nicht glauben, mit Notverordnungen den Weltanschauungskampf in Ruhe und Ordnung verwandeln zu können: „Es ist dies eine Auffassung, die von dem römischen Landpfleger Pontius Pilatus an bis zu den kaiserlichen und königlichen Ministern der ersten Novembertage von 1918 sich immer gleich geblieben ist“. Den Sieg der reinen Lehre könne, so meinte Hitler, keine Staatsgewalt aufhalten - damals die Botschaft Jesu, nun die Seinige. Am 30. Januar 1936 in Berlin kündete er seinem Volk: „Ich habe euch kennen gelernt. Ich weiß: Alles was ihr seid, das seid ihr durch mich. Und alles, was ich bin, bin ich nur durch euch allein.“ Wer Ohren hat zu hören,

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der hört hier Hitler als Heiland nach Johannes (14, 20): „An demselben Tage werdet ihr erkennen, daß Ich in meinem Vater bin und ihr in Mir und Ich in euch.“ Bei seinem Tischgespräch am 5. Juli 1942 in der Wolfs­ schanze identifizierte sich der Führer allerdings nicht mit Jesus, sondern sympathisierte umgekehrt mit dessen Richter. Pontius Pilatus sei der „ras­ sisch und intelligenzmäßig überlegene Römer“ gewesen, der „wie ein Fels inmitten des jüdischen Geschmeißes und Gewimmels“ wirke. Diese Ein­ sicht hatten Hitler, so erläutert er, die Oberammergauer Passionsspiele vermittelt.

9- Leben und Lehre Jesu a. Historischer Kern Eklektik b. c. Tabuisierung Eltern, Davids Stamm d. e. Jungfrauengeburt Pseudovater Panthera f. g. Göttersöhne Herrenbrüder h. i. Geburtsort Nazareth Wanderung nach Bethlehem? jk. Kindermord? Geburtsdatum l. m. Dreißig Jahre Anno Domini seit Dionys n. o. Weihnachten spätantik Taufe Pq. Wanderpredigt Lehre Jesu: Bergpredigt r. s. Himmelreich nahe Gesetz Moses t. u. Zeichen Wunder historisch? v. w. Jünger, Jüngerinnen Missionsbefehl x. y. Messiasbekenntnis Selbstopfer? z.

Es gibt nur Epikureer, und zwar grobe und feine, Christus war der feinste. Büchner

a. „Was ist Wahrheit?“ Ti estin aletheia? Diese Frage des Pilatus an Jesus müssen wir an die gesamte Überlieferung zu Leben und Lehre Jesu stellen. Hat er gesagt, er selbst sei die Wahrheit, so denken wir an den Psalmisten: Du hast Lust zur Wahrheit, die im Verborgenen liegt (51, 8). Aletheia ist das „Unverborgene“, es will gesucht, aus der Verhüllung befreit werden, die sich in Form einer mythischen Verbrämung und einer literarischen Ge­ wandung um einen historischen Kern gelegt hat. Die biblischen Berichte bestehen aus drei, nicht einfach zu trennenden Schichten: aus Erinnerun­ gen an Worte und Taten Jesu, aus einer ästhetisch-literarischen Kompo­ nente, die der erzählerischen Wirkung dient, und einem theologischen Ele­ ment, das den eigentlichen soteriologischen Sinn, eben die frohe Botschaft, das Evangelion ausmacht. Wenn wir all das abstreifen, was einer erkennba­ ren religiösen oder ästhetischen Absicht dient und ihr zuliebe hinzuge­ kommen ist, erhalten wir ein verläßliches Datengerüst. Da die drei Schich­ ten eng miteinander verbunden sind, kann eine historisch-kritische Re­ konstruktion dessen, was Jesus wirklich gesagt, gemeint und erlebt hat, be­ stenfalls Plausibilität beanspruchen - die aber doch. b. Über das zu diesem Zweck geeignete Verfahren besteht unter den Fachleuten allerdings keine Einigkeit, nicht einmal unter Althistorikern. Wenn bezweifelt wird, daß man die Nachrichten der vier Evangelien zu ei­ nem „Leben Jesu“ amalgamieren könne, weil man sich zwischen den Syn­ optikern und Johannes zu entscheiden habe (Millar 1990, S. 359), so ist dem zu widersprechen. Eine solche Wahl kann nicht grundsätzlich, son­ dern nur von Fall zu Fall getroffen werden. Gewiß ist Johannes in vielen biographischen, zumal chronologischen Angaben verläßlicher, dennoch bringt auch er Ausschmückungen, die bei den Synoptikern fehlen. Daher müssen die Quellen eklektisch ausgewertet werden: Jedes Zeugnis ist für sich zu prüfen und danach zu bewahren oder zu verwerfen. Unter den Evangelisten gibt es keinen Thukydides, dem man auf Verdacht trauen könnte. c. Zum Leben Jesu gab es bereits 1906 so viele Arbeiten, daß Albert Schweitzer eine stattliche »Geschichte der Leben-Jesu-Forschung« verfas­ sen konnte. Das beruht gewiß nicht auf dem Quellenreichtum. Denn es findet sich kaum eine andere Gestalt in der Weltgeschichte, bei der das

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Mißverhältnis zwischen dem Vielen, was über sie geschrieben wurde, und dem wenigen, was wir über sie wissen, so kraß ist Der Grund liegt in der für die jüdisch-christliche Tradition kennzeichnenden Verknüpfung von Geschichte und Verkündigung. Dies hat die Historisierung der Bibelbe­ richte erschwert und verzögert. Wo immer die historische Kritik durch re­ ligiöse Überzeugung behindert wird, ist der Weg zur geschichtlichen Er­ kenntnis verstellt. Nur dann, wenn wir die biblischen Texte mit denselben Maßstäben messen, wie alle anderen antiken Quellen, erhalten wir Ergeb­ nisse, die den aus jenen gewonnenen Resultaten zur Seite treten. Die Ta­ buisierung von „Gottes Wort“ hat sich erst spät und langsam gelöst. Liegt hier der Grund dafür, daß es in Pauly/Wissowas Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft keinen Artikel über Jesus gibt? Dabei war die historisch-kritische Forschung zu ihm doch längst im Gang! Auf protestantischer Seite waren Ferdinand Christian Baur und seine Tübinger Schule wegweisend, namentlich David Friedrich Strauß mit seinem Buch »Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet« (1835), auf katholischer Ernest Re­ nan mit dem Werk »La vie de Jesus« (1863). Beide Autoren haben ihren kritischen Freimut teuer bezahlen müssen. Erstlinge werden geopfert. d. Was wissen wir über den „Heiland des Christentums, jene vortreffli­ che Gestalt voll tiefen Lebens, von größter poetischer Wahrheit und höch­ ster Bedeutsamkeit“ wie Schopenhauer 1818 schrieb? Der Name Jesus ist die griechische Form von hebräisch Joshua, er be­ deutet „Jahwe ist Hilfe“. Er war sehr häufig, Josephus nennt in den »Antiquitates« 21 Männer dieses Namens, darunter Jesus von Nazareth (XX 9, 1). Einiges läßt sich sagen über seine Familie. Unstreitig ist Jesus der erst­ geborene Sohn Marias. Im Johannes-Evangelium (1,45) wird als sein Vater Joseph bezeichnet, und die Erinnerung daran liegt auch bei Matthäus (1,1 ff) und Lukas (3, 23 ff) zugrunde, wo die Abstammung Jesu von David über Joseph läuft. Joseph soll aus dem Hause Davids stammen (Lk. 1,27; 7, 4). Die beiden Genealogien stimmen indessen nicht überein, so daß hier der Verdacht auf eine Fiktion der einen wie der anderen unausweichlich ist: Die Herkunft von David, die auch anderen heiligen Männern der Zeit wie Hillel und Gamaliel zugeschrieben wurde, ist eine vorpaulinische Zu­ tat der Gemeindetradition (Röm. 1, 3), um den Messias-Charakter Jesu zu beglaubigen. Denn der Heiland wurde aus dem Hause Davids erwartet (s.o. 1 h). Außerhalb der für sich stehenden Geburtsgeschichte sprechen sowohl Matthäus (13, 55) als auch Lukas (2, 27) ohne Vorbehalt von den Eltern Jesu. Joseph wird von Johannes (1,45; 6,42) wie von Lukas (3,23; 4, 22) als Vater Jesu genannt, nach Matthäus (13, 55) war er Zimmermann oder Baumeister (tekton). Der letzte, nur im Codex Syro-Sinaiticus erhal­ tene Satz der Matthäusgenealogie lautet, ganz konsequent: „Joseph, dem Maria als Jungfrau angetraut war, zeugte Jesus“.

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e. Die Vaterschaft Josephs wurde später zugunsten der Lehre von der Jungfrauengeburt gestrichen. Als damit die Herkunft aus dem Hause David entfiel, hat man auch Maria von David hergeleitet, so im 2. Jahr­ hundert Justinus Martyr und das apokryphe Jakobus-Envangelium. Dort heißt es auch, Jesus sei in einer Höhle geboren, während Ochs und Esel zuerst bei Pseudo-Matthäus (§ 14) erscheinen, gemäß einem Wort des Habakuk aus der Septuaginta (3, 2): „Zwischen zwei Tieren wirst du er­ kannt“. Die Lehre von Marias Virginität ist unjüdisch und dem Messiasbild der Propheten fremd. Sie läßt sich aus jüdischen Vorstellungen kaum herleiten; die schon von Matthäus (1,23) dafür herangezogene Stelle aus Jesaja (7,14) „Siehe eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie heißen Immanuel“ paßt darum kaum, weil Jesus eben nicht Immanuel hieß und weil statt „Jungfrau“ ebenso „junge Frau“ übersetzt werden kann. Virgo oder parthenos ist im physiologischen Sinne hebräisch nicht eindeutig ausdrückbar. Aus einer zweiten Nennung Immanuels bei Jesaja (8, 8) ergibt sich, daß es sich bei ihm um den Sohn des Königs Ahas han­ delt. Er hatte dem Moloch seinen Thronerben geopfert (2. Könige 16, 3), darauf prophezeite ihm Jesaja einen neuen. f. Die Überlieferung von der Jungfrauengeburt bot christenfeindlichen Juden den Anlaß, Maria Ehebruch anzulasten. Der Vater Jesu soll ein rö­ mischer Soldat namens Panthera gewesen sein. Diese von Kelsos (Origenes, Gegen Kelsos 128) unter Marc Aurel berichtete Geschichte hat einige Spekulation über den Namen ausgelöst. Die einfachste Erklärung ist ein bösartiges Mißverständnis, indem aus hyios Parthenon (Sohn der Jung­ frau) hyios Pantheras (Sohn des Panthera) gemacht wurde. Im gleichen Zu­ sammenhang hören wir, daß Jesus sich als Tagelöhner nach Ägypten ver­ dingt habe, dort die Zauberei erlernt und sich nach seiner Rückkehr öf­ fentlich zum Gott erklärt habe. Die jüngste Abstammungslegende er­ klärte, daß Jesus rassisch kein Jude gewesen sei, so Karl August Eckhardt 1942 im Anschluß an Houston Stewart Chamberlain 1899. Dazu hatte be­ reits Eduard Meyer (1925, S. 425) das Nötige gesagt. g. Die Empfängnis Marias durch den Heiligen Geist als Erscheinungs­ form Gottes entspricht einer im griechischen Altertum verbreiteten Vor­ stellung, daß hervorragende Männer eine menschliche Mutter und einen himmlischen Vater haben. Göttersöhne waren nicht selten. Wir kennen das von Heroen wie Herakles und den Dioskuren, von historischen Personen wie Pythagoras (Jamblich, Vita 5), Dionys, dem Tyrannen von Syrakus (Plutarch, Moralia 338 B) und Platon (Diogenes Laertios, III 2), alle drei Söhne des Apolls, weiterhin von Alexander als Sohn von Zeus Ammon und Olympias, (Plutarch, Alexandros 27), von Augustus wiederum als Sohn von Apollon, bezeugt durch einen bei Sueton (Augustus 94, 4) ge-

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nannten griechischen Autor. Keine der Mütter allerdings empfing den göttlichen Samen so wie Maria durch die Ohren. h. Die mehrfach in den Evangelien erwähnten Herrenbrüder Jakobus der Kleine, Joses (Joseph), Judas und Simon (Mt. 13, 55), sowie die von Markus (6, 3) und Matthäus (13, 56) nicht namentlich genannten Schwe­ stern Jesu - Epiphanios (Panarion 78,7 ff) um 400 nennt sie Maria und Sa­ lome - sind im Interesse von Marias Jungfräulichkeit schon von den Kir­ chenvätern als Kinder Josephs aus einer unbezeugten ersten Ehe oder als Söhne von Marias gleichnamiger Schwester, die mit Kleophas verheiratet war, betrachtet, das heißt zu Vettern Jesu umgedeutet worden. Ein unbe­ fangener Leser wird sie aber als das nehmen, was die Evangelisten aussa­ gen: als leibliche Geschwister Jesu. In der protestantischen Theologie ist dies seit Herder anerkannt. Zu Lebzeiten wurde Jesus von seiner Familie anscheinend nicht als Messias angenommen, er war ein „Ärgernis“ (skandalon) für sie, wie Markus (6, 3) schreibt. Seine Brüder glaubten nicht an ihn (Joh. 7,5), doch besaß nach seinem Tode sein Bruder Jakobus eine füh­ rende Stellung in der Gemeinde bis zu dessen Steinigung 62 n. Chr. (s. u. 12q)i. Jesus war Bürger aus Nazareth in Galiläa. Der Ort wird zwar als polis, als Stadt bezeichnet (Mt. 2, 23), war aber wohl eher eine größeres Dorf jedenfalls so unbedeutend, daß es weder im Alten Testament noch bei Josephus oder im Talmud erwähnt wird. Unstreitig hat Jesus dort gewohnt. Sein Haus - genauer: dessen aus dem Felsen geschlagene Tür - wurde mir am 23. Februar 1985 gezeigt. Es befand sich in der Obhut französischer Schwestern, Religieuses de Nazareth. Vermutlich ist Jesus auch in Naza­ reth geboren. Bei Markus ist von einer Geburt in Bethlehem noch nichts zu lesen. Auch Matthäus (13,54; 21,11) spricht ganz unbefangen von Jesus dem Nazarener. Erst die Verknüpfung der Geburt Jesu mit dem Prophe­ tenwort des Micha (5,1 ff), daß der Messias aus Bethlehem, der Stadt Da­ vids kommen werde, hat zu der Legende geführt, daß Joseph, da er angeb­ lich „aus dem Hause und Geschlechte Davids“ war, mit Maria dorthin ge­ wandert (s.o. 9d) und auch Jesus dort geboren sei. Matthäus und Lukas verknüpfen die beiden Herkunftsorte auf unter­ schiedliche Weise. Der Leser des Matthäus muß glauben, daß Joseph in Bethlehem ansässig war, wo die Magier aus dem Morgenland in seinem Hause (pikia) das Jesuskind besuchten. Im Traum vor dem Kindermord des Herodes gewarnt, flieht Joseph nach Ägypten, ehe er nach Israel zu­ rückkehrt. Dieser Umweg folgt dem Prophetenwort bei Hosea (11, 1): „Da Israel jung war, hatte ich ihn lieb und rief ihn, meinen Sohn, aus Ägypten“. Die Anspielung auf den Exodus-Bericht verleiht Jesus den Zug eines neuen Moses aus Ägypten. Matthäus läßt Joseph nach dem Tode des Herodes, den ihm ein Engel verkündet, heimkehren, doch nicht nach

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Bethlehem, wo er sich aus unerklärten Gründen vor Archelaus gefürchtet haben soll, sondern, einem dritten Traum gehorchend, nach Nazareth. Der Evangelist sieht auch darin die Erfüllung eines Prophetenwortes: „Er soll ,Nazarenus, heißen“, doch findet sich ein solcher Spruch in der Bibel nicht. Die Herkunft aus Nazareth ist theologisch nicht zu motivieren, da­ her muß die Tradition historisch begründet sein. Die Juden nannten die Christen „Nazarener“, wie wir aus Tertullians Schrift gegen Marcion (IV 8, 1) wissen, bei Julian Apostata heißen sie „Galiläer“. j. Das Postulat, der Heiland müsse zur Familie Davids gehören und aus Bethlehem kommen, stammt von dem Propheten Micha (5, 1); seine Volkstümlichkeit bezeugen Johannes (8, 42) und die Nachricht der Haggada, daß auch der Messiasanwärter Menahem aus Bethlehem gebürtig sei (Hengel 1961, S. 301). Lukas verknüpfte die messianisch gebotene Bethle­ hemgeburt Jesu mit der Erinnerung an dessen Heimat Nazareth mittels der Volkszählung des Jahres 6 n. Chr. (s.o. 3 r). Der Evangelist wußte mög­ licherweise von einer, vielleicht schon damals üblichen, jedoch erst aus späterer Zeit für Ägypten bezeugten Anordnung, daß abwesende Land­ arbeiter zur steuerlichen Veranlagung an ihre normale Arbeitsstätte zu­ rückkehren mögen. Einen solchen Befehl kennen wir aus dem Papyrus 904 im Britischen Museum. Er stammt aus dem Jahre 104 n. Chr. und wurde von dem praefectus Aegypti Vibius Maximus erlassen. Der Brief zeigt, daß sich damals zahlreiche Bauern in Alexandria befanden, die zur Steuererfas­ sung an ihren „heimischen Herd“ und auf ihren Hof zurückkehren mö­ gen, auf dem sie dienstverpflichtet waren (LCL, Select Papyri II 1956, S. 108 f). Kannte Lukas diese Regelung, so hat er sie mißverstanden oder umge­ deutet, denn er machte aus dem Arbeitsplatz des Betroffenen den Geburts­ ort von dessen Urahnen. Nicht Joseph ist ja in Bethlehem geboren, son­ dern tausend Jahre zuvor David. Schließlich verträgt sich die Schatzung durch Quirinius nicht mit dem Regiment von Herodes dem Großen (Lk. 1, 5), und nach dessen Tod war Joseph als Untertan des Herodes Antipas gar nicht steuerpflichtig. Der in historischen Angaben vielfach zuverläs­ sige Johannes (7, 41 f) kannte die Bethlehemgeburt ebensowenig wie die Wanderung, für ihn stammt Jesus aus Nazareth. In der christlichen Über­ lieferung hat sich die historische Tradition gegen die theologische Umfor­ mung nicht behaupten können. Justinus Martyr (Apologia I 34) und Tertullian (Gegen die Juden 9) erklären gar, die Geburt Jesu in Bethlehem sei in den römischen Zensuslisten nachzulesen. Der um 420 n. Chr. schrei­ bende Kirchenvater Orosius (VI22,8) verleiht Jesus demgemäß nach gött­ lichem Ratschluß das römische Bürgerrecht. k. Die Geburt Jesu im Stall zu Bethlehem entspricht dem Armutsideal des Lukas-Evangeliums und dient dem Kontrast zwischen dem großen Er-

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eignis und den ärmlichen Umständen. Die Anbetung der Magier und das Sternprodigium gehören zu den politischen Zügen des Messiasglaubens (s.o. 8 d). Der mit den Magiern zusammenhängende Kindermord des Herodes bei Matthäus (2, 16) ist ebenfalls legendär. Die Lemberger Stepha­ nus-Vita (Franko 1906, S. 159) überliefert die Zahl der damals ermordeten Kinder: vierzehntausend. Die Legende ist nicht biblisch verankert. Der von Matthäus gebotene Schriftverweis auf Rahels Klage um ihre Kinder führt ins Leere. Der Kindermord erfüllt keine biblische Prophezeihung, sondern entspricht dem Sagenmotiv von der wunderbaren Errettung des Heldenkindes, bezeugt in der Bibel für Moses, in der griechisch-römi­ schen Überlieferung für Herakles und Ödipus, für Kyros und Pyrrhos, für Romulus und Augustus. Sie alle erweisen durch die Überwindung der Ge­ fahr im Kindesalter, daß sie zu Höherem bestimmt waren. Auch in den mittelalterlichen Legenden um Pilatus und Judas begegnet uns das Motiv (s. u. 13 s), zuletzt im Grimm’schen Märchen vom »Teufel mit den drei goldenen Haaren« (KHM. 29). Nach Sueton (Augustus 94,3) kursierte vor der Geburt des späteren Kaisers in Rom die Weissagung, dem römischen Staat werde ein König geboren. Darauf habe der Senat beschlossen, alle neugeborenen Knaben in diesem Jahre, 63 v. Chr., zu töten. Dies sei bloß darum nicht ausgeführt worden, weil jeder Vater hoffte, sein Sohn wäre der erwählte. Unter den Apokryphen zum Neuen Testament bilden die Kindheits­ evangelien eine eigene Gruppe. Sie schmücken die frühen Jahre Jesu mit Legendenmotiven aus, die teils literarisch, teils theologisch motiviert sind und den Heiland als Wunderknaben zeigen (HS. I6, S. 330 ff). Matthäus und Lukas sind jeweils benutzt, doch liegt schon ihnen die Lust am Fabu­ lieren zugrunde. /. Das Datum der Geburt Jesu ist unbekannt und umstritten. Die dafür aussagefähigen Quellenangaben widersprechen sich und hängen so eng mit der heilsgeschichtlich überformten Legende zusammen, daß sie kaum zu verwerten sind. Die Sage vom Kindermord verlegt Matthäus in die Zeit des Herodes, weil dieser für seine Grausamkeit bekannt war. Hatte er doch eigene Söhne umgebracht (s.o. 2 t)! Herodes starb im 750. Jahr nach der Gründung Roms, also 4 v. Chr. Auf die Quirinius-Schätzung nahm Lukas Bezug, weil er einen Grund für die Wanderung von Naza­ reth nach Bethlehem benötigte. Die Zählung, ausdrücklich als die erste bezeichnet, fand nach Josephus (Ant. XVIII 2, 1) im 37. Jahr nach der Schlacht bei Actium statt. Rechnen wir vom 2. September 31 v. Chr. an und bedenken, daß das erste Jahr „vor Christus“ unmittelbar dem ersten Jahr „nach Christus“ vorausgeht, daß es mithin nicht das Jahr gibt, in dem Christus geboren wurde, kein Jahr 0 sozusagen, so kommen wir mit der Quirinius-Zählung aufs Jahr 6/7 n. Chr. Beide Angaben zum Ge-

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burtsdatum sind daher unvereinbar, sie dienen der Motivierung von Legenden. m. Die Aussage bei Johannes (8, 57), Jesus sei noch „keine 50 Jahre“, steht isoliert und ist zutreffend aber allzu unbestimmt. Es bleibt die Nach­ richt bei Lukas (3,1), daß Jesus im 15. Jahr des Tiberius von Johannes ge­ tauft wurde und damals „etwa dreißig Jahre alt“ war (3, 23). Das 15. Jahr des Tiberius ist nicht ganz genau zu bestimmen. Wir wissen zwar, daß er am Todestag des Augustus, am 19. August 14 n. Chr., die Nachfolge übernom­ men hat, nicht aber, ob der Evangelist das zweite Jahr des neuen Kaisers (rechnerisch) mit dem 19. August 15 oder (kalendarisch) bereits mit dem 1. Januar 15 beginnen läßt. Nach syrischer Rechnung käme sogar der 1. Okto­ ber 14 n. Chr. in Betracht. Diese Unsicherheit erweitert das 15. Jahr des Ti­ berius auf den Zeitraum vom 1. Oktober 27 bis zum 18. August 29. Ungewiß bleibt auch die ohnehin unscharfe Altersangabe von 30 Jahren. Sie unterliegt dem Verdacht einer kerygmatischen Idealisierung, weil Da­ vid dreißig Jahre alt war, als er König wurde (2. Samuel 5, 4). Angesichts der Beflissenheit, mit der die Evangelisten solche prophetischen Parallelen hervorheben, fällt es aber auf, daß Lukas hier gerade nicht auf diese Ent­ sprechung hinweist, so daß die Angabe als historisch betrachtet werden darf. Mithin kommen wir mit der Chronologie des Lukas auf ein Geburts­ jahr Jesu 2 oder 1 vor der Zeitenwende. Als Eusebius um 300 n. Chr. die Geburt Jesu unter dem 43. Jahre des Augustus, gerechnet von der Ermor­ dung Caesars 44 v. Chr. als Herrschaftsbeginn, in seine Weltchronik ein­ trug, hat er die bei Hippolytus von Rom (Danielkommentar IV 9) und an­ deren Kirchenvätern faßbare Tradition zugrunde gelegt. Sie basiert auf die­ ser Lukas-Stelle und setzt nach christlicher Ära die Geburt ins Jahr 1 v. Chr. Gegen die herrschende Meinung, die sich unbegründet an der He­ rodeslegende orientiert, ist an der Überlieferung festzuhalten. n. Die Zeitrechnung ab incamatione Domini, Anno Domini oder post Christum natum war zur Zeit Eusebs noch nicht in Gebrauch. Sie geht zu­ rück auf den Mönch Dionysius Exiguus, der in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts in Rom lebte. Er schrieb die 437 n. Chr. auslaufende, durch Kyrillos von Alexandrien aufgestellte Ostertabelle fort, zählte die Jahre je­ doch nicht mehr wie jener nach dem Regierungsantritt des Christenverfol­ gers Diocletian, nach der Aera Martyrum, sondern nach Christi Geburt. Das in der Eusebius-Chronik verzeichnete Geburtsjahr ließ sich über die Regierungsjahre des Augustus in die Stadtära umrechnen und mit dem Jahre 753 nach der Gründung Roms gleichsetzen. Als sich Dionysius im Jahre 1284 ab urbe condita befand, ergab eine bloße Subtraktion dafür das Jahr 531 n. Chr. Die damals zum ersten Male angewandte christliche Zeit­ rechnung hat sich nur sehr langsam durchgesetzt. Zu ihrer Verbreitung trugen die Ostertafeln des 735 gestorbenen englischen Gelehrten Beda Ve-

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nerabilis bei, die Karolinger benutzten sie seit dem 9. Jahrhundert, die Päp­ ste seit dem 10. Jahrhundert. In Rußland führte sie Peter der Große 1700 ein, bis dahin galt dort die byzantinische Weltära nach dem ersten Schöp­ fungstag, dem 1. September 5508 v. Chr. Die rückwärts laufende Zählung nach Jahren vor Christi Geburt ist 1627 durch das »Opus de doctrina temporum« des Dionysius Petavius einge­ führt worden, hat sich aber erst im 18. Jahrhundert langsam eingebürgert. Noch Theodor Mommsen datierte in seiner »Römischen Geschichte« nach der Gründung der Stadt. Schon Petavius hat versäumt, ein Jahr Null einzuführen, in dem Jesus geboren ist. Das Jahr eins nach folgt unmittelbar dem Jahr eins vor Christus, so daß dieser zwar kein Geburtsjahr, dafür aber zwei Geburtstage hat: den 31. Dezember 1 v. Chr. 24.00 Uhr und den 1. Januar 1 n. Chr. 0.00 Uhr. o. Ein Geburtsfest für Jesus begegnet erst spät in der kirchlichen Litur­ gie. Die Sitte, Geburtstag zu feiern, erschien lange als heidnisch, weil sie nach römischer Anschauung dem Genius des Geborenen galt. Christen gedachten des Todestages, des Eintritts in die Gemeinschaft mit Gott als dem wahren Geburtstag. Weihnachten war ursprünglich ein heidnisches Fest. Noch unter Constantius II, dem Sohne Constantins, im Jahre 354 verzeichnet der römische Kalender des Filocalus zum 25. Dezember den „Geburtstag des unbesiegten Sonnengottes“, das heißt die Wintersonn­ wende des Mithraskultes, zugleich aber auch aus einer römischen Bi­ schofsliste von 336 die Geburt Jesu: „Am achten Tag vor den Kalenden des Januar wurde Christus zu Bethlehem in Judaea geboren.“ Die Gleichset­ zung von Christus mit Sol, gegen die schon Tertullian (Apologeticum 16) polemisiert hat, fiel Constantin nicht schwer. Bevor er sich dem Christen­ tum zuwandte, huldigte er, wie sein Vater, dem Sonnenkult. Sonnensym­ bole zieren seine Münzen und Reliefs, den Sonntag (dies Solis) erhob er am 3. Juli 321 zum Feiertag. Das im Codex Theodosianus (II 8, 1) erhaltene Gesetz zeigt keinen Bezug auf das Christentum. Doch könnte es mitge­ dacht gewesen sein, da sonntags Gottesdienst stattfand (s. u. 11 s). Weih­ nachten wurde anscheinend zuerst am Hof gefeiert, da Constantin am 25. XII. 333 seinen jüngste Sohn Constans zum Caesar erhob. Im späteren 4. Jahrhundert übernahm die Kirche das Fest. Staatsfeiertag wurde Weih­ nachten 506 bei den Westgoten, 534 im byzantinischen Reich. p. Aus den Jugendjahren Jesu wissen wir fast nichts. Daß seine Eltern alljährlich zu Passah nach Jerusalem pilgerten, wie Lukas (2,41 ff) erzählt, ist ebenso plausibel wie das bei dieser Gelegenheit zu Tage tretende frühe Interesse Jesu an religiösen Fragen. Hinter der Perikope vom zwölfjähri­ gen Jesus im Tempel kann sehr wohl eine alte Überlieferung stehen. Nach Markus (6,3) hat Jesus wie sein Vater als Zimmermann (tektön) gearbeitet. Seine Berufung erlebte Jesus gemäß den Evangelien mit der Taufe durch

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Johannes Baptista (s.o. 4 s), mit der das Markus-Evangelium beginnt. Sie könnte noch ins Jahr 28 n. Chr. fallen. Jesus zog sich für vierzig Tage zu­ rück in die Wüste, lebte mit den Tieren, wurde, wie es heißt, vom Satan versucht, und die Engel dienten ihm (Mk. 1,12 f). Zurückgekehrt, erfuhr er von der Verhaftung des Täufers, dessen Jünger er gewesen war. Hätte Johannes überlebt, so wäre Jesus vermutlich nicht zur Wirkung gekom­ men. So trat er in die Fußstapfen seines Vorläufers und predigte wie jener: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe, tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (1, 14 f) q. In Galiläa, in und um den kleinen Ort Kapernaum am See Genezareth hat er in der Folgezeit als Wanderprediger gelehrt und geheilt. Jesus be­ suchte „alle Städte und Dörfer“ in Galiläa (Mt. 9, 35), doch hat er hellenisierte Städte offenbar nicht betreten. In der Gegend von Gadara traf er zwei Räuber, die in Grabhöhlen wohnten und von bösen Geistern beses­ sen waren. Diese trieb er aus und gestattete ihnen auf deren Bitten, in eine Herde Säue zu fahren, die sich daraufhin ins Wasser stürzten (Mt. 8,28, ff). Die Schweinezüchter waren offenbar keine Juden. Mehrfach genannt wer­ den die Orte Chorazin, Bethsaida und im Norden die Dörfer im Umkreis von Caesarea Philippi (Mk. 8, 27), dem alten Panias. Mithin bewegte sich Jesus frei über die Grenzen zwischen den Territorien von Herodes Antipas und Philippus. Im Nordwesten kam Jesus bis ins Hinterland von Tyros, schwerlich auch von Sidon (Mt. 15,21). In Nazareth hatte er Schwierigkei­ ten und begründete sie: Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande (Mt. 13, 57). Ablehnung erfuhr er jedoch auch, wenn er zu den großen Festen nach Jerusalem ging, in Samaria (Lk. 9,52 ff), dennoch hat er dort auch ge­ heilt (Lk. 17, 11 ff) und gepredigt (Joh. 4, 4 ff). r. Die Lehre Jesu ist eine Fortentwicklung des mosaischen Gesetzes. Die drei Grundbegriffe hat Paulus (1. Kor. 13, 13) herausgestellt: Glaube an den Messias, Liebe zum Nächsten und Hoffnung auf das Reich Gottes. Der Erkennungsgruß der Christen lautete Maranatha - „unser Herr komme“ (1. Kor. 22). Die Kerngedanken stehen in der Bergpredigt, jener von Matthäus (5-7) zur Magna Charta des Christentums zusammenge­ stellten Sammlung von Gleichnissen und Geboten. Jesus fordert dazu auf, Buße zu tun und gute Werke zu verrichten: Nächstenliebe, ja Feindesliebe zu üben, zu schenken und zu helfen, nicht zu richten, sondern zu verzei­ hen. Jesus warnt vor Gedankensünden, namentlich vor dem „Mammon“, der Besitzgier, und preist ein Leben in Armut und Gottvertrauen. Er selbst verkehrte mit Armen und Ehrlosen, lebte ehelos, gestattete aber die Ehe, nicht jedoch die Scheidung oder die Heirat einer Geschiedenen. Im Para­ dies wird es keine Geschlechtlichkeit mehr geben (Mt. 22, 30 par.) s. Zentral ist für Jesus wie für Johannes den Täufer die Ankündigung des nahen Weitendes: der alte Aion geht über in den neuen, bezeichnet als das

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bevorstehende Himmelreich oder die Königsherrschaft Gottes. „Wahr­ lich, ich sage euch: Es stehen etliche hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis daß sie sehen das Reich Gottes kommen mit Kraft“ (Mk. 9, 1). Zuvor aber erscheint der Jüngste Tag mit dem Gericht über alle Völker. Im Rückgriff auf die Vision Daniels (s.o. 1 u) bezeichnet Jesus sich selbst als den „Menschensohn“ und den Weltenrichter. Er unterscheidet einen breiten Weg zur Verdammnis im höllischen Feuer für die Sünder und einen schmalen Pfad für die Gerechten, denen als Lohn im Himmel versprochen wird, Gott zu schauen. Dies wird offenbar auch Nichtjuden zuteil: „Und die Heidenvölker wandeln im Lichte des Lamms“, so heißt es in der Jo­ hannes-Apokalypse (21, 24). Abrahams Nachkommen im Geiste zählen (Mt. 3, 9; Luk. 19, 9). Bei Lukas (13, 29) kündet Jesus: „Und es werden kommen vom Osten und vom Westen, vom Norden und vom Süden, die zu Tische liegen werden im Reiche Gottes.“ Am Ende steht die Wiederher­ stellung der heilen Welt vor dem Sündenfall, der apokatastasis pantön, wie es in der Apostelgeschichte (3, 21) heißt, der restitutio omnium. So erfüllt sich das Wort des Jesaja: „Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn... Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern“ (11, 1 ff). t. Die Stellung Jesu zum jüdischen Gesetz ist nicht eindeutig. Er sagte, er sei nicht gekommen, das Gesetz aufzulösen, sondern zu erfüllen; bis daß der Himmel und Erde vergingen, verschwinde nicht ein Tüttelchen vom Gesetz (Mt. 5, 17 f). Damit wandte er sich an Hörer, die das Gegenteil meinten - und hatten die ganz Unrecht? Denn zugleich vernehmen wir aus seinem Munde, Moses und die Propheten seien durch Johannes den Täufer und seine Frohe Botschaft vom Reich Gottes abgelöst worden (Lk. 16,16). Jesus verletzte die mosaischen Gesetze, wenn auch aus dem Geiste, der ihnen zugrunde lag. Die jüdischen Tabuvorschriften, namentlich die Sabbatruhe, stellte er hinter das Gebot der Menschenliebe zurück. Der Sabbat sei um des Menschen willen, nicht der Mensch um des Sabbats wil­ len geschaffen (Mk. 2, 27). Jesus fordert Gottesliebe und Nächstenliebe „Es ist kein ander Gebot größer als diese“ (Mk. 12, 30 f). Das Verhältnis Jesu zum mosaischen Gesetz ist von Paulus (2. Kor. 3,6) auf den Begriff gebracht worden: „Der Buchstabe (gramma) tötet, aber der Geist (pneuma) macht lebendig“. Daraus erklärt sich auch der Angriff Jesu auf die gesetzesstolzen Pharisäer, deren Hochmut, deren Heuchelei, deren starren Formalismus er gnadenlos anprangert. Verbunden damit ist eine Ablehnung der Reichen und des Reichtums, und darin befindet sich Jesus im Einklang mit der gesamten Weltliteratur, die von der moralischen Überlegenheit der Armen und der Armut überzeugt ist. Jesus wandte sich mit seiner Predigt vorab an die „Mühseligen und Beladenen“, an die Zoll-

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ner und Sünder. „Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher in das Reich Gottes komme“ (Mk. 10, 25). Im Neuen Aion werden die Ersten die Letzten und die Letzten die Ersten sein (Mk. 10, 31). So hatten schon die Propheten geredet (Jes. 5, 14). u. Zum festen Bestand der Lebensgeschichte Jesu gehören die Berichte über Wunder. Sie entsprechen der volkstümlichen Auffassung, daß ein­ zelne begnadete Menschen die Naturgesetze außer Kraft setzen können. Bis zu Spinozas »Tractatus theologico-politici« (Kap. 6) von 1676, herrschte diese Ansicht auch unter Gebildeten. Die Wunderkraft, so wähnte man, stamme von überirdischen Wesen, von Göttern, guten oder bösen Geistern und werde durch Frömmigkeit oder Klugheit erlangt. Un­ ter den heidnischen Wundertätern ragen hervor: Epimenides, der um 595 v. Chr. Athen von einer Pest befreite und jahrzehntelang schlief; Pythago­ ras, der die Gabe der Bilokation besaß und an zwei Orten zugleich sein konnte; und Apollonios von Tyana, der Tote erweckte, Dämonen austrieb und die Zukunft kannte. Biblische Wundertäter waren Moses, der Wasser aus dem Felsen schlug; Elia, der Feuer vom Himmel holte; und Salomon, der nach islamischer Auffassung über Legionen von Dämonen gebot. Mit einer Wunderwurzel Salomons kurierte der Zauberer Eleazar einen Beses­ senen, indem er diesem den bösten Geist durch die Nase herauszog, und zwar in Gegenwart von Vespasian und seinem Stab, wie Josephus (Ant. VIII 2, 5) als Augenzeuge berichtet. v. Die Wunder Jesu werden im Neuen Testament auch „Zeichen“ ge­ nannt oder mit diesen zusammen erwähnt. Es sind zumeist übernatürliche Heilungen, Teufelsaustreibungen und Weissagungen. Mit ihnen erweist Je­ sus seine Nähe zu Gott und den Anbruch der Endzeit, warnt freilich zu­ gleich vor falschen Propheten, die ebenfalls „große Zeichen und Wunder“ tun (Mt. 24, 24). Bis in die jüngste Zeit ist auch in historischen Texten an der Geschichtlichkeit dieser Vorgänge festgehalten worden: „Die Wunder­ überlieferung von Jesus wäre nicht entstanden ohne eine entsprechende Wundertätigkeit Jesu“ (Theissen/Merz 1997, S. 115). Eine solche An­ nahme aber verletzt ein Grundgebot der historischen Methode. So gewiß „Wunder“ im Sinne von unerwarteten Ereignissen, auch solchen, die der bisherigen Naturerfahrung widersprechen, möglich sind, so gewiß können sie nicht neben und gegen die Naturgesetze bestehen. Ausnahmen sind im­ mer nur Fälle von anderen Regeln des Naturgeschehens. Wenn wir die An­ nahme einer lückenlosen Gesetzmäßigkeit der Natur und die dauernde Gültigkeit ihrer kausalen Ereignisfolgeregeln aufgäben, dann verlöre der Begriff „Zeit“ seinen Sinn für die Wissenschaft. Denn er beruht auf der Annahme der Verläßlichkeit einer konstanten und homogenen Erfahrung. Darauf kann allein der Mythos verzichten. Um die Liebeswonnen mit Alkmene auszukosten, dehnte Zeus die Nacht mit ihr auf die dreifache

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Länge (Ovid, Amores 113,45). Um die Rache der Israeliten über die Amoriter zu vollenden, sprach Josua: „Sonne, stehe still zu Gibeon und Mond im Tale Ajalon!“ Da stand die Sonne und der Mond still, bis Israel sich an seinen Feinden gerächt hatte, beinahe einen ganzen Tag (Josua 10, 12 f). Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind. Gewiß hat der Prinz von Dä­ nemark Recht: There are more things in heaven and earth than are dreamt of in our philosophy, doch wäre die Wissenschaft nicht das, was sie ist, wenn sie diesen unbekannten Erscheinungen nicht mit skeptischer Ver­ nunft begegnet wäre. w. Die Fähigkeit, Mirakel zu wirken, besitzen im Neuen Testament auch die Jünger Jesu. Der heute aus dem außerbiblischen Zusammenhang fast verschwundene Ausdruck „Jünger“ ist die deutsche Fassung des lateini­ schen junior - „der Jüngere“ und bezeichnete im 16. Jahrhundert den Lehrling oder den Schüler. Im griechischen Neuen Testament steht mathetes, lateinisch discipulus, dies bestimmt die Stellung Jesu als die eines Leh­ rers. Der Begriff wird bei den Evangelisten für Schüler im allgemeinen (Mt. 10,24), und ebenso für die Anhänger der Pharisäer und die Johannes des Täufers verwendet (Mk. 2,18). Von letzterem übernahm Jesus seine er­ sten beiden Jünger (Joh. 1, 35 ff). Die Zwölfzahl beruht vielleicht auf An­ lehnung an die zwölf Stämme Israels, denen die zwölf Schaubrote im Tem­ peldienst entsprechen. Zugrunde liegt wohl die Zwölfzahl der Monate. Die Synoptiker bringen die Namensliste der Jünger (Mt. 10, 1 f par.). Die Reihenfolge wechselt, doch steht an der Spitze jeweils Simon Petrus, am Ende immer Judas Iskarioth. Nach dessen Selbstmord (s. u. 10 g) wurde durch Los Matthias hinzugenommen (Apg. 1,26). Dies spricht für die Ge­ schichtlichkeit der Zwölfzahl. Vier Jünger waren Fischer, zwei verheiratet: Petrus und Philippus, Petrus hatte einen Sohn (1. Petr. 5, 13). Diesen Männern, so heißt es, verlieh Jesus die Gabe, unsaubere Geister auszutreiben, Kranke zu heilen und Tode aufzuwecken (Mt. 10, 8). Dafür mußten sie alle bestehenden Bindungen lösen: „So jemand zu mir kommt und hasset nicht seinen Vater, seine Mutter, sein Weib, seine Kinder, Brü­ der und Schwestern, auch dazu sein eigenes Leben, der kann mein Jünger nicht sein“ (Lk. 14,26). Die Jünger wurden ausgesandt, sollten taufen und das nahe Reich Gottes verkünden. Daher heißen sie auch „Apostel“ von griechisch apostellö -„aussenden“. Der Apostel-Begriff wurde dann über den Jüngerkreis ausgedehnt, namentlich auf Paulus und Barnabas. Als Entschädigung für den Verzicht auf irdische Güter verhieß Jesu seinen Jüngern zwölf Throne beim Weltgericht und das Privileg, an seiner Tafel im Himmel zu essen und zu trinken (Lk. 19, 27 ff). Über den Kreis der Zwölf hinaus ist einmal von siebzig Glaubensboten die Rede (Lk. 10, 1). Für die Verbreitung des Christenglaubens entscheidend war die Zuwen­ dung der Frauen. Namen aus späterer Zeit wie Lydia, Helena und Monica

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stehen für viele weniger bekannte Persönlichkeiten. Paulus (1. Kor. 14,34) hätte den Frauen nicht Schweigen geboten, wenn sie im Gottesdienst nicht geredet hätten. Schon in der Umgebung Jesu finden wir Jüngerinnen: die von sieben Dämonen befreite Maria Magdalena (Lk. 8, 2), Maria und Martha von Bethanien und die „vielen Frauen aus Galiläa“, die Jesus nach­ folgten und ihm dienten (Mt. 27,55). Den - höchst bescheidenen - Unter­ halt boten ihm Zuwendungen reicher Damen (Lk. 8, 3; 24, 10). Der Frau des Zebedäus schlug er jedoch die Bitte ab, ihren Söhnen die Plätze rechts und links zu seinem Thron im Himmelreich einzuräumen. Der Wunsch stiftete Unmut unter den Jüngern (Mt. 20, 20 ff). Dies zeigt, wie konkret man sich das „Himmelreich“ vorstellte. x. In der Forschung ist umstritten, ob der Universalismus des Apostels Paulus und des Evangelisten Johannes auf Jesus selbst zurückgeht oder sich erst nach seinem Tode mit der Ausbreitung des Neuen Glaubens ent­ wickelt hat, wie Harnack (1924, S. 39 ff) annahm. Galt die Frohe Botschaft ursprünglich allein dem Volk Israel oder von Anfang an allen Menschen? Das Dilemma spiegelt sich in der Erzählung vom kanaanäischen Weib. „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“, ant­ wortet ihr Jesus, hilft ihr dann aber dennoch (Mt. 15,24). Wie das Messias­ bewußtsein so scheint auch die Verantwortung für die Menschheit als ganze im Verlaufe der Lehrtätigkeit bei Jesus gewachsen zu sein. Zwar sagt bei Matthäus (10,5 f) Jesus zu seinen Jüngern: „Gehet nicht auf der Heiden Straße und ziehet nicht in der Samaritaner Städte, sondern gehet hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel!“ Wie aber hätten die Jünger auf diesen Gedanken einer außerjüdischen Mission kommen sollen? Nur wenn eine solche zu erwarten oder bereits im Gang war, ergibt das Verbot einen Sinn. Vermutlich handelt es sich hier um einen judenchristlichen Einschub, denn sonst richtet Jesus das Wort an alle Menschen. Darin folgt er Johannes dem Täufer, der dem Stolz der Juden auf ihre Herkunft entge­ gengehalten hatte, daß Gott dem Abraham auch aus einem Stein Nach­ kommen erwecken könne (Mt. 3, 9). Wenn Jesus selbst seinen Bußruf nur auf Aramäisch erhob, so richtete er sich doch an Juden wie Nichtjuden. Das zeigt sein Umgang mit Kriegsleuten wie dem Hauptmann von Kapernaum (Mt. 8,5), mit Samaritanern (Joh. 4,9), von denen viele an ihn glaub­ ten (4, 39), und mit den verachteten, verlästerten „Zöllnern“, die für Rom die Steuern eintrieben. Wer sich mit solchen Leuten an einen Tisch setzte, der verleugnete die Speisegesetze der Thora und zog sich den Unwillen der strenggläubigen Juden zu, wie Matthäus (11, 19) bezeugt. Seinen Jüngern verheißt er nach Markus (13, 9 ff), daß sie vor Fürsten und Königen ver­ klagt würden, wenn das Evangelium „allen Völkern“ verkündigt sei. Der Missionsbefehl, alle Menschen zu taufen (Mt. 28,19), mag jung sein, gründet sich aber auf echtes Lehrgut. Mit der Hinwendung an alle Men-

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sehen ging Jesus über die jüdische Lehre hinaus. Dennoch trat er seinem Selbstverständnis gemäß nicht in Widerspruch zu ihr. Hatten die Prophe­ ten doch verheißen, daß vor dem Jüngsten Tage alle Völker den Herrn an­ beten würden: „Zu jener Zeit wird man Jerusalem nennen ,Des Herrn Thron’, und es werden sich dahin sammeln alle Heiden um des Namens des Herrn willen zu Jerusalem, und sie werden nicht mehr wandeln nach ihrem verstockten und bösen Herzen“, so Jeremia (3,17). Die Frommen in aller Welt strömen nach Zion, um Jahwe zu ehren, so Jesaja (2, 2 ff). Alle Menschen werden Juden und gemeinsam das Laubhüttenfest begehen, so Sacharja (14, 16 ff). Indem Jesus aller Welt die Nähe des Gerichts verheißt, verkündet er auch aller Welt die Gnade Gottes und erfüllt damit die Worte der Prophe­ ten. „Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kom­ men“ (Mt. 24,14). Im Unterschied zu den Propheten verzichtet er jedoch auf das blutige Vorspiel, die Rache Israels an seinen Feinden. Im Alten Te­ stament fehlt es nicht an drastischen Bildern: Wenn die Vögel und wilden Tiere sich am Fett der Feinde gesättigt haben (Hesekiel 39,17 ff), werden die götzendienerischen Völker gerichtet und zertreten (Maleachi 3, 21). Ähnlich Psalm 149: „Die Heiligen sollen schärfte Schwerter in ihren Hän­ den haben, daß sie Rache üben unter den Heiden...“. y. Das Kernstück des christlichen Glaubens ist die Überzeugung, daß Jesus der Messias ist (s.o. 8). Paulus und die Evangelisten behaupten dies mit großer Bestimmtheit. Dennoch wird nicht völlig klar, ob und wann der historische Jesus selbst sich als den Gesalbten betrachtet und be­ zeichnet hat. Keine Frage ist dies bei Johannes; sein Jesus läßt keinen Zweifel offen, sondern verkündet: „Ich bin es“ (4, 26). Er sagt es den Ju­ den „frei heraus“ (10, 24 ff). Die Selbstzeugnisse Jesu bei Johannes un­ terscheiden sich von denen bei den Synoptikern so sehr, daß sie nicht als historische Aussagen gewertet werden können, vielmehr handelt es sich um theologische Aufforderungen an die Leser, Jesus als den Christus an­ zuerkennen. Bei den Synoptikern hält sich Jesus zurück. Zwar finden sich eindeutige Stellen wie: „Einer ist euer Wegweiser (kathegetes), der Christus“ (Mt. 23, 10), womit Jesus nur sich selbst meinen kann. Doch häufiger wird Jesus von anderen als der Messias bezeichnet und bestrei­ tet es dann nicht, er verbietet aber seinen Jüngern, es weiterzusagen (Mt. 16, 16 ff). Bei Markus sind es die unsauberen Geister, die seine Messianität als erste erkennen (1, 24; 3, 11), während er selbst seine Mission ver­ tuscht (3, 12). Demnach scheint in Jesus die Überzeugung erst langsam gewachsen zu sein, daß er der Gesandte sei, auf den Israel gewartet hat. In voller Klarheit äußert er dies dann im Synhedrion und vor Pilatus (s. u. 10e, f).

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z. Nach seinem Tode wurde der Verkündiger zum Verkündigten. Erst damals dürfte die Lehre entstanden sein, daß Jesus sich freiwillig hat kreu­ zigen lassen, um durch sein Selbstopfer die Sünden der Menschheit auf sich zu nehmen. Darum kann wenigstens den Gläubigen und Reuigen ver­ ziehen werden. Die Idee, daß der König für die Sünden seines Volkes Buße tut, um die Götter gnädig zu stimmen, gehört zur babylonischen Neu­ jahrszeremonie, die auch dort mit dem Frühlingsbeginn verbunden ist. Bei Deutero-Jesaja (52, 13 ff), der mit persischen Vorstellungen vertraut war, wird das Bild vom stellvertretend leidenden Gottes-Knecht entworfen, das eine wesentliche Facette im Messiasverständnis der frühen Christen ge­ worden ist (s.o. 8 o). Das Wort vom Lamm Gottes, ebenfalls bei Deutero-Jesaja (53, 7), schuldlos für andere getötet, verweist auf das Ersatzopfer des Widders, den Abraham statt Isaaks geschlachtet hat (s.o. 1 b), und auf das mosaische Sündenbock-Ritual. Um das Volk zu reinigen, vollzieht Aaron das Sühn­ opfer, indem er seine Hände auf den Kopf eines Schafes legt, alle Verfeh­ lungen und Übertretungen des Volkes Israel bekennt, damit die Sünden dem Tier auflädt und es mit ihnen in die Wüste jagt, „daß also der Bock alle ihre Missetaten auf sich nehme und in die Wildnis trage (3. Mose 16, 22). Die Jesus in den Mund gelegte Bereitschaft, stellvertretend für die sünd­ hafte und daher strafbare Menschheit sich selbst zum Opfer zu bringen und damit ihre Erlösung zu ermöglichen, ist eine nachträgliche Sinndeu­ tung seines Todes am Kreuz. Sie ist mit dem Glauben an einen liebenden Gott nur dann vereinbar, wenn man gemäß dem bei Johannes (10, 30) überlieferten, schwerlich historischen Herrenwort „Ich und der Vater sind eins“ ein Selbstopfer Gottes annimmt, das zeigen soll, einerseits wie Gott durch sein eigenes Leiden seinen Schöpfungsfehler eines sündhaften Men­ schengeschlechts ausgleicht, und andererseits wie auch der Gerechteste noch sündigt und daher der Gnade bedarf.

io. Die Passion a. Passionsberichte Ihre Ausgestaltung b. c. Evangelienharmonie Einzug in Jerusalem, Tempelreinigung d. Gefangennahme, e. Verhör im Hohen Rat Messiasanspruch f. g. Judas Pilatusverhör: Königtum? h. i. Sprache? Was ist Wahrheit? j. k. Authentisch?

Exkurs Lavater und Goethe 1. m. Hegel und Nietzsche Herodes Antipas n. o. Barabbas Frau des Pilatus Pq. Hände in Unschuld Geißelung r. s. Freund des Kaisers, Massenszenen Kreuzigung t. u. Titulus Crucis Strafprozeß? V. w. Schuldfrage Leibrock. Mich dürstet X. y. Prodigien Auferstehung z.

Unsere Welt, so wie sie ist, wird den Gerechten geißeln, zerren und binden. Mit glühenden Eisen geblendet, wird er, nachdem er alles erduldet, gepfählt und gekreuzigt. Platon

a. In einem Gespräch mit dem Kanzler von Müller am 19. Oktober 1823 nannte Goethe die Kirchengeschichte ein „Produkt des Irrtums und der Gewalt“ - etwas einseitig, aber nicht ganz falsch. Dieses Urteil ließe sich auf die neutestamentliche Frühzeit des Christentums ausdehnen: Irrtum auf Seiten der Christen, die an die nahe Gerichtsposaune glaubten; Irrtum auf Seiten der Römer, die Christen seien unbelehrbare Umstürzler; Gewalt auf Seiten der Römer und Juden, die mit Kreuz und Schwert und Steini­ gung gegen die christlichen Bekenner vorgingen. Irrtum und Gewalt kennzeichnen Prozeß und Passion Jesu. Die Be­ richte besitzen innerhalb der Evangelien eine Sonderstellung. Was sie über das Leben Jesu zuvor erzählen, besteht aus einer Reihe von unverbunden nebeneinander stehenden, allenfalls lose zusammenhängenden Episoden. Erst die Passionsberichte bringen ein fortlaufendes, über mehrere Tage sich erstreckendes Geschehen. Hier wird eine Ereignisfolge berichtet, die schon darum historisch anmutet, weil sie keine Wunder Jesu enthält. Dem Wunsch des Herodes Antipas nach einem „Zeichen“ ist Jesus gemäß Lukas (23, 8) nicht nachgekommen. Die Ausführlichkeit der Todesberichte hat zunächst eine gemeinantike Ursache. Art und Grund des Endes waren für den antiken Menschen so et­ was wie ein sigillum vitae'. ein Zeichen, das ein Leben zugleich beendet und beglaubigt. Daher wurde dem Sterben großer Persönlichkeiten stets be­ sondere Aufmerksamkeit zuteil. Sokrates verweigert die Flucht aus dem Gefängnis und nimmt den Schierling. Alexander stirbt in blühendem Alter am Gift seiner Freunde, so wird gemunkelt. Pompeius Magnus wird auf der Flucht von einem ägyptischen Eunuchen schmählich erschlagen. Da­ gegen Caesar: er entläßt seine Garde und wird von seinen Freunden verra­ ten und ermordet - ein heroischer Tod! So auch Jesus. b. Den kürzesten Text liefert Markus. Die jüngeren Evangelien sind aus­ führlicher, stimmen jedoch nicht in allen Punkten überein. Zerlegen wir diese Überlieferung mit dem Besteck der historischen Kritik, so bleibt, durch die Parallelquelle Tacitus gesichert (s.o. 5 m), nur die Kerntatsache allseits anerkannt: Die Hinrichtung unter Tiberius durch Pilatus. Alle an-

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deren Einzelheiten aus den Passionsgeschichten unterliegen teils begrün­ deten, teils unbegründeten Zweifeln oder sind ohne Zweifel unhistorisch. Vom ältesten und kürzesten Bericht bei Markus bis zum jüngsten und längsten bei Johannes ist der Vorgang immer weiter ausgestaltet worden. Wurde Jesus bei Markus (15, 25) um die 3. Stunde, das heißt gegen 9 Uhr morgens gekreuzigt, so geschah es bei Johannes um die 6. Stunde, das heißt gegen 12 Uhr mittags. Daß für die Ausweitung des Berichtes unter ande­ rem historische Überlieferung verwendet wurde, hat Hans Lietzmann 1931 zu Unrecht bestritten, denken wir an den bei Matthäus (26, 57) ge­ nannten Kaiphas, der bei Markus (14, 53 ff) anonym bleibt. Die Darstel­ lung bei den drei jüngeren Evangelisten mit der Abfolge von immer neuen verzögernden Momenten läßt einerseits theologische, andererseits literari­ sche Absichten erkennen. Die Geschichte verliert an Plausibilität, gewinnt aber an Dramatik und religiöser Tiefe. c. Fügen wir die biblischen Erzählungen in der Art einer »EvangelienHarmonie« zusammen, zunächst noch ohne Rücksicht auf die einzelnen Evangelisten und ohne Unterscheidung von Geschichte und Legende, so zeigt sich dem Leser in groben Zügen das folgende Bild: Um am PassahFest teilzunehmen, wandert Jesus mit seinen Jüngern nach Jerusalem. Über Bethanien in Bethphage einige Tage vor dem Fest am Ölberg ange­ kommen, besteigt er eine Eselin und zieht mit großem Gefolge in die Stadt ein, das „Hosianna in der Höhe“ ruft. Er besucht den Tempel und über­ nachtet in Bethanien. Am folgenden Tage verflucht er den früchtelosen Feigenbaum und treibt die Wechsler aus dem Vorhof des Tempels. Das er­ bost die Hohen Priester. Am Tage darauf ist der Feigenbaum verdorrt, Je­ sus lehrt im Tempel. Zwei Tage vor Passah beschließen die Hohen Priester, Jesus vor dem Fest zu fangen und zu töten, damit kein Aufruhr entsteht. Judas bietet ih­ nen Verrat an. Jesus kennt und kündet sein Ende im Voraus, nimmt mit sei­ nen Jüngern das Abschiedsmahl ein und begibt sich wie gewöhnlich abends mit ihnen zur Ruhe nach Gethsemane, in den Garten am Ölberg auf der Ostseitejerusalems. Hier wird Jesus spät abends gefangen, die Jün­ ger fliehen. Man bringt ihn ins Haus des Hannas, dann zu dessen Schwie­ gersohn Kaiphas, dem amtierenden Hohen Priester. Jesus wird noch in der Nacht verhört; sein Bekenntnis, der Menschensohn zu sein, wird als todes­ würdig betrachtet. Judas erhängt sich. Am folgenden Morgen führen die Schriftgelehrten Jesus zu Pilatus; der fordert die Juden auf, Jesus selbst zu richten. Sie aber erklären, sie dürften niemanden töten. Nun vernimmt Pilatus den Gefangenen; der bekennt sich als König, al­ lerdings nicht „von dieser Welt“. Jesus beruft sich auf die „Wahrheit“, was Pilatus nicht versteht. Pilatus fällt noch kein Urteil, sondern überstellt Je­ sus zu seinem Landesherrn Herodes Antipas, dem Jesus nicht antwortet,

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so daß er zu Pilatus zurückgeschickt wird. Dieser will Jesus schonen und bietet ihn dem Volk zur Amnestie an. Die Masse aber brüllt: Barabbas! Pi­ latus verwirft den Warntraum seiner Frau, wäscht seine Hände in Un­ schuld und läßt Jesus geißeln. Mit Purpur und Dornenkrone angetan wird er vorgeführt: Ecce homo! Aber die Masse schreit: „Läßt du ihn los, bist du des Kaisers Freund nicht mehr. Wir haben keinen König, denn den Kai­ ser!“ Nun befiehlt Pilatus die Hinrichtung und bezeichnet auf einer Tafel am Kreuz den Verurteilten als König der Juden. Jesus wird gekreuzigt, Na­ turwunder begleiten sein Ende. Abends ist Jesus tot. Pilatus gestattet Jo­ seph von Arimathia, den Leichnam beizusetzen. Am folgenden Tag wird das Grab bewacht, doch finden es die Frauen nach der zweiten Nacht leer. d. Nun zu den Vorgängen im einzelnen! Der Einzug Jesu in Jerusalem ist bei Markus (11, 1) und Matthäus (21, 1 ff) nach dem Ritual eines Kö­ nigsempfangs gestaltet. Zum adventus gehört der Einritt auf einem Esel, wie es beim Propheten Sacharja (9,9) heißt: „Tochter Zion, freue dich, dein König kommt auf einem Lasttier (nach der Tradition einem Esel), auf ei­ nem Fohlen geritten“. Die poetische Doppelung mißverstehend hat Mat­ thäus (21, 7) daraus zwei Tiere gemacht. Kleider und Zweige wurden schon dem König Jehu im Jahre 841 v. Chr. auf den Weg gelegt, wie es im 2. Buch der Könige (9,13) steht. Der Heilsruf „Hosianna“ (rette uns!) ist ein Teil der Tempel-Liturgie, so im Psalm 118, 25. Die Jubelnden sind indes nicht die Leute aus Jerusalem, sondern die zahlreichen Begleiter Jesu. Inwieweit es sich hier um nachträgliche Stilisierung handelt oder um tat­ sächliche Begebenheiten, ist schwer zu entscheiden. Die Geschichtlichkeit des königlichen Einzugs ist plausibel. Hunderte, wo nicht Tausende konn­ ten ihn gesehen haben. Hatte sich früher Jesus durch Flucht entzogen, als man ihn zum König machen wollte (Joh. 6,15), läßt er sich das nun gefal­ len. Da der begeisterte Empfang die Bedenken der „Hohen Priester und Schriftgelehrten“ geweckt oder gestärkt haben wird, dürfen wir ihn im Kern als historisch ansehen. Dasselbe gilt für die Tempelreinigung, bei den Synoptikern mit dem To­ des-Passah verbunden, bei Johannes (2,14 ff) mit dem Nikodemus-Passah zwei Jahre zuvor. Die Chronologie des Johannes hat freilich mehr für sich. Denn Ereignisse werden, um die Dramatik zu steigern, gern zusammenge­ rückt, doch warum hätte Johannes die Provokation Jesu und die Rache der Priester auseinanderziehen sollen? Die Tat erregte in jedem Falle Unwil­ len. Nach den Evangelisten warf Jesus die Tische der Geldwechsler und die Stühle der Taubenhändler um und sprach: „Mein Haus soll ein Bethaus heißen, ihr aber habt eine Mördergrube daraus gemacht“, so Matthäus (21, 13). Die Episode erleichtert das Verständnis für den Zorn des Hohen Ra­ tes, trägt in ihrer Ausgestaltung jedoch kerygmatisches Kolorit. Jesus er­ füllt hier Prophetenworte aus Jesaja (56, 7) und Jeremia (7, 11) und voll­

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zieht ein endzeitliches Ritual. Die Taube, „ohne Falsch“ (Mt. 10,16), war der einzige Vogel, der geopfert (und verspeist) werden durfte, so lehrt uns Lukas (2, 24). Bei Matthäus (3, 16) versinnbildlicht sie den Geist Gottes, das pneuma theou. e. Der Mißmut der jüdischen Oberen über das Auftreten Jesu ist nicht zu bezweifeln. Die Versammlung der Priester, Schriftgelehrten und Älte­ sten im Hause des Kaiphas mit der Beratung über eine Gefangennahme (Mt. 26,2 ff) ist plausibel. Kaiphas wird als historische Person bei Josephus (Ant. XVIII 2, 2) bezeugt. Er war drei Jahre nach der Absetzung seines Schwiegervaters Hannas, der von 6 bis 15 n. Chr. amtiert hatte, vom Praefekten Valerius Gratus zum Hohen Priester bestellt worden. Die Entdekkung des Ossuariums mit seinem Namen (s.o. 5 u) hat die Existenz dieses Mannes archäologisch bestätigt. Die Häupter des Hohen Rates waren Sad­ duzäer (Apg. 5, 17). Hilfe bei der Festnahme Jesu bot sein Jünger Judas Iskarioth. An der Geschichtlichkeit des Mannes und seiner Tat ist begründet kaum zu rüt­ teln. Gegen die Tradition vom Verrat könnte man einwenden, daß Jesus ja öffentlich aufgetreten ist. Um Aufsehen zu vermeiden, empfahl sich indes eine nächtliche Verhaftung, und dafür mußte man wissen, wo Jesus über­ nachtete. Der Judaslohn in Höhe von dreißig Silberlingen (argyria) ist in­ dessen ein Zitat aus dem Alten Testament. Der Prophet Sacharja (11, 12) erhält ihn und wirft ihn hin, so wie Judas bei Matthäus (27, 5). Gefangen wurde Jesus im Garten Gethsemane. Bultmann hat 1921 diese Episode zur Legende erklärt, doch ist ihm die Wissenschaft darin nicht ge­ folgt. Jesus hatte seinen Jüngern befohlen, Schwerter zu kaufen (Lk. 22,36 ff). Das widerspricht dem Gebot der Feindesliebe und ist darum schwer­ lich erfunden, es wäre denn, um das Wort an Petrus „Stecke dein Schwert in die Scheide“ zu motivieren. Das wäre wirkungsvoller, hätte Petrus die Waffe aus eigenem Antrieb erworben. Der Verzicht auf Gegenwehr ver­ steht sich, wenn wir annehmen, daß Jesus eine unerwartete Übermacht vor sich sah. Ein Bekenntnis zum Pazifismus, wie es das Gebot der Feindes­ liebe erwarten läßt, ist mit dem Auftrag zum Kauf der Waffen unvereinbar. Den Kriegsleuten, die fragten, „Was sollen wir tun?“, antwortete Jesus: „Mißhandelt und erpreßt niemanden und laßt euch am Solde genug sein!“ (Lk. 3, 14). Der Widerspruch ist kaum wegzudeuten. Die Festnahme erfolgte nach Matthäus (26,47) durch bewaffnete Juden­ knechte, nach unserer jüngsten Quelle, Johannes (18, 3-15), jedoch durch eine Kohorte (speira) Soldaten unter einem Chiliarchen, das heißt einem Militärtribun. Das spräche für eine Beteiligung römischen Militärs, das nur auf Geheiß von Pilatus losmarschiert sein kann. Schon Lukas (22, 4) er­ wähnt den Verrat des Judas an die Hohen Priester und Hauptleute (stratiötai). Sollte Pilatus die Verhaftung befohlen haben, hätte man den Delin-

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quenten ihm sofort zugeführt und nicht erst vor den Hohen Rat gebracht. Da letzteres doch wohl historisch ist, hat, wie schon Mommsen (1899, S. 240) betont, die ältere Überlieferung einer Gefangennahme durch die Juden mehr für sich. Auszuschließen ist eine Zusammenarbeit zwischen imperialen und munizipalen Kräften freilich nicht, wie Elias Bickerman (1968, S. 119) gezeigt hat. Plausibel ist die Flucht der Jünger, deren Glauben an die Messiasrolle ih­ res Meisters geschwunden sein dürfte. Hatte nicht Nathan verkündet, Gottes Gnade werde von seinem Sohne nicht weichen? (2. Sam. 7,15). Sie glaubten, daß es nur eines Wortes aus seinem Munde bedürfe, um Feuer vom Himmel auf seine Feinde fallen zu lassen (Lk. 9, 54). Auch das Volk, das Jesus zugejubelt hatte, muß durch die Verhaftung enttäuscht worden sein - wie anders wäre zu erklären, daß es schon am Tage darauf den Tod Jesu fordert? Die Jünger versteckten sich. Niemand verfolgte sie, auch Pi­ latus fahndete später nicht nach ihnen. Glaubhaft ist, wie Lietzmann 1931 gezeigt hat, die Verleugnung durch Petrus. Denn einerseits wird er, indem allein er dem Herrn folgt, aus allen Jüngern herausgehoben, wie es seine spätere Stellung erwarten läßt, aber andererseits kann man die Episode kaum zu seinem Ruhme erfunden haben, denn er erscheint als Feigling. Vermutlich hat er diese Geschichte selbst erzählt. Das Vorverhör im Hause des Hannas und dann die Überstellung zu Kaiphas und dem Rat ist hingegen mit unzureichenden Gründen von Lietzmann bestritten worden. Die Überlieferung scheint glaubhaft, auch wenn die Namen bei Markus noch nicht genannt werden. Hannas als ehe­ maliger Hoher Priester und Vater von fünf Nachfolgern im Amt (Josephus, Antiquitates XX 9, 1), war offenbar die höchste Respektperson im Sanhedrin. Was dort im einzelnen verhandelt wurde, konnten die Evange­ listen jedoch schwerlich wissen. Wenn es darüber Protokolle gegeben ha­ ben sollte, waren diese für christliche Interessenten gewiß nicht zugäng­ lich. So bleiben die Wortwechsel im Hohen Rat im Rahmen dessen, was man dort an Themen und Positionen vermuten durfte. Die Empfehlung, es wäre gut, wenn ein Mensch umgebracht würde für das Volk, genauer: im Interesse des Volkes, so Johannes (18, 14), verweist zurück auf die früher geäußerte Meinung des Kaiphas, es sei besser, Jesus zu töten, als abzuwarten, bis er durch seine Wunder das Volk begeistere, einen Aufruhr errege und die Rache der Römer heraufbeschwöre (11,46 ff). Die Furcht des Kai­ phas ist politisch und kann durchaus die religiösen Angriffspunkte gegen Jesus verstärkt haben. Der Auftritt von Zeugen, die behaupteten, Jesus habe sich vermessen, den Tempel abzubrechen und innerhalb dreier Tage wieder aufzubauen, gehört in den Zusammenhang der Vorzeichen des Jüngsten Gerichts: Der Prophet Amos (9, 11) verhieß die Erneuerung der „Hütte Davids“ am

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Ende der Zeiten. Diese Vorstellung war im späten Judentum verbreitet. Wir finden sie in Varianten bei den Apokryphen zum Alten Testament aus hellenistisch-römischer Zeit: so im äthiopischen Henoch (90, 28 f), im Buch der Jubiläen oder der Kleinen Genesis (1,17 u. 27) und im IV Buch Esra (13, 36). Bei Matthäus (26, 61) ist von „falschen“ Zeugen die Rede. Gemäß Johannes (2,19 f) und der Apostelgeschichte (6,14) aber hat Jesus das Wort über den Tempel wirklich gesprochen. Wenn das zutrifft und der Spruch nicht bloß die Verheißung Gottes an David aus dem 2. Buch Samuel (7,12 f) umsetzt, dann war er symbolisch gemeint, als Architektur­ metapher für die künftige Gemeinde, etwa im Sinne des 23. Psalms „Und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar“. f Die zentrale Frage an Jesus mußte die nach seiner Sendung sein. Warum sollte er sie nicht bejaht haben? Hat er doch nach dem Zeugnis der Synoptiker, wenn auch zögernd, die Meinung derer bestätigt, die ihn für den Messias gehalten haben. Wie schon für Paulus so gab es auch für die Evangelisten nicht den geringsten Zweifel daran, daß Er es war und ge­ wußt hat, daß Er es war. Markus spricht es im ersten Satz aus: „Dies ist der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes.“ Matthäus beginnt mit dem Stammbaum und der Geburtslegende, die Jesus als den Heiland erweisen sollen. Bei Lukas (1,31 ff) verkündet der Engel der Ma­ ria: Sie werde einen Sohn gebären, dem Gott den Thron seines Vaters Da­ vid geben werde, und er werde König sein über das Haus Jakob ewiglich. Unwidersprochen bleibt das Wort bei Johannes, „Rabbi, du bist König von Israel!“ (1,49). Das Selbstbekenntnis Jesu als Messias in der Passion ist bestritten worden (Winter 1961), aber es überstiege die erträgliche Ironie der Geschichte, wenn auch dies nicht zuträfe. Liegt schon der Kreuzigung und damit dem Christentum ein objektiver Justizirrtum seiner Gegner zu­ grunde, so sollten wir seinen Entstehungsbedingungen nicht noch ein sub­ jektives Fehlurteil seiner Anhänger über das Selbstverständnis ihres Mei­ sters hinzurechnen. War doch Jesus der einzige nicht, der sich für den Messias gehalten hat (s.o. 8). Jesus bekannte sich also wohl gegenüber dem Hohen Rat zu seiner Sen­ dung. Gefragt, ob er der Messias sei, offenbarte er sich: „Ich bin’s (egö eimi), und ihr werdet sehen des Menschen Sohn sitzen zur rechten Hand der Kraft und kommen mit des Himmels Wolken“, so bei Markus (14,62). Dieses Zitat aus dem Danielbuch (s.o. 1 u), das Jesus auch bei anderer Ge­ legenheit anführt (Mt. 24, 15), war für die Messiaserwartung der frühen Christen grundlegend - könnte es dies nicht auch für das Selbstverständ­ nis Jesu gewesen sein? Wenn er das gesagt hat, dann hat nach allem, was wir vermuten dürfen, der Hohe Priester so entsetzt reagiert, wie Markus (14, 63 f) das beschreibt: Er zerriß seinen Rock, denn auf eine solche Got­ teslästerung stand nach der in den Evangelien bezeugten Rechtsauffassung

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des Hohen Rats Todesstrafe durch Steinigung. Die Rechtslage scheint ge­ mäß Deuteronomium 13 eindeutig: falsche Propheten, Träumer und Wun­ dertäter sind zu steinigen. Weitere Zeugen erübrigten sich. Eine Steini­ gung, wie die Juden das schon zweimal zuvor versucht hatten (Joh. 8, 59; 10,31), war nach römischem Recht illegale Lynchjustiz und verbot sich im gegebenen Falle, anders als bei Stephanus (s. u. 12 d), weil der Landpfleger samt seiner Kohorte in der Stadt weilte. Die Blutgerichtsbarkeit lag allein bei ihm (s.o. 3i). Leichtere Körperstrafen hingegen waren zulässig (s.o. 3 k). Jesus wurde während des Verhörs vor dem Hohen Rat gemäß dem Text der Evangelien (Mk. 14, 65 par.) zum ersten Mal geschlagen und angespieen. Ist das Erin­ nerung oder Messiaskolorit? Der leidende Gottesknecht bei Jesaja (50, 6) klagt: „Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich prügelten, und meine Wangen denen, die mich schlugen, mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel“. Daß der Gerechte leiden muß, ist ein Gemein­ platz seit dem Tode des Sokrates. Das wird in Platons »Staat« (361 D ff) ge­ radezu als Notwendigkeit beschrieben - alle Arten von Mißhandlungen habe er in dieser Welt, ungerecht wie sie ist, zu erdulden. Der vollkom­ mene Gerechte werde am Ende gar gepfählt oder gekreuzigt. Diese Stelle hat man früh mit dem Ende Jesu verknüpft, wie die Märtyrer-Akten des um 185 n. Chr. hingerichteten Apollonius erweisen (Benz 1950, S. 39). g. Markus (14, 64) und Matthäus (26, 66) überliefern ein Todesurteil, Lukas (22, 71) und Johannes (18, 24 ff) nur ein Verhör. Übereinstimmend berichten sie den Fortgang. Tags darauf wurde Jesus in der Frühe an Pila­ tus ausgeliefert. Im Anschluß daran meldet Matthäus (27,3 f) die Reue des Judas: er erhängte sich. Der Selbstmord des Judas entspricht dem Topos vom bösen Ende der Gottesfeinde und steht daher unter Verdacht. Das Motiv wird uns in der Pilatuslegende wieder begegnen (s. u. 13 t). Die Apostelgeschichte (1, 18 f) bringt eine drastischere Version als Matthäus (27,5): „Judas stürzte vornüber, barst mitten entzwei und schüttete all sein Eingeweide aus“. Hier wird die Ausgestaltung selbst innerhalb der bibli­ schen Berichte erkennbar. Abermals gesteigert wird das schreckliche Ende des Verräters bei Papias von Hierapolis, der als Schüler des Apostels Jo­ hannes galt und um 130 n. Chr. schrieb. Nach seiner höchst unappetitli­ chen Beschreibung (Fragment 3 Bihlmeyer) wäre Judas aufgedunsen und bei lebendigem Leibe verfault. Nichtsdestoweniger könnte die Reue des Verräters historisch sein. Denn zum einen widerspricht sie der überlieferungsgeschichtlichen Ten­ denz, Leben und Ende zu harmonisieren. Und zum anderen wartet Judas den Tod Jesu nicht ab, was seine Verzweiflung doch erst ganz begreiflich gemacht hätte. Wäre sie erfunden, so wäre sie nicht gut erfunden. Sie kommt zu früh. Als Kontrastfigur und Verkörperung des Bösen erfüllt Ju-

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das eine literarische Funktion. Ihre Ausgestaltung gehorcht bekannten Le­ gendenmotiven. Die Person des Judas hat schon bei den Kirchenvätern besonderes Inter­ esse gefunden. Daß er vor Jesus gestorben ist, erklärte Origenes mit der Absicht des Verräters, vor dem Herrn in der Hölle zu sein, damit er ihn dort als körperlose Seele um Vergebung bitten könne. Aber er fand keine Gnade, weder im Jenseits noch im Diesseits. Judas wird in der christlichen Tradition als Erzbösewicht behandelt. Der heilige Brandanus aus Irland begegnete ihm, nach der im 10. Jahrhundert aufgezeichneten Legende, auf seiner wunderbaren Reise im Meer an einen Felsen geschmiedet, halb von Frost, halb von Hitze gepeinigt. Der Verrat, so erzählt er dem Heiligen, wäre ihm verziehen worden, wenn er sich nicht selbst erhängt hätte. Seine jetzige Strafe sei eine Sonntagserholung, wochentags müsse er mit Pilatus, Herodes, Hannas und Kaiphas in waberndem Pech in der Hölle schmoren. Bei Dante wird Judas mit den Caesarmördern Brutus und Cassius in der tiefsten Hölle von Satan selber zermalmt (Inferno 34). Alle erdenkbaren Laster (und einen roten Bart) trägt Judas in dem vierbändigen Werk von dem baarfüßigen Augustiner und kayserlichen Prediger etc. Abraham a Santa Clara, »Judas Der Ertzschelm/Für ehrliche Leuth/Oder Eigentlicher Entwurff/und Lebensbeschreibung deß Iscariotischen Bößwicht. Worinnen underschiedliche Diseurs, sittliche Lehrs=Puncten/Gedicht/und Geschicht/auch sehr reicher Vorrath Biblischer Concepten. Welche nit allein einem Prediger auff der Cantzel sehr dienlich fallen/der jetzigen verkehrten/bethörrten/versehrten Welt die Wahrheit under die Nasen zu reiben: sondern es kan sich auch deren ein Privat- und einsamber Leser zur er­ sprießlichen Zeit-Vertreibung/und gewünschten Seelen=Hayl gebrau­ chen« (1686 ff). Trotzdem ist Judas eigentlich die tragische Gestalt im Evangelium. Das Schicksal forderte seine Schuld. Offenbar hatte er den Glauben an Jesus als den Messias verloren und suchte Gewißheit: Ist er der Messias, muß er das nun zeigen. Ist er es nicht, dann hat er uns betrogen, also machen wir die Probe! Möglicherweise war Judas auch nur ungeduldig und wollte Jesus durch den Verrat dazu zwingen, sich zu offenbaren und das Reich Davids wiederherzustellen. War es so, dann wollte er das Gute und tat das Böse. Trieb ihn die Habsucht? Dann hätte er doch mit dem Säckel durchbrennen können. Nach Markus (14,11) boten ihm die Hohen Priester einen Lohn erst, nachdem er ihnen seine Bereitschaft zum Verrat erklärt hatte. Durch ihn machte Judas den Opfertod Jesu für die Menschheit möglich. Er tat das Böse und bewirkte das Gute, gewissermaßen als Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Gemäß Lukas (22,3) war „der Satan gefahren in den Judas“, bevor er zu den Hohen Priestern und den Hauptleuten ging. Kann man da noch von

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Schuld sprechen? Nach Johannes (13,26 f) wußte Jesus, daß Judas ihn ver­ raten würde, bevor dieser selbst es beschlossen hatte. Der Herr reichte ihm beim Abendmahl den Bissen, und zugleich fuhr Satan in den Judas. Man dachte sich offenbar den Mund als Pforte des Bösen. Satan gab Judas den Verrat ins Herz (Joh. 13,2). Ist er dafür zu tadeln? Und welche Torheit Sa­ tans! Er gewinnt die Seele des Judas und verliert die Seelen all derer, die durch den folgenden Kreuztod Jesu erlöst werden! Der Geist, der stets verneint, verneint zuletzt sich selbst. Und dann die Reue: Noch vor dem Tode Jesu, nach dem Urteil des Synhedrions, packt Judas die Verzweiflung. Verzweifelt er nicht darum, daß er einen Menschen geopfert hat und doch damit das Davidsreich nicht hat er­ neuern können? Jesus, der die Buße als Weg zur Erlösung gepredigt hat, warum erlöst er den reuigen Judas nicht? Und daß dieser bereut, besiegelt er mit der Rückgabe seines Lohnes, ja mit seinem Leben: er erhängt sich. Kann man mehr tun? Ehrlos unter Juden, ehrlos unter Christen, denen der Selbstmord ein Sakrileg ist. Es ist der einzige Selbstmord im Neuen Testa­ ment, im Alten vorgebildet in Saul, den Gott verlassen hat (1. Samuel 31, 4), näher noch in dem Verräter Ahithophel, dem Gegner Davids (2. Samuel 17, 23). h. Jesus wurde also Pilatus vorgeführt. Markus (15, 1) nennt sein Amt nicht, offenbar wußten seine Leser, daß es sich um den römischen Statthal­ ter handelt. Folgen wir Johannes (18,31), so hat Pilatus sich für unzustän­ dig erklärt und die Juden aufgefordert, ihn nach ihrem Gesetz zu richten. Diese Zurückweisung ist insoweit glaubhaft, als auch spätere Statthalter nichts mit Judengezänk zu tun haben wollten, denken wir an den in der Apostelgeschichte (18, 12 ff) überlieferten Fall: die Anklage gegen Paulus vor Gallio in Korinth, die der Statthalter abwies. Schließlich hatte Pilatus ja auch Johannes den Täufer ungehindert predigen lassen. Für Pilatus war Blasphemie Jahwes kein Straftatbestand. Wenn er Jesus den Juden zurück­ geben wollte, dann bedeutet sein Wort: „Richtet ihr ihn!“ nicht die Hin­ richtung. Natürlich wußte Pilatus, daß die Juden niemanden töten durften (s.o. 3 i). Der griechische Ausdruck krinein, lateinisch indicare läßt die Art des Urteils offen. Eine Geißelung durch die Juden wäre statthaft gewesen. Indem sie aber nur die Todesstrafe in Betracht zogen und diese allein nach römischem Recht erwirken konnten, müssen sie Pilatus nahe gebracht ha­ ben, daß Jesus ein Feind Roms, ja ein Hochverräter sei. Pilatus fragt unver­ mittelt: „Bist du der Juden König?“ Die Frage des Statthalters ist ebenso verblüffend wie die Antwort Jesu. Pilatus überläßt es dem Angeklagten, den Sachverhalt festzulegen, der das Urteil bestimmt. Denn hätte Jesus „Nein“ gesagt, so hätte Pilatus ihn kaum hinrichten können. Jesus aber bejaht. Das vielbesprochene sy legeis (Mk. 15,2 par.) heißt auf deutsch „Du sagst es“ und ist keinesfalls die aus­

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weichende Antwort „Das sagst du“. Dieses „Ja“ ist insofern erstaunlich, als der Gedanke an das Königtum, der mit dem Messias zwar immer ver­ bunden ist, bei ihm aber nie im Vordergrund gestanden hat, jetzt die ge­ samte Entwicklung trägt. Beim Einzug in Jerusalem war Jesus nach dem Bericht der Evangelisten als Erneuerer des Davidsreiches und König von Israel begrüßt worden und ließ sich das gefallen. Die Erwartungen steiger­ ten sich in der hochgestimmten Passah-Gemeinde. Nun, beim Verhör da­ nach befragt, verzichtet Jesus demonstrativ auf die Gelegenheit, dies zu be­ streiten oder zu erklären, worüber Pilatus sich wundert. Ob das als Trotz (contumacia) auszulegen und als Strafgrund anzunehmen ist, wie vermutet wurde (Rosen 1990), scheint zweifelhaft. Mit dem Hinweis auf den Prozeß, den der jüngere Plinius im Jahre 109 als Prokonsul von Bithynien gegen die dortigen Christen geführt hat, läßt sich die Entscheidung des Pilatus nicht erhellen. Wie wir aus dem Brief des Plinius (X 97) an Trajan wissen, wurden die Christen hingerichtet, wenn sie sich trotz dreimaliger Aufforderung weigerten, abzuschwören und - so die römische Interpretation - mit ihrer Geheimbündelei und deren ab­ scheulichen Riten aufzuhören. Die verweigerte Sinnesänderung war con­ tumacia. Pilatus aber hat zwar ebenfalls dem Beklagten die Gelegenheit ge­ boten, sich zu retten, doch dafür hätte dieser die Anklage widerlegen, nicht eine Sinnesänderung versprechen müssen. Pilatus hat von Jesus nicht ver­ langt, auf seinen Königsrang zu verzichten. Der Anspruch darauf ist Re­ bellion. Treffend bemerkt daher schon Lavater 1782 in seinen Anmerkun­ gen zu Pilatus (VI 8): „Alles in dieser ganzen Geschichte, Klage, Verhör, Antwort, Verspottung, Mißhandlung, Finalsentenz, alles hat offenbare und unmittelbare Beziehung auf seine angebliche Königswürde. Diese ist immer und immer die zum Vorschein kommende Hauptsache, der Funda­ mentalpunkt des ganzen Prozesses“. Daß Pilatus in der Anmaßung des Königtums das eigentliche Verbre­ chen Jesu gesehen habe, ist bezweifelt worden, wiederum von Bultmann (1957, S. 291), ist aber evident. Das Schild am Kreuz verkündete den Hin­ richtungsgrund (s. u. 10 u). Jemand, der sich im Römischen Reich eigen­ mächtig als König bezeichnet und verehren läßt, ist ein Rebell. Er entfacht einen Aufstand (lateinisch seditio, griechisch stasis) und begeht nach der »Lex Iulia maiestatis« ein crimen laesae maiestatis, das heißt Hochverrat gegenüber dem römischen Volk, vertreten durch den Kaiser. Über die Strafwürdigkeit belehren uns die Digesten (XLVIII4,1; 11) im Corpus Ju­ ris Civilis, seit Tiberius (Sueton 61) war die Todesstrafe fällig. Dies bestäti­ gen die im 3. Jahrhundert aufgezeichneten Sentenzen des Juristen Julius Paulus: „Wer einen Aufstand oder einen Tumult erregt, indem er das Volk aufhetzt, wird, je nach Personenstand gekreuzigt, den Bestien vorgewor­ fen oder auf eine Insel verbannt“ (V 22,1). Einschlägig wäre unter Umstän­

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den die aus derselben Quelle überlieferte Strafe: „Wer eine neue Sekte oder eine unvernünftige, unbekannte Religion einführt, und so allgemeine Un­ ruhe bewirkt, wird verbannt, wenn er zu den honestiores (den Angesehe­ nen) gehört oder hingerichtet, wenn er den humiliores (den gewöhnlichen Menschen) zuzurechnen ist (V 21, 2). i. Pilatus war über Jesus zunächst im Unklaren. Bei Johannes kommt es zu einem längeren Wortwechsel zwischen Pilatus und Jesus. Er fand statt im Inneren des Prätoriums (18, 33), ungestört von der Menge davor. Wie haben sich die beiden verständigt? Pilatus war einer der wenigen Nichtju­ den, mit denen Jesus in den Evangelien Worte wechselt. Der Hauptmann von Kapernaum (Mt. 8,5) sprach gewiß die Landessprache, ebenso das kanaanäische Weib (Mt. 15,22), aber in welcher Sprache haben sich Jesus und Pilatus verständigt? Von einem Dolmetscher ist nirgends die Rede, doch daß Jesus Griechisch oder gar Latein konnte, ist mehr als unwahrschein­ lich, auch wenn er wußte, daß auf den römischen Münzen der Name des Kaisers zu lesen war (s.o. 3u). Pilatus sprach vermutlich Griechisch, schwerlich aber Aramäisch. Was ein frommer Jude vom Studium des Grie­ chischen hielt, beleuchtet jenes Wort eines Rabbi auf die Frage, wann man die Weisheit der Griechen studieren solle: „Wenn es weder Tag noch Nacht ist.“ Er begründete dies mit dem ersten Psalm: „Wohl dem, der nicht wan­ delt im Rat der Gottlosen, sondern hat Lust am Gesetz des Herrn und sinnt darüber Tag und Nacht“. j. Der Dialog zwischen Pilatus und Jesus bei Johannes (18,33 ff) gehört, seiner Kürze zum Trotz, zu den denkwürdigsten Gesprächen der Weltlite­ ratur. Die Szene spricht für sich. Schon die Frage des Präfekten, umstanden von seinen gewappten Leibwächtern, den Sturmriemen unter dem Kinn, an den gefesselten, geprügelten, hohläugigen Prediger: „Bist du der Juden König?“ ist ätzende Ironie. Jesus weicht aus. „Redest du das von dir selbst oder haben’s dir andere von mir gesagt?“ Schwer verständlich, wie konnte Jesus in Erwägung ziehen, daß Pilatus das aus sich selbst heraus gesagt ha­ ben könnte? Das mußten ihm doch andere zugetragen haben! Pilatus kriti­ siert darum die Gegenfrage des Beklagten mit einer abermaligen Frage: „Bin ich ein Jude?“ Gemeint ist: „Um dich, wie du daherkommst, für ei­ nen König zu halten, muß man schon ein Jude sein. Als Römer wäre ich kaum auf den Gedanken gekommen“. Pilatus fährt fort: „Dein Volk und die Hohen Priester haben dich mir überantwortet.“ Das freilich brauchte ihm der Landpfleger nicht mitzuteilen. Seine anschließende Frage: „Was hast du getan?“ jedoch kommt auf den Punkt. Sie läßt sich auf zwei Arten verstehen: „Was hat du getan, daß man dich zum König erhoben hat?“ und „Was hast du getan, daß man dich mir ausgeliefert hat?“ Jesus beantwortet keine der beiden Fragen, sondern sagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“. Was hier mit kosmos, ein Lieblingswort bei Johannes, gemeint ist,

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ergibt sich aus der früheren Verkündigung Jesu, er habe „die Welt über­ wunden“ (16, 33). Gedacht ist an die verderbte, sündige Menschheit, die dem Satan, dem „Fürsten dieser Welt“ (16,11) verfallen ist, sofern sie nicht Buße tut. Der Begriff kosmos bezeichnet nicht im räumlichen Sinne die Erde im Gegensatz zum Himmelreich, sondern den alten Aion, die alte Weltzeit vor der erwarteten Gerichtsposaune, die den neuen Aion ankün­ digt. Jesus wird König sein im bevorstehenden Reich Gottes. Jesus ahnt das Unverständnis des Präfekten und fährt fort: „Wäre mein Reich von dieser Welt, so hätten meine Diener gekämpft und mich nicht in die Hände der Juden fallen lassen“. Jesus nennt als seine Gegner nicht die Römer, die ihm allein gefährlich werden könnten, sondern die Juden, so als ober er selbst und seine Jünger nicht ebenfalls Juden wären. Das klingt nach einem Sprachgebrauch, der, im Gefolge von Paulus, Christen und Ju­ den unterscheidet und letztere mehr fürchtet als die Römer. Pilatus: „So bist du dennoch ein König?“ Der Landpfleger zweifelt. Ein basileus ohne basileia, das heißt ein König ohne Reich, ohne Krieger, ohne Waffen ist für ihn ein Kuriosum. Jesus stört das nicht. Er bleibt bei seiner Denksphäre und fährt fort: „Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt, in diesen Kosmos gekommen, daß ich für die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit stammt, der höret meine Stimme“. Damit sagt Jesus, daß Pilatus nicht „aus der Wahrheit“ kommt. Und nun der Satz der Sätze, die Kardinalfrage „Was ist Wahrheit?“ Die Skepsis des Landpflegers gemahnt an den jüngeren Seneca (ep. 88,45): Hoc unum certum est nihil esse certi, oder an den älteren Plinius (NH. II25), der dasselbe meint: Sicher allein ist, daß nichts sicher ist. Diese Haltung geht zurück auf den Skeptiker Pyrrhon von Elis um 300 v. Chr. Dessen fünftes Gebot lau­ tet: peri talethous he epoche - „das mit der Wahrheit in der Schwebe las­ sen!“ (Diogenes Laertios IX 84). Schon Sokrates bemerkte, „Ich weiß, daß ich nichts weiß“. Darum entschied das römische Recht pragmatisch. Res iudicata pro veritate accipitur, heißt es bei Ulpian (Digesten L 17,207), und dies meinte auch Pilatus. Er hätte sich auf die Rechtsregel stützen können: Interpretatio est contra eum facienda, qui clarius loqui debuisset - „Auszu­ legen ist zum Nachteil dessen, der sich klarer hätte ausdrücken sollen“. k. Die Frage nach der Wahrheit ist der archimedische Punkt der ganzen Bibel. Jahrhundertelang hat man das Wort des Römers für authentisch ge­ halten, und das ist begreiflich. Die Umstände freilich sprechen dagegen. Der Kontext ist johanneische Theologie, und der Wortwechsel findet im Inneren des Prätoriums statt. Wie kann der nach außen gedrungen sein? Und dennoch! Dürfen wir annehmen, daß Johannes den Wahrheitsbegriff, der ebenfalls zu seinen Schlüsselwörtern gehört, selbst in Zweifel gezogen haben sollte? Das verriete ein Problembewußtsein und ein Reflexionsni­ veau, das den Horizont des Evangelisten übersteigt. Die Frage ist im gege­

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benen Zusammenhang ein Fremdkörper, ein Stein des Anstoßes, denn sie bleibt unbeantwortet im Raume stehen. Wo immer bei Johannes Zweifel auftauchen, da werden sie behoben. Die Jünger, die Pharisäer, die Juden alle erhalten ihre Antwort. Das Äußerste an Skepsis innerhalb des Denk­ rahmens des Johannes verkörpert der ungläubige Thomas (20, 26 ff). Er wird, wie die Textgattung befiehlt, durch die körperliche Erfahrung der Wunden und damit des Wunders überzeugt. Pilatus aber erhält keine Ant­ wort. Ein anstößiger Befund. Dem Leser des Evangeliums (14,6) hat Jesus die Frage allerdings längst beantwortet: „Ich bin die Wahrheit“. Die Kirchenväter haben das offene Ende des Gesprächs mit der Unge­ duld des Landpflegers erklärt, der hinausging, um den Juden eine Amne­ stie anzubieten, anstatt auf die Antwort Jesu zu warten. Dies tat noch Francis Bacon im ersten seiner »Essays« von 1612: What is truth? said jesting Pilate and would not stay for an answer. Im Nikodemus-Evangelium aus dem 5. Jahrhundert (s. u. 13 i) wird sie gegeben; hier behält, wie es sein muß, Jesus das letzte Wort. Er sagt: „Die Wahrheit stammt vom Himmel.“ Darauf Pilatus: „Gibt es auf Erden keine Wahrheit?“ Jesus erwidert: „Du siehst doch, wie die, welche die Wahrheit sagen, von den irdischen Macht­ habern gerichtet werden“ (HS. I6, S. 403). Mithin ist Pilatus selber schuld, wenn er die Wahrheit nicht findet. Johannes erspart ihm diesen Vorwurf. Damit wird aus der Frage des Pilatus eine Aussage. Er will von Jesus gar nicht wissen, was Wahrheit ist, sondern stellt mit seiner rhetorischen Frage eine Behauptung auf: „Was Wahrheit eigentlich ist, weiß niemand so ge­ nau, weder du als Jude noch ich als Römer.“ Und damit hat er wohl in ei­ nem textübergreifenden Sinne recht. Pilatus steht mit seiner Frage außer­ halb des Geistes der Heiligen Schrift. Der Römer verweist auf eine andere Welt, auf unsere Welt.

Exkurs: Was ist Wahrheit? /. Für Denker, die in Polaritäten philosophieren, gehört das Verhör von Jesus durch Pilatus zu den Schlüsselszenen der Geschichte, ähnlich der Be­ gegnung zwischen Platon und Dionys 388 v. Chr. in Syrakus, dem Zusam­ menstoß zwischen Thomas Becket und Heinrich II von England in Northampton 1164, dem Auftritt Martin Luthers vor Karl V 1521 in Worms. Das Gegenüber von Geist und Macht war in der Passion ein Aufeinander­ treffen von Glaube und Unglaube. „Das eigentliche, einzige und tiefste Thema der Welt- und Menschengeschichte, dem alle übrigen untergeord­ net sind, bleibt der Konflikt des Unglaubens und des Glaubens“, so Goe­ the in seinen Noten zum West-Östlichen Divan. Er ordnete die beiden Haltungen bestimmten, in diesem Falle sich überschneidenden Epochen

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zu, wobei er seine Sympathie dem Glauben als dem Positiven, dem Kon­ struktiven, dem Aufbauenden zuwandte. Wenn Goethe von „Glauben“ spricht, ist dies freilich nicht im christli­ chen Sinne gemeint. Das zeigt sein Konflikt mit Johann Caspar Lavater (1741-1801). Dieser war durch Johann Georg Hamann (1730-1788), den „Magus des Nordens“ - er hatte in Königsberg den „Stern“ gesehen -, dazu angeregt worden, sich mit Pilatus zu befassen. Metakritisch gegen­ über dem „Purismus der Vernunft“ hatte Hamann 1762 in seiner »Aesthetica in nuce« Pilatus zitiert, der Menschenwitz über die göttliche Wahrheit stellte: „Ja, ihr feinen Kunstrichter! fragt nur immer, was Wahrheit ist, und greift nach der Thür, weil ihr keine Antwort auf die Frage abwarten könnt - Eure Hände sind immer gewaschen, es sey, daß ihr Brodt essen wollt (Mt. 17,2), oder auch, wenn ihr Bluthurtheile gefällt habt -Fragt ihr nicht auch: wodurch ihr die Natur aus dem Wege räumt?“ Hamann hatte hier Pilatus als Symbol der Aufklärung angegriffen, und damit, so Lavater, nur eine Seite dieser sinnträchtigen Gestalt erfaßt. Dies wollte dieser ändern. „Itzt ist Pontius Pilatus mein Cheval de Bataille*, schrieb Lavater im August 1781 an Goethe, „Ach!, daß du bey mir wärest! Ich finde alles, Himmel und Erde und Hölle, Tugend, Laster, Weisheit, Thorheit, Schicksal, Freyheit - in Ihm -, Symbol von allem an alles“. In seinem vierbändigen Epos aus den Jahren 1782 bis 1785 »Pontius Pilatus oder der Mensch in allen Gestalten oder Höhe und Tiefe der Menschheit oder die Bibel im Kleinen und der Mensch im Großen oder ein Universal Ecce Homo oder Alles in Einem« entwickelte Lavater in Dialogen das Verhältnis zwischen Vernunft und Offenbarung, wobei er Pilatus in der Ecce-Homo-Szene die Einsicht in die Menschwerdung Gottes zutraute. Dagegen grenzte sich Goethe ab. Am 29. Juli 1782 antwortete er dem „Propheten“ Lavater: „Da ich zwar kein Widerkrist, kein Unkrist, aber doch ein dezidirter Nichtkrist binn, so haben mir dein »Pilatus« und so weiter widrige Eindrücke gemacht, weil du dich gar zu ungebärdig gegen den alten Gott und seine Kinder stellst“. Goethe fühlte die Versuchung, Lavaters »Pilatus« zu parodieren, und das wies auf den Bruch ihrer Freundschaft voraus. Goethe wahrte gegenüber der Pilatusfrage eine zweideutige Haltung. Er reimte Teufel auf Zweifel und machte auch davon ad libitum Gebrauch. Über den Sinn der Skepsis äußerte er sich mal so und mal anders. Dem Kanzler von Müller bekannte er am 15. April 1819: „Es ist besser, du glaubst an das Falsche, als du zweifelst am Wahren“ und schließt an: „Alle Geschichte ist mißlich,“ eben weil sie unsicher bleibe. Dies bestätigte ihm der Jenenser Historiker Heinrich Luden 1823: „Fichte beantwortete die Frage des Pilatus: Was ist Wahrheit? einmal mit folgenden Worten: Wahr­ heit ist, was notwendig so gedacht werden muß, wie es gedacht ist.“ Da die

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Geschichte nun gewiß auch anders gedacht werden kann als sie geschrie­ ben steht (s. u. 14), stünde es schlecht um ihre Wahrheit, es sei denn, wir übernähmen Goethes Antwort an Luden: „Also hat jeder seine eigene Wahrheit.“ Dies meinte jedenfalls auch Pilatus im Gegensatz zu Jesus und Johannes. Der Historiker wird keine der beiden Positionen stützen, dafür bescheiden und bestimmt hinzufügen, historische Wahrheit gibt es nur eine. m. Pilatus als Ikone der Aufklärung diente deren Gegnern als Ziel­ scheibe, deren Anhängern als Schützenhilfe. Hegel, der im Christentum, bildlich verschlüsselt, seine eigene Philosophie erkannte und diese wie­ derum als begrifflich bewußt gewordenes Christentum verstand, verfocht den durch Jesus vertretenen absoluten Geist gegen den dekadenten Welt­ menschen, der die Philosophie hinter sich glaubt, „in welchem Sinne Pila­ tus, als Christus sagte: ,Ich bin gekommen in die Welt, die Wahrheit zu ver­ künden', erwiderte: ,Was ist Wahrheit?' Das ist vornehm gesprochen und heißt soviel: .Diese Bestimmung Wahrheit ist ein Abgemachtes, mit dem wir fertig sind. Wir sind weiter, wissen: Wahrheit zu erkennen, davon kann nicht mehr die Rede sein. Wir sind darüber hinaus“ (JA. XVII S. 43). In seinem Kampf gegen die „Plattheit und Seichtigkeit des Wissens“ der Auf­ klärung, die der Leugnung der ewigen Wahrheit „ein gutes Gewissen ge­ macht“ habe (JA. VIII S. 34 f), heißt es bereits in Hegels Berliner Antritts­ vorlesung vom 22. Oktober 1818: „Sie sind soweit gekommen als Pilatus, der römische Proconsul; wie er Christus das Wort Wahrheit nennen hörte, erwiderte er dies mit der Frage: Was ist Wahrheit? in dem Sinne als einer, der mit solchem Worte fertig sei und wisse, daß es keine Erkenntnis der Wahrheit gebe. So ist das, was von jeher für das Schmählichste und Un­ würdigste gegolten hat, der Erkenntnis der Wahrheit zu entsagen, von un­ seren Zeiten zum höchsten Triumph des Geistes erhoben worden“. Der Verzicht auf Wahrheit wäre in der Tat unentschuldbar, wenn sie denn zuvor erreicht wäre - und dies ist dann doch letztlich eine Glaubens­ frage, die Hegel ebenso entschlossen bejaht, wie Nietzsche sie verneint. Dem Römertum so entschieden zugetan wie der Jesusreligion abgewandt, schreibt er: „Es wird erzählt, daß der berühmte Stifter des Christentums vor Pilatus sagte ,Ich bin die Wahrheit'; die Antwort des Römers darauf ist Roms würdig: als die größte Urbanität aller Zeiten“. Nietzsche, der sich als Vollender der Aufklärung sah, indem er die Via Dolorosa der intellek­ tuellen Ehrlichkeit bis zur Selbstentblößung zu Ende ging, nahm Pilatus in Schutz gegen seinen Mißbrauch als „Advokaten Christi“, der die Wahrheit diffamierte und so den Glauben propagierte und das Kreuz auf der Igno­ ranz errichtete (IS. 747). Am klarsten zuletzt 1888 im »Antichrist«: „Habe ich noch zu sagen, daß im ganzen Neuen Testament bloß eine einzige Fi­ gur vorkommt, die man ehren muß? Pilatus, der römische Statthalter. Ei­

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nen Judenhandel ernst zu nehmen - dazu überredet er sich nicht.“ Und dann in gleißendem Zynismus die Karikatur eines Herrenmenschen: „Ein Jude mehr oder weniger - was liegt daran?... Der vornehme Hohn eines Römers, vor dem ein unverschämter Mißbrauch mit dem Wort Wahrheit getrieben wird, hat das Neue Testament mit dem einzigen Wort bereichert, das Wert hat - das seine Kritik, seine Vernichtung selbst ist: was ist Wahr­ heit!“ (II S.1211). Nietzsches „kluger Affe“ Oswald Spengler, so Thomas Mann am 5. De­ zember 1922, deutete die Pilatusfrage noch in anderer Weise. „Als Jesus aber vor Pilatus geführt wurde, da traten sich die Welt der Tatsachen und die der Wahrheiten unvermittelt und unversöhnlich gegenüber, in so er­ schreckender Deutlichkeit und Wucht der Symbolik wie in keiner zweiten Szene der gesamten Weltgeschichte“. Spengler (II S. 262) sieht hier eine Konfrontation von - abstrakt gesprochen - Wachsein und Dasein, Wahr­ heit und Wirklichkeit, oder von - konkret gesehen - Geist und Macht, Re­ ligion und Politik. Er spricht von zwei Welten, zwischen denen es keine Brücke gibt. Und daß es keine Brücke gibt, dies zu zeigen, wäre dann der Sinn des verständnislosen Wortwechsels zwischen der Stimme aus dem Neuen und der aus dem Alten Aion. Die Kluft, die sich hier auftut, ist der begriffliche Ort der Geschichte, sie strömt zwischen diesen beiden Ufern dahin, nirgendwo so reißend, da sie sich nirgendwo so nahe gekommen sind.

n. Nach der Unterredung hatte Pilatus ein Bild von dem Angeklagten. Er ging gemäß Johannes (18, 38) hinaus zu den Juden und sagte: „Ich finde keine Schuld an ihm“. Bei Lukas liest es sich anders. Hier beschuldigen die Juden Jesus bei Pilatus, das Volk zu verführen, die Steuerverweigerung zu fordern und sich König zu nennen (23, 1 ff). Pilatus ignoriert die ersten beiden Vorwürfe, läßt sich den dritten von Jesus bestätigen, nimmt ihn aber nicht ernst. Hier folgt nun das Intermezzo mit Herodes Antipas. Die­ ser Sohn Herodes des Großen hatte von seinem Vater die Herrschaft über Galiläa und Peräa geerbt und war darin als Tetrarch von Augustus bestä­ tigt worden. Durch die Gründung der Stadt Tiberias hatte er sich auch die Gunst des Tiberius bewahrt. Es ist durchaus denkbar, daß Herodes Anti­ pas zum Passah-Fest nach Jerusalem gekommen war. Als nun Pilatus hörte, daß Jesus aus Nazareth in Galiläa stammte, soll er ihn seinem Lan­ desherrn zur Aburteilung ausgeliefert haben. Dieser erwartete vergeblich ein „Zeichen“ von Jesus, ja erhielt nicht einmal eine Antwort. Dieses wie­ derholte Schweigen Jesu ist vermutlich eine Reminiszenz aus Jesaja (53,7): „Als der Gottesknecht gemartert ward, litt er es doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird“. Hero­ des steckte Jesus darauf in ein weißes Kleid - bei Jesaja (1,18) die Farbe der

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Unschuld - und ließ ihn zu Pilatus zurückbringen. Auf dieses fruchtlose Hin und Her geht unsere Redewendung zurück, „jemanden von Pontius zu Pilatus schicken“. So gewiß nun Herodes Antipas das Recht besaß, in seinem Gebiet To­ desurteile auszusprechen, so wenig war Pilatus genötigt, darauf Rücksicht zu nehmen, daß Jesus kein Angehöriger seiner Provinz, sondern land­ fremd war. Weder Festus in Caesarea noch Gallio in Korinth nahmen An­ stoß daran, daß der ihnen vorgeführte Paulus aus Kilikien stammte (s. u. 12 p). Schon damals galt nicht das forum domicilii, sondern das forum de­ licti, was in den Digesten (118,3) kodifiziert wurde: „Der Statthalter hat in seiner Provinz auch die Blutgewalt gegenüber Auswärtigen, wenn sie et­ was Böses begangen haben“ (so nach der sinngemäß besseren Lesart). Denn entsprechend dem kaiserlichen Mandat soll der Statthalter seine Provinz von bösen Menschen reinigen, gleichgültig, woher sie stammen: malis hominibus provinciam purgare, nec distinguuntur, unde sint. Für die Frage der Geschichtlichkeit der Episode ergibt diese Bestim­ mung nichts, denn es wäre ja nicht auszuschließen, daß Pilatus, wie Lukas schreibt, eine diplomatische Geste bezweckte, um die Freundschaft des Fürsten zu gewinnen oder wieder zu gewinnen. Suchen wir nach einem Grund für die Entzweiung, so ließe sich an die Beschwerde über die Schilde beim Kaiser denken (s.o. 6 k) oder an die im Tempel getöteten Ga­ liläer (s.o. 6 x). Jedenfalls habe Pilatus seinen Zweck erreicht. Das gute Ein­ vernehmen der beiden wird man als Tatsache werten dürfen, den Grund hingegen schwerlich. Allzugut fügt sich die Geschichte in die Tendenz, die Passionserzählung durch verzögernde Momente zu verlängern. Daß Jesus nach Lukas aus Bethlehem stammt, demnach kein Untertan des Antipas ist, wird in Kauf genommen. Das Zwischenspiel ist vermutlich aus dem Psalmwort (2,2) herausgesponnen: „Die Könige der Erde lehnen sich auf, und die Fürsten ratschlagen gegen Gott und seinen Gesalbten“. Die Epi­ sode wird von Bickerman (1986, S. 108 ff) für möglich erachtet, bleibt aber verdächtig. o. Dasselbe gilt für die nächstfolgende Episode: die Amnestie des Barab­ bas. Schon der Name ist seltsam, er bedeutet „Sohn des Vaters“. Für die angebliche Sitte der Osteramnestie in jener Zeit fehlt jede Parallele. Bis­ weilen sind Notizen aus der Mischna herangezogen worden, um die Am­ nestie-Sitte zu untermauern, doch bleiben diese höchst problematisch. Altorientalische Parallelen einer Freilassung von Sklaven und Gefangenen zu hohen Festen scheint es zu geben (Zimmern 1918, S. 11), liegen aber weit ab. Daher empfiehlt es sich, hier eine literarische Zutat anzunehmen, die einerseits wiederum als retardierendes Moment die Unausweichlich­ keit der Verurteilung Jesu unterstreicht und andererseits Pilatus entlasten und die „Verworfenheit“ der Juden beleuchten soll, die dem Heiland einen

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Schwerverbrecher vorziehen. Um dieser beiden Pointen willen nehmen die Evangelisten in Kauf, daß Jesus zur Begnadigung angeboten wird, ob­ wohl er noch gar nicht verurteilt ist. Welches Geschehnis liegt der Erzählung zugrunde? Hat es diesen Bar­ abbas gegeben? Wenn ja, darf dieser doch wohl als historische Persönlich­ keit zu wertende Räuberhauptmann zu den messianischen Gestalten im weiteren Sinne zählen (s.o. 8 n). Dafür spricht der in einer handschriftli­ chen Nebenlesart zu Matthäus (27, 16) tradierte Doppelname „Jesus Bar­ abbas“. Er ist vermutlich authentisch und wurde in der Überlieferung zu „Barabbas“ verkürzt, weil man die Namensgleichheit zwischen Mörder und Messias als anstößig empfand. Wäre der Mann eine erfundene Figur, hätte man dieses Ärgernis von Anbeginn vermieden. Die Alternative wäre, daß Jesus Barabbas identisch ist mit Jesus Chri­ stus (vgl. Bond 1998, S. 200). Dann läge der Episode die Überlieferung zu­ grunde, daß es vor dem Tribunal Sprech-Chöre gegeben hat, die Jesus be­ freit wissen wollten. Diese Akklamationen wären dann in judenfeindlicher Absicht umgedeutet und in der Figur des „Räubers“ konkretisiert worden. Gibt es für die angebliche Gepflogenheit der Festamnestie auch kein Vorbild, so hatte doch umgekehrt in der Spätantike das biblische Beispiel eine indulgentia paschalis zur Folge. 367 und 368 befreite Kaiser Valentinian wegen des Osterfestes alle Gefängnisinsassen, soweit sie nicht Ehe­ brecher, Giftmischer, Zauberer und Mädchenräuber waren. Da ebenfalls Majestätsverbrecher und Mörder von der Begnadigung ausgenommen wa­ ren, hätten weder Jesus noch Barabbas unter christlichen Kaisern eine Chance gehabt (CTh. IX 38, 3 f). p. Sicher fiktiv ist die in die Barabbas-Amnestie eingeflochtene war­ nende Botschaft der Frau des Pilatus: „Habe du nichts zu schaffen mit die­ sem Gerechten, denn ich habe heute im Traum seinetwegen viel gelitten“ (Mt. 27, 19). Die Anwesenheit der Frau des Pilatus ist historisch unbe­ denklich, obschon derartiges politisch als problematisch empfunden wurde. Augustus gestattete seinen Legaten, wie uns Sueton (Aug. 24) ver­ rät, den Besuch der Ehefrauen höchst ungern und nur in den Wintermona­ ten. Dennoch war es statthaft, da ein in den Digesten (116,4) überlieferter Senatsbeschluß aus dem Jahre 20 n. Chr. zuließ, daß der Statthalter seine Gattin in die Provinz mitnahm, auch wenn das nicht gern gesehen wurde: melius quidem est sine uxore, sed et cum uxore potest. Tacitus (Ann. III 33 f) überliefert aus dem Jahre 21 eine Diskussion aus dem Senat über dieses Thema, die an der Rechtslage nichts änderte, aber die Bedenken zur Spra­ che brachte. Zu den Befürchtungen gehörte, daß die Frau in die Amtsge­ schäfte eingriff, genau so wie es der Evangelist berichtet. Dennoch ist der Fall erfunden. Er bezweckt wiederum die Verzögerung des Urteils. Warn­ träume sind in der antiken Literatur sehr häufig. Sie beruhen auf dem bei

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Juden, Griechen und Römern herrschenden Glauben an die prophetische Macht von Träumen und dienen dem Erzähler dazu, Unglück als Schuld zu erweisen und Spannung zu erzeugen. Der Traum der Prokla oder Procula - so heißt die Frau des Pilatus in der späteren Legende seit dem im 6. Jahrhundert schreibenden Chronisten Jo­ hannes Malalas (CSHB. 20, S. 240) - stellt theologisch ein Problem dar. Denn alle sonst in der Bibel erwähnten Träume kommen von Gott; und daher ist es ein Zeichen von Frömmigkeit und dient dem eigenen Heil, wenn man sie ernst nimmt und ihnen folgt. So waren die Weisen aus dem Morgenland gut beraten, als sie, im Traum gewarnt, auf dem Rückweg von Bethlehem nicht bei Herodes Halt machten; ebenso tat Joseph wohl daran, dem Traume folgend, die schwangere Maria nicht zu verlassen und mit sei­ ner Familie nach Ägypten zu ziehen, bevor Herodes den Kindermord be­ fahl. Hätte jedoch Pilatus auf den Warntraum seiner Frau gehört und Jesus begnadigt, so hätte er Gottes Heilsplan zerstört. Darum erklären einige Kirchenväter folgerichtig den Traum der Procula für eine Eingebung des Teufels - so ein aus dem späten 4. Jahrhundert stammender Zusatz zum 4. Brief des Ignatius an die Philipper und dann über Pseudo-Beda (PL. 102, S. 121) der um 800 in Fulda lehrende Hrabanus Maurus in seinem Matthäuskommentar (VIII 27): der Teufel wollte erreichen, daß er nicht durch den Tod Jesu selbst das Reich des Todes verlöre, ne per illius mortem ipse amitteret mortis Imperium. Ausgemalt ist die Szene im wenig jüngeren »Heliand«, dem altsächsi­ schen Stabreim-Epos über die Lebensgeschichte Jesu. Nach dem Selbst­ mord des Judas erscheint seine Seele vor Satan und berichtet ihm von dem bevorstehenden Opfertod Jesu. Da fürchtet Satan, die Hölle würde leer von Sündern. Er fuhr hinauf in des „Herzogs Haushalt“ und wirkte ein Wunder vor der Frau des Pilatus. Auf dieses Gesicht hin sandte sie den warnenden Boten zu ihrem Mann, der dann aber doch den Juden sich beugte. Dieselbe Deutung vertrat Bernhard von Clairvaux, der 1153 ge­ storbene Zisterzienserabt in einer Osterpredigt (PL. 183, S. 276). Der „böse Feind“ fürchtete die Kraft des Kreuzes. Schließlich hat auch Martin Luther diese Deutung vertreten. In einer seiner Tischreden (WA. IV Nr. 5043 f), sucht der Teufel durch den Mund der Procula die Kreuzigung zu hindern in der Hoffnung, Jesus doch noch einmal mit Erfolg in „Tentation“, in Versuchung zu führen. „Er hatte hohe Gedanken; denn die Teufel sind gelehrt“. Klopstock hat 1756 im 7. Gesang (399 ff) seines »Messias« das Traum­ problem anders gelöst. Maria besucht die hier Portia genannte Prokla, die Pilatus vor der Sünde, Jesus zu richten und dafür dereinst von Gott gerich­ tet zu werden, bewahren will. Portia sah und vernahm den Geist des So­ krates. Dieser warnt. Spielt hier Sokrates den Genius der antiken Kultur,

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die durch Kreuz und Christentum bedroht ist und im Namen der Huma­ nität, die Pilatus zu verletzen im Begriff steht, erhalten werden soll? q. Schließlich müssen wir auch die letzte Handlung des Pilatus vor sei­ nem Urteilsspruch als literarische Zutat erkennen: Die Beteuerung seiner Lauterkeit, indem er seine Hände in Unschuld wusch. Matthäus (27, 24) beschreibt hier als wirkliche Handlung, was wir aus dem Alten Testament als Vorschrift kennen. Im Deuteronomium (21, 6) heißt es: Nach einem Mord von unbekannter Hand sollen die Ältesten ihre Hände über einer geopferten Kuh waschen und sagen: „Unsere Hände haben dies Blut nicht vergossen“. Aus diesem Ritus wurde eine Metapher. Im 26. Psalm (Vers 6) singt David: „Ich wasche meine Hände in Unschuld und halte mich, Herr, zu deinem Altar“, und Asaph dichtet im 73. Psalm (Vers 13): „Soll es denn umsonst sein, daß ich mein Herz rein hielt und meine Hände in Unschuld wasche?“ Diese Metapher verwandelt Johannes in eine Handlung. Nie­ mand wird glauben, daß der Präfekt eine biblische Geste vollzog. Der ur­ sprüngliche Sinn der im Alten Testament symbolisch gemeinten Waschung war - ebenso wie bei der Taufe - die rituelle Reinigung der möglicher­ weise befleckten Hände vor dem Gebet. Eine solche Zeremonie kennen wir aus dem späthellenistischen Aristeasbrief (§ 306), der die Entstehung der Septuaginta erklärt (s.o. 1 p). Es handelt sich um eine Anerkennung der eigenen Sündhaftigkeit - keine demonstrative Beteuerung der eigenen Schuldlosigkeit wie bei Pilatus. Es gehört zur Magie von Sprachbildern, daß sie Sinnbrechungen überdauern. Die Handwaschung ist zum geflügelten Bild der heuchlerischen Un­ schuldsbeteuerung geworden, so in dem 1963 uraufgeführten Drama »Der Stellvertreter« von Rolf Hochhuth. Am Ende des vierten Aktes wäscht sich Papst Pius XII die zitternden Hände: „Wir sind -Gott weiß es - un­ schuldig am Blut, das da vergossen wird“. Wieder ist es jüdisches Blut. r. Römischer Strafpraxis entsprechen der Auftritt von Anklägern {delato­ res), weiterhin der Sitz des Richters auf dem Tribunal (griechisch bema) un­ ter freiem Himmel (Mt. 27,19) sowie die Geißelung und die Kreuztragung (Mk. 15,15 ff). Beides verschärfte die Strafe, das bestätigt Josephus (Bellum II14,9) anläßlich der Kreuzigungen durch den Procurator Florus 66 n. Chr. Bei Lukas (23,16. 22) sagt Pilatus den Juden, er wolle Jesus „eine Lektion erteilen“ und ihn dann freilassen. Das griechische Wort paideuó heißt „er­ ziehen“ und bedeutet hier soviel wie „züchtigen“. Die Rute war durch Jahr­ tausende ein unentbehrliches Instrument der Pädagogik. Von einer Aus­ führung berichtet Lukas allerdings nichts. Die Geißelung findet statt wie­ der bei Johannes. Sie wird bei ihm (19,1-5) durch die Ecce-Homo-Szene „Sehet, welch ein Mensch!“ - in einem Pilatus freundlichen Sinn dahinge­ hend umgedeutet, daß er damit das Volk zum Mitleid hätte bewegen und die Todesdrohung von Jesus hätte abwenden wollen. Hier wird eine letzte Ver-

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zögerung eingeschoben; bei Markus (15,15) und Matthäus (27, 26) folgen Todesurteil, Geißelung und Kreuzigung unmittelbar aufeinander. Das ist historisch verläßlicher. Unbegründet ist die Annahme, die Geißelung habe, wie die Folter von Sklaven, zur Wahrheitsfindung gedient. Über das Delikt war mit dem Geständnis Jesu die Ermittlung abgeschlossen. Dornenkrone, Purpurmantel und Rohrszepter als Spottinsignien für einen Königsanwär­ ter sind denkbar. Diese Details sind kulturhistorisch aussagekräftig, auch wenn sie ereignisgeschichtlich nicht zutreffen sollten. Johannes (19, 9 ff) verlängert das Todesdrama durch eine letzte Zwie­ sprache zwischen Pilatus und Jesus nach der Schaustellung des Ausge­ peitschten. Nach dem Volks-Chor der Juden, Jesus habe sich selbst zum Sohne Gottes gemacht, und darauf erkenne ihr Gesetz die Todesstrafe, sei Pilatus noch verängstigter gewesen. Beides ist dubios, da das jüdische Recht für Pilatus unerheblich war und er keinen, besser: noch keinen An­ laß zur Angst vor den Juden haben konnte. Die Frage des Präfekten „Wo­ her kommst du?“ bezeugt die Verlegenheit des Evangelisten um einen Ge­ sprächsgegenstand, da nur ein Anlaß benötigt wird, um die Souveränität Jesu vorzuführen. Dieser schweigt. Pilatus pocht auf seine Macht. Die aber, so Jesus, habe er nicht von sich, sondern „von oben“. Ob der Kaiser oder Gott gemeint ist, bleibt offen. Ersteres dürfte Pilatus verstanden, letz­ teres Jesus gemeint haben. „Von da an trachtete Pilatus, wie er ihn los­ ließe“. Tat er das nicht von Anfang an schon? s. Die Juden aber protestierten. Der Chor des Volkes bei Johannes (19, 12): „Läßt du diesen los, so bist du des Kaisers Freund nicht mehr“, ist bis­ weilen bezogen worden auf die amici Caesaris, jene Gruppe hochgestellter Persönlichkeiten, die nach zwei Rängen gestaffelt als amici primae oder secundae admissionis zum morgendlichen Empfang bei Hofe zugelassen wa­ ren. Sie begrüßten den Kaiser mit einem Kuß auf den Mund und trugen ei­ nen Goldring mit dem Bild des Kaisers im Profil. Ihre Namen wurden in den städtischen Bekanntmachungen, den acta urbis, veröffentlicht, und aus ihrem Kreise wählte der Kaiser seine Reisebegleiter, seine comités. Wenn die Juden dem Statthalter eine Aufkündigung der Freundschaft durch Ti­ berius vorausgesagt haben, dann war das eine ernste Sache, wo nicht eine Erpressung. Denn wir kennen Beispiele, daß ein so in Ungnade Gefallener sich die Pulsadern aufschnitt (Tacitus, Ann. 15; VI9). Gewiß hatte der Ver­ fasser der Johannes-Passion eine solche Position am Hofe im Sinn. Den­ noch ist es höchst zweifelhaft, daß Pilatus diesem illustren Kreis wirklich angehörte. Ludwig Friedländer (IV 1921, S. 61 ff) zählt die namentlich be­ kannten Freunde des Tiberius auf. Unter ihnen sind vierzehn Senatoren, überwiegend Konsulare, daneben sieben Ritter, persönliche Vertraute, an ihrer Spitze Sejan. Aus gutem Grund zieht Friedländer Pilatus hier über­ haupt nicht in Betracht.

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Auf die ironische Frage des Landvogts: „Soll ich euren König kreuzi­ gen?“ schreien die Juden: „Wir haben keinen König denn den Kaiser!“ (19, 15). Ein Bekenntnis zu Rom, wie es von keinem antiken Volk überliefert ist, und durchaus mit der Unterwürfigkeit von Herodes und den Seinen harmonisiert, das mit der Haltung der Gesandtschaften aus dem Volk vor Augustus 4 vor und 6 nach Christus zusammenpaßt (s.o. 2 u, z) und auch mit den Loyalitätsbeteuerungen bei Philo und Josephus übereinstimmt. Um so krasser sticht davon der Haß der Zeloten auf Rom ab. Gemäßigt war hingegen die Romtreue der frühen Christen, bei Paulus (Römer 13), zumal. Wer den Evangelisten eine judenfeindliche Tendenz anlastet, muß doch einräumen, daß sie den Juden nicht mangelnde Reichstreue unterstel­ len. Bloß: mußte sich Pilatus von ihnen über seine Pflichten gegenüber dem Kaiser belehren lassen? Bei Johannes muß er das. Nun verurteilt Pila­ tus den Rex Judaeorum zum Kreuz. Zu den in den Passionsberichten immer wieder kritisierten Punkten ge­ hört die Rolle der tobenden Volksmassen vor dem Prätorium. Es erscheint unglaubwürdig, daß ein römischer Statthalter seine Entscheidung von der Lautstärke einer Volksmenge, von einer Akklamation, abhängig gemacht haben soll. Die acclamatio als solche ist eine aus der Römerzeit wohl ver­ traute Erscheinung. Das Volk pflegte, gewöhnlich im Theater, seiner Stim­ mung durch Sprech-Chöre Ausdruck zu verleihen. Das konnte Sportbe­ geisterung für einen beliebten Wagenlenker, Segenswünsche für eine schwangere Kaiserin, Unmut über einen Minister oder Proteste gegen hohe Weinpreise betreffen. In der Spätantike ließen sich die Kaiser die Pa­ rolen melden. Das Volk griff auf diesem Wege auch in die Rechtssprechung ein, doch war dies gesetzwidrig. Diocletian schrieb einem Statthalter: Vanae voces populi non sunt audiendae: nec enim vocibus eorum credi oportet, quando aut obnoxium crimine absolvi aut innocentem condemnari desideraverint (Codex Justinianus IX 47, 12) „den gedankenlosen Stimmen des Volkes ist kein Gehör zu schenken, denn man darf sich nicht den Zurufen anvertrauen, wenn sie einen Verbrecher begnadigt oder einen Unschuldi­ gen verurteilt wissen wollen“, und das galt auch schon unter Tiberius. Die somit wohlbezeugte Aktivität der städtischen Volksmassen ist ge­ rade für die Juden vielfach belegt. Kein Volk neigte so wie sie zu Massen­ auftritten und geräuschvollen Demonstrationen. Die Belege für die jüdi­ sche turba reichen von Cicero (Pro Flacco 66 ff) über Horaz (Satiren I 4, 142) bis zu Marc Aurel bei Ammianus Marcellinus (XXV 5,5). Hatte Pila­ tus nicht selbst auf einen solchen Massenprotest hin die Feldzeichen aus Jerusalem entfernt und beim Bau der Wasserleitung für Jerusalem den jü­ dischen Volkszorn erregt und erlebt (s.o. 6 p, v)? Philo zitiert die Parolen der Sprech-Chöre gegen die Ehrenschilde (s.o. 6 k). Szenen dieser Art bie­ tet wiederum die Apostelgeschichte (21, 36), wo sich „Getümmel“ um

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Paulus bildete und viel Volk schrie: „Weg mit ihm!“ (vgl. 22,22). Was also spricht dagegen, die Zeugnisse der Evangelisten über die vor Pilatus prote­ stierenden Juden ernst zu nehmen? Unwahrscheinlich ist allein die Form, in der sich das abgespielt haben soll. Dialoge zwischen dem Statthalter und den Juden ließen sich dabei kaum führen. Der Schrei des Volkes: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ bei Matthäus (27, 25) ist aus der Sicht der Zerstörung Jerusalems geschrieben und bot der späteren Tradi­ tion den Anhalt, im Jüdischen Krieg eine Strafe Gottes für die Hinrichtung Jesu zu sehen (s. u. 12 x). Nach den Passionsberichten ist kaum daran zu rütteln, daß an der Besei­ tigung Jesu die Juden ein größeres Interesse hatten als Pilatus. Ihre Chri­ stenverfolgung, gipfelnd in den Martyrien von Stephanus, Jakobus Zebedäi und Jakobus Justus bestätigen das (s. u. 12 d, k, q). Der Schuldspruch des Pilatus war eine judenfreundliche Tat, ein Gefälligkeitsurteil. Pilatus wollte sich mit den Häuptern der Juden gutstellen und verfolgte damit eine Politik, die allenthalben von den Römern geübt wurde. Stets haben sie sich mit den örtlichen Aristokratien verbündet und das bestehende Sozialge­ füge zu stärken versucht. Als sich 66 n. Chr. der Jüdische Krieg anbahnte, haben Adel und Priesterschaft der Juden den Frieden mit Rom zu retten versucht, kamen aber nicht an gegen das Volk und seine messianischen Führer (s. u. 12 u, v) - eine Konstellation, wie sie Kaiphas schon damals befürchtet hat. Wenn er später mit Pilatus zugleich abgesetzt wurde (s. u. 12 e), deutet das auf eine Zusammenarbeit zwischen beiden. t. Zur Kreuzigung als Form der Hinrichtung Jesu gibt es aus seiner Zeit eine Fülle von Parallelen. So exekutierte man Rebellen, Räuber und krimi­ nelle Sklaven (Kuhn 1982). Verläßlich ist ebenso die Überlieferung, daß Je­ sus sein Kreuz habe tragen müssen. Wie die Geißelung diente die Kreuz­ tragung als Verschärfung der Strafe und ist als solche bei Plutarch (Moralia 554 B) und Artemidoros von Daldis (II 56) bezeugt. Unklar ist, ob das ganze Kreuz oder nur der Querbalken gemeint ist. Die Kreuzstrafe stammt aus dem Alten Orient und wurde von den Persern angewandt. Ein berühmtes Opfer ist der Tyrann Polykrates von Samos, der im Jahre 522 v. Chr. diesen Tod erlitt, nachdem er in die Gefangenschaft des Satrapen von Magnesia am Mäander geraten war, wie Herodot (III125) erzählt. Seit den Kriegen gegen die Karthager, die, gemäß Polybios (I 24, 6; 79, 4) und Diodor (XXIII 10; XXIV 11), ihre erfolglosen Feldherren zu kreuzigen pflegten, begegnet diese Strafe auch in Rom. Sie war nicht nur extrem grausam, sondern zugleich entehrend. Zum ersten Mal wurden im Jahre 217 v. Chr., während des Zweiten Punischen Krieges, rebellische Sklaven in Rom more Punico gekreuzigt (Livius XXII 23). Nach seinem Sieg über Karthago ließ der ältere Scipio im Jahre 201 die zum Feind übergelaufenen Römer, darunter einen Senator, ans Kreuz schlagen (Livius XXX 43). Vale­

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rius Maximus (II 7,12) berichtete dies unter den Exempeln für Militärdis­ ziplin, betont aber, daß Scipio diese Brutalität entgegen seinem Charakter von den Feinden entlehnt habe, und beeilt sich, zu Fällen überzugehen, die sich sine domestico vulnere erzählen ließen - ohne daß eigene Wunden auf­ gerissen würden. Nach den Digesten (48, 19,28) war die Kreuzigung (ad furcam damnatio) die schwerste im römischen Recht vorgesehene Todesstrafe (summum supplicium), gefolgt vom Tod auf dem Scheiterhaufen (vivi crematid). Zu den gräßlichsten Bildern aus der römischen Geschichte gehören die nach der Niederlage des Spartacus 71 v. Chr. an den Straßenbäumen der Via Appia gekreuzigten sechstausend Gladiatoren und Sklaven (Livius, Periochae 97; Appian XIII120). Daß Statthalter kreuzigen ließen, wissen wir aus Ci­ ceros Reden gegen Verres, den Plagegeist Siziliens (II 5, 162 f). Über die anatomischen Aspekte der Todesart haben die 1968 entdeckten Gräber von Giv’at ha-Mivtar bei Jerusalem Aufschluß gegeben. Sie stammen aus der Zeit zwischen 20 vor und 70 nach Christus und enthielten von Nägeln durchbohrte Gebeine eines Gekreuzigten (Haas 1970; Yadin 1973). Bisweilen heißt es, die Kreuzigung sei eine römische, keine jüdische Strafe. Das ist nicht ganz richtig, sie wurde allenthalben geübt (Kuhn 1982). Im Jahre 77 v. Chr. hatte der Hasmonäer Alexander Jannaeus in Je­ rusalem, so lesen wir bei Josephus (Ant. XIII 14, 2), achthundert Juden der Pharisäerpartei kreuzigen lassen. Nach dem Deuteronomium (21, 22) soll ein zum Tode Verurteilter „ans Holz gehängt werden, die Leiche aber nicht über Nacht hängen bleiben“. Zwei Texte aus Qumran fordern für Verräter das „Hängen ans Holz“ (Maier I 1995, S. 425; II 1995, S. 90). Je­ sus prophezeit seinen Jüngern, einige würden von den Juden gekreuzigt (Mt. 23, 34). Diese Weissagung ging - soweit wir wissen - nicht in Erfül­ lung. Bei den Römern im Osten war Kreuzigung geläufig. Varus schlug 4 v. Chr. zweitausend Empörer ans Kreuz (s.o. 2 x). Gekreuzigt wurden um 47 n. Chr. die Söhne des Empörers Theudas durch den Procurator Tiberius Alexander (Jos. Ant. XX 2). Titus ließ Hunderte von Gefangenen vor den Mauern Jerusalems kreuzigen (Jos. Bellum V 11,1). Die Strafe der Kreuzi­ gung wurde noch im Jahre 314 von Constantin solchen Sklaven und Frei­ gelassenen angedroht, die ihre Herren vor Gericht des Majestätsverbre­ chens bezichtigten (CTh. IX 5, 1). Der spätrömische Historiker Aurelius Victor (41, 4) erklärt, Constantin habe um 320 die alte gräßliche Hinrich­ tung durch Kreuz (patibulum) und Beinebrechen (crurifragium) abge­ schafft und sei dafür wie ein Heros, ja wie ein Gott bewundert worden. Wenig später freilich bemerkt derselbe Autor (41,12), daß der Usurpator Calocerus unter Constantin 334 in Cypern gekreuzigt (excruciatus) wor­ den sei, wie das bei Sklaven und Räubern richtig und üblich wäre.

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Bild 13. Rekonstruktionen des Gekreuzigten von Giv’at ha-Mivtar, nach Haas 1970. Beide Vorschläge sind problematisch. Der Tote starb in der der Zeit vor dem Jüdi­ schen Krieg.

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Erst allmählich kam diese Todesart mit Rücksicht auf Christus außer Übung und ist fortan nur noch in Einzelfällen nachweisbar, so im Alaman­ nenkrieg Valentinians 366 n. Chr., den Ammian (XXVII 2, 9) beschreibt. Sie hielt sich indessen im außerchristlichen Orient und wurde in der Tür­ kei noch im 16. Jahrhundert geübt. Ogier Ghiselin von Busbeck, der 1555 bis 1562 als kaiserlicher Gesandter bei Suleiman II weilte, bezeugt eine sol­ che Hinrichtung in seinem dritten türkischen Reisebrief. m. Pilatus hat Jesus als König der Juden verurteilt. Diesen Titel trugen zuvor die Hasmonäer seit Aristobul I und Alexander Jannaeus (s.o. 1 y) und dann wieder Herodes der Große (s.o. 2 m). Ihn legitimierte der Senat als König, später verlieh oder verweigerte der Kaiser diesen Rang. Er war stets mit der Militärhoheit verbunden und daher unvereinbar mit dem Provinzialstatus und der Präsenz eines Statthalters. Als König bestritt Je­ sus das Daseinsrecht des Pilatus, nicht indessen das des Kaisers. Zwar wurde auch dieser im Osten oft als basileus bezeichnet, doch verwendet die Bibel für ihn den gräzisierten Titel Kaisar, das heißt Caesar. Den Hinrichtungsgrund verkündete der titulus, gräzisiert in titlon „Je­ sus von Nazareth, König der Juden“, nach Johannes (19,19 ff) in drei Spra­ chen und drei Schriften: auf Hebräisch, das heißt Aramäisch; auf Helle­ nisch, das heißt Griechisch; auf Römisch, das heißt Latein. Alle vier Evan­ gelisten erwähnen dieses aus Holz oder Papyrus zu denkende Schild Markus (15, 26) spricht von einer „Aufschrift“, epigraphe. Jedermann konnte es sehen, darum ist es unproblematisch, wie es zur Kenntnis der Evangelisten gelangt ist. Bedenken weckt allein die Reihenfolge der Spra­ chen; Latein sollte am Anfang stehen, gefolgt von Griechisch. Paul L. Maier hat 1996 (S. 70) eine paläographische Rekonstruktion versucht: Mehrsprachige Dokumente sind im Osten des Imperiums keine Seltenheit. Caesar schrieb an die Juden lateinisch und griechisch (Josephus, Ant. XIV 191; 197); die Grabinschrift von Kaiser Gordian III in Circesium am Euphrat war angeblich griechisch, lateinisch, persisch, jüdisch und ägyp­ tisch (Scriptores Historiae Augustae, Gord. 34, 2 f). Die Geschichtlichkeit der Tafel ist bis in jüngste Zeit bestritten worden, nicht allein von Rudolf Bultmann (1957, S. 293). Wir haben aber Parallelen für diese Sitte: Unter Augustus wurde ein Sklave, dessen Vergehen auf ei­ nem Schild an seinem Hals zu lesen war, über das Forum geführt und dann gekreuzigt (Dio LIV 3,7). Ähnliche Fälle erzählt Sueton von Caligula (32) und Domitian (10). Zudem ist der titulus eng mit der Kreuzigungsszene verwoben. „Wenn er Christus, der König Israels ist, steige er herab vom Kreuz“ spotteten die Schriftgelehrten (Mt. 27, 42 par.). „Wenn du der Ju­ den König bist, so hilf dir selbst!“ riefen die Soldaten (Lk. 23,37). Die Ho­ hen Priester forderten von Pilatus, er möge nur schreiben, daß Jesus gesagt habe, er wäre der König der Juden, denn in Wirklichkeit sei er es nicht. Da-

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liSVSNAZAKENVSRfXIVDAEOKVM ihcoyconazgpaiocobaciaeyctunioyaakjn

^•>>15 7txiV' Bild 14. Rekonstruktion des Titulus nach Paul L. Maier 1996. Die Schrift orientiert sich an der Paläographie der Zeit und ändert die Reihenfolge der Sprachen nach ihrem Rang aus römischer Sicht. Johannes 19, 19 f reiht die Sprachen: hebräisch, lateinisch, griechisch.

gegen setzte Pilatus das bei Johannes (19, 22) überlieferte stolze Römer­ wort: „Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben“, lateinisch quod scripsi, scripsi, griechisch ho gegrapha, gegrapha. „Ein Schuld­ spruch“, so heißt es später bei Apuleius (Florida 9, 10), „darf nach seiner Verkündung um keinen Buchstaben vermehrt oder vermindert werden, sondern muß wörtlich in die Akten des Provinzialarchivs (instrumentum provinciae) eingetragen werden“. v. War die Verurteilung Jesu ein römischer Strafprozeß? Ein solcher fand statt in der Öffentlichkeit, der Richter saß erhöht auf dem Tribunal (bema). Davon sprechen sowohl Matthäus (27, 19) als auch Johannes (19, 13). Dennoch war das in den Evangelien beschriebene Verfahren, das zur Hinrichtung Jesu führte, kein Verfahren nach den Richtlinien des römi­ schen Rechts. Dazu hätte es einer schriftlichen Anklage, einer Verteidi­ gung und eines Protokollanten bedurft. Pilatus hätte seine Ratgeber befra­ gen müssen, sein consilium, das jedem Statthalter zur Seite stand. Die Apo­ stelgeschichte (25,12) erwähnt den Rat im Prozeß gegen Paulus vor Festus in Caesarea, während er im Verfahren gegen Jesus bei Pilatus nicht in Er­ scheinung tritt. Der Verfasser der Pilatusakten im apokryphen Nikode­ mus-Evangelium (s. u. 13 i) hat versucht, durch nachgetragene Formalitä­ ten, die Verurteilung prozeßgerecht zu gestalten, doch hat Mommsen 1902 gezeigt, daß dem Rechtsgelehrten (nomomathes) dies mißlungen ist. Die Hinrichtung Jesu war, juristisch betrachtet, eine Polizeimaßnahme nach Kriegsrecht, lateinisch coercitio, zu der jeder militärische Befehlshaber im Falle offenkundigen Widerstandes gegen die Staatsgewalt befugt war. Vor­ ausging eine cognitio extra ordinem, eine formlose Beweisaufnahme, die zu einem unstrittigen Ergebnis führte: Indem Jesus sich als König der Juden bekannte, war Pilatus formal im Recht. Die Hinrichtung Jesu ließ sich als politische Vorsichtsmaßnahme gegenüber einem geständigen Hochverrä­ ter rechtfertigen. Wenn ein subjektiv friedlicher Prediger wie Jesus Massen begeistern kann, unter denen es gewaltbereite Feinde Roms gab, dann

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konnte ihm die Bewegung über den Kopf wachsen. Insofern stellte er, wie Kaiphas fürchtete (Joh. 11, 50) objektiv eine politische Gefahr dar, gegen die ein Statthalter rechtzeitig einschreiten mußte, vielleicht nicht unbe­ dingt so drakonisch. w. Die wieder und wieder gestellte Frage, wer am Tode Jesu schuld war, ist falsch formuliert, denn sie setzt voraus, daß er zu Unrecht verurteilt worden sei. Dies ist formalrechtlich weder aus jüdischer noch aus römi­ scher Perspektive der Fall. Nach dem mosaischen Gesetz hatte er als fal­ scher Prophet sein Leben verwirkt, sein Angriff auf den Tempel, und sein Messias-Anspruch, das waren todeswürdige Verbrechen. Darum ist kaum daran zu zweifeln, daß die treibende Kraft im Verfahren gegen Jesus bei den Hohen Priestern und ihrem Anhang gelegen hat, wie es die Evangelien darstellen. Nach jüdischem Gesetz starb Jesus zu recht, so wie später, ge­ mäß der Apostelgeschichte (6 f), auch der christliche Armenpfleger Ste­ phanus und nach Josephus (Ant. XX 9, 1) der Herrenbruder Jakobus als Gotteslästerer hingerichtet worden sind (s. u. 12 d, q). Von jüdischer Seite hat man - durchaus begreiflich - an der Rechtmä­ ßigkeit der Hinrichtung Jesu festgehalten. Im Dialog Justins mit dem Ju­ den Tryphon (§ 108) bezeichnet dieser die Kreuzigung als legitimen Akt der Juden; und im babylonischen Talmud (Synhedrin VII) heißt es: „Am Vorabend des Pesach-Festes henkte man Jesus. Vierzig Tage vorher hatte der Herold ausgerufen: ,Er wird zur Steinigung hinausgeführt, weil er Zauberei getrieben und Israel verführt und abtrünnig gemacht hat; wer et­ was zu seiner Verteidigung zu sagen hat, der komme und bringe es vor'. Da aber nichts zu seiner Verteidigung vorgebracht wurde, so henkte man ihn am Vorabend des Pesach-Festes... Jesus stand der (römischen) Herrschaft nahe“. Der Text nennt als Autor Rabbi Ulla vom Ende des 3. Jahrhunderts, stammt aber erst aus der Zeit um 500 n. Chr. Er wurde niedergeschrieben im persischen Zweistromland und reflektiert umlaufende Legenden. Christliche und jüdische Stimmen unterscheiden sich darin, daß jene Jesus für unschuldig, diese ihn für schuldig erachten. Selbst ein so milder Geist wie Moses Mendelssohn erkannte die Unschuld Jesu nur an, sofern er sich nicht als gottgleich betrachtet habe - so am 15. Januar 1771 an Lavater. Aus römischer Sicht ist bei der Schuldfrage zwischen formaler und sach­ licher Lage zu unterscheiden. Formaljuristisch lag fraglos Hochverrat vor, aber Pilatus kann in den zwei Schwertern aus Gethsemane (Lk. 22, 38) kaum eine Gefahr für das Imperium Romanum erblickt haben. Jesus wollte kein Freiheitsheld, kein Empörer sein. Die Deutung Jesu als Sozial­ revolutionär wird zwar noch immer vertreten (Crossan 1999), darf aber als widerlegt gelten (Hengel 1970). Zeigen doch die Evangelien, wie Jesus ge­ nau diesen Verdacht von sich abzuwenden suchte. Seine Messiasvorstel­ lung orientierte sich an der Menschensohn-Idee (s.o. 8o). Jesus hat sich

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selbst nicht als politischer Führer verstanden. Nach der Versuchungsge­ schichte war es der Teufel, der ihm „alle Reiche der Welt und ihre Herr­ lichkeit“ anbot, Jesus lehnte ab (Mt. 4,8). Das messianische Königtum Jesu entspricht dem Königstitel der übrigen uns bekannten Gotteskämpfer, Freiheitshelden und Räuberhauptleute in keiner Weise. Ihr Reich war „von dieser Welt“. Gleichwohl ist die Sendung Jesu nicht nur von Pilatus im politischen Sinne mißdeutet worden. So wie Judas von Gamala und seine Anhänger die Steuerzahlung an Rom verweigerten (s.o. 8 m), so unterstellte man auch Jesus eine solche Absicht. „Meister, ist’s recht, daß man Steuern zahle?“ Jesus nahm eine Steuermünze und fragte: „Wes ist das Bild und die Aufschrift?“ Sie sprachen: „Des Kaisers“. Da sprach er zu ihnen: „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“. Die Synoptiker (Mt. 22, 15 ff par.) unterstellen den Fragenden den Wunsch, von Jesus ei­ nen Aufruf zur Steuerverweigerung zu hören, um ihn beim Landpfleger anzeigen zu können. Wenn dies unhistorisch sein sollte, bezeugt die Perikope doch allemal, daß die Steuerpflicht im Umkreis Jesu in Frage gestellt wurde, ehe er sie bejahte. Trotzdem blieb die Loyalität seiner Anhänger prekär, sonst hätte Paulus in seinem Römerbrief (13,1 ff) den Christen in der Hauptstadt nicht ein­ schärfen müssen, daß jedermann der Obrigkeit untertan sei und Steuern zahlen solle, da jede Obrigkeit von Gott verordnet wäre und das Schwert nicht umsonst führe. Die fast wörtlich gleichlautende Überzeugung schreibt Josephus (Bellum II8,7) den Essenern zu. Insofern sind Jesus und Paulus mit den gemäßigten Juden darüber einig, daß der Kaiser die von Gott eingerichtete weltliche Herrschaft ausübt, wohingegen das messiani­ sche Königtum unpolitisch, wenn man will, überpolitisch ist. Daß Pilatus dies nicht gesehen hat, oder nicht sehen wollte, gehört zu den welthistori­ schen Mißverständnissen, an denen die Politik aller Zeiten nicht gerade arm ist. Müssen wir mithin in der Schuldfrage differenzieren, kann es in Bezug auf die Verantwortlichkeit für das Urteil keine Zweifel geben. Sie lag bei Pilatus. Wenn er in der nachbiblischen Tradition den Juden gestattet, Jesus nach ihrem Gesetz zu geißeln, verspotten und zu kreuzigen, wird unzu­ treffend auch der Vollzug ihnen angelastet. Die rechtliche Verantwortung des Pilatus für das Urteil hat bereits Paulus (1. Thess. 2,14 ff) verdunkelt, indem er schrieb, die Juden hätten den Herrn getötet und machten durch die Verfolgung der Christen das Maß ihrer Vergehen voll. Die Stelle wird gewöhnlich als nachträglich eingeschoben betrachtet, wofür die anschlie­ ßende Bemerkung spricht, der rächende Zorn Gottes sei schon über sie ge­ kommen. Spielt das nicht auf den Jüdischen Krieg an, den Paulus nicht mehr erlebt hat? Die Juden als Verantwortliche bezichtigt dann das Lukas­

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Evangelium. Pilatus übergibt Jesus den Juden zur Kreuzigung (23, 25), und Kleopas, einer der Emmaus-Jünger, sagt zu dem unerkannten Aufer­ standenen sagt, die Hohen Priester und Obersten hätten Jesus „überant­ wortet zur Verdammnis des Todes und gekreuzigt“ (24,18 ff). Später sind selbstverständlich die Juden die „Mörder“, so ums Jahr 185 in der Schrift »Gegen die Häresien« (IV 28, 3) des Irenäus von Lyon und um 300 n. Chr. in den »Divinae Institutiones« bei Lactanz (IV 18, 6 ff). x. Der zum Kreuz Verurteilte wurde entkleidet. Das wissen wir nicht nur durch Matthäus (27, 35), sondern ebenso aus dem Traumbuch des Artemidor (II53): Wer am Kreuz hing, war nackt. Der Lendenschurz des Ge­ kreuzigten erscheint in der literarischen Überlieferung seit dem spätanti­ ken Nikodemus-Evangelium (HS. I6, S. 406). Es handelt sich um das grie­ chisch diazoma, lateinisch subligaculum genannte Kleidungsstück, eine Art Windel, die in der Antike an der Stelle von Unterhosen getragen wurde. Aus Gründen der Dezenz erscheint sie stets auf den Darstellungen des Gekreuzigten in der bildenden Kunst. Jesus wird nur selten mit ent­ blößtem Unterleib abgebildet, so etwa bei der Taufe im Kuppelmosaik des Baptisteriums der Arianer in Ravenna aus der Zeit Theoderichs um 520 n. Chr. Fraglos historisch ist ebenso die Überlieferung, daß seine letzten Uten­ silien (pannicularia) an die Henker fielen. Das entsprach römischem Recht (Digesten XLVIII 20, 6). Legendär hingegen sind vermutlich die Nach­ richten über den Leibrock Jesu bei den Synoptikern, wo die Kriegsknechte um die Kleider Jesu würfeln. Die Tradition vom chiton araphos, dem unge­ nähten Rock Jesu, noch nicht bei den Synoptikern, erst bei Johannes (19, 23), verweist auf den von Josephus (Ant. III 7,4) beschriebenen, ebenfalls nahtlosen Chiton des Hohen Priesters. Die Verlosung ist ein Zitat aus dem Leidenspsalm (22, 19) »Von der Hinde, die früh gejagt wird«. Dort heißt es: „Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Ge­ wand“. Es ist der Psalm, den Jesus sterbend betet. Er beginnt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt. 27, 46). Vers 17 ist in christlicher Zeit auf den Kreuzestod Jesu hin umgedeutet worden durch die hinzugefügten Worte „Sie haben meine Hände und Füße durchbohrt“. Wie so viele Nachrichten der Evangelisten, wurde auch die Verlosung des Rocks Anlaß zu einer Demütigung der Juden im Mittelalter. Noch im 16. Jahrhundert verlangten die Kurmainzer Zöllner an Rhein und Weser von allen vorüberfahrenden Juden neben der üblichen Gebühr die Abgabe von Würfeln, um sie an Golgatha zu erinnern. Der Kriegsknecht, der den Rock erwürfelt und ihn dann an Pilatus verquankelt haben soll, heißt in der Legende Israhel, doch gibt es im 18. Jahrhundert auch die Überliefe­ rung, daß die Soldaten des Pilatus Mietlinge aus Westfalen, „Westfälinger“ gewesen seien. Der in Trier eingemauerte und seit 1512 im Abstand von

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mehreren Jahrzehnten zur Verehrung freigegebenen Heilige Rock gab 1844 Anlaß zur Abspaltung der Deutschkatholiken. Zum Gegenstand bie­ tet Näheres das zweibändige Werk von Johann Gildemeister und Heinrich von Sybel, Der Heilige Rock zu Trier und die zwanzig anderen heiligen ungenähten Röcke (1844/45). Alle Passionsberichte erwähnen, daß Jesus am Kreuz getränkt worden sei. Bei Markus (15,23) erhält er mit Myrrhenharz gewürzten Wein, der im Altertum als Kostbarkeit galt, wie wir aus der Naturgeschichte des älteren Plinius (XV 92) wissen. Jesus verweigert ihn gleichwohl, nimmt aber spä­ ter den Essig (15, 36). Lukas (23, 36) spricht von Essig (to oxos, lateinisch acetum), sagt aber nicht, ob Jesus getrunken hat. Auch Johannes (19, 28) spricht von einem mit Essig getränkten Schwamm, der auf ein Yssop Rohr gesteckt worden sei; Jesus habe getrunken. Das bei Horaz (Satiren II 3, 116) und Martial (X 45, 5) erwähnte acetum meint sauren Wein. Ihn tranken die Soldaten (Historia Augusta, Pescennius 10,3). Möglicherweise handelt es sich um das lateinisch posea genannte Erfrischungsgetränk für arme Leute, bestehend aus Weinessig und Wasser. Sofern die Episode historisch ist, wurde sie theologisch überarbeitet. Nach Johannes sprach Jesus „Mich dürstet!“, auf daß die Schrift erfüllet würde. Verwiesen wird abermals auf den Leidenspsalm (22, 16), wo der Durst der gejagten Hirschkuh erwähnt wird. Selbst das Getränk ist pro­ phetisch verankert: „Und sie geben mir Galle zu essen und Essig zu trin­ ken in meinem großen Durst“ (Psalm 69, 22). Der Bibelbezug macht bei Matthäus 827,34) aus der Wohltat eine weitere Folter. Dies tut ebenso das Petrus-Evangelium: damit machten die Juden das „Maß ihrer Sünden voll“. All das ist sicher unhistorisch, denn den Schlauch (oder die Amp­ hora) mit Essig, aus dem Jesus getränkt wurde, hat man kaum für die Ver­ brecher nach Golgatha geschleppt. y. Unbestritten legendär sind die Zeichen und Wunder während der Kreuzigung: der Riß durch den Vorhang des Tempels, die Auferstehung der Heiligen, das Beben der Erde und die Verfinsterung des Himmels. Derartige Begleiterscheinungen werden als Prodigien in der antiken Hi­ storiographie gern zur Ausschmückung bedeutender Ereignisse herange­ zogen und hinzuerfunden. Das gilt für heidnische wie für christliche Au­ toren und beruht auf dem Gedanken einer kosmischen Sympathie zwi­ schen Mensch und Natur. Im Falle der Verfinsterung lassen sich die Stufen der Legendenbildung besonders gut verfolgen. Anders als bei gewöhnlichen Geschichtsereignis­ sen können wir die vergangenen Sonnen- und Mondfinsternisse naturwis­ senschaftlich rekonsturieren und mit dem vergleichen, was die Quellen darüber berichten. Von den ungefähr 250 Nachrichten über Finsternisse aus dem Altertum sind über 200 ungenau oder falsch (Demandt 1970). Die

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von den Autoren vorgenommenen Änderungen sind aber nicht beliebig, sondern in der Regel auf eine Steigerung des Effekts berechnet. Aus par­ tiellen Finsternissen werden totale, aus atmosphärischen werden astrono­ mische. Zeit, Dauer und Grad der Verfinsterungen wachsen an; sie werden als sinnträchtige Begleiterscheinungen mit den historischen Ereignissen örtlich und zeitlich zusammengeschoben, Erklärungen werden zu Vorher­ sagen aufgewertet. Verformungstendenzen dieser Art lassen sich auch für die Finsternis bei der Kreuzigung Jesu nachweisen, und zwar wiederum sowohl vor als auch nach der Niederschrift der Evangelien. Sie sind abermals nur eine Zwi­ schenstufe in der Legendenbildung. Markus (15,33) und Matthäus (27,45) verzeichnen lediglich eine Undefinierte Verdunkelung, einen skotos, viel­ leicht nur den Schatten einer Wolke. Bei Lukas (23, 44) heißt es sodann: „als die Sonne sich verfinsterte.“ Seine Wortwahl ist die für eine regel­ rechte Sonnenfinsternis übliche (tou heliou eklipontos). Daß eine solche an Passah, das heißt bei Vollmond unmöglich ist, wurde von den Kirchenvä­ tern wohl bemerkt. Das ist bei Tertullian und Sextus Julius Africanus aber kein Einwand gegen die Geschichtlichkeit, sondern steigert nur das Wun­ der. So kommentieren die frommen Autoren auch die lange Dauer: von der sechsten bis zur neunten Stunde. Die Zeit einer totalen Sonnenfinsternis beträgt aber im günstigsten Falle nur sieben Minuten und vierzig Sekun­ den, und auch das nur für einen Beobachter am Äquator. Ebenso über­ treibt Lukas das Sichtbarkeitsgebiet. Verdunkelt wird bei einer Sonnenfin­ sternis, anders als bei einer Mondfinsternis, immer nur ein kleiner sichel­ förmiger Streifen auf der Erde, nie diese als ganze, wie Lukas behauptet. Ob er etwas von der am 24. November 29 in Bithynien sichtbaren Sonnen­ finsternis gelesen hat, ist mehr als unwahrscheinlich. Spätere haben den Bericht Phlegons darüber mit Lukas zusammengebracht, so Euseb in sei­ ner Weltchronik zum Jahre 32. Bei ihm wird die Passionsfinsternis zur größten aller Zeiten, bei Orosius (VII 4,13) erscheinen die Sterne wie bei einer totalen Sonnenfinsternis, bei Paulus Diaconus (PL. 95, S. 864) ist ebenfalls das Passionsbeben das größte aller Zeiten. z. Unterschiedlich akzeptabel sind die überlieferten Taten des Pilatus nach dem Urteil und der Kreuzigung. Glaubhaft ist die an den Präfekten gerichtete Bitte des Joseph aus Ärimathia, das heißt aus Rama in Judäa, den Leichnam abnehmen und bestatten zu dürfen. Die Verweigerung des Gra­ bes verschärft die Strafe des Gekreuzigten, wie die makabere Erzählung von der Witwe aus Ephesus in Petrons »Satyrica« (111) belegt, doch ist ein Gnadenerweis unverdächtig. Philos Schrift gegen Flaccus (83) bestätigt das. Anders steht es mit der Tradition, daß Pilatus auf Wunsch der Phari­ säer das Grab habe bewachen lassen (Mt. 27,62 ff). Denn die Juden wollten damit, so heißt es, verhindern, daß der Tote von den Jüngern gestohlen

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würde und deren Behauptung Glauben fände, er sei auferstanden. Dies setzt voraus, daß Jesus seine Auferstehung und sein vierzigtägiges Wirken danach (Apg. 1,3) vorausgesagt hätte, so wie es die Evangelisten berichten. Das aber widerspricht seinem Wort zu dem guten Schächer: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein“ (Lk. 23, 43) und gehört überhaupt zu den Theologumena. Dasselbe gilt für die Auferstehung selbst. Sie ist bis 1968 im Großen Ploetz als historische Tatsache behauptet worden, erst die 28. Auflage be­ schränkt sich auf die Geschichtlichkeit einer bloßen Vision vom Aufer­ standenen. Aber selbst eine solche ist als historisches Erlebnis anfechtbar. Gewiß ist, daß die Idee vom sterbenden und auferstehenden Gott keine jü­ dische Vorstellung ist, sondern älteren mediterranen Vegetationsgottheiten angehört, namentlich der griechischen Persephone und dem ägyptischen Osiris, dem phrygischen Attis und dem phönizischen Adonis. Auch letz­ terer ist „am dritten Tage“ auferstanden. Die Parallele zum babylonischen Neujahrs-Mythos und der Wiederkehr Marduks ist verblüffend (s.o. 8 o). Die Auferstehung Jesu unterscheidet sich von den übrigen Wundern im Neuen Testament in einem Punkt. Die Heilungen, Verwandlungen und Teufelsaustreibungen erscheinen den Zeitgenossen als übernatürlich und wunderbar, nicht aber als unglaubwürdig. Problematisch an ihnen ist al­ lein, woher die Zauberkraft kommt: Ob die Handlungen im Namen des Herrn oder im Namen des Dämonenfürsten erfolgen, ob es sich, mittelal­ terlich gesprochen, um weiße oder schwarze Magie handelt. Hierüber sind Christen und Juden verschiedener Meinung. Gegenüber der Auferstehung indessen unterstellt Matthäus (27, 62 ff) den Juden eine rationale Kritik: Der Tote soll gestohlen und dann als auferstanden bezeichnet werden. So wieder der Jude Tryphon in dem Dialog mit Justinus Martyr (§ 108). Mat­ thäus (28, 11 ff) bestreitet das: Als die Wächter die Auferstehung erlebt hatten, wurden sie von den Juden bestochen, um zu erzählen, die Jünger hätten den Leichnam trotz der Bewachung entführt. „So ist dies zum Ge­ rede geworden bei den Juden bis auf den heutigen Tag“. Die verschlafenen Hüter hätten sich demnach lieber bloßgestellt als das Wunder zuzugeben. Die spätere Legende (s. u. 13 k) hat das „korrigiert“. Gegen den Zweifel der Juden an der Auferstehung hat Paulus (1. Kor. 15, 17) die Frohe Botschaft als ganze in die Waagschale geworfen: „Ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig“. Damit erhielt die­ ses Wunder tragende Bedeutung für das Christentum. Die historische Kri­ tik beginnt in der christlichen Tradition mit Hermann Samuel Reimarus, Lehrer der orientalischen Sprachen am Gymnasium Illustre zu Hamburg (1694-1768), der sich die jüdische Diebstahl-Version zu eigen machte. 1768 verteidigte ihn Lessing in seinen Wolfenbütteler »Fragementen eines Ungenannten«. Die Schwäche dieser Erklärung liegt darin, daß die Jünger

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alle anderen Anhänger Jesu betrogen haben müßten und selbst nicht an die Auferstehung geglaubt haben konnten. Aber dürfen wir neben dem Irr­ tum Jesu über das Nahe Gericht und dem Fehlurteil des Pilatus gegen den angeblichen Judenkönig auch noch einen solchen plumpen Betrug bei der Stiftung des Neuen Glaubens hinnehmen? Der Glaube an die Auferste­ hung entstand schon vor Paulus und ist als solcher eine historische Tatsa­ che, die schwer zu erklären ist, gewiß nicht durch die Annahme einer wirklichen Auferstehung, die von Theologen bis in die jüngste Vergangen­ heit behauptet wird (Theissen/Merz 1997, S. 415 ff). Faßbar ist die Funk­ tion: Das Skandalon des gekreuzigten Messias wurde damit überwunden, er selbst als solcher bestätigt.

Somit bieten die Evangelien einen zwar literarisch ausgeschmückten, theo­ logisch überformten, historisch aber im Kern akzeptablen Bericht über die Rolle des Pilatus im Jesusprozeß. Die Zusätze sind nicht frei erfunden, sondern einerseits aus der biblischen Überlieferung, andererseits aus der Lebenswelt der Autoren übernommen und insofern theologisch auf­ schlußreich und kulturhistorisch gehaltvoll. Die Passionsberichte erinnern an ein mittelalterliches Simultangemälde. So wie dort zeitlich nacheinan­ der erfolgte Begebenheiten räumlich nebeneinander dargestellt und zu ei­ nem künstlerischen Ganzen vereint sind, so verarbeiten die Evangelien Motive unterschiedlicher Herkunft zu einem Panorama, das in histori­ scher Absicht aufgelöst werden muß und aufgelöst werden kann, als Zeug­ nis der Religions- und Geistesgeschichte jedoch nur unzerteilt zur Gel­ tung kommt. Als literarische Meisterwerke der Weltliteratur wollen die Passionsberichte als ganze gelesen werden. Wie die Kriegsknechte über den Leibrock, so soll es auch gegenüber dem Text heißen: Lasset uns den nicht zerteilen!

ii.

Ort

und

Zeit der Passion

Konzil von Konstantinopel 381 Rufinus

Heroen der Griechen Örtlichkeiten der Passion

Gethsemane; Höhlen

Prätorium Helenas Kreuzauffindung

Todesjahr 30 n. Chr. Auferstehung am Sonntag

Kreuzigung am 14. Nisan

Passah-Mahl

Ostern

Ostertermin griechisch

a. Pilatus im Credo b. c. Ignatius von Antiochia d. e. Augustinus f. g. historische Personen im NT h. i. Bethanien jk. Haus des Hohen Priesters l. m. Golgatha ungesichert n. o. Zahl der Passah-Feste Pq. Kreuzigung am Freitag r. s. Passah am Sabbat t. u. am 7. April v. w. Passah-Lamm x. y. Ostertermin lateinisch z.

Ein Zweifler ist unbeständig auf allen seinen Wegen. Jakobus

a. Drei Personen werden im Glaubensbekenntnis genannt; Jesus, der Heiland, Maria, die ihm das Leben geschenkt, und Pilatus, der es ihm ge­ nommen hat. Letzteres überrascht. Wäre nicht Petrus oder Paulus eher zu erwarten? Die Verwunderung darüber spiegelt sich in der Redensart: „Wie kommt Pilatus ins Credo?“ Damit kennzeichnen wir eine müßige Frage. Warum eigentlich? Vielleicht steht dahinter einerseits das Erstaunen, daß diesem römischen Verwaltungsbeamten ein solch prominenter Platz im Bewußtsein der Christenheit eingeräumt wurde, und andererseits die Ge­ wißheit, daß sich diese Frage nicht beantworten läßt. So unerklärlich, wie es scheint, ist das aber doch nicht. Warum und wann Pilatus ins Credo ge­ kommen ist, läßt sich durchaus beantworten. b. Das christliche Glaubensbekenntnis hat eine lange und verschlungene Geschichte. Im Jahre 325 n. Chr. war dies das große Thema auf dem von Constantin einberufenen ersten ökumenischen Konzil im bithynischen Nicaea, gegenüber Konstantinopel, seiner künftigen Hauptstadt am Bos­ porus. Konzilsakten sind nicht erhalten, jedoch mehrere antike Berichte. Versammelt hatten sich dort 300 Bischöfe aus der griechischen Welt, nur sieben Lateiner waren gekommen. Das am 19. Juni von ihnen anerkannte Credo wird in der lateinischen Version bei Hilarius vpn Poitiers, gestorben 367, überliefert (Denzinger Nr. 125). Die Kreuzigung wird erwähnt, der Name des Pilatus aber fehlt. Das 374 formulierte Bekenntnis des Epiphanios von Salamis (auf Cypern) in seinem »Ancoratus« (119, 3 ff) übergeht Pilatus ebenfalls. Er taucht jedoch auf in der Neuformulierung des Bekenntnisses auf dem von Theodosius 381 veranstalteten zweiten Reichskonzil zu Konstantino­ pel in dem »Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum«, dem Großen Credo (Denzinger Nr. 150). Hier und seitdem heißt es „gekreuzigt unter Pontius Pilatus“, gültig in der katholischen, orthodoxen und evangeli­ schen Kirche. Die Abschlußsitzung der versammelten Väter fand statt am 9. Juli 381. Am 30. Juli sanktionierte der Kaiser durch Gesetz die neudefi­ nierte Rechtgläubigkeit, indem er die Bischöfe benannte, die darüber zu wachen hätten (CTh. XVI 1, 3). Als Verfasser des Credos wird von dem Kirchenhistoriker Nikephoros Kallistos (XII 13) der kappadokische Kir­ chenvater Gregor von Nyssa bezeichnet. Demnach hätte er Pontius Pila­

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tus ins Credo gebracht. Vielleicht müßte man sagen „wieder ins Credo ge­ bracht“. c. Denn es gibt sehr viel ältere Traditionen, bei denen allein unklar ist, ob der Begriff „Credo“ oder korrekt regula fidei angemessen ist. Der nach der Überlieferung unter Trajan (98-117) in Rom den Zirkusbestien vorgewor­ fene Bischof Ignatius von Antiochia erwähnt in drei Lehrbriefen, dem an die Magnesier (11,1), an die Trallianer (9,1) und an die Smyrnäer (1,2) bekenntnishafte Aussagen über die Kreuzigung „unter Pontius Pilatus“, die zwar noch nicht zu festen Formeln erstarrt sind, aber den Inhalt des späte­ ren Glaubensbekenntnisses in den wesentlichen Punkten vorwegnehmen. Die älteste Erwähnung begegnet im 1. Timotheus-Brief (6, 13), der dem Apostel Paulus zugeschrieben wird, aber mit den übrigen Pastoralbriefen vermutlich erst Ende des 1. Jahrhunderts verfaßt wurde. Es heißt dort: „Ich gebiete dir im Angesicht Gottes, der alles lebendig macht, und Jesu Christi, der unter (oder vor epi) Pontius Pilatus das gute Zeugnis abgelegt hat, daß du das Gebot haltest...“ Pilatus bezeichnet damit, gemäß dem Doppelsinn von epi, Ort und Zeit des Selbstopfers Jesu. d. In der lateinischen Tradition des Glaubensbekenntnisses findet sich die älteste Nennung des Pilatus um 175 bei Irenäus von Lyon (Gegen die Häresien II 32, 4), um 200 bei Tertullian (Über die Verschleierung der Jungfrauen 1, 3) und um 215 n. Chr. bei Hippolytus von Rom (Denzinger Nr. 10). Aus der altrömischen Überlieferung, dem sogenannten »Romanum«, ist die Formel, wie die Textvergleiche gelehrt haben, in das Be­ kenntnis von 381 gelangt (Staats 1996, S. 168 f). Genannt wird Pilatus so­ dann um 390 bei Ambrosius von Mailand (Denzinger Nr. 13) und um 400 n. Chr. bei Tyrannius Rufinus aus Concordia bei Aquileia. Der zeitweise in der Nähe des heiligen Hieronymus auf dem Ölberg lebende Mönch und Gelehrte überliefert das sogenannte Apostolische Glaubensbekenntnis, das der Sage nach auf die Taufliturgie der Apostel in Jerusalem zurückgeht. Rufinus kommentiert das Credo zugleich, nimmt aber zu der Frage, wie Pilatus ins Credo kommt, nicht Stellung (PL. 21, S. 335 ff). Merkwürdig! Über keinen Text der Weltliteratur ist so lange, so erbittert gestritten wor­ den wie über das christliche Glaubensbekenntnis. Jedes Wort ist hundert­ mal auf die Goldwaage gelegt worden - aber die Nennung des Pilatus wurde nie zum Problem und allseits akzeptiert. Die Erklärung liegt auf der Hand. Pilatus war der außenstehende Zeuge, das Gütesiegel der historischen Authentizität der Kreuzigung, das nie­ mand anzutasten wagte. Es war gedacht für die Zweifler, die sehen wollten, bevor sie glaubten, für die Noch-Nicht-Christen, denen man ein hartes, durch Ort und Zeit fixiertes Faktum darbieten wollte. Und doch hat, von den Christen unbemerkt, der Satz eine verwundbare Stelle: die Präposi­ tion. Es heißt: gekreuzigt unter oder vor Pilatus, griechisch epi, lateinisch

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sub\ es heißt niemals: gekreuzigt durch oder auf Befehl von Pilatus, grie­ chisch apo, lateinisch ab oder per, wie wir bei Tacitus (Ann. XV 44) lesen: per (!) procuratorem Pontium Pilatum supplicio adfectus. Das bedeutet: Pi­ latus war Herr und Zeuge des Verfahrens, aber nicht unbedingt der Schul­ dige, denn das waren gemäß den Evangelisten die Juden. In der äthiopi­ schen Kirche, die Pilatus als Heiligen verehrt (s. u. 13 o), heißt es nur „ge­ kreuzigt in den Tagen (!) des Pontius Pilatus (Denzinger Nr. 63). e. Die Aufnahme des Pilatus ins christliche Credo ergibt und erklärt sich aus dem Verhältnis dieser Religion zur Geschichte. Bereits Augustinus hat das an zwei Stellen betont. In seiner Schrift »De fide et symbolo« (5,11) le­ sen wir: addendum enim erat iudids nomen propter temporum cognitionem - „hinzuzufügen (zum Glaubensbekenntnis) war nämlich des Rich­ ters Name zur Bezeichnung des Zeitpunktes“. In seiner 214. Predigt (§ 7) heißt es: additur autem „sub Pontio Pilato" sive unde colligatur temporis veritas, sive unde Christi plus commendetur humilitas, quod sub homine iudice sit tanta perpessus, qui iudex vivorum et mortuorum est cum potestate venturus. „Hinzugefügt wird aber ,unter Pontius Pilatus', sei es, um die wahre Zeit mitzuteilen, sei es um Christi Erniedrigung deutlicher zu machen, da er unter einem menschlichen Richter solches erduldet hat, er, der als Richter der Lebendigen und der Toten mit Macht erscheinen wird“. f Das Christentum legitimiert sich durch Geschichte. Kein anderer anti­ ker Glaube besitzt eine gleich enge Bindung an historische Überlieferung. Gewiß stecken auch in den Heroen der Griechen Erinnerungen an ein­ zelne Gestalten und Ereignisse, doch ist die bei Diodor (VI1,1 ff) überlie­ ferte Lehre des Euhemeros von Messene aus der Zeit um 300 v. Chr., daß auch die griechischen Götter einstmals bedeutende Menschen gewesen seien, schwerlich zutreffend. Für den Teilnehmer am Kult von Athena oder Zeus war deren mögliche Historizität herzlich belanglos. Anders beim Judentum. Es lebte aus seiner Erinnerung an geschichtliche Begeben­ heiten. Indes sind nicht nur der Durchzug durch das Rote Meer, der bren­ nende Dornbusch und die Begegnung von Moses mit dem Herrn auf dem Sinai der bloß geglaubten und erzählten Geschichte, das heißt, dem My­ thos zuzurechnen. g. Die Heilstatsachen des christlichen Glaubens sind hingegen großen­ teils historisch, das heißt Geschehnisse, die an bestimmten Orten zu be­ stimmten Zeiten stattgefunden haben und von wirklichen Menschen erlebt wurden. Zahlreiche Personen des Neuen Testaments sind außerbiblisch bezeugt und historisch gesichert: die Kaiser Augustus und Tiberius, die Legaten Quirinius, Sergius Paulus und Gallio, die Procuratoren Felix und Festus, die Idumäer Herodes der Große, Archelaus, Philippus, Herodes Antipas, Salome und Agrippa II, die Hohen Priester Hannas und Kaiphas, Johannes der Täufer und Judas von Gamala. Als einer für alle steht im

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Credo der am Heilsgeschehen wie kein andrer beteiligte Praefectus Iudaeae Pilatus. Er ist das von keinem Zweifler zu sprengende Band zwi­ schen Glaube und Geschichte, zwischen dem Neuen und dem Alten Aion, zwischen Civitas Dei und Civitas Terrena: der Anker in dieser Welt. Mit ihm wird das Glaubensbekenntnis selbst beglaubigt. h. Aus dem Bedürfnis, das Evangelium historisch zu dokumentieren, er­ klären sich ebenso die Orts- und Zeitangaben. Die von Jesus besuchten Gegenden lassen sich recht genau bestimmen (s.o. 9q). Ebenso werden die Örtlichkeiten seiner Passion jeweils so angegeben, daß ein zeitgenössi­ scher Leser, der sich in Jerusalem auskannte, wußte, wo sich das Erzählte abspielte. Dieses Wissen ist jedoch in den ersten Jahrhunderten der Urkir­ che weitgehend verloren gegangen: Jerusalem hatte seit Beginn des jüdi­ schen Krieges 66 n. Chr. keine christliche Gemeinde mehr. Nach der Er­ oberung 70 n. Chr. richtete sich in den Trümmern der Stadt die zehnte Le­ gion mit dem Beinamen Fretensis ein. Als sich unter Constantin wieder eine Christengemeinde in Jerusalem bildete, kam es zu Ortsbestimmun­ gen, die zwar für das mittelalterliche Pilgerwesen außerordentlich bedeut­ sam geworden sind, moderner Kritik hingegen vielfach nicht standhalten. i. Die Orte Bethanien und Bethphage, über die Jesus Jerusalem er­ reichte, sind im Osten der Stadt verläßlich lokalisiert. Bethanien lag etwa 3 km vor den Mauern an der Straße nach Jericho, hier lebten Lazarus, die Schwestern Martha und Maria sowie der aussätzige Simon. In der Spätan­ tike wurde ein Felsgrab mit Lazarus verbunden, von einer byzantinischen Lazarus-Kirche sind Reste erhalten. Bethphage lag etwas abseits zwischen Jerusalem und Bethanien. Demnach dürfte Jesus durch das Goldene Tor in die Stadt eingezogen sein. Während der Kreuzritterherrschaft wiederholte der Patriarch von Jerusalem am Palmsonntag hier den Einzug des Herrn. j. Hinreichend genau beschrieben ist sodann der Garten Gethsemane zwischen dem Bach Kidron und dem Ölberg, ebenfalls im Osten. Der Name „Gethsemane“ leitet sich von dem aramäischen Wort für Ölkelter ab. Da Jesus hier zu übernachten pflegte, dürfte das Grundstück einem sei­ ner Anhänger gehört haben. Seit der Spätantike wird im Garten das Antrum Agoniae, die Höhle der Angst oder die „Verratsgrotte“ gezeigt, wo Jesus geschlafen haben und verhaftet worden sein soll. Diese Überliefe­ rung entspricht der Legendentendenz, sakral relevante Ereignisse in Höh­ len zu verlegen. Daß diese Neigung stärker war als der Klartext der Bibel, erlebt der Besucher Bethlehems, wenn er in die „Geburtsgrotte“ hinab­ steigt. Im Text des Evangelisten Matthäus (2,11) wird Jesus in einem Haus (pikia) geboren, bei Lukas (2, 7) liegt er in einer Krippe, das heißt einem Stall. Die Höhlengeburt wird um 200 n. Chr. im Jacobus-Evangelium er­ zählt (s.o. 9 e). Bevor Constantin um 325 die Ecclesia Nativitatis über der Grotte errichtete, barg sie ein Adonisheiligtum. Auch die Himmelfahrts­

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Kirche auf dem Ölberg erhob sich über einer heiligen Höhle, so Euseb in seiner Biographie Constantins (III 41). In Nazareth wurde die 1969 voll­ endete Verkündigungskirche über der „Verkündigungsgrotte“ errichtet, auch die dort gezeigte „Küche der heiligen Jungfrau“ ist eine Grotte. Schließlich hat Mohammed seine Himmelfahrt von einer Höhle aus ange­ treten: von der antiken Zisterne unter dem Felsendom auf dem Jerusale­ mer Tempelberg. Wie er auf seiner Lieblingsstute El-Burak durch das Brunnenloch gekommen ist, konnte mir der Cicerone vor Ort am 17. Ja­ nuar 1961 nicht erklären. Als der Felsen gemeinsam mit dem Propheten hinauf ins Paradies fliegen wollte, hielt der Engel Gabriel die Hand auf ihn, ihren Abdruck bekam ich noch zu sehen. k. Das erste Verhör durch das Synhedrion fand nach Markus (14,54) statt im Hause des Hohen Priesters. Dies kann die Quaderhalle (s.o. 4 h) nicht gewesen sein, weil sie im Tempelbezirk lag, der nachts geschlossen wurde. Josephus (Bellum XII 17, 6) erwähnt das „Haus des Hohen Prie­ sters Ananias“, das in der westlichen Oberstadt, südlich des Herodes-Palastes, gestanden haben muß, wie der Bericht über die Zerstörung 66 n. Chr. dartut. Die genaue Lage ist indessen unbekannt. l. Die Verurteilung Jesu durch Pilatus erfolgte nach den Evangelisten vor dem Prätorium, dem „Richthaus“ bei Luther. Sie verwenden dafür das gräzisierte praitdrion (Mt. 27,27). Die Lokalisierung war lange umstritten. In der Spätantike suchte man es im Tal des Tyropoion, zwischen den beiden Stadthügeln nördlich der Siloah-Teiche, wo ein nach Pilatus benanntes Heiligtum stand. Die Kreuzritter dachten an den Berg Zion. In der Folge­ zeit gab man der Festung Antonia den Vorzug, wo ein mit Kalksteinplat­ ten belegter Innenhof aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. freigelegt wurde. Ihn verband man mit dem bei Johannes (19,13) erwähnten lithostroton, aramä­ isch Gabbatha, wo sich vor dem Tribunal des Statthalters die Juden ver­ sammelten. Daß Pilatus im Freien urteilte, berichtet Johannes prozeßtech­ nisch zutreffend. Trotz der Suggestion, den der Ort noch auf den heutigen Besucher ausübt, ist die Lokalisierung unrichtig. Mit Platten waren alle besseren Höfe einer römischen Stadt belegt, auch in Jerusalem gewiß meh­ rere. Wenn dennoch nur einer von ihnen „der Gepflasterte“ benannt wurde, so deshalb, weil er als erster Steinplatten erhalten hatte, und das ge­ schah sicher mit dem Platz vor dem Herodespalast im Westteil der Stadt. Entscheidende Gründe sprechen gegen die Antonia und für eine Szene­ rie vor dem Palast. Der Begriff praetorium wird generell für den Palast ei­ nes ehemaligen Königs verwendet, so für den von Syrakus bei Cicero (Ge­ gen Verres II 5, 30) und für den in Caesarea gemäß der Apostelgeschichte (23, 35). Daß der Procurator von Judäa, wenn er in Jerusalem war, im He­ rodespalast residierte und auf dem Platz davor Gericht hielt, zeigt das Bei­ spiel des Florus bei Josephus (Bellum II 14, 8). Philo (Legatio 306) nennt

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den Palast geradezu „Haus des Statthalters“, so daß hier der Ort des Ur­ teils gesucht werden muß. Mithin lag das Prätorium nahe beim Hause des Hohen Priesters. Hat Pilatus Jesus vor dem Herodespalast verurteilt, so verliert auch die vielbepilgerte Via Dolorosa von der Antonia zur Grabes­ kirche ihren Sinn. m. Die Lage von Golgatha ist ungewiß. Der Name „Schädelstätte“ ver­ weist auf eine baumlose Kuppe; der Ort lag vor der Stadt, außerhalb der zweiten von Josephus (Bellum V 4, 1 f) erwähnten Mauer. Deren Verlauf ist unklar. Seit constantinischer Zeit wird Golgatha an der Stelle der heuti­ gen Grabeskirche angenommen, die der Kaiser 325 im Norden der Stadt, innerhalb des um 42 n. Chr. von Herodes Agrippa I erweiterten Mauer­ rings errichten ließ. In Erinnerung an die Auferstehung heißt sie auch Anastasis. Wie die Geburtskirche in Bethlehem so steht sie über einem paganen Heiligtum, über einem unter oder nach Hadrian errichteten VenusTempel. Derartige Übergründungen heidnischer Kultorte durch christli­ che Anlagen bewahrten die Heiligkeit des Ortes über den Glaubenswech­ sel hinweg und sind hundertfach belegt. Um der Ortswahl das Anstößige zu nehmen, behauptet Euseb in seiner Vita Constantini (III 26), die Hei­ den hätten zuvor dasselbe getan, um den Christen den Platz zu entweihen. Derartiges ist jedoch aus heidnischer Religionspolitik unbekannt und dient nur der Begründung für die im übrigen ungesicherte Wahl des Plat­ zes. Die dort befindlichen jüdischen Gräber waren vermutlich der Anlaß, auch die Grabanlage des Joseph von Arimathia hier zu suchen. Nach Jo­ hannes (14, 41) lag das Grab in einem Garten an der Stätte, wo Jesus ge­ kreuzigt ward. Richtplatz und Nekropole liegen auch in der Geschichte der Matrone von Ephesus bei Petron (§111) nahe beieinander. n. Die Identifizierung von Golgatha ist mit der Legende um den titulus crucis verflochten (s.o. 10u). Um 327 bereiste Helena, die Mutter Constan­ tins, das Heilige Land, wie uns Euseb in seiner Lebensbeschreibung des Kaisers (III 42) mitteilt. Er verfaßte sie unmittelbar nach dem Tode Con­ stantins 337. Die Kaisermutter habe dort viel Gutes getan und Kirchen er­ richtet. In seiner Totenrede auf den 395 gestorbenen frommen Kaiser Theodosius sodann behauptet der Bischof Ambrosius von Mailand (43 ff), Helena habe damals auf wunderbare Weise die Kreuze Jesu und der beiden Schächer gefunden. Der titulus (s.o. 10u) habe noch daran gehangen. Da die älteren Berichte, darunter auch der des Pilgers von Bordeaux, der um 333 Jerusalem besuchte, von der Kreuzauffindung schweigen, handelt es sich um eine spätere Legende. Um 380 will die Pilgerin Egeria den origina­ len titulus in der Grabeskirche zu Jerusalem gesehen haben. Von der Ver­ ehrung des Kreuzholzes ist, unabhängig von Helena, seit der Jahrhundert­ mitte die Rede, so bei Kyrillos von Jerusalem (PG. 33, S. 470), der bemerkt, die ganze Welt sei bereits mit Splittern des Kreuzes erfüllt, nachdem das

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Bild 15. Titulus-Reliquie aus Santa Croce in Gerusalemme, Rom. Nach Paul L. Maier 1996. Die Form Nazarenous in der griechischen Version stimmt nicht mit der korrek­ ten, bei Johannes 19, 19 überlieferten Form überein und ist aus dem Lateinischen übernommen. Dies ist ein Indiz für die Unechtheit der Reliquie.

Kreuz unter Constantin gefunden worden sei (Drijvers 1992, S. 81 ff). Diese Überlieferung begründet die damals erst einsetzende Bedeutung des Kreuzes für die christliche Symbolik. Darstellungen des Gekreuzigten in der Kunst kennen wir erst aus dem 5. Jahrhundert. Im Jahre 1492 entdeckte man in Rom hinter einem Mosaik der Kirche Santa Croce in Gerusalemme einen bleiernen Kasten mit der Aufschrift Titvlvs Crvcis, dreifach versiegelt, unter anderem von einem Priester der Kirche, Gherardo Caccianemici aus Bologna, der als Lucius II im Jahre 1144 den Stuhl Petri bestieg. Die Inschrift steht auf einem Brett und ist auch im Griechischen und Lateinischen linksläufig, zeigt byzantinische Buchstabenformen und weist in der griechischen Zeile einen nur aus dem Lateinischen erklärbaren Formfehler auf (P. L. Mayer 1996) . Somit ist auch diese, am 29. Juli 1496 von Papst Alexander VI anerkannte Reliquie pia frans! - ein Dokument der Frömmigkeitsgeschichte. o. Schwieriger als die Topographie ist die Chronologie der Passion Jesu zu rekonstruieren. Die Annahme der Dauer seines öffentlichen Wirkens hängt ab von der Zahl der Passah-Feste in den Evangelien, zu denen Jesus nach Jerusalem gepilgert ist. Bei den Synoptikern folgt auf die Verhaftung des Täufers und den Beginn der Predigt ein Frühling, in dem Jesus Ähren raufte und damit den Sabbat schändete (Mk. 2, 23), im nächsten Frühjahr das Passah-Fest, an dem Jesus starb, so daß nicht viel mehr als ein Jahr für die Predigt Jesu anzusetzen wäre. Dagegen läßt sich nach der Chronologie des Evangelisten Johannes, der drei Passah-Feste erwähnt, eine Lehrzeit von zwei Jahren und einigen Monaten errechnen. Mehrere Besuche Jesu in Jerusalem unterstellt das Gerichtswort bei Matthäus (23, 37): „Jerusalem, Jerusalem, die du die Propheten tötest und steinigst jene, die zu dir gesandt sind, wie oft habe ich versucht, deine Kinder zu sammeln wie eine Vogel­ mutter im Nest unter ihren Flügeln!“ Obschon Johannes eine spätere, ei­

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genständige Theologie vertritt, benutzt er zugleich ältere, den Synoptikern vorausliegende Überlieferung - so zur Familie und zum Geburtsort (s.o. 9 d, i). Seine chronologischen Angaben werden gemeinhin bevorzugt, weil sie differenzierter sind und der Predigt Jesu mehr Raum zur Entfaltung bieten. Es ist tatsächlich schwer vorstellbar, daß sein Erfolg in der kurzen Zeit eines einzigen Jahres erzielt worden sein sollte. p. Auf der Basis der johanneischen Chronologie werden in der neueren Literatur zwei Todesdaten erwogen: der 7. April 30 und der 3. April 33. Die besseren Argumente sprechen für das frühere Datum. Das Todesjahr Jesu ist aus den Passah-Festen zu bestimmen. Das erste bei Johannes (2,13) erwähnte sogenannte Nikodemus-Passah fällt in die Zeit 46 Jahre, nach­ dem Herodes mit dem Neubau des Tempels begonnen habe (2, 20). Nach Josephus (Ant. XV 11, 1) war dies der Fall im 18. Jahr seiner Regierung, das heißt, von der Einnahme Jerusalems 37 v. Chr. gerechnet, mithin 20/19 v. Chr. Zählen wir 46 Jahre weiter, so kommen wir auf 27/28 n. Chr. Johan­ nes der Täufer war damals noch nicht inhaftiert (Joh. 3, 23 f). Das erste Passah-Fest fällt demnach auf 28 n. Chr. Lassen wir das 15. Jahr des Tibe­ rius bei Lukas (s.o. 9 m) nach syrischer Rechnung mit dem 1. Oktober 27 oder nach römischer mit dem 1. Januar 28 beginnen, so kann Jesus damals bereits getauft gewesen sein. Das zweite, sogenannte BrotvermehrungsPassah bei Johannes (6, 4) wäre dann ins Jahr 29, das dritte, nach dem Be­ such des Laubhüttenfestes (7,10) das Todespassah (11, 55; 12,1; 13,1), ins Jahr 30 n. Chr. zu datieren. Vorausgesetzt ist dabei, daß ein anderes, bei Jo­ hannes (5, 1) erwähntes Fest nicht als weiteres Passah anzunehmen, son­ dern mit dem Brotvermehrungs-Passah gleichzusetzen oder als Pfingstfest zu verstehen ist. Diese Chronologie ist nicht zwingend, aber stimmt zu den Quellenangaben. q. Der Wochentag, an dem Jesus gekreuzigt wurde, war nach allen Evan­ gelisten ein Freitag, so bei Markus (15, 43), Matthäus (27, 62), Lukas (23, 54) und Johannes (19, 14). Die griechische Bezeichnung paraskeué wird von Luther mit „Rüsttag“ wiedergegeben, es ist der Tag der Vorbereitung auf den Sabbat, wie Markus und Lukas eigens hervorheben. Josephus (Ant. XVI 6, 2) bestätigt das. Auch Matthäus meint dies, denn am Tage nach dem Rüsttage, an dem Jesus starb, wird das Grab bewacht (27, 62). Dies war demnach Sabbat, und am Morgen danach, am „ersten Tage der Woche“, war das Grab leer (28,1), das war demgemäß der Sonntag. Diese letztere Tagesangabe bietet die Gewähr dafür, daß wir die Bezeichnungen „Rüsttag“ und „Sabbat“ im normalen Sinn als Wochentag verstehen dür­ fen. Der Begriff „Sabbat“ steht nämlich bisweilen schlicht für „Fest“ (3. Mose 16, 31; 23, 32 u. 39), so daß er grundsätzlich auch hier einfach „Pas­ sah“ bedeuten könnte und der „Rüsttag“ sich dann darauf bezöge. In die­ sem Falle besäßen wir keinerlei Anhalt für eine Bestimmung des Wochen­

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tages. Sie wird erst verläßlich durch die Nennung des „ersten Tages der Woche“. r. Die Auferstehung am dritten Tage, das heißt, wie gezeigt, am Sonntag, ist eine sehr alte Überlieferung, schon Paulus bezeugt sie im ersten Korin­ therbrief (15,4) und verbindet sie mit Weissagungen aus dem Alten Testa­ ment. Gemeint ist Hosea (6, 2): „Er macht uns lebendig nach zwei Tagen und wird uns am dritten Tage aufrichten, daß wir vor ihm leben werden“, vielleicht ebenfalls Jesajas Wort zum König Hiskia: „Siehe ich will dich ge­ sund machen - am dritten Tage wirst du hinauf in das Haus des Herrn ge­ hen“ (2. Könige 20, 5). Auch die Evangelisten sprechen davon. Markus (8, 31) berichtet, Jesus habe seine Auferstehung „nach drei Tagen“ vorausge­ sagt. In der bei Matthäus (12,39 ff) angeführten Parallele zu Jonas im Wal­ fisch sind es „drei Tage und drei Nächte“. Letzteres stimmt freilich nicht zur Chronologie, da zwischen Freitag und Sonntag nur zwei Nächte lie­ gen. Nach der inklusiven Zählweise der Antike ist nur die Formulierung „am dritten Tage“ korrekt. s. In diese Tagesfolge läßt sich das Todespassah einordnen. Johannes spricht nicht vom Rüsttag vor Sabbat, sondern vom „Rüsttag vor Passah“, so daß dieses Fest im Todesjahr Jesu zufällig auf einen Sabbat, das heißt ei­ nen Samstag gefallen sein müßte. Dazu stimmt die bei Markus (14, 2) be­ zeugte Absicht der Hohen Priester und Schriftgelehrten, Jesus nicht erst am Fest zu fangen und zu töten, „daß nicht ein Aufruhr im Volke ent­ stehe“. Da die Kreuzigung für den Freitag angegeben ist, fällt die Gefan­ gennahme auf den Donnerstagabend, so wie es die Chronologie der Evan­ gelisten erfordert. Nur bei Johannes stimmt die Tagesfolge. Sie wurde in der christlichen Liturgie historisch zutreffend festgeschrieben. Bei Justinus Martyr (Apologia 167) in der Zeit Marc Aurels heißt es: „Am Sonntag (Solis qui dicitur die) feiern wir Gottesdienst, weil Jesus an diesem Tage auferstanden ist. Am Tage vor dem dies Satumi wurde er gekreuzigt, am Tage danach, am dies Solis, erschien er seinen Jüngern“. t. Bekannt ist der Monatstag des Passah-Festes. Nach dem Leviticus (23, 6) wurde es stets am 15. Nisan gefeiert, beginnend nach Sonnenuntergang des 14. Nisan. Dies ist der Frühlingsmonat des babylonischen Kalenders, der bei den Juden seit dem Exil in Gebrauch war. Er gliedert sich in zwölf Mond-Monate, deren jeder mit dem Neulicht, der nach dem Neumond wieder erscheinenden zunehmenden Sichel am westlichen Abendhimmel begann. Entsprechend der Dauer des Mondumlaufs wechselte die Monats­ länge zwischen 29 und 30 Tagen. Als Jahresanfang galt der 1. Nisan nach der Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche, wie aus Eusebs Kirchengeschichte (VII 32, 14 ff) hervorgeht. Die nach den zwölf Monaten bis zur nächsten Vollendung des Sonnenjahres fehlenden elf Tage wurden in unregelmäßi­ gen Abständen dem letzten Monat Adar angehängt. Die Kalenderhoheit

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lag, wie im alten Rom beim pontifex maximus, der Feste halber in der Amtsgewalt des Hohen Priesters. u. Eine gewisse Unsicherheit bei der Synchronisierung des Nisan mit unserem julianischen Kalender liegt darin, daß die Sichtbarkeit des Neu­ lichts vom Wetter abhing. Gehen wir von der durchaus plausiblen An­ nahme eines klaren Himmels aus, so läßt sich, wie der Berliner Astronom Karl Schoch 1928 gezeigt hat, das Kreuzigungsdatum berechnen. Der erste Frühlingsneumond fiel 30 n. Chr. in Jerusalem auf den Abend des 22. März, die Sichel erschien wieder am Himmel am 24. März nach Sonnenun­ tergang, so daß der 25. März der 1. Nisan war. Der 14. Nisan war demge­ mäß der 7. April, der von den Evangelisten bezeugte Freitag. Den Erinne­ rungen an dieses Datum in der altkirchlichen Festpraxis ist 1960 August Strobel nachgegangen, dessen theologische wie kalendergeschichtliche Be­ weisführung die auch von Blinzler übernommene These von Schoch stüt­ zen. v. Ein Problem verbleibt: daß den Synoptikern zufolge Jesus das Abendessen vor seiner Gefangennahme als Passah-Mahl begangen hat. „Und die Jünger taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und bereiteten das Osterlamm“, so schreibt Matthäus (26, 19 par.). Dieses Mahl aber wurde nach jüdischem Brauch am Vorabend des Festes, das war 30 n. Chr. der Freitagabend, begangen. Das widerspricht den Angaben, daß Jesus am Rüsttage gekreuzigt wurde, und hätte zur Folge, daß die Hinrichtung am Sabbat, am Passah-Fest stattgefunden hätte. Ein solche Maßnahme wäre eine unnütze Provokation der Juden gewesen, denen zuliebe Pilatus doch Jesus verurteilt hatte. Sie hätte fraglos Proteste ausgelöst und einen literari­ schen Niederschlag gefunden. Darum ist die Überlieferung bei Johannes (13, 21 ff) vorzuziehen, bei der das letzte Essen mit den Jüngern, bei dem Jesus verraten ward, kein Passah-Mahl war, sondern schon am Donnerstag stattgefunden hat. Wiederum scheint Johannes eine ältere Tradition zu be­ wahren. Beeinträchtigt wird diese Lösung dadurch, daß gleichzeitig mit der Kreuzigung am Freitag die Passah-Lämmer für das Abendmahl ge­ schlachtet wurden, so daß diese zeitliche Parallele johanneischer Theologie zuliebe konstruiert sein könnte, um Jesus als das wahre Lamm Gottes, am Stamme des Kreuzes unschuldig geschlachtet, zu erweisen. Dieses Zusam­ menfallen könnte darum aus einer Zusammenlegung entstanden sein. w. Diese These wird jedoch geschwächt durch die Tatsache, daß Johan­ nes selbst auf diese Gleichzeitigkeit nicht verweist, von der theologischen Bedeutung mithin keinen Gebrauch macht, während die Synoptiker dies mit ihrer Chronologie tun. Sie haben durch die Datierung auf den Freitag das letzte Mahl zu einem Passah-Mahl aufgewertet und damit dem neben der Taufe wichtigsten Sakrament der Urgemeinde, der Eucharistie, eine hi­ storische Grundlage geschaffen. Daß bei ihnen und nicht bei Johannes die

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theologisch motivierte Abänderung vorliegt, ergibt sich somit nicht allein aus der Unwahrscheinlichkeit einer Kreuzigung während des Festes, eineKonsequenz, die bei den Synoptikern nicht bemerkt wurde oder in Kauf genommen ist. Daß aus dem letzten Gelage ein Passah-Mahl geworden ist, diente dem Apostel Paulus (1. Kor. 11, 23 ff) zur theologischen Aufwer­ tung im Sinne einer Selbstinterpretation der Kreuzigung durch Jesus, der sich selbst als Passah-Lamm zum Opfer bringt: „Dies ist mein Leib...“. x. Ostern ist das älteste, vermutlich schon im frühen 2. Jahrhundert n. Chr. begangene Fest der Christenheit. Wenn es auch nicht so volkstüm­ lich ist wie Weihnachten, so ist es doch liturgisch in allen christlichen Kir­ chen das höhere, damit das höchste Fest. An das Todespassah Jesu erinnert der Name des Festes in vielen europäischen Sprachen: neugriechisch pascha, rumänisch pascal, italienisch pasqua, französisch pdques, portugie­ sisch pdschoa, während im Spanischen pascua nicht nur Ostern, sondern auch Fest überhaupt bedeutet, so daß felices pascuas auch „frohe Weih­ nachten“ heißt. Das deutsche Wort Ostern, wie Weihnachten ein Plural, geht zurück auf eine westgermanische Bezeichnung. Beda Venerabilis ver­ merkt in seiner Schrift »De temporum ratione« (13): eosturmonath, qui nuncpascalis mensis interpretatur, quondam a dea illorum, quäe Eostre vocabatur - „Ostermonat, der jetzt in peuchalis mensis übersetzt wird, wurde einst nach einer (heidnischen) Göttin Eostre benannt“, der man früher ein Freudenfest feierte. Die später daraus abgeleitete Göttin Ostara wurde schon von Jakob Grimm in Frage gestellt. Den Namen verbindet er mit ei­ nem Wort für „Morgenröte“, lateinisch aurora, griechisch heös, verwandt mit „Ostern“, das dem durch Karl den Großen eingeführten Ostermanoth für April zugrunde liegt. Die Wörter „Karfreitag“ und „Karwoche“ hän­ gen zusammen mit einer Bezeichnung für Sorge und Kummer. y. Das Osterfest wurde von einem Teil der Christen, den sogenannten Quartodecimanern, noch in der Spätantike am 14. Nisan gefeiert. Um aber Gleichzeitigkeit mit dem jüdischen Passahfest zu vermeiden, wurde 325 auf dem Konzil von Nicäa der heute in der katholischen wie evangelischen Tradition gültige Ostertermin auf den ersten Sonntag nach Frühlingsvoll­ mond, das heißt auf den Auferstehungstag verlegt. Als Zeitpunkt der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche, bestimmte 525 n. Chr. Dionysius Exiguus, der Schöpfer der christlichen Zeitrechnung (s.o. 9n), den 21. März Null-Uhr. Insofern geht unser Ostertermin über das Todespassah Jesu und den damals gebräuchlichen jüdischen Festkalender zurück auf die babylo­ nische Gefangenschaft, von der die heimkehrenden Juden diesen Kalender aus Mesopotamien mitgebracht haben. z. Der in der lateinischen Tradition gültige Ostertermin, der abweicht von dem der orthodoxen Kirche in Griechenland und Rußland, beruht auf der Kalenderreform von Papst Gregor XIII 1582. Er verbesserte den Julia­

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nischen Kalender, dessen Schaltzyklen hinter der Zeit zurückgeblieben waren, indem er auf den 4. Oktober 1582 den 15. Oktober folgen ließ, mit­ hin 10 Tage aus dem Kalender herausnahm. Diese Änderung hat sich in Europa nur sehr langsam durchgesetzt, zuletzt in Rußland, wo sie erst 1918 von den Sowjets eingeführt wurde. Die orthodoxe Kirche übernahm sie 1923, bewahrte indes ihre alte Festtradition, indem sie die gregoriani­ sche Differenz von inzwischen 13 Tagen ignoriert, und berechnet den gül­ tigen Vollmond für den Meridian von Jerusalem. Die deutschen Protestan­ ten hatten zwar den Gregorianischen Kalender bereits im Jahre 1700 aner­ kannt, der damit verbundene Ostertermin aber wurde erst auf Antrag Friedrichs des Großen vom 13. Dezember 1775 von den protestantischen Ständen der katholischen Sitte angeglichen. So verlor der Ostertermin in Deutschland seinen konfessionellen Charakter zugunsten eines christli­ chen Volksfestes.

i2. Von Golgatha nach Masada a. Erhebung der Samaritaner Beschwerde bei Vitellius b. c. Marcellus ersetzt Pilatus Stephanus, Damaskus d. e. Vitellius in Jerusalem Caligula und „Marullus“ f. g. Agrippa in Alexandria 38 Caligula-Statuen in Jerusalem? h. i. Claudius an die Alexandriner Chrestus in Rom )■ k. Agrippa I als König Prokuratoren Fadus und Alexander l. m. Cumanus-Unruhen Samaritaner bei Quadratus n. o. Prokuratoren Felix und Festus Leben und Tod des Paulus Pq. Jakobus Justus Prokuratoren Albinus und Florus, Nero r. s. Aufstand in Jerusalem 66 Pogrome t. u. Vespasian vor Jerusalem 70 Titus erobert die Stadt v. w. Masada Tragödie x. y. Pilatus als Mensch Evangelien tendenziös? z.

Berge will ich kahl und Hügel öde machen. Verdorren soll das Gras auf ihnen! Jesaja

a. „Rom gegen Judäa, Judäa gegen Rom: es gab bisher kein größeres Er­ eignis als diesen Kampf, diese Fragestellung, diesen todfeindlichen Wider­ spruch“. Nietzsche (IIS. 795) sieht hier den Zusammenstoß zweier Moral­ systeme, die polar auseinanderliegen und dennoch, jedes auf seine Weise, den Anspruch auf das Ganze erheben: auf „das Heil und die Zukunft des Menschengeschlechts“. Weltlicher gegen geistlichen Universalismus, beide Male im Glauben, dem göttlichen Willen gemäß die Geschichte zu been­ den und zu vollenden. Der Konflikt war unausweichlich, weil beide Mächte ihr Prinzip nicht rein durchgehalten haben. Die Römer als Vertre­ ter der weltlichen Macht forderten auch religiösen Respekt, die Juden als die geistlichen Wegweiser der Menschheit hofften zugleich auf eine politi­ sche Erneuerung. Von beiden Seiten fehlte es trotzdem nicht an Versuchen, den Streit zu vermeiden, den anderen in seiner Sonderrolle anzuerkennen. Dies lehrt auch das Ende des Pilatus. b. Pilatus stürzte über einen Konflikt mit den Samaritanern. Sie erwarte­ ten den Taheb (s.o. 41), den von Gott erweckten Propheten (5. Mose 18,15 ff), der die von Moses vergrabenen heiligen Gefäße finden und das Volk er­ lösen werde. Ein solcher, nach Josephus (Ant. XVIII 85) „falscher Pro­ phet“ erhob sich im Jahre 36. Dieser Mann, „der sich aus Lügen nichts machte und dem jedes Wort recht war, um die Volksgunst zu erringen,“ wiegelte die Samaritaner auf und wollte mit ihnen den heiligen Berg Garizim besteigen. Die Menge erschien in Waffen, offenbar auf den Endkampf vorbereitet, sammelte sich in dem Dorf Tirabatha oder Tirathana (heute Tire) und wurde immer größer. Da versperrte ihnen Pilatus den Aufgang zum Berge mit Reiterei und schwerbewaffneten Fußkämpfern. Es kam zu einer regelrechten Schlacht, die viele Tote forderte. Die Anführer unter den Gefangenen ließ Pilatus hinrichten. Ob der „falsche Prophet“ selbst darunter war, wird nicht berichtet. Wenn er entkam, könnte er identisch sein mit Dositheos Samaritanus, der als neuer Moses gegen Simon Magus aufgetreten ist und viel Anhang unter den Samaritanern fand (s.o. 8 p). Daraufhin schickte der Rat (die boule) der Samaritaner eine Beschwerde an den Konsular Lucius Vitellius, den Vater des späteren gleichnamigen Kaisers. Vitellius der seit 35 Statthalter in Syrien war und in Antiochia resi­ dierte, regierte den Orient als legatus Augusti pro praetore mit nahezu kai-

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serlichen Vollmachten, wie Tacitus (Annalen VI 32) bemerkt. Ein solches, mehrere Provinzen übergreifendes Kommando war zwar ungewöhnlich, kam in Krisenzeiten aber auch sonst vor, denken wir an die Stellung des Germanicus unter Tiberius am Rhein oder an die des Avidius Cassius un­ ter Marc Aurel im Osten. Die angesichts der Parthergefahr militärisch la­ bile Situation erforderte eine zentrale Führung. c. Die Samaritaner erschienen vor Vitellius und beteuerten, keinen Auf­ stand gegen Rom verschuldet zu haben, sondern auf der Flucht vor Pilatus nach Tirathana gekommen zu sein. Das klingt nicht sehr überzeugend. Warum sollte er sie verfolgt haben? Daß Pilatus im Verhalten der Samarita­ ner eine Gefahr erblicken konnte, bestätigt ein Vorgang aus dem Jüdischen Krieg. Wiederum besetzten bewaffnete Samaritaner den Berg. Cerealis, der Feldherr Vespasians, forderte sie auf, die Waffen niederzulegen und den Berg zu verlassen. Die Samaritaner weigerten sich, die Römer stürmten und Tausende fanden den Tod, so am 15. Juli 67 (Josephus, Bellum III 7, 32)-, Vitellius nahm die Klage ernst. Er schickte seinen Freund Marcellus nach Caesarea mit dem Auftrag, zwischenzeitlich die Präfektur bis zur Entscheidung des Kaisers zu übernehmen. Pilatus wurde anscheinend ohne Verhör suspendiert und mußte sich nach Rom begeben, um sich vor Tiberius zu verantworten. Als Pilatus dort eintraf, war der Kaiser eine Weile zuvor, am 16. März 37, gestorben, so schreibt Josephus (Ant. XVIII 4, 2). Die Einzelheiten der Rückreise sind unklar. Da die Amtsenthebung stattfand, ehe die Todesnachricht Syrien erreicht hatte, vermutlich im Win­ ter 36/37, dürfte Pilatus den Landweg genommen haben. Wie lange er un­ terwegs war, wissen wir nicht, die Reise kann drei Monate in Anspruch ge­ nommen haben. Da ebenfalls unbekannt ist, wie lange nach dem Tod des Kaisers Pilatus in Rom eingetroffen ist, können wir nicht sagen, ob er An­ fang 37 oder Ende 36 abgesetzt worden ist. Mit der Rückkehr nach Rom enden die verläßlichen Nachrichten über Pilatus. d. In die Amtszeit des unbestätigten Marcellus als Verwalter Judäas fal­ len möglicherweise der anderweitig kaum zu datierende Tod des Stepha­ nus, des ersten Märtyrers, und die wenig spätere Bekehrung des Paulus, die in der Forschung überwiegend bereits um 33 n. Chr. angenommen wird, ohne daß darüber Einigkeit bestünde (s. u. 12 p). Für eine späte Da­ tierung in die Zeit nach Pilatus könnte man noch auf die judenchristliche Tradition verweisen, daß Stephanus sieben Jahre nach dem Tode Jesu ge­ storben sei. Nun das Geschehen: In der christlichen Gemeinde zu Jerusa­ lem war Unfriede entstanden. Die Heidenchristen glaubten, daß ihre Wit­ wen bei der Armenfürsorge gegenüber den Judenchristen benachteiligt würden. Auf den Rat der Apostel hin wählten die Christen darum sieben Diakone, das heißt Helfer für den Tischdienst, unter ihnen Stephanus. Der

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Name läßt auf einen griechisch sprechenden Christen schließen. „Stepha­ nus aber voll Gnade und Kraft, tat Wunder und große Zeichen unter dem Volk“. Gegen seine Predigt wandten sich nun griechisch sprechende Juden und verklagten ihn beim Hohen Rat, weil er - wie Jesus - wider das mosaische Gesetz und den Tempeldienst gesprochen habe. Die Apostelgeschichte (Kap. 6-8), unsere einzige Quelle, bringt eine - fraglos unhistorische lange Rede des Stephanus vor dem Sanhedrin, in der er Jesus als Messias verkündet. Die Juden „schrien aber laut und hielten ihre Ohren zu und stürmten einmütig auf ihn ein, stießen ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn“. Sollte der Tod des ersten Märtyrers noch in die Statthalterzeit des Pi­ latus fallen, so wäre auch das kein Grund, an der Gerichtshoheit des Prä­ fekten in Kapitalsachen zu rütteln. Er saß in Caesarea, hat von dem Vorfall möglicherweise nichts erfahren; wenn aber, hätte er seinen alten Freund Kaiphas oder den Sanhedrin zur Rechenschaft ziehen müssen. Daran hatte er gewiß kein politisches Interesse. Und da die Christen keine Anklage er­ hoben, blieb der Fall ungesühnt. Die Christen waren offenbar in Jerusalem geduldet, solange sie nicht predigten. Das vom Hohen Rat verhängte Lehrverbot haben sie jedoch übertreten (Apg. 4, 18). Nach dem Tode des Stephanus kamen die Köpfe der Gemeinde ins Gefängnis, andere zogen aus und verkündeten Christus. Paulus aber „hatte Wohlgefallen am Tode des Stephanus und wütete wider die Gemeinde“, heißt es in der Apostelgeschichte (8,1). Haupt der Verfol­ gung war Kaiphas, wie die pseudoclementinischen Rekognitionen (71, 4) erzählen. Er schickte Paulus zur Unterdrückung der christlichen Abfallbe­ wegung nach Damaskus. Auf Paulus aber hatte Stephanus Eindruck ge­ macht. Durchaus treffend heißt es bei (Pseudo-)Augustinus: si Stephanus non orasset, ecclesia Paulum non haberet (PL. 39, S. 2147): Hätte Stepha­ nus nicht gebetet, hätte die Kirche keinen Paulus. Dieser „schnaubte noch mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn“, erlebte dann aber vor Damaskus seine Bekehrung und wurde der Organisator der jungen Gemeinde. In die Zeit zuvor, gemäß der Apostelgeschichte sogar ins Jahr der Kreu­ zigung, fällt das dort berichtete Pfingstwunder (Apg. 2). Die aus dem ge­ samten hellenisierten Osten und aus Rom versammelten Wallfahrer verste­ hen überraschenderweise die Predigt des Petrus. Da er nicht in sechzehn Sprachen zugleich gesprochen haben kann, dürfte der Grund für die Ver­ stellbarkeit darin liegen, daß er vom Aramäischen zum Griechischen über­ gegangen ist, zur Sprache von Stephanus und Paulus. e. Nach der Abreise des Pilatus erschien Vitellius im Frühjahr 37 in Ju­ däa. Der Grund war ein Konflikt zwischen Herodes Antipas und dem Nabatäerfürsten Aretas IV in Petra. Antipas hatte ein Tochter von ihm zur

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Frau, die er der Herodias zuliebe zurückgeschickt hatte. Daraus entstand ein Krieg, Antipas schien zu verlieren. Vitellius kam ihm zu Hilfe und zog auf seinem Marsch nach Jerusalem, wo ihm die Juden während des Passah­ festes 37 einen glänzenden Empfang bereiteten. Er gab ihnen die in der Antonia-Festung aufbewahrten heiligen Priestergewänder zurück und ge­ währte ihnen nach Josephus (Ant. XVIII 4, 3) weitere, auch finanzielle Vergünstigungen. Seine Truppen hatte er, der anstößigen Feldzeichen hal­ ber, einen Umweg nehmen lassen. Für unsere Thematik ist es bedeutsam, daß Vitellius damals den Hohen Priester Kaiphas absetzte. Er wurde nach einer ungewöhnlich langen Amtszeit von 18 Jahren in den Sturz des Pilatus hineingezogen, und das bestätigt den Eindruck, daß zwischen beiden guten Beziehungen bestan­ den hatten. So wie beim Bau der Wasserleitung zu vermuten war (s.o. 6v), dürfte Kaiphas mit Pilatus wiederum einig gewesen sein, als dieser gegen die den Juden so verhaßten Samaritaner vorging (s.o. 12 a). Damit könnte die Hinrichtung Jesu, so wie die Evangelisten berichten, tatsächlich eine Gefälligkeit des Pilatus gegen die Obersten der Juden gewesen sein. f. Die Nachricht vom Tod des Tiberius rief Vitellius auf seinen Posten in Antiochia zurück. Die Thronbesteigung des Gaius am 18. März 37 aber hatte für die Juden im Osten fatale Folgen. Gaius war ein Sohn des Germanicus, mithin ein Großneffe des Tiberius, und hatte während seiner Kind­ heit am Niederrhein von den Soldaten den Spitznamen Caligula, das Stiefelchen, erhalten. Zwar genoß er zunächst die Zuneigung des Volkes, nicht zuletzt wegen seiner Liebe zum Theaterwesen, doch entpuppte er sich bald als schwacher Charakter, der seinen Launen frönte und dem Caesarenwahn erlag; Was mit der jüdischen Präfektur geschah, ist unklar. Pilatus wurde nicht rehabilitiert (s. u. 13 c). Auf der Stelle des Marcellus erscheint bei Josephus ein „Marullus“. Dies dürfte - so auch Bond 1998 - eine Ver­ schreibung für denselbe Mann sein, denn keiner von beiden wird als Prä­ fekt oder Prokurator bezeichnet, Josephus (Ant. XVIII 4,2) nennt den Marcellus epimeletes (Kommissar, Verwalter), den „Marullus“ hingegen hipparchos (Reitergeneral, XVIII 6,10). Beide Titel vertragen sich, wenn wir letzteren als den normalen Offiziersrang eines praefectus equitum, er­ steren als die spezielle Funktion des Mannes in Caesarea verstehen. Seltsa­ merweise spielt er in den anschließenden Unruhen keine Rolle. Sie hängen mit einer der ersten Handlungen des neuen Kaisers zusammen: mit der Freilassung des Julius Agrippa. g. Dieser Herodes-Enkel - in der Apostelgeschichte (12, 1) heißt er selbst ebenfalls Herodes - war 36 n. Chr. nach Rom gekommen und hatte sich mit Caligula angefreundet, dessen lockeren Lebenswandel er teilte, war jedoch aufgrund einer Majestätsbeleidigung von Tiberius inhaftiert worden. Caligula befreite ihn, verlieh ihm den Königstitel, wie Josephus

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(l.c.) erzählt, und erweiterte seine Herrschaft um die Ländereien des ver­ storbenen Ethnarchen Philippus östlich vom See Genezareth. Im Jahre 39 sodann erhielt Agrippa I zudem das Gebiet von Herodes Antipas, der nach Lyon verbannt wurde. Auf dem Heimweg von Rom nach Judäa besuchte Agrippa im Juli 38 Alexandria. Die dortigen Juden empfingen den Günst­ ling des Kaisers mit allem Pomp. Dies reizte die Griechen. Die alten, von Philo (Legatio 120) wie von Josephus (Bellum II 18, 9) bezeugten Span­ nungen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen entluden sich in Aus­ schreitungen, die in einem Blutbad unter den Juden endeten. Die Rädels­ führer der Griechen und Avillius Flaccus, der Präfekt von Ägypten, der um die Kaisergunst bangte, suchten Caligula dadurch zu beschwichtigen, daß sie befahlen, in den Synagogen Kaiserbilder aufzustellen, ja den Sabbat abschafften und die Wohnungen der Juden auf eines der fünf Quartiere der Stadt beschränkten. Am Geburtstag des Kaisers am 31. August 38 wurden viele Juden im Theater von Alexandria zur Volksbelustigung, wie Philo bitter vermerkt, gepeitscht und gekreuzigt. Darauf schickte die Gemeinde im Winter 39/40 eine Beschwerdegesandtschaft nach Rom. Ihr Anführer war Philo selbst, dessen Bericht über die Reise (Legatio ad Gaium) unsere ausführlichste Quelle ist. Der Kaiser ließ sich indes nicht zu einer Bestra­ fung der Alexandriner bewegen. Vielmehr fand er Gefallen an den ihm er­ wiesenen Ehren, glaubte er bisweilen doch, tatsächlich ein Gott zu sein. h. Im Sommer 40 befahl Caligula, wie Josephus (Bellum II 10) meldet und Tacitus (Hist. V 19) bestätigt, dem neu ernannten Legaten von Syrien Publius Petronius, mit seinen Legionen nach Jerusalem zu marschieren und sein Bild auch dort im Tempel aufzustellen. Caligula sah sich in die­ sem Zusammenhang als „lebender, sichtbarer Juppiter“, nutzte mithin ei­ nerseits die Gleichsetzung Jahwes mit dem römischen Götterkönig (s.o. 4y) und andererseits das mythische Rollenspiel, jene seit Alexander be­ liebte Identifikation von Herrschern mit Heroen und Göttern, mit deren Attributen sie sich auf Kunstwerken oder auch leibhaftig präsentierten eine unentwirrbare Mischung aus Religiosität und Hybris. Die Aufstel­ lung von Herrscherbildern neben Götterstatuen in der Cella von Tempeln, wo aus dem Sterblichen ein synnaos theos, ein „göttlicher Mitbewohner des Heiligtums“ wurde, war eine Maßnahme, die in der griechisch-römi­ schen Welt sonst nirgends auf Widerstand stieß. Diese Aktion des hem­ mungslosen Kaisers zeigt, wie maßvoll doch die Politik des Pilatus im Umgang mit der jüdischen Bilderfeindlichkeit gewesen war. Die Reaktion war wie zu erwarten. Massendemonstrationen ließen Pe­ tronius zögern. Die Juden zogen ihm mit Frauen und Kindern entgegen, während er mit zwei Legionen und Hilfstruppen in Ptolemais/Akkon stand, und erklärten, eher gäben sie ihr Leben hin, als die Verletzung ihrer Sitte zu dulden. Josephus (Bellum II 10, 4) berichtet wie im Fall der Stan­

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darten des Pilatus von einem passiven Widerstand, der zum Erfolg führte. Petronius zögerte. Gemäß dem ausführlicheren Rapport in den Antiquitates (XVIII 8, 7 f), begab sich Agrippa selbst wieder zum Kaiser und er­ reichte tatsächlich die Rücknahme des Befehls. Den Statthalter indessen hätte beinahe das Todesurteil wegen Ungehorsams getroffen, es war be­ reits ausgefertigt, wäre Caligula nicht am 24. Januar 41 einer Palastver­ schwörung zum Opfer gefallen. i. Nachfolger wurde Claudius, der Onkel des Kaisers. Er wird von Sueton und Dio als verschrobener Gelehrter, aber gutmütiger Charakter ge­ schildert. In Alexandria hatten die Juden auf die Nachricht vom Tode Caligulas hin die Griechen überfallen, Militär schritt ein. Griechische Klagen in Rom gegen Agrippa blieben ohne Erfolg, die Gesandten wurden hinge­ richtet und starben als „Märtyrer“ des Griechentums. Im November schrieb Claudius an die Alexandriner. Das von Josephus (Ant. XIX 5,2) im Wortlaut überliefert Edikt bestätigte den Juden ihre religiösen und politi­ schen Privilegien, wies aber ihre weitergehenden Forderungen ab. Über die Spannungen zwischen den Juden und den Griechen in Alexan­ dria besitzen wir eine seltsame Quellensammlung, die sogenannten „heid­ nischen Märtyrer-Akten“ (Musurillo 1954). Es handelt sich um fragmenta­ risch erhaltene Papyri aus Ägypten, von unbekannten Griechen der frühen und hohen Kaiserzeit verfaßt, eine Art rom- und judenfeindlicher Unter­ grundliteratur. Die Texte geben sich als Verhandlungsprotokolle am Kai­ serhof, wo sich Vertreter der Griechen aus Alexandria über die Untaten der Juden beschweren, aber von den Kaisern, die angeblich ganz unter jü­ dischem Einfluß stehen, abgewiesen werden. Der Protest der Griechen wird vom Kaiser als Majestätsverbrechen gewertet und mit dem Tode be­ straft. Ein Zentralstück ist die Beschwerde bei Claudius. Das Problem reicht zurück bis auf Augustus. Dieser hatte nach der Einnahme Alexan­ drias 30 v. Chr. den Griechen die Selbstverwaltung genommen und alle Be­ fugnisse dem praefectus Aegypti übertragen. Die Juden jedoch, die ihn ge­ gen ihre Königin Kleopatra unterstützt hatten, waren mit einer eigenen boule, einer Ratskörperschaft belohnt worden. Eine solche Hintanstellung konnte die griechische Mehrheit nicht verwinden. j. Zum Problem wurden die Juden nun auch in Rom. Die dort seit der späten Republik bezeugte Gemeinde, auch früher schon zur Turbulenz neigend, hatte sich erheblich vergrößert, so daß Claudius 49 n. Chr., wie Dio (LX 6, 6) überliefert, ein Versammlungsverbot erließ. Nach der Claudius-Vita Suetons (25) verfügte er sogar eine Ausweisung der Juden aus Rom, weil sie unter ihrem Anführer Chrestos ständig Unruhe stifteten impulsore Chresto assidue tumultuantes. Schon in der Spätantike wurde dies als Mißverständnis gedeutet. Der Kirchenvater Orosius machte in sei­ nem Geschichtswerk »Adversum Paganos« (VII 6,15) aus Chrestus „Chri­

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stus“ und erklärte die Unruhen durch die spirituelle Präsenz von Christus, so daß eigentlich die Christen ausgewiesen worden wären. Da aber Chrestos - „der Brauchbare“ ein geläufiger Sklavenname ist, müssen wir an dem Bericht Suetons festhalten. Gleichwohl könnten die römischen Chri­ sten mit unter das Verbot gefallen sein. Bei einem von Claudius aus Rom vertriebenen Juden fand Paulus, wie die Apostelgeschichte (18,2) überlie­ fert, Aufnahme in Korinth. k. Um die Verantwortung für Judäa loszuwerden, überließ Claudius bei seiner Regierungsübernahme 41 n. Chr. das gesamte Gebiet Herodes des Großen unter Einschluß von Judäa und Samaria seinem Enkel Herodes Agrippa I, jenem leichtlebigen Freund des Caligula. Den Juden zu Gefal­ len, so schreibt die Apostelgeschichte (12,2 f), ließ der neue Herrr um Ostern 44 den Jünger Jakobus Zebedäi köpfen, setzte Petrus gefangen und peinigte die Gemeinde. Die Grenzen seiner Macht erfuhr Agrippa, als ihm der Kaiser auf einen Bericht des syrischen Legaten Marsus hin untersagte, die begonnene Verstärkung der Mauern Jerusalems fortzusetzen, wie Josephus (Ant. XIX 7,2) berichtet. Als der König 44 n. Chr. starb, weigerte sich Claudius, Herodes Agrippa II, den damals siebzehnjährigen in Rom le­ benden Sohn des Königs zu bestätigen. Doch blieb das Recht, den Hohen Priester zu ernennen und den Tempelschatz zu verwalten, Sache Agrippas. Er machte davon Gebrauch nach freiem Ermessen. Seit 50 n. Chr. durfte er sich König von Galiläa nennen. l. Während der Norden Palästinas weiterhin unter Klientelfürsten aus dem Hause des Herodes stand, übertrug Claudius die Verwaltung Judäas wieder römischen Statthaltern, nun mit dem Titel Procurator. Diese Ent­ scheidung erwies sich als folgenschwer. Claudius hätte wissen können, daß die Mentalitätsunterschiede zwischen den Römern und der zur Radikalität neigenden jüdischen Bevölkerung in und um Jerusalem zu neuen Konflik­ ten führen mußte. Einheimische Fürsten wären der Lage vermutlich eher gewachsen gewesen. Die ersten beiden Procuratoren, Cuspius Fadus (44 bis 46) und Tiberius Julius Alexander (46 bis 48), konnten die Ruhe noch bewahren, da die überlieferten Gebräuche, wie Josephus (Bellum II11, 6) schreibt, unangetastet blieben. Fadus besiegte den Neuen Moses Theudas (s.o. 8q) und nahm den Juden die Aufsicht über die Festgewänder des Ho­ hen Priesters, doch erreichten sie bei Claudius, daß sie nicht in der Anto­ nia, sondern im Tempel aufbewahrt wurden (Jos. Ant. XX 11,1). Alexan­ der war selbst geborener Jude, ein Neffe des Gelehrten Philo. Auch er hatte mit messianischen Unruhen zu tun (s.o. 8 q). m. Unter dem Procurator Ventidius Cumanus (48 bis 52) kam es wegen einer individuellen Provokation wieder zu einem Zusammenstoß, der die latente Spannung erkennen läßt. Damals wagte es ein römischer Soldat, von der Zinne der Antonia herab den zum Passah-Fest versammelten Ju­

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den seine blanke Kehrseite zu zeigen. Es gab einen Aufruhr, bei dem nach Josephus (Bellum II12,1) dreißigtausend Juden umgekommen sein sollen. Dennoch zeigte die römische Regierung guten Willen. Das lehrt die Hin­ richtung eines Soldaten, der eine Thorarolle zerrissen und dadurch eine Massendemonstration nach Caesarea ausgelöst hatte, so Josephus im An­ schluß an die vorige Episode. n. Ein endloser Krisenfaktor blieb Samaria. Dort war ein jüdischer Jeru­ salempilger aus Galiläa ermordet worden. Daraufhin eröffneten dessen Landsleute einen Raubzug gegen die Samaritaner, während die Ältesten der Galiläer sich beim Procurator beschwerten. Der aber hatte angeblich Wichtigeres zu tun. Darauf zogen die Gesandten nach Jerusalem, erzählten den Fall, worauf die Festgemeinde unter der Führung von Eleazar Deinäi, „dem Mörder“, mordend und brennend in Samaria einfiel (Jos. Ant. XX 6, 1). Jetzt schickte der Procurator Truppen, wurde der Eindringlinge aber nicht Herr. Die Samaritaner beschwerten sich darauf beim Legaten von Syrien, Ummidius Quadratus, der gerade in Tyrus weilte, während eine Gesandtschaft aus Jerusalem die Samaritaner beschuldigte. Der Legat be­ gab sich, wie Josephus (Bellum II 12,6) berichtet, nach Caesarea, ließ dort die in Samaria gefangenen Juden als Friedensbrecher kreuzigen und schickte 52 n. Chr. den Tribun Celer, die Vornehmsten der beiden streiten­ den Völker und den Procurator Cumanus zur Aburteilung nach Rom, so wie einst Vitellius den Präfekten Pilatus dorthin gesandt hatte. Claudius entschied zugunsten der Juden. Er ließ die drei vornehmsten Samaritaner hinrichten, strafte unter dem Einfluß seiner Frau Agrippina, die selbst wie­ der auf den kaum zufällig in Rom anwesenden jüngeren Agrippa Rück­ sicht nahm, den Procurator mit Verbannung und ließ den erwähnten Tri­ bun in Jerusalem öffentlich köpfen. o. Flavius Josephus beschreibt die Geschichte Palästinas unter dem Ein­ druck des Jüdischen Krieges. Daher werden die Fehlgriffe der kaiserlichen Verwaltung und der als Räuberunwesen charakterisierte Kleinkrieg im Lande als eine Kette wachsender Spannung vermerkt. Der neue Procurator Antonius Felix, ein Freigelassener des Claudius, amtierte von 52 bis 60. Er zerstreute die viertausend Anhänger des Ägypters, eines Endzeitpropheten (s.o. 8 r), nahm nach zwanzigjähriger Aktivität den Räuberhelden Eleazar gefangen und schickte ihn ans Kaisergericht nach Rom (s.o. 8 r). Kein Tag verging, so Josephus (Ant. XX 8, 5) ohne Hinrichtung von „Volksbetrü­ gern“. Josephus berichtet von Räuberbanden allenthalben. Sie terrorisier­ ten die Wohlhabenden, die auf griechische Weise Lebenden, die Samarita­ ner und die Sympathisanten Roms. Unter Felix ermordeten sie den ehema­ ligen Hohen Priester Jonathan, ohne daß dies - wie auch? - geahndet wor­ den wäre. Josephus (1. c.) zufolge soll der Procurator Felix, der ständigen Mahnungen Jonathans müde, Sikarier zu diesem Mord gedungen haben.

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Das klingt unwahrscheinlich, waren diese doch geschworene Feinde der Römer (s.o. 4 q), und war es doch Jonathan, der den Kaiser um die Ernen­ nung des Felix gebeten hatte (Jos. l.c.). Zwischen beiden bestand - in ver­ trauter Konstellation - eine Verbindung, darum dürfte Jonathan als Rö­ merfreund und als Repräsentant des Priesteradels getötet worden sein. Josephus läßt mit dieser Tat eine Taktik beginnen, die bis zum Kriegs­ ausbruch anhielt. Mit dem Dolch im Gewände, schreibt er, mischten sich die Sikarier unter das jüdische Volk und erstachen ihre Feinde. Selbst bei den hohen Festen, ja nicht einmal im Tempel sei man vor ihnen sicher ge­ wesen. „Darum hat auch Gott seine Hand von Jerusalem weggezogen, da er den Tempel nicht mehr als unbefleckte Wohnstätte erkannte, und hat die Römer gegen uns geschickt. Er hat das läuternde Feuer über die Stadt ge­ bracht, uns mit Weib und Kind der Sklaverei preisgegeben, damit wir durch das Unglück unsere Schuld erkennen.“ Die Procuratoren Roms wurden der Lage nicht mehr Herr, ja sie paktierten, wie Josephus ankla­ gend vermeldet, mit den Räuberhauptleuten und ließen sich bestechen. Auch auf die jüdischen Sitten achteten sie nicht. Felix reizte die Frommen, als er eine herodianische Prinzessin heiratete, die damit das jüdische Ver­ bot von Mischehen übertrat. Tacitus (Annalen XII 54) bezeichnet Felix als einen brutalen Übeltäter. Dies zeigte sich in Caesarea. Dort bestritten die Juden den hellenisierten Syrern das Bürgerrecht. Es kam zwischen ihnen zum Bürgerkrieg, bei dem Felix gegen die Juden Truppen ins Feld führte. Er sandte die Anführer der beiden Gruppen zu Nero, der aber ihn selbst 60 n. Chr. durch Porcius Festus ersetzte. p. Die Procuratoren Felix und Festus kennen wir aus der Apostelge­ schichte (24 f.). Beide hatten mit Paulus zu tun. Dieser ist uns oben im Zu­ sammenhang mit Stephanus begegnet (s.o. 12 d). Aus einer Pharisäerfami­ lie in Tarsus stammend, sprach und schrieb Paulus griechisch und benutzte das Alte Testament nicht im hebräischen Original, sondern in der griechi­ schen Übersetzung, der Septuaginta (s.o. 1 p). Paulus hatte vor Damaskus seine Bekehrung erlebt (Apg. 9). Dadurch wurde er vom Juden zum Chri­ sten, nicht aber vom Saulus zum Paulus. Beide Namen, den hebräischen wie den römischen, führte er vor und nach der Vision nebeneinander, so wie viele andere, wie Simon/Petrus, Johannes/Markus oder Matthäus/ Levi. Paulus hat auf seinen Missionsreisen nach Cypern, Kleinasien und Griechenland die dort bereits vorhandenen christlichen Gemeinden ge­ ordnet und durch seine Lehrbriefe der Verkündigung eine literarische Grundlage geliefert. Indem er sich auf die Großstädte konzentrierte und zwischen ihnen Verbindungen herstellte, schuf er jenes Netzwerk, das die Neue Lehre zur Weltreligion erhob. Auf dem sog. Apostelkonzil um 48 n. Chr. erreichte Paulus die Zustim­ mung des Petrus dafür, daß man nicht Jude werden müsse, um Christ sein

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zu können, weil die mosaischen Gesetze durch den Glauben an den Herrn überholt seien. In Antiochia, Philippi und Thessalonike verklagten die Ju­ den ihn und seine Gönner bei den städtischen Behörden wegen Aufruhr und Hochverrat (Apg. 13,50; 16,19 f; 17,6 f). Um 58 n. Chr. erregte er Un­ mut in Jerusalem, weil er den griechischen Christen Trophimus mit in den Tempel gebracht habe (s.o. 4 e). Der Procurator Festus schützte Paulus vor den Juden: „Es ist der Römer Weise nicht, daß ein Mensch übergeben werde, ihn umzubringen, ehe denn der Verklagte seine Kläger gegenwärtig habe und Raum empfange, sich auf die Anklage zu verantworten.“ Die Apostelgeschichte erzählt von den langwierigen Verhandlungen, von der abenteuerlichen Reise nach Rom und der losen Haft des Apostels dort. Über sein Ende hören wir befremdlicherweise nichts. Die nachpaulinischen Briefe an Timotheus (§1) und Titus gehen davon aus, daß Paulus freigelassen wurde. Im Römerbrief (15, 28) ist vom Plan einer Missions­ reise nach Spanien die Rede, die im apokryphen 1. Clemensbrief (5, 7) zur Tatsache geworden ist. Die Krönung seines Lebens für Christus, das Mar­ tyrium, hat ihm erst die Legende verliehen, faßbar bei Tertullian zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. in dessen Schrift gegen die Häresien (§36) und den späteren Apokryphen. Ein Grund für die Anklage wird nicht überlie­ fert, die Hinrichtung mit dem Schwert entsprach seinem Stand als civis Romanus. Die überwiegende Zahl unter den Wissenschaftlern hält das Martyrium für historisch, doch ist kein stichhaltiger Grund für das Schweigen der Apostelgeschichte vorgebracht worden. In domitianischer Zeit geschrie­ ben, mußte ihr das Ende des Apostels doch bekannt sein. Sollte sie die Krönung des Glaubenseifers ihres Helden, das sigillum vitae unterdrückt haben? Unglaublich, wenn wir an den rhetorisch fulminanten Abgang des Stephanus denken. Man geht aus von der Historizität des Martyriums, sucht nach einer Erklärung dafür, weshalb sie in der Apostelgeschichte verschwiegen wird, und findet sie dann auch: Den Befund führt man zu­ rück auf die angenommene romfreundliche Absicht des Verfassers, die man mit eben diesem Befund stützt. Ein klassischer Zirkelschluß. Er ist doppelt anstößig, weil im Fall des Martyriums der Autor, um Nero eine Schandtat zu ersparen (die er begangen hat), dem Apostel seine Ruhmeskrone vorenthalten hätte (die er verdient hat). Ein Christ verunklärt die Geschichte zu Gunsten eines Nero auf Kosten eines Paulus? Selbst wenn die Apostelgeschichte das Martyrium berichtet hätte, wäre dies historisch verdächtig, weil die Todesart, die ein Leben beendet und beglaubigt (s.o. 10 a), für einen Mann wie Paulus nur das Martyrium sein kann. Er ist nicht der einzige Glaubensheld, dem solch ein glorreiches Ende angedichtet worden ist. Die Apostelgeschichte erweckt den Eindruck, daß Paulus ein friedliches Ende gefunden hat. Ein solches eigens zu berichten, gab es kei­

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Kapitel 12

nen theologischen Anlaß; an ihm zu zweifeln, gibt es keinen historischen Grund. q. Porcius Festus war der einzige unter den römischen Verwaltern Ju­ däas, der im Amt gestorben ist. Das war 61/62 n. Chr. Das folgende Inter­ regnum nutzte der Hohe Priester Hannas, griechisch Ananos, um die Christengemeinde Jerusalems zu treffen. Sie stand damals unter der Lei­ tung des Herrenbruders Jakobus Justus, dem Nachfolger des Petrus in die­ ser Stellung. Hannas zitierte den „Bruder von Jesus, den sie Christus nen­ nen“ und einige andere vor das Synhedrion, beschuldigte sie des Gesetzes­ bruches und übergab sie zur Steinigung. Damit waren die Gesetzestreuen und Anständigen nicht einverstanden. Sie beschwerten sich, daß Ananos ohne Rücksicht auf den Statthalter gehandelt hatte, und König Agrippa II, dem die Tempelverwaltung unterstand, entließ ihn auf Befehl Roms und ersetzte ihn durch Jesus, Sohn des Damneios, so Josephus (Ant. XX 9,1). r. Die Nachfolger des Festus zeichnet Josephus (Bellum II 14,1) in fin­ stersten Farben. Glauben wir ihm, so war der 62 n. Chr. ernannte Lucceius Albinus ein Schurke und der seit 64 amtierende Gessius Florus ein Scheu­ sal. Dessen Frau war mit der Kaiserin Poppäa befreundet, die als theosebés beschrieben wird und mit den Juden sympathisierte (Jos. Ant. XX 8, 11). Während Florus in Judäa amtierte, inszenierte Nero seine - bei Josephus nicht erwähnte - Christenverfolgung. Am 19. Juli 64 war, wie Tacitus (An­ nalen XV 38 ff.) beschreibt, jener mörderische Brand ausgebrochen, der große Teile Roms vernichtete. Obwohl Nero sich bemühte, das Leid zu lindern, hielt sich das Gerücht, er habe den Brand gelegt, um Baufreiheit für seine luxuriöse Stadtvilla, die Domus Aurea, zu gewinnen. Dies glaub­ ten später auch Sueton (Nero 38) und Cassius Dio (LXII 16,1). Nero suchte den Verdacht auf die Christengemeinde abzuwälzen, die durch ihre „Schandtaten“ ohnedies verhaßt war. Es folgt das Zeugnis des Tacitus (Annalen XV 44) über die Hinrichtung Christi durch Pontius Pilatus (s.o). Der neue üble Aberglaube, den auch Sueton (Nero 16,2 superstitio nova ac maléfica) anprangert, sei aus Judäa nach Rom gelangt, wo bekanntlich alle Scheußlichkeiten der Welt Zusam­ menflüssen und bejubelt würden. Die ersten Verhafteten hätten gestanden, die späteren seien wegen ihres „Hasses auf die Menschheit“ (pdium generis humani) verurteilt worden. Dieser Vorwurf wird bei Tacitus (Historien V 5) in ganz ähnlichen Worten den Juden gemacht, er bescheinigt ihnen adversus omnes alios hostile odium, einen feindseligen Haß gegen alle ande­ ren Menschen, mit denen sie, so wie die Christen, Tisch- und Ehegemein­ schaften ablehnten. Auch wenn Neros barbarische Strafen beim Volke Mitleid weckten, bezeugt die Gesamtsituation doch ein gespanntes Ver­ hältnis zwischen den Römern auf der einen Seite, den Juden und Christen auf der anderen. Diese Spannung zeigte sich auch in Jerusalem. Zu Passah

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65 gab es eine Massendemonstration gegen Florus, woraufhin er, Neros Urteil fürchtend, den Aufstand gewünscht und planmäßig provoziert ha­ ben soll. Gemäß Josephus (Bellum II 14, 3) wollte er damit seine eigenen Untaten verdecken. s. In der Frage des Bürgerrechts von Caesarea hatte Nero im Sommer 66 zugunsten der Griechen entschieden. Diese schikanierten nun die Juden, es kam zu Straßenkämpfen. Alle Juden, die nicht flohen, wurden erschla­ gen. Florus verschärfte die Lage, indem er aus dem Tempelschatz siebzehn Talente für den Fiskus entnahm, möglicherweise als Ausgleich für Steuer­ rückstände. Es gab Tumulte in Jerusalem, der Römer setzte Truppen ein, die Opfer gingen in die Tausende. König Agrippa II, dem die Aufsicht über den Tempel und den Hohen Priester unterstand, riet zum Frieden, doch wurde er verjagt. Die Entscheidung für den Krieg fiel, als, wie Jose­ phus (Bellum II 17,2) bemerkt, die Römerfeinde das tägliche Opfer für den Kaiser im Tempel einstellten. Die gemäßigte Priesterpartei suchte den Schaden zu begrenzen, doch unterlag sie in einem siebentägigen Häuser­ kampf den Eiferern. Jerusalem rüstete gegen Rom. Die christliche Ge­ meinde, die nach der Steinigung des Stephanus, der Enthauptung des Jako­ bus Zebedäi und der Hinrichtung von Jakobus Justus durch die Juden ein Schattendasein geführt hatte, verließ Jerusalem, wie Euseb in der Kirchen­ geschichte (III 5) vermerkt, und zog nach Pella im Ostjordanland. t. Mit der schwachen römischen Besatzung in Jerusalem hatten die Ju­ den leichtes Spiel. Sie hatte auf Abzug kapituliert und wurde dabei nieder­ gemacht. Dies geschah an einem Sabbat, darum betrachtete es Josephus (Bellum II 18,1) als göttliche Vergeltung, daß zur selben Zeit die Bewohner von Caesarea ihre jüdischen Mitbürger umbrachten. Die Juden rächten sich, indem sie ein Dutzend griechisch-syrische Städte einäscherten, die umliegenden Dörfer ausmordeten und zerstörten. In den Syrerstädten brach allenthalben der Bürgerkrieg aus. Zu Zehntausenden wurden die Ju­ den erschlagen, selbst dann, wenn sie, wie in Skythopolis, bereit waren, ge­ meinsam mit den Griechen den Aufständischen entgegenzutreten. Die Po­ grome breiteten sich aus bis Alexandria und Damaskus, nur die Städte An­ tiochia, Sidon und Apamea bewahrten den inneren Frieden. u. In dieser Lage mußten die syrischen Legionen eingreifen. Gaius Cestius Gallus, der Legat von Syrien erschien mit großer Macht vor Jerusa­ lem, ein erfolgreicher Ausfall der Belagerten aber nötigte ihn im Oktober 66 zum verlustreichen Rückzug. Die Rebellen gewannen Idumäa, Samaria und Galiläa. Hier führte Josephus, damals noch ohne den Gentilnamen Flavius, den Kampf gegen die Römer, bis er nach der Eroberung von Jotapata in Gefangenschaft geriet (s.o. 5 h). Seit Frühjahr 67 führte Neros tüch­ tigster Feldherr, Titus Flavius Vespasianus, der spätere Kaiser, mit seinem gleichnamigen Sohn Titus, nach der Schätzung von Mommsen, 50000

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Kapitel 12 Bild 16. Siegesmünze (Sesterz) Vespasians nach der Niederwerfung des jüdischen Aufstands (70 n. Chr., Bronze, Rückseite). Unter einer fruchttragenden Dattel­ palme sitzt die trauernde Judäa; hinter ihr Titus in Feldherrenklei­ dung, auf den Speer gestützt, den linken Fuß auf einem Helm. Auf­ schrift (lat.): „Iudaea capta“ („nach der Eroberung Judäas“). Die Vorderseite zeigt das Bild des Kaisers im Profil. SC bedeutet „Senatus consulto“ („auf Be­ schluß des Senates geprägt). Nach Reicke/Rost.

Mann gegen die Juden. Vespasian gewann Galiläa und stand im Sommer 68 vor Jerusalem. Den Beginn der Belagerung verzögerte die Nachricht vom Tode Neros und den Wirren in Rom. Erst im Juni 69 nahm Vespasian die Kampfhandlungen wieder auf. Während dieser Zeit schwächten sich die Juden in der Stadt durch fortgesetzte Bandenkriege gegenseitig. Erst beim römischen Angriff rückten die zerstrittenen Gruppen wieder zusammen, doch nach fünf Monaten mußten sie den Widerstand aufgeben. Am 6. Tage des Monats Ab (August) 70 wurde das letzte Opfer im Tempel gebracht, dann stand er in Flammen. Die Verteidiger nahmen sich selbst das Leben, wie Cassius Dio (LXVI 6,3) überliefert. v. Schon einige Wochen vor dem absehbaren Fall von Jerusalem hatte Vespasian sich nach Rom begeben, um dort sein Kaiseramt anzutreten (s.o. 81). Die Beendigung des Krieges blieb seinem Sohn Titus überlassen, dem der letzte Herodeer, König Agrippa II, zur Seite stand. „Überdies hielt seine Schwester Berenike, eine Kleopatra im Kleinen“, so Mommsen (1885, S. 540) „mit dem Rest ihrer viel in Anspruch genommenen Reize das Herz des Bezwingers Jerusalems gefangen.“ Nach der Zerstörung der Stadt und der Versklavung der Überlebenden ging auch Titus nach Rom. Die Öffentlichkeit erfuhr den römischen Sieg durch Münzen Vespasians mit der Aufschrift Ivdaea Capta . Im Juni 71 feierte Titus mit seinem Vater den Triumph über die Juden, dessen literarische Beschreibung wir Josephus (Bellum VII 5,4 ff.) verdan­ ken. Er ist auch archäologisch dokumentiert: Die Innenseiten des Titusbogens auf dem Forum Romanum zeigen den Kronprinzen, von Victoria ge­ leitet, auf dem Wagen und gegenüber die Beute aus dem Tempel, insbeson­

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dere den siebenarmigen Leuchter. Er wurde samt den übrigen Schätzen später vermutlich in dem von Vespasian errichteten Templum Pacis aufge­ stellt, wo die berühmtesten Kunstwerke gezeigt wurden, wie der ältere Pli­ nius in seiner »Naturgeschichte« (XXXIV 84) überliefert. Die Tempelge­ räte wurden zum kleineren Teil bei der Eroberung Roms durch Alarich 410 von den Westgoten nach Gallien und Spanien mitgenommen, wie Pro­ kop (Bella V 12, 41 f) berichtet, wo sie, wie wir aus den »Gärten der Wis­ senschaft« des arabischen Universalgelehrten Al-Biruni wissen, 711 den Arabern in die Hände fielen; den größeren Teil verschleppte Geiserich 455 nach Karthago. Als Beiisar die Vandalen 534 besiegt hatte, brachte er den Tempelschatz gemäß dem Augenzeugenbericht Prokops (Bella IV 9) im Triumph nach Konstantinopel, von wo Justinian ihn als Kirchenschmuck nach Jerusalem zurücksandte. Dort wurde der Schatz 614 n. Chr. eine Beute der Perser und verschwindet aus der Geschichte. Nicht jedoch aus der Welt: Viele Male umgeschmolzen steckt das Gold in Münzen, Schmuck und Geräten, ohne daß die Besitzer es ahnen. w. Die letzten Widerstandsnester auszuräuchern, überließ Titus seinen Offizieren. Die Bergfeste Machaerus, wo Johannes der Täufer geköpft worden war (s.o. 4 s), wurde von Lucilius Bassus erobert. Flavius Silva be­ stürmte Masada, wo Eleazar, der Sohn des Judas von Gamala, ausharrte. Die kleine Schar der Verteidiger vertraute auf die Uneinnehmbarkeit des Tafelberges. Die Römer aber schütteten eine Rampe auf, so daß die Zelo­ ten keine Chance mehr hatten. Als die Legionäre die Mauer überstiegen, fanden sie Leichen. Die Verteidiger hatten sich in der letzten Nacht, am 7. Mai 73, das Leben genommen. Sieben Juden überlebten: eine alte Frau und eine Mutter mit fünf Kindern, die sich in einer unterirdischen Wasserlei­ tung versteckt hatten. Der römische Sieg war ein zweifelhaftes Ruhmesblatt, das spürten die Römer auch selbst. Während die Kaiser sich gern mit Siegerbeinamen wie Germanicus, Britannicus, Sarmaticus, Parthicus usw. schmückten, hat sich keiner einfallen lassen, sich Judaicus zu nennen. Das war degutant. Die Ju­ den wurden im übrigen nicht reichsweit als Feinde angesehen, sondern nur bekämpft, wo sie zu den Waffen griffen. Nach seinem Sieg hat Titus den Antiochenern verboten, ihre Juden zu vertreiben. x. Die Geschichte Judäas von Golgatha bis Masada ist eine der großen Tragödien der Menschheit. Tragisch nicht nur wegen des schrecklichen Endes, sondern ebenso darum, weil beide Seiten Verständnis und Tadel zu­ gleich verdienen. Bei den Juden sind bewundernswert der Freiheitswille, die Glaubensgewißheit und die Opferbereitschaft, erschreckend jedoch ihre Verblendung durch das Ideal der Theokratie und die Hoffnung auf den Messias, ohne die sie den Kampf gegen Rom kaum gewagt hätten. Bei Rom fordert Anerkennung ein zunächst aussichtsreiches, zuletzt erfolglo­

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ses Bemühen, wie im übrigen Imperium so auch hier die Pax Romana durchzusetzen. Alle jene, denen das zugute kam, erscheinen in den Berich­ ten nicht. Perioden des Glücks sind leere Blätter im Buch der Geschichte, heißt es bei Hegel. Stattdessen hören wir von Machtmißbrauch und Amtsvergehen. Sie sind weder zu verharmlosen noch zu entschuldigen, doch waren die Beschwer­ den der Betroffenen gegen den Statthalter sowohl beim Legaten in Syrien als auch beim Kaiser in Rom mehrfach erfolgreich. Das Verhalten der Griechen gegenüber den Juden war, nach dem Zeugnis von Philo und Josephus, vielfach schikanös, doch die Empfindlichkeit der Juden bewirkte auch auf ihrer Seite eine bedenkliche Bereitschaft zur Gewalt. Kam es zu Mord und Totschlag, haben beide Seiten getan, was sie konnten. Respektabel ist auf jüdischer Seite, das Unglück als selbstverschuldetes Gottesgericht zu verstehen. Ganz im Sinne des alttestamentarischen Ver­ geltungsprinzips sah Josephus die Schuld bei den rebellischen Juden (Bel­ lum VI5,4), die Römer waren ihm nur Geißeln Gottes (V 6,1). Seit Beginn der Welt sei kein Volk für seine Fehler härter gestraft worden als die Juden (I praef. 4). Diese Deutung findet sich ebenso in anderen jüdischen Quel­ len, so unter den Apokryphen zum Alten Testament im Buch Baruch (2, 26). Dagegen verrät die christliche Deutung des Falls von Jerusalem als Vergeltung für die Schuld der Juden an der Kreuzigung Jesu eine Selbstge­ rechtigkeit und Selbstüberschätzung, wie sie im Neuen Testament umge­ kehrt den Pharisäern angelastet wird. Der Schrei des Volkes vor Pilatus, „Sein Blut komme über uns und über unsre Kinder!“ (Mt. 27, 25), ist im Blick auf die zerstörte Stadt geschrieben. Verhaßt bei den Juden, verfolgt von den Römern, immer nur Opfer, fanden die Christen Trost darin, daß sie die Kreuzigung Jesu, das Selbstopfer Gottes zur Erlösung der Mensch­ heit, denen als moralische Schuld anrechneten, die das ihrige dazu getan haben: weniger dem Pontius Pilatus als Judas, Kaiphas und den Juden überhaupt. Die Bitte Jesu: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ galt ihnen nicht. y. Ein Urteil über Pilatus wird erst aus dem großen Zusammenhang der römisch-jüdischen Geschichte möglich. Wer ihn als Statthalter und Mensch beurteilen will, muß die Äußerungen über ihn auf tendenziöse Einseitigkeiten hin prüfen und sein Verhalten mit dem anderer Amtsträger abgleichen. Die beiden jüdischen Autoren Philo und Josephus, obschon keineswegs antirömisch eingestellt, betrachten Pilatus als gewalttätig und selbstherrlich, als einen Machtmenschen, der Lust daran hatte, die Juden seine Überlegenheit spüren zu lassen. So wird er geradezu als Judenfeind hingestellt. Aber daß er böswillig provozieren wollte, wie Philo und Jose­ phus behaupten, ist unbeweisbar. Selbstzeugnisse des Landpflegers, die dies stützen könnten, haben den Autoren gewiß nicht vorgelegen. Die

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überlieferten Zusammenstöße mit den Juden stellen ihn allerdings in ein ungünstiges Licht, wobei zu beachten ist, daß die Juden ungemein sensibel waren und durch ihre, von den gemeinantiken Ansichten abweichenden Vorstellungen der römischen Verwaltung mehr Widerstand entgegensetz­ ten als irgendein anderes Volk im Reich. Selbst ihren eigenen Fürsten aus dem Hasmonäerhause haben sie das Regieren sauer gemacht, denken wir an die Konflikte des Alexander Jannaeus mit den Pharisäern, Herodes des Großen mit dem Volk von Jerusalem oder später des Herodes Antipas mit Johannes dem Täufer. Fraglos hat Pilatus Härte gezeigt, die vielleicht vermeidbar gewesen wäre. Dennoch mäßigte er sie. In der Affäre mit den Goldschilden betont Philo, daß sie nichts nach dem mosaischen Gesetz Verbotenes gezeigt hät­ ten. Hier erscheinen die Juden überempfindlich. Die Standarten soll Pila­ tus nach Josephus nachts und verhüllt in die Festung gebracht haben (s.o. 6 o). Der Forderung der Juden auf Rückführung kam er nach, noch ehe ein Brief vom Kaiser vorlag. All das spricht für den Versuch des Pilatus, das Äußerste zu vermeiden. Der Streit um die Gelder für die Wasserleitung de­ monstriert einen Mentalitätskonflikt, der bei Pilatus fehlendes Feingefühl für die jüdischen Besonderheiten an den Tag legt, aber doch gutem Willen entsprang. Gegen die Demonstranten ging er mit Knüppeln vor. Diese drei, oder richtiger zwei Episoden (s.o. 6 q) ergeben für eine zehn­ jährige Amtszeit doch wahrscheinlich keine schwarze Liste! Tacitus (Hist. V 9, 2) hält die Fälle für so bedeutungslos, daß er schrieb, unter Tiberius habe in Judäa Ruhe geherrscht - sub Tiberio quies', und Velleius (II124,4) betont, der Kaiser habe die Provinzen vor Ungerechtigkeiten der Beamten bewahrt: vindicatae ab iniuriis magistratuum provinciae. Wenn Philo und Josephus den Landpfleger finsterer zeichnen, als es dessen von ihnen selbst berichtete Taten rechtfertigen, dürfen wir nach Gründen suchen: Philo geht es um den Kontrast zwischen judenfreundlichen Kaisern und ihren „judenfeindlichen“ Statthaltern; Josephus urteilt aus der Sicht des Jüdi­ schen Krieges, der durch Konflikte in den Jahren zuvor begreiflicher wird. Daß Pilatus kein Feind der Juden war, lehrt schließlich der Prozeß Jesu. Hier ist er - wenn die Evangelien auch übertreiben - den Juden weiter ent­ gegengekommen, als es sein Rechtsempfinden guthieß. Immerhin hat ihn sein politisches Urteil nicht getäuscht: die Christen haben sich über den Justizmord weder bei Vitellius in Antiochia noch beim Kaiser auf Capri beschwert. Ein Einzelfall blieb ohne Gewicht. Hunderte oft mußten un­ nötig sterben, ehe die höhere Instanz eingriff. Die Absetzung des Präfek­ ten durch den syrischen Legaten sodann bezeugt, daß die sehr viel härteren Maßnahmen gegen die Samaritaner von diesem mißbilligt wurden - eine Nachricht, die sowohl die negative wie die positive Seite der römischen Verwaltung klarlegt.

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z. Viel diskutiert ist die Frage, wieweit die Evangelisten ein zu Ungunsten der Juden tendenziöses Pilatusbild bieten. Zumal bei Lukas hat man den Eindruck, daß Pilatus entlastet werden soll. Aber auch Johannes (19,11) ist deutlich, wenn er Jesus zu Pilatus sagen läßt: „Der mich dir überantwortet hat, der hat größere Sünde“. Eine Sünde (hamartia) begeht für Johannes so­ mit auch Pilatus. Sein Charakter erscheint einerseits im negativen Sinne schwächlich, weil er dem Druck der Hohen Priester nachgibt, andererseits im positiven Sinne einsichtig, weil er die Unschuld Jesu erkennt und ihn zu schonen sucht. Beide Züge begegnen uns später im Pilatusbild der christli­ chen Tradition. Den nachgiebigen Pilatus finden wir bei Johannes Chryso­ stomos. Er kennzeichnet den Landvogt in seiner 86. Matthäus-Predigt (zu 27,19) als Feigling, bei Papst Leo dem Großen in seiner 10. Passionspredigt (PL. 54, S. 346) ist er ein Schwächling. Der einsichtige Pilatus wird von Tertullian und Euseb zum reuigen Herzens-Christen umgeformt (s. u. 13 f, g). Beide Traditionen unterstreichen die Schuld der Juden an der Kreuzigung. Nirgends fehlt es an Vorwürfen gegen die „gottlosen Juden“, die schon in den Passionsberichten nicht geschont werden. In der Regel wird das aus der frühchristlichen Judenfeindschaft erklärt. In ihr erblickt man dann die Wurzel der späteren Judenverfolgungen (Crossan 1999). Dabei übersieht man aber einerseits, daß es sich bis hin zu Paulus um Ju­ denchristen handelt, der Zwist zwischen Christen und Juden somit ein in­ nerjüdischer Zwist ist, und vergißt andererseits, daß die Handgreiflichkei­ ten von den orthodoxen Juden ausgegangen sind. Johannes berichtet von zwei Versuchen, Jesus zu steinigen, denen er entfliehen mußte (8, 59; 10, 31). Das gewaltsame Ende von Stephanus, Jakobus Zebedäi und Jakobus Justus liegen auf derselben Linie wie das Vorgehen der Hohen Priester und Schriftgelehrten gegen Jesus; die Strafaktionen des Paulus vor seiner Be­ kehrung und dann sein eigenes späteres Schicksal zeigen, daß die Juden so­ gar nach Pilatus die römische Reichsgewalt und die städtischen Behörden gegen die Christen zu Hilfe gerufen haben, während sie mit ihren anderen Sekten, mit den Essenern, mit der Qumran-Gemeinde, den Therapeuten, Zeloten und den Jüngern von Johannes dem Täufer normalerweise in Frie­ den lebten. Reibung gab es offenbar nur mit den Samaritanern und den Christen. Sie waren für die Juden ein Ärgernis. Die zwölfte Benediktion im Achtzehnbittengebet aus dem späten 1. Jahrhundert verfluchte die Christen; Justin in seinem Dialog mit Tryphon (§ 16), Epiphanius in sei­ nem Ketzerkatalog (29, 9) und Hieronymus (PL. 24, S. 86) in seinem Je­ saja-Kommentar (5, 18 f) bestätigen das. In Jerusalem beginnt die Ge­ schichte der Christenverfolgung, noch ehe sie dann unter Nero in Rom so grausige Resultate zeigte. Das Bild des Pilatus ist bei Philo und Josephus zu judenfeindlich, bei den Evangelisten zu christusfreundlich. Die Quellen zu Pilatus sind ten­

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denziös, seine Haltung ist es nicht. Um eine persönliche Voreingenom­ menheit bei ihm zu entdecken, muß man sich zu einer der beiden Überlie­ ferungen bekennen, dies aber wird der Historiker vermeiden, der wie Zeus bei Lukian (De historia 41; 49) über den Parteien stehen sollte, keinem Staat, keinem Herrscher, keinen Gesetz verpflichtet, außer dem Gebot zur Wahrheit.

13. Ende und Legende

Selbstmord?

Petrus-Evangelium Justin, Tertullian

Maximinus Daia Acta Petri et Pauli

Paradosis Pilatus enthauptet

Reue des Pilatus Martyrium Pilati Pilatus in Frankreich

in der Schweiz in Rußland in der Literatur

a. Ludus Paschalis b. c. Vergeltung d. e. Turfan-Texte f. g. Euseb h. i. Nikodemus-Evangelium )• k Text 1. m. Beschluß gegen die Juden n. o. Gamaliel-Evangelium, Äthiopien Pq. Der Tote im Brunnen r. s. Legenda Aurea t. u. in Spanien v. w. in Deutschland x. y. in der Kunst z.

Il n ’est pas de grande fondation, qui ne repose sur une légende. Le seul coupable en pareil cas, c' est l’humanité, qui veut être trompée. Renan

a. „Wir Pontius Pilatus, durch den Willen der unsterblichen Götter, der römischen Fürsten und der Autorität des Senats General-Präsident in ganz Judäa, wünschend, die vorgenannte Provinz, die unserer Treue anbefohlen ist, von Übeltätern zu reinigen, urteilen und verordnen wie folgt.“ Mit die­ sen Worten leitet der Landpfleger im römischen Passionsspiel aus der Zeit um 1500 seinen Urteilsspruch ein. Aufgeführt wurde es am Karsamstag bei Fackelschein auf der damals noch nicht auf- und ausgegrabenen Arena des Colosseums. Der Ludus Paschalis, über den uns Ferdinand Gregorovius in seinen Kleinen Schriften (III 1892, S. 177 ff) berichtet, ist die letzte Stufe der popularisierten Pilatuslegende, die schon dem Passionsspiel von Te­ gernsee aus dem 12. Jahrhundert und noch dem von Oberammergau aus dem 17. Jahrhundert zugrunde liegt. Sie haben mit ihrem judas- und ju­ denfeindlichen Akzent Erbitterung ausgelöst: Geh’ Juda und krepiere wie ein Viech, es warten alle Teufel schon auf dich.

b. Die legendäre Aus- und Umgestaltung der Pilatus-Überlieferung setzt früh ein und beherrscht zunächst die Tradition über sein Ende. Si­ chere Kunde haben wir darüber nicht. Nach Euseb (HE. II 7) hat er sich, in äußerste Bedrängnis geraten, unter Caligula das Leben genommen, nach Orosius (VII 5, 8) hat ihn der Kaiser dazu genötigt. Gewiß tat er dies, wenn überhaupt, dann nicht aus Sympathie zu den von Pilatus bedrückten Juden und Samaritanern. In seiner Chronik datiert Euseb den Selbstmord des Pilatus in multas inddens calamitates aufs Jahr 2056 nach Abraham, das heißt 39 n. Chr. und bemerkt, daß dies „die römischen Historiker“ er­ zählten. Schwerlich bezieht er sich auf das verstümmelt überlieferte fünfte Annalenbuch des Tacitus: Hätte dieser bei der Nennung des Pilatus (Ann. XV 44) nicht darauf verwiesen? c. Die Tradition vom Selbstmord des Pilatus ist insofern verdächtig, als dies aus jüdisch-christlicher Sicht eine besonders verwerfliche Todesart ist. Die Deutung ist in jedem Falle Ideologie: Euseb wie Orosius sehen darin die strafende Hand Gottes; und dies könnte das Motiv für eine Erfindung

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des gewaltsamen Endes sein. Biblischem Vergeltungsdenken zufolge ereilt die Feinde des Gottesvolkes die Strafe des Schicksals: so Nebukadnezar und Belsazar im Buch Daniel (4, 30; 5, 30); so Sejan und Flaccus bei Philo (s.o. 5 e); so bei Josephus (Gegen Apion II13) der alexandrinische und Ju­ denfeind Apion und der Präfekt Catullus, der die Juden der Kyrenaika drangsalierte. „So zeigte sich klarer als irgendwo, wie die Vorsehung Got­ tes die Bösen straft“ (Bellum VII 11, 4). Die Vorstellung blieb lebendig: auch Christenverfolger erleiden nach frühkirchlicher Anschauung immer ein erbärmliches Ende. Lactanz verfaßte darüber seine Schrift »De mortibus persecutorum. Uber die Todesarten der Verfolger«. Denkbar wäre auch eine bewußte Parallele zwischen dem Selbstmord des Pilatus und dem Ende von Judas Iskarioth, dem anderen Schuldigen am Tode Jesu. Bedenken gegen die Überlieferung vom Selbstmord gründen sich zu­ dem auf ihr spätes Datum. Vor Euseb weiß die kirchliche Tradition davon nichts. Der Christenfeind Kelsos hatte darauf hingewiesen, daß ja die gött­ liche Rache den Pilatus verschont hätte, worauf Origenes in seiner Schrift gegen Kelsos (II 34) nicht den -ihm offenbar unbekannten - Selbstmord des Landpflegers anführt, sondern die Tatsache, daß die Juden schuldig seien, nicht jener. Sowohl Philo als auch Josephus betonen regelmäßig das böse Ende der Judenfeinde - warum schreiben sie nichts vom Selbstmord des Pilatus? Schließlich ist kaum anzunehmen, daß Caligula die Vorwürfe gegen Pi­ latus schwer gewichtet hat. Wenn er den Juden abgeneigt war, dann wohl auch den Samaritanern. Sie schickten keine Beschwerdegesandtschaft nach Rom. Wie die meisten Kaiser erließ Caligula zum Herrschaftsantritt über­ dies eine Amnestie: Criminum, si quae residua ex priore tempore manebant, omnium gratiam fecit, heißt es bei Sueton (Cal. 15): „Verbrechen, die aus der vorangegangenen Regierungszeit ungesühnt übrig geblieben wa­ ren, erfuhren sämtlich Begnadigung“. In der Nero-Vita (5) gibt es ein Bei­ spiel dafür. Mithin dürfen wir annehmen, daß Pilatus unbehelligt geblie­ ben ist. Dem Gerechtigkeitsempfinden Eusebs und seiner Gewährsleute widersprach dies, darum wurde es - pia fraus -korrigiert. d. Während Pilatus in der rabbinischen Überlieferung nirgends mit Na­ men erscheint, führt die christliche Legendenbildung den im Neuen Testa­ ment schon erkennbaren Wucherungsprozeß fort. Die Evangelien haben ein bestimmtes Stadium dieses Vorgangs festgeschrieben und Stoff für seine Fortsetzung geliefert. Die Phantasie widmet sich namentlich den Randfiguren des Dramas, nicht zuletzt Pontius Pilatus. Das Maß seiner Schuld wird im Laufe der Überlieferung immer geringer, er wird zunächst heimlicher, dann offener Christ und schließlich Märtyrer. Erst im Mittelal­ ter steigt seine Schuldkurve wieder an. Die pilatusfreundliche Tendenz, von Markus zu Johannes wachsend, setzt sich fort im apokryphen Petrus-

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Kapitel 13

Evangelium (s.o. 7 u). Dort wird Jesus von den Juden gegeißelt, verspottet und auf Befehl des Herodes gekreuzigt. Pilatus läßt das Grab von seinem Centurio Petronius bewachen; Soldaten und die Ältesten der Juden wer­ den zu Zeugen der Auferstehung. Pilatus erfährt das und beteuert: „Ich bin rein am Blute des Sohnes Gottes.“ Die Erscheinung wird auf Wunsch der Ältesten durch Pilatus und seine Leute geheimgehalten. e. Die Pilatus-Tradition des Petrus-Evangeliums fand eine außerordent­ liche Verbreitung. Als auf Anregung von Sven Hedin die Preußische Aka­ demie der Wissenschaften seit 1902 Forschungsexpeditionen unter Albert Grünwald und Albert August von Le Coq nach Turfan im chinesischen Sinkiang aussandte, entdeckte sie unter zahlreichen Schriften in verlasse­ nen Höhlen einer Manichäergemeinde des 8. Jahrhunderts das »Evange­ lium des Mani« mit dieser Pilatus-Episode (HS. I6, S. 321). Die von dem Perser Mani gestiftete Religion, die auch christliche Gehalte aufgenommen hatte, war seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. im gesamten Mittelmeergebiet heimisch - selbst Augustinus gehörte ihr mehrere Jahre an - und hatte sich bis nach Mittelasien verbreitet, wo sie bei den Uiguren Staatsreligion wurde. Die heute in der Berliner Akademie der Wissenschaften liegenden Fragmente sind nur zum Teil bearbeitet und lassen noch Überraschungen erwarten. f. Zu den Motiven hinter den christlichen Pilatuslegenden tritt neben das Bestreben, den Statthalter zu entlasten, die Absicht, das Verfahren gemäß der römischen Prozeßordnung zu vervollständigen. Dazu gehören unab­ dingbar die Verhandlungsprotokolle. Von solchen berichtet zuerst um 160 Justinus Martyr (s.o. 7 a). In der ersten seiner beiden Apologien (I 35, 48) spricht er von Prozeßakten, die unter Pilatus angefertigt worden seien, und die nicht nur die Passionsberichte, sondern auch die Wunder Jesu be­ glaubigten. „Amtliche Dokumente“ kennt sodann der nordafrikanische Kirchenva­ ter Tertullian. In seinem Ende 197 verfaßten »Apologeticum«, einer an die Statthalter der Provinzen gerichteten Verteidigungsschrift für das Chri­ stentum, folgt einer kurzen Darstellung der Wunder und des Todes, der Auferstehung und der Himmelfahrt die Behauptung, Pilatus habe dies al­ les an Tiberius berichtet und sei selber bereits heimlich Christ geworden: pro sua conscientia Christianus (21, 24 ff). Und auch die Kaiser hätten, so der Kirchenvater, an Christus geglaubt, wenn Christentum und Kaisertum vereinbar oder letzteres entbehrlich gewesen wäre. Schon die Vorstufe dazu aber scheiterte. Tiberius habe nämlich aufgrund der Berichte aus Pa­ lästina beim Senat beantragt, Jesus unter die Staatsgötter aufzunehmen. Der Senat jedoch habe das wegen unzureichender Beweislage abgelehnt (5, 2). Der Kaiser sei trotzdem bei seiner Ansicht geblieben und habe den An­ klägern der Christen schwere Strafen angedroht.

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g. Euseb übernahm diese Legende in seine Kirchengeschichte (II2) und erklärte die unterbliebene Apotheose Jesu durch Rom damit, daß dessen Göttlichkeit doch nicht von dem Wohlwollen des Senats abhinge. Der viel gelesene Euseb verschaffte der Sage Verbreitung, so in den Geschichtswer­ ken bei Orosius (VII 4, 5 f) und bei Gregor von Tours (I 24), der Pilatus anachronistisch zum Manichäer machte. Folgenreich war ebenso die Deu­ tung, die Euseb (HE. II 6) der jüdischen Geschichte in der Zeit nach Pila­ tus gab. Alle Verhängnisse, die Palästina heimsuchten, selbst der Konflikt mit den Standarten (s.o. 6o), der vor der Kreuzigung stattfand, sind für den Kirchenvater göttliche Strafen für den Frevel der Juden an Jesus schließlich auch die Zerstörung Jerusalems. h. Der Brief des Pilatus an Tiberius war nicht das einzige legendäre Do­ kument seiner Art. Denn neben den christlichen Pilatus-Akten kursierten auch heidnische. Euseb berichtet (IX 5), Maximinus Daia, der letzte Chri­ stenverfolger im Osten, habe, bevor ihn Licinius 313 besiegte, solche Pseudo-Dokumente fabrizieren und in seinem ganzen Herrschaftsgebiet verbreiten lassen. Sie seien in den Städten angeschlagen und den Schulleh­ rern ausgeteilt worden, damit sie den Kindern vorgetragen und von diesen auswendig gelernt würden. Was in diesen Akten gestanden haben soll, ist schwer zu erraten. Welche Verbrechen hat Pilatus Jesus vorgeworfen? Möglicherweise handelt es sich um den Befehl zu jenen Untaten, die man den Christen stets zur Last legte: geheime Ausschweifungen, Inzest und sakralen Kannibalismus entsprechend den Herrenworten bei Johannes (6, 54 f): „Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der hat das ewige Le­ ben, und ich werde ihn am Jüngsten Tag auferwecken. Denn mein Fleisch ist die rechte Speise, und mein Blut ist der rechte Trank“. i. Die nächste Stufe bilden die Pilatus-Akten im apokryphen Nikode­ mus-Evangelium, nun wieder im christlichen Sinne. Diese in mehreren Be­ arbeitungen und Sprachen vorliegende Schrift (HS. I6, S. 395 ff) ist benannt nach dem reichen Pharisäer, der zum Sanhedrin gehörte, sich aber dennoch für die Lehre Jesu gewinnen ließ (Joh. 3,1 f; 7, 50); er stiftete Myrrhe und Aloe für die Bestattung des Gekreuzigten (19, 3). Die Schrift gibt sich als Bücherfund eines kaiserlichen Leibwächters und Rechtsgelehrten (nomomathes) namens Ananias aus der Zeit des in Byzanz regierenden Kaisers Flavius Theodosius II. Die genaueren Zeitangaben sind unvereinbar und umspannen die Jahre zwischen 424 und 443. Ein Gardist Ananias oder Aeneas ist aus der Spätantike unbekannt, sein Rang griechisch protiktör apo eparchön, lateinisch protector ex praefecto klingt ungewöhnlich, weil ein (gewesener) praefectus über einem (amtierenden) protector rangiert. Alles etwas dubios. Ananias, so lesen wir, habe den hebräischen Text ins Griechische über­ setzt. Das dient wohl nur der Beglaubigung des Fundes, so wie auch an­

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dere Pseudoschriften sich gern als Übersetzungen darstellen, denken wir an Euhemeros, Antonius Diogenes und Dictys Cretensis. Dennoch liegt den Pilatus-Akten sicher frühe Überlieferung zugrunde, im Kern dieselbe wie bei Tertullian. Die Passionsberichte werden mit juristischen Details und legendären Arabesken ausgeschmückt. Wie Jesus zu Pilatus gebracht wird und an den mit Kaiserbildern gezierten Standarten vorübergeht, da verneigen sich diese vor ihm und bezeigen ihm ihre Verehrung. Das be­ stärkt die Juden in ihrer Überzeugung, daß Jesus ein Magier sei. Er habe auch der Frau des Pilatus, die als Jüdin bezeichnet wird, den warnenden Traum gesandt. Die Juden werfen Jesus vor, ein uneheliches Kind zu sein, den Sabbat zu entheiligen und sich als Gottes Sohn und König auszuge­ ben. Nun tritt Nikodemus, der Jünger, auf und verteidigt Jesus. Nach lan­ gem Hin und Her verurteilt ihn Pilatus, gemeinsam mit den Schächern, das heißt den Räubern Dysmas rechts und Gestas links. Der erstere bereut. j. Die im Nikodemus-Evangelium erkennbare Tendenz, Pilatus auf Ko­ sten der Juden zu entlasten, wird noch deutlicher in den wenig jüngeren »Acta Petri et Pauli«. Pilatus erhält von Nikodemus und Joseph von Arimathia einen ausführlichen Zeugenbericht über die Höllen- und Himmel­ fahrt Jesu und verwahrt ihn in seinem Archiv. Dann läßt er die Schriftge­ lehrten kommen und fragt sie nach dem Datum, zu dem der Messias er­ wartet werde. Diese errechnen eine Zeit von 5500 Jahren seit der Prophe­ zeiung des Erzengels Michael an Adams Sohn Seth, die nun gerade abge­ laufen seien, bitten den Statthalter aber um Geheimhaltung. Der archiviert auch diese Kunde und schreibt einen Brief an den Hof: „Pontius Pilatus grüßt seinen Kaiser Claudius“. Wieso es hier zur Verwechslung von Tibe­ rius und Claudius kam, ist unklar - vielleicht weil beide mit vollem Na­ men Tiberius Claudius Nero hießen. k. Der Text des Briefes lautet: „Kürzlich trug sich etwas zu, was ich selbst aufgedeckt habe. Die Juden haben aus Haß über sich und ihre Nach­ kommen ein grausames Strafgericht herabgezogen. Da nämlich ihre Väter die Verheißung hatten, Gott würde ihnen seinen Heiligen vom Himmel herabsenden, der mit Recht ihr König heißen würde und den Gott seinem Versprechen gemäß ihnen durch eine Jungfrau auf die Erde schicken würde, als dieser nun unter meiner Statthalterschaft nach Judäa gekommen war und sie sahen, daß er Blinden das Augenlicht wiedergab, Aussätzige reinigte, Gelähmte heilte, böse Geister aus den Menschen austrieb, sogar Tote auferweckte, den Winden gebot, trockenen Fußes über die Wogen des Meeres wandelte und viele andere Wunder vollbrachte, und als das ganze Judenvolk ihn als Gottessohn erkannte, da wurden die Führer der Prie­ sterschaft vom Haß gegen ihn ergriffen. Sie faßten ihn und übergaben ihn mir, und Lügen über Lügen vorbringend, beschuldigten sie ihn, er sei ein Magier und übertrete ihr Gesetz. Ich aber glaubte, es sei so, ließ ihn geißeln

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und übergab ihn ihrer Willkür. Sie kreuzigten ihn und stellten Wächter an sein Grab. Er aber stand am dritten Tage, während meine Krieger Wache hielten, wieder auf. Die Juden ließen sich in ihrer Schlechtigkeit so weit fortreißen, daß sie meinen Kriegern Geld gaben und sprachen: Saget, seine Jünger hätten seinen Leichnam gestohlen. Aber obwohl diese das Geld an­ nahmen, brachten sie es nicht fertig, das Geschehene zu verschweigen. Sie bezeugten nämlich, er sei auferstanden und sie hätten es gesehen und von den Juden Geld bekommen. Dies habe ich deshalb vorgebracht, damit nicht einer den Sachverhalt falsch darstelle und du den Lügen der Juden meinst Glauben schenken zu müssen“ (HS. I6, S. 419). /. Die Pilatus-Legenden haben zumeist sein Ende zum Gegenstand. Da es hierzu keine sichere Überlieferung gab (s.o. 13 b), blieb der Phantasie freier Raum. In der ins 7. Jahrhundert datierten »Paradosis«, das heißt der „Auslieferung des Pilatus“ heißt es: „Als das Schreiben (des Pilatus) in Rom anlangte und dem Kaiser, während nicht wenige dabei standen, vor­ gelesen wurde, da entsetzten sich alle darüber, daß durch das gesetzwidrige Vorgehen des Pilatus die Finsternis und das Beben über die ganze Erde ge­ kommen war, und der Kaiser entsandte, von Zorn erfüllt, Soldaten mit dem Befehl, den Pilatus in Fesseln herzuführen. Als er nun nach Rom ge­ bracht worden war und der Kaiser hörte, daß Pilatus zur Stelle sei, da nahm er seinen Sitz im Tempel der Götter in Gegenwart des gesamten Se­ nats und des ganzen Heeres und all der Großen seines Reiches. Und er be­ fahl dem Pilatus vorzutreten und sprach zu ihm: Wie konntest du dir Der­ artiges herausnehmen, du verruchter Mensch, da du doch so gewaltige Wunder bei jenem Manne wahrnahmst? Durch dein ruchloses Vorgehen hast du die ganze Welt zugrunde gerichtet. Pilatus erwiderte: Allmächtiger Kaiser, ich bin unschuldig daran; der Anstifter und Schuldige ist das Volk der Juden. Der Kaiser fragte darauf: Wer gehört dazu? Pilatus: Herodes, Archelaus, Philippus, Hannas und Kaiphas und die ganze Masse der Ju­ den. Darauf der Kaiser: Weshalb hast du den Rat jener befolgt? Pilatus: Aufrüherisch und aufsässig ist dieses Volk; es ordnet sich deiner Herr­ schaft nicht unter. Der Kaiser erklärte darauf: Sobald sie ihn dir übergaben, mußtest du ihn in sicheren Gewahrsam nehmen und ihn zu mir senden, nicht durftest du ihnen folgen und einen solchen Mann kreuzigen lassen, der gerecht war und solche herrlichen Wunder gewirkt hatte, wie du sie in deinem Bericht erwähnt hast. Denn aus solchen Wundern ging klar hervor, daß Jesus der Christus war, der König der Juden. Als der Kaiser so sprach und den Namen Christus nannte, da fielen da, wo der Kaiser mit dem Se­ nate saß, die Götterbilder zusammen und wurden zu Staub. Alles Volk aber, das neben dem Kaiser stand, bekam das Zittern ob der Nennung des Namens und des Falles seiner Götter, und von Furcht gepackt gingen sie alle weg, ein jeder zu seinem Hause, staunend über das Geschehene. Der

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Kaiser aber befahl, den Pilatus in sicheren Gewahrsam zu halten, damit er die Wahrheit über Jesus erfahre“. m. „Am folgenden Tage“, so weiter die »Paradosis«, „hielt der Kaiser mit dem ganzen Senat eine Sitzung auf dem Kapitol ab und machte sich daran, den Pilatus zu verhören. Und es sprach der Kaiser: Sage die Wahr­ heit, Verruchter, da durch dein gottloses Verfahren gegen Jesus sich auch hier die Wirkung deiner Untat zeigte in dem Zusammenstürzen der Göt­ ter. Sage also, wer ist jener Gekreuzigte, daß sein Name alle Götter zu­ nichte machte? Pilatus antwortete: Fürwahr, seine Prozeßakten entspre­ chen der Wahrheit. Denn auch ich kam auf Grund seiner Taten zu der Überzeugung, daß er größer ist als alle Götter, die wir verehren. Darauf der Kaiser: Weshalb bist du nun mit solchem Frevelmut gegen ihn vorge­ gangen, obwohl du ihn kanntest? Damit mußt du doch meinem Reiche ei­ nen schlimmen Streich haben spielen wollen? Pilatus erwiderte: Wegen der ungesetzlichen Aufruhrneigung der gesetz- und gottlosen Juden habe ich das getan. Da beriet sich der Kaiser, vom Zorn erfüllt, mit dem Senat und seiner ganzen Streitmacht, und er ließ folgenden Beschluß gegen die Juden protokollieren: Gruß an Licianus, den Kommandanten im Orient! In der jetzigen Zeit verübten die in Jerusalem und den benachbarten Städten wohnendenJuden eine widergesetzliche Frevel tat, indem sie Pilatus zwan­ gen, den als Gott anerkannten Jesus zu kreuzigen. Ob dieses ihres Frevels wurde die Erde verdunkelt und ins Verderben gerissen. Wolle nun auf Grund dieses Beschlusses dich schleunigst mit starkem Truppenaufgebot dorthin begeben und sie zu Kriegsgefangenen machen. Gehorche und gehe gegen sie vor und mache sie zu Sklaven, indem du sie unter alle Völker ver­ streust und indem du sie aus Judäa verjagst. Mache das Volk winzig klein, so daß es nirgends mehr in die Augen fällt, da es Menschen voller Bosheit sind. Als dieser Beschluß im Orient anlangte, da befolgte Licianus den furchtbaren Befehl und vernichtete das ganze jüdische Volk, und die in Ju­ däa Übrigbleibenden verstreute er als Sklaven unter die Völker, so daß der Kaiser, als ihm das Vorgehen des Licianus gegen die Juden im Orient be­ kannt wurde, sein Gefallen daran hatte“. n. „Und wiederum verhörte der Kaiser den Pilatus und befahl einem Amtsträger mit Namen Albius, ihn zu enthaupten, indem er sprach: Wie dieser Hand anlegte an den Gerechten, der Christus genannt wurde, so soll er in gleicher Weise fallen und keine Rettung finden. Pilatus mußte also zur Richtstätte gehen und betete still: O Herr, vernichte mich nicht mit den bösen Hebräern, weil ich unter dem Zwang des gesetzlosen Judenvolkes Hand an dich legte, da sie einen Aufruhr gegen mich anzettelten. Du weißt ja, daß ich in Unkenntnis handelte. Verdamme mich also nicht ob dieser Sünde, sondern verzeihe mir, Herr, und deiner Dienerin Prokla, die in die­ ser Stunde meines Todes neben mir steht, die du auch prophezeihen lie­

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ßest, daß du ans Kreuz geschlagen werden müßtest. Verurteile wegen mei­ ner Sünde nicht auch sie, sondern sei uns gnädig und reihe uns in die Zahl deiner Gerechten ein. Und siehe, als Pilatus sein Gebet beendet hatte, da erscholl eine Stimme vom Himmel: Selig preisen werden dich alle Genera­ tionen und Stämme der Völker, weil unter deiner Statthalterschaft all das in Erfüllung ging, was die Propheten von mir geweissagt hatten. Und du selbst wirst als mein Zeuge bei meinem zweiten Kommen erscheinen, wenn ich die zwölf Stämme Israels und die, welche meinen Namen nicht gekannt haben, richten werde. Da schlug der Präfekt Pilatus das Haupt ab, und siehe, ein Engel des Herrn nahm es auf. Als seine Frau Prokla den En­ gel kommen und das Haupt aufnehmen sah, da erfüllte sie Freude, und so­ gleich gab sie ihren Geist auf und wurde mit ihrem Manne begraben“. Dies aus der »Paradosis« (HS. I6, S. 422 f). o. In diesem Text wird, wie schon angedeutet in den Evangelien und aus­ gesprochen bei Euseb (s.o. 6 z), der Jüdische Krieg als Folge der Kreuzi­ gung Jesu gewertet. Die an ihr schuldigen Juden trifft die göttliche Strafe durch die Zerstörung Jerusalems. Zugleich ist aus dem heimlichen Chri­ sten Pilatus ein offener Bekenner geworden. So war der Schritt zum heili­ gen Pilatus nicht mehr weit, wie ihn die Kirche der Kopten in Ägypten und die in Äthiopien seit dem 6. Jahrhundert verehrt. Sein Todestag ist dort der 19. oder 25. Juni (Sane); die Angaben schwanken. Als Personen­ name ist Pilatus dort bis ins 18. Jahrhundert bezeugt. Der wichtigste Text dazu ist das apokryphe Gamaliel-Evangelium. Es ist benannt nach dem aus der Apostelgeschichte bekannten Lehrer des Paulus (22,3), der sich gegen die Verfolgung der Apostel gewandt hatte (5, 34 ff) und daher in der Le­ gende bald zum Christen wurde. Der erhaltene Text ist ein koptisches Er­ bauungsbuch aus der Zeit um 500, das im 10. Jahrhundert ins Arabische und im 14. Jahrhundert aus dem Arabischen ins Äthiopische übersetzt wurde. Es ist eingefügt in eine als »Marienklage« benannte Predigt, ein frü­ hes Zeugnis der unter syrischem Einfluß in Ägypten entstandenen Marienverehrung. p. „Pilatus und seine Gattin liebten Jesum wie sich selbst“, so lesen wir in der Übersetzung des Evangeliums durch Marcus Antonius van den Oudenrijn (1959), aber von den jüdischen Massen bedrängt, gibt er nach: und läßt zu, daß die Juden und König Herodes (Antipas) Jesus kreuzigen. Letzterer fürchtet um seine Herrschaft, hat doch der Kaiser Tiberius nach einer Unterredung mit dem Apostel Johannes vorgesehen, Jesus zum Kö­ nig von Judäa zu erheben. Pilatus aber bereut sein Urteil; er gesteht dem einäugigen Hauptmann des Herodes, wie leid ihm der Tod Jesu tue, zitiert die Hohen Priester herbei und macht ihnen bittere Vorwürfe. Kaiphas be­ schuldigt den Gekreuzigten der Zauberei. „Pilatus aber erhob sich von sei­ nem Sessel, schlug ihn auf seine ausgetrocknete Haut, riß ihm den Bart von

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der Backe und gab ihm Geißelhiebe“. Pilatus befiehlt, den toten Jesus an Joseph von Arimathia auszuliefern. Jesus wird von ihm und Nikodemus beigesetzt, zwei Leute des Herodes Antipas und zwei des Hauptmannes bewachen das Grab während des Sabbats. Die Juden bieten den Kriegs­ knechten Schweigegeld, falls Jesus doch auferstünde. Auf ein Erdbeben hin fliehen die Soldaten in die Stadt. Was dann geschah, müssen wir aus den sogenannten BartholomäusFragmenten ergänzen: Um Mitternacht kommt der Gärtner Philoges an die Gruft und sieht hier zwölftausend Cherubime, zwanzigtausend Seraphime und weitere himmlische Heerscharen versammelt. Gottvater steigt vom Himmel herab und erweckt seinen Sohn. Am Sonntagmorgen, nun wieder Gamaliel, erscheint Maria - Joseph ist inzwischen gestorben - und findet das Grab leer. Da tritt Jesus zu ihr und gibt sich zu erkennen. Die Kunde verbreitet sich zu den Juden und zu Pilatus, der sie schon im Traume vorausgesehen hat: Jesus erschien ihm in übernatürlichem Glanz, forderte ihn auf, die Leichentücher zu küssen und seine Auferstehung zu verkünden. q. Es folgt die Bekehrung des Landpflegers. Pilatus verhört die Soldaten. Sie erklären, der Tote sei gestohlen worden, widersprechen einander aber im Einzelverhör. Der Statthalter begibt sich nun selbst zum Grab, ein Kuß auf das Leintuch bringt dem Hauptmann sein fehlendes Auge wieder. Die Juden erklären das für Teufelei und behaupten, der tote Jesus sei in einen Brunnen geworfen worden. Gamaliel fügt ein: „Ich aber, Gamaliel, folgte ihnen mit der Volksmenge“. Man findet einen Toten im Brunnen und holt ihn heraus, aber es ist nicht Jesus. Der Tote wird in das Grabtuch Jesu ge­ wickelt und in sein Grab gelegt. Man wälzt den Stein davor, und Pilatus betet um ein Wunder. Da ruft der Tote aus dem Grabe - es ist der Schächer zur Rechten. Pilatus befiehlt den Kriegern, auf die verleumderischen Juden einzuhauen, läßt den Palast des Hohen Priesters verwüsten und gibt ihn zur Plünderung frei. Nun schreibt Pilatus einen Brief an Herodes und berichtet ihm alles. Die Juden aber demonstrieren vor dessen Haus gegen den „Ägypter“ Pilatus. Sie bestechen Herodes Antipas mit Gold. Dieser antwortet und bittet um die Zusendung der Soldaten, damit sie die Auferstehung bezeugen. Die Ju­ den haben inzwischen den Hauptmann und den Schächer getötet, eine Lichtwolke entführt ihre Seelen. Diese erscheinen dem Pilatus und seiner Frau und prophezeien ihm das Martyrium durchs Schwert und beiden das Paradies. r. Aus demselben Uberlieferungskontext stammt das »Martyrium Pilati«, das ebenfalls Gamaliel zugeschrieben wurde. Es handelt sich um eine Heiligenlegende, die sowohl an das zuvor paraphrasierte Evangelium als auch an die älteren Pilatus-Akten anknüpft, wonach sich Tiberius zu Chri­

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stus bekannt hätte. Der Text beginnt mit einer Schilderung der Liebestätig­ keit der Christin gewordenen Procula. Die Juden wenden sich darauf an den freigelassenen Barabbas, der zum Schwager von Judas Iskarioth ge­ worden ist, und fordern ihn auf, den zu Christus bekehrten Pilatus und seine Familie umzubringen. Gamaliel aber verrät den Anschlag, und Pila­ tus gelingt es, den Mörder zu fassen. Barabbas wird nun ebenfalls, mit den Füßen nach oben, am Ostermontag auf Golgatha gekreuzigt. Die Juden wenden sich an Herodes Antipas in Galiläa, er schreibt eine Beschwerde über Pilatus, den „Zauberer“ (ursprünglich wohl „Ägypter“) an den Kai­ ser. Dieser aber hat bereits von den Wundern erfahren, befiehlt, alle Geg­ ner Jesu in Jerusalem zu enthaupten und ihre Leichen an der Stadtmauer aufzuhängen. Zugleich schickt er den Legaten Petronius nach Jerusalem, um Pilatus zur Rechenschaft zu ziehen. Inzwischen aber ist Herodes mit Heeresmacht erschienen, hat Pilatus und seine Familie, Nikodemus und Joseph von Arimathia festgenommen. Pilatus muß sich vor Herodes und Petronius verantworten, weil er Jesus ohne kaiserlichen Befehl getötet hat, wird gegeißelt, unter dem Jubel der Juden durch die Stadt geschleift und ins Gefängnis geworfen. Durch eine hohe Bestechungssumme erwirken die Juden vom Legaten die Einwilli­ gung, Pilatus zu kreuzigen. Diesem ist Jesus erschienen und hat ihm einen Tod in Rom verheißen. Die Juden hängen Pilatus mit Stricken an das Kreuz Jesu, das sie zuvor vergebens mit Feuer verbrennen wollten, setzen ihm die Dornenkrone auf und verspotten ihn. Petronius aber nimmt Pila­ tus wieder vom Kreuz ab und wartet auf Befehl aus Rom. In Rom ist der Sohn des Tiberius gestorben. Auf Bitten seiner Frau schickt der Kaiser die Gebeine des Toten an Petronius, damit er sie ins Grab Jesu lege in der Hoffnung auf eine Erweckung des Sohnes. Durch abermalige Bestechung lassen die Juden die Gebeine verschwinden. Pila­ tus, Joseph von Arimathia und Nikodemus schaffen sie mit Gottes Hilfe wieder herbei, legen sie in das Grab Jesu, wo sie wieder lebendig werden. Jetzt umarmt Petronius den Pilatus. Der auferstandene Prinz wird in Rom glänzend empfangen. Auch Pilatus kommt nun nach Rom und berichtet dem Kaiser. Der akzeptiert weder, daß Herodes Antipas an der Kreuzi­ gung schuld ist, noch daß sie dem Heilswillen Gottes entspricht, und be­ fiehlt, Pilatus wegen der Verurteilung eines Unschuldigen zu kreuzigen und zu enthaupten. Die arabischen Fassungen der Legende berichten noch, daß Pilatus mit seiner Familie in der Nähe des Grabes Jesu beigesetzt wird, daß Tiberius alle Juden Jerusalems töten läßt und sogar Herodes verfolgt. Doch ist der bereits durch einen Feuerpfeil vom Himmel getroffen und mit Haut und Haar verfault. In der mittelalterlichen Legende wird Pilatus statt von Tibe­ rius auch von Vespasian oder Constantin verhört und verurteilt; von letz­

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terem, weil er Christ war; von ersterem, weil der Jerusalem zerstört und so Christus gerächt hat. s. Während somit die orientalische Legendentradition Pilatus rehabili­ tiert, bleibt er in der westlichen Überlieferung der Bösewicht, dessen wohlverdiente Strafe die Phantasie der frommen Erzähler beflügelt. Das beginnt in Byzanz. Wir lesen bei dem byzantinischen Chronisten Malalas aus dem 6. Jahrhundert (CSHB. 20, S. 256), Nero habe Pilatus köpfen las­ sen, weil er den Wundertäter Jesus den Juden ausgeliefert habe. Zugrunde liegt eine im Lexikon des Suidas, das heißt der »Suda«, aus dem 10. Jahr­ hundert unter dem Stichwort „Nero“ überlieferte Legende, wonach beim Zauberwettstreit zwischen Simon Magus, der sich als Christus ausgab, und Petrus, dem Schüler des wahren Christus, Pilatus herangezogen wurde und von Nero, der Christus bewundert habe, zum Tod durchs Schwert verurteilt wurde. Damit ist die Legende über das Ende jedoch noch immer nicht erschöpft. Der byzantinische Chronist Georgius Cedrenus (CSHB. 3, S. 343) meldet um 1100, Pilatus sei durch Maria Magdalena bei Caligula verklagt und von diesem nach römischer Sitte durch Säcken hingerichtet worden: mit einem Hahn, einer Schlange und einem Affen in die Haut ei­ nes frisch geschlachteten Rindes eingenäht, habe man Pilatus in der Sonne verdorren lassen. Eine weiter ausgesponnene Fassung der Pilatus-Sage bietet die lateini­ sche »Legenda Aurea« des 1298 verstorbenen Bischofs von Genua Jacobus de Voragine (cap. 53). Im Gegensatz zu der pilatusfreundlichen Tradition der Apokryphen wird der Landpfleger hier zu einem Trabanten des Teu­ fels. Ein König namens Tyrus schwängert Pyla, die Tochter des Müllers Atus. Sie nennt ihr Söhnchen Pylatus. Es wächst mit dem ehelichen Kö­ nigssohn auf, tötet aber diesen aus Eifersucht. Daraufhin wird Pylatus statt des fälligen Jahrestributes als Geisel nach Rom gesandt. Hier aber begeht er einen weiteren Mord und wird auf die rebellische Insel Pontus verbannt. Wider Erwarten gelingt es Pylatus, die wilden Einwohner dort zu „über­ bösen“ und zu zähmen, und erhält dafür den Beinamen Pontius. Das hört Herodes Antipas; er bittet ihn, ihm zu helfen, die aufsässigen Juden zu be­ herrschen. Pylatus aber fährt nach Rom und läßt sich von Tiberius die Statthalterschaft über Judäa allein übertragen. Nach der Hinrichtung Jesu peinigt Pylatus das Gewissen, er berichtet nach Rom und bittet um Verzei­ hung. Schon zuvor aber hat Tiberius von den Heilwundern gehört und schickt um Hilfe, da er selber krank ist. Der kaiserliche Sekretär Volusianus fährt ins Heilige Land und begegnet Veronika, einer Jüngerin. Er er­ hält von ihr ein Tuch, auf das sie das Bild Jesu hat malen lassen. Damit wird der Kaiser geheilt. Er hört vom Tode Jesu und zieht nun Pylatus zur Re­ chenschaft. Zwar kann sich dieser eine Weile dadurch schützen, daß er die tunica inconsutilis, den ungenähten Rock Jesu trägt - das wird aber be­

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kannt, und nun nötigt der Kaiser Pylatus im Gefängnis zum Selbstmord. Die Leiche wird in den Tiber geworfen und lockt dort die bösen Geister an. Deren Wüten versetzt die Anwohner in Schrecken, weswegen der Tote aus dem Tiber gezogen und in die Rhone geworfen wird. Aber auch dort wüten die Dämonen und plagen die Bewohner von Vienne - römisch Vienna, das man als via Gehennae deutete, als Weg zur Hölle. Der tote Py­ latus endet im Genfer See (HS. I6,S. 424). Das Tuch der heiligen Veronika, das den kirchlich beglaubigten Anspruch auf Echtheit erhebt, wird zum Jahre 705 in Rom genannt und befindet sich heute in Manoppello in den Abruzzen. Ungefähr gleichzeitig wurde der Stoff der Legenda Aurea in der mittel­ hochdeutschen »Mär von Pylatus« dargestellt. Die 621 erhaltenen Verse des ursprünglich mehr als dreimal so langen Gedichts sind vermutlich in Fritzlar entstanden, das zum Erzbistum Mainz gehörte. Hier in Mainz wurde der spätere Übeltäter geboren und kommt über Rom ins Heilige Land - da bricht der Text ab (Weinhold 1877). t. Bei Jacobus de Vorágine gibt es daneben noch die Überlieferung, daß Pilatus wie Herodes Antipas nach Lugdunum/Lyon verbannt worden sei, woher er stammte, und dort sein Leben beschlossen habe. Seine Frau, in­ zwischen Christin geworden, soll ihm nach Rom gefolgt, dann aber nicht mit nach Gallien gegangen sein. Der spanischejesuit Román de la Higuera (1551-1624) gibt in der von ihm verfaßten, aber dem Lucius Flavius Dex­ ter, einem Zeitgenossen des Hieronymus, zugeschriebenen Chronik zum Jahre des Herrn 34 (PL. 31, S. 70) der Frau des Pilatus den Namen Claudia Procula, in Anlehnung an die römische Christin Claudia, die um das Jahr 65 im 2. Brief an Timotheus (4,21) genannt wird. In der griechisch-ortho­ doxen Kirche ist Prokla eine Heilige, ihr Tag ist der 27. Oktober. Neben Lyon bewarben sich noch andere Städte in Frankreich um den Geburtsort des Landpflegers, so Vienne. Hier zeigte man eine Maison de Pilate, ein Prétoire de Pilate und einen Tour de Pilate. Sein Sterbeort wurde in der 870 abgeschlossenen Chronik des Ado von Vienne (PL. 123, S. 77) hierher verlegt, analog zu dem des Archelaus (s.o. 2 z). Man warf den toten Pilatus in die Rhône, den der Fluß aber wieder ausspuckte, so daß man ihn schließlich unter einem Obelisken begrub, der heute noch auf einer Stra­ ßenkreuzung steht. u. In Spanien sind zwei Städte mit Pilatus verbunden: Huesca, wo er stu­ diert haben soll, und Tarragona, lateinisch Tarraco. Dort gibt es einen Tor­ reón de Pilatos, einen Turm des Pilatus. Dabei handelt es sich um das römi­ sche Prätorium auf der Westseite des Forums, wo in den Jahren 28 bis 26 v. Chr. Augustus, im Jahre 121 n. Chr. Hadrian residiert hat. Im Mittelalter diente der - mehrfach umgebaute Palast - als Residenz der Könige von Aragon, namentlich unter Jakob II (1285-1327), weswegen er auch Castell

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del Rei heißt. Hier soll Pilatus amtiert haben, ehe er nach Judäa versetzt wurde. Der ihm beigelegte Titel Prätor ist vom Bauwerk abgeleitet. v. Im 13. Jahrhundert gelangte die Pilatus-Legende aus Italien nach der Schweiz. Schon 1273 wird bei Conradus de Mure, dem Zürcher Canonicus Konrad von Muri im Aargau, der Pilatus-Berg bei Luzern genannt. Seit dem 14. Jahrhundert hören wir von dem Pilatus-See, dem kreuzförmigen Vierwaldstätter See. Der Berg, hieß bis ins 18. Jahrhundert mit seinem „deutschen“ Namen Fräckmont, lateinisch mons fractus - „der gebro­ chene Berg“. Er galt als Wetterprophet: Wenn der Pilatus hat einen Hut, so ist das Wetter fein und gut. Somit dürfte die ältere Namensform Pileatus gelautet haben, der mit Schnee „Bemützte“. Berg und See wurden mit der Sage verknüpft. Pilatus soll hier ins Wasser geworfen worden sein - bis zum Genfer See war die Sage ja bereits vorgedrungen. Allerlei Volksglaube knüpfte sich daran: Wirft man Steine in den See oder ruft den Namen des Pilatus, so entstehen Unwetter. Am Karfreitag taucht ein purpurner Thron in der Mitte des Sees auf; Teufel setzen den Pilatus darauf, der hier sich die Hände wäscht. Wer ihn sah, überlebte das Jahr nicht. Um den Tobegeist zu beruhigen, wurde ein Pferd im Gewässer versenkt. Seit dem 14. Jahrhundert war es verboten, sich den Ufern zu nähern und den Berg zu besteigen, auf dem Drachen hausen sollten. Der große Naturforscher Konrad Gesner, der „deutsche Plinius“, mußte sich 1541 dafür vom Rat in Luzern eine Ausnahmegeneh­ migung einholen. Er hat ein Buch darüber verfaßt: Descriptio montis Pilati, Zürich 1555, in dem er auf die Sage eingeht. Aber auch später noch meinte man, „das dis gebirg uf der höhe und da es ruch und wild ist, mit bösem tüfflischem gespenst und geisterwerk eben wol besetzt und erfül­ let“ sei (Lütolf 1862, S. 4 ff). Die im 18. Jahrhundert einsetzende Entmythisierung vollendete sich 1888 mit dem Bau der Zahnradbahn. Voller Verachtung für diese, erstieg ich als sechzehnjähriger Pfadfinder mit einem Freund aus Luzern den Berg am 8. August 1953 von der Nordseite über den Bandweg. „Drachen“ gab es noch auf der Hotelterrasse, nicht mehr auf dem Gipfel, dem Tomlishorn, 1700 Meter über dem See. Der Blick in die Tiefe war damals so schwindlig wie der in die Zwischenzeit jetzt. w. Besonders zahlreiche Orte wollen in Deutschland mit Pilatus zu tun haben. Als Geburtsort werden genannt: Mainz, wo sein Vater Astrologe gewesen sei und woher auch Judas stammen soll; Hausen bei Forchheim und Forchheim selbst, wo man seine rote Hose zeigte. Forchhemii natus est Pontius Ule Pilatus, Teutonicae gentis crucifixor omnipotentis.

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„In Forchheim wurde jener Pontius Pilatus geboren, der Kreuziger des allmächtigen deutschen Volkes.“ Man wird hier kaum einen Genetivus Objectivus annehmen dürfen. Isidor, der Metropolit von Moskau, 1436 auf dem Weg zum Konzil von Florenz, berichtete, Pilatus sei in „Pont“ am Fluß „Tisk“ bei Bamberg geboren. Jedenfalls war Pilatus nicht nur Römer, Ägypter, Spanier und Franzose, sondern auch Deutscher. Ebenso wurde sein Todesort nach Deutschland verlegt: Pachten im Saarland kam zu sei­ nem Pjlatus-Bach durch die Tradition, der Landpfleger sei dort nach sei­ nem Selbstmord auf dem Bauche liegend begraben worden. Die Erinne­ rung daran, daß Trier einmal Kaiserstadt war, zog das Verhör vom Tiber an die Mosel. Die Juden in Worms wollten eine Gesandtschaft nach Jerusalem geschickt haben, um Pilatus davon abzuhalten, Jesus zu kreuzigen. Hätten sie Erfolg gehabt, so wäre ihrem Volk Schlimmes erspart geblieben. x. Aus Rußland läßt sich zwar keine Lokalsage, wohl aber eine Legen­ dentradition zu Pilatus beisteuern. Eine 1906 durch Ivan Franko bekannt­ gemachte kirchenslavische »Revelatio sancti Stephani«, überliefert in ei­ nem Manuskript der Zeit um 1600 aus Lemberg, bietet eine ausführliche Erzählung über das Ende des Protomartyrs, in der Pilatus eine Rolle spielt. Der Landpfleger ist bereits im Herzen Christ und versucht vergeblich, Ste­ phanus vor den aufgebrachten Juden zu retten. Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern läßt er sich taufen und bestattet Stephanus in einem ver­ goldeten Silbersarg auf dessen Landgut Serasima. Sodann baut er eine schöne Kirche für den Märtyrer und die mit ihm getöteten Christen Gamaliel und Nikodemus und ordnet Gedenktage für sie an. Sieben Monate später stirbt auch Pilatus und wird in Kapartasala begraben. Wo das zu su­ chen sei, erfahren wir nicht. y. Die Popularität des Pilatus in der christlichen Tradition spricht nicht nur aus den Legenden über ihn. Auch in der kirchlichen Kunst ist Pilatus häufig dargestellt worden. Die Szenen sind indessen nicht der Legende, son­ dern der Passion entnommen. Die ältesten Beispiele zeigen die Handwa­ schung (Sevrugian 1990, S. 70), sie findet sich auf Sarkophag-Reliefs des 4. Jahrhunderts, auf dem sogenannten Brüder-Sarkophag und dem Tri­ umphkreuz-Sarkophag der Lateransammlung sowie auf einem ElfenbeinReliquiar im Museo Civico von Brescia. Eine Szene der Holztüre von Santa Sabina in Rom aus dem Jahre 432 verbindet Handwaschung und Kreuztra­ gung, ebenso ein etwa gleichzeitiges Elfenbeinrelief im Britischen Museum. Eines der Mosaiken von Sant Apollinare Nuovo in Ravenna aus dem 6. Jahr­ hundert präsentiert Christus im kaiserlichen Purpur mit Heiligenschein, während er von den Schriftgelehrten vor Pilatus geführt wird, der, wie im Codex Rossanensis und anderen Darstellungen der Zeit, im spätrömischen Beamtenkostüm, umgeben von drei Gefolgsleuten auf einem prachtvollen Thron von einem Diener das Waschbecken gereicht bekommt.

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Die meisten späteren Darstellungen finden sich im Medium der Malerei. Das auf der Reichenau um 1000 n. Chr. entstandene Evangeliar Kaiser Ot­ tos III, heute in München, zeigt Verhör und Verurteilung. Der um 1310 von Duccio di Buoninsegna gemalte Hauptaltar des Doms von Siena gibt in den Christus-Szenen der Rückseite mehrere Darstellungen des Pilatus: so beim Verhör Jesu vor und nach dem Antipas-Intermezzo, bei der Dornenkrö­ nung und der Handwaschung, die zur Kreuztragung hinüberführt. Die häufigste Pilatus-Szene in der deutschen Kunst seit dem 13. Jahr­ hundert ist die Handwaschung. Beispiele bieten der Westlettner des Naumburger Doms aus der Zeit um 1260 und die großen Passionsaltäre des Spätmittelalters. Um 1505 entstand der Braunschweiger Domaltar, dessen Mitteltafel, heute im dortigen Herzog-Anton-Ulrich-Museum, die Gerichtsszene in eine zeitgenössische Stadt verlegt. Nur wenig jünger, um 1510 gemalt, ist der Passionsaltar von Albrecht Altdorfer im Augustiner Chorherren-Stift Sankt Florian bei Linz, der krönende Abschluß der spät­ mittelalterlichen Flügelaltäre. Die Handwaschung des Pilatus ist in eine gotische Kirchenarchitektur verlegt. Der Landpfleger in blauer Prunkrobe thront unter einem Baldachin, Christus wird gefesselt zur Hinrichtung ab­ geführt. Seine auffällig weiße Hautfarbe gemahnt an die Unschuld des ihm bei Herodes übergezogenen Gewandes, nur vertauscht mit einem ebensol­ chen in blassem Violett. Im Spätmittelalter wird Pilatus als Heide gern wie ein Türke wiederge­ geben, in phantastischen orientalischen Gewändern, bisweilen mit Turban. So erscheint er noch auf dem Gemälde des Niederländers Matthias Stomer (gest. nach 1650) im Louvre, wie es der Schutzumschlag dieses Buches zeigt. Christus steht Pilatus immer in stoischer Ruhe gegenüber. Seit der Renaissance versucht man, das Kostüm des Statthalters nach historischen Mustern zu gestalten, so auf dem Wiener »Ecce Homo« Tizians von 1543. Von 1565 stammt Tintorettos Passionszyklus in der Scuola di San Rocco in Venedig, der den Gegensatz von Christus und Pilatus eindrucksvoll her­ ausarbeitet. Die Gegenüberstellung von weltlicher Macht und geistlicher Größe blieb stets ein beliebtes Thema der bildenden Kunst. z. Eine zentrale Figur ist Pilatus in den mittelalterlichen Passionsspielen, die das Leidensgeschehen in Szene umsetzen. So wie die älteren Osterspiele und das jüngere Weihnachtsspiel ist das Passionsspiel eine nicht­ liturgische Erbauungsübung, eine Mischung aus Gottesdienst und Volks­ brauch. Entstanden im 13. Jahrhundert, erlebte es seine Blüte im 15. und 16. Jahrhundert. Christus ist nicht, wie im Osterspiel, der triumphierende Weltenrichter, der Hoheit und Würde ausstrahlt, sondern das leidende Gotteslamm, das mystisches Mitgefühl wecken und zur Identifikation des Zuschauers mit dem Heiland steigern will. Überlebt haben die Oberam­ mergauer Passionsspiele, die zur Erinnerung an die Pest von 1634 alle zehn

Ende und Legende

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Jahre jeden Sonntag im Sommer von fünfhundert Laien aus dem Ort auf­ geführt werden. Ihr heutiger Text stammt aus dem Jahre 1860. Die juden­ feindlichen Passagen wurden 1970 herauskorrigiert. Biblische und legendäre Züge der Pilatus-Gestalt sind in der schönen Literatur um vielfältige Facetten erweitert worden. Schon 1892 erschien die Novelle von Anatol France »Le Procurateur de Judée«, worin Pilatus seinen Lebensabend auf Sizilien verbringt und sich an einen Mann namens Jesus aus Nazareth partout nicht erinnern kann. Die meisten Texte stam­ men aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Wasser knapp wurde, um die unschuldigen Hände darin zu waschen. Immerhin, für Hochhuts »Stellvertreter« reichte es noch. Max Frisch zeichnete 1946 in seiner Farce »Die chinesische Mauer« Pilatus als den skeptischen Intellek­ tuellen, der sich der Verantwortung für das von ihm verschuldete Leid ent­ ziehen will. Friedrich Dürrenmatts Prosastück »Pilatus« von 1949 zeigt die Überlegenheit des leidenden Opfers gegenüber dem gewaltmächtigen Täter; Pilatus weiß, daß er Gott quält. In der Novelle Gertruds von Le Fort »Die Frau des Pilatus« aus dem Jahre 1955 bekennt sich diese nach dem vergeblichen Versuch, Jesus zu retten, zu Christus und nimmt die Schuld ihres Mannes auf sich, der sie im Namen von Kaiser und Reich ebenfalls hinrichtet. Pilatus als pflichtbewußtes Werkzeug einer höheren Macht und Proto­ typ des schuldlosen Täters begegnet uns nicht nur im literarischen Me­ dium, sondern auch im Selbstverständnis des politischen Verbrechers par excellence, bei Adolf Eichmann, der eine Schlüsselrolle bei der Deporta­ tion der Juden in die Vernichtungslager Polens gespielt hat. 1964 entwarf Hannah Arendt in ihrem Buch »Eichmann in Jerusalem« (1965, S. 150) ein Charakterbild dieses Vollstreckers und zitiert einen Bericht aus seiner Fe­ der über die Wannseekonferenz im Januar 1942, als die Beteiligten ihr Be­ stes taten, sich im vorauseilenden Gehorsam hervorzutun. „In dem Au­ genblick hatte ich eine Art Pilatus’scher Zufriedenheit in mir verspürt, denn ich fühlte mich bar jeder Schuld.“ Jüngere Texte verlieren diesen Zeitbezug, doch bleibt Pilatus präsent. 1966 erschien der Roman »Der Meister und Margarita« des 1940 verstor­ benen Michail Bulgakow. Darin bestreitet der Redakteur der Moskauer Literatenvereinigung die Geschichtlichkeit Jesu mit den Argumenten der Aufklärung gegen den Aberglauben. Eine Verbindung populärer Wissen­ schaft und historischem Roman sodann ist die „Biographie“ »Pontius Pila­ tus. Römer, Ritter, Richter« von Ralf-Peter Märtin aus dem Jahre 1989. Sie ist flott geschrieben und bringt kulturgeschichtlichen Hintergrund. Jüngst präsentierte Ann Wroe »Pontius Pílate. The biography of an invented man«, eine färben- und facettenreiche Collage aus den unerschöpflichen Legendenstoffen.

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Das Meisterstück der Pilatus-Literatur ist der 1991 durch Jörg von Uthmann herausgegebene Briefwechsel des Landpflegers. Mit vorzüglicher Quellenkenntnis und sprudelnder Phantasie wird eine höchst lebensnahe Figur gezeichnet, die sich keineswegs nur um den Nachschub an Damas­ kus-Pflaumen bemüht, die Thermen von Caesarea ausbauen läßt und ein pornophiles Techtel-Mechtel mit Salome betreibt. Vielmehr kümmert sich Pilatus ebenso um die religiösen Konflikte. Jesus wird natürlich nicht ge­ kreuzigt, sondern nach Damaskus verbannt, wo Paulus ihn gemäß der Apostelgeschichte bekanntlich getroffen hat, während Jakobus die Ge­ meinde in Jerusalem weiterführt. Da Jesus nach der angeblichen Kreuzi­ gung noch gesehen wurde, kann er nicht der Hingerichtete gewesen sein. Uthmann erörtert das Für und Wider, ob in Wahrheit nicht Judas, Barab­ bas oder Simon von Kyrene gekreuzigt wurde. Adhuc sub iudice lis est.

14- WAS WÄRE GESCHEHEN, WENN...?

a. Revision Ermessensentscheidung b. c. Alternative Strafen Ungeschehene Geschichte d. e. Seminar 1983/84 Arbeitsgruppen f. g. Negative Urteile Kausalität h. i. Max Weber an Alfred Kreuzigung verschoben jk. Erwartung der Zeloten Verlust des Charisma l. m. Die Bedeutung von Paulus Ersatzmessias? n. o. Imperium Romanum bewahrt? Christianisierung der Germanen Pq. Heidentum andere Weltreligion r. s. Sonnenkult siegreich? antike Kultur bewahrt? t. u. Mani Mohammed v. w. Judentum kein Antisemitismus x. y. Irrtum des Pilatus Bedauern Goethes z.

Geschichte ist eine Sammlung von Tatsachen, die vermeidbar gewesen wären Lee

a. Im Frühjahr 1949 ging ein Bericht durch die Weltpresse, wonach ein holländischer Jurist beim Justizministerium des soeben gegründeten Staa­ tes Israel den Antrag gestellt habe, den Prozeß Jesu einer Revision zu unter­ ziehen (Goldin 1948). Er bestritt die Schuld Jesu gegen den Spruch des Sanhedrin in Jerusalem, als dessen Nachfolgerin die Regierung Israels auftritt. Frühere Versuche seit den späten 20 er Jahren verfolgten dasselbe Ziel, Jesus nach jüdischem Recht nachträglich freizusprechen, so daß eine Ausliefe­ rung an Pilatus hätte unterbleiben müssen (Blinzler 1960,12 f). Nicht nur die christliche, auch die jüdische Geschichte wäre anders verlaufen. Das Pilatus-Urteil wäre damit allerdings noch nicht aufgehoben. Bis zum 6. August 1806 wäre dafür das Wiener Hofgericht zuständig gewesen. Doch nachdem Franz II an jenem Tage die Krone des Heiligen Römischen Reiches niedergelegt hatte, gab es keinen Nachfolgestaat des Imperium Romanum mehr, der das Fehlurteil des Pilatus hätte widerrufen können. Ob die Katholische Kirche sich noch als Erbin Roms betrachtet, wie sie das Jahrhunderte lang aufgrund der im 8. Jahrhundert gefälschten »Constantinischen Schenkung« getan hat, das wird sich zeigen, wenn der Papst sich, wie verheißen, zum Jahresbeginn 2000 öffentlich für die vergangenen und doch nicht vergehenden Sünden entschuldigt. Vermutlich aber wird er sich auf die der Kirche beschränken. Das Fehlurteil des Pilatus jedenfalls wird er kaum ernsthaft bedauern wollen. b. Wer einen Fehler bereut, wünscht zugleich, ihn nie begangen zu ha­ ben. Dürfen wir aber wünschen, daß Jesus hätte begnadigt werden sollen? Bevor wir uns die Folgen eines Freispruches vergegenwärtigen, müssen wir uns klarmachen, daß man Jesus durchaus hätte schonen können. Das gilt für den Hohen Rat, der ja auch Johannes den Täufer und die Essener gewähren ließ, und gilt erst recht für Pilatus. Ein anderer Mann an seiner Stelle hätte möglicherweise anders entschieden. Daß er damals Statthalter von Judäa war, resultiert keineswegs aus einer bestimmten Politik des Ho­ fes, sondern war Zufall. Vakante Verwaltungspositionen wurden, in der Regel gemäß einer Empfehlung, aus dem Kreise der verfügbaren Anwärter besetzt, ohne daß diese eine bestimmte Stelle erwarten durften. Das Todesurteil war eine Ermessensentscheidung des Pilatus. Er hatte aus seiner Sicht gute Gründe für diese Tat, so daß wir sie verstehen können.

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Dennoch war er nicht gezwungen, Jesus hinzurichten. „Weißt du nicht, daß ich Macht habe, dich loszugeben, und Macht habe, dich zu kreuzigen?“ Diese Worte aus dem Johannes-Evangelium (19,10) könnte Pilatus durch­ aus gesprochen haben. Die Antwort Jesu: „Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre“, bestätigt die Entschei­ dungsfreiheit des Statthalters. Er hätte auch Barabbas kreuzigen können. c. Ein Freispruch Jesu war möglich, aber auch alternative Strafen lagen nahe. Die Sentenzen des großen Juristen Julius Paulus (V 21, 1) verfügen, daß Propheten (vaticinatores), die „erfüllt von Gott“ zu sein behaupten (qui se deo plenos adsimulant), ausgepeitscht und ausgewiesen werden sollten, damit sie bei der leichtgläubigen Menge keine Unruhe anrichten. Was wäre geschehen, wenn Pilatus Jesus gegeißelt und freigelassen hätte, wie er es gemäß Lukas (23, 15) vorhatte? Was, wenn er Jesus zur Stein­ brucharbeit verurteilt oder zum Verhör durch den Kaiser nach Rom ge­ sandt hätte? In der apokryphen »Paradosis«, die zu den Pilatus-Akten zählt, erhebt Tiberius genau diese Forderung: „Sobald die Juden dir Jesus übergaben, mußtest du ihn in sicheren Gewahrsam nehmen und ihn zu mir senden. Nicht durftest du ihnen folgen und einen solchen Mann kreuzi­ gen“ (HS. I6, S. 422). Diese fiktive Forderung gründet sich auf reale Vor­ kommnisse. 4 v. Chr. hatte der Legat Quinctilius Varus jüdische Rebellen­ führer nicht selbst gerichtet, sondern in Fesseln nach Rom geschickt (s.o. 2x). Ebenso sandte 52 n. Chr. der Legat Ummidius Quadratus die Anfüh­ rer der streitenden Juden und Samaritaner zum Kaiser (s.o. 12 n), wenig später tat dies der Procurator Felix mit dem Räuberkönig Eleazar Deinäi (s.o. 12 o). Freilich handelt es sich bei all diesen Männern um Personen von Rang, mit denen man behutsamer umgehen mußte als mit einem inspirier­ ten Handwerker aus Galiläa. d. Die damit aufgeworfene Frage nach unverwirklichten Möglichkeiten, nach Alternativen zum realen Verlauf der Geschichte ist von den Histori­ kern lange Zeit als unbeantwortbar, ja als unerlaubt abgewiesen worden. Unbeantwortbar, weil man über Unverwirklichtes nichts wirklich wissen könne; unerlaubt, weil man den Sinn des Geschehens in Zweifel ziehe und ihn der Beliebigkeit individueller Phantasie ausliefere. Tatsächlich sind die meisten Antworten auf die Frage „Was wäre geschehen, wenn...?“ weni­ ger von nüchterner Überlegung als von Hoffnungen oder Befürchtungen diktiert. Die beliebtesten Gedankenspiele über ungeschehene Geschichte gelten daher dem Problem, wie sich die Weltkriege hätten verhindern las­ sen (dahinter steht ein Wunsch) und wie ein Sieg des Nationalsozialismus oder des Kommunismus Europa verändert hätte (dahinter steht eine Furcht). Gefühle blenden, doch ist ihre Beteiligung nicht unabdingbar. e. Im Wintersemester 1983/84 habe ich mit meinem Kollegen Hagen Schulze an der Freien Universität Berlin ein Seminar über kontrafaktische

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Geschichte durchgeführt. Wir haben methodologischen Überlegungen an­ gestellt und historische Entscheidungssituationen ausgewählt, um an ih­ nen zu prüfen, ob sich nach willkürlich veränderten Konstellationen be­ stimmte Alternativen plausibel machen lassen. Es handelte sich um Fälle der folgenden Art: Die Perser siegen 490 v. Chr. bei Marathon oder 480 bei Salamis über die Griechen, Hellas wird eine Satrapie. Was wäre die Folge? Alexander stirbt 276 v. Chr. im Alter von achtzig Jahren, sein Imperium reicht vom Gelben Meer bis zum Atlantik. Wie lange hätte sein Reich ge­ dauert? Hannibal marschiert nach der Schlacht bei Cannae 216 auf Rom, der Senat bittet um Frieden. Hätte es ein römisches Imperium gegeben? Brutus triumphiert 42 bei Philippi über Octavian. War damit die Republik gerettet? Die andersartigen Folgen sind im einzelnen nicht nachweisbar, im gan­ zen aber kaum zu bestreiten. Das gilt ebenso für folgende Fälle: Arminius unterliegt 9 n. Chr. im Teutoburger Walde und Germanien wird römisch. Karl Martell kann 732 die Araber nicht abwehren, Westeuropa wird musli­ misch. Der deutsche Bauernkrieg hat 1525 Erfolg. Die Armada erobert 1588 England. Friedrich der Große fällt 1740 im Ersten Schlesischen Krieg. Friedrich Wilhelm IV übernimmt 1848 die Kaiserkrone vom Paulskirchenparlament. Das Attentat von 1914 auf Erzherzog Franz Ferdinand mißlingt, aber das auf Hitler am 20. April 1938 glückt... . f. Jeder dieser Fälle wurde einer Gruppe von Studenten übertragen, die sich darüber Gedanken machen sollten, wohin eine derartige Kursände­ rung geführt hätte. Alle Arbeitsgruppen lieferten Konzepte außer jener, die über die Folgen einer Begnadigung Jesu durch Pilatus nachdenken sollte. Es war die größte der Arbeitsgruppen, und sie war nach heftigen, in­ neren Auseinandersetzungen zu dem Schluß gekommen, daß man darüber nicht nachdenken dürfe. Die Studenten meinten, ohne den Kreuzestod Christi hätte die Weltgeschichte ihren Sinn verloren, und das zu denken wäre Gotteslästerung. In der Tat findet sich ein solcher Einwand auch in der wissenschaftlichen Literatur gegenüber eventualhistorischen Thesen generell: sie durchkreuzen den Plancharakter der Geschichte, kritisieren den Weltgeist und bleiben unbeweisbar, „müßige Spekulation“. g. Sehen wir davon ab, daß die sympathische Forderung des Marquis von Posa an König Philipp: „Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!“ jedes, also auch dieses Denkverbot abweist, so ist es im Falle der Ungeschichte nachweislich unbegründet. Daß Aussagen über Ungeschehenes ungewiß bleiben, verliert an Gewicht, wenn wir bedenken, daß auch über Gesche­ henes letzte Gewißheit nicht zu erreichen ist. Zudem ist der Einwand un­ zutreffend hinsichtlich negativer Aussagen: Wäre Raffael ohne Hände ge­ boren worden, dann wäre die Sixtinische Madonna nicht gemalt worden. Schwieriger ist es mit positiven Aussagen. Aber auch hier ist Ungeschehe­

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nes erschließbar. Wäre Michelangelo früh gestorben, so wäre der Petersdom trotzdem vollendet worden, wenn auch anders, und wie, das läßt sich aus der Baugeschichte vor der Übernahme der Leitung durch Michelan­ gelo ablesen: Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wäre das Konzept des Sangallo zu Ende geführt worden. Hätte Theodor Heuß 1949 die Wahl verloren, so wäre mit Sicherheit Kurt Schumacher Bundespräsident ge­ worden. Hätte Chruschtschow 1962 seine Raketen nicht aus Cuba abge­ zogen, wäre es nach menschlichem Ermessen zu einem militärischen Kon­ flikt mit Amerika gekommen. h. Mutmaßungen über „objektive Möglichkeiten“, das heißt über Unge­ schehenes sind unabdingbar, wie Max Weber 1906 gegen Eduard Meyer ausgeführt hat, wenn es um die Erkenntnis von Kausalität geht. Die Be­ deutung eines Kausalfaktors erkennen wir, indem wir ihn gedanklich aus dem Ereigniszusammenhang herauslösen und uns fragen, ob dies nennens­ werte Folgen für den Verlauf gehabt hätte. Da, wo dies anzunehmen ist, hat der Faktor kausale Bedeutung. Nur durch solche kontrafaktischen Se­ quenzen können wir das Gewicht eines Momentes einschätzen und Aussa­ gen machen wie: „Der Erste Weltkrieg wäre auch ohne das Attentat von Sarajevo ausgebrochen“, oder „Ohne Hitler hätte der Nationalsozialimus niemals die Macht erlangt“. i. Überlegungen dieser Art liegen dem Brief zugrunde, den Max Weber zur Konfirmation seines Bruders Alfred am 25. März 1884 über die Bedeu­ tung des Christentums für die Kulturgeschichte schrieb: Die christliche Religion „ist eine der Hauptgrundlagen, auf denen alles Große beruht, was in dieser Zeit geschaffen ist; die Staaten, welche entstanden, alle großen Ta­ ten, welche dieselben geleistet, die großen Gesetze und Ordnungen, wel­ che sie aufgezeichnet haben, ja auch die Wissenschaft und alle großen Ge­ danken des Menschengeschlechts haben sich hauptsächlich unter dem Ein­ fluß des Christentums entwickelt. Die Gedanken und die Herzen der Menschen sind nie, seit die Welt denken kann, von etwas so erfüllt und be­ wegt worden wie von den Ideen des christlichen Glaubens und der christ­ lichen Menschenliebe. - Das wird Dir, je mehr Du in die Geschichtstafeln der Menschheit blickst, um so klarer werden. So ist es gekommen, daß heutzutage alles, was wir unter dem Namen unsrer Kultur zusammenfas­ sen, in erster Linie auf dem Christentum beruht, daß heute in den Einrich­ tungen und Ordnungen der ganzen menschlichen Gesellschaft, in ihren Denk- und Handlungsweisen, alles mit ihm zusammen- und von ihm ab­ hängt, so sehr sogar, daß wir selbst es gar nicht immer merken und gar nicht mehr uns bewußt sind, daß wir bei allem, was wir tun und denken, unter dem Einfluß der christlichen Religion stehen. Das Christentum ist das gemeinsame Band, welches uns mit allen Völkern und Menschen, die auf gleich hoher Stufe stehen wie wir, verbindet, denn selbst diejenigen

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Menschen unter uns, welche sich selbst nicht Christen nennen oder be­ haupten, mit dem Christentum nichts zu schaffen haben zu wollen, haben sich doch die Grundgedanken des Christentums angeeignet und handeln unwillkürlich nach seinen Lehren.“ j. Wäre es je zu einer christlichen Religion, zu einer europäischen Kultur gekommen, wenn Pilatus anders entschieden hätte? Mit Recht wird er im christlichen Glaubensbekenntnis namentlich genannt (s.o. 11 a). Die Alter­ nativen sind vielfältig. Hätte Pilatus dem Druck der Hohen Priester stand­ gehalten, so hätten diese vielleicht abermals, wie im Falle der Goldschilde, eine Beschwerdegesandtschaft nach Rom gesandt. Ob sie Tiberius auf Ca­ pri erreicht hätte, ist höchst fraglich, denn der Kaiser kümmerte sich da­ mals nicht um die Reichsverwaltung, wie Sueton (Tiberius 41), Tacitus (Annalen IV 67) und Josephus (Ant. XVIII 6, 5) übereinstimmend berich­ ten. Selbst wenn Pilatus gemaßregelt worden wäre, weil er „des Kaisers Freund nicht mehr“ sei (s.o. 10 s), wären Monate, wenn nicht Jahre vergan­ gen, in denen Jesus in Nazareth weiter gelebt, vielleicht auch gepredigt hätte. Nach den Synoptikern hat Jesus nur ein Jahr gelehrt, nach Johannes wenig mehr als zwei Jahre. Möglicherweise hätte eine längere Lehrtätigkeit die Jesusbewegung in Galiläa und den Widerstand in Jerusalem so an­ schwellen lassen, daß die römischen Behörden dann doch um des inneren Friedens willen hätten eingreifen müssen, so daß die Kreuzigung sich bloß um einige Jahre verschoben hätte und der Gang der Geschichte auf den Weg der Wirklichkeit zurückgekehrt wäre. Dies käme auch in Betracht, wenn der Hohe Rat Jesus nach dem Freispruch durch Pilatus bei passender Gelegenheit gesteinigt hätte. Jesus scheint damit gerechnet zu haben. Ein solches Ende wäre ebenfalls als Opfertod interpretierbar gewesen. Ebenso wie eine Verzögerung ist eine Beschleunigung der Geschichte vorstellbar. Renan (1863, S. 368) hält die Überlegung des Kaiphas, es wäre besser, einer stürbe statt aller (Joh. 11,49 f), für keinesfalls abwegig. Dem­ nach diente die Hinrichtung Jesu dem Frieden mit Rom, der Kaiphas teuer war. Hätte sich ganz Israel Jesus zugewandt, so hätte dies den Jüdischen Krieg und den Untergang Jerusalems schon erheblich früher als 70 n. Chr. durch Titus erwarten lassen: Jésus, s’il réussissait, amenait bien réellement la ruine de la nation juive - „Hätte Jesus Erfolg gehabt, so hätte das in der Tat den Ruin des Judenvolkes herbeigeführt“. Freilich wäre dafür die Zu­ satzannahme erforderlich, daß sich in der Jesus-Bewegung die Aktivisten durchgesetzt hätten. Dafür spricht einiges: das Potential der gewaltberei­ ten Zeloten war da. Selbst unter den Jüngern gab es solche, die voller Un­ geduld auf ein irdisches Königreich hofften, so die „Söhne des Donners“, wie Jesus die Zebedäiden nannte (Mk. 3,17), außerdem Simon der Eiferer (Lk. 6, 15) und Judas Iskarioth, dessen Beiname aus lateinisch sicarius, Dolchträger abgeleitet wird. Seinen Verrat in Gethsemane deutet man bis-

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weilen als einen Akt der Verzweiflung, durch den Jesus gezwungen wer­ den sollte, die zwölf Legionen Engel, von denen er bei Matthäus (26, 53) spricht, herabzurufen und die Herrlichkeit Israels endlich zu erneuern. k. Mit diesen Erwartungen ist Jesus offensichtlich mißdeutet worden. Anders als die Mehrzahl seiner Anhänger wie seiner Gegner, verstand Je­ sus seine Sendung nicht politisch. Als man ihn nach der Speisung der Fünf­ tausend zum König erheben wollte, entwich er, wie Johannes (6, 15) er­ zählt, in die Einsamkeit der Berge. Bei einer Fortsetzung seiner Predigt nach der Begnadigung hätte er dieses Mißverständnis ebensowohl ausräu­ men und den für Rom ungefährlichen Charakter seiner Mission klarstellen können. Zu einem späteren Zeitpunkt hätte es unter diesen Voraussetzun­ gen keinen Anlaß zur Kreuzigung gegeben. Damit wäre die Jesus-Bewe­ gung entweder als eschatologische Gemeinde in Galiläa verdämmert, oder sie hätte sich landesweit durchgesetzt, und die Erhebung gegen Rom wäre unterblieben. Der Tempel stünde heute noch - als Moschee. l. Denkbar ist ebenso, daß Jesus nach seiner Begnadigung auf eine wei­ tere Lehrtätigkeit verzichtet hätte. Nach den Evangelisten verstand er sich als das Lamm Gottes, das gemäß dem Willen des Vaters im Himmel für die Sünden der Menschheit am Stamm des Kreuzes geschlachtet werden mußte. Nehmen wir an, die Leidensankündigung, wie sie Markus (8,31 ff) aufzeichnet, hätte sich als Irrtum herausgestellt, so hätte die Milde des Statthalters aus Jesus einen falschen Propheten gemacht. Dieser hätte seine Sendung umdeuten müssen und sich müde gepredigt. Sein Charisma wäre dahin gewesen. Dies war für Renan (1863, S. 369) die wahrscheinlichere Alternative: Laissé libre, Jésus se fût épuisé dans une lutte désespérée contre l’impossible - „In Freiheit belassen, hätte Jesus sich in einem verzweifelten Kampf für das Unmögliche aufgerieben“ - der Ruf zur Buße konnte nicht alle Juden zu Jüngern Jesu machen. La haine inintelligente de ses ennemis décida du succès de son oeuvre - „Der törichte Haß seiner Feinde ent­ schied über den Erfolg seines Werkes“. Sein spektakulärer Tod war schlechterdings unabdingbar für die Erschütterung, aus der die Idee: Er ist es ! geboren wurde. André Gide fragte am 19. Juli 1929 in Tunis: „Was hätte Christus getan, wenn sein Leben verschont worden wäre?“ Vielleicht wäre er verbürgerlicht, hätte Maria Magdalena geheiratet und sein Leben als Zimmermann in Nazareth beschlossen. m. Auch in diesem letzten Falle wäre der Aufruf Jesu versandet. Hätte es ein kreuzloses Christentum gegeben? Dagegen spricht, daß damit zumin­ dest das paulinische Verständnis der Neuen Lehre unvereinbar ist. Paulus fußt auf Pilatus. Ohne Kreuz und Auferstehung, ohne Opfer und Erlö­ sung ist die Theologie des Paulus undenkbar - und was wäre aus der Jesusreligion, selbst mit der Kreuzigung, geworden ohne das organisatorische Genie des Paulus? Erst seine Interpretation hat der Frohen Botschaft jene

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Dynamik verliehen, die sie zur Weltreligion hat werden lassen. Denn Pau­ lus hat anstelle des Aramäischen, der Sprache Jesu, das Griechische, die Kultur- und Verkehrssprache im östlichen Mittelmeerraum, verwendet und den Bekehrungsbereiten Beschneidung, Speisetabus und Sabbatheili­ gung erspart. Paulus hat zudem die fundamentale Organisationsarbeit ge­ leistet, die aus den verschiedenen, noch in sich zersplitterten Gemeinden eine Kirche gemacht hat. Die Anhängerschaft eines in Nazareth alternden Jesus hätte allenfalls eine ähnliche Zukunft erwartet wie die Therapeuten, die Essener und Qumran-Leute, längst verschwundene Sekten der Juden. Für die Geschichte des Christentums ist neben Pilatus keine Gestalt so wichtig geworden wie Paulus. Der Erfolg der Jesusreligion insgesamt be­ ruht freilich auf breiterer Grundlage: auf der Überlieferung von Leben, Lehren und Leiden eines Menschen, wie ihn keine andere antike Religion aufzuweisen hat; auf den Heiligen Schriften, die in jeder Notlage Trost und Hilfe spenden; auf dem Glauben an einen, den einzigen Gott, der uns liebt, auf der brüderlichen Nächstenliebe innerhalb der Gemeinde und deren weltweitem Zusammenhalt; auf dem Bekennermut der Märtyrer und der Hoffnung auf Erlösung und ewiges Leben. n. Schließlich wäre noch zu überlegen, ob die Messiashoffriung, die da­ mals ja außerordentlich hoch war, sich an eine andere Person geklammert hätte. Eliminieren wir gedanklich Jesus, wäre dann ein Ersatzmessias vor­ stellbar? An Kandidaten fehlt es nicht: Judas von Gamala, der als Empörer nach dem Tode des Herodes 4 v. Chr. umkam (Apg. 5, 37); Johannes der Täufer, der eine Volksbewegung auslöste und von Herodes Antipas um 29 n. Chr. hingerichtet wurde (Mt. 6,17); Barabbas, der als Aufrührer einsaß und von Pilatus freigegeben wurde (Mt. 15, 7); und Theudas, der laut Josephus (Ant. XX 5,1) als Bandenführer, Wundertäter und falscher Prophet unter dem Prokurator Cuspius Fadus um 45 n. Chr. enthauptet wurde (s.o. 8 q) - sie waren zwar alle mehr oder weniger messianische Gestalten, doch fehlt es ihnen an charismatischer Substanz, um die Annahme zu rechtferti­ gen, einer von ihnen hätte die Rolle übernehmen können, die Jesus tatsäch­ lich gespielt hat. Pilatus ist auswechselbar - jeder andere Statthalter hätte wie er entscheiden können. Jesus ist nicht auswechselbar - seine prophe­ tisch-messianische Ausstrahlung sucht ihresgleichen. Es führt kein Weg an dem Schluß vorbei: ohne Kreuz kein Christentum, ohne Pilatus keine Kreuzigung, kein Messias Jesus. o. Der nähere Fortgang der römischen Geschichte ohne das Christen­ tum ist unschwer vorstellbar. Bis hin zu Constantin hätte sich sehr wenig geändert. Die Christen lebten unter sich, sie waren historisch nahezu be­ deutungslos. Die Christenverfolgungen blieben isolierte Einzelaktionen ohne weitreichende Wirkung. Eine solche entfaltete sich erst in der Spät­ antike, positiv wie negativ. Nun aber gewaltig. Es fehlt nicht an Stimmen,

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die der Christianisierung die Schuld am Zusammenbruch des Imperiums zuweisen: Unter Augustus war das Römerreich politisch geeint, aber in Hunderte von Religionen gespalten. Unter Justinian war derselbe Raum flächendeckend christianisiert, aber politisch in Einzelteile zersplittert. War diese Gegenläufigkeit Zufall? Es gibt eine ganze Schule von Autoren, die das bestreiten und den Niedergang Roms auf die Ausbreitung des Christentums zurückführen (Demandt 1984, S. 246 ff). Diesen Zusam­ menhang haben auf einer metaphysischen Ebene bereits Christenverfolger angenommen. Sie glaubten, mit der Abkehr von der Religion der Väter hätte Rom den Schutz der Götter verspielt, die das Reich groß und stärk gemacht hätten. Gegen dieses Argument haben sich die christlichen Apo­ logeten gewandt. Eine radikale Position vertrat Augustin: Er bestritt jed­ weden Zusammenhang zwischen Religion und Politik, zwischen Civitas Dei und Civitas Terrena. Aufstieg und Niedergang von'Staaten sei für den Gläubigen unerheblich, weder ein Grund noch ein Ziel für sein Handeln. Das freilich war und blieb eine Mindermeinung. Verbreiteter als die augustinische Trennung von Weltgeschichte und Heilsgeschehen war die Annahme eines Zusammenhangs, indem man, wie Melito und Euseb, Hieronymus und Orosius erklärte, die Gleichzeitigkeit von Augustus und Jesus sei providentiell: Gott habe dem Reich Frieden geschenkt, um die Mission zu fördern. Auf dieser Augustustheologie auf­ bauend wagte Orosius (VI 22, 8), sogar zu behaupten, das Christentum habe nicht zum Verfall, sondern zum Erhalt des Imperiums beigetragen. Durch die Gnade Jesu habe Rom die Größe, die Stärke gewonnen, die es nun auf seinem Höhepunkt erweise. Da dies nur im Vertrauen auf Gottes sichtbare Güte schlüssig war und mit den Gegebenheiten nicht recht harmonierte, konnte die umgekehrte Folgerung gezogen werden. Die christliche Abkehr von den weltlichen Werten, die Abneigung, Steuern zu zahlen und Kriegsdienst zu leisten, habe die Bereitschaft unterhöhlt, das Reich zu erhalten. Gibbon und Re­ nan sahen in den Germanen und den Christen die Überwinder und Zerstö­ rer Roms. Mit großer Entschiedenheit vertraten Voltaire und Nietzsche die These, der mit der Christianisierung verbundene Gesinnungswechsel habe den Patriotismus untergraben und so dem Staat seine moralische Ba­ sis entzogen. Autoren, die der Weltflucht und dem Glaubensstreit der Christen eine Mitschuld am Zusammenbruch des Reiches zumessen, er­ achten bei einem Ausbleiben der Christianisierung sogar ein Überleben des Imperiums für möglich. Das „finstere Mittelalter“ entfiele (Demandt 1984). p. Lassen wir es dahingestellt, ob ohne das Christentum die Römerherr­ schaft fortbestanden oder - wie ich glaube - trotzdem von den Germanen­ reichen der Völkerwanderung abgelöst worden wäre, so ist eines doch

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klar: Die mittelalterliche Welt hätte ohne Christentum ein völlig anders Gesicht erhalten. Die Bekehrung der Germanen beruht auf deren Wunsch, sich die höhere Kultur des Südens anzueignen. Daß die Germanen von den Römern das Christentum, nicht aber den Brückenbau und die Wasserlei­ tungen übernommen haben, war wohl nur eine Frage der Intelligenz. Schon die heidnischen Kulte der Römer übten eine Anziehungskraft auf die Germanen aus, um so mehr die antike Zivilisation. Wenn wir eine Be­ gnadigung Jesu durch Pilatus annehmen, dann gelangen wir in ein Mittelalter, dessen Städte nicht um Kirchen und Kathedralen, sondern um Son­ nentempel und Kapitole gebaut sind, in denen nicht die Bibel, sondern Homer, Vergil und Edda gelesen wurden, in denen es keine Glaubens­ kämpfe und keine Inquisition gab, aber auch keine Spitäler und keine Ar­ menfürsorge. q. Ein Fortbestand des Heidentums ist durchaus denkbar. Seine Lebens­ kraft wird bisweilen unterschätzt. Denn es hat sich einerseits auf dem Lande, zumal in den Westprovinzen, und andererseits unter Intellektuellen in drei bedeutenden Institutionen lange gehalten: erstens im römischen Se­ nat bis zur Niederlage des Eugenius gegen Theodosius 394 n. Chr. und zweitens im Museion zu Alexandria, wo 415 die Philosophin Hypatia von fanatischen Mönchen zerfleischt wurde, und drittens in der Akademie Pla­ tons in Athen, die Justinian 529 durch Verordnung schloß. Das Christen­ tum bahnte sich seinen Weg mit Gewalt, seitdem die Kaiser die Überzeu­ gung teilten, alle anderen Religionen seien Teufelswerk und Dämonenspuk, dem irdischen Glück ebenso abträglich wie dem himmlischen Heil. r. Denken wir das Christentum aus der Spätantike heraus, entsteht eine Leerstelle: Wäre der Polytheismus nicht durch eine andere Weltreligion er­ setzt worden? Ohne das Christentum selbst verbleiben doch die vier au­ ßerchristlichen Rahmenbedingungen, die den Erfolg des Christenglaubens begünstigt haben. Zum ersten ein verbreitetes Erlösungsbedürfnis bei den unteren Schichten, dokumentiert in der Beliebtheit orientalischer Mysterienkulte. Zum zweiten ein Interesse an einer philosophisch entwicklungs­ fähigen monotheistischen Religion in den gebildeten Kreisen, bezeugt durch die Stoa, den Neuplatonismus und die Gnosis. Zum dritten der Wunsch nach organisierter Staatsreligion, wie sie die Ptolemäer mit dem Herrscherkult vorgeführt und die Kaiser nachgemacht haben. Zum vierten der Überdruß am Luxusleben, die Bereitschaft zu Askese und Philanthro­ pie,wie es die Stoiker lehrten - all das gab’s sowieso. Hier ist durch den Wegfall des Christentums, das alle jene Bedürfnisse zu bündeln und zu stillen verstand, gewissermaßen eine Marktlücke bezeichnet, die nun an­ ders hätte geschlossen werden können. In Frage kommen hierfür die in der Konkurrenz mit dem Christentum unterlegenen Religionen. Sie haben zwar vielfach selbst christliche Eie-

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mente aufgenommen, aber diese lassen sich eliminieren, ohne den Bestand jener Bewegungen zu gefährden. So hat etwa Kaiser Julian (355/61-363) erklärtermaßen unter christlichem Einfluß Menschenliebe und Sitten­ strenge gefordert und den römischen Staatskult umgestaltet, doch hätte dieser auch ohne jene christlichen Elemente fortbestehen können. s. Julian huldigte dem „König Helios“. Dies wäre eine Alternative gewe­ sen. Ein gnostisch-neuplatonisch gedeuteter Sonnenkult besaß gute Aus­ sichten, zur Reichsreligion aufzusteigen. Im apokryphen NikodemusEvangelium (HS. I6, S. 403) schwört Pilatus beim Sonnengott, daß er keine Schuld an Jesus finde. Pilatus wird hier offenbar unter die Mithrasanhänger gerechnet. Sie waren zahlreich. Elagabals und Aurelians solarer Reichsgott sowie die Sonnenverehrung bei Constantin, Licinius und Julian bestätigen die Chancen dieser Religion. Bleibende Spuren hinterließ sie im Namen des von Constantin zum Feiertag erhobenen dies Solls, des Sonn­ tags, und im Weihnachtsfest, unter seinem Nachfolger 354 am Geburtstag des Sonnengottes, am 25. Dezember bezeugt. Der Mithraskult (Clauss 1990) besaß wie das Christentum einen My­ thos und eine Priesterschaft. Es gab ein Kultmahl, eine Liturgie mit Lich­ tern, Weihrauch und Schellen. Mithras hatte - wie die Inschriften zeigen Senatoren, Ritter, Bürger, Freigelassene und Sklaven unter seinen Anhän­ gern, allerdings, wie es scheint, keine Frauen. Das war gewiß ein gewichti­ ges Manko. Dafür besaß der Mithrasdienst eine eschatologische Kosmolo­ gie mit einem Endzeitheiland, taufte (mit Stierblut) und verhieß die Un­ sterblichkeit. Umgekehrt heißt der Messias beim Propheten Maleachi (3, 20) die „Sonne der Gerechtigkeit“. Diese Übereinstimmungen fielen schon den Kirchenvätern im 2. Jahrhundert auf, sie sahen in ihnen schlaue Nach­ äffungen des Teufels, zu dessen Trabanten sie Mithras zählten. Möglicher­ weise hat Ernest Renan (Marc Aurèle, 1882, S. 579) recht: On peut dire que, si le christianisme eût été arrêté dans sa croissance par quelque maladie mortelle, le monde eût été mithraiste. t. Hätte der Sonnenglaube gesiegt, so wäre die Verbindung zur antiken Kultur sehr viel enger geblieben. Die innere Distanz der Christen im römi­ schen Reich zum heidnischen Erbe ist doch beträchtlich. Die Autoren, die noch „tragbar“ waren, wurden entsprechend der jüdisch-christlichen Mo­ ral sorgsam ausgesiebt. Waren die antiken Götter „Trabanten des Teufels“, so gefährdeten die sie verherrlichenden Kulturwerke das Seelenheil jedes Gläubigen. Was die Christen an Kunstgütern durch Gewalt oder Nachläs­ sigkeit zerstört haben, wäre erhalten geblieben, und das ist nicht wenig. Die Arbeit der Renaissance und der Humanisten hätte sich erübrigt. u. Das von Julian verteidigte Heidentum sah sich nicht nur gegenüber dem Christentum in einer Defensivstellung, sondern ebenso gegenüber anderen expansiven Religionen, die sich hätten durchsetzen können. Ge­

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Kapitel 14

ringe Chancen hätten wohl Religionen gehabt, deren Wurzeln außerhalb des Reiches lagen, weswegen sich nationale Vorurteile gegen sie richteten: so die Lehre des Persers Mani und die des Koraischiten Mohammed. Der Manichäismus konnte sich zwar von Persien bis Spanien und Nordafrika ausdehnen, wo der spätere Kirchenvater Augustinus vorübergehend sein bekanntester Anhänger war. Dennoch zeigt das bereits von Diocletian aus­ gesprochene Verbot dieser „Religion aus dem feindlichen Ausland“ Wi­ derstand aus dem Geiste des traditionellen Römertums, das Diocletian ge­ wiß nicht allein vertrat. So haben beispielsweise auch die arianischen Van­ dalen die Manichäer in ihrem afrikanischen Reich mit Feuer und Schwert vertilgt. v. In englischen und irischen Mysterienspielen bekräftigt Pilatus seine Aussage, er finde keine Schuld an Jesus, mit einem Schwur bei Moham­ med. Dies wäre ein wenig verfrüht, aber wäre ein späterer Erfolg des Islam im heidnischen Imperium nicht denkbar? Ihn vermutete Jacob Burckhardt. In seinem Buch »Die Zeit Constantins des Großen« (1880, S. 141) zählt er die „mächtigen Vorzüge“ der christlichen Religion auf und fährt fort: Demgegenüber „finden wir das Heidentum in voller Auflösung be­ griffen, ja in einem solchen Zustande, daß es auch ohne den Zutritt des Christentums kaum noch lange fortlebend zu denken ist. Nehmen wir zum Beispiel an, Mohammed hätte in der Folge seinen fanatischen Mono­ theismus ohne alle Einwirkung von christlicher Seite her zustande bringen können, so hätte das Heidentum am Mittelmeer dem ersten Angriff dessel­ ben so gewiß erliegen müssen als die Heidentümer Vorderasiens. Es war schon allzu tödlich geschwächt durch innere Zersetzung und neue will­ kürliche Mischung.“ Mit dieser Betonung der Unausweichlichkeit des tat­ sächlich Geschehenen lehnt sich Burckhardt an Hegel an, dem er, trotz sei­ ner demonstrativen Distanzierung, näher steht, als er wahr haben wollte. Um Burckhardt Recht geben zu können, müßten wir uns einen Koran auf Griechisch vorstellen und einen Verzicht auf Beschneidung und Bilderver­ bot. Hätte der Islam um seiner Verbreitung im Westen willen sich darauf eingelassen? Koranübersetzungen ins Lateinische gab es, bei denen musli­ mische Gelehrte mitgewirkt haben. u>. Wenn wir die höchste Wahrscheinlichkeit derjenigen Religion ein­ räumen wollten, die dem Christentum am ähnlichsten war, so müßten wir Marcel Simon zustimmen. Er hat 1948 in seinem Buch »Verus Israel« die These vertreten, ohne das Christentum wäre das Reich, wäre die Welt zum jüdischen Glauben übergegangen. Dafür spricht, daß die jüdische Religion in Ausdehnung begriffen war. Schon 139 v. Chr. wurden Juden aus Rom „nach Hause“ geschickt, weil sie, so Valerius Maximus (I 3, 3), die römi­ schen Sitten mit ihrem Glauben infizierten. Die von Horaz (Satiren I 4, 139 ff), Matthäus (23,15), Josephus (Gegen Apion II 10) und Cassius Dio

Was wäre geschehen, wenn...?

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(LVII 17, 1; 18, 5 a) überlieferte Proselytenmacherei war keine systemati­ sche Mission im Sinne des Herrenwortes: „Gehet hin in alle Welt und leh­ ret alle Völker!“ Dennoch verbreitete sich der mosaische Glaube innerwie außerhalb des Imperiums: Griechen drängten sich zu den jüdischen Gottesdiensten, gewiß nicht allein, wie Josephus (Bellum VII 3, 3) schreibt, in Antiochia. Im 1. Jahrhundert traten die Könige von Adiabene im oberen Mesopotamien zum Judentum über, unter den Arabern im Je­ men gewann es Anhänger, ebenso unter den türkischen Chasaren in Süd­ rußland. Daher steht außer Frage, daß die jüdische Religion beträchtliche Anziehungskraft besaß und die Juden sich nicht mehr ausschließlich als Abstammungsgemeinschaft vom Erzvater Jakob verstanden. Einer völligen Öffnung steht freilich entgegen, daß die Juden damit den Anspruch auf ihren Charakter als auserwähltes Volk unter den Völkern, ja als Volk überhaupt hätten aufgeben müssen. Zur Weltreligion im Römer­ reich geworden, wären die Juden als Nation verschwunden wie Salz im Wasser. Wären sie zu einem solch weitgehend veränderten Selbstverständ­ nis bereit gewesen? Um des Erfolges willen hätten die Speisetabus und das Beschneidungsgebot aufgegeben werden müssen. Sie haben die Mission erschwert, zumindest in der griechisch-römischen Welt. Chancen hätte nur ein liberales Judentum gehabt, vertreten etwa durch die sogenannten Gottesfürchtigen, in der Apostelgeschichte phoboumenoi oder sebomenoi genannt, die als „Proselyten des Tores“ den mosaischen Glauben, nicht aber die Rituale annahmen. Aber wurzelt die Kraft dieser Religion nicht gerade in dem periodisch aufkeimenden Fundamentalismus? Er sah in den Liberalisierungstendenzen stets eine Verwässerung des Glaubens, die zu dessen Verdunstung führen würde. Schließlich hätte das Judentum, wenn schon keinen historischen Messias, dann doch einen Organisator der Mis­ sion benötigt, einen unbekehrten Paulus, hat doch der bekehrte das Juden­ tum in die attraktive, eben christliche Form gebracht, in der es die Welt er­ oberte. Voltaire meinte, die Christen seien ohnehin bloß unbeschnittene Juden. Ein Weg des Judentums zur Weltreligion ist aufzeigbar. Nehmen wir an, Antonius Primus, der für Vespasian dessen Vorgänger und Konkurrenten Vitellius 69 n. Chr. bei Bedriacum besiegt hat, wäre unterlegen und Vespa­ sian selber wäre im Kampf mit Vitellius oder vor Jerusalem umgekommen, dann hätte sein Sohn Titus das Kaisertum beansprucht. Um sich gegen Vi­ tellius durchzusetzen, hätte er die Legionen aus Palästina benötigt. Zu die­ sem Zweck hätte er mit den Aufständischen in Jerusalem einen Frieden ge­ schlossen und ihnen im Rahmen eines theokratischen Stadtstaates Auto­ nomie gewährt. Der Tempel wäre erhalten geblieben. Titus hatte sein Herz an Berenike, die Schwester von Agrippa II und Urenkelin von Herodes dem Großen verloren, wie wir von Tacitus (Historien II 81) wissen. Schon

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Kapitel 14

Neros Frau Poppaea Sabina hatte mit dem Judentum sympathisiert, zuvor die Senatorengattin Fulvia. Im Jahre 75 kam Berenike, die „Kleopatra im Kleinen“ (Mommsen), nach Rom und wohnte bei Titus, doch hielt dieser sein Eheversprechen nicht (Sueton, Titus 7). Die Bindung löste sich. Doch wäre sie erhalten geblieben, hätte die Jüdin den Kaiser vielleicht bekehrt, und Titus wäre der Constantin des Judentums geworden. Die auf Vespasian gesetzten Messiaserwartungen (s.o. 81) hätten sich in seinem Sohn bei einer längeren Regierungszeit glänzend bestätigt. Flavius Clemens, ein Vetter von Titus und Domitian, wurde, wie Cassius Dio (LXVII14,1) be­ richtet, 95 n. Chr. in seinem Konsulat wegen Gottlosigkeit hingerichtet. Er sympathisierte offenbar mit dem Judentum und „mit ihm wurden viele an­ dere bestraft“. Daß Dio hier, wie schon die Kirchenväter glaubten, in Wirklichkeit Christen meine, ist unerweislich. x. Hätte das Judentum anstelle des Christentums die Rolle als Weltreli­ gion übernommen, dann hätte es auch keinen Antisemitismus im heutigen Sinne gegeben. Der Vorwurf seitens der Christen, die Juden hätten Jesus ans Kreuz gebracht, die Anklage wegen Gottesmord, war die stärkste Triebfeder der Judenverfolgungen im Laufe der Geschichte, und sie wäre bereits gegenstandslos gewesen, wenn sich Pilatus dem Sanhedrin wider­ setzt und Jesus geschont hätte. Gewiß ist die Judenfeindschaft älter als das Christentum, sie unterscheidet sich von der Feindschaft unter anderen Völkern so, wie sich die Juden von diesen (und umgekehrt) unterscheiden. Diese nichtchristliche Aversion gegen die Juden, in der Antike im wesent­ lichen bei Griechen und Arabern zu beobachten, hätte auch beim Erfolg des Sonnenkultes oder beim Fortbestand des Polytheismus angedauert, nicht aber, wenn das Judentum von der National- zur Universalreligion aufgestiegen wäre. Der ethnisch gefärbte Judenhaß konnte sich nur dort entfalten, wo eine Rivalität bestand, und nur dort austoben, wo die Juden eine Minderheit bildeten. Eine ganz andere Frage ist die, ob nicht das Christentum aus strukturbe­ dingten, gewissermaßen identitätsstrategischen Gründen das Judentum als Erzfeind und Gegenbild benötigt hat, so daß wir, wenn die Weltrolle an das Judentum gefallen wäre, auch diesem einen Antipoden zuweisen müß­ ten. Als Juden der Juden stünden zwei Völker zur Auswahl: die soeben ge­ nannten Griechen und die Araber. Die Palästinenser in Israel lassen daran denken. Im letzteren Falle hätte es bei einem siegreichen Judentum doch einen Antisemitismus gegeben, allerdings in anderem Sinne. y. Pontius Pilatus steht nicht umsonst im Credo. Hätte er geahnt, daß der Name jenes „Judenkönigs“ dreihundert Jahre später auf den Standar­ ten der Legionen stehen würde, daß dessen Anhänger die Macht im Reiche übernehmen und die Juppiter-Tempel in Abstellräume verwandeln wür­ den, dann hätte Pilatus diesen Jesus bestimmt laufen lassen. Hätte er ihn

Was wäre geschehen, wenn ...?

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begnadigt, so wäre alles völlig anders, vielleicht ähnlich wie beschrieben gekommen. Pilatus wußte nicht, was er tat. Insofern konnte er seine Hände in Unschuld waschen. Das in der Geschichte mitunter zu beobachtende Mißverhältnis zwi­ schen kleiner Ursache und großer Wirkung ist in diesem Falle besonders kraß. Es wird vom gläubigen Betrachter kompensiert durch einen Wechsel des Blickpunkts: Der historische Zufall wird als göttliche Fügung verstan­ den und damit nachträglich erhöht in den Rang, den die Würde der Wir­ kung erfordert. Für den Historiker jedoch ist der bewußte, freiwillige Op­ fertod Jesu die nachträgliche Fehldeutung eines folgenreichen Justizmor­ des, sind der Glaube an die Auferstehung und die Hoffnung auf die Wie­ derkehr des Herrn Irrtümer, ohne die eine andere Weltgeschichte erdacht werden müßte. Die christliche Kultur beruht auf diesem vierfachen Irr­ tum. Ihre Aufdeckung durch die Wissenschaft beweist die menschliche Schwäche, deren Eingeständnis die Voraussetzung, deren Überwindung der Zweck des Glaubens ist. z. Goethe beklagte 1794 den durch die Christianisierung vermittelten jüdischen Einfluß, das „unnennbare Unheil“, das der „jüdische Praß uns zugefügt hat. Hätten wir“, so bemerkte er damals zu Karl August Böttiger in Weimar, „die Sodomitereien und ägyptisch-babylonischen Grillen nie kennen lernen, und wäre Homer unsere Bibel geblieben, welch ein ganz andere Gestalt würde die Menschheit dadurch gewonnen haben!“ Goethe ist hier undankbar. Besitzen wir doch nun die Bibel und den Homer zu­ gleich! Ohne das Urteil des Pilatus wäre es nicht zum Neuen Testament, nicht zum christlichen Europa, nicht zum Œuvre Goethes gekommen. Auch nicht zu diesem meinem Buch. Doch auf das hätte die Weltge­ schichte vielleicht gerade noch verzichten können.

Träume in Gethsemane Es ward aber Sein Schweiß wie Blutstropfen, die fielen auf die Erde. Lukas

Und als der Engel von Ihm gewichen war, hörte Er auf zu zittern und zu zagen. Zum dritten Mal kam Er zu seinen Jüngern, fand sie immer noch schlafend im Lichte des fast schon vollen Mondes, seufzte und sprach: Was ruhet ihr? - In den Zypressen sangen die Zikaden ihr Nachtlied, und unten rauschte der Bach Kidron zwischen den Gräbern der Heiligen. Die Stunde des Menschensohnes war nahe. Und Er trat zu Petrus. Der ruhte an einem bemoosten Felsen, schlug die schlafschweren Augen auf und stöhnte: Rabbi, vernimm: Ich hatte einen Traum. Ich hörte, und eines Weibes Stimme keifte: Mann, laß ihn leben, den Hahn, schlachte ein Huhn! Denn Bailila, die Magd des Hohen Prie­ sters, wollte ihn kaufen, unseren Alektor, und bot mir gutes Geld, da hab ich ihn ihr versprochen. Ihr gefällt sein Kikeriki.

Und Er suchte Andreas. Der lehnte an einem windschiefen Ölbaum, gähnte und sagte: Mir träumte, ich ginge am Hof eines Zimmermannes vorbei. Da murrten zwei Knechte, sie hätten genug für heute geschafft! Aber der Meister, er sprach galiläisch, heischte sie an: Zwei Balken müßt ihr noch heilen! Sauber, wie in Nazareth. Hat doch der Landvogt sie ge­ stern bei mir bestellt. Morgen hält er Gericht. Ich glaube, die sind für den Mörder, den Barabbas. Und Er bückte sich nieder zu Simon dem Eiferer. Der lag an einer jungen Palme, erwachte nur halb und flüsterte: Da zog eine Karawane aus dem glücklichen Arabien hinab nach Damaskus. Und ein alter Kaufmann sprach zum anderen: Laß uns weiterziehen nach Jerusalem, dort zahlt man für unsere Spezereien bessere Preise! Die Frauen salben neuerdings ihre teueren Toten damit.

Und Er schritt hinüber, einen Steinwurf weit, zu Jakobus, dem ungestü­ men Bruder des Johannes. Den nannte Er: Sohn des Donners. Der schlief

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Träume in Gethsemane

neben seinem Schwert. Hattest du auch ein Gesicht? Oh ja, Herr, ich stand in einer Nagelschmiede und fürchtete mich, denn ein Kriegsmann schrie und zog blank, als der schwarze Geselle Zahlung verlangte. Ruhe, Racha! Die neune sind für den Landpfleger. Her damit! Und noch einen Hammer dazu! Darauf der Bursche: Keine Zange?

Und Er wandelte weiter zu Philippus. Der hatte den Kopf auf den halblee­ ren Weinschlauch gebettet, blinzelte und merkte auf: Stolzierte da nicht eben die Frau des Pilatus über den Markt? Die Prokla? Um den Hals trug sie ein Goldband in Gestalt einer Schlange, die hatte eine Feige zwischen den Zähnen. Drei Sklaven folgten ihr. Sie traten in die Werkstatt von Tubal-Kain, dem einäugigen Kesselschmied: Ein bronzenes Becken, bitte! Groß oder klein? Mittelgroß, zum Händewaschen! Und Er kam zu Bartholomäus. Der döste auf dem zerborstenen Mühlstein einer Ölkelter und wähnte sich in felsiger Höhle. Drei Steinmetzen lagen Seite an Seite, hämmerten und meißelten, daß ihnen der Schweiß aus den Poren troff. Los, los! Wenn wir vor Passah mit dem Grab nicht fertig wer­ den, dann kommen wir um unseren Hundelohn! Die Leute aus Arimathia, so reich sie sind, so hart sind sie.

Und weiter ging Er durch blühenden Thymian, hin zu Thaddäus. Der war unter einer krummen Pappel entschlummert und hatte von der Ka­ schemme am Misttor geträumt. Zwei Kriegsknechte nahmen dem Juden­ wirt dort unbarmherzig seine Würfel ab. Halt’s Maul, die sind falsch!, sag­ ten sie, und steckten sie in ihre Tasche. Sie waren aber echt, nur die Männer waren falsch. Doch sie waren stark und sorgten für Ordnung. Pilatus ver­ traute auf Samariter. Und Er fand Jakobus Alphäi, schlaftrunken am Fuß einer alten Pinie. Der rieb sich verstört die Augen. Ihm war, als stünde er im Hof eines feisten sy­ rischen Weinhändlers. Eben mischten zwei dürre Burschen Wasser und Essig zu Posca und füllten den Trunk in einen Krug. Es ist eine Hitze und ein Staub da oben auf Golgatha, meinte der eine, das macht ihnen Durst bei der Arbeit. Und der Weinhändler rieb sich die Hände: Recht hat die Schrift! Dürstet ihn, so tränke ihn, und Gott wird’s dir vergelten. Und Er traf auf Thomas, den Zwilling. Der zuckte wie von einem Skor­ pion gestochen, als Jesus ihn sanft auf den baren Fuß trat. Thomas warf die Arme in die Luft, so als wollte er sich von einer Last befreien. Ein Bündel Papyrus lag ihm auf der Brust, als sein Schiff von Alexandria nach Byblos fuhr. Alle Welt, so hörte er sagen, will jetzt die Worte des neuen Propheten

Träume in Gethsemane

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aus Galiläa lesen. Die Leute im Lande warten auf seine Auferstehung. Ist er Osiris?

Und Er sah den ach! so müden Matthäus an der Mauer kauern. Der wollte und wollte nicht wach werden, denn er glaubte sich in einer kuppelreichen Stadt im fernen Westen, grade am Hang eines Tempelberges. Da wurden ping-pong, ping-pong blitzeblanke Denare geschlagen. Ein zottiger Kerl (kam der vom Rhein?) verpackte sie, je dreißig in ein Beutelchen aus Lammleder. Wo gehen die hin? fragte Matthäus. Nach Syrien! Ein jeder Beutel ein guter Preis für ein schlechtes Kamel.

Judas, hatte sich wegen Kopfschmerzen (Neuralgia Capitalis) entschuldigt und das Abendmahl vorzeitig verlassen. Thomas der Zweifler nahm ihm den Grund nicht ab, er glaubte an ein Rendezvous des Säckelmeisters mit Maria Magdalena. Sieben böse Geister hatte Jesus aus ihrem Leib vertrie­ ben, sie aber nicht angeriihrt. War das ein Mann? Gewiß: Judas, der beutel­ starke Messermann, war ein solcher, dazu der einzig Wachende der Sei­ nen. Er träumte trotzdem - vom Ende der Gottlosen. Sollen die Knechte der Römer doch Hand an Ihn legen! Dann wird Er endlich die zwölf Le­ gionen Engel herabrufen, die Fremden verjagen und - oh Jubel! - die Herrlichkeit Davids erneuern. Sein Reich komme! Das hoffte, wenn er wach war, ebenso Johannes Zebedäi, den Er lieb hatte. Auch der hatte die Augen voll Schlaf und ruhte im Schatten des Mond­ lichts unter einer vom Blitz zerborstenen Zeder. Als Jesus sich näherte, rief ein Kauz im Geäst. Jesus blickte hinüber auf das schweigende Jerusalem und murmelte das Wort Jesajas über Babel: Wüstentiere werden lagern in der Stadt, und ihre Häuser werden voll Eulen sein. Johannes aber blickte verwirrt und verwundert um sich, richtete sich auf und sprach: Rabbi, ver­ zeih! Mir war als wär ich gefiedert und schwebte über einem vielgetürmten Dächermeer fern im Norden. Da schaute ich in ein mitternächtliches Oberstübchen mit fünf künstlich erleuchteten Fenstern. Drin saß ein Kahlkopf in schwarz-weißem Kaftan und schrieb und schrieb mit spitzi­ ger Feder. Auf seinem Tisch stand eine halbvolle Flasche Rotwein, dane­ ben lagen gelbe Oblaten. Seine Frau sah ihm über die Schulter: Mann trink nicht so viel! Geh schlafen! Der aber träumte von uns, Herr, denn er dachte an Dich! Und Er beugte sich zu Johannes hinab und gab ihm einen Kuß. Da wurde es hell im Garten. Ging denn die Sonne schon auf? Ach nein, sie ka­ men mit Fackeln. Die Stunde des Menschensohnes war da.

Zeittafel - 1300 - 1220 - 1200 - 1100 - 1020 - 1000 - 970 - 930 721 621 587 538 515 445 332 302 - 250 200 169 168 167 165/164 14.XII.164 161 160 153 145 142 135 105/104 103 76 66 64/63

Seevölkerwanderung: Philister Stele des Merenptah nennt Israel Auszug Moses aus Ägypten Richter-Zeit Saul wird erster König David wird König Salomon wird König: Tempelbau Reichsteilung: Juda im Süden, Israel im Norden Assyrer-König Sargon II erobert Samaria „Zweite“ Gesetzgebung des Josia Nebukadnezar erobert Jerusalem, Babylonische Gefangenschaft Kyros gestattet den Juden die Heimkehr Zweiter Tempel eingeweiht Nehemia in Jerusalem: Gesetz, Mauer Alexander d.Gr. gewinnt Judäa Ptolemaios I besetzt Jerusalem Griechische Bibel: Septuaginta Judäa von Antiochus III besetzt Antiochus IV erobert Jerusalem Tag von Eleusis bei Alexandria Makkabäer-Aufstand Buch Daniel Tempeldienst erneuert (Chanukka-Fest) Hilfsgesuch von Judas Makkabäus an Rom Jonathan folgt seinem Bruder Judas als Ethnarch über Israel Jonathan wird Hoher Priester Jonathan erneuert den Bund mit Rom Simon folgt seinem Bruder Jonathan als Ethnarch sein Sohn Johannes Hyrkan I wird Ethnarch sein Sohn Aristobul I wird König sein Sohn Alexander Jannaeus wird König seine Witwe Salome Alexandra regiert als Königin Pompeius besiegt Mithradates Pompeius in Antiochia

252

Anhang

63 Pompeius empfängt die Juden in Damaskus und erobert Jeru­ salem: Hyrkan II, Sohn Alexandras, wird Ethnarch in Judäa, Aemilius Scaurus Statthalter in Syrien 57 Gabinius Statthalter in Syrien 55 Der Idumäer Antipater regiert Judäa „unter“ dem Ethnarchen Hyrkan II 53 Niederlage des Crassus bei Carrhae 47 Caesar bestätigt Antipater und Hyrkan II 44 Cassius in Syrien. Antipaters Sohn Herodes unterstützt die Caesarmörder 42 Augustus siegt bei Philippi, Herodes arrangiert sich mit ihm 41 Herodes flieht vor den Parthern zu Marc Anton nach Rom 40 Parther in Judäa, Herodes in Rom zum König ernannt 37 Herodes erobert Jerusalem mit römischer Hilfe 31 Augustus siegt bei Actium und bestätigt Herodes 27 Syrien wird kaiserliche Provinz 6 Quinctilius Varus wird Legat in Syrien 4 Tod des Herodes, Augustus teilt sein Reich, Archelaus wird Ethnarch Judäas, Passah-Aufstand in Jerusalem -1 v. Chr. Geburt Jesu in Nazareth 4 n. Chr. Quinctilius Varus beendet den „Räuberkrieg“ in Judäa 6 Augustus verbannt Archelaus. Quirinius Legat von Syrien. Coponius erster Präfekt von Judäa. Volkszählung. Erhebung des Judas von Gamala. 9 Ambivius zweiter Präfekt von Judäa 12 Annius Rufus dritter Präfekt von Judäa 14 Tiberius folgt Augustus auf dem Thron 15 Valerius Gratus vierter Präfekt von Judäa 18 Gratus ernennt Kaiphas zum Hohen Priester 19 Tiberius verbannt die Juden aus Rom 26/27 Pilatus fünfter Präfekt von Judäa - 28 Taufe Jesu, Nikodemus-Passah (Joh. 2,13) - 29 Hinrichtung Johannes des Täufers, Brotvermehrungs-Passah (Joh. 6,4), Jesus auf dem Laubhüttenfest (Joh. 7,2) 7.IV.30 Kreuzigung Jesu 35 Vitellius Legat in Syrien 36 Erhebung der Samaritaner 36/37 Pilatus durch Marcellus/Marullus abgelöst (?) Stephanus gesteinigt, (?) Bekehrung des Paulus

Zeittafel

253

16.III.37 Tiberius stirbt, Caligula wird Kaiser, Vitellius zu Passah in Jerusalem, Kaiphas abgesetzt, Pilatus kommt nach Rom Agrippa I wird König 38 Judenhetze in Alexandria 40 Caligula befiehlt, sein Bild nach Jerusalem zu bringen 24.1.41 Caligula ermordet. Claudius wird Kaiser. Claudius an die Alexandriner. Herodes Agrippa I wird Herr von Judäa 44 Jakobus Zebedäi geköpft (?) Bekehrung des Paulus vor Damaskus, Cuspius Fadus erster Procurator in Judäa 45 Erhebung des Theudas 46 Tiberius Alexander zweiter Procurator in Judäa. 47 Erhebung der Söhne des Judas von Gamala 48 Ventidius Cumanus dritter Procurator in Judäa, (?) Apostelkonzil - 49 Claudius verbannt die Juden aus Rom - 50 Paulus in Korinth 50 Herodes Agrippa II König von Galiläa 51 Raubkrieg zwischen Samaritanern und Juden Ummidius Quadratus Legat in Syrien 52 Felix vierter Procurator in Judäa 54 Nero wird Kaiser 58 Paulus in römischer Haft in Caesarea 60 Festus fünfter Procurator in Judäa 61 Paulus in Rom 62 Tod des Festus, Steinigung des Herrenbruders Jakobus Albinus sechster Procurator in Judäa Endzeitprophet Jesus, Sohn des Ananus 64 Gessius Florus letzter Procurator in Judäa Brand Roms. Christenverfolgung Neros 65 Passah-Demonstration gegen Florus 66 Erhebung des Menahem in Jerusalem, Beginn des Jüdischen Krieges 67 Josephus in Jotapata gefangen 68 Erhebung Galbas, Tod Neros 69 Erhebung des Vitellius, Tod Galbas, Erhebung Vespasians 70 Jerusalem von Titus erobert, Tempel zerstört 71 Triumph von Vespasian und Titus in Rom 73 Flavius Silva erstürmt Masada

Beamten-Tabelle Kaiser

Legaten Syriens

Statthalter Judäas

Hohe Priester 34 v. Chr. Ananel ? Jesus, Sohn den Phiabi 24-5 v. Chr. Simon, Sohn des Boethos oder dieser selbst

31 v. Chr. Augustus

9 v. Chr. Gaius Sentius Saturninus

6 v. Chr. Publius

Quinctilius Varus 4 v. Chr. ?

1 v. Chr. Gaius Caesar 4 n. Chr. Lucius Volusius Saturninus

6 v. Chr. Coponius, Praefectus Iudaeae

5-4 v. Chr. Matthias, Sohn des Theophilos ? Joseph, Sohn des Ellem 4 v. Chr. Joasar, Sohn des Boethos nach 4 Eleasar, Sohn des Boethos ? Jesus, Sohn des See ? Joasar, Sohn des Boethos

255

Beamten-Tabelle

Kaiser

Legaten Syriens

Statthalter Judäas

6 n. Chr. Hannas

6 Publius Sulpicius Quirinius

12 Quintus CaeciLius Metellus Creticus Sila-

Hohe Priester

9 n. Chr. Ambibulus 12 Annius Rufus

NUS

14 n. Chr. Tiberius

15 Valerius Gratus

17 Gnaeus Calpurnius Piso

vor 15 Fünf Söhne des Hannas 15 Ismael, Sohn des Phiabi 16 Eleasar, Sohn des Hannas 17 Simon, Sohn des Kamithos 18 Joseph, genannt Kaiphas, Schwie­ gersohn des Han­ nas

19 Gnaeus Sentius Saturninus ? 26 Pontius Pilatus Pacuvius vertretungsweise 32 Lucius Pomponius Flaccus 35 36 Lucius Vitellius Jonathan, Sohn des Hannas

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Anhang

Kaiser

Legaten Syriens

37 Gaius/Caligula

Statthalter Judäas

Hohe Priester

37 Marcellus/ Marullus

37 Theophilos, Sohn des Hannas

39 Publius Petronius

41

Claudius

41 41 König Agrippa I Simon Kantheras, Sohn des Bo­ ethos 42 ? Gaius Vibius Matthias, Sohn Marsus des Hannas 44 ? Cuspius Fadus, Elionaios, Sohn Procurator Iudes Kantheras daeae ? 45 Gaius Cassius Joseph, Sohn des Longinus Kami 46 Tiberius Iulius Alexander 47 Ananias, Sohn des Nedebaios 48 Ventidius CUMANUS

54 Nero

52 Antonius Felix 55 Publius Anteius 56 Gaius Ummidius Durmius Quadratus

257

Beamten-Tabelle

Kaiser

Legaten Syriens

Statthalter Judäas

60 Gnaeus Domitius Corbulo

60

Porcius Festus

62 Albinus

63 Gaius Cestius Gallus

68 Galba 68 Otho 68

68 Gaius Licinius Crassus Mucianus

64 Gessius Florus

Hohe Priester 59 Ismael, Sohn des Phiabi

61 Joseph Kabi, Sohn des Simon 62 Hannas, Sohn des Hannas 62 Jesus, Sohn des Damnaios 63 Jesus, Sohn des Gamaliel 65 Matthias, Sohn des Theophilos 67/68 Phannias, Sohn des Samuel

VlTELLIUS

69 Vespasian

70 Lucius Caesennius Paetus

70 Pinechas

Literatur und Abkürzungen Die Bibel ist nach der Luther-Übersetzung zitiert, jedoch jeweils mit dem Urtext abgeglichen und, wo erforderlich, danach verbessert. Die antiken Texte griechischer und lateinischer Autoren wurden in der zweisprachigen Ausgabe der LCL benutzt: Flavius Josephus herausgegeben und ins Engli­ sche übersetzt von H. St. J. Thackeray 1926 ff., Philo Judaeus (Legatio ad Gaium) herausgegeben und ins Englische übersetzt von F. H. Colson 1962. Ins Deutsche wurde Josephus übertragen durch Heinrich Clementz (1899 ff.); O. Michel und O. Bauernfeind haben 1962 die Schrift »De bello Judaico« griechisch und deutsch vorgelegt. Der Gesandtschaftsbericht Philos (Legatio ad Gaium) wurde in deutscher Übersetzung herausgege­ ben von Willy Theiler 1964. Antike Autoren werden wie die Bibel nie mit Seitenangaben zitiert, sondern nach Buch, Kapitel und Paragraph bzw. Vers. Die belletristische Pilatus-Literatur ist in Kapitel 13 aufgeführt. G£za Alföldy, Un celebre frammento epigrafico Tiburtino anonimo (P. Sulpicius Quirinius?), In: Inscriptiones Sanctae Sedis 2, 1997, S. 199 ff. Ders., Pontius Pilatus und das Tiberieum von Caesarea Maritima. In: Scripta Classica Israelica 18, 1999, S. 85 ff ANRW: Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt (Sammelwerk, hg. von W. Haase und Hildegard Temporini, 1972 ff.) Ant.: Antiquitates Judaicae, Werk des Flavius Josephus. Jürgen Becker, Jesus von Nazareth, 1996 Ernst Benz, Der gekreuzigte Gerechte bei Plato, im Neuen Testament und in der Alten Kirche, 1950 Alexander Berendts, Die Zeugnisse vom Christentum im slavischen »De Bello Judaico« des Josephus, 1906 Ders./Konrad Grass, Flavius Josephus. Vom Jüdischen Kriege, Buch IIV. Nach der slavischen Übersetzung deutsch herausgegeben und mit dem griechischen Text verglichen, Dorpat 1924 Otto Betz, Probleme des Prozesses Jesu. In: ANRW. II 25,1, 1982, S. 565 ff. Elias Bickerman, Studies in Jewish and Christian History III, 1986. Ludwig Bieler, Theios Aner. Das Bild des „göttlichen Menschen“ in Spätantike und Frühchristentum, 1935/36

Literatur und Abkürzungen

259

Karl Bihlmeyer, Die Apostolischen Väter, 1956 Jochen Bleicken, Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches, 1994 Josef Blinzler, Die Niedermetzelung von Galiläern durch Pilatus. In: Novum Testamentum 2, 1957, S. 24-39 Ders., Der Prozeß Jesu, 1969 Helen K. Bond, Pontius Pilate in History and Interpretation, 1998 Samuel George Frederick Brandon, The Trial of Jesus of Nazareth, 1968 Rudolf Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 1921/ 1957 Hubert Cancik, Die Gattung Evangelium. In: Ders. (Hg.), Markus-Phi­ lologie, 1984, S. 85 ff. Joel Carmichael, The Death of Jesus, 1963 Massimo Centini, Ponzio Pilato, 1994 Manfred Clauss, Geschichte Israels von der Frühzeit bis zur Zerstörung Jerusalems (587 v. Chr.), 1986 Ders., Mithras, Kult und Mysterien, 1990 Wilhelm Creizenach, Legenden und Sagen von Pilatus. In: Hermann Paul/Wilhelm Braune (Hgg.), Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 1, 1874, S. 89 ff Ders., Judas Ischariot in Legende und Sage des Mittelalters. In: a. O. 2, 1876, S.177 ff John Dominic Crossan, Der historische Jesus, 1994 Ders., Wer tötete Jesus? Die Ursprünge des christlichen Antisemitismus in den Evangelien, 1999 CSHB: Corpus Scriptorum Historiae Byzantinae, ed. B. G. Niebuhr, Bonn 1828 ff CTh.: Codex Theodosianus, ed. P. Krüger, P. Meyer, Th. Mommsen, 1904/ 05 Alexander Demandt, Verformungstendenzen in der Überlieferung anti­ ker Sonnen- und Mondfinsternisse, Akademie-Abhandlung Mainz 1970 Ders., Der Fall Roms. Die Auflösung des römischen Reiches im Urteil der Nachwelt, 1984 Ders., Ungeschehene Geschichte. Ein Traktat über die Frage: Was wäre geschehen, wenn..., 1986 Ders., Antike Staatsformen, 1995 Heinrich Denzinger, Enchiridion Symbolorum, ed. A. Schönmetzer, 1976 Hermann Dessau, Inscriptiones Latinae Selectae, 1892-1916 Ernst von Dobschütz, Pilatus. In: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 15, 1904, S. 397-401

260

Anhang

Jan Willem Drijvers, Helena Augusta. The Mother of Constantine the Great and the Legend of Her Finding of the True Cross, 1992 Karl August Eckhardt, Die Herkunft des Messias. In: Archiv für Kul­ turgeschichte 31, 1942, S. 257ff. H. Ewald, rez. Cureton, Spicilegium, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 67, 1856, S. 661 ff Erich Fascher, Pilatus. In: RE. XX, 1950, S. 1322 f Ders., Das Weib des Pilatus, 1951 Ivan Franko, Beiträge aus dem Kirchenslavischen zu den neutestamentlichen Apokryphen. In: Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissen­ schaft 7, 1906, S. 151 ff Ludwig Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms, 1921 ff Antonio Frova, L’iscrizione di Ponzio Pilato a Cesarea. In: Rendiconti dell' Istituto Lombardo 95, 1961, S. 419-434 Thomas Gaehtgens, Davids Marat (1793) oder Die Dialektik des Opfers. In: A. Demandt (Hg.), Das Attentat in der Geschichte, 1996, S. 187 ff H. E. Goldin, The Case of the Nazarene Re-opened, 1948 Ilenia Gradante, La coretta lettura etc. In: Inscriptiones Sanctae Sedis 2, 1997, S.215 Heinrich Graetz, Geschichte der Juden, 1878 Ders., Geschichte der Juden III 1, 1905 (Ausgabe letzter Hand) Herbert Haag, Bibel-Lexikon, 1968 N. Haas, Anthropological Observations in the Skeletal Remains from Giv’at ha-Mivtar. In: Israel Exploration Journal 20, 1970, S. 38 ff Peter W. Haider (u. a. Hg.), Religionsgeschichte Syriens von der Früh­ zeit bis zur Gegenwart, 1996 Adolf von Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums, I/II, 1924 HE: Historia Ecclesiastica (Kirchengeschichte) Martin Hengel, Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheits­ bewegung in der Zeit von Herodes I bis 70 n. Chr., 1961 Ders., War Jesus Revolutionär?, 1970 Ders., Crucifixion in the Ancient World, 1977 Dieter Hennig, Lucius Aelius Seianus. Untersuchungen zur Regierung des Tiberius, 1975 George Francis Hill, Catalogue of the Greek Coins of Palestine in the British Museum, 1914 Hermann Ferdinand Hitzig, Crux, RE. IV, 1901, S. 1728 ff HS: E. Hennecke/W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung I/II, 6. Aufl. 1989/1990 Joh.: Evangelium nach Johannes

Literatur und Abkürzungen

261

Emil Kautzsch (Hg.), Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, I/II, 1900 Karl Kertelge (Hg.), Der Prozeß gegen Jesus, 1988 KHM: Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm Niko Kokkinos, The Herodian Dynastie, 1998 Helmut Köster, Einführung in das Neue Testament, 1980 Carl H. Kraeling, The Episode of the Roman Standards at Jerusalem. In: Harvard Theological Review 35, 1942, S. 263 ff H. W. Kuhn, Die Kreuzesstrafe während der frühen Kaiserzeit. In: ANRW. II 25, 1, 1982, S. 648 ff Richard Laqueur, Der jüdische Historiker Flavius Josephus, 1920 L.C.: loco citato, an der angeführten Stelle LCL: Loeb Classical Library (griechische und lateinische Texte mit engli­ scher Übersetzung, Einleitung und knappem Kommentar) Jean-Pierre Lémonon, Pilate et le gouvernement de la Judée, 1981 Hans Lietzmann, Der Prozeß Jesu (1931). In: Ders., Kleine Schriften II, ed. K. Aland, 1958, S. 251 ff. LK. Evangelium nach Lukas Ernst Lohse, Die römischen Statthalter in Jerusalem. In: Zeitschrift des deutschen Palästinavereins 74, 1958, S. 69 ff Alois Lütolf, Sagen, Bräuche und Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, 1862 Johann Maier, Jesus von Nazareth in der talmudischen Überlieferung, 1978 Ders., Geschichte der Juden im Altertum, 1989 Ders., Die Qumran-Essener: Die Texte vom Toten Meer, 1 1995, II 1995, III 1996 Ders., Die Tempelrolle vom Toten Meer und das »Neue Jerusalem«, 1997 Paul L. Maier, Pontius Pilate, New York, 1968, deutsch: Pontius Pilatus. Sein Leben und seine Zeit nach Dokumenten, 1970 (Historischer Ro­ man mit wissenschaftlichem Anhang) Ders., The Episode of the Golden Shields at Jerusalem. In: Harvard Theo­ logical Review 62, 1969, S. 109 ff. Ders., The Fate of Pontius Pilate. In: Hermes 99, 1971, S. 362 ff Ders., The Inscription on the Cross of Jesus of Nazareth. In: Hermes 124, 1996, S. 58 ff Eduard Meyer, Ursprung und Anfänge des Christentums I, 1924; II 1925; III 1923 Fergus Millar, The Roman Near East, 31 BC-AD 337, 1994 Ders., Reflections on the Trial of Jesus. In: Philip R. Davies/Richard T. White (eds.), A Tribute to Geza Vermes. Essays on Jewish and Christian Literature and History (Journal for the Study of the Old Testament,

262

Anhang

Supplement Series 100). Sheffield 1990, S. 355 ff. Mk.: Evangelium nach Markus Theodor Mommsen, Judäa und die Juden. In: Ders., Römische Ge­ schichte V, 1885 Kap. XI Ders., Römisches Strafrecht, 1899 Ders., Die Pilatus-Äcten (1902). In: Ders., Gesammelte Schriften III (1907), S. 423 ff. Mt. Evangelium nach Matthäus Gustav Adolf Müller, Pontius Pilatus, der fünfte Prokurator von Judäa etc., 1888 (Pilatus-Sagen! Bibliographie seit 16. Jahrhundert) Herbert Musurillo, The Acts of the Pagan Martyrs. Acta Alexandrinorum, 1954 Davide Nardoni, Sotto Ponzio Pilato, 1987 NH: Naturalis Historia, Naturgeschichte des Plinius Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden, hg. von K. Schlechta, 1960 Karl Leo Noethlichs, Das Judentum und der römische Staat. Minder­ heitenpolitik im antiken Rom, 1996 Eduard Norden, Josephus und Tacitus über Jesus Christus und eine messianische Prophetie (1913). In: Ders., Kleine Schriften zum klassi­ schen Altertum, 1966, S. 241 ff. Ders., Die Geburt des Kindes, 1924 OGIS: Orientis Graeci Inscriptiones Selectae, ed. W. Dittenberger, 19031905 Wolfgang Orth, Die Provinzialpolitik des Tiberius, 1970 Marcus Antonius van den Oudenrijn, Gamaliel. Äthiopische Texte zur Pilatusliteratur, 1959 par.: Mit den Parallelstellen, die in den Bibelausgaben in der Regel angege­ ben sind Hermann Peter, Pontius Pilatus, der römische Landpfleger in Judäa. In: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum 19. Band, 10. Jahrgang, 1907 I, S.1-40 Hans-Georg Pflaum, Les procurateurs equestres sous le Haut-Empire Romain, 1950 PG: Patrologia Graeca, ed. J. P. Migne, 1857 ff. PL: Patrologia Latina, ed. J.P. Migne, 1844 ff. Praef.: praefatio-Vorwort Luisa Prandi, Civiltä classica e cristiana II 1, 1981 Tessa Rajak, Josephus. The Historian and His Society, 1983 RE: Pauly/Wissowas Realencyklopädie der classischen Altertumswissen­ schaft, 1893 ff. R. Reich, Caiaphas Name Inscribed on Bone Boxes. In: Biblical Archaeo­ logy Review 18, 1992, S. 41

Literatur und Abkürzungen

263

Bo Reicke / Leonhard Rost, Biblisch-Historisches Handwörterbuch, 1962 ff. Ernst Renan, La vie de Jésus, 1863 Ders., Das Leben Jesu, deutsch von Paul Seliger, 1863/1902 Duane W. Roller, The Building Program of Herod the Great, 1998 Klaus Rosen, Der Prozeß Jesu und die römische Provinzialverwaltung. In: Festgabe Heinz Hörten, 1988, S. 121 ff Ders., Rom und die Juden im Prozeß Jesu. In: A. Demandt (Hg.), Macht und Recht. Große Prozesse in der Geschichte, 1990, S. 39 ff Maurice Sartre, L’orient romain. Provinces et sociétés provinciales en Méditerranée orientale d’Auguste aux Sévères, 1991 Ders., Rom und die Juden im Prozeß Jesu. In: A. Demandt (Hg.), Macht und Recht. Große Prozesse in der Geschichte, 1990, S. 39 ff Peter Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, 1983 Ders., Judeophobia, Attitudes toward the Jews in the Ancient World, 1997 Karl Schoch, Christi Kreuzigung am 14. Nisan. In: Biblica, 9, 1928, S. 48 ff. Klaus Schreiner, „Wann kommt der Retter Deutschlands?“ Formen und Funktionen von politischem Messianismus in der Weimarer Repu­ blik, In: Saeculum 49, 1998, S. 107 ff. Emil Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, I, 1901/1970 Ders., The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (175 BC - AD 135), edd. G. Vermes/F. Millar, 1973 ff Roland Schütz, Johannes der Täufer, 1967 Albert Schweitzer, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, 1906/1933 Petra Sevrugian, Der Rossano-Codex und die Sinope-Fragmente, 1990 Adrian Nicholas Sherwin-White, Roman Society and Roman Law in the New Testament, 1963 SIG: w. Dittenberger, Sylloge Inscriptionum Graecarum, 3. ed. II 1917 Marcel Simon, Verus Israel. Relations entre juifs et chrétiens dans l’Empire romain 153-425, 1948 Ders., Mithra, rival du Christ? Études Mithriaques, Acta Iranica 17, (Kongr. Teheran 1975), 1978, S. 468 ff E. Mary Smallwood, The Date of the Dismissal of Pontius Pilate from Judaea. In: Journal of Jewish Studies 5, 1954, S. 12-21 Heikki Solin, Pilatus. In: Arctos 6, 1970, S. 108 ff Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes I/II, 1924/50 Reinhart Staats, Die Glaubensbekenntnisse von Nizäa-Konstantinopel, 1996

264

Anhang

Ethelbert Stauffer, Zur Münzprägung und Judenpolitik des Pontius Pilatus. In: La Nouvelle Cliol/2, 1949/50, S. 495-511 Menaham Stern, Greek and Latin Authors on Jews and Judaism, I-III, 1974-1984 August Strobel, Der Termin des Todes Jesu. Überschau und Lösungs­ vorschlag unter Einschluß des Qumrankalenders. In: Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der Älteren Kirche 51, 1960, S. 69 ff Fritz Taeger, Charisma. Studien zur Geschichte des antiken Herrscher­ kultes. I 1957, II 1960 Gerd Theissen/annette Merz, Der historische Jesus, 1997 WA: Weimarer Ausgabe der Werke von Goethe und Luther Karl Weinhold, Zu dem deutschen Pilatusgedicht. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie 8, 1877, S. 253 ff. K. Wieser, Pontius Pilatus nach den jüdischen, neutestamentlichen und apokryphen Quellen, Diss. Wien, 1959 (mir unerreichbar) Edouard Will/Claude Orrieux, Prosélitisme juif? Histoire d’une erreur, 1992 Adam Simon van der Woude, Die messianischen Vorstellungen der Ge­ meinde von Qumran, 1962 Paul Winter, On the Trial of Jesus, Studia Iudaica 1, Berlin 1961 Yigal Yadin, Epigraphy and Crucifixion. In: Israel Exploration Journal 23, 1973, S.18 ff Heinrich Zimmern, Zum babylonischen Neujahrsfest. In: Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse 70, 1918 Nr. 5

Nachtrag: Claudio Bonvecchio/Domenico Coccopalmerio (Hgg.), Ponzio Pilato o del giusto guidice. Profili di simbólica politico-giuridica, 1998

Bildnachweise Die Herkunft der Abbildungen ist jeweils am Ende der Legende vermerkt. Bilder ohne Herkunftsnachweis stammen aus der Lehrbildsammlung des Autors. Bild 1 Bild 2 Bild 3 Bild 4 Bild 5 Bild 6 Bild 7 Bild 8 Bild 9 Bild 10 Bild 11 Bild 12 Bild 13 Bild 14 Bild 15 Bild 16

Das Reich Davids................................................................. 1 Der Tempel des Herodes (Rekonstruktion) ...................... 22 Jerusalem in neutestamentlicher Zeit .................................. 23 Stammbaum der Hasmonäer................................................ 24 Stammbaum der Familie des Herodes ................................ 26 Karte Palästinas zur Zeit Jesu.............................................. 30 Verbotsschild vom Jerusalemer Tempel.............................. 48 Chirbet Qumran, Rekonstruktion der Gebäude................ 54 Bronze-Münze des Pilatus.................................................... 71 Bronze-Münze des Herodes Antipas.................................. 72 Die Pilatus-Inschrift von Caesarea Maritima .................... 74 Stemma der Evangelien ....................................................... 101 Rekonstruktion des Gekreuzigten von Giv’at ha-Mivtar .. 168 Rekonstruktion des Titulus Crucis...................................... 170 Titulus-Reliquie aus Santa Croce in Rom.......................... 186 Siegesmünze Vespasians Iudaea capta .................................. 206

Register Aufgenommen sind die wichtigeren Eigennamen und Sachbegriffe außer Pilatus und Jesus sowie Christus, Galiläa, Griechen, Israel, Juden, Messias, und die zum Zwecke der Quellenangabe zitierten antiken Autoren einschließlich der als Beleg zitierten bi­ blischen Texte. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben Kaiser-Namen, die nur der Datie­ rung wegen genannt sind. Völker sind unter den Ländernamen verzeichnet, z. B. Kanaanäer unter Kanaan. Angegeben sind stets nur die bedeutsameren Stellen. Die Schreibweise der biblischen Eigennamen orientiert sich an der Elberfelder Bibelkon­ kordanz, 1957. Dem Sprachgebrauch der deutschen Bibel entsprechend, werden grie­ chische Eigennamen in der Regel lateinisch wiedergegeben, also Philo statt Philon, Antiochus statt Antiochos. Die Spiegelstriche folgen dem Text. Arados 5 p Aaron 1 d, 4 g, 8 j, 9 z Abendmahl - zu Passah 4 j, 11 v, w - bei Paulus 7 i, 11 w Abendstern, siehe Morgenstern Abimelech, Bruder Jothams 1 g Abraham a Santa Clara 10 g Abraham ben Samuel Abulaifa 8 y Abraham, Erzvater 1 b, 9 x, 9 z Abu Isa Isfahani, Messias 8 y Acetum (Essig) 10x Achämeniden, vgl. Darius, Artaxerxes, Kyros, Xerxes - in Persien 1 m, v - Geldwirtschaft 3 u Achtzehn-Bitten-Gebet 12 z Acta Alexandrinorum 12 i Acta Petri et Pauli 13 j Actium, Schlacht 31 v. Chr. 2n, 91 Adam, Mann Evas 41 Adiabene in Mesopotamien 14 w Adler 7 j, 8 w Adler, goldene 2 s Ado von Vienne 13 t Adonis, Gott 10 z, 11 j Adventus (Einzug) 10 d Aelia Capitolina (Jerusalem) 1 f Aelius Aristides 3 z Aelius Lamia 6i Aemilius Scaurus 2j

Aemilius Sura 8 h Aesop 2 a Affe 10 m, 13 s Agamemnon, König 1 b Agrippa, Herodes I, König (37-44) - Freund Caligulas 2w, - ernennt Hohe Priester 4 g, - von Tiberius Alexander unterstützt 5d - Brief an Caligula 6j - Schildaffäre 6 q - in Alexandria 12 g - erhält Judäa 12 k Agrippa, Herodes II, König (41-48) - entläßt Ananus 3 i, 51, 12 q - ernennt Hohe Priester 4 g - wird König 12 k - bei Claudius 12 n - aus Jerusalem verjagt 12 s - im Jüdischen Krieg 12 v Agrippa, Marcus Vipsanius 5 s Agrippina, Frau des Claudius 12 n Ägypten - Exodus 1 a, b, - Juden dort 1 e, - Juden vertrieben 1 w - unter Präfekten 3 f - Beschneidung 4 d - Therapeuten 4 p - Religion 6 t, u - Fortuna 8i

Register

(Ägypten) - Jesus dort 9 f - Joseph dort 9i - Jakob dort 9 i - Moses dort 9 i - Steuerschatzung 9j - verehrt Pilatus 13 o Ägypter, anonymer Prophet 8 r, 12 o Ahas (Achaz), König von Juda (um 730) 9e Ahithophel 10 g Ahriman 4v Ahura Mazda 4 v, y, 8 e Ajalon 9v Akiba, Rabbi ben 8 d, x Akklamation 10 s Akko/Ptolemais, Stadt 1 o, 4 w Akra, Burg in Jerusalem 1 u Alarich, Gotenkönig (410) 12 v Albinus Lucceius, Prokurator 2 r, 8 r, 12 r Al-Biruni, arabischer Gelehrter 12 v Albius, Präfekt 13 n aletheia, 9 a vgl. Wahrheit Alexander Balas, König in Syrien (150146) 4 g Alexander der Große (336-323) - in Palästina 1 m - neuer 2 h - Geldwirtschaft 3 u - Rollenspiel 4 z, 12 h - Günstling Fortunas 8 i - Tod 10 a - wird 80 Jahre 14 e Alexander Jannäus, König in Judäa (103-76) ly, 2i, 10t, 12y Alexander VI, Papst 11 n Alexander, Bruder Philos, siehe Tibe­ rius Julius Alexander Alexander, falscher 2 y Alexander, Sohn Simons 51 Alexandra, Königin 1 y Alexandria - Alexanderlegende 1 m - Bibliothek 1 p - jüdische Gemeinde 1 r - zu Antonius 2 n - Gesandtschaft nach Rom 3 h - römische Hauptstadt 3 y - Therapeuten 4 p - Heimat Philos 5 d

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- Münzen 5 p - Judenhetze 6, 6y - und Markus 7 m - Besuch Vespasians 81 - Sibyllinen 8w - Pogrom 12 g - heidnische Märtyrer-Akten 12 i - im Jüdischen Krieg 12 t - Museion 14 q Alföldy, Geza 5 s, w, 6v Alkmene, Mutter des Herakles 9 v Altdorfer, Albrecht, Altar 13 y Amaler, gotische Dynastie 1 v Amarna am Nil 1 h Ambibulus, siehe Ambivius Ambivius, Präfekt 5 o, 6 c Ambrosius, Bischof von Mailand 11 d, n Ameise 4y Ameria in Umbrien 6f amicus Caesaris, siehe Freund des Kaisers Ammianus Marcellinus 10 s, t Ammon, Gott 4y Amnestie 10 o Amoriter 9v Amos, Prophet 1 k Amyntas 5w Ananias, Hoher Priester, siehe Hannas Ananias,Protector (Pseudonym) 13 i Ananos, Hoher Priester, siehe Hannas Anastasis (Grabeskirche) 11m Andreas, Jünger 8 a Annius Rufus, Präfekt 6 c Antichrist 8v Antigonos, Hasmonäer 2 m Antiochia - im Makkabäerkrieg 2 b - Pompeius dort 2 i - Residenz des Legaten 3 g - Lukas daher 7 o - Paulus verklagt 12 p - Judengemeinde 12 t, w Antiochus III, König von Syrien (223— 187) - gewinnt Judäa 1 q - unterliegt Rom 1 s, 2 e - Tempelverbot 4 e Antiochus IV Epiphanes, König (175164) 11, 2f, 4g, 8f, g

268

Register

Antiochus IV von Commagene (38-72) 5x Antiochus VII, König von Syrien (138129) 1 w Antipas, Herodes, (4 v. Chr.- 39) Tetrarch - erhält Galiläa 2 u - von Caligula verbannt 2 w - Beschwerde gegen Archelaus 2 z - vom Täufer getadelt 4 s - Münzen 5 p - Pilatus tötet Galiläer 6w - Landesherr Josephs 9j - Wunderwunsch 10 a, n - verhört Jesus 10c, n - und Aretas 12 e - tötet den Täufer 12 x - schuld am Tod Jesu 13 k - bestochen 13 q - Beschwerde über Pilatus 13 r - holt Pylatus 13 s Antipater, Feldherr Alexandras 1 y, 2 k, 1 Antipatris 2 p, 4 w Antisemitismus, siehe Judenfeindschaft Antonia - Festung 2 q, x, 3 k, 12 m - heilige Gewänder 4 i, 121 Antonius Diogenes 13 i Antonius Primus, Legat 14 w Antonius, siehe Marc Anton antrum agoniae 11 j Apamea in Syrien - Friede 188 1 s - Volkszählung 3 q - Herodianer 8 k - Pogrom 12 t Aphrodite, Göttin 4 z Apion, Alexandriner 13 c apokalypsis 71 apokatastasis 9 s Apokryphen 7 e, u Apollon, Gott 9 g Apollonia 4w Apollonios von Tyana 7 k, 9 u Apollonius, Märtyrer 10 f Apollon-Tempel auf dem Palatin 2 u Apostelbegriff 9w Apostelgeschichte 7 e, m, r, s Apostelkonzil 12 p Apuleius von Madaura 10 u

Äquator 10 y Ära Martyrum 9 n Araber 5d, 14 x Araber, jüdisch 14 w Archelaus, Ethnarch (4 v. Chr.-6) - erhält Judäa 2u, 3 b - Mißwirtschaft 2 x - von Augustus verbannt 2 z, 6 b - und Joseph 9i - schuld am Tod Jesu 13 k Arendt, Hannah 13 z Aretas IV, König der Nabatäer 2w, 4 s, 12e Argeaden, makedonische Dynastie 1 v Arimathia, siehe Joseph Aristeas-Brief 1 p, 4y, 10 q Aristobul I, Sohn Hyrkans und König (105 v.Chr.) Ix, 10u Aristobul II 1 y, 2 i, j, m Aristoteles, Philosoph 1 h Armada 14 e Arminius 2u, 14 e Artaxerxes I, Perserkönig (464-425) 1m Artaxerxes II, Perserkönig (404-360) 1m Artemidor von Daldis 10 t, x Artemis, Göttin 1 b Artus, König 8 z Asaph, Dichter 10q Aschera, Göttin 4 u Asdod 4u, w Asinius Pollio 8 h Askalon in Philistäa 1 e, 2 u, 4 w Askese 14 r Asmodäus, Dämon 7 z Assyrer 1 j, 11, 8 i Astrologe 6u Athanasios, Patriarch 7 f Athen 3y, 9u, 14q Äthiopien 11 d, 13 o Athronges, Räuberkönig 81 Atlantik 4 n Attis, Gott 10 z Atus, Müller 13 s Auferstehung - Jesu historisch 10 z - orientalisch 10 z - am Sonntag 11 r, 13p - Jüngerlüge 13 k

Register

(Auferstehung) - Sohn des Tiberius 13 r - des Dysmas 13 q Augustinus, Kirchenvater - zum Tod Jesu 3 j - zum Kanon 7f - Credo Ile - Manichäer 13e, 14 u - Niedergang Roms 14 o Augustus, Kaiser (31 v. Chr.-14 n.Chr.) - bei Philippi 2 m - Teilung des Römerreiches 2 n - Namenspatron Caesareas 2 p - und Herodes 2 t - teilt das Herodesreich 2 u, 3 b - besucht von Archelaus 2x - verbannt Archelaus 2 z - teilt die Provinzen 3 d - Bürgerzensus 3 p - Volksschätzung 3 r - Heer 3 w - Veteranen 3 w - Vergöttlichung 4 z - Ehrenschild 3 d, 6 m - und die Juden 6 t - Goldenes Zeitalter 8 h - Geburtstag 8 i - Göttersohn 9 g - Kindheit 9 k - Tod 9 m - Statthalterfrauen 10 p - und Alexandria 12 i - in Spanien 13 u - unterliegt bei Philippi 14 e - Theologie 14 o Augustus-Theologie 14 o Aurelian, Kaiser (270-275) 14 s Aurelius Victor 10 t Autokratoris/Sepphoris 4w, 81 Auxiliar-Truppen 3 x Avalon, Insel 8 z Avesta 7 z, 8 c Avidius Cassius 12 b Baal 4 u, v Babylon - Nebukadnezarl 1 - persisch 1 m - Juden dort 8 d - Heimkehr der Juden 8 e

269

- Daniel 8 f - Königsritual 8o - Hure 71, 8 v - Neujahrsritual 9 z - Kalender 111 Babylonische Gefangenschaft 8 d Bacon, Francis 10 k Bamberg 13 w Bar Kochba 1 f, 8 d, x Barabbas - Rebellion 8n, 10 c - Osteramnestie 10 o - Jesus Barabbas 10 o - Schwager des Judas 13 r - gekreuzigt 13r, z Barbarossa, Kaiser Friedrich I (11521190) 7v, 8 z Barberini, Franciscus 6f Bardesanes, Gnostiker 5 b, x Barnabas, Apostel 7 h, m, t, 9w Bartholomäus-Fragmente 13 p Baruch, Buch 12 x basileus 10j, u Bataver 6 o Bathseba, Frau Davids 1 i Bauer, Bruno 5 a Bauernkrieg 14 e Baur, E Ch. 9 c Becket, Thomas, Erzbischof von Can­ terbury 101 Beda Venerabilis 9n, 10 p, 11 x Bedriacum, Schlacht 69 n.Chr. 14w Beelzebub 4 v Behinderte 3 n Bel 8o Belial 4 v Beiisar, Herrmeister 12 v bellum iustum 2 c Belsazar 13 c Benjamin, Stamm 1 g, k Berendts, Alexander 5 m Berenike, Schwester Agrippas II 12v, 14 w Bergpredigt 71, 9 r Berlin - Antrittsvorlesung Hegels 10 m - Akademie 13 e - Turfan-Expedition 13 e - Freie Universität 14 e Bernhard von Clairvaux 10 p

270

Register

Berytos/Beirut 3 w Beschneidung 4d, 14v, w Bethanien 10 c, 11 i Bethlehem - Geburtsort Jesu 9 i - Geburtsort Menahems 9j - Geburtsort Davids 9j - ohne Joseph 3 r - Stern 8d - Geburtsgrotte 11 j - Geburtskirche 11 j Bethphage 10 c, 11 i Bethsaida 2 v, 9 q Bibel, Wortgeschichte 7 b Bilderverbot 6 j, 14 v Bileam, Gottesmann 8d, x Bilokation des Pythagoras 9u Blasphemie, siehe Gotteslästerung Blinzler, Josef 11 u Blutgerichtsbarkeit 3 i, 10 h Bobbio, Kloster 7 e Bock, gehörnt 9 s, z Bogomilen 5 b Bologna 11 n Bond, Helen 6 m, q Bordeaux, Pilger von 11 n Botschaft, Frohe, siehe Evangelien Böttiger, Karl August 14 z Brancatelli, Cosimo 6f Brandanus, Heiliger 10 g Braunschweig, Domaltar 13 y Brescia, Museo Civico 13 y British Museum 9j Brüning, Heinrich 8 z Brunnen, Toter darin 13 q Brutus, Caesarmörder 2n, 6f, 10 g, 14 e Buddha 7 i Bulgakow, Michail 13 z Bultmann, Rudolf 7 k, 10e, h, u Bund, Alter/Neuer, siehe Testament Bundeslade - nach Jerusalem li, 4e - verschwindet 11 Burckhardt, Jacob 14 v Bürgerzensus 3 p Busbeck, Gesandter 10 t Byblos 7 b

Caccianemici, Gherardo 11 n Caesar, Diktator

- siegt bei Pharsalos 21 - Juden kein Wehrdienst 3 x - Vergöttlichung 4 z - Komet 8d - redivivus 8 z - Ende 10a Caesarea Maritima - Namenspatron 2 p - gegründet von Herodes 2 p - Hauptstadt Judäas 3 y - Heiden dort 4w - Kaiserkult 4 z - Sebasteion 5 r, 6 n - Tiberieum 5r, s, 6v - Hafen 5 s, 6 v - Hippodrom 6 p, q - Briefe 10u - Quadratus dort 12 n - Bürgerrecht 12 o, r, s - Pogrom 12 t Caesarea Philippi, siehe Panias Caesarmörder 10 g, vgl. Brutus und Cassius Caligula - und Antipas 2 w - Statuen nach Jerusalem 3 g, 6 r, 12 h - Goldschilde 6 m - jüdische Präfektur 12 f - entsendet Agrippa I 12 g - Amnestie 13 c Calocerus, Rebell 10 t Cannae, Schlacht 216 v. Chr. 2d, 14e Capri 14j Carrhae in Mesopotamien 1 b, 2 k Cassius Dio 14 w Cassius, Caesarmörder 2 m, n, 10 g Catullus, Präfekt 13 c Caudium, Schlacht 321 v. Chr. 6f Cedrenus, Chronist 13 s Celer, Tribun 12 n Cerealis 12 c Chaldäa in Mesopotamien 1 b Chamberlain, Houston Stewart 9 f Chanukka-Fest 1 v Chasaren 14 w Cherubim 13 g Chiliarch 10 e China 13e, z Chios 3 c Chorazin 9q

Register

Chrestos, Rebell 12 j Christen - nicht bei Josephus 4 p - jüdische Häresie 4 r Christenverfolgung - Nero 5 n, 12 r - Diocletian 9 n - Trajan 10 h - Plinius 10 h - Kaiphas 12 d - Paulus 12 p - in Jerusalem 12d, q - Maximinus Daia 13 h Christus - bei Josephus 4r, 5j, 1 - Titel des Täufers 4 s - bei Tacitus 5 m Chruschtschow, Nikita 14 g Cicero - De re publica 2 c - gegen Verres 3e, 10 t - an die haruspices 4 a - De natura deorum 4 y - Pro Flacco 6 t, 10 s Circesium 10 u Claudia, Christin 13 t Claudius, Kaiser (41-54) - Freund Gallio 3 m - und Philo 6q - Judenvertreibung 6u - Adressat Philos 6 y - und Alexandria 12i-k - Procurator Judaeae 121 - und Pilatus 13 j Clemens von Alexandria, Kirchenvater 7n Cleopas, Jünger 10 w clipeus (clupeus) 6 m Codex Barberinianus 6f Codex Rossanensis 13 y Codex Syro Sinaiticus 9d Codex Theodosianus 9o coercitio 10 v cognitio extra ordinem 10 v Colson, E H. 6 q Consilium 10 v Constantin der Große, Kaiser (306-337) - Sonnenkult 9o, 14 s - kreuzigt 10 t - Nicaea 11b

271

- verurteilt Pilatus 13 r - Christianisierung Roms 14 o - Schenkung 14 a Constantius II, Kaiser (337- 361) 9o contumacia 10 h Coponius, Präfekt 2 z - mit Schwertrecht 3 i - Münzen 5 o - Amtszeit 6 b - Judas von Gamala 8 m Cordai, Charlotte 8 z Corpus Iuris Civilis 10 h Cottius, Klientelkönig 2 n Crassus, Licinius 2 j, k Credo 11 a-e Crossan, John Dominique 7u Cuba 14 g Cumanus, Ventidius, Prokurator 3 h, 12 m, n Cuspius Fadus, Prokurator 8q, 121 Cypern 31, 10 t, 11b Cyrenius, siehe Quirinius Dagon, Gott 4 u Dakien 3 h Damaskus - Pompeius dort 2 i - Pflaumen 2o, 13 z - Paulus 12 d - Pogrom 12 t - Verbannung Jesu 13 z Damaskus, Lehrer aus 8 d Damasus, Papst 7 d, f Dämonen - Teufelstrabanten 4 b - unter Beelzebub 4 v - Asmodaeus 7 z - ausgetrieben 9u - in Maria Magdalena 9w - spielen mit Pilatus 13 s - in der Schweiz 13 v - Spuk 14q Dänemark 9v Daniel, Buch - nennt Alexander 1 m - im Makkabäerkrieg 1 u, 8 f - Menschensohn 8 g - Messiasgestalt 8 b - bei Jesus 10 f Dante 8 h, 10 g

272 Darius, Perserkönig 1 m David Alroy 8y David Roybeni 8 y David, König (um 1000 v. Chr.) - erobert Jerusalem 1 h - Volkszählung 2 z - Vorhäute 4 d - erzürnt Gott 8 o - neuer 8 y - Stammvater Josephs 9 d, i - Stammvater Marias 9 e - 30 Jahre 9 m - aus Bethlehem 9j - Vorfahr Jesu 10f - Handwaschung 10 q Denare 3 u Deuteronomium, aufgefunden 1 k Deutsch-Katholiken 10 x Dexter, Lucius Flavius 13 t Diadochen 1 n Diatessaron 7j Dictys Cretensis 13 i Didache 7 e Digesten 10 h, j, n, p, x Dio Chrysostomus, Autor 3 z Diocletian, Kaiser (284-305) - Ära Martyrum 9 n - Akklamation 10 s - verbietet Manichäer 14 u Dionys, Tyrann 9 g, 101 Dionysius Exiguus 9 n, 11 y Dioskuren 9 g Doketisten 5 b Domus Aurea 12 r Doppelnamen 7 m, 12 p Dornbusch in der Fabel 1 g Dornenkrone 10 r Dorpat 5 m Dositheos, Samaritaner 4 t, 8 p, 12 b Drachen 13 v Dreißig Jahre, Alter Jesu 9 m Druiden 4y Drusion 5 s Dschingis-Khan 8 y Duccio di Buoninsegna, Maler 13 y Dürrenmatt, Friedrich 13 z Dysmas, siehe Schächer

Ecce homo 101, r Eckhardt, Karl August 9 f

Register

Edda 14 p Edom in Palästina 1 c, x, 2 k Egeria, Pilgerin 11 n Ehe9r Ehebrecherin 7 i Ehrenschild, siehe Schilde, goldene Eichmann, Adolf 13 z Ekloge, vierte, 8 h Ekron 4 v Elagabal, Kaiser (218-222) 14 s El-Burak 11 j Eleazar Deinäi, Zelot - nach Rom 8r, 12 o, 14 c - gegen Samaritaner 12 n Eleazar, Sohn des Judas 9u, 12 w Eleusis, Vorstadt Alexandrias 1 u, 2 f Eleutheros, Fluß 1 n Eli, Priesterfamilie 4 g Elia, Prophet 9u Elias, - Prophet 1 k - neuer 4 s - Apokalypse 8 a Elisabeth, Mutter des Täufers 4 s Elohist 4 c Elymas Bar Jesus, Zauberer 31 Engel - (Mensch) für Matthäus7 j - Michael, Schutzengel 8 g, 13 j - Gabriel 11 j - empfängt Pilatus-Kopf 13 n - Cherubim 13 g - Seraphim 13 g - zwölf Legionen 14 j England 4 b, 14 e Eostre, Göttin 11 x Ephesus - Vesper 2 h - Jünger des Täufers 4 s - Witwe 10 z, 11m Ephrem, Kirchenvater 6 s Epiktet, Philosoph 1 z Epikur, Philosoph 71 Epimenides, Wundermann 9u Epiphanios von Salamis 11b, 12 z Epirus 3f Erdbeben 131, p Erlöser 8 b Ersatzmessias 14 n Erzväter 1 b

Register Esau, Sohn Isaaks 1 c, 2 k Esel 9e, 10d Esel, Spottgott 1 w Esra der Schreiber 4 c Esra, Priester 1 m Esra-Buch, viertes 8w, 10 e Essener 4n, 10 w Essig 10x Esther, Buch 5 e, 6 y Etrusker 8 h euangelion 7j Eucharistie, siehe Abendmahl Eugenius, Gegenkaiser (392-394) 14 q Euhemeros von Messene 11 f, 13 i Eumaios, Sauhirt 7 j Euseb, Kirchenvater - Testimonium Flavianum 5 k - Schildaffäre 6 r - zu Sejan 6 z - zu Markus 7 m - Weltchronik 10 y - Augustus-Theologie 14 o Evangelien 7 j-q - Markus 7 m - Matthäus 7 n - Lukas 7o - Johannes 7 p, q, 9 b - Thomas 7 u - Petrus 7u, 10x, 23d - Philippus 7 u - Jakobus 9e, 11 j - Kindheits-Evangelien 9 k - Nikodemus, 10 k, v, x, 13 i, 14 s Evangelien-Harmonie 7 j Evangelisten-Symbole 7j, m Exil 11, m Exodus 1 e Exorzismus, siehe Dämonen Exorzismus, siehe Teufelsaustreibung Ezechias, Räuber 81 Ezechias, siehe Hesekiel

Fabel - siehe Aesop - siehe Jotham Faust 4 v Feige 10 c Feindesliebe 9r, 10 e Feldzeichen-Affäre 6o Felix, Antonius, Prokurator

273

- und Paulus 3 y - verklagt Priester 5 f - Münzen 5 o - Eleazar Deinäi 8r, 12 o - schickt Räuber nach Rom 8r, 14 c Festus, Porcius, Procurator 10v, 12 o, p Fichte, Johann Gottfried 101 Filocalus 9o Fischer 8 a, 9 w Fischwunder 3 v Flaccus, Aulus Avillius, Präfekt 5 e, 6 y, 12g, 13c Flamininus, Titus Quinctius 4 z Flavius Clemens 14 w Florenz, Konzil 13 w Florus, Gessius, Prokurator 2 j, 10r, 12r Fohlen 10d Forchheim, Geburtsort Pilati 13 w Fortuna 3 z, 8 i forum delicti 10 n Fräckmont für Pilatus 13 v France, Anatol 13 z Franko, Ivan 13 x Franz Ferdinand, Erzherzog 14 e Franz II, Kaiser (1768-1835) 14a Französische Revolution 8 z Frauen um Jesus 9w Freitag, Kreuzigung 11 q, v, w Freund des Kaisers 10 s Friedländer, Ludwig 10 s Friedrich der Große (1740-1786) - Verkörperung Satans 8 y - regelt Ostertermin 11z - fällt 1740 14 e Friedrich I, siehe Babarossa Friedrich II, Kaiser (1208-1250) 8 z Friedrich Wilhelm IV, König von Preußen (1840-1861) 14e Frisch, Max 13 z Fritzlar 13 s Frühling 9 z Fuchs (Antipas) 2 w Füllhorn 8 i Fulvia, Senatorin 6 u Gabinius, Statthalter Syriens 2 k Gabriel, Engel 11 j Gadara in Palästina 4w, 9q

274

Register

Gaius, siehe Caligula Galiläer - von Pilatus getötet 6 w - Erhebung 8 n - Name der Christen 9i Galle 10 x Gallio, Prokonsul 3 m, 10 h, n Gallus, Gaius Cestius, Legat in Syrien 12u Gamala 8 m Gamaliel, Pharisäer - Nachkomme Davids 9d - am Grab 13 q - rettet Pilatus 13 r - Märtyrer 13 x Gamaliel-Evangelium 13o-p Garizim, Berg 1 j, 4 t, 8 p, 12 x Gaza in Philistäa 1 f, 4w G-d für God 4 b Geburtsdatum Jesu 91, m Gefangennahme Jesu 11s Geiserich, Vandalenkönig (428-477) 12v Geißeln Gottes 12 x Geißelung - des Paulus 3 k - in Judäa legitim 3 k - JesulOr - des Kaiphas 13 p - des Pilatus 13 r Geist, Heiliger 9g, 10d Genesis, kleine 10 e Genfer See mit Pilatus-Leiche 13 s George, Stefan 8 z Gerasa in Palästina 4 w Germanen, christianisiert 14 p Germanicus 6d, m, 12 b, f Germanien 3 a Geschichtsbegriff, biblischer 7 v, y Gesetz, mosaisches 9 t Gesner, Konrad 13 v Gestas, siehe Schächer Gethsemane 10 c, e, 11 j Gibbon, Edward 14 o Gibeon, Ort 9v Gide, André 141 Gideon, Richter 1 f Gildemeister, Johann 10 x Giv’at ha - Mivtar 10 t Glaubensbekenntnis, siehe Credo

Goethe, GeheimRath - und Müller 10 a, 1 - Divan 101 - und Lavater 101 - und Luden 101 - zu Böttiger 14 z Gog 8y Gold 8d Goldenes Zeitalter 8 h Golgatha - Kreuzigung Jesu 10t-u - Grabeskirche 11m - Barabbas gekreuzigt 13r, z Goliath, Philister 1 h Gordian III, Kaiser (238-244) 10 u Gosen bei Ägypten 1 d Gott, siehe Monotheismus Götterbilder zerfallen 131 Gottesdienst 11 s Gottesfeinde bestraft 13 c Gottesfürchtige 14 w Gottesknecht 8o, 10f, n Gotteslästerung 10 f, h Grablegung 10 z Grabtuch Jesu 13 q Graetz, Heinrich 6 q, z Gratus, Valerius, Präfekt - Münzen 5 o - besiegt Judas 81 - ernennt Hohen Priester 10 e Gregor von Nyssa, Kirchenvater 11b Gregor XIII, Papst 11z Gregorianischer Kalender 11 z Gregorovius, Ferdinand 13 a Greuel der Verwüstung 1 u Griechen 14 x Griechisch-Kenntnis 10 i Grimm, Brüder 8 z, 9 k, 11 x Grünwald, Albert 13 e Habakuk, Prophet 9 e Hadrian, Kaiser (117-138) 13u Haggai, Prophet 1 m, 8 e Hahn 13 s Haman, Großwesir 6 y Hamann, Johann Georg 7 z, 101 Hamlet 9v Handwaschung 10 c, 1, q, 13 v, y, z, 14 y Hannas, Hoher Priester zur Zeit Jesu 4g, 10c, e, 11k

Register

Hannas, Hoher Priester 62 n. Chr. 3 i, 51, 12 q Hannibal 2d, 14e Harmageddon 7 z Harnack, Adolf 5 k, 9 x Hase 4d Hasmonäer, jüdische Dynastie 1 v, 2g Hauptmann von Kapernaum 9x, 10 i Hausen, Geburtsort Pilati 13 w Hebräer-Brief 7e Hedin, Sven 13 e Heeresreligion 4 z Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 10 m, 12x, 14v Heidenmission 9x Heiland 8 b Heilungen 9w Heine, Heinrich 8 z Heinrich II, englischer König (11541189) 101 Hekataios von Milet 1 a Heldenkind 9 k Helena, Mutter Constantins 9w, 11 n Heliand 10p Heliodor-Affäre 1 s Heliopolis/Baalbek 1 n Helios 14 s Hemerobaptisten 4 s Hennecke, E. 7 u Hennig, Dieter 6q Henoch 10 e Henotheismus 4 b Hera, Göttin 6 n Herakles 9 g, k Herakles-Melkart 3 v Herakliden, makedonische Dynastie 1v Herculaneum 71 Herder, Johann Gottfried 9 h Hermas, Kirchenvater 7 e Herodeion 2 p, 6 v Herodes Agrippa, siehe Agrippa Herodes Herodes Antipas, siehe Antipas Herodes Archelaus, siehe Archelaus Herodes der Große - der Altere 2 n - unterstützt die Caesarmörder 2 m - wird König 2 m

275

- Toparchien 2 o - Bauten 2 p - Familiengeschichte 21 - Testament 2 u - ernennt Priester 4 g - Augustus-Tempel 5 r - Testament 6 c - Herodeion 2 p, 6 v - als Messias 8 k - Kindermord 9 i, k, 1 - Palast 111 Herodes von Chalkis 4 g Herodespalast 111 Herodianer 8 k Herodias, Frau des Antipas 2v, w Herodot, Geschichtsschreiber 1 f, 7x, 10t Herrenbrüder 3 i, 9 h Herrscherkult, siehe Kaiserkult Hesekiel, Prophet 1 k, 7 j Heuschrecken 4 s Heuß, Theodor 14 g Hieronymus, Kirchenvater 7d, j, 12 z Higuera, Roman de la’Jesuit 13 t Hilarius von Poitiers, Kirchenvater 11b Hillel, Rabbi 8u, 9d Himmelreich 9 s Hinde 10x Hiob 4 v, 7 y Hippolytus von Rom, Kirchenvater 9 m, 11 d Hippus in Palästina 4w Hiram, König von Tyros 1 i Hirsch 10 x Hirschfeld, Otto 5 q Hiskia (Ezechias), König von Juda (um 700) 11 r Hiskia, Räuber 81 Hitler 8 z, 14e, h Hochhut, Rolf, Stellvertreter 10q, 13 z Hoher Priester - ptolemäisch 1 o - makkabäisch 1 v - Hyrkan II 2 k, m - Tempeldienst 4 g - unter Tiberius 6d - Ernennung durch Agrippa II 12 k - Gewänder 12e, 1 Hoher Rat, siehe Synhedrion Höhlen 11 j

276 Hölle - Judas dort 10 g - Pilatus don 10 g - Herodes dort 10 g - Hannas dort 10 g - Kaiphas dort 10 g - Eingang Vienne 13s - Jesus dort 13 j Homer - euangelion 7 j - Bibelersatz 14 p - bei Goethe 14 z Homonadenses 5 w Horaz 6t, 10s, x, 14w Hose Pilati 13 w Hosea, Prophet 1 k Hosianna 10 c, d Hrabanus Maurus 10 p Huesca, in Spanien 13 u Hütte Davids 10 e Hypatia, Philosophin 14 q Hyrkanos I, König (135-105) 1 w, x, 2g, 41 Hyrkanos II, Hoher Priester 1 y, 2 i; j, k, 1 Idumäer, siehe Edom Ignatius von Antiochia, Kirchenvater 7n, 10 p, 11c Immanuel, Sohn des Ahas 9e Innozenz I, Papst (402-417) 7f Inquisition 14 p Interpretado Romana 4 y Iphigenie, Tochter Agamemnons 1 b Irenäus von Lyon 7 c, j, q, 10w, 11 d Irokesen 4 d Isaak, Sohn Abrahams 1 b, c, 9 z Isai (Jesse), Vater Davids 9 s Isfahan 8y Isidor von Moskau 13 w Isis, Göttin 6 u Islam 4 k, s, 14 v Israel, Staatsgründung 21 Israhel, Kriegsknecht 10 x Istanbul 4e Ithaka 7j Ituräa in Palästina 1 x ius gladii 3 i Jacobus de Vorágine 13 s

Register Jahwe 4 b Jahwist 4 c Jakob II von Aragon 13 u Jakob, Erzvater 4 t Jakob, Sohn Isaaks 1 b, c, d Jakobus Zebedäi 12 k Jakobus, Herrenbruder 3 i, 4 r, 51, 9 h, 10w, 12q Jamblichos, Neuplatoniker 7 k, 9 g Jamnia (Jabneh) in Palästina 4w Jebusiter in Kanaan 1 h Jefferson, Thomas 7 z Jehu, König von Israel (um 830 v. Chr.) 10d Jehud, Provinz 1 m Jemen, jüdisch 14 w Jeremia, Prophet 1 k, 7 d Jericho 2 x, 81, r Jerobeam, König 1 j Jerusalem - erobert durch David 1 h - Tempel Salomos 1 i - erobert durch Nebukadnezar 11 - himmlisches 11 - erneuert von Artaxerxes I 1 m - Alexander dort 1 m - ptolemäisch 1 n - seleukidisch 1 q - erobert durch Antiochus IV 11 - durch Antiochus VII 1 w - Pompeius dort 2j - unter Caesar befestigt 21 - erobert von Herodes 2 m - unter Herodes 2q, r - Klagemauer 2 r - von Sabinus belagert 2 x - Garnison 3 x - Mauerbau verhindert 3 g - Steuerschatzung 6 n. Chr. 3 q - Bundeslade4e - Heimat des Josephus 5 f - Wasserleitung 6v, w - unter Serubbabel 8 e - Einzug Jesu 10 d - Zerstörung 10s - Taufliturgie 11 d - goldenes Tor 11 i - Prätorium 111 - Tyropoion 111 - Siloah-Teich 111

Register

Qerusalem) - Lithostroton 111 - Herodespalast 111 - Golgatha 11 m - Cestius Gallus dort 12 u - Tempelgerät zurück 12 v - Perser dort 12 v - Tumult unter Florus 12 s - von Christen verlassen 12 s - Zerstörung, Strafe 13 o - Eichmann dort 13 z Jesaja, Prophet 1 k, 7 j Jesus Barabbas, siehe Barabbas Jesus, Sohn des Ananus 8 r Jesus, Sohn des Damneios 12 q Johannes Chrysostomos 3 j, 12 z Johannes der Täufer - Hinrichtung 2 v, w - Haupt einer Gemeinde 4 s - tadelt Antipas 4 s - Jünger 4 s - gleich Elias 8 a - tauft Jesus 9 m - predigt 9 p - Predigt an alle 9x - unter Pilatus 10 h Johannes, Priesterkönig 8 y Johannes, Sohn des Zebedäus 7q, t, 9w Johannes-Apokalypse 7 e, t, 8 v Jonas, Prophet 11 r Jonathan, Bruder des Judas Makkabäus lu, 2g, 4g, 4u Jonathan, Sohn des Hannas, Hoher Priester 4q, 12 o Jonathan, Weber 8 x 8q Joseph von Arimathia 10c, z, 11m, 13 j, P. r Joseph - Vater Jesu 7 p, 9 d, - Nachkomme Davids 9d, i - erste Ehe 9 h Joseph, Herrenbruder 9 h Joseph, Sohn Jakobs 1 d Josephus, Flavius - Philosophenschulen 4 k - Leben 5 f, g, h - Schriften 5 i - Testimonium Flavianüm 5 j, k, 1 - übergeht die Kreuzigung 51

277

- slawische Zusätze 5 m - in Gefangenschaft 12 u Joses, Herrenbruder 9 h Joshua (Jesus) 9d Josia, König von Juda (um 620 v. Chr.) 1 k, 7c Josua, Heerführer 1 d, 9 v Jotapata in Palästina 5 g, 8 t, 12 u Jotham, Fabeldichter 1 g Juba, Klientelkönig 2 n Jubiläen, Buch der 10e Juda, - Reich 1 k, 1 - persische Provinz 1 m Judäa - erste Nennung 1 h - wird Provinz 2 z, 3 b - unter Präfekten 3 f - unter Procuratoren 121 Judaicus, kein Siegerbeiname 12 w Judas aus Gamala - Empörer 3 q - erster Zelot 4 q - Messianität 8 m - Dynastie 8 q, u - verweigert Steuern 10 w Judas der Galiläer, siehe Judas aus Gamala Judas Iskarioth, - letzter Jünger 9 w - Selbstmord 10 g - Verrat 10 c, e - aus Mainz 13 w - gekreuzigt 13 z - Schwager des Barabbas 13 r - Beiname 14 j Judas Makkabäus - Erhebung 1 u, 2 b - gegen Philister 4 u Judas, Herrenbruder 9 h Judas, Sohn des Ezechias 81, m Judaslohn 3 u Juden der Juden 14 x Judenfeindschaft, vgl. Ägypten, Alexandria, Ammianus Marcellinus, Antiochia, Apamea, Apion, Cicero, Claudius, Damaskus, Flaccus, Horaz, Justinus, Kyrene, Marc Aurel, Paulus, Proselyten, Rom, Samaritaner, Sardinien, Sidon, Tacitus, Tiberius, turba

278 (vgl. Ägypten usw.) - bei den Seleukiden 1 w - des Pilatus 51, 6 y - auf Pilatus-Münzen 5 p - Schildaffäre 6 m - in Persien 6y - Sejans 6 z - Bibelname 7 g - in Oberammergau 8 z, 13 a, z - Barabbas-Episode 10o - bei den Evangelisten 10 s - Schuld am Kreuz 10 w - heidnische Märtyrer-Akten 12 i - bei Statthaltern 12 y - im Ludus Paschalis 13 a - göttliche Vergeltung 13 c - vermeidbarHx Judenvertreibung, siehe Judenfeind­ schaft Jüdischer Krieg 14 j Judith, Heroine 5 e Julia, siehe Livia Julian, Kaiser (361-363) - gegen Galiläer 9 i - reformiert Staatskult 14 r - Sonnenkult 14 s Julias in Peräa 4w Julius II, Papst (1503-1513) 1 s Jünger Jesu 9w Jungfrauengeburt 9 e Juppiter 4x, y, 8 h, 12 h Justinian, Kaiser (527-565) 4 t, 14 q Justinus Martyr - Gottesdienst? e - „Evangelium“ 7j - zu Maria 9e - Bethlehemgeburt 9j - Schuld der Juden 10w, 12 z - leeres Grab 10 z - Pilatus-Legende 13 f Justus von Tiberias 5 f

Kaiaphas, siehe Kaiphas Kain 4 b Kaiphas, Hoher Priester - Schwiegersohn des Hannas 4 g - Sadduzäer 4 m - Ossuar 5 u - Ernennung 6 d - verhört Jesus 10 c

Register

- sein Haus 10 e - Stephanus 12 d - Christenverfolgung 12 d - abgesetzt 12 e - von Pilatus geohrfeigt 13 p - opfert Jesus 14 j Kaisar 10 u Kaiserbild 4 z, 6 o, r, 8 p Kaiserkult 4 z, 12 h, 14 r Kaiserprovinzen 3 e Kalb, 7j, 8o Kamel 9 t Kana, Hochzeit 7 z Kanaan 1 a, b, d, e Kanaanäer 4 u Kanaanäisches Weib 4u, 9x, 10 i Kannibalismus 13 h Kanon 7 e, f Kanon Muratori 7 e Kapartasala, Grab Pilati 13 x Kapernaum 8 a, 9 q, 10 i Karfreitag 11 x, 13 v Karl der Große (768-814) 7v, 11 x Karl Martell, Maiordomus 14 e Karl V, Kaiser (1519-1556) 101 Karthager, Kinderopfer 4y Karthago 2d, 8i, 10t, 12v Katharer 5 b Kelsos 4 y, 5 k, 9 f, 13 c Keniter 4 b Kerygma 7 j Kidron 11 j Kindermord 9 i, k, 1 Kindheits-Evangelien 9 k Klagemauer 2 r Klearchos, Philosoph 1 h Kleopatra im Kleinen 14 w Kleopatra, Königin von Ägypten 21, 12 i, v Kleophas, Onkel Jesu 9 h Klientelkönige Roms 2 n Klopstock, Friedrich Gottlieb 10p Knidos 3 c Koloß auf tönernen Füßen 8 f Kolosser-Brief 7 m Komet 8d Kommunismus 14 d Konfirmation 14 i Konfuzius 7 i König von Rom 9 k

Register

Könige, Heilige drei 8 d, y Königsberg 101 Königtum 1 g Königtum Jesu 10 h, j, s, u Konstantinopel 11b, 12 v Kopten verehren Pilatus 13 o Koran 7 z, 14 v Korban, siehe Tempelschatz Korinth, römische Hauptstadt 3y, 10 h, n, 12 j Kornhaus, siehe Tempelschatz Körperstrafen 3 k, 10 f Korsika 3 f Kosmos 10 j Kotys, Klientelkönig 2 n Kreta 2 y, 5 w Kreuz brennt nicht 13 r Kreuzabnahme 10 z Kreuzauffindung 11 n Kreuz-Evangelium 7u Kreuzfahrer 8 y Kreuzigung 10 t Kreuzritter 11 i, 1 Kreuztragung 10r, t Küche Marias 11 j Kuh 10q Kuß 10 s Kyffhäuser 8 z Kyrene, Judenaufstand 8x Kyrillos von Alexandria, Kirchenvater 9n Kyros, Perserkönig (559-529) - entläßt Juden 1 m - Messias 8e - Tempelbau 8 k - Kinheit bedroht 9 k - Ostern 11 y

Lactanz, Kirchenvater 5q, 10w, 13 c Lamm 9s, 10n Lamm Gottes 1 b, 8v, 9 z, 141 Lanuvium in Latium 5 w Laodicea in Syrien 6v Laqueur, Richard 5 k Lassalle, Ferdinand 8 z Lateran 13 y Laubhüttenfest 4 i, 9x, 11p Lavater, Johann Caspar 5y 10 h, 1 Lazarus 11i Le Coq, Albert August von 13 e

279

Le Fort, Gertrud von 13 z Legenda Aurea 13 s Legionen - in Syrien 3 w - in Jerusalem 11h Leibrock JesulOx, 13s Lemberg 13 x Lemberger Stephanus-Vita 9 k Lemonon, Jean-Pierre 6q Lendenschurz 10 x Leo der Große, Papst (440-461) 12 z Leuchter, siebenarmiger, siehe Menora Levi 4 g Lex Iulia maiestatis 10 h Licianus, Offizier 13 m Licinius, Kaiser (308-324) 13 h, 14 s Lietzmann, Hans 10 b, e Linsengericht 1 c Linz, Altar 13 y Lithostroton 111 Livia, Kaiserin 2u, 5o, 6 c Livius 6f Logien-Quelle 7 m, n, o Logos 7 p London 9 j, 13 y Louvre 13 y Löwe 7 j, 8 h, w Lucifer, siehe Morgenstern Lucilius Bassus 12 w Lucius II, Papst (1144-1145) 11 n Lucullus 2 h Ludus Paschalis 13 a Ludwig IX, König von Frankreich (1226-1270) 8 t Ludwig XIV, König von Frankreich (1643-1715) 8t Lukács, Georg 8 z Lukian 4y, 12 z Lukuas, Messiaskönig 8 x Lustrum 3 p Luther - Landpfleger 3 i, 6 g - Apostelgeschichte 7 r - zum Hebräer-Brief 7 h - in Worms 101 - Traum Proculas 10 p - Richthaus 111 - Rüsttag 11 q Luzern 13 v Luzifer 4 v

280

Register

Lydia 9w Lynchjustiz 3 i Lyon 2w, 13t

Machaerus, Festung 2w, 4 s, 12 w Magie, siehe Zauberei Magier - in Persien 41 - aus dem Morgenland 8 d, 9 i, k - Jesus 13 i, k, p Magnesia, am Maeander 10 t Magus des Nordens (Hamann) 101 Mahdi 8 c, z Maier, Johann 4 o Maier, Paul L. 6q, 10u Mailand, Bibliotheca Ambrosiana 7 e Mainz 10 x, 13 s, w Majestätsverbrechen 10 h, o, t Makkabäer-Buch, Zweites 5 e Makkabäer-Krieg 11, 2 b, 8 f Maleachi, Prophet 8e, 14 s Malory, Thomas 8 z Mammon 9r Mandäer 4 s Mani, Prophet 8 c, 13e, g, 14 u Manichäer 5 b Manlius, Titus 2 b Mann, Thomas 10 m Manoppello 13 s Mao Tse-tung 8 d Mara bar Sarapion 5 x Maranatha 9r Marat, Jakobiner 8 z Marathon 14 e Marc Anton 2 n, m, q Marc Aurel 4y, 10 s Marcellus, Offizier 12 c, f Maria Magdalena - von Dämonen besessen 9 w - verklagt Pilatus 13 s - heiratet Jesus 141 Maria von Bethanien 9 w, 11 i Maria, Mutter Jesu - Frau Josephs 9d - Jungfrau 9e - Ehebruch mit Panthera 9 f - geschwängert vom Heiligen Geist 9 g, - in Bethlehem 9 i - Verkündung 10f - im Credo 11 a

- Küche 11 j - am Grab 13 p Maria, Schwester Jesu 9 h Maria, Tante Jesu 9 h Mariamne, Frau des Herodes 2 n Marienklage 13o, p Marinos, Neuplatoniker 7 k Marius 6f Markioniten 5 b Markus, Evangelist - Reliquien 7 m - Löwe 7 m Marsus, Gaius Vibius, Legat in Syrien 12k Martha von Bethanien 9 w, 11 i Martial 10 x Martin, Heiliger 1 i Märtin, Ralf-Peter 13 z Märtyrer-Akten, heidnische 12 i Martyrium Pilati 13 r Marullus, siehe Marcellus Marx, Karl 8 z Masada 2 p, 8 s, 12 w Massilia 3 c Mattathias, Vater der Makkabäer 1 u Matthias, Ersatzjünger 9w Mauretanien 2 n, 3 f Mauritius, Heiliger 1 i Maximinus Daia, Kaiser (309-313) 13 h Mehrehe, siehe Polygamie Melchisedek, Priesterkönig 1 h Melito, Bischof von Sardes 7 d Melos, Insel 2 y Memmius, Quintus 2jb Memphis 3 y Menahem, Messiasfigur 8 s, 9 j Mendelssohn, Moses 5y, 10 w Menora, siebenarmiger Leuchter 11, 12 v Menschenopfer 1 b Menschensohn 8 g, o, 9 s, 10 w Mephistopheles 4 v Merenptah, Pharao 1 e Merowinger, fränkische Dynastie 1 v Messianisten 5j Messiaszeugnis Jesu 9y Meyer, Eduard 5 k, 8 d, 9 f Mich dürstet 10 x Michael, Schutzengel 8 g, 13 j Michaelis, Johann David 7 z Michal, Tochter Sauls 4 d

Register

Michelangelo 14 g Midian 4 b Milchstraße 8 b Millar, Fergus 5 x Mischehen 4 d Mischna 6 w Missionsbefehl 9x Mithradates VI 2 h Mithras - Messiasverheißung 8 c - Weihnachten 9 o - Kult 14 s - Teufelstrabant 14 s Mittelalter, finsteres 14 o Moab 8d Mohammed, Prophet - schrieb nicht 7 i - Messiasverheißung 8 c, - Himmelfahrt 11 j - bekehrt Europa 14 u - ohne Christen 14 v Moloch 4u, 9e Mommsen, Theodor 5q, w, 6f, 10e, 12 u Mond 9v Mondfinsternis 10 y Mongolen 8y Monica, Mutter Augustins 9 w Monolatrie 4 b Monotheismus 11, 4 b Montesquieu 81 Morgane, Fee 8 z Morgenstern (Lucifer) 4 v, 8 d Moses - Gottesmann 1 d, e, 7 c - neuer 4 t, 12 b - aus Ägypten 9i - im Schilfkorb 9 k - Tod 91 Mösien 5 q Moskau 13 w Müller, Friedrich von, Kanzler 10 a, 1 München, Evangeliar 13 y Münzen - in Judäa 3u - des Pilatus 5 o - Bar Kochba 8x Muratori, Lodovico Antonio 7 e Mure, Conradus de 13 v Muri, im Aargau 13 v Museion, Alexandria 14 q

281

Myrrhe 8d Mysterienspiele 14 v

Nächstenliebe 91 Nag Hammadi 7 u Naherwartung 7i, 9 s Napoleon 5 a Nathan, Prophet 1 i, 8 e Nationalsozialismus 14 d, h Naumann, Hans, Mann fürs Deutsche 8z Naumburg, Lettner 13 y Nazareth - bei Johannes7 p - Heimat Jesu 9 i - Haus Josephs 9 i - Verkündigungskirche 11 j Nazoräer 4 s Nebo, Berg 11 Nebukadnezar, König von Babylon 11, 8f, g, 11 y, 13c Nehemia, Mundschenk 1 m, 2q Nero, Kaiser (54-68) - Brand Roms 5 n - redux 8w - redivivus 8 z - ernennt Festus 12 o - Christenverfolgung 12 r - Ende 12 u - Amnestie 13 c - köpft Pilatus 13 s Neujahrsritual, babylonisches 9 z Neulicht 11 u Nicaea, Konzil 325 - Nichts zum Kanon 7j - Credo 11b - Ostertermin 11 y Nicomedia 6 v Nietzsche, Friedrich - Gott ist tot 7 c - zu Pilatus 10 m - Rom gegen Judäa 12 a - Jude entbehrlich 12 z - Christen ruinieren Rom 14 o Nikephoros Kallistos, Kirchenvater 11b Nikodemus, Pharisäer 13 i, j, r, x Nikodemus-Passah 10d, 11p Nikolaos von Damaskus 2o Nisan, Frühlingsmonat 111

282

Register

Noah 41 Norden, Eduard 5 k Noricum 3 f Northampton 101

Obelisk 13 t Oberammergau 8 z, 13 a, z Ochs 9e Octavian, siehe Augustus Ödipus 9 k odium generis humani 1 w, 12 r Odysseus 7j Ölberg 10 c, 11 j Omri, König 41 ordo equester, siehe Ritterstand Origenes 4y, 5 k, 10 g, 13 c Orosius, Kirchenvater - Pilatuslegende 13 g - Fortschritt 14 o Orthodoxie - fehlt im Judentum 4 k - fehlt in Rom 4 x Osiris, Gott 10 z Ostara, Göttin 11 x Ostern, vgl. Passah - Osteramnestie 10 o - Osterlamm 11 v - Termin 11 x-z - orthodox 11 z - Osterspiel 13 z Otto III, Kaiser (983-1002), Evangeliar 13y Otto von Freising 8 y Oudenrijn, Markus Antonius van den BP Pachten, Todesort Pilati 13 w Pacuvius, Legat 6 i Palästina, Name 1 f Palatin 2 u Panias/Caesarea Philippi - Gründung 2 v - hellenisiert 4 w - Augustus-Tempel 5 r - Jesus dort 9q Panther 9 s Panthera, Soldat 9f Paphos auf Cypern 31 Papias von Hierapolis, Kirchenvater 10 g Papst des Jahres 2000 14 a

Papyrus 7 b, 9 j Paradies, 9r, 13 q Paradosis 131, 14 c Paris, Louvre 13 y Parmenion, General Alexanders 1 m Parther 2 m, 3 w Parusie-Verzögerung 7i Passah, vgl. Ostern - erinnert an Exodus 1 e - Revolte 4 v. Chr. 2 x - Hinrichtung ausgesetzt 3j - im Kult 4i - Lamm 4 j, 11 v, w - Mahl 4j - Revolte unter Cuponius 6 b - Schildaffäre 6 s - Abendmahl 11 v, w - Brotvermehrung 11p - Unruhe unter Cumanus 12 m Passah-Feste Jesu 11 o Passionsspiel, siehe Oberammergau, Tegernsee Patmos 71 Paulus Diaconus (Kirchenvater) 10y Paulus, Apostel - Verhaftung 3 k - in Cypern 31 - in Korinth 3m, 12 j - nicht außerbiblisch 5 z - Galaterbrief 7d - Briefe 7 h - Pastoralbriefe 7 h - und Lukas 7 o - in der Apostelgeschichte 7 s - zum Gesetz 91 - Apostolat 9w - Universalismus 9x - Obrigkeit 10 s, w - Schuld der Juden 10 w - nicht im Credo 11a - Erster Timotheus-Brief 7 h, 11c - Bekehrung 12 d - Stephanus 12 d - Leben 12 p - Zweiter Timotheus-Brief 13 t - organisiert Christentum 14 m - Sabbat 14 m - bleibt Jude 14 w Pauly/Wissowa, Realencyclopädie 6 e, 9c

Register

Pella, im Ostjordanland 3y, 4w, 12 s Pentateuch 4 c Pergamon - Bund mit Rom 2 d - Aelius Aristides daher 3 z Perikopen 71 Persephone 10 z Perser, vgl. Achämeniden 12, 14 e Perseus, König von Makedonien (179168) 3 o Persien 8d, 14u, vgl. Achämeniden Personen, historische, im NT 11g Petavius, Dionysius 9 n Peter der Große 9 n Petersdom 14 g Petronius Arbiter 10 z, 11m Petronius, Centurio 13 d Petronius, Publius, Legat in Syrien 3 g, 12h, 13r Petrus, Apostel - in Rom 7 m, 8 p - sein Schatten 7 s - entdeckt den Messias 8 a - erster Jünger 9 w - verheiratet 9w - Schwert 10 e - Verleugnung 10e - Kreuzigung 10 t - Evangelium 10 x - nicht im Credo 11a - Pfingspredigt 12 d - gefangengesetzt 12 k - überzaubert Simon 13 s Pferd 11 j, 13 v Pfingsten 4 i, 7 s, 12 d Pflaume 2o, 13 z Pharao - Meremptah 1 e - Titel des Kaisers 3 f - Thutmosis III 8 d Pharisäer - unter Alexander Jannäus 1 y - unterstützen Hyrkan II 2j - im Hohen Rat 4 h - als Philosophenschule 41 - Heuchler 91 Pharos, Insel 1 p Pharsalos 21 Phasaelis 2 p Phidias 6 n

283

Philadelphia/Ammon 4w Philantrophie 14 r Philipp II, König von Spanien (15561598) 14 g Philipp V von Makedonien (221-179) 2d, 4z Philippi in Makedonien - Schlacht 42 v. Chr. 2 m, 14 e - Paulus dort 12 p Philippus, Apostel 7u, 8 p, 9w Philippus, Sohn des Herodes 2 u, v, w, z, 13 k Philister 1 f, 4 u Philo Judaeus - Leben 5 d - Schriften 5 e - lobt Augustus 8 i - gegen Flaccus 10 z - in Rom 12 g Philodemos von Gadara 71 Philoges, Gärtner 13 p Philostrat 7 k Phlegon 10 y Phosphoros 4 v Phosphoros, siehe Morgenstern Phryne, Hetäre 4 z Pilatus, Frau des, siehe Procula Pilatus-Akten, christenfeindliche 13 h Pilatus-Bach 13 w Pilatus-Berg bei Luzern 6 f, 13 v Pilatusbild - bei Philo und Josephus 12 y - in der Bibel 12 z - in der Forschung: Vorwort - bei den Kirchenvätern 12 z - im Petrus-Evangelium 13 d Pilatus-Inschrift 5q, r, s Pilatus-See 13 v Pileus 6f Pius XII, Papst (1939-1958) 10q Platon - Akademie 4 k, 14 q - Politikos 4y - bei Philo 5 e - Göttersohn 9 g - Staat 10f - und Dionys 101 Plinius der Ältere - zu Germanien 3 a - Ehrenschilde 6 m

284 (Plinius der Ältere) - Skepsis 10 j - Myrrhenwein 10 x - Templum Pacis 12 v Plinius der Jüngere 6v, 10h Plinius, der Deutsche 13 v Ploetz 10 z Plutarch lobt Rom 3 z, 8 i Pogrom, siehe Judenfeindschaft Polen 8y, 13 z Pollio, Asinius 8 h Polybios 4 a, 7 x Polygamie 21, 4 d Polykrates, Tyrann 10 t Pompeius, Imperator - in Syrien 1 y, 2 i - gegen Mithradates 2 h - in Jerusalem 2 j - jüdische Sklaven 61 - Ende 10 a Pontifex Maximus 11t Pontius Aquila, Caesarmörder 6 e Pontius Telesinus, Publius 6 f Pontius, Gaius 6f Pontus, Insel 13 s Popilius Laenas 2 f Poppaea, Frau Neros 5 f, 12 r, 14w Porphyrios, Philosoph 8f Portia, siehe Procula Posa, Marquis von 14 g Praefectus 3 f, 6 g, h praeses, siehe Statthalter Präsidialprokuratoren 3 f, i Prätorium 111 Praxiteles, Bildhauer 4 z Priene-Inschrift 8 i Priester 4 g Procula (Prokla), Frau des Pilatus - von Jesus geheilt 5 m - Traum 10 p - Jüdin 13 i - Fürbitte durch Pilatus 13 n - Christin 13r, t - Familiennamen Claudia 13 t - Heilige 13 t - bei Gertrud von le Fort 13 z Procurator Judaeae 3 f, 121 Prodigien 10 y Prokla, siehe Procula

Register Proklos, Neuplatoniker 7 k Prokop, Historiograph 12 v Prokuratorenprovinzen 3 f Propheten, falsche 9v Proselyten 4 s, 6 t, 14 w Provinzen, unter Augustus 3 d Provinziallandtage 3e Pseudo-Matthäus 9 e Ptolemäer, hellenistische Dynastie 1 n, 1P, 14r Ptolemaios I, König von Ägypten (323-282) 1 n Ptolemaios II, König von Ägypten (285-246) 1 p Ptolemaios IV, König von Ägypten (221-204) 5 p Ptolemaios XIII, König von Ägypten (51-47)21 Ptolemais/Akkon 4w, 12 h publicani 31 Puetoli 2 y Punische Kriege 2d, 3c, 4a, 10t Pyla, Müllerstochter 13 s Py latus 13 s Pyrrhon von Elis 10 j Pyrrhos, König von Epirus 9 k Pythagoras 5 x, 7 k, 9 u Pythagoreer 4 n

Q, siehe Logien-Quelle Qiphonos-Tor in Jerusalem 6 b Quaderhalle in Jerusalem 4 h, 11k Quadratus, Ummidius, Legat 3 h, 12 n, 14c Quartodecimaner 11 y quies sub Tiberio 5 z, 12 y Quinctilius Varus, Legat in Syrien - im Teutoburger Wald 2 u - im Räuberkrieg 2 x, 81 - kreuzigt 2x, 10 t - schickt Rebellen nach Rom 14 c Quinctius Flamininus, Titus 4 z Quirinius (Cyrenius) - Konsular 2 z - Schatzung 3 g, q, r, 8 m, 9 j, 1 - sein Titel 3 i - ernennt Ananias 4 g - Inschrift 5 v, w - in Tivoli 5 w - beaufsichtigt Archelaus 6 b

Register Qumran - Schriftfunde 4 o - Messiaserwartung 8 j - Kreuzigung 10 t

Raffael 1 s, 14 g Rahels Klage 9 k Ranke, Leopold von 7 x Rathenau, Walther 8 o Rätien 3 f, 5 q Räuberkrieg 81 Räuberwesen 12 o Ravenna lOx, 13 y Rebekka, Frau Isaaks 1 c Rechtspflege, provinziale 3 n Rehabeam, König 1 j Reichenau, Evangeliar 13 y Reichsteilung Juda - Israel 1 j Religieuses de Nazareth 9 i Renan, Ernest - zur Judenverfolgung 1 z - Essener 4 o - Johannes-Chronologie 7 q - Jesus-Buch 9 c - zu Kaiphas 14 j, - zum Untergang Roms 14 o - zum Mithras-Kult 14 s Repetunden-Prozesse 3 z Revision des Jesusprozesses 14 a Rheinzoll 10 x Rhodos 3 c Rhone 13 s, t Richter Israels 1 f Rind 8 h, 13 s Ritterstand 3f Robert II, König von Frankreich (1028-1035) 8 t Rom - Vatikan 1 s - Brand 5n, 12 r - Santa Croce 11 n - Judenvertreibung 12j, 14w - Titus-Bogen 12 v - Templum Pacis 12 v - Zauberwettstreit 13 s - Colosseum 13 a - Capitol 13 m - Lateran 13 y - Sancta Sabina 13 y - Petersdom 14 g

285

Roma, Göttin 2 p, 4 z, 6 n, 8 w Romanisierung 3 x Romanum, Credo 11 d Romulus, König Roms 9 k Rosenfeld, Messiasfigur 8 y Rossano 13 y Rotbart, Kaiser 8 z, vgl. Barbarossa Rotes Meer 5 d, 8 q Rufinus von Concordia, Kirchenvater 11 d Rufus, Sohn Simons 51 Rußland 9n, 11z, 13 x Rüsttag 11 q

Sabbat - Ruhe 4 d, 91 - bei Essenern 4 n - bei Jesus 9 t, 13 i - Pogrom Caesarea 12 t Sabbatai Zewi 8 y Sabina, Sancta 13 y Sabinus, Prokurator 2 x Sacco di Roma 1 s Sacharja, Prophet 10 d, e Sadduk, Pharisäer 8 m Sadduzäer - unter Hyrkanos 1 x - von Sadok 4 g - Philosophenschule 4 m - im Synhedrion 4 m Sadok, Priester Davids 4 g Saint Simon, Sozialist 8 z Sakralprostitution 4 u Salamis 14 e Salbung 8 b Salome, Schwester des Herodes 2u, 6< 13z Salome, Schwester Jesu 9 h Salome, Tochter der Herodias 2 v, 4 s, Salomon Molcho 8 y Salomon, König 1 i, 4 i, 7 v salvator 8 b Samaria/Sebaste - Nordreich lj - Herodes 2 p - Heiden dort 4 w - Kaiserkult 4 z - Augustus-Tempel 5 r - Jesus dort 9q - Mission 9x

286 Samaritaner - bei Augustus 3 b - bei Ummidius Quadratus 3 h - jüdische Häresie 41 - verunreinigen Tempel 6 b - Konflikt mit Pilatus 12 b - Konflikt mit den Juden 12 n Samariter, barmherziger 1 j Samnium 6 f Samos 10 t Samosata 5 x Samuel, Gottesmann 1 g Sangallo, Architekt 14 g Sanhedrin, siehe Synhedrion Saoschyant 8 c Sarah, Frau Abrahams 1 c Sarajevo, Attentat 14 h Sardinien 6 u Sarkophag mit Pilatus 13 y Sassaniden, persische Dynastie 12 v Satan - persisch 11 - in Cypern 31 - Chef der Dämonen 4 b - Sohn Gottes 4v - Kaiserkult 71 - stärkt Simon Magus 8 p - goldene Haare 9 k - versucht Jesus 9 p, 10 w - Austreibungen 9 v, w - zermalmt Judas 10 g - fährt in Judas 10g - Fürst dieser Welt 10 j - empfängt Judas 10 p - Traum Proculas 10 p - Wunder 10 z - holt Judas 13 a - Trabant Pilatus 13 s - inthronisiert Pilatus 13 v - Götter als Trabanten 14 s Satellitenkönige Roms 2 n Saturn, Goldenes Zeitalter 8 h Saturninus, Legat 6 i Sauhirt 7 j Saul, König 1 g, 8 b, d Saulus, siehe Paulus Scaliger, Joseph Justus 5 k Schächer - Dysmas 13 i, q - Gestas 13 i

Register

Schädelstätte, siehe Golgatha Schaf 9x, 9 z Schalksknecht 3 u Schekalim, Mischna-Traktat 6 w Schekel 3 u Scheschonk, Pharao 1 j Schilde, goldene 3 d, 6 k, 1, m Schimon ben Gamliel 6 a Schlange 13 s Schneemelcher, W. 7 u Schoch, Karl 11 u Schopenhauer, Arthur 9 d Schuldfrage 10 w Schulze, Hagen 14 e Schumacher, Kurt 14 g Schürer, Emil 6 w Schwein 6 s, 7j, m Schweinefleisch 7 m Schweinetabu 2 t Schweitzer, Albert 5 a, c, k, 9 c Schweiz 13 v Schwerter 10e, w Schwestern Jesu 9 h Scipio Africanus der Ältere 10 t Sebaste, siehe Samaria Seelenwanderung 41 Seevölker 1 f Seir 41 Sejan 6s, y, 10s, 13c Selbstbekenntnis Jesu 10 f Selbstmord - des Pilatus 13 b, c, w - des Judas 10 g - Sauls 10 g - Ahithophels 10 g Selbstopfer Jesu 9 z Seleucia 5x Seleukiden, hellenistische Dynastie 1 q Seleukos IV, König von Syrien 1 s Senat 10p, 13f, 1, m Senatsprovinzen 3 e Seneca 3 m, 10 j Sepphoris/Autokratonis 4w, 81 Septuaginta, griechische Bibel 1 p, 7 e Seraphim 13 g Serasima, Landgut Pilati 13 x Sergius Paulus, Prokonsul 31 Serubbabel, Nachkomme Davids 1 m, 8e, o Seth, Sohn Adams 13 j

Register

Shakespeare, William 9v Sibylle 8 h Sibyllinen 8w Sichern in Samaria 1 g, 41 Sidon 9q, 12 t Siena, Altarbild 13 y Sikarier 4q, 12 o vgl. Zeloten Silberlinge 3 u Silva, Flavius 12 w Simon aus Cyrene 51 Simon der Eiferer 14 j Simon in Bethanien 11 i Simon Magus 8 p, 12 b, 13 s Simon von Kyrene 13 z Simon, (Petrus) 8 a Simon, Bruder des Judas Makkabäus lu, v, 2g, 6m Simon, Herrenbruder 9 h Simon, Marcel 14 w Simon, Räuberkönig 81 Simonie 8 p Simson, Richter 1 f Sinai 1 d, 7 c Sinkiang 13 e Sixtinische Madonna 14 g Sizilien - Fabel 2 a - erste Provinz 3 c - Verres 3 e - legio Fretensis 3 w - Verres dort 10 t ~ Pilatus dort 13 z Skythopolis 4w, 12 t Smyrna 8 y Söhne des Donners (Zebedäiden) 14 j Sokrates 5x, 7i, 10 p Sol invictus 9o Sonne - bleibt stehen 9v - Finsternis 10y, 131 - verdorrt Pilatus 13 s - der Gerechtigkeit 14 s Sonnengott 9 o Sonnenkult 14 s Sonntag 9o, 11s, 14 s Sosius, Prokonsul 2 m Spanien 12p, 13t, u, 14u Spartacus 10 t Speisetabu 4d, 9x Spengler Oswald 8 z, 10 m

287

Spinoza, Baruch 9 u Städte - Selbstverwaltung 3 k - Bauwesen 3 z Stall 9 k Stammbaum Jesu 9d Statthalter - Rechtspflege 3 i - Kapitalprozesse 3 i - religiöse Streitigkeiten 31 - Aufgaben 3 n - Militärwesen 3w - Residenz 3 y Steinigung 10 w Stellvertreter 13 z Stendhal 8 y Stephanus 3 i, 10w, 12 d, 13 x Stern aus Jakob 8d, x, 9 k Steuern - in Rom 3 o - in den Provinzen 3 p, s - Pächter 31 - Zöllner 2 o, 31, 91, x - Verweigerung 3v, 10 n, w - Zinsgroschen-Gleichnis 3u, 5 p, 10 w Stier 4 y, 7 j Stoiker 41, 14 r Stomer, Matthias, Maler 13 y Stratons Turm 2 p Strauß, David Friedrich 9 c Strobel, August 11 u sub Tiberio quies 5 z, 12 y subligaculum 10 x Suda 13 s Suidas 13 s Suleiman II, Sultan (1520-1566) 10 t Sulla 2 h, 3 c Sündenbock 9 z Sybel, Heinrich von 10 x Symbolum, siehe Credo Syme, Sir Ronald 5 w Synagogen - Körperstrafen 3 k - Paulus predigt dort 3 m - in Rom 61 - Kaiserbilder 12 g Synhedrion - kein Blutrecht 3 i - Körperstrafen erlaubt 3 k - unter dem Hohen Priester 4 g

288 (Synhedrion) - Geschichte 4 h - Wasserleitung 6w - Verhör Jesu 10 e Synoptiker 7 k, 1 Syrakus 6 f, 9 g, 101 Syrien - Pompeius dort 2 i - Quinctilius Varus 2 x - Sulpicius Quirinius 2 z - wird Provinz 3 c - Legat in Judäa 3 g - Legat Beschwerdeinstanz 3 h - Legionen 3 w - liefert Rekruten 3 x

Tacitus - zu Pilatus 5 n, 11 d - Judäa unter Tiberius 5 z - Christenexkurs 12 r Taheb 4 t, 12 b Talmud - babylonischer 1 m - zu Jesus 5 y Tammuz 8o Tarragona 13 u Tatian, Kirchenvater 7j Taube 10 d Taufe - Johannes 4 s - Jesu 9 p - Jünger 9 w - Reinigungszeremonie 10 q Tegernsee, Passionspiel 13 a Telesia in Samnium 6f Tempel in Jerusalem - erbaut durch Salomon 1 i - zerstört durch Nebukadnezar 11 - erneuen durch Kyros und Darius 1m - geplünden durch Antiochus IV 11 - dem Zeus geweiht 1 u - Schatz 2 j, k, 4e, 6v - Pompeius don 2 j - erneuert von Herodes 2 r, 8 k - 4 v. Chr. beschädigt 2 x - für Fremde verboten 3 i, 4 e, 6 w - Paulus dort 3 k - Trophimus dort 3 k - Steuer 3 v

Register

- Wechsler 3 v - gereinigt von Jesus 3 v, 10 c, d - Kult 4 b - Opfer 4 f - Priester 4 g - Quaderhalle 4 h - heilige Gewänder 4 i, 121 - Mittelpunkt des Kultes 4 k - von Essenern abgelehnt 4 o - Kaiseropfer 4 z - Stiftung Alexanders 5 d - Qiphonos-Tor 6 b - Schildaffäre 6 m - Galiläer getötet 6w - Stiftungen Fulvias 6u - von Jesus wiedererrichtet 10e - Vorhang 10 y - Mohammeds Himmelfahrt 11 j - Schatz unter Floras 12 s - Kaiseropfer eingestellt 12 s - Zerstörung 12 u - überdauert 14 w Tertullian, Kirchenvater - zum Hebräer-Brief 7 h - Schrift gegen Marcion 9 i - Bethlehemgeburt 9j - zu Sol 9 o - Credo 11 d - Pilatus-Legende 13 f Testament, Altes, Neues 7 c, d-g Testimonium Flavianum 5 j, k, 1 Teufel, siehe Satan Teufelswerk 14 q Teutoburger Schlacht 2u, 14 e Theoderich der Große (489-526) 10 x Theodosius II, Kaiser (408-450) 13 i, 14q Theodosius, Kaiser (379-395) 11 b Theokratie 4 q Therapeuten 4 p Thesalonike, römische Hauptstadt 3 y, 12p Theudas, Räuber 8q, 10 t, 121 Tholomäus, Räuber 8q Thomas, Jünger 10 k Thor (Donar) 4 y Thora 1 m, 4c, 12m Thrakien 2 n Thukydides 7x Thutmosis III, Pharao 8d

Register

Tiber 8 i, 13 s Tiberias in Palästina 4w, 10 n Tiberieum in Caesarea 5 r, 6 v Tiberius Julius Alexander, Prokurator - Bruder Philos 5 d - Erhebung des Judas 8 q - Ruhe im Lande 121 Tiberius, Kaiser (14-37) - lange Statthalterschaften 3 e - Auswahl der Statthalter 3 z - Repetunden-Prozesse 3 z - auf Pilatusmünzen 5 o - Kaiserkult 5 r - ernennt Gratus 6 d - Tod 6 i, 12 c - tadelt Pilatus 6 k, 14 c - Schildaffäre 6q - Judenfreund 6 t, u - in Capri 6y, 14 j - 15. Jahr 9m - Freunde 10 s - kreuzigt 10 t - heimlich Christ 13 f - ernennt Jesus zum König 13 p Tiere aus dem Abgrund 8 g Tigris 8y Tintoretto 13 y Tirabatha 12 b Tirathana 12 b Tire in Samaria 12 b Titulus Crucis 10 u, 11 n Titulus Tiburtinus 5 v Titus, Kaiser (79-81) - Fremdenverbot im Tempel 4 e - nach Rom 5 i - Drohgebärde 6 p - kreuzigt 10 t - vor Jerusalem 12u, v - Triumphbogen 12 v - heiratet Berenike 14 w - wird Jude 14 w Tizian 13 y Tobiaden-Roman 1 o Todes-Passah 11p Totenerweckung 9w Totes Meer 4 o Trajan, Kaiser (98-117) 6v, 10h Traum - der Procula 10 p - der Magier 10 p

- Josephs 9 i, 10 p - Artemidor 10 x - des Pilatus 13 r Tribunal 10r, v, 111 Trier 10x, 13w Trophimus 3 k, 12 p Tryphon, Jude 7 j, 10 w, z tunica inconsutilis 10x, 13 s Tunis 141 turba 2u, 6k, u, 10s Turfan 13 e Türkei 10 t, 14 w Tüttelchen 9 t Tyros 1 i, t, 3 v, 4 w, 9 q Tyrus, König 13 s

Ugedei, Khakhan 8 y Uiguren 13 e Ulla, Rabbi 10 w Ulpian 3q, 10 j Ummidius Quadratus, Legat 3 h Ungeschehene Geschichte 14 d Ur lb Uthmann, Jörg von 13 z Valentinian, Kaiser (364-375) 10o, t Valentinus, Gnostiker 5 b Valerius Gratus, Präfekt 6 d Valerius Maximus 14 w vanae voces populi 10 s Vandalen 12v, 14 u Varus, siehe Quinctilius VaterUnser 4 s Velleius Paterculus 8 h Venedig 7 m, 13 y Ventidius, Legat 2 m Venus, Göttin 11m Venus, Planet 4 v Verformungstendenzen 7 z Vergeltung, göttliche 12x, 13 c, g Vergil 8 h, 14 p Veronika, Tuch der 13 s Verres, Statthalter 3 e Vespasian, Kaiser (69-79) - und Josephus 5 i - im Jüdischen Krieg 6 p, 12 c - als Messias 81 - wird Kaiser 81 - Heilwunder 8 t - wohnt Heilwunder bei 9u

289

290 (Vespasian, Kaiser) - vor Jerusalem 12 u - verurteilt Pilatus 13 r - stirbt 70 14 w Vesuv 71 Vettern Jesu 9 h Via Dolorosa 111 Vibius Maximus, Präfekt 9j Victoria, Siegesgöttin 12 v Vienne 2 z, 13 s, t Vierwaldstätter See 13 v vindex 8 b Virginität, siehe Jungfrauengeburt Vitellius, Kaiser (68-69) 14 w Vitellius, Statthalter 12 b, c, e Völkerwanderung 14 p Volksgesandtschaft 2 i, u, z, 3 b Volksmassen 10 s Volkszählung 2 z, 3 p, q Volney 5 a Voltaire 14o, w Volusianus, Sekretär 13 s Vulgata, lateinische Bibel 7 d Wahrheit 6a, 9a, lOj-1 m Walfisch 11 r Wallfahrt 4 i Wannsee-Konferenz 13 z Wasserleitung 6v, w Weber, Alfred, Bruder von Max 14i Weber, Max 1 g, 8 z, 14 h Wegweiser 9 y Weihnachten 9o, 14 s Weihnachtsgeschichte 8 d, x Weihnachtsspiel 13 z Weihrauch 8 d Weimar 5 a Wellhausen, Julius 4 c Weltära 9 n Weltgericht beim Täufer 4 s Weltkrieg, Erster 14 h Weltreiche 8 h Westfälinger 10 x Westgoten 9 o Widder 8 g, 9 z Wieland, Christoph Martin 5 a Wien, Hofgericht 14 a Witwe 3 u Wochenfest, siehe Pfingsten

Register

Wolf 9 s Worms 101, 13w Wroe, Ann 13 z Wunder - im slawischen Josephus 5 m - bis Spinoza 9 u - Zeichen Jesu 9v - durch Jünger 9w - bei der Kreuzigung 10 y - fehlen in der Passion 10 a - im Alten Testament 11 f - Jesu 13 k - durch Pilatus 13 q - Speisung der Fünftausend 14 k Würfel 10 x Xerxes, Perserkönig (486-465) 6y Ysop-Rohr 10x Yusef Abu ben Hasan Cohen 4 t

Zacharias, Prophet, siehe Sacharja Zacharias, Vater Johannes des Täufers 4s Zarathustra 8 c Zauberei 9f, 10 z Zebedäiden 14 j Zebedäus, siehe Johannes Zedekia 7 c, 8 d Zeder 1 g Zehn Gebote 4 i Zeitrechnung, christliche 9n Zeloten, vgl. Judas Iskarioth - Philosophenschule 4 q - begründet von Judas 8 m - unter den Jüngern 14 j Zeno 4 k Zeus 1 u, 4y, 9v, 12 z Ziege 8 g Zimmermann, 9d, p, 141 Zimmern, H. 8o, 10 o Zinsgroschen-Gleichnis 3u, 5 p, 10 w Zion - bei Jesaja 7j - Wallfahrt der Könige 8d, 9x - Tochter 10 d Zisterne 5 h Zöllner 2 o, 31, 91, x Zwi, siehe Sabbatai 8 y Zwölfzahl 9w

PONTIUS PILATUS ist eine

Schlüsselfigur der Weltgeschichte.

Am Kreuzweg von Römertum, Judentum und Christentum hat er

ohne Wissen und Willen durch eine Routine-Entscheidung eine

Bewegung ausgelöst, die - unbe­

merkt von den Zeitgenossen - das Bild der Menschheit verändert

hat. Pilatus gehört damit nicht

weniger der theologischen als der historischen Wissenschaft an. Cm die Voraussetzung und die unmit­ telbare Wirkung seines Urteils zu

verstehen, ist die Erinnerung der Juden an das Davidsreich und ihre

Messiaserwartung zu bedenken, das Ausgreifen der Römer nach

Osten und das System ihrer Pro­ vinzialherrschaft, die Eigenart der

biblischen und nichtbiblischen Quellen, unter ihnen die sensa­

tionelle Pilatus-Inschrift aus Cae­ sarea, gefunden 1961, sowie die Ereignisfolge von Golgatha bis zur Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. Die Frage, was wäre geschehen,

wenn Pilatus Jesus verschont hät­ te, fordert von der historischen

Phantasie Alternativen zum Ver­ lauf der Geschichte. Ein Ausblick auf die Rolle des Pilatus im christ­ lichen Glaubensbekenntnis, in der Legende, der Literatur und der Kunst runden das Bild eines

Mannes ab, von dem Nietzsche be­ merkte, er sei die einzige Gestalt

im Neuen Testament, die Respekt verdiene.

Alexander Demandt ist Professor für Alte Geschichte an

der Freien Universität Berlin.

Im Böhlau Verlag Köln sind unter anderem von ihm erschienen: Der Idealstaat. Die politischen Theorien der Antike. ISBN 3-412-14393-6

Das Attentat in der Geschichte. ISBN 3-412-16795-9

Geschichte der Geschichte. Wissenschaftshistorische Essays. ISBN 3-412-15096-7

Stätten des Geistes. Große Univer­ sitäten Europas von der Antike bis zur Gegenwart. ISBN 3-412-01899-6

Wer war Pontius Pilatus? Was wissen wir über ihn und seine Zeit? Was wäre geschehen, hätte Pilatus Jesus verschont? Alexander Demandt beleuchtet in seinem spannend und geistreich geschriebenen Buch die Rolle eines Mannes, ohne den die Menschheitsgeschichte anders verlaufen wäre.

ISBN 3-412-01799-X