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German Pages 120 [128] Year 1938
HIPPOKRATES UND
DIE
BEGRÜNDUNG
DER
WISSENSCHAFTLICHEN MEDIZIN
VON
MAX POHLENZ
BERLIN 1938
WALTER DE G R U Y T E R & CO. VORMALS G.J.GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG / J.GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG / GEORG REIMER
I KARL J. TRÜBNER
I VEIT & COMP.
Archir-Nr. 334038 Druck von Walter de Gruyter & Co., Berlin W 3s Printed in Germany
DEM ANDENKEN MEINES DES ARZTES
BRUDERS
INHALT Die Aufgabe
i
Die Schrift über die Umwelt • •
3
A (Kap. i — n ) Umwelt und Gesundheitszustand B (12—24) Umwelt und Volkstum: Asiaten und Europäer Die Schrift über die Heilige Krankheit
31
Die Persönlichkeit des Verfassers
36
Der wissenschaftliche Einfluß des Verfassers . . . .
46
Hippokrates?
63
Hippokrates und die Begründung der wissenschaftlichen Medizin
81
Anmerkungen
97
Literaturverzeichnis
P o h l e n z , Hippokrates
119
b
„Hippokrates ist zur Zeit ein berühmter Name ohne den Hintergrund irgend einer Schrift" stellte Wilamowitz 1901 fest. „Wir wissen von Hippokrates nichts, als daß er gelebt hat", schreibt Henry E. Sigerist 1932 in dem Buche, in dem er Leben und Werk der „Großen Ärzte" schildern will. Und solche Urteile können wir heute allenthalben von Philologen wie von Medizinern vernehmen. Lähmend hat sich diese Skepsis auf die Forschung gelegt. Seit dem sechzehnten Jahrhundert hat es kaum eine Zeit gegeben, in der sich die Wissenschaft so intensiv und so erfolgreich mit den einzelnen hippokratischen Schriften beschäftigt hat. Aber alle ihre Arbeiten biegen unmittelbar vor dem Ziele aus. Hippokrates' Persönlichkeit und seine individuelle Leistung wirken als Tabu, an das man nicht zu rühren wagt. Ist diese Bankerotterklärung der Forschung berechtigt? Gewiß, die antike Biographie des Hippokrates ist von der Legende überwuchert. Aber seine Gestalt verflüchtigt sich doch nicht wie die Homers im Morgennebel hellenischer Frühgeschichte; sie steht im hellen Lichte einer Zeit, die an den großen Persönlichkeiten interessiert ist. Und einige sichere Tatsachen sind uns doch aus dem Altertum über sein Leben überliefert; sogar das Datum seiner Geburt hat sorgsame Lokalforschung festgestellt. Gewiß liegt über der Entstehung und der Geschichte der hippokratischen Schriften noch ein Dunkel, und schon die Antike war sich klar, daß in dem „vielberedeten und vielbewunderten Sechzigbändewerk, das alles medizinische Wissen und Können umschließt", die meisten Stücke mit Hippokrates selber nichts zu tun haben. Aber im ganzen Altertum hat nie ein Mensch gezweifelt, daß Hippokrates Schriften hinterlassen hat, und auch heute zweifelt niemand daran, daß der allergrößte Teil des Corpus Hippocraticum aus seiner Zeit stammt. Es wäre eine schier unbegreifliche P o h l e n z , Hippokrates
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Tücke des Schicksals, wenn gerade die Werke des anerkannten Meisters spurlos verschwunden sein sollten. Es ist also einfach ein methodisches Postulat, daß unter den uns erhaltenen Schriften auch solche von Hippokrates selber sein müssen. Und damit ist der Forschung eine Aufgabe gewiesen, der sie sich nicht entziehen darf, mag auch die Lösung noch so schwierig erscheinen. Natürlich ist der Wissenschaft nicht damit gedient, wenn sich kritiklose Traditionsgläubigkeit und dichterische Phantasie zu einem Hippokratesroman verbinden. Ihr Gang ist mühsamer und weniger kurzweilig. Aber der Weg, den sie einzuschlagen hat, ist längst gesehen. Wir müssen die einzelnen Schriften des Corpus auf ihren Gedankengehalt hin analysieren, die innerlich verwandten zusammenfassen, das zeitliche und sachliche Verhältnis dieser Gruppen bestimmen; wir müssen — das ist bisher noch am wenigsten geschehen — die wissenschaftlichen Persönlichkeiten, die hinter diesen Schriften stehen, zu fassen suchen, und schließlich dürfen wir dann vor der Frage nicht zurückschrecken, ob nach inneren und äußeren Indizien eine solche Persönlichkeit mit dem großen Hippokrates gleichzusetzen ist. Glücklicherweise besitzen wir j a auch noch zwei unbedingt zuverlässige Zeugnisse über Hippokrates' Lehre, die uns die Beantwortung dieser Frage ermöglichen müssen. Auch der geeignete Ausgangspunkt ist leicht zu finden. Es herrscht wohl schon jetzt Einigkeit darüber, daß neben den beiden frühesten Epidemienbüchern (I und III) und den chirurgischen Spezialwerken sicher zu den ältesten und bedeutendsten Schriften des Corpus zwei gehören, die nach Wilamowitz' Nachweis von demselben Verfasser stammen. Das ist die Schrift, die uns unter dem unzutreffenden und sicher nicht vom Verfasser gegebenen Titel 'Über Luft, Wasser und Ortslage', TTepl dipcov Cf8T)u(. Vgl. noch TT. TÉXVTI; 2 : Tà (lèv yàp òvópcrra voiioOmfjiiocTà èo-nv, Tà 6è eTSea où vo|ioOETi^iiaTa àXXà ßAacnfipiaTa cpüaios nebst Gomperz' Kommentar. Der Autor von ir. ßiahris gefallt sich darin, vónos und 9Üais in heraklitisierenden Wendungen einander entgegenzusetzen (c. 4 und 11). Die Anfangsworte von ir. yovfjs: Nóiios pèv iràvTa Kpanivei spielen auf Pindars Nòuos 6 iràirrcov ßaai3
IO3
Aeus an, verstehen aber unter Nomos das Naturgesetz. V g l . Ilberg S. 10 und Regenbogen, Quellen u. Studien z. Gesch. d. Mathem. I 160. 4 Z u m Folgenden vgl. Mewaldt 256 und Deichgräber 121.
Zu Seite 28 1 Über A vgl. Anm. 1 zu S. 12. Aus B vgl. S. 77, 4, wo freilich VI |. Dort wird der Grundsatz T«ät Ivairria T W V ivavTiwv iarlv ti^norra ganz ähnlich entwickelt wie tp. v. 18 (vgl. ir. v