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German Pages 237 Year 2014
Folko Zander Herrschaft und Knechtschaft
Folko Zander - 978-3-8467-5432-0
jena-sophia Studien und Editionen zum deutschen Idealismus und zur Frühromantik Herausgegeben von Christoph Jamme und Klaus Vieweg Abteilung II – Studien Band 11
2014 Folko Zander - 978-3-8467-5432-0
Folko Zander
Herrschaft und Knechtschaft Die Genese des Selbstbewusstseins in Hegels „Phänomenologie des Geistes“. Ein Kommentar
Wilhelm Fink Folko Zander - 978-3-8467-5432-0
Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein
Umschlagabbildung: Jena – Blick vom Philosophengang (um 1810) kolorierte Radierung von F. W., Stadtmuseum Jena
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. © 2014 Wilhelm Fink, Paderborn Wilhelm Fink GmbH & Co. Verlags-KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn Internet: www.fink.de Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Printed in Germany Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn ISBN 978-3-7705-5432-4
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INHALTSVERZEICHNIS
DANKSAGUNG ............................................................................
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0. EINLEITUNG ...........................................................................
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1. DIE ERFAHRUNG DES BEWUSSTSEINS ....................................
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1.1 Die Sinnliche Gewissheit ................................................. 1.2 Die Wahrnehmung ........................................................... 1.2.1 Durchgang: skeptische Zweifel am wahrnehmenden Bewusstsein ..................................................................... 1.2.2 Durchgang der Erfahrung: die Zutat des Bewusstseins ............................................................. 1.2.3 Durchgang: die zwei Welten des Gegenstandes ..... 1.3. Der Schluss des Verstandes............................................. 1.3.1 Der Ausgangspunkt: Das Unbedingt-Allgemeine... 1.3.2 Die Inklusion der Bewegung in der Kraft ............... 1.3.3 Die Fortbestimmung des Allgemeinen zum Inneren der Äußerung und das Reich der Gesetze ........... 1.3.4 Der doppelte Sinn der allgemeinen Attraktion. Das System von Gattungen ..................................................... 1.3.5 Der Schluss des Verstandes .................................... 1.4 Zusammenfassung. Der Weg des Bewusstseins ............... 2. DER ÜBERGANG ZUM SELBSTBEWUSSTSEIN ..........................
27 39 42 43 46 52 53 56 60 64 72 78 82
2.1 Die Unzugänglichkeit des externen Allgemeinen ............ 83 2.2 „Erscheinung“ und die Gestalten des Bewusstseins ......... 87 2.3 Das reine Selbstbewusstsein als Ich=Ich .......................... 89 2.4 Die Begierde und das Leben ............................................ 91 2.5 Die Verdoppelung des Selbstbewusstseins ...................... 109 2.6 Die Verdoppelung des Selbstbewusstseins in das Andere seiner selbst ..................................................... 112
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INHALTSVERZEICHNIS
2.7 Die Möglichkeit der Ableitung von Multi- und Intersubjektivität aus der Verdoppelung des Selbstbewusstseins........................................................... 2.7.1 Die Möglichkeit des intersubjektiv vermittelten Selbstbewusstseins ...................................... 2.7.2 Die Möglichkeit einer immanenten Interpretation des Selbstbewusstseinsverhältnisses ......... 2.7.3 Das Selbstbewusstsein als substantielle Gestalt .....
118 119 133 135
3. DIE ERFAHRUNG DES SELBSTBEWUSSTSEINS ........................ 144 3.1 Der Begriff der Anerkennung .......................................... 3.2 Naturrechtliche Fragen im Kontext des Anerkennungsbegriffs ............................................................ 3.3 Die Erfahrung des Bewusstseins. Herrschaft und Knechtschaft .................................................. 3.4 Die Metaphorik des „Kampfes auf Leben und Tod“........ 3.5 Das Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft ............ 3.6 Die Unangemessenheit der HerrschaftsKnechtschafts-Gestalt zum Begriff der Anerkennung ........... 3.7 Das Tun des Knechts........................................................ 3.8 Der Knecht als an sich freies Selbstbewusstsein .............. 3.9 „Herrschaft und Knechtschaft“ als statische Zwischengestalt des Selbstbewusstseins ................................ 3.10 Die Freiheit des Selbstbewusstseins als dessen neue Gestalt...........................................................
145 154 158 169 181 190 194 209 213 215
4. FAZIT ..................................................................................... 220 LITERATUR ................................................................................ 228
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Danksagung Bei vorliegendem Buch handelt es sich um die unwesentlich veränderte Fassung meiner Dissertation, die im Februar 2009 bei der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena eingereicht wurde. Besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater Prof. Dr. Klaus Vieweg, ohne dessen engagierte Unterstützung und im liberalen Geist erfolgte Betreuung diese Arbeit nicht zustande gekommen wäre. Im Rahmen seines Kolloquiums „Probleme der Erforschung des Deutschen Idealismus“ und vieler Blockseminare in Siegmundsburg bot er mir vielfältige Gelegenheit, meine Forschungsergebnisse vorzustellen und mit den Teilnehmern zu diskutieren, für deren Anregungen und Kritik ich mich gleichfalls bedanken möchte. Bei Mag. Björn Vinx und Dr. Oliver Koch konnte ich in zahlreichen Gesprächen meine Zwischenergebnisse vorstellen. Für ihr geduldiges Zuhören und ihre kenntnisreichen und scharfsinnigen Hinweise seien auch sie herzlich bedankt. Mein ausdrücklicher Dank gilt auch meinen Gutachtern Prof. Dr. Wolfgang Welsch und Prof. Dr. Michael Forster für ihre Unterstützung. Ihren Arbeiten über die Klassische Deutsche Philosophie und ihren Einfluss auf die moderne und postmoderne Philosophie verdanke ich viel. Zu danken habe ich außerdem dem Land Thüringen für die Gewährung eines Graduiertenstipendiums, welches mir die ökonomische Sicherheit gab, konzentriert an der Dissertation zu arbeiten, und der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Einen ganz besonderen Dank möchte ich meinen Eltern aussprechen für ihre jahrelange Unterstützung meiner Arbeit. Schließlich möchte ich mich ganz besonders herzlich bedanken bei meiner Frau Alicja für ihre Geduld, ihre liebevolle Bestätigung und Hilfe.
Jena, 4.2.2014
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0. Einleitung Wer sich mit Hegel beschäftigt, ist auf sich allein gestellt, auch heute noch, über 30 Jahre, nachdem Dieter Henrich resignierend diesen Befund ausgesprochen1 hat. Jeder Student der Philosophie, der sich der Mühe einer Hegel-Lektüre aussetzt und, wahrscheinlich schon bald, Hilfe in Sekundärtexten sucht, wird sich einer großen Fülle von Interpretationsmöglichkeiten gegenübersehen. Dies wäre kein großes Problem und eher die Regel bei Forschungsliteratur zu schwierigen Primärtexten, ist in ihr doch weitestgehend ein Konsens wenigstens in Grundsatzfragen zum Forschungsgegenstand vorzufinden. Das kann der Literatur zu Hegel aber nicht zugestanden werden.2 Dies betrifft besonders die zur Phänomenologie des Geistes3. In der PhG ist es wiederum das Kapitel „Selbstbewusstsein“, insbesondere der in ihm enthaltenen Abschnitt „Herrschaft und Knechtschaft“, welches von großer Attraktivität für Interpreten zu sein scheint. Hier aber ist die Fülle sich widersprechender Auslegungen besonders auffällig. Karen Gloy hat diese Interpretationen gesichtet und grob in drei verschiedene Blöcke unterteilt. Sie stellt der „marxistischen und nicht-marxistischen Deutung“, denen sie die Interpretationen von Marx und Kojève zuschlägt4 und in denen Hegel eine dialektisch-materialistische Geschichtsauffassung unterstellt wird, eine materiale Interpretation des Abschnittes gegenüber. Eine solche wäre zunächst die historische, welche wiederum in drei Unterströmungen gegliedert werden kann, deren erste eine strikt geschichtliche Deutung ist, während die zweite auf Anachronismen der Hegelschen Wortwahl hinweist und entsprechend die Hegelschen Termini als idealistische Typisierungen deutet. 1 2
3 4
Vgl. Dieter Henrich, Hegel im Kontext, Frankfurt am Main 1971, S. 7. „Vermutlich wurden ihm alle möglichen Positionen zwischen absolutem Idealismus und spekulativer Metaphysik auf der einen sowie Relativismus und Historizismus auf der anderen Seite zugeschrieben“. Dieter Schönecker, Kein Sein, keine Unmittelbarkeit. Hegel über die Vernunft der sinnlichen Gewißheit, in: Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus 1 (2003), S. 241-269 (S. 241). Fortan PhG. Vgl. Karen Gloy, Bemerkungen zum Kapitel „Herrschaft und Knechtschaft“ in Hegels Phänomenologie des Geistes, in: Zeitschrift für philosophische Forschung, Bd. 39 (1985), S. 187-213 (S. 187ff.).
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EINLEITUNG
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Eine dritte Lesart versucht, einen Bezug von der antiken Sklaverei zu Naturzustandstheorien im Text nachzuweisen.5 Für die soziologische Interpretationslinie gilt das Herr-Knechts-Verhältnis als paradigmatisch für verschiedene Staaten und Gesellschaften. Dabei wird in den ihr zugeordneten Interpretationen notgedrungen Hegel eine Anthropologie unterstellt, nach der der Mensch ein natürliches Bedürfnis der Anerkennung habe, welches sich allerdings in Subordination pervertiere.6 Theorien, welche diese Subordination auf innere Vermögen zurückführen, machen die psychologische Interpretation aus.7 Diese Theorien haben mehr oder minder große Schwierigkeiten, im Kontext der PhG verortet zu werden bzw. sich mit einigen Formulierungen Hegels in Übereinstimmung bringen zu lassen. Den von Gloy so genannten formalen Interpretationen, welche den Abschnitt als „ideale Genealogie“ begreifen, geht es da etwas besser. Uneinigkeit jedoch herrscht in der Frage, ob es sich hierbei um die idealtypische Genese des einen Selbstbewusstseins oder verschiedener selbstbewusster Wesen handele. Für letzteres spricht der Wortlaut der PhG, dagegen, dass eine Ableitung einer Vielzahl verschiedener selbstbewusster Entitäten im Text nicht ausfindig zu machen ist. Gloy selbst schlägt eine ontotheologische Interpretation vor, da der Abschnitt „Herr und Knecht“ von „Totalitäten und Totalitätsverhältnissen“ handele, was mit der Anlage der PhG konform gehe, welche die „Darstellung des dialektischen Logos in seinen empirischen Manifestationen“ zum Ziel habe.8 Für diesen Vorschlag spricht dessen integrative Leistung, da ja in Rechnung zu stellen ist, dass diese grundverschiedenen Interpretationsansätze jeweils durchaus einiges für sich haben – von den von Gloy bemerkten offensichtlichen Unzulänglichkeiten wie Textferne und gelegentlicher Inkonsistenz abgesehen. Dagegen spricht, dass er sich ebenfalls nur auf einige verstreute Bemerkungen im Text berufen kann. Allerdings gibt die vorher angestellte Literaturübersicht Hinweise darauf, wo die große Heterogenität der Interpretationen herrührt – und in Gloys nunmehr über 20 Jahre alte Übersicht ließe sich in jede der von ihr unterschiedenen Lesarten aktuelle Beispiele rubrizieren: Es fehlt ganz offenkundig an 5 6 7 8
Vgl. ebd., S. 191ff. Vgl. ebd., S. 194ff. Vgl. ebd., S. 197f. Ebd., S. 208.
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grundlegendem Verständnis dafür, wie der Hegelsche Text überhaupt zu lesen ist, also, um was für eine Sorte von Text9 es sich handelt und welche Beweisabsicht mit ihm verfolgt wird. Ist dies geklärt, sind Rückschlüsse auf den Aufbau des Werkes, den Zusammenhang seiner Abschnitte untereinander und die Art des Argumentierens erlaubt. Ist wiederum dies erreicht, kann mit Erklärungsversuchen überhaupt erst begonnen werden. Bei einer ersten Kenntnisnahme gibt gerade der Abschnitt „Herrschaft und Knechtschaft“ kaum Hinweise zur Beantwortung dieser Fragen. Es werden scheinbar tatsächlich Sachverhalte sozialer Natur ausgesprochen, dies aber in einer Sprache, die dem Thema unangemessen und unnötig kompliziert erscheint. Bei näherer Betrachtung verkompliziert sich die Lage noch: Die Phänomene, auf die Hegel anspielt, werden in willkürlicher, rhapsodischer Abwechslung präsentiert, so dass nichts ferner zu liegen scheint als ein innerer Zusammenhang. Offensichtlich verdankt sich die Diversität der Deutungsversuche dem Umstand, dass sich offenbar nicht anders zu helfen gewusst wurde, als diesen Zusammenhang mit äußerlichen Plausibilierungen, Vermutungen und Konjekturen erst herzustellen. Dass ein solches Verfahren äußerer Zuschreibungen riskant ist, muss eigentlich nicht extra erwähnt werden. Bei der PhG muss diese Zugangsweise jedoch allein deshalb als völlig untauglich bezeichnet werden, da jeder Maßstab fehlt, an welchem diese Deutungsversuche sich messen lassen könnten. Keines von Hegels Werken, die über das Fragmentstadium hinausgekommen sind, thematisieren Herrschaft und Knechtschaft im Zusammenhang mit dem Problem des Selbstbewusstseins. Da zudem nicht gesichert ist, inwieweit der Kontext des Themas Herrschaft und Knechtschaft in den Jenaer Systemfragmenten und dem System der Sittlichkeit es mit seinem Gebrauch in der PhG vergleichbar macht, ist ein Rückgriff auf diese Schriften nicht ohne weiteres zu rechtfertigen. Wer sich mit Hegel beschäftigt, wird auch zuweilen von Hegel selbst allein gelassen. Was für die Binnenstrukturierung des Textes gilt, scheint auch für 9
Selbst der Status eines genuin philosophischen Textes kann bestritten werden. So hält Richard Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität, Frankfurt am Main 1992 die PhG für ein „Paradigma der ironischen Fähigkeit […]. die Möglichkeiten massiver Neubeschreibungen zu erkunden. So gesehen, ist Hegels sogenannte ‚dialektische Methodeǥ weder ein Prozeß der Argumentation, noch eine Weise der Vereinigung von Subjekt, sondern einfach literarisches Geschick.“ (S. 135).
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EINLEITUNG
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die Gliederung der ersten vier Kapitel zu gelten; zumindest ist der systematische Ort einer sozialen Figur innerhalb eines Themas „Selbstbewusstsein“ und die systematische Ableitung dieses Themas aus dem physikalischen Themenkomplex von Kraft und Gesetz, das im Kapitel davor behandelt wird, fragwürdig. So gesehen ist es sicher keine Untertreibung zu sagen, der Abschnitt „Herrschaft und Knechtschaft“ sei mit dem Stein von Rosette vergleichbar. Jedoch steht die Sperrigkeit und scheinbare anarchische Struktur des Textes in einem merkwürdigen Kontrast zu Hegels Auffassung die Beweisabsicht und methodische Strenge der PhG betreffend. In der Vorrede, mehr aber noch in der Einleitung zur PhG finden sich ausgiebige Reflexionen zur Methode der PhG. Da ist zunächst die Rede von einer Begründung der Wissenschaft, „die wie aus der Pistole mit dem absoluten Wissen unmittelbar anfängt, und mit anderen Standpunkten dadurch schon fertig ist, dass sie keine Notiz davon zu nehmen erklärt.“ (PhG, S. 21f) Hegel kontrastiert diese Position, die er selbstverständlich ablehnt, mit jener der PhG. In ihr gehe es darum, das „Werden der Wissenschaft überhaupt“ darzustellen und ihr in dieser ihrer Darstellung rein zuzusehen (vgl. PhG, S. 65). Eine Philosophie, die sich unmittelbar des absolut Wahren versichert hat, muss an die Methode ihrer Darstellung, d.h. der Darstellung der Folgerungen aus diesem Wahren, weniger strenge Maßstäbe stellen als eine, welche sich die Darstellung ihres Werdens vornimmt. Wenn die Sequenz der Inhalte einer Wissenschaft einen wesentlichen Teil ihrer Wissenschaftlichkeit ausmacht, so ist auf die folgerichtige Darstellung der Übergänge dieser Inhalte ebenso zu achten wie auf die konsistente Darstellung der Inhalte selbst. Dies um so mehr, als die Darstellung der Inhalte gleichzeitig eine Integration jener Standpunkte leisten soll, mit denen die mit dem Wissen unmittelbar anhebende Wissenschaft durch Nichtbeachtung glaubte fertig werden zu können. Denn „die Wissenschaft, darin, dass sie auftritt, ist sie selbst eine Erscheinung; ihr Auftreten ist noch nicht sie in ihrer Wahrheit ausgeführt und ausgebreitet.“ (PhG, S. 60) Denn sie könne „ein Wissen, welches nicht wahrhaft ist, weder als eine gemeinsame Ansicht der Dinge nur verwerfen; noch sich auf die Ahndung eines bessern in ihm selbst berufen“, da es das eben nicht ist, wovon sich das wahre Wissen vom unwahren unterscheide. (Vgl. ebd.)
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Mit der Darstellung des erscheinenden Wissens hat sich Hegel viel aufgebürdet. Zunächst soll das Wahrhafte des erscheinenden Wissens dargestellt werden. Obschon beiseite gelassen werden muss, was Hegel hier zunächst unter „Wissen“ versteht,10 erhält es das Zusatzprädikat des „Erscheinenden“. „Erscheinendes Wissen“ ist, so kann nach dem Zitat vermutet werden, selbst noch nicht das in seiner Wahrheit ausgeführte Wissen. Das ist in der Tat so. Denn Hegel spricht ebd. vom „natürlichen Bewusstsein“, welches im Verlauf der PhG die Erfahrung mache, nicht „reales Wissen“ zu sein. Ihm gelte daher „für Verlust seiner selbst, was die Realisierung des Begriffs ist“. (PhG, S. 61) Damit werde aber eine „bewusste Einsicht“ erreicht, nämlich in die „Unwahrheit des erscheinenden Wissens, dem dasjenige das Reellste ist, was in Wahrheit vielmehr der nichtrealisierte Begriff ist.“ (Ebd.) Hegel spricht, das ist dem Zitat schon, bei aller fehlenden Vertrautheit mit der Hegelschen Terminologie, zu entnehmen, vom „realen Wissen“ als dem „Begriff“. Außerdem ist die „bewusste Einsicht“ in die Unwahrheit des erscheinenden Wissens zugleich die Realisierung dieses Begriffs. Demzufolge scheint Hegel sagen zu wollen, dass der Begriff das „falsche“ erscheinende Wissen zu seiner Realisierung nötig hat. Dies kann nur gelingen durch ein Verfahren, das es erlaubt, den Übergang des erscheinenden Wissens in das reale Wissen darzustellen. Zudem muss jede Wissensform, die nicht dem realen Wissen entspricht, an dieser Darstellung des Übergangs beteiligt sein. Die Vollständigkeit dieser Formen soll sich durch die „Notwendigkeit des Fortgangs und Zusammenhanges selbst ergeben.“ (PhG, S. 62) Das ist keine befriedigende Auskunft, denn es erschließt sich nicht ohne weiteres, wie eine Notwendigkeit des Fortgangs eine Vollständigkeit sichern soll. Einerseits könnte der 10
Offensichtlich kann Hegel selbst in der Durchführung der PhG ontologisches Denken nicht ernst nehmen, denn wenn er auch es nur unter dem Aspekt dessen untersucht, was in ihm gewusst wird, so verfehlt er sie darin, so scheint es, dass es ihm nicht um das Wissen, sondern das Sein geht. Für Hegel jedoch, so Hans Friedrich Fulda in Bezug auf dessen Logik, (Spekulatives Denken und Selbstbewußtsein, in: Konrad Cramer [Hrsg.], Theorie der Subjektivität. Dieter Henrich zum 60. Geburtstag, Frankfurt/Main 1987, S. 444-479 [S. 448]) liege „der Ton nicht mehr auf ‚seinǥ und einem adverbialisierten Partizip dieses schlichten Hilfsverbs, sondern auf einer adverbialisierten Modifikation von ‚wahr seinǥ“. Dies ist ohne weiteres auf die PhG übertragbar, in der es auch um das „wahr sein“, nämlich um die in Anspruch genommene Wahrheit endlicher Wissensgestalten geht.
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EINLEITUNG
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Satz so interpretiert werden, dass die Vollständigkeit der Formen gemeint ist, insofern sie zur Realisierung des Begriffs notwendig ist. Dies ist aber einerseits trivial, da zur Darstellung selbstverständlich die Vollständigkeit der Bestandteile dieser Darstellung gehört. Andererseits soll aber diese Darstellung mit der internen Falsifikation alles erscheinenden, also bloß ihre Wahrheit versichernden Wissens identisch sein. Offensichtlich ist der Satz so zu lesen, als ob sich diese Vollständigkeit in der Ausführung der PhG zeigt. Da diese Arbeit nicht die ganze PhG zum Thema hat, kann diese Frage hier beiseite gesetzt werden. In diesem Zusammenhang ist lediglich die nach der „Notwendigkeit des Fortgangs“ interessant. Diese Qualifikation muss als didaktischer Vorgriff betrachtet werden. Denn wäre das Wissen, dessen Status aus hermeneutischen Gründen noch näher zu ergründen ist, schon vor der Ausführung der PhG als „erscheinendes Wissen“, also „nicht reelles Wissen“ erkennbar, müsste Hegel über einen unmittelbaren Begriff dieses Wissens verfügen, den er ja bestreitet. Das erscheinende Wissen muss sich also in seiner Darstellung selbst als erscheinendes ausweisen. Dies wäre das Verfahren des Skeptizismus. Aber Hegel wendet sich ausdrücklich gegen dieses Verfahren, könnte doch mit diesem nicht ein positives Ziel, nämlich die „Realisierung des Begriffs“, möglich sein. Er weist also darauf hin, dass der Skeptizismus sich selbst missversteht. Denn aus der Negation von Endlichkeiten, also auch aus des endlichen Wissens, folgt nicht Nichts, sondern „das Nichts d e s s e n […], w o r a u s e s r e s u l t i e r t .“ Da die Einleitung gelesen werden soll als Hinweis darauf, was den Leser erwartet, wie er das Werk also zu lesen habe, und jetzt schon soviel erfahren wurde, dass in ihm mit keinen unmittelbaren Gewissheiten gearbeitet wird, die vor der Ausführung des Werkes schon zur Hand wären, soll hier der Hinweis genügen, dass im zu analysierenden Text die Klärung dessen erfolgen wird, was als „Endlichkeit“ und „Erscheinung“ hier lediglich angesprochen werden kann. Soviel muss aber vorausgeschickt werden, dass es das Wesen der Erscheinung ist, mithin des erscheinenden Wissens, sich in sein eigenes Nichts zu verwandeln, also seine eigene Bestimmung in einer anderen zu verlieren. Hier ist aber nur von Bedeutung, dass die PhG als Sequenz von Wissensbestimmungen zu lesen ist, die auseinander hervorgehen. Eine erste hermeneutische Regel für die Interpretation des ersten Teils vom Kapitel „Selbst-
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bewusstsein“ ist damit schon gewonnen: Der Interpret ist nicht der Mühe enthoben, den ganzen Weg bis zu diesem Absatz mitzugehen. Denn im Selbstbewusstseinskapitel wird das Nichts der vorherigen Kapitel behandelt, und es ist wesentlich durch diese bestimmt. Das heißt: Auch die Kapitel, die dem Selbstbewusstseinskapitel systematisch vorgeschaltet sind, handeln implizit schon vom Selbstbewusstsein, und das Selbstbewusstsein muss wiederum als Vorstufe entfalteterer Weisen des Wissens gelten. Der Hinweis auf das Resultat des sich als bloß erscheinendes Wissen darstellenden und negierenden Verfahrens liefert aber keine Antwort auf die Frage, wie Hegel den Anfang der PhG rechtfertigt. Denn dieser kann, so will es scheinen, gar kein Resultat sein. In einem weiteren Schritt auf der Suche nach dem hermeneutischen Rüstzeug zur Bewältigung des Hegelschen Textes ist also zunächst zu fragen, wieso der Anfang nicht mit dem Selbstbewusstsein gemacht wird, welcher vielen neuzeitlichen Theorien nicht nur der einzige Weg zu philosophischer Evidenz, sondern als unmittelbarer Weg der Einstieg in die philosophische Theorie gewesen ist. Obschon das Selbstbewusstsein zu den grundlegenden Paradigmen der neuzeitlichen Philosophie zählt, sind die Beweisabsichten, welche mit ihm verfolgt wurden, sehr verschieden. Das cartesische „ego cogito“ diente einerseits als fundamentum inconcussum, von dem aus weitreichende Schlüsse, von der Existenz des Denkenden bis hin zur Existenz Gottes möglich zu sein schienen. Der kritischen Philosophie Kants sicherte es als transzendentale Apperzeption die Einheit der Erkenntnis und war somit deren Möglichkeitsbedingung. Diese Erkenntnis selbst bleibt aber dabei, wie alle anderen Leistungen des Ich, welche die transzendentale Fragestellung leiten, wie ästhetischer Sinn oder Gewissen, bei Kant unabgeleitet, die Vermögen selbst gegeneinander schwach bzw. gar nicht vermittelt. Allerdings scheinen alle der genannten Vermögen dessen ungeachtet auf eine ursprüngliche synthetische Leistung des Ich hinzudeuten. Fichte, diese Idee aufgreifend, setzte das Ich an den Anfang seines Philosophierens und versuchte von ihm aus alle seine Vermögen genetisch abzuleiten; Schelling ging noch einen Schritt weiter und glaubte, der Struktur dieses Ichs sogar Naturbestimmungen ablesen zu können. Eines aber zeigen diese unterschiedlichen Zugriffe: Das Phänomen „Selbstbewusstsein“ scheint deshalb ein ertragreicher Gegen-
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stand philosophischer Erörterung, weil er der philosophischen Betrachtung unmittelbar vorliegt. Dieser Umstand erlaubt ein besonders stringentes, da von Äußerlichkeiten unabhängiges Argumentieren, und dies scheint den Status der Wissenschaftlichkeit eines jeden Philosophierens zu heben, welches auf diesem Phänomen gründet. Eine kurze Erinnerung an das Schicksal des Werks jener angeführten exponierten Philosophien, welche dem Selbstbewusstsein einen zentralen Platz verschafften, muss diese genannten Vorzüge des Selbstbewusstseins als philosophischem Gegenstand jedoch in ein etwas ungünstigeres Licht rücken. Denn der Umstand, dass erst einmal Verständigung darüber erlangt werden muss, was dieses Phänomen denn eigentlich bedeutet, nimmt ihm wieder diese Unmittelbarkeit und die daran angeschlossenen Vorzüge. Bedeutet es so etwas wie „denkende Existenz“, wie Descartes nachgewiesen zu haben glaubte? Wohl kaum, denn diese Ansicht hat aufgrund der Prädizierung von „Sein“ ähnliche Schwierigkeiten wie der ontologische Gottesbeweis. Oder beschreibt es den universalen Sachverhalt der Selbstbezüglichkeit des Bewusstseins, ohne welche dieses gar nicht möglich wäre? Wenn es als synthetisierende Funktion die Möglichkeit von Erkenntnis bedeutet, auf Existenzaussagen also verzichtet werden soll, taucht sogleich die Frage auf, wie diese Funktion dann zu denken sei. Offensichtlich nicht als mögliches Erkenntnisobjekt, soll ein Zirkel vermieden werden. Ist es also zu fassen als eine Einheit von Aktivität, Wissen von dieser Aktivität, Einheit dieser beiden Momente als Begriff von sich und die anschauliche Gegenwart seiner selbst, wie Fichte vorschlug, 11 aber größte Schwierigkeiten hatte, diese Einheit darzustellen?12 Den entscheidenden Einwand gegen die These der Unmittelbarkeit des Selbstbewusstseins liefert Hegel. Auch er konstatiert den scheinbaren Vorzug der unmittelbaren Gewissheit und Bekanntheit. Er weist aber darauf hin, dass das Selbstbewusstsein diese nur in einer nicht allgemeinheitsfähigen Weise habe, nämlich in einer konkreten Form, welche die Mannigfaltigkeit der Welt einschließt. Grundlegungsfähig für die philosophische Analyse sei das Ich daher nur in Abstraktion dieser Mannigfaltigkeit. Der Abstraktionsakt aber zerstört erstens die geforderte Unmittelbarkeit, zweitens 11
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Vgl. Dieter Henrich, Fichtes „Ich“, in: ders., Selbstverhältnisse, Stuttgart 2001, S. 57-82 (S. 66ff.). Vgl. ebd.
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wird in ihm ein anderes Ich gesetzt als das konkrete: Aus einem Bekannten wird ein Unbekanntes.13 Weiterhin: Wird aus einem subjektiven Ich per Abstraktion zu einem „reinen“ gelangt, so kann sich die Abstraktion nicht auch noch auf jenen Aspekt der Subjektivität erstrecken, die diese zu einer besonderen macht. Es wird damit eben nicht jene Subjektivität an sich erreicht, die als objektive Subjektivität als Anfang der Philosophie ausreichte. Sie ist immer noch mit einer äußeren Bestimmtheit behaftet, denn ansonsten wäre durch den Abstraktionsakt das Ich selbst aufgelöst. Die Vorzüge der Unmittelbarkeit eignen dem Phänomen Selbstbewusstsein also wohl nicht. Gleichwohl ist aus diesen Fehlschlägen die Einsicht geblieben, dass systematisches Philosophieren, soll es als Wissenschaft gelten, streng argumentativ vorzugehen hat – eine Einsicht, so viel ist oben schon klar geworden, der Hegel Folge zu leisten sucht. Das Selbstbewusstsein in der PhG ist also als Resultat einer Entwicklung darzustellen, da keines der Elemente einer solchen Philosophie unabgeleitet bleiben darf. Aber auch hier bestehen hohe Hürden bei der Verfolgung dieser Vorgabe: Erstens müssen nicht nur die Elemente abgeleitet werden, sondern auch die Instrumente ihrer Entfaltung. Zweitens, da das Selbstbewusstsein als unmittelbarer Einstieg in eine systematische Philosophie offenkundig untauglich ist, muss ein anderer Kandidat dafür gefunden werden, der das Selbstbewusstsein schließlich in einer Weise zu entwickeln in der Lage wäre, welches es für eine weitere philosophische Analyse brauchbar machte. Scheinbar ist Hegels Kandidat das Bewusstsein. In der Einleitung zur PhG kommt er auf die „Methode der Ausführung“ dieses Werkes zu sprechen. Diese ist ein generatives Prüfverfahren14. Zuvor schon ist dem Leser aus der Vorrede und der Einleitung ersichtlich geworden, dass offenbar das Bewusstsein im Zentrum des Interesses steht. Jetzt scheint sich auch zu zeigen warum: Dem Bewusstsein eignet durch seine Struktur eine immanente Selbstprüfung. Das Bewusstsein 13
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Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wissenschaft der Logik. Die Lehre vom Sein (1832) (= Seinslogik), Hamburg 1990, S. 65f. Vgl. Anton Friedrich Koch, Die Prüfung des Wissens als Prüfung ihres Maßstabs. Zur Methode der Phänomenologie des Geistes, in: JindĜich Karásek, Jan Kuneš und Ivan Landa (Hrsg.), Hegels Einleitung in die Phänomenologie des Geistes, Würzburg 2006, S. 21-34 (S. 22).
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EINLEITUNG
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u n t e r s c h e i d e t nämlich etwas von sich, worauf es sich zugleich bezieht; oder wie dies ausgedrückt wird, es ist etwas f ü r d a s s e l b e ; und die bestimmte Seite dieses Beziehens, oder des S e i n s von etwas f ü r e i n B e w u ß t s e i n ist das W i s s e n . Von diesem Sein für ein anderes unterscheiden wir aber das an sich Sein; das auf das Wissen Bezogene wird eben so von ihm unterschieden, und gesetzt als seiend auch außer dieser Beziehung; die Seite dieses an sich heißt W a h r h e i t . (PhG, S. 64, Sperrungen hier und folgend im Original).
Damit wäre ein unmittelbarer Gegenstand geliefert – das Bewusstsein –, welcher von vorneherein zudem ein Selbstverhältnis aufweist, welches es gestattete, aus sich heraus dieses Verhältnis immer neu zu bestimmen. Wie es das tut, soll zunächst beiseitegesetzt werden. Damit wäre der Forderung genüge getan, die Elemente der aus diesen Gegenstand ersprießenden Philosophie nicht nur notwendig abzuleiten, sondern auch die Mittel dieses Verfahrens selbst, indem diese nämlich nicht als äußerlich aufgefundene Regeln auf den Gegenstand appliziert werden, sondern aus diesem selbst immanent entwickelt oder aus dessen Analyse synthetisch gewonnen. Der Forderung des unmittelbaren Einstiegs hingegen erscheint mit der Wahl des Bewusstseins als Untersuchungsgegenstand grotesk verfehlt. Nicht nur die Auswahl gerade dieses Phänomens wirkt willkürlich, scheinen doch Gott, die reine Anschauung oder das „ego cogito“ als unmittelbarer Grund geeigneter als ausgerechnet ein Geisteszustand, der gerade als besonders irrtumsanfällig gilt. Wird versucht, diesen Mangel mit Verweis auf Hegels Definition abzuhelfen, erneuert sich jedoch angesichts ihrer der Vorwurf der Willkür, denn es ist nicht unmittelbar einsichtig, dass es einen Gegenstand gibt, der real so definiert ist, dass er etwas von sich unterscheidet, worauf er sich bezieht, und dieser Bezug als Wissen und der Gegenstand, auf welchen Bezug genommen und von dem ein Sein auch außer dieser Beziehung auszusagen ist, als Wahrheit gelten könne. Ja es ist nicht einmal durch die Vermittlung mit dem damaligen philosophiegeschichtlichen Kontext einzusehen. Denn ob es sich hierbei um die trivialisierte15 oder komplizierte16 Form 15
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Vgl. Konrad Cramer, Bemerkungen zu Hegels Begriff vom Bewußtsein in der Einleitung zur Phänomenologie des Geistes, in: Dieter Henrich (Hrsg.), Hegels philosophische Psychologie, Bonn 1979, S. 75-100 (S. 95). Vgl. JindĜich Karásek, Bewußtsein als Subjekt. Zu Hegels Auseinandersetzung mit der neuzeitlichen Bewußtseinsphilosophie in der Einleitung zur Phänome-
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des Reinholdschen Satzes des Bewusstseins handelt, es dem damaligen „Forschungsstand“ in einer anspruchsvollen, da phänomenologisch besser ausweisbaren, oder „skandalös naiven“, da die Problemgeschichte dieses Satzes ausblendenden Weise, entspricht: Wird dieser Satz nicht selbst unmittelbar eingesehen, ist er als Grundsatz untauglich,17 wird er seinerseits begründet, ist er kein Grundsatz mehr, wird in ihm ein formaler Operator gesehen, so ist dieser so lange der Sache äußerlich, wie er sich nicht aus ihr selbst ergibt. Es ist also festzuhalten, dass im Zitat kein Grundsachverhalt beschrieben oder eine Methode eingeführt wird, sondern dass anhand eines Gegenstands, welcher dem schon vollzogenen Gang der Abhandlung abgelesen wird, dem Leser das, was ihn erwartet, vorgestellt wird. Am Bewusstsein erfolgt also nur eine Vorverständigung über die Methode, die, soll sie nicht äußerlich sein, aus dem Gegenstand des Werks selbst hervorgehen muss. Eine vollständige Darstellung der Methode kann also nur am Ende des Werkes erfolgen, wenn der Logik der Sache erschöpfend nachgegangen worden ist, so dass die Methode vollständig sichtbar ist. Sie findet sich allerdings deswegen nicht am Ende der PhG, weil dieses Werk ja als Einleitung in die eigentliche Wissenschaft dienen soll, der Wissenschaft, die sich mit dem Denken beschäftigt (oder, um genau zu sein, in der sich das Denken mit dem Denken beschäftigt). Sie dient als Einleitung deshalb, weil in ihr ein Konkurrenzmodell des Zugangs zur Welt erledigt werden soll. Gelänge dies nicht, fehlte der Wissenschaft der Logik von vorneherein die Legitimation, als einzig wahre Wissenschaft auftreten zu können. Sie wäre dann lediglich eine Alternative zu einem konkurrierenden Wissensanspruch, und diese Konkurrenz ließe sich auch nicht zugunsten des einen oder anderen entscheiden, solange nicht eine von ihnen nach ihren eigenen Maßstäben gescheitert wäre. Am Ende der Wissenschaft der Logik, im Kapitel „Die absolute Idee“, finden sich dann auch tatsächlich Reflexionen über die Methode. Sonach war Hegel offenbar der Ansicht, dass die gerechtfertigte Wissenschaft an ihr
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nologie des Geistes, in: ders., Jan Kuneš und Ivan Landa (Hrsg.), Hegels Einleitung in die Phänomenologie des Geistes, Würzburg 2006, S. 141-154 (S. 151). Es hilft auch nichts, die Sache so zu betrachten, als ob es genügte, eine allen Wissensansprüchen gemeinsame Grundstruktur ausfindig zu machen, die somit allgemein zustimmungsfähig wäre, wenn nicht zugleich eine überzeugende Methode dieses Auffindens hergeleitet wird.
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Ende gekommen ist. Welchen Gegenstand aber behandelt die PhG? Dass es nicht aufgrund des ursprünglichen Titels „Wissenschaft der Erfahrung des Bewusstseins“ das Bewusstsein sein kann, jedenfalls nicht unmittelbar, wurde vermutet. In der Vorrede zum System der Wissenschaft, dessen erster Teil eben die PhG ist, wird die Sache geklärt. Dort heißt es: „Das Werden der W i s s e n s c h a f t ü b e r h a u p t , oder des W i s s e n s , ist es, was diese Phänomenologie des Geistes, als der erste Teil des Systems derselben, darstellt.“ (PhG, S. 21) Nur fehlt hier etwas die notwendige Deutlichkeit: Ist damit ein „Werden zum Wissen“ oder ein „Werden des Wissens“ gemeint? Offenbar ersteres, denn auf der folgenden Seite ist die Rede von der Aufgabe, „das Individuum von seinem ungebildeten Standpunkte aus zum Wissen zu führen“ (PhG, S. 22). Jedoch abgesehen davon, dass nun die neue Unklarheit auftaucht, was unter „Individuum“ zu verstehen ist, ist die erste Gestalt der PhG keine eines Unwissens, sondern ist unmittelbares Wissen. Wenn sich in der PhG also ein Bildungsprozess vollziehen soll, dann der von einem unmittelbaren zu einem irgendwie als reicher qualifizierten Wissen. Wie weit aber dies Wissen voranschreitet: Es ist unvollkommen, weil es bloß erscheinendes Wissen ist. Die höchste Gestalt des erscheinenden Wissens wäre dann die, in der eine andere Form des Wissens vorbereitet und in der die Möglichkeit der Überwindung des unvollkommenen Wissens dargestellt ist. Dies wäre dann eine Figur, die ein Gewusstes nicht mehr als seiend außerhalb der Wissensbeziehung von sich unterscheidet. In der Tat wird dies höchste Wissen so auf diese Weise dargestellt: In dem Wissen hat also der Geist die Bewegung seines Gestaltens beschlossen, insofern dasselbe mit dem unüberwundenen Unterschiede des Bewußtseins behaftet ist. Er hat das reine Element seines Daseins, den Begriff, gewonnen. Der Inhalt ist nach der F r e i h e i t seines Seins das sich entäußernde Selbst, oder die u n m i t t e l b a r e Einheit des sich selbst Wissens. (PhG, S. 528)
Das die PhG beerbende Werk, die Wissenschaft der Logik, ist somit beschrieben. Einerseits ist das „reine Element“ des Daseins des Geistes gefunden – in der PhG hätte demnach der Geist Dasein in einem unreinen Element. Andererseits ist das neue Wissen charakterisiert als „unmittelbare Einheit des sich selbst Wissens“. Offenbar liegt in der PhG diese Einheit nicht vor, was in der Tat auf der selben Seite ausgesprochen wird:
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Wenn in der Phänomenologie des Geistes jedes Moment der Unterschied des Wissens und der Wahrheit, und die Bewegung ist, in welcher er sich aufhebt, so enthält dagegen die Wissenschaft diesen Unterschied und dessen Aufheben nicht, sondern indem das Moment die Form des Begriffs hat, vereinigt es die gegenständliche Form der Wahrheit und des wissenden Selbst in unmittelbarer Einheit. (PhG, S. 528f)
In diesem Zitat ist nun mitgeteilt, dass das „wissende Selbst“ der Begriff ist, der dadurch gekennzeichnet ist, dass das Subjekt des Wissens mit seinem Inhalt identisch ist und es nicht in gegenständlicher Weise von sich abtrennt – ein Verhältnis, welches offenkundig aber dem Wissen als Gegenstand der PhG eignet. Der neue Fortgang der Wissenschaft der Logik ist also einer von „reinen Bestimmtheiten“; aber umgekehrt entspreche „jedem abstrakten Moment der Wissenschaft eine Gestalt des erscheinenden Geistes überhaupt“ (PhG, S. 529). Der Unterschied der PhG zur Wissenschaft der Logik liegt also darin, dass, was in dieser in der „e i n f a c h e n Vermittlung als D e n k e n gesetzt ist“ (ebd.), in jener am „inneren Gegensatze“ dieser Bestimmungen „sich darstellt“. Damit sind aber für die Methode der Interpretation weitere wertvolle Informationen gewonnen. Erstens, der Gegenstand der PhG ist das Wissen, welches das Gewusste als seiend von sich abtrennt. Damit ist aber der Anspruch der Geltung dieses abgetrennten Seins verbunden. Wenn beispielsweise etwas nur behauptet ist ohne diese Prätention, die Trennung eines Bewusstseins von dem ihm Bewussten also nicht gemacht ist, ist ein solcher Anspruch unnötig, und, würde er geltend gemacht, gar nicht zustimmungsfähig. Warum aber soll ein solches Wissen das einleitende Wissen zu dem sein, welches eine solche Trennung nicht macht, in welchem also die Identität von Wissendem und die Geltung beider ausgesagt ist? Hierüber kann nur gemutmaßt werden, wenn auch mit einiger Sicherheit. Hegel hat vom „empirischen, sinnlichen Wissen“ als dem „eigentlichen“ unmittelbaren Wissen gesprochen,18 im Gegensatz zum Wissen als Denken. Dessen Unmittelbarkeit als Einheit von Wissendem und Gewusstem muss aber, will es nicht als Einheit von Mutmaßendem und Gemutmaßtem gelten, erst erwiesen 18
Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wissenschaft der Logik. Die Lehre vom Sein (1832) (= Seinslogik), Hamburg 1990, S. 57.
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werden. Nicht erwiesen werden muss der Akt eines Geltendmachens als solcher. Der Satz „Ich weiß, dass x“ ist berechtigt, insofern x überprüft werden kann. Der Satz „Ich weiß mich in der Bestimmung x“ kann dies nicht. Im ersten Satz ist das Vorliegen einer Bestimmung behauptet, im zweiten ein bestimmter Modus dieses Vorliegens, welchen unmittelbar zu behaupten unberechtigt ist. Wichtig für die Vorverständigung über die Interpretation des Textes ist hier jedoch vor allem, dass das Wissen, welches in der PhG behandelt wird, als erscheinendes Wissen nicht in seinem eigenen Medium zuhause ist. Es äußert sich in Phänomenen, welchen ihr Wissensaspekt nicht unmittelbar anzusehen ist. Diese zeigen sich als eben dies „zufällige Geschehen“, welches aber eben nicht nur zufälliges Geschehen ist, sondern unter der Oberfläche des Phänomenalen zeigt sich das, worin der Geist eben sich erkennt. In der Hülle des Kontingenten verbergen sich die „abstrakten Momente“ der Wissenschaft. Dies schlägt sich in der Darstellung der PhG nieder. Dasjenige, was oben „Weisen des Wissens“ genannt wurde, nennt Hegel seit seinen ersten naturphilosophischen Versuchen „Gestalten“, und in ihnen ist eine Totalität von Verhältnissen gemeint.19 Wenn die Bemerkung, dass erst in der Logik das Wissen in seinem reinen Element ist, sich aber im erscheinenden Wissen anschaue, muss andererseits auch der Leser zwischen Kontigentem und Wesentlichem unterscheiden können, denn aus dem Gesagten folgt unmittelbar, dass nur die abstrakt-logischen Begriffe es sein können, die ihre phänomenalen Gegenstücke, die Gestalten, strukturieren und ihnen untereinander einen Zusammenhang verleihen, und somit aus der Darstellung und Abfolge phänomenaler Wissensansprüche eine Phänomenologie des Geistes machen. Die Gestalten sind somit von logischer Form und zufälliger Materie. Dies erklärt auch die rhapsodische Reihung der Themen, welche oben im Selbstbewusstseinskapitel ausgemacht wurden. Dies bedeutet für die Interpretation: Gerade weil die phänomenal zufälligen Gewandungen untereinander in keinem Verhältnis stehen, wäre es müßig, dort nach Zusammenhängen zu suchen. Der Zusammenhang besteht unterhalb dieser Maskierungen und ist ein logischer. 19
Vgl. Hans Friedrich Fulda, Zur Logik der Phänomenologie von 1807, in: ders./ Dieter Henrich, Materialien zu Hegels „Phänomenologie des Geistes“, Frankfurt am Main 1973, S. 391-425 (S. 405).
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Obwohl in der PhG logische Kategorien unter demselben Namen wie in den späteren Logiken auftauchen, besteht also die Schwierigkeit, sie den erscheinenden Gestalten, die in den einzelnen Kapiteln der PhG Erwähnung finden und welche für die verwirrende Themenfülle sorgen, korrekt zuzuordnen. Es gilt also beispielsweise, zu erkennen, dass das Phänomen „Herrschaft und Knechtschaft“ nicht um seinetwillen herangezogen wird, sondern zur Illustration des kategorialen Verhältnisses zweier anderer Verhältnisse, nämlich des Fürsich- und des Füranderesseins. Hier zeigt sich jedoch eine weitere Schwierigkeit. Da keine Vorannahmen gemacht werden dürfen, und sich alle Entwicklungsstufen aus der Natur der Ausgangsfigur – das wäre dann die ursprünglichste Form des einen Unterschied als seiend setzenden Wissens – zu ergeben haben, scheint unbegreiflich, wie etwas identifiziert werden kann, dessen Bekanntheit nicht vorausgesetzt werden darf. Es ist also weder möglich, Deduktionsregeln herzuleiten, noch Gestalten des Bewusstseins, wenn sie nicht schon von vorneherein in Geltung sind. Das macht die Lektüre zwar um einiges schwieriger als ohnehin schon, ist aber nicht unmöglich. Schwierig deshalb, weil die Darstellung der Entwicklung der Gestalten auf Argumente verzichten muss. Deshalb sind die einzelnen Kapitel auch eher als Versuchsanordnungen zu betrachten, mit denen überprüft werden soll, was passiert, wenn ein Wissen glaubt, mit nur beschränkten rationalen Instrumenten auskommen zu können. Das Wissen wird dann im Durchlaufen dieser Anordnung, das Hegel „Erfahrung“ nennt, einen Mangel feststellen. Da aber die jeweils untersuchte Gestalt mit ihrem Wissensanspruch steht und fällt, wird sie diesen Mangel dann ins Positive wenden und sich über ihn, wenn auch uneingestanden, definieren. Dies notwendige Verhalten der Gestalten zwingt jedoch dazu, in der Darstellung der PhG eine weitere Ebene einzuziehen, die Hegel die der „Wissenschaft“ nennt, und in welcher er, leider nicht immer, die Gemeinschaft seiner mit dem Leser mittels des Reflexivpronomens „uns“ anspricht. Diese Perspektive der Wissenschaft ist schon in das Wesen der spekulativen Logik eingeweiht und somit in der Lage, das Mangelhafte einer jeden Gestalt zu durchschauen und eine Nachfolgegestalt zu konstruieren, die diesem Rechnung trägt. Dies ist in der Wissenschaft der Logik nicht mehr nötig, in
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der die logischen Kategorien von selbst ineinander übergehen und sich nicht in ihren Bestimmtheiten fixieren. Mit der Hinzunahme der Perspektive der spekulativen Wissenschaft ist aber eingestanden, dass alle deduktiven Regeln und alle Gestalten des erscheinenden Wissens schon von vorneherein in Geltung sind. Wie dies möglich sein kann, diese Frage muss vorerst offen bleiben. Sie ist aber im Abschluss der Untersuchung erneut zu stellen. Ohne die Perspektive der spekulativen Logik ist es zudem unmöglich, aus dem Kreis der Wissensgestalten auszubrechen und im absoluten Wissen nicht nur die Identität mit dem unmittelbaren Wissen, sondern zugleich die Motivation des Übergangs in ein neues Medium des Wissens zu haben, in welchem Bewusstsein und Gegenstand nicht wieder als zwei Gegensätze herausfallen, sondern sich als ein ungetrennter Begriff bewegen. Diese Perspektive erlaubt es jedoch, die Berechtigung der Wissensgestalten einzusehen, also ihre innere Konsistenz, die Folgerichtigkeit ihrer Genese und ihre korrekte systematische Verortung. Die Analyse muss sich dabei immer wieder auf diese Textstellen beziehen, da nur sie es erlauben, diese Berechtigung unter der kontingenten Hülle der Wissensgestalten festzustellen. Wenn es also einen Maßstab gibt, an welchem die Interpretation zu messen ist, so liegt er erstens in der Perspektive „für uns“. Der zweite liegt in der Folgerichtigkeit der Interpretation. Dieser liegt aber nur dann vor, wenn die Analyse, selbst wenn das Kapitel „Selbstbewusstsein“ vorrangiges Interesse hat, mit dem unmittelbaren Wissen anhebt. Die Gestalt des Selbstbewusstseins ist wesentlich ihre Entwicklung zu sich selbst. Die im Abschnitt „Bewusstsein“ vorkommenden Gestalten wären somit nicht nur Vorgängergestalten des Selbstbewusstseins, sie wäre vielmehr als das sich als noch als Bewusstsein missverstehende Selbstbewusstsein zu lesen. Der Beginn mit dem unmittelbaren Wissen bietet der Interpretation darüber hinaus noch weitere entscheidende Hilfen, denn es ist von einem Werk, welches Bewusstseinsgestalten generativ auseinander entwickelt, zu erwarten, dass spätere Gestaltbewegungen nicht ohne Kenntnis logischer Strukturen, welche früheren Gestalten eingeschrieben waren, zu verstehen sind. Dies umso mehr, als diese generative Entwicklung auch beschrieben werden kann als eine Verwandlung der Ursprungsgestalt. Dieser Verwandlung muss die Sprache Rechnung tragen durch Neubenennungen. Es ist
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für das Verständnis des Textes jedoch unerlässlich, zu wissen, welche Gestalt in welche umbenannt wurde und welche Konstellationsänderung diese Umbenennung jeweils nötig gemacht hat. Würde die Interpretation unvermittelt mit dem Selbstbewusstseinskapitel beginnen, wäre der Gebrauch sämtlicher Begriffe unklar, einschließlich der des Begriffs „Selbstbewusstsein“. Leider verwendet Hegel in seiner Kunstsprache Termini aus allen möglichen Sprachbereichen, da es ihm in der PhG ja um die innere Logik verschiedener Phänomene geht, derer Sprache sich diese Logik bedienen muss. Es würde der Aufgabe der PhG aber im Wesen widerstreiten, überließe Hegel das Urteil über die Verwendung der Termini dem Leser. Wenn also Begriffe wie Leben, Selbstbewusstsein oder „Kampf auf Leben und Tod“ fallen, so muss deren Bedeutung aus der Entwicklung der Bewusstseinsgestalten erschlossen werden. Mit der gewöhnlichen, vertrauten Bedeutung haben diese Begriffe nichts zu tun. Das soll an hermeneutischen Vorentscheidungen genügen. Nach der Analyse der Textabschnitte kann dann überprüft werden, inwieweit das, was an den methodischen Erörterungen, welche als Vorverständigung über das Werk hinsichtlich daraus abzuleitender hermeneutischer Regeln nötig waren, zu ergänzen und vertiefen ist. Da das Selbstbewusstseinskapitel in dieser Arbeit in einer Weise interpretiert werden soll, welche dem methodischen Verständnis Hegels entspricht, kann sie als ein Kommentar verstanden werden. Aus den aus diesem Methodenverständnis abgeleiteten Regeln ergibt sich eine Gliederung der Arbeit in drei Teile. Im ersten ist, den angesprochenen Parusiegedanken beherzigend, das Bewusstsein als Vorstufe des Selbstbewusstseins zu untersuchen. Es sollen dabei jene Gedankenbewegungen betont werden, die zur Klärung entsprechender Bewegungen im Selbstbewusstseinskapitel nötig sind. Im zweiten Teil soll, den Gedanken der notwendigen Anschlüsse der Bewusstseinsgestalten ernst nehmend, der Übergang vom Bewusstsein zum Selbstbewusstsein untersucht werden. Das betrifft nicht nur die Frage, wie es zu rechtfertigen ist, das Bewusstsein von Gegenständen notwendig in das Bewusstsein vom Bewusstsein übergehen zu lassen, sondern auch die Besonderheiten, die sich für Hegel daraus ergeben: die Bedeutung des Lebensbegriffs, die Frage, wieso zwei Gestalten von Selbstbewusstsein nötig werden, um das Selbstbewusstsein zu erklären, die Frage, was aus dieser Zweiheit folgt in Bezug auf eine mögliche Mehrheit
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von Selbstbewusstsein, und die Frage, ob diese Mehrheit eine von Individuen nach sich zieht oder ob sie nur Folgen auf einer abstrakteren Ebene hat. Im dritten Teil wird das Selbstbewusstsein selbst untersucht, jedoch nur die Erfahrung dieses Selbstbewusstseins, da die spekulative Sicht der Wissenschaft, die dieser Erfahrung vorgeschaltet ist, aus systematischen Gründen schon im Mittelteil erörtert werden muss. Der Fokus dieser Arbeit liegt demnach nicht nur auf dem Kapitel „Selbstbewusstsein“, sondern auch auf der Genese der in diesem Kapitel behandelten Figur, denn beides ist voneinander nicht abzutrennen. Es sind daher nicht nur die Fragen leitend, die im Zusammenhang der Gestalt Selbstbewusstsein stehen, sondern auch die, die zu ihrer Entwicklung führten. Das erfordert notwendig die Aufmerksamkeit auf den Aufbau der ersten Kapitel der PhG.20
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Die zwischen Niederschrift und Druck der Dissertation erschienenen Titel zum Thema konnten nicht mehr berücksichtigt werden: Sasa Josifovich, Hegels Theorie des Selbstbewußtseins in der Phänomenologie des Geistes, Würzburg 2008; Axel Honneth, Das Ich im Wir. Studien zur Anerkennungstheorie, Frankfurt am Main 2010; Ludwig Siep, Aktualität und Grenzen der praktischen Philosophie Hegels, Paderborn 2010; Michael Quante, Die Wirklichkeit des Geistes. Studien zu Hegel, Frankfurt am Main 2011; Dina Emundts, Erfahren und Erkennen. Hegels Theorie der Wirklichkeit, Frankfurt 2012.
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1. Die Erfahrung des Bewusstseins Die Frage, womit die PhG beginnen soll, womit es die Wissenschaft zunächst zu tun hat, erfährt, wie schon vorab bemerkt, keine ausführliche Erörterung. Vielmehr wird schnörkellos festgelegt: „Das Wissen, welches zuerst oder unmittelbar unser Gegenstand ist, kann kein anderes sein, als dasjenige, welches selbst unmittelbares Wissen, W i s s e n des U n m i t t e l b a r e n oder S e i e n d e n ist.“ (PhG, S. 69) Angesichts dessen, dass Hegel in der Wissenschaft der Logik der Frage nach dem Anfang der Wissenschaft ein eigenes Kapitel gewidmet hat, wirkt diese Knappheit befremdlich, umso mehr, als Hegel auch dort die Sinnliche Gewissheit als das eigentliche unmittelbare Wissen bezeichnet und die „Wissenschaft des erscheinenden Geistes“ als Voraussetzung allen Anfanges einer Logik erklärt.21 Schon der erste Satz des ersten Kapitels der PhG ist also interpretationsbedürftig! Zentral für Hegels Entscheidung für gerade diesen Anfang scheint der Terminus des „Unmittelbaren“ zu sein. In der „Einleitung“ stellt Hegel für die PhG den Anspruch, dass es für ihr Programm nicht nötig sei, „Maßstäbe mitzubringen und u n s e r e Einfälle und Gedanken bei der Untersuchung zu applizieren; dadurch, dass wir diese weglassen, erreichen wir es, die Sache, wie sie a n und f ü r s i c h selbst ist, zu betrachten“. (PhG, S. 65) Über die Tragfähigkeit der Argumente, die für die einzelnen Positionen des Bewusstseins sprechen, entscheidet also, wie oben schon angesprochen, nicht der Autor der PhG. Vielmehr sind es die einzelnen Bewusstseinsgestalten selbst, die Erfahrungen mit ihrer Gegenstands- und Selbstkonzeption machen. Wie sie sich vermitteln und ineinander übergehen, wird von Hegel in der PhG also beobachtend nachvollzogen. Hegel (und dem Leser) liegen so alle Vermittlungen, denen das Bewusstsein unterliegt, offen zutage, kein Schritt bleibt verborgen, keine Gestalt des Bewusstseins opak. Dieses Programm, jedes trockene Versichern zu vermeiden und von den Bewusstseinsgestalten statt dessen eine skeptisch-prüfende Selbstbeschreibung zu verlangen, sichert Hegel zufolge die Wissenschaftlichkeit des Werkes.
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Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wissenschaft der Logik. Die Lehre vom Sein (1832) (= Seinslogik), Hamburg 1990, S. 57.
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1.1 Die Sinnliche Gewissheit Es gibt jedoch eine Stelle, wo die Vermittlungen der Gestalten des Bewusstseins nicht offen zutage liegen, und das ist – trivialerweise – der Anfang der PhG, und zwar deshalb, weil im Begriff des Anfangs liegt, dass noch gar keine Vermittlungen stattgefunden haben können. Wäre der Anfang ein vermittelter, so blieben die Vermittlungsbewegungen dem Blick der prüfenden Skepsis entzogen, die PhG wäre also von vorneherein mit der Hypothek ungeprüfter Voraussetzungen belastet. Der Anfang aller Vermittlungen des Bewusstseins kann also, will Hegel seine programmatische Forderung nach dem redlichen „bloßen Zusehen“ erfüllen, tatsächlich „kein anderes sein“ als das „Wissen des Unmittelbaren“. Dieses Wissen ist dem Leser und Hegel also nicht „entstanden“, wie etwa das Wissen der folgenden Bewusstseinsgestalt, der Wahrnehmung, es muss daher von dem diese Gestalt logisch situierenden Standpunkt der Wissenschaft „aufgenommen“ werden.22 Mit dem Anspruch der Unmittelbarkeit ist aber zugleich deutlich, was Gegenstand der PhG ist, also die „Sache“, von der die Rede ist: Es ist das Wissen schlechthin, das „Ganze“ des Wissens. Der reiche Gebrauch von Beispielen, die immer unterschiedliche Gegenstandsbereiche betreffen, darf nicht zu der Annahme verleiten, Hegel gehe es um eine Systematik aller möglichen Objektarten.23 Die Sache, um die es geht, ähnelt eher der Substanz Spinozas oder den Monaden Leibniz’, freilich mit einer subjektiven Komponente, eben „Wissen“ zu sein. Die Prätention der Sinnlichen Gewissheit ist es ja, sich sogleich aller Anstrengung zu entledigen und das Wissen unmittelbar zu haben.24 Dieses Wissen des Unmittelbaren ist also ein Wissen, welches vermeint, ohne jede Vermittlungsleistungen auskommen zu können. Die näheren Bestimmungen, welche der Standpunkt der Wis22 23
24
Vgl. PhG, S. 69, Z. 4f mit PhG, S. 79, Z. 7f. So aber Rolf-Peter Horstmann, Hegels Ordnung der Dinge. Die "Phänomenologie des Geistes" als ‚transzendentalistisches' Argument für eine monistische Ontologie und seine erkenntnistheoretischen Implikationen, in: Hegel-Studien, Band 41 (2006), S. 8-50. Der Anfang der PhG ist also nicht „als eine Herausforderung an den Leser“ zu verstehen, „auch einmal auf dem Kopfe zu gehn“, sondern erfolgt „in systematischer Absicht“, so Rudolf W. Meyer, Dialektik der sinnlichen Gewißheit und der Anfang der Seinslogik, in: Manfred Riedel (Hrsg.), Hegel und die antike Dialektik, Frankfurt am Main 1990, S. 244-270 (S. 255).
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senschaft am unmittelbaren Wissen feststellt, sind jedoch ebenfalls nicht gerade intuitiv einleuchtend. Dieses Wissen habe, so scheint es, die „reichste Erkenntnis“ zu ihrem Inhalt, da dieser Inhalt als unvermittelter ein unbegrenztes Kontinuum darstelle, es sei das „wahrhafteste“, da deshalb von keinem Inhalt abstrahiert ist. Diese Gewissheit gebe sich jedoch gleichzeitig als die „abstrakteste und ärmste Wahrheit“ aus, nur das Sein der Sache werde gewusst, vom Sein nur ausgesagt, dass es ist; dass Bewusstsein, welches eine solche Gewissheit hat, ist ein einzelner reiner Dieser, welches ein einzelnes reines Dieses weiß. Die vollständige Unvermitteltheit dieses Bewusstseins und seines Gegenstandes lasse keine weitere Bestimmung zu. Zunächst ist es überraschend, dass das unmittelbare Wissen erst im Sinne des eleatischen Seins, dann jedoch als „abstrakteste Wahrheit“ qualifiziert wird. Da das einzige Charakteristikum dieses ersten erscheinenden Wissens die Unmittelbarkeit ist, erscheint es als simpler Akt der Umbenennung, wenn dieses Wissen erst reichste Erkenntnis und dann ärmste Wahrheit sein soll. Um berechtigterweise von zwei Modi sprechen zu können, brauchte es neben dem Attribut der Unmittelbarkeit noch eines zweiten, welches für die „ärmste Erkenntnis“ stehen könnte. Vollends unberechtigt scheint die Qualifizierung des Inhalts des unmittelbaren Wissens als „Einzelnes“ und „Dieses“. Ein solcher Wissensinhalt hat nichts mehr mit dem unmittelbaren Sein gemein, da ganz offensichtlich Daseiendes gemeint ist, also Endlichkeiten, das unmittelbare Wissen aber als grenzenlose reichste Erkenntnis gelten muss. Bei genauerer Betrachtung der Struktur jenes unmittelbaren Wissens können diese Bedenken jedoch ausgeräumt werden. Zunächst, und dieser Punkt wird von Hegel selbst deutlich gemacht, kann das Unmittelbare gar kein Wissen sein, da Wissen Vermittlung voraussetzt. Vom Standpunkt des Bewusstseins nämlich wird dieses Wissen durch die gewusste Sache geliefert, diese wiederum ist in der Gewissheit durch das Bewusstsein. Die gewusste Sache ist in diesem Fall das unmittelbare Sein. Auf sie treffen alle Aussagen zu, die Hegel hinsichtlich der „reichsten Erkenntnis“ getroffen hat. Als unreflektiertes unmittelbares Bewusstsein ist es tatsächlich reichste wie ärmste Erkenntnis. Hegel nennt dies Bewusstsein Meinung. Für das reflektierte Bewusstsein dieses Seins sieht die Sache freilich anders aus. Für es bedeutet die geforderte Bestim-
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mungslosigkeit eben keine reiche Erkenntnis mehr, nicht obwohl, sondern weil vom bewussten Gegenstand eben nichts weggelassen werden darf. Es findet in diesem Sein keine einzige Bestimmung. Insofern also das Bewusstsein des unmittelbaren Seins sich zu erkennen geben will, kann es dies nur im Eingeständnis, ärmste Wahrheit zu sein, da es nichts zu prädizieren hat und so keine Aussage treffen kann. Jedoch sind Gegenstand und Bewusstsein vom Gegenstand nur zwei Aspekte von Wissen, die notwendig, aber nicht hinreichend sind. Um als Wissen zu gelten, muss die Unmittelbarkeit artikuliert werden können. Artikulation ist die Grundbedingung dafür, sich der skeptischen Selbstprüfung zu stellen. Dies bringt das Bewusstsein jedoch angesichts seines Gegenstands in Verlegenheit. Denn dieser wurde ja ausdrücklich als unmittelbarer, d.h. unbestimmter und unbegrenzter Gegenstand charakterisiert. Wissen kann aber nur bestimmtes Wissen sein. Gäbe es als wissbaren Gegenstand nur die Farbe Schwarz, wäre sie nicht als Schwarz bestimmt, wenn es nicht auch das Weiße gäbe. Sie wäre nur ein anderer Name für Unmittelbarkeit und ihre Benennung als Farbe Schwarz ohne jede Konsequenz. Das Wissen wäre immer noch „ärmste Erkenntnis“. Da nun die Sinnliche Gewissheit sich rein aufnehmend zu verhalten hat, also selbst ihren Gegenstand nicht vermitteln kann, ist es der Gegenstand, der sich vermitteln muss. So ist es eine apriorische Voraussetzung der Unmittelbaren Erkenntnis, dass ihr Gegenstand, das Unmittelbare, sich vermitteln und so verendlichen muss.25 Dies erklärt auch den Widerspruch, den das Bewusstsein im Versuch erfährt, seinen Gegenstand zu fassen, die mit Hegels Methode scheinbar unvereinbare Merkwürdigkeit, dass das singuläre Bewusstsein plötzlich auf einen Widerpart trifft.26 Es darf aber nicht aus dem Blick geraten, 25
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Der Gegenstand der Sinnlichen Gewissheit ist das Unmittelbare, kein Einzelgegenstand. Die sinnliche Ge-wissheit kann sich im Vollzug des Wissens des Unmittelbaren auf es nur als Endliches beziehen, sie kann Unmittel-bares nur vermittelt wissen. Ginge es im Kapitel „Sinnliche Gewissheit“ nur um das Wissen des Endlichen, könnte sich die widerspruchsvolle Erfahrung des unmittelbaren, natürlichen Bewusstseins gar nicht einstellen. Gegen eine solche transzendentale Interpretation der Sinnlichen Gewissheit vgl. auch die umfangreiche Studie von Brady Bowman, Sinnliche Gewißheit. Zur systematischen Vorgeschichte eines Problems des deutschen Idealismus, Berlin 2003, S. 73 ff. (bes. S. 79). Eine „Orientierung an der platonischen Dialogtechnik“, die Wolfgang Wieland, Hegels Dialektik der sinnlichen Gewißheit, in: Materialien zu Hegels Phä-
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dass auch das unbestimmte Bewusstsein sich bestimmen muss: Ein Dieser weiß Dieses. Dies einzelne Diese ist es also, mit der das Unmittelbare Wissen in Wahrheit seine Erfahrung macht. Der Terminus „Unmittelbares Wissen“ wird so widersprüchlich, da er schon von uns, vor der Erfahrung des Bewusstseins, so weiterbestimmt wurde, dass er eigentlich „Wissen des Einzelnen“ heißen müsste. Da Wissen überhaupt aber bedeutet, etwas zu wissen, ist zumindest ein erster Schritt getan zur Beantwortung der Frage, was es impliziert, das Sein zu wissen. Welche Erfahrung macht das Bewusstsein nun mit dem Einzelnen? Indem es etwas von sich unterscheidet, also ein von ihm unabhängiges Dieses, muss es sich dieses unterschiedenen Seins gewahr sein, da es sonst kein Bewusstsein dieses Unterschieds nomenologie des Geistes, hg. v. Hans Friedrich Fulda u. Dieter Henrich, Frankfurt am Main 1973, S. 67-82 (S. 70), Hegel unterstellt, wäre angesichts der argumentativen Strenge, welche der Nachvollzug der Erfahrung des Bewusstseins mit sich selbst und seinem Gegenstand verlangt, eine stilistische Disziplinlosigkeit, die Identifizierung eines der Dialogpartner mit der beobachtenden Wissenschaft, welche Wieland (ebd.) vornimmt, würde darüber hinaus einen glatten Verstoß gegen das von Hegels Methode erforderte „bloße Zusehens“ bedeuten. Weiter ist Andreas Graeser, Zu Hegels Porträt der sinnlichen Gewißheit, in: Dietmar Köhler/ Otto Pöggeler (Hrsg.), G.W.F. Hegel. Phänomenologie des Geistes (=Klassiker Auslegen, Bd. 16), Berlin 2006, S. 35-53, anzuführen, nach dem es sich bei der Sinnlichen Gewissheit um eine „vorsprachliche Stufe zu handeln“ scheint (S. 39), oder, da dies nicht zwingend der Fall sein muss, zumindest um ein Gedankenexperiment. Das ist in der Tat richtig: Es geht bei ihr nicht um einen realen philosophiehistorischen Typus des Erkennens, sondern um einen, welcher sich selbst missversteht und die Erfahrung dieses Missverstehens macht. Wenn Graeser jedoch nahelegt, dass diese Gestalt von der „Wissenschaft“ befragt und auf Sachverhalte aufmerksam gemacht werden muss (vgl. ebd., S. 40), damit die Erfahrung des Bewusstseins überhaupt in den Gang kommt, wird übersehen, dass die „Sache“, d.i. das vermeinte Wissen als Sinnliche Gewissheit, sich selbst in Gang setzt. – Zudem ist es abwegig, anzunehmen, Hegel habe mit der PhG so etwas wie eine Geistes-, wenn nicht gar eine Philosophiegeschichte im Sinne gehabt. Zwar sind Arbeiten wie die von Wilhelm Purpus, Zur Dialektik des Bewußtseins nach Hegel: Ein Beitrag zur Würdigung der Phänomenologie des Geistes, Berlin 1908, in welcher Entsprechungen des Anfangs der PhG und des Anfangs der okzidentalen Philosophie aufgezeigt werden, nicht als abwegig zu qualifizieren; aber wenn Ludwig Siep, Der Weg der Phänomenologie des Geistes, Frankfurt am Main 2000, S. 84ff. dieselben Kapitel der PhG aus ebenso starken Gründen neuzeitlichen philosophischen Positionen zuordnet, ist dies ein Indiz für den bloßen Verweischarakter entsprechender Formulierungen Hegels, welcher die Gestalten des Bewusstseins als idealtypische Figuren im Verhältnis zu den philosophiehistorischen ausweisen.
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wäre. Sich vergewärtigen kann es sich des Unterschiedes nur, wenn sich der Gegenstand ihm bestimmt. Dies setzt jedoch mehrere Gegenstände voraus, die sich wechselseitig bestimmen. Die erste Erfahrung, die das Unmittelbare Wissen mit dem Diesen macht, ist, dass viele Inhalte beanspruchen können, das „Diese“ zu sein. Hegel erläutert nun die Erfahrung, die das Bewusstsein mit diesem Gegenstand macht, anhand von Beispielen. Mehr noch: Eine wirkliche Sinnliche Gewissheit, so Hegel, sei nur ein „Beispiel derselben“ (vgl. PhG., S. 70). In der Tat lässt sich das, was Gegenstand für das Bewusstsein sein kann, wie also dies Dieses jeweils inhaltlich gefüllt ist, nur beispielhaft aufzählen. Das Diese ist der Baum, das Haus, der Tag, die Nacht, es könnte auch, Hegels Beispiele ergänzend, der Staat, die Liebe, die Sittlichkeit sein. Das Diese ist das Allgemeine dieser Bestimmtheiten. Hegel lässt das Bewusstsein anhand dieser Beispiele die Erfahrung machen, dass dem gemeinten Diesen widersprochen werden kann. Indem die Zeit verstreicht, ist das Diese als das Jetzt eben nicht mehr die Nacht, sondern der Tag. Indem auf eine andere Raumstelle verwiesen wird, ist das Diese als Hier nicht der Baum, sondern das Haus. Einleuchtend ist zunächst, dass das Haus eben nicht das Diese ist, das Diese als allgemeinste aller Formen der Bezugnahmen also nicht erschöpft. Dann müssten die Beispiele aber anders lauten. Es müsste heißen: Das Diese ist nicht nur der Baum, sondern auch das Haus. In Hegels Beispielen wird den entsprechenden Diesen jedoch rundweg abgesprochen, Diese zu sein. Dasselbe widerfährt den entsprechenden Diesen als Bewusstseinsinhalten; dasselbe widerfährt dem Ich als dem Allgemeinen aller Bewusstseinsinhalte. Das Diese als der allgemeinste aller Bezüge auf ein von einem Bewusstsein Unterschiedenes ist jedoch nicht im Sinne einer formalen Bedingung gemeint. Ein Bewusstsein, welches auf einen von ihm unterschiedenen Gegenstand Bezug nimmt, muss diesen Bezug auch realisieren. Es muss eine Stelle im logischen Raum besetzen, sonst wäre es kein Bewusstsein und das Diese nur Bedingung der Möglichkeit von Bewusstsein.27 Das Allgemeine muss 27
Entsprechend auch Hegels Analyse des Willens: „Ich will nicht bloß, sondern ich will etwas. Ein Wille, der […] nur das abstrakt Allgemeine will, will nichts und ist deswegen kein Wille.“ Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts (Werke 7), Frankfurt am Main 1986, §6, Zusatz.
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also immer zugleich bestimmt sein.28 Wenn aber das Bewusstsein sich für eine Stelle im logischen Raum entscheiden muss, entscheidet es sich zugleich gegen alle anderen Möglichkeiten. Wenn ein Gegenstand hervorgehoben wird, wird von allen anderen möglichen Gegenständen abstrahiert. Wird ein Gegenstandsbezug verwirklicht, werden alle anderen negiert. So ist ein Dieses das negative des anderen, das Hier nicht der Baum, sondern das Haus, das Jetzt nicht die Nacht, sondern der Tag. Die Erfahrung, die das Bewusstsein mit dem Diesen macht, lautet daher, dass es allgemein ist, bestimmt und negativ. Wäre dies nicht der Fall, sondern das Diese nur als reine Allgemeinheit gemeint, wäre eine weitere begriffliche Genese auch gar nicht möglich, wie deutlich werden wird. An Hegels Beispielen wird auch deutlich, dass das wechselseitige Bestimmen der verschiedenen Diesen ein wechselseitiges Zerstören ist. Der sinnlichen Gewissheit entfaltet sich also keine gegliederte Gegenstandswelt, sie ist statt dessen ein zielloses Mäandern von einer Bestimmtheit zur anderen. Damit hat sie die Kategorie der Einzelheit an ihr sowie die des Aussereinanders (Hier) und des Nacheinanders (Itzt).29 Es widerspricht diese Deutung der Erfahrung der Sinnlichen Gewissheit aber einer anderen, scheinbar mehr textnahen Interpretation, nach der das Diese eine Art Bündelungsfunktion der Unmittelbarkeiten erfüllt.30 Diese Interpretation erscheint auch deshalb so 28
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Nur ein so bestimmtes Dieses hat die Form eines indexikalischen Ausdruckes. Vgl. dazu auch Schönecker, Kein Sein, keine Unmittelbarkeit. Hegel über die Vernunft der sinnlichen Gewißheit, bes. S. 261f., der eine gegenwärtige von einer kategorialen Verwendung des Ausdrucks „Jetzt“ unterscheidet. In der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), Hamburg 1991, §20, heißt es entsprechend, dass „die Bestimmung [der Sinnlichkeit] die Einzelheit ist, und indem das Einzelne (ganz abstrakt das Atom) auch im Zusammenhange steht, so ist das Sinnliche ein Außereinander, dessen nähere abstrakte Formen das Neben- und das Nacheinander sind.“ So Eugen Fink, Hegel. Phänomenologische Interpretation der Phänomenologie des Geistes, Frankfurt am Main 1977, S. 81: „Das Sein, wie es die sinnliche Gewißheit denkt, ist momentanes und punktuelles Sein“, „Raum und Zeit [also die sinnliche Unmittelbarkeit, in welcher das Hier und Jetzt synthetisiert, Anm. F.Z.] sind das zerlegbare“, S. 86; so auch Dietmar Heidemann, Kann man sagen, was man meint? Untersuchungen zu Hegels „Sinnlicher Gewißheit“, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 84 (2002), S. 46-63 (S. 52): „Jedes gezeigte ‚Jetztǥ ist so ein negatives, reflektiertes Jetzt, das ‚viele Jetzt in sich hatǥ, da es – gemäß Hegels Zeitauffassung – zum Beispiel als Tag Stunden, als Stunden wiederum Minuten […] enthält und insofern Allgemeines ist.“ Insofern ist es vieles enthält ist es aber nicht Allgemeines, sondern nur einfaches Vieles. Der Begriff „Tag“ ist nicht allgemein, weil er viele Zeiteinheiten in sich
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plausibel, weil Hegel das unmittelbare Wissen bedeutungsgleich mit „Sinnlicher Gewissheit“ gebraucht. Dasjenige, was einen Gegenstand des Wissens rein in seiner Unmittelbarkeit bereithält, ist nach Hegel die Sinnlichkeit, die in ihrer Unmittelbarkeit eben nicht gewusst werden kann. enthält, sondern weil er auf alle Fälle zutrifft, die mit Recht beanspruchen, „Tag“ zu sein. Wird das Zusammenfassen des Diesen nicht im Sinne der hier tatsächlich gemeinten Ver-Allgemeinerung verstanden, wird auch die Interpretation der Nachfolgegestalt, des Dinges, abwegig, und es kommt zu husserlianisierenden Missdeutungen, deutlich u.a. in Milan Sobotka, Die Auffassung des Gegenstandes in Hegels Phänomenologie des Geistes (=Die Auffassung des Gegenstandes), in: Wiener Jahrbuch für Philosophie, Band VIII (1975), S. 133-153: „Ist die Wahrnehmung ein Standpunkt, der die sinnliche Welt zwar bewahrt, dieser aber zugleich die ursprüngliche chaotische Unmittelbarkeit und Kontinuität benimmt, in der alles zerfließt, so daß auch das Fixieren einzelner Gegenstände gar nicht möglich ist – so gehört zur Wahrnehmung als Zusammenfassen einzelner sinnlicher Bestimmungen in ein Ganzes auch die körperliche Bewegung, durch welche die Verschiedenheit der Perspektiven, von denen der einzelne Gegenstand betrachtet werden kann, vereinigt wird. Das Zusammenfassen ist also zugleich die Bewegung des Besehens des Gegenstandes von verschiedenen Seiten.“ (S. 137f) Auch Anton Friedrich Koch, Sinnliche Gewißheit und Wahrnehmung. Die beiden ersten Kapitel der Phänomenologie des Geistes, in: Wolfgang Welsch, Klaus Vieweg (Hrsg.), Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein kooperativer Kommentar zu einem Schlüsselwerk der Moderne, Frankfurt am Main 2008, S. 135-152, lässt sich zu einer solchen Interpretation verleiten: „Jeder Ort, der mit dem Indikator ‚hierǥ bezeichnet werden kann, ist ausgedehnt im Raum, und jeder Augenblick, der mit dem Indikator ‚jetztǥ bezeichnet werden kann, ist ausgedehnt in der Zeit. Folglich handelt es sich jeweils um eine Vielheit von Orten und Augenblicken, von denen wiederum jeder mit ‚hierǥ bzw. ‚jetztǥ bezeichnet werden kann. Es gibt in Raum und Zeit nichts Einfaches, insbesondere keine logisch atomaren Sinneseindrücke.“ (S. 144) Nach dieser Fehleinschätzung nimmt es nicht wunder, dass er a) die Selbstprüfung des Bewusstseins gegenüber seinem Gegenstand als Verhältnis einer Epistemologie zu einer Ontologie bestimmt (vgl. ebd., S. 136), und b), da offenkundig ist, dass eine bloße Epistemologie mit den anderen Phänomenen der PhG nicht mehr klarkommt, die solcherart gefasste „Spielregel“ der Einleitung nicht mehr erkennbar ist (vgl. ebd., S. 135). Besonders deutlich ausgesprochen wird die Interpretation des „Zeigens“ als ein Abgrenzen bestimmter Raum- und Zeitquanta von Kenneth R. Westphal, Hegels Kritik des unmittelbaren Wissens: eine Übersicht (unveröffentlichtes Manuskript): „Die punktuellen Hier, Jetzt bzw. Dieses haben keine Ausdehnung und beinhalten daher keine Gegenstände. Aber ein jedes ausgedehntes Hier, Jetzt bzw. Dieses bezeichnet einen Gegenstand nur durch die Bestimmung bzw. Festsetzung seiner Ausdehnung (seines Bereichs), nämlich eines Zeitabschnitts samt eines Volumen Raum […] Wir können den Gebrauch ostensiver Gesten überhaupt weder verstehen noch deuten, ohne Verständnis vorausgesetzter Raum-Zeit-Koordinaten samt Feststellung des Raum-Zeit-Bereichs des gemeinten Individuums.“
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Das Hier, das gemeint wird, wäre der Punkt, er ist aber nicht, sondern, indem er als seiend aufgezeigt wird, zeigt sich das Aufzeigen nicht unmittelbares Wissen, sondern eine Bewegung, von dem gemeinten Hier aus durch viele Hier, in das allgemeine Hier zu sein, welches wie der Tag eine einfache Vielheit der Itzt, so eine einfache Vielheit der Hier ist. (PhG, S. 76)
Eine Bewegung vollzieht sich in einem Zeitabschnitt; das Hier, welches aufgezeigt wird, wäre eine Sukzession vieler Hier, welche somit durch das Aufzeigen zu einem Zusammen vieler Hier verdinglicht würde, so wie der Tag als Einheit vieler Zeitpunkte betrachtet werden kann. Das reine Sein oder die Unmittelbarkeit wäre demnach eine formlose Masse, in welche das Bewusstsein auf dem Wege zum absoluten Wissen als erstes die Struktur des Diesen einzuprägen hätte. Eine solche Deutung wäre aber nur unter der Voraussetzung unhintergehbarer Zeit- und Raumstrukturen denkbar, etwa der Zeitsukzession oder der Raumausbreitung, wie in Kants transzendentaler Ästhetik.31 Hegels Programm als radikaler Skeptizismus soll aber ohne Voraussetzungen auskommen. Das Einzige, was bis jetzt gewonnen wurde, ist ein dem Bewusstsein Äußeres, was ihm immer wieder abhanden kommt. Weder hat sich das Äußere zu einer Raumausbreitung noch das Abhandenkommen zu einer Zeitfolge entwickelt.32 Schwerwiegender ist aber, dass 31
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Das übersieht Heidemann, Kann man sagen, was man meint?, S. 52: „Ebenso erweist sich im ostensiven Zeigen eines Gegenstandes das ‚Hierǥ, da es die räumlichen Lage- und Richtungsunterschiede des vorne-hinten, oben-unten, rechts-links, usf. enthält, als ‚eine einfache Komplexion vieler Hierǥ; das Hier als Raumstelle oder Raumort ist ein durch topologische Bedingungen vermitteltes Allgemeines, dem als solches nicht die einfache Unmittelbarkeit der sinnlichen Gewißheit zukommt.“ Hätte Heidemann Recht, wäre überhaupt nicht einzusehen, weshalb Hegel die PhG mit dem unmittelbaren Wissen einleitet. Stattdessen wäre der Beginn mit unhintergehbaren Anschauungsformen sinnvoller, jedoch ist unmittelbar Gewisses, welches nicht selbst infrage gestellt werden kann, gerade das, was Hegel mit seinem skeptischen Programm angreift. Deshalb wird die Unterstellung von Merold Westphal, Hegels Phänomenologie der Wahrnehmung, in: Hans Friedrich Fulda/Dieter Henrich (Hrsg.), Materialien zu Hegels „Phänomenologie des Geistes“, Frankfurt am Main 1973, S. 83-105, die „Analyse des Jetzt, des Hier und des Ich im Kapitel über die sinnliche Gewißheit kann gelesen werden als eine neue Deduktion von Raum, Zeit und der transzendentalen Einheit der Apperzeption“ (S. 84), Hegels Anspruch nicht gerecht. Strenggenommen wird auch das Hier nur zeitlich bestimmt, nämlich sukzessive, auf die Hier-Gewärtigung des Hauses folgt die Hier-Gewärtigung des Baumes wie der Tag auf die Nacht. Jedoch wird selbst bei Kant eine Gemeinschaft – also Wahrnehmung mehrerer Gegenstände zu einer Zeit – nur als zeit-
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nach einer solchen Deutung nicht erklärt werden kann, was denn überhaupt zusammengesetzt wird. Etwa das punktuelle unmittelbare Wissen? Aber Hegel hat ja schon gezeigt, dass das Unmittelbare als Wissen immer zum bestimmt-allgemeinen Diesen umschlägt, die Unmittelbarkeit also radikal verfehlt wird. Es kann also immer nur „Dieses“ zusammengefasst werden – was zu einem infiniten Regress führte. „Vielheit“ und „Zusammen“ muss also statt als Inhalt, statt als Container sinnlicher Gegebenheiten, als Gemeinsamkeit aufgefasst werden. Die Stunden des Tages können als Gleichartige nur deshalb zu einem Tag zusammengefasst werden, weil sie gemein haben, „Itzt“ zu sein. Diese Begriffe sind also im qualitativen, nicht im quantitativen Sinne zu sehen. Entsprechend ist auch die „Bewegung des Aufzeigens“ zu deuten, laut Hegel die primitivste aller Bezugnahmen:33 1) Ich zeige das Itzt auf, es ist als das Wahre behauptet; ich zeige es aber als gewesenes oder als ein aufgehobenes, hebe die erste Wahrheit auf, und 2) Itzt behaupte Ich als die zweite Wahrheit, daß es gewesen, aufgehoben ist. 3) Aber das Gewesene ist nicht; Ich hebe das Gewesen- oder Aufgehobensein, die zweite Wahrheit auf, und kehre so zur ersten Behauptung zurück; daß I t z t ist. (PhG, S. 75)
In 1) zeigt sich die allen Bezugnahmen notwendige Bestimmtheit: Überhaupt etwas zu wissen (und nicht nur die Möglichkeit dazu zu haben) ist Grundbedingung allen Wissens. In 2) zeigt sich jedoch diese Bestimmtheit als gewesene, d.h. sein Wesen in etwas zu haben, das vielen Bestimmtheiten gemein ist. All diese Bestimmtheiten sind in dem allgemeinen Itzt „aufgehoben“. Das Itzt hat jedoch 3), als abstrahierter Allgemeinausdruck, kein Dasein, es muss also mit der Bestimmtheit verbunden werden. Zur Benennung von Bestimmtheiten kann immer nur auf Allgemeinausdrücke zurückgegriffen werden. Gegen diese Deutung des „Zeigens“ kann zwar geltend gemacht werden, dass es deshalb als sinnliches gedeutet werden muss, weil Hegel im Rahmen der Anschauungsformen des Sinnlichen, also Raum und Zeit, operiert.
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lich vermittelbar dargestellt, nämlich durch die Apprehensionsumkehrbarkeit, im Gegensatz zur Apprehensionsunumkehrbarkeit bei der Erfahrung einer „wahrhaft“ zeitlichen Folge, nämlich der Kausalität. (Vgl. KrV B257ff.) Schon das Zeigen hat so die „göttliche Natur“, das gemeinte Bestimmte unmittelbar zu einem Allgemeinen zu verkehren wie die Sprache. Der Sinn dieses Verkehrens soll sich jedoch erst im Kapitel „Kraft und Verstand“ erschließen.
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Jedoch gebraucht Hegel, wie oben bemerkt, Raum und Zeit noch in einem sehr ursprünglichen Sinne. Sie werden auch überhaupt nicht eingeführt, eingeführt wird allein das Hier und Itzt als „gedoppelte Gestalt“ des Seins des Diesen. Was das „Itzt“ betrifft, ist daran zu erinnern, dass sich in der Bewegung des Aufzeigens am Diesen eine Bewegung des Übergegangenseins zeigt, nämlich die von der Bestimmtheit zum allgemeinen Diesen, und von diesem wiederum zurück zur Bestimmtheit. Das Diese, insofern es dieser Bewegung ausgesetzt ist, hat also durchaus die Gestalt eines „Itzt“. Das „Hier“ wäre demnach das „Diese“ als das Äußere des Bewusstseins, das „Itzt“ die Bewegung der Negativität dieses Äußeren. Die Sinnliche Gewissheit ist eine ungerichtete Bewegung: Bestimmtes wird gemeint, aber an anderes Bestimmtes verloren.34 Eine Bewusstseinsgestalt, die ihren Gegenstand lediglich als „etwas“ begreift, wird zum Spielball des allgemeinen Charakters, welcher jedem bestimmten Etwas innewohnt. Anders ausgedrückt: Das bestimmte Etwas, welches zugleich allgemein ist, wird zum 34
Die Frage: Kann man sagen, was man meint?, wäre demzufolge zu beantworten mit: Natürlich, aber auf diese Weise ist das Gemeinte nicht zu bestimmen, weil immer zuviel gesagt wird. Das in diesem Zusammenhang gern angeführte Beispiel Hegels, ob die Schreibfeder des Herrn Krug zu deduzieren sei (in: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wie der gemeine Menschenverstand die Philosophie nehme, dargestellt an den Werken des Herrn Krug, in: ders., Jenaer Schriften 1801-1807 (= Werke 2), S. 188-207 [S. 195] hat nicht den Sinn, dass mit dem Allgemeinbegriff „Feder“ keine bestimmte Feder gemeint werden kann: Es wird eine bestimmte Feder gemeint, sie kann jedoch in der Fülle der Federn, die auch gemeint sein können, nicht identifiziert werden, sie verschwindet wie ein Strohhalm in einem Strohhaufen. Es ist nicht so, dass das Meinen verstummt, es geht als einzelnes Meinen gewissermaßen im Chor des Allgemeinen unter. Heidemann, Kann man sagen, was man meint?, S. 50, behauptet von der Sinnlichen Gewissheit: „Resultat eines jeden Prüfschrittes ist […] die Erkenntnis, daß die eingangs der ‚Sinnlichen Gewißheitǥ behauptete Unmittelbarkeitsrelation zwischen Wissen und Gewußtem, also letztlich zwischen dem Bewußtsein und äußeren Gegenständen, nicht als Wissen gerechtfertigt werden kann, und zwar weil eine epistemische Fundamentaldifferenz besteht zwischen dem Allgemeinheitscharakter unseres Wissens bzw. der Sprache und dem individuellen Sein der Gegenstände, die das Wissen meint.“ In eine ähnliche Richtung weist seine Interpretation des „Hier“, Jetzt“ und „Ich“ als Designatoren, die auf einen Gegenstand „referieren“ (vgl. ders., Indexikalität und sprachliche Selbstreferenz bei Hegel, in: Hegel Studien 39/40 (2005), S. 9-24). Auch dafür ist eine Trennung von Bewusstsein und sinnlich Gegebenen Voraussetzung. Gäbe es diese Fundamentaldifferenz tatsächlich, würde eine unüberbrückbare Differenz von Bewusstsein und Geist die PhG nicht aus dem Dualismus der Reflexionsphilosophie herausführen lassen und ihr Programm als von vorneherein gescheitert anzusehen sein.
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Irgendetwas, welches sich mit der Formel „das Diese ist nicht a, sondern b; auch nicht b, sondern c etc.“ ausdrücken lässt. (Hegel drückt dies mittels der Groß- und Kleinschreibung aus: Das Diese ist gesetzt als nicht dieses.[Vgl. PhG, S. 80]) Der unmittelbaren Gewissheit wird so das Bestimmte, ihr ursprüngliches An-sich, immer wieder entrissen. Die einzige Möglichkeit, diesen Verlust zu verhindern, besteht darin, von der Vermittlung des Gegenstandes zu abstrahieren, ihn also überhaupt nicht zu „zeigen“. Aber dies Unmittelbare ist kein Wissen.35 Gleichwohl dies Unmittelbare aber kein Wissen ist,36 verrät sich in dieser, im Wortsinne radikalen Form der Unmittelbarkeit die Struktur des Bewusstseins überhaupt, und zwar ex negativo, in einer reductio ad absurdum der Sinnlichen Gewissheit. Das Bewusstsein erreicht in seiner Verschmelzung mit dem Gegenstand eines nicht, nämlich die Wahrheit dieser Gewissheit zu artikulieren, die sich ihr in dieser Identifizierung mit dem Gegenstand of35
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„Diese reine Unmittelbarkeit geht also das Anderssein des Hier, als Baums, welches in ein Hier, das Nichtbaum ist, das Anderssein des Itzt, als Tages, das in ein Itzt, das Nacht ist, übergeht, oder ein anderes Ich, dem etwas anderes Gegenstand ist, nichts mehr an. Ihre Wahrheit erhält sich als gleichbleibende Beziehung, die zwischen dem Ich und dem Gegenstande keinen Unterschied der Wesentlichkeit und Unwesentlichkeit macht, und in die daher auch überhaupt kein Unterschied eindringen kann.“ (PhG, S. 74) Zu dieser ins Meinen zurückgedrängten Sinnlichen Gewissheit zählt die Pyrrhonnische Skepsis, nach welcher bei jeder Aussage immer „was mich betrifft“ oder „wie es mir scheint“ hinzugedacht werden müsse. „Diese rein negative Haltung, die bloße Subjektivität und Scheinen bleiben will, hört eben damit auf, für das Wissen etwas zu sein; wer fest an der Eitelkeit, daß es ihm so scheine, er es so meine, hängenbleibt, seine Aussprüche durchaus für kein Objektives des Denkens und des Urteilens ausgegeben wissen will, den muß man dabei lassen – seine Subjektivität geht keinen anderen Menschen, noch weniger die Philosophie oder die Philosophie sie etwas an.“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Verhältnis des Skeptizismus zur Philosophie. Darstellung seiner verschiedenen Modifikationen und Vergleichung des neuesten mit dem alten, in: ders., Jenaer Schriften 1801-1807 (=Werke 2), Frankfurt am Main 1986, S. 213-272 (S. 249). Die Sinnesdatentheorie sowie der logische Atomismus George Edward Moores und Bertrand Russels können als ein gegen Hegel gerichteter Restitutionsversuch dieses Unmittelbarkeitsdenkens gelesen werden, ohne dass in beiden eine Antwort auf die Kritik Hegels anzutreffen wäre. Vgl. Wolfgang Welsch, Hegel und die analytische Philosophie. Über einige Kongruenzen in Grundfragen der Philosophie. Antrittsvorlesung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, 08. Juni 1999, in: http://www2.uni-jena.de/welsch/Hegel%20Analytik.pdf, S. 17ff., zur analytischen Reformulierung einiger Kritikpunkte Hegels durch Winfried Sellars vgl. ebd., S. 22; zu den Protokollsätzen Carnaps als Variante des modernen Unmittelbarkeitsdenkens vgl. ebd., S. 22ff., zu deren Kritik durch Neurath und Popper vgl. ebd., S. 25ff.
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fenbart. Denn in Wahrheit kann sie sich gar nicht offenbaren; das Wissen vom Gegenstand setzt Distanz zu ihm voraus. Denn um den Gegenstand in seiner Bestimmtheit zu fixieren muss das Bewusstsein ihn von anderen Bestimmtheiten abgrenzen. Das gelingt ihm aber nur, wenn er allen möglichen Bestimmtheiten eine Gemeinsamkeit einschreibt. Das Blau lässt sich vom Gelb nur sinnvoll unterscheiden, wenn beides als Farbe begriffen wird. Diese Gemeinsamkeit, welche alle möglichen Bestimmtheiten haben, macht sie zum „Diesen“; das Diese ist eine Weise des Bewusstseins und äußert sich als „Hier“ und „Itzt“. Deshalb heißt es in der „Sinnlichen Gewissheit: „das Hier ist das Haus“, und nicht einfach: „das Haus.“ Es ist also der Bewusstseinsgegensatz notwendig, um etwas zu wissen, die unterschiedene Bestimmtheit und ein Bewusstsein, welche ihr zugleich Einzelheit, Abgrenzung und somit Allgemeinheit verleiht, um sie als Bestimmtheit überhaupt zu ermöglichen. Das Bewusstsein unterscheidet also etwas von sich und bezieht sich darauf, indem es ihm mittels eines wie auch immer gearteten Zeigens zugleich Allgemeinheit verleiht. Das Wissen ist so Zeigen, das Zeigen trennt das Subjekt vom Objekt und schafft somit den Gegensatz des Bewusstseins, durch den Gegensatz des Bewusstseins wird das Bewusstsein selbst konstituiert.37 Durch die Inkongruenz beider, der gemeinten Bestimmtheit und deren Vermittlung durch die vom Bewusstsein beigesteuerte Allgemeinheit, wird das Bewusstsein zum skeptischen Bewusstsein, was sich zu37
Hier ist – bei aller gebotenen Vorsicht angesichts der raschen Entwicklung des philosophischen Denkens Hegels in den Jenaer Jahren – auf den Bewusstseinsbegriff der Jenaer Systementwürfe I, Hamburg 1986, hinzuweisen: „Das Wesen des Bewußtseins ist, daß unmittelbar in seiner ätherischen Identität absolute Einheit des Gegensatzes sei; es kann dies nur sein, i n d e m u n m i t t e l b a r , i n s o f e r n e s e n t g e g e n g e s e t z t i s t , die beiden Glieder d e s G e g e n s a t z e s e s s e l b s t s i n d , , an i h n e n als G l i e d e r des G e g e n s a t z e s u n m i t t e l b a r d a s G e g e n t e i l ihrer s e l b s t , die absolute Differenz, sich selbst aufhebende und aufgehobne Differenz sind, einfach sind – In dieser Einheit des Gegensatzes ist das sich Bewußtseiende die eine Seite desselben, und das, dessen es sich bewußt ist, die andre. Beide sind w e s e n t l i c h d a s s e l b e , beide eine unmittelbare Einheit der Einzelnheit und der Allgemeinheit.“ (S. 189) Über diese seine Struktur hat das Bewußtsein jedoch unmittelbar kein Wissen, nur mittelbar durch ein „Drittes“ (vgl. ebd.), welches als „Mitte“ beider (vgl. S. 191) seine Existenz in den Seinsweisen der Sprache, des Werkzeugs und des Gutes, bzw. als „einfaches Einssein“ von Gedächtnis, Arbeit und Familie in Erscheinung tritt (vgl. S. 193). In der PhG sammelt das Bewußtsein über sich selbst die Erfahrung über die hier angegebene Struktur im Kapitel „Selbstbewusstsein“, wie zu zeigen sein wird.
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erst im renitenten Bezweifeln seiner eigenen Behauptungen als Sinnlicher Gewissheit äußerte. Es versucht andererseits diesem eigenen Skeptizismus immer wieder zu entrinnen durch das Aufstellen neuer dogmatischer Behauptungen über seinen Gegenstand, also darüber, wie dessen angesprochenen Momente so widerspruchsfrei zusammengebracht werden können, dass sie dem Anspruch Genüge tun, Wissen zu sein. Die beiden Momente Allgemeinheit und Bestimmtheit in einem ersten Wissen von ihnen zusammenzubringen ist die neue Aufgabe, welcher sich die von Hegel so genannte „Wahrnehmung“ anzunehmen hat.
1.2 Die Wahrnehmung Die Prüfung des neuen Gegenstands muss also zeigen können, wie das neue Bewusstsein, das wahrnehmende, seinen Gegenstand behält. Sie muss also das Diese, ein Etwas, welches zugleich negativ, bestimmt und allgemein ist, so darzustellen in der Lage sein, dass es nicht an seinen Widersprüchen zugrunde geht.38 Das Diese, welches Hegel jetzt den Gegenstand nennt, ist nach wie vor ein vom Bewusstsein unterschiedenes Seiendes; die Bewegung des Wahrnehmens als Fortbestimmung des „Zeigens“ ist zu verstehen als Nachvollzug der Momente des Gegenstandes. Das Wahrnehmen hat vier Momente des Gegenstandes zu vermitteln, welches die Sinnliche Gewissheit nicht vermochte: das Allgemeine, denn alles Wissbare ist notwendig ein „Dieses“; das tatsächlich Gemeinte, die Bestimmtheit, denn alles Wissen ist notwendig bestimmtes Wissen; das Einzelne, denn Bestimmtheit erhält das Wissen nur durch Fokussierung auf das je bestimmte Wis38
Horst Henning Ottmann, Das Scheitern einer Einleitung in Hegels Philosophie. Eine Analyse der Phänomenologie des Geistes, München 1973, zeigt sich nicht von der bestimmten Negation, die Hegel in der Einleitung zur PhG vorstellt, überzeugt: „Eine abstrakte oder formallogische Negation führt nicht auf ein positives Resultat. Wenn ich sage ‚x ist nicht yǥ, so ist damit die ‚positiveǥ Möglichkeit offen gelassen, daß x jede andere Position als y verkörpert, aber die Negation hat an sich selbst keinen Index irgendeiner bestimmten Position; sie zeigt nicht positiv an, daß x gleich z ist.“. (ebd., S. 185). Am Beispiel des Übergangs von Sinnlicher Gewissheit zur Wahrnehmung zeigt sich jedoch deutlich, dass keine der beiden Negationsarten mit der bestimmten Negation gemeint sein kann. Denn als ebenso notwendig, wie das Scheitern der Sinnlichen Gewissheit gezeigt wurde, wird die Aufgabe formuliert, wie der neue Gegenstand der neuen Gestalt zu denken sei.
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sen; und die Negation: Indem Bestimmtes gewusst wird, gerät anderes aus dem Fokus des Wissens – es wird von ihm abstrahiert, etwa in dem Satz: „Ich meine nicht den roten Apfel, sondern den gelben.“ An diesem Beispiel ist darüber hinaus leicht zu ersehen, dass diese Negation keine totale sein darf: Bestimmung ist immer Unterscheidung von etwas; das Bestimmte wird so von dem von ihm Unterschiedenen abhängig. Der Gegenstand als Konzept ist also ein allgemeines Bezugsmedium, mit dessen Hilfe Bestimmtheiten ausgedrückt werden sollen. Er ist das Medium dieser Bestimmtheiten, welche durch ihn in eine Ordnung gebracht werden sollen, und zwar so, dass sie dem Bewusstsein nicht mehr entschwinden. Anders ausgedrückt: Die Gegenstandskonzeption ist der Versuch, Bestimmtes als Fall eines Allgemeinen zu fassen. Da, wie gezeigt, die Bestimmtheiten sich untereinander bestimmen müssen, kann das Ding viele Bestimmtheiten annehmen, „eine die negative der anderen“ (PhG, S. 80). Da die Bestimmtheiten nun in einem anderen Kontext auftreten, und zwar als Bestimmtheiten des Gegenstandskonzepts, nennt Hegel sie hier „Eigenschaften“. Dieses „Ding überhaupt“ kann als eine Fülle verschieden bestimmter Gegenstände auftreten. Aber die jeweilige Bestimmtheit ist nicht der Gegenstand überhaupt, ebensowenig andere Bestimmtheiten, sondern sie sind im Konzept des Gegenstandes aufgehoben. In Hegels Worten: Der Gegenstand ist das „Nichts“ dieser Bestimmtheiten. Weiter muss das Ding als ein Medium gefasst werden, in dem sich diese verschiedenen Eigenschaften durch Abgrenzung bestimmen können: Eine Bestimmtheit ist, indem sie nicht eine andere ist, usw. Diese beiden Momente, in denen sich die Einheit des Dings ausdrückt, nennt Hegel das Auch39, als „gleichgültige Einheit“ das Moment der Allgemeinheit, wonach Dinge verschiedenster Bestimmtheit ungeachtet dieser Verschiedenheit beanspruchen können, Ding zu sein; und das Eins, als die „ausschließende Einheit“ das Moment, wonach das Ding nach der Seite seiner Bestimmtheit die verschiedenen anderen Bestimmtheiten ausschließt. Kurz: Zwar kann das 39
Hegels Konzeption des Auch verführt zur Annahme, er habe zeigen wollen, dass es mehrere Dinge gibt, dass eine Vielzahl von Dingen gleichsam in der Wahrnehmungskonzeption analytisch enthalten ist, z.B. Ulrich Claesges, Darstellung des erscheinenden Wissens. Systematische Einleitung in Hegels Phänomenologie des Geistes (=Hegelstudien, Bh. 21), Bonn 1981, S. 157. Dass das Ding in mehreren Bestimmtheiten auftreten muss, ist aber gerade das Problem der Dingkonzeption, wie noch deutlich werden wird.
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Ding alle möglichen Inhalte annehmen, aber da zur Bedingung des wahrnehmenden Bewusstseins wie allen Bewusstseins gehört, sich auf ein bestimmtes Ding tatsächlich zu beziehen, muss dieses bestimmte Ding eine Vielheit40 anderer Dinge ausschließen. Bevor Hegel das wahrnehmende Bewusstsein seine komplizierte Erfahrung mit dem Gegenstand machen lässt, schickt er voraus, dass es irrtumsfähig ist. Es wurde bereits gesagt, dass die Sinnliche Gewissheit ihren Gegenstand nicht zu fassen bekommt. Denn das Bewusstsein des Sinnlichen weiß nur, dass es irgendetwas weiß, indem es aber das Bewusstsein dieses Irgendetwas vollzieht, also behauptet, dieses Irgendetwas zu wissen, irrt es, denn 40
Einen gewichtigen Einwand gegen Hegels Konzept von Vielheit liefert Joachim Hagner, Die Wahrnehmung; oder das Ding, und die Täuschung, in: Dietmar Köhler/ Otto Pöggeler (Hrsg.), G.W.F. Hegel. Phänomenologie des Geistes (= Klassiker Auslegen, Bd. 16), Berlin 2006, S. 55-90: Es „sollen ineins mit der Setzung einer […] unterschiedenen, bestimmten Eigenschaft ‚viele solche Eigenschaften, eine die negative der andern, gesetztǥ […] sein. Eine ausdrückliche Begründung dieser Behauptung liefert der Text allerdings nicht. Er gibt lediglich einen Hinweis darauf, wie eine solche Begründung aussehen könnte, indem er von ‚unterschiedenen, bestimmten Eigenschaftenǥ spricht und feststellt, daß ‚eine [solche unterschiedene, bestimmte Eigenschaft] die negative der andernǥ […] ist. Die Bestimmtheit, die eine Eigenschaft erst zur Eigenschaft qualifiziert, gründet danach in ihrer Unterscheidung […] Doch das erfordert nur die Setzung zweier Eigenschaften.“ (S. 71, Auslassungen F.Z., Ergänzungen im Original) Dies führt Hagner zu dem Schluss: „Die Setzung einer Eigenschaft, welche die Setzung vieler Eigenschaften einschließt, steht somit unter ähnlichen Voraussetzungen wie die ‚barbarisch[e]ǥ […] Disjunktion des empirischen disjunktiven Urteils, die Hegel in der Wissenschaft der Logik erläutert“. (Ebd., S. 71f, Auslassung F.Z., Ergänzung im Original). Dies verkennt jedoch, dass eine Bestimmtheit nicht anders, als gleichzeitig ausschließendes Eins zu sein, gedacht werden kann. Eine Bestimmtheit kann nur bestehen, wenn sie sich gegen das Andere ab- und es ausschließt. Das Andere ist also das Negative dieser Bestimmtheit. Gleichzeitig ist dies andere aber als seiend gesetzt – sonst könnte es die erste Bestimmtheit gar nicht limitieren und somit bestimmen. Indem diese andere Bestimmtheit aber ist, so ist sie ebenfalls ausschließendes Eins. So weit wäre Hagner Recht zu geben, denn das Negative dieses anderen Bestimmten könnte in der ersten Bestimmtheit liegen. Dann wäre diese erste Bestimmtheit jedoch das Nichts der zweiten, es läge gar keine Bestimmtheit vor, die es erlaubte, von einem ausschließenden Eins zu sprechen, und es gäbe somit die andere Bestimmtheit gar nicht, die allerdings benötigt wird, um die erste Bestimmtheit zu konstituieren. Indem also, und das bleibt als einzige Möglichkeit übrig, die Negation dieser zweiten Bestimmtheit nicht als Nichtung der ersten zu verstehen ist, muss sie sich wiederum gegen Anderes abgrenzen, und zwar der ersten und der zweiten Bestimmtheit Anderes: Das ausschließende Eins der Bestimmtheit repelliert sich somit, nicht zu einer Doppelung, sondern zu einer Vielzahl von Eins. Vgl. dazu auch Hegel, Seinslogik, S. 167ff.
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alles andere ist ebenso ein Irgendetwas. Oder, um den schillernden Begriff des Irrtums zu vermeiden: Das Bewusstsein ist schon im Vollzug des Unmittelbaren Wissens im Spiel, also aktiv involviert, indem eben dieser sein Vollzug ständig scheitert. Mit diesem Wissen der Irrtumsanfälligkeit weiß es, dass, falls das Ding sich nicht ohne Widersprüche fassen lässt, diese Widersprüche nicht dem Ding geschuldet sind.41 Die gegenüber der Sinnlichen Gewissheit größere Komplexität der Gegenstandsgenese macht es nun erforderlich, die einzelnen Durchgänge für sich genauer zu betrachten.
1.2.1 Durchgang: skeptische Zweifel am wahrnehmenden Bewusstsein Den Anfang macht das Bewusstsein mit dem Wissen des „Gegenstandes überhaupt“, als unvermittelter Einheit des Dinges, als „reines Einen“. Dieser Gegenstand ist aber zugleich allgemein: alles Wissbare ist ein Gegenstand. Dieser Erfahrung, welche der Sinnlichen Gewissheit ihren Gegenstand fortwährend entriss, kann das wahrnehmende Bewusstsein dadurch begegnen, dass dies Auffassen eines „reinen Einen“ als sein Irrtum betrachtet wird, denn es weiß ja den Gegenstand als einzelnen und zugleich allgemeinen. Es weiß, dass der „Gegenstand überhaupt“ gewusst werden kann, alle Gegenstände aber für die Rolle eines einzelnen Gegenstandes in Frage kämen. Den so gefassten Gegenstand nennt Hegel „Gemeinschaft überhaupt“. Jedoch ist der Gegenstand immer noch unzureichend konzipiert: Es fehlt die Bestimmtheit des Gegenstandes, sein So-sein als Salz, Nacht, Haus usw.: Es müssen also beide Mo41
Hans-Georg Bensch, Perspektiven des Bewußtseins. Hegels Anfang der Phänomenologie des Geistes, Würzburg 2005 sieht in diesem „irrtumsfähigen“ Bewußtsein einen „erschlichene[n] Übergang vom bloß wahrnehmenden Bewußtsein zum Bewußtsein, das sich seines Tuns bewußt sei“ (S. 116), da das wahrnehmende Bewusstsein zuvor charakterisiert wurde als eines, welches bei seinem Nehmen nichts tun dürfe, da „es durch solches Hinzusetzen oder Weglassen die Wahrheit“ veränderte (PhG, S. 82). Er verkennt dabei jedoch, dass gerade diese „Irrtumsfähigkeit“ für das wahrnehmende Bewusstsein konstitutiv ist, welches, da die Wahrheit im Gegenstand vermutet wird, die Unwahrheit auf sich zu nehmen hat. Es ist in diesem „Nehmen“ ausgedrückt, dass es ein vermittelndes Bewusstsein ist, im Gegensatz zum vom Anspruch nach nicht vermittelnden der Sinnlichen Gewissheit. Die geforderte Untätigkeit des wahrnehmenden Bewusstseins bezieht sich also nur auf Erkenntnisakte, die nicht vom Gegenstand erzwungen werden.
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mente, die Bestimmtheit und die Allgemeinheit, zusammengebracht werden. Die Bestimmtheiten befinden sich somit in einem „gemeinschaftlichen Medium“. Die „Gemeinschaft überhaupt“ wird so zum Gemeinsamen unterschiedener, aber in diesem Unterschied unverbundener und isolierter Bestimmtheiten erweitert. Das Ding kann also auch Salz, Nacht und Haus sein. Es kann jedoch nur in einer dieser Bestimmtheiten wahrgenommen werden, also entweder als Salz, oder als Nacht, oder als Haus. Anders ausgedrückt, an Hegels Beispiel des Salzes: Das Salz ist als Einzelding entweder bestimmt als scharf, oder als kubisch, oder als weiß. Wenn das Ding jedoch nur durch eine einzelne Eigenschaft prädiziert ist, nur in einer einzelnen Bestimmung wahrgenommen wird, so ist es in dieser Isolation von anderen Bestimmtheiten in der Bestimmungslosigkeit, d.h. in der Unmittelbarkeit. Wenn der Versuch der Prädizierung des Unmittelbaren: „Das Itzt ist die Nacht“ notwendig ein weiteres Prädikat evoziert, z.B. „Das Itzt ist Mittag“, damit die erste Bestimmung überhaupt gelingt, so ist damit bereits alles über die Möglichkeit eines einzeln bestimmten Dinges gesagt. Ein bestimmtes Einzelnes steht genau vor denselben Schwierigkeiten einer bestimmten Unmittelbarkeit. Da zudem die Einzelheit des Dinges durch diese isolierte Eigenschaft vermittelt werden sollte, diese aber als einzelne nicht vom Ding ausgesagt werden kann, so ist die Einzelheit des Dinges selbst unmöglich geworden, der Ausgangspunkt der Sinnlichen Gewissheit wiederhergestellt und mit der Wahrnehmung scheinbar zu einer zirkelhaften Aporie zusammengeschlossen. Die erste Möglichkeit, den Gegenstand zu konzipieren, indem er als Einheit seiner Momente gefasst wird, erweist sich so als Fehlschlag.
1.2.2 Durchgang der Erfahrung: die Zutat des Bewusstseins Es gibt jedoch eine Möglichkeit, dem vitiösen Zirkel in einem neuen Durchgang zu entgehen, indem genauer untersucht wird, welche Fehler das wahrnehmende Bewusstsein gemacht hat. Es zeigt sich jetzt auch, welche Funktion das etwas konstruiert wirkende „irrende Bewusstsein“ des ersten Durchgangs hat. Dessen Fehler können nun spezifiziert und als eine subjektive Verzerrung
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des Gegenstandes durch das Bewusstsein erkannt werden.42 Das Bewusstsein ist somit kein bloßes Aufnehmen mehr, sondern tätiges: synthetisierendes und trennendes Bewusstsein. So kann es im erneuten Anlauf, seinen Gegenstand zu fassen, der Tatsache, dass der Gegenstand „rein eins“ ist, dadurch begegnen, dass er dies als in den Gegenstand versenktes Konzept begreift. Der Gegenstand selbst ist das „reine Eine“. Was ihn dennoch in verschiedene Bestimmtheiten auseinandertreten lässt, und so die im ersten Durchgang vermisste jeweilig realisierte Bestimmtheit zufügt, ist allein die Partikularität des Bewusstseins: Hegel wählt als Beispiel die Sinnlichkeit, die den Gegenstand als Mannigfaltiges vermittelt. Das Bewusstsein wird zum sinnlichwahrnehmenden Bewusstsein, um den Gegenstand als Einheit von Verschiedenheit (Sinnlichkeit) und Einheit (Gegenstand) zu retten. Dass das Bewusstsein verschiedene Bestimmtheiten wahrnimmt, ist darüber hinaus notwendig. Der Gegenstand wird als einer erfasst und von der Sinnlichkeit in verschiedene Bestimmtheiten gebrochen. Diese Momente haben aber eine logische Rangordnung. Die Einheit des Gegenstandes wird durch dessen Bestimmtheit vermittelt. Der Gegenstand kann sich nicht als „reiner Einer“ dem Bewusstsein vermitteln, die an Kants philosophisches Projekt erinnernde Prädikation „rein“, die Hegel wählt, verweist ja darauf, dass dieser Gegenstand ein von sinnlicher Mannigfaltigkeit bereinigter Gegenstand ist, damit aber nur abstraktes Moment des Gegenstandes, der ja auch noch die Bestimmtheit und die Negation umfassen muss. Dem reinen Gegenstand, dem Gegenstand an sich, geht der bestimmte Gegenstand also logisch voraus. Dadurch, dass er als einer und deshalb bestimmter Gegen42
Vgl. Enzyklopädie, §420 Zusatz, worin Hegel diese Stufe des Bewusstseins als die Kantische bezeichnet, welche von „sinnlichen Gewißheiten einzelner Apperzeptionen oder Beobachtungen“ ausgeht und diese dann durch Kategorien zu „etwas Notwendigen und Allgemeinen, zu Erfahrungen“ macht (Hervorhebung im Original). An anderer Stelle urteilt Hegel über den Kantischen Idealismus, dass dort „das Mannigfaltige der Sinnlichkeit, das empirische Bewußtsein als Anschauung und Empfindung an sich etwas Unverbundenes, die Welt ein in sich Zerfallendes ist, das erst durch die Wohltat des Selbstbewußtseins der verständigen Menschen einen objektiven Zusammenhang und Halt, Substantialität, Vielheit und sogar Wirklichkeit und Möglichkeit erhält“. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Glauben und Wissen oder Reflexionsphilosophie der Subjektivität in der Vollständigkeit ihrer Formen als Kantische, Jacobische und Fichtesche Philosophie (= Glauben und Wissen), in: ders., Jenaer Schriften 1801-1807 (Werke 2), S. 287-433 (S. 309).
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stand das Bewusstsein affiziert, muss er durch andere Bestimmtheiten bestimmt sein. Der Gegenstand ist also vielfältig, noch bevor er etwa durch die Sinnlichkeit zu einem Vielfältigem gemacht wird. Das allerdings führt zu dem Problem, dass es bereits der Gegenstand sein muss, der in mehrere Bestimmtheiten zerfällt. Damit wäre aber die Einheit des Gegenstandes gefährdet. Denn bei der Wahrnehmung verschiedener, voneinander isolierter Bestimmtheiten soll ja bei jeder einzelnen wahrgenommenen Bestimmtheit das Allgemeine, dem sie subordiniert sind, mit wahrgenommen werden. Da dies aber nur unter dem Aspekt der Verschiedenheit geschehen kann, können sie gar nicht vermitteln, eine Allgemeinheit zu verkörpern. Dies, das Ineinssetzen ungleicher Bestimmtheiten, muss deshalb das Bewusstsein übernehmen. Das Bewusstsein wird so zum verständig-synthetisierenden Bewusstsein, um die Einheit des Gegenstandes zu wahren. Es fällt auf, dass Hegel die Bestimmtheiten, welche das Bewusstsein aufnimmt, nicht etwa Eigenschaften, sondern „freie Materien“ nennt. Frei sind sie deshalb, weil sie, als isoliert aufgenommen, sich nicht untereinander bestimmen, also „selbständig“ sind. Da sie sich nicht untereinander bestimmen, sind sie aber keine Eigenschaften des Dinges, sondern selbständige, das Ding bedingende Stoffe.43 Zu Bestimmtheiten werden sie nur für das Bewusstsein durch dessen kategoriale Leistung. Es ist also beides notwendig: das Bewusstsein ist einmal als Sinnlichkeit für die Bestimmtheit, das andere Mal als Verstand für die Einheit zuständig, der Gegenstand ist einmal ein sich selbst gleiches Allgemeines, dann aber wieder eine partikular zersplitterte Erscheinungswelt. Da das Wahrnehmen aber den Versuch bedeutet, das Allgemeine, Bestimmte und Negative in einer widerspruchsfreien Vermittlung, als Gegenstand, zu fassen, bleibt jetzt nichts anderes als der Versuch, ihn als etwas zu nehmen, was „an ihm selbst eine entgegengesetzte Wahrheit hat“ (PhG, S. 87). Der Versuch, die Einheit der Gegenstandsmomente als Einheit verschiedener Bestimmungen des Gegenstandes und des Bewusstseins herzustellen, erweist sich also als Fehlschlag. Was folgt, ist die 43
Hegel behandelt dieses Moment des Dings ausführlich in der Wesenslogik. Das Ding, zunächst Halt und Grund der Eigenschaften, wird in der begrifflichen Selbstbewegung schließlich zu einer bloßen Sammlung chemischer Stoffe depotenziert und schließlich als bestehendes Nichtbestehen dieser Materien zur Erscheinung. Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wissenschaft der Logik. Die Lehre vom Wesen (= Wesenslogik), Hamburg 1992, S. 118ff.
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erste einer Reihe von Entzweiungs- und Vereinigungsbewegungen asymmetrischer Momente in der PhG, wie beispielsweise die der „übersinnlichen“ und der „verkehrten Welt“ und natürlich die der Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft.
1.2.3 Durchgang: die zwei Welten des Gegenstandes Es treten also die zwei Momente des Gegenstandes auseinander:44 das Ding als Konzept des Einen, Allgemeinen, als das, was jedes einzelne bestimmte Ding auch ist; und die sich in mannigfaltigen Bestimmtheiten unterscheidende Dingwelt, das Dingkonzept der Verschiedenheit. Diese Variante der Gegenstandskonzeption darf aber nicht als eine Art rudimentärer Platonismus betrachtet werden, in dem das Ding als Konzept, als Allgemeines, eine Art übersinnliche Wesenheit für die einzelnen Bestimmtheiten bildete, welche sich dann für das Allgemeine als eine Art „verkehrte Welt“ darstellten. Denn das Allgemeine tritt immer als bestimmtes Allgemeines auf: Ein allgemeiner Gegenstand ‚an sich‘ kann nicht gedacht werden. Die Neigung des gemeinen Menschenverstandes, bestimmte Erscheinungen als Fälle übergeordneter Wesenheiten anzusehen, dürfte dem Gemeinten näher kommen. Das Ding ist notwendig in jeder Bestimmtheit ein Dieses, wie es ebenso notwendig als Dieses immer eine Bestimmtheit ist. Diese 44
Hegel macht es dem Leser an dieser Stelle nicht gerade leicht, da er das Ding als Konzept, als Gegenstand der Untersuchung, nicht von den tatsächlichen bestimmten Dingen unterscheidet: „Das A u c h , oder der gleichgültige Unterschied fällt also ebensowohl in das Ding, als das E i n s s e i n ; aber da beide verschieden, nicht in dasselbe, sondern in v e r s c h i e d e n e Dinge; der Widerspruch, der an dem gegenständlichen Wesen überhaupt ist, verteilt sich an zwei Gegenstände. Das Ding ist also wohl an und für sich, sich selbst gleich; aber diese Einheit mit sich selbst wird durch andere Dinge gestört; so ist die Einheit des Dings erhalten, und zugleich das Anderssein außer ihm, so wie außer dem Bewußtsein.“ (PhG, S. 87) Der einzige Hinweis, den Hegel gibt, ist, dass er erst von zwei Dingen spricht, dann aber von anderen Dingen, welche die Einheit des Dings stören. Eine Interpretation, welche das Einssein des Dinges mit einer wie auch immer bei sich bleibenden Bestimmtheit, das Auch als die anderen bestimmten Bestimmtheiten fasste, könnte diesem Sprachgebrauch nicht Rechnung tragen. Gemeint ist hingegen, dass der notwendige allgemeine Charakter des Gegenstandes und die ebenso notwendige Artikulation des Gegenstandes als Bestimmtheit sich entzweien, wodurch das Bewusstsein sich als der Aufgabe enthoben betrachten kann, die Verschiedenheit dieser Bestimmtheiten als seine Zutat zu sehen.
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beiden Momente entzweien sich zu eigenständigen Dingkonzeptionen. Das so bestimmte entzweite Ding habe, so Hegel, „in seiner Einheit das g e d o p p e l t e I n s o f e r n an ihm, aber mit u n g l e i c h e m W e r t e “. (PhG, S. 89) Was Hegel mit der ersten Aussage meint, ist deutlich: Das Ding ist einzelnes bestimmtes Allgemeines, sofern es nicht mannigfaltig-verschieden bestimmt ist, und es ist mannigfaltig-verschieden bestimmt, sofern es nicht einzelnes bestimmtes Allgemeines ist. Das Ding ist immer ein Ding, wenn von seiner verschiedenen Beschaffenheit, der Dingwelt, abstrahiert wird, und es ist verschieden beschaffen, wenn vom allgemeinen Dingcharakter der mannigfaltigen Beschaffenheiten abgesehen wird. Im zweiten Teil des Zitats konstatiert Hegel jedoch eine Asymmetrie, denn es kommt ihm nicht auf die triviale Feststellung an, dass beide Dingmomente ungleich sind, sondern dass das mannigfaltig-verschiedene dem allgemein-einzelnen untergeordnet ist: „Die sonstige Mannigfaltigkeit aber ist zwar auch notwendig an dem Dinge, so daß sie nicht von ihm wegbleiben kann, aber sie ist ihm u n w e s e n t l i c h .“ (PhG, S. 88) So ist das Bestimmte, was in einem Beispiel oder Gleichnis Erwähnung findet, im Vergleich zu dem, was dadurch zum Ausdruck gebracht werden soll, das Unwesentliche. Es ist also gleichgültig, wie das Ding bestimmt ist, Hauptsache, es ist bestimmt. Es zeigt sich hier wieder die Richtigkeit der aristotelischen Lesart des Hegelschen Allgemeinen: das Allgemeine ist immer zugleich bestimmt. Mit ihr ergibt erst folgendes Zitat, in dem Hegel das Scheitern des Entzweiungskonzeptes des Gegenstandes feststellt, einen genauen Sinn: Durch den a b s o l u t e n C h a r a k t e r gerade und seine Entgegensetzung v e r h ä l t es [das Ding als Eines-Allgemeines, Anm. F.Z.] sich zu andern, und ist wesentlich nur dies Verhalten; das Verhältnis aber ist die Negation seiner Selbständigkeit, und das Ding geht vielmehr durch seine wesentliche Eigenschaft zu Grunde. (PhG, S. 88)
Die „wesentliche Eigenschaft“ ist natürlich die Einheit, die „reine“ Allgemeinheit des Dinges, die mannigfaltigen Bestimmtheiten finden sich ja als „unwesentlich“ herabgewürdigt. Dadurch aber, dass das Ding immer ein bestimmtes Ding sein muss, kommt ein Verhältnis zustande, denn das Ding ist immer von einer bestimmten Beschaffenheit, von dieser muss jedoch immer abstrahiert werden, um das Ding sich selbst gleich zu erhalten. Die Dinge Baum
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und Haus sind ungleich, um aber die Gleichheit des Konzepts des allgemeinen Dings zu erreichen, muss von diesen Bestimmtheiten, Baum und Haus zu sein, abstrahiert werden. Da das Konzept des allgemeinen Dinges in seiner Reinheit aber niemals mit einem so und so beschaffenem Ding übereinstimmt, diese Abstraktion also immer erfolgen muss, wird diese Negation zu einer absoluten Negation. Da das Ding aber immer als bestimmtes Ding auftreten muss, ist das „reine Ding“ aber auf bestimmte Dinge angewiesen, da es sich nur der Abstraktion von diesen Beschaffenheiten verdankt – aus demselben Grund ist auch das Konzept des „reinen Einen“ im zweiten Durchgang gescheitert. Wenn es aber auf diese Dinge angewiesen ist, ist es nicht selbständig, keine von den mannigfaltig-verschiedenen Dingen emanzipierte Wesenheit. Der Versuch, die Einheit des Gegenstandes zu retten, indem ihr Widerspruch durch die Annahme verschiedener Gegenstandssphären beruhigt wird, erweist sich also auch als Fehlschlag. So haben sich sämtliche Möglichkeiten, das Wahre als Gegenstand, als die widerspruchsfreie Einheit widersprüchlicher Momente zu denken, als Fehlschlag erwiesen. Somit sind die Momente des Dings wieder zusammengeschlossen. Das Ding hat den Widerspruch, Eins und Mannigfaltiges zu sein, auf sich zu nehmen. War die Pointe des Kapitels „Sinnliche Gewissheit“, dass alles Bestimmte Allgemeines ist, so ergibt sich nun, dass das Allgemeine immer zugleich bestimmt ist. Der Gegenstand ist, so Hegel, „als Aufgehobener gesetzt“: Aus dem sinnlichen Sein wird er ein Allgemeines; aber dies Allgemeine ist, da es a u s d e m S i n n l i c h e n h e r k o m m t , wesentlich durch dasselbe bedingt, und daher überhaupt nicht wahrhaft sich selbst gleiche, sondern mit einem G e g e n s a t z e a f f i z i e r t e Allgemeinheit, welche sich darum in die Extreme der Einzelnheit und Allgemeinheit, des Eins der Eigenschaften und des Auchs der freien Materien trennt. (PhG, S. 89)
Mit „Extremen“ meint Hegel die Momente, in denen der Widerspruch dieser Allgemeinheit zutage tritt: Alles ist notwendig ein Dieses, aber das Diese muss ebenso notwendig ein bestimmtes Dieses sein; es muss notwendig fähig sein, alle möglichen Eigenschaften zu haben, muss auch diese, auch jene Eigenschaft besitzen, ebenso notwendig muss es eine bestimmte sein, die alle anderen Bestimmtheiten ausschließt. Das wahrnehmende Bewusstsein ist nur dann möglich, wenn es den Dingcharakter und den der Ei-
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genschaften strikt trennt und diese Trennung in der Gegenstandswelt selbst verortet (wie im dritten Durchgang), sie jeweils komplementär auf das Bewusstsein und die Gegenstandswelt verteilt (wie im zweiten Durchgang) oder aber die Einheit dieser Momente als Täuschung betrachtet (wie im ersten Durchgang). Es ist in diesen Fällen das „Spiel“ dieser leeren Abstraktionen. Interessant ist der Hinweis, den Hegel an dieser Stelle macht, dass der Vorwurf des wahrnehmenden „gesunden Menschenverstandes“ an die Philosophie, sie habe es nur mit Gedankendingen zu tun, auf ihn selbst zurückfällt. Denn die Philosophie erkenne diese Gedankendinge „zugleich in i h r e r B e s t i m m t h e i t “ (PhG, S. 91). Das wahrnehmende Bewusstsein ist der Versuch, die Momente der Allgemeinheit, des Bestimmten und der Negation so zu vereinheitlichen, dass sie nicht in Widerspruch zueinander geraten. Dass gerade das widersprüchliche Verhältnis das wahre Verhältnis dieser Momente ist, wird geleugnet. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, das Kapitel über die Wahrnehmung so zu deuten, als werde darin das Verhältnis von Substanz und Akzidenz erprobt und der Frage nachgegangen, wie die Einheit eines Gegenstandes angesichts der Vielheit seiner Eigenschaften zu denken sei.45 Die Beispiele, anhand derer Hegel die Entwicklungsstufen des Bewusstseins veranschaulicht, lassen diese Lesart auf dem ersten Blick sogar als naheliegende erscheinen. Hegels Beispiele finden sich auf den Seiten 81, 85 und 85f der PhG. Das erste gebraucht Hegel, um die Konstruktion des Gegenstandes „für uns“, also noch vor der Erfahrung des Bewusstseins, zu erhellen. Er schreibt, das Salz sei „einfaches Hier“ und „zugleich vielfach“, und spricht von den Eigenschaften des Salzes, scharf, kubisch und von „bestimmter Schwere“ zu sein. Er sagt von ihnen, dass sie sich durchdrängen, ohne sich zu berühren, wofür der Gegenstand Salz als das „Auch“ der Eigenschaften, als Medium oder „zusammenfassende Dingheit“ sorge. Das zweite Beispiel Hegels wird zur Erläuterung des die Einheit des Dinges zersplitternden Bewusstseins gebraucht. Es ist nicht mehr explizit vom Gegenstand „Salz“ die Rede, aber die Eigenschaften, in die das sehende, schmeckende und fühlende Bewusstsein es trennt – das Weiße, die Schärfe, das Kubische –, lassen 45
So Kenneth R. Westphal, Hegel, Hume und die Identität wahrnehmbarer Dinge. Historisch-kritische Analyse zum Kapitel „Wahrnehmung“ in der Phänomenologie von 1807, Frankfurt am Main 1998.
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vermuten, dass es sich auch hier um Salz handelt, ebenso wie im dritten Beispiel, mit dem Hegel erläutert, dass schon die Einheit des Gegenstandes dessen Partikularität voraussetzt: „Es ist also in Wahrheit das Ding selbst, welches weiß, und a u c h kubisch, a u c h scharf, und so fort ist […]“. Es wird aber schnell klar, dass es allein die Wahl des Beispiels ist, die eine Interpretation nahelegt, wonach es hier um die Schwierigkeit gehe, Eigenschaften in einem bestimmten und dazu einem und demselben Gegenstand zu verorten.46 Schon Hegels ständiger Rückgriff auf den Terminus „Ding“ selbst in den Beispielen verweist darauf, dass es ihm um nichts anderes als den „Gegenstand überhaupt“ geht und die Schwierigkeit, ihn zugleich als Bestimmtes und Allgemeines in eine Einheit zu bringen. Die Identifizierung verschiedener Eigenschaften in einem ihnen zugehörigen Ding setzt Urteilsleistungen voraus, über die das Bewusstsein auf dieser Stufe seiner Entwicklung noch nicht verfügt. Werden hingegen die Indikatoren „Hier“ und „Itzt“ als phänomenologische Vorläufer des „Dinges“ so interpretiert, als handele es sich um Anschauungsformen, verkürzt sich der Erklärungsbereich des Wahrnehmungskapitels nur noch auf physische Gegenstände, beim „Hier“ streng genommen nur noch auf solche, die sich nicht von einem Hier fortbewegen lassen, also auf Immobilien (sonst wären die sinnlichen Allgemeinheiten ja an ein anderes Hier gebunden und der Gegenstand mithin ein anderer Gegenstand). Kurzum: Hegels Rede von dem „Ding mit vielen Eigenschaften“ darf nicht so verstanden werden, als etablierte er eine Dingontologie, in der Dinge jeweils über viele ihnen zugehörige Eigenschaften verfügten. Sie meint statt dessen nichts als die vielen Bestimmtheiten, in denen der „Gegenstand überhaupt“ auftreten kann. Natürlich ist das Beispiel grundsätzlich geeignet, die Schwierigkeiten des SubstanzAkzidenz-Verhältnisses zu erhellen. Es eignet sich aber auch zur 46
Vgl. ebd., S. 4: „Wie ist eine gegebene Menge von Qualitätsvorkommnissen in der Wahrnehmung eines Gegenstandes zusammenzubringen? Und: Durch was für einen Begriff eines Gegenstandes lassen sie sich so vereinheitlichen? Diese Fragen haben immer noch Aktualität in der heutigen Neurophysiologie der Wahrnehmung als Aspekte des sogenannten ‚Bindungsproblemsǥ: Wie ist zu erkennen, daß es dasselbe Ding bzw. Ereignis ist (statt verschiedene Dinge bzw. Ereignisse), das verschiedene Zellen eines Sinnesorgans, z.B. der Netzhaut reizt? Diese Frage stellt sich nicht nur in bezug auf jede Sinnesmodalität, sondern auch in Bezug auf das Verhältnis zwischen Sinnesmodalitäten: Ihre Lösung bildet eine notwendige Bedingung der Erklärung von bewußter Erfahrung.“
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Erläuterung des Verhältnisses von Allgemeinheit und Bestimmtheit, und allein diese hat an dieser Stelle der PhG ihren systematischen Platz. Die Interpretation der Wahrnehmungskapitels als Untersuchung über das Substanz-Akzidenzverhältnis ist aber auch deshalb naheliegend, weil sie anschlussfähig ist an die oben angesprochene Interpretation des Diesen der Sinnlichen Gewissheit als „Bündelungsfunktion“ des Unmittelbaren. So könnte der Gegenstand als Substanz aufgefasst werden, welche Träger verschiedener Eigenschaften ist, so z.B. das Salz als Träger der Eigenschaften des Scharfen, des Weißen, des Kubischen, usf. Wird jedoch Eigenschaft in diesem hergebrachten Sinne verstanden, so kann nicht verhohlen werden, dass sie als Allgemeinausdrücke ebenso das Allgemeine verschiedener Bestimmtheiten wären. Das Ding wäre dann zusammengesetzt aus sinnlichen Allgemeinheiten, die wiederum zusammengesetzt wären aus sinnlichen Bestimmtheiten. Das geschmeckte Salzige müsste erst zur Salzigkeit, das gesehene Weiße zum Weißen synthetisiert werden, bevor all dies in einem Ding Salz verortet werden könnte. Abgesehen davon, dass eine solche Theorie vom Text nicht gestützt wird – Hegel spricht mehrmals von der Eigenschaft, nicht den Eigenschaften, des Dinges –, steht eine solche Lesart auch weiterhin vor dem Problem, die Möglichkeit einer quantitativen Synthesis der unmittelbaren Sinnlichkeit zu erklären. Das Kapitel „Wahrnehmung“ beschreibt jedoch, wie referiert, eine Art Meta-Gegenstand, vergleichbar dem transzendentalen Gegenstand aus Kants Kritik der reinen Vernunft. Es fällt auf, dass das Bewusstsein sich immer weniger passiv verhält im Verlaufe seiner Erfahrung mit dem, worauf es sich bezieht. War es zu Beginn noch die Gewissheit, reines, passives Aufnehmen zu sein, machte es mit dieser Gewissheit die Erfahrung, seinen Gegenstand benennen zu müssen und bei diesem Bemühen zu scheitern. Es erfährt an sich den Widerspruch, bestimmtes Bewusstsein, negiertes Bewusstsein, sowie allgemeines Bewusstsein zu sein. Als wahrnehmendes Bewusstsein macht es mit sich die Erfahrung der Irrtumsanfälligkeit: Die Erfahrung seines Scheiterns in der Sinnlichen Gewissheit wird nun zuerst produktiv als Skepsis gegenüber der eigenen Erkenntnisleistung verwendet, schließlich wird diese Skepsis selbst als Erkenntnisleistung erprobt: Aus der verzerrenden Erkenntnis wird eine synthetisierende. Das Bewusstsein ist so zwar an sich noch kein Selbstbewusstsein, aber mit dem
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Bewusstsein eigener Erkenntnisleistungen ist schon die Tendenz, sich als Selbstbewusstsein zu fassen, erkennbar. Allerdings ist das Bewusstsein sich selbst nur in Hinsicht auf den Bewusstseinsgegenstand thematisch. Das erklärt, weshalb das Sinnliche Bewusstsein zwar das Ich als Allgemeines analog dem Diesen als Allgemeines erfahren hat, als wahrnehmendes Bewusstsein aber nur Erfahrungen mit den Bestimmungen des wahrgenommenen Gegenstand macht, statt selbst seine immanenten Verhältnisbestimmungen, beispielsweise des allgemeinen Bewusstseins mit dem bestimmten Bewusstsein, zu erproben. Das sinnliche Bewusstsein erfährt vom Ich als Allgemeinen nur insofern, als es als das Substrat von Bewusstseinsinhalten sinnlicher Gegebenheiten eine Rolle spielte; eine Hinwendung des Bewusstseins auf sich selbst ist systematisch noch nicht angezeigt und soll sich erst im Kapitel „Kraft und Verstand“ andeuten.
1.3. Der Schluss des Verstandes Das Kapitel „Kraft und Verstand“ ist für das Schicksal der Figur „Bewusstsein“ von besonderer Bedeutung, denn hier vollzieht sich ihre Transformation zum Selbstbewusstsein, ein Umstand, den schon die alte Einteilung des ersten Kapitels unter dem Rubrum „A Bewusstsein“, des darauf folgenden Kapitels aber unter dem Titel „B Selbstbewusstsein“ deutlich machte. Bei einer ersten, orientierenden Lektüre dieses Kapitels kann der Eindruck entstehen, es würde von der ursprünglichen Methode der Darstellung abgewichen und vielmehr zu der einer Begriffsentfaltung gegriffen: Aus der Gestalt des „unbedingt Allgemeinen“ wird der Begriff der Kraft entwickelt, aus diesem das Spiel der Kräfte, bis schließlich ein „übersinnliches Reich der Gesetze“ und dessen Verkehrung gewonnen wird. Gleichwohl scheint eine Erfahrung des Bewusstseins stattzufinden, aber erst auf S. 110f., nachdem in einer ungewöhnlich langen Vorerörterung „für uns“ bestimmt wird, welche Gestalt des Bewusstseins es überhaupt mit welchem Gegenstand zu tun hat. Die Erfahrung des Bewusstseins, als Verstand, scheint also denkbar kurz geraten und nur ein Ergebnis zu haben: das Wesen des Gegenstandes mit dem Wesen des Bewusstseins „zusammenzuschließen“. Indes sind bei genauerer Aufmerksamkeit auf die verwendete Sprache sehr wohl Textabschnitte zu identifi-
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zieren, die offenbar Erfahrungen des Bewusstseins darstellen,47 auch wenn Hegel diese nicht explizit als solche ausweist. Die finale Erfahrung des Bewusstseins in diesem Kapitel ist eine Schlussbewegung,48 das Ergebnis der Erfahrung die Erkenntnis des Bewusstseins, im Vollzug seines Gegenstandes als tautologisches Entzweien und Wiederzusammenfassen „seiner selbst im anderen gewiss“ zu sein, dies Andere aber als gegenständliches „Abstoßen des Gleichnamigen von sich“ und „Gleichwerden des Ungleichnamigen“ vor sich zu haben. Die Erfahrung „für uns“ hingegen ist die der Identität beider.
1.3.1 Der Ausgangspunkt: Das Unbedingt-Allgemeine Ein weiterer Umstand dieses Kapitels bereitet jedoch größere Schwierigkeiten. Gab es im ersten Kapitel noch einen Gegenstand des Bewusstseins, das unbestimmte Diese, welches sich aber in mannigfaltige Bestimmungen verlor, gab es im zweiten Kapitel noch einen Gegenstand des Bewusstseins, das Ding, welches vielerlei Bestimmtheiten als stets mit sich identische Hülle diente, so operiert Hegel im dritten Kapitel mit einem Gegenstand, welchen es als „die eine Kraft“ oder „das eine Gesetz“ nicht gibt. Es sind bestimmte Allgemeinheiten, die Gegenstand des Kapitels werden, und so kommt es zum ersten Mal im Laufe der PhG dazu, dass sich viele Allgemeinheiten gegenüberstehen, dass Allgemeinheiten als Allgemeinheiten voneinander unterschieden werden können, der mannigfaltige Unterschied also nicht mehr in der jeweiligen Bestimmtheit des einen Allgemeinen liegt. Kurz: es können erstmals Allgemeinheiten als Gattungen voneinander unterschieden, d.i. bestimmt, werden. 47
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So auch Claus-Artur Scheier, Analytischer Kommentar zu Hegels Phänomenologie des Geistes, Freiburg/München 21986, S. 73ff. Ob es sich hierbei um zwei Schlüsse handelt, wie Joachim C. Horn, Hegels „Wahrheit des Sinnlichen“ oder die „zweite übersinnliche Welt“, in: Kant-Studien 54 (1963), S. 252-258 (S. 254) meint behaupten zu können, ist aufgrund der schwer zu überschauenden Gliederung des Textes kaum zu entscheiden, zumal Hegel die Schlussbewegung nicht eindeutig als solche ausweist. Wenn aber nach Horn der erste Schluss die Alteregoität der Erscheinungen (S. 255), der zweite den Charakter dieses Alteregos als Unendlichkeit erweisen soll (S. 256f), so will die hier vorgelegte Interpretation erweisen, dass das eine ohne das andere nicht zu haben ist, was nahelegt, dass Hegel nur einen Schluss im Sinne hatte.
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Der Gegenstand, mit dem das Bewusstsein seine Erfahrung macht, ist zunächst jedoch nur gleichsam skizzenhaft charakterisiert. Er ist das „unbedingt Allgemeine“. Der Terminus „unbedingt“ rückt etymologisch das „Ding“ des wahrnehmenden Bewusstseins in ein neues Licht. Es war ein Bedingtes, indem es des wahrnehmenden Bewusstseins bedurfte, jene Momente seiner Konstitution auf sich zu nehmen, die das Ding nicht ohne Selbstwiderspruch darstellen konnte. Aus demselben Grunde aber machte es auch das Bewusstsein zu einem Bedingten. Indem der neue Gegenstand jetzt alle vorher als unvereinbar geltenden Momente auf sich zu nehmen hat, besteht nun zwar die enorme Schwierigkeit, diese in sich gegensätzliche neue Bewusstseinsgestalt zu denken. Damit ist er aber auch von den Instanzen unabhängig, die diese Gegensätze von ihm abhielten, etwa dem irrenden, dem kategorisierenden oder dem ihn sinnlich aufspaltenden Bewusstsein. Dementsprechend könnte es zunächst auch so scheinen, dass das Bewusstsein dieser neuen Gestalt als Verstand sich wieder rein aufnehmend verhielte. Dem ist aber nicht so. Hegel konzediert diesem neuen Bewusstsein, dass es in der Lage sei, die Erfahrung zu machen, in das „Innere“ dieses neuen Gegenstandes zu schauen und ihn erklärend nachzuvollziehen. Es macht also durchaus nicht die Erfahrung der Sinnlichen Gewissheit, deren Gegenstand sich ihr als äußerst fremd, ja spröde darbot, vielmehr scheint dem Verstand sein Gegenstand eigentümlich vertraut. Was es damit auf sich hat, erfährt er allerdings erst als Selbstbewusstsein. „Für uns“ sei, so Hegel, der „Gegenstand durch die Bewegung des Bewusstseins so geworden, dass dieses in das Werden desselben verflochten, und die Reflexion auf beiden Seiten dieselbe, oder nur Eine ist“ (PhG, S. 93). Das Bewusstsein dagegen habe „seinen B e g r i f f als B e g r i f f noch nicht erfasst“, sein Gegenstand sei noch ein Gegenstand, noch nicht es selbst als Begriff. Offenkundig will Hegel damit andeuten, dass es das Bewusstsein in Wahrheit schon mit sich selbst zu tun habe, diese Bewusstseinsgestalt also schon ein Bewusstsein von sich selbst, also ein Selbstbewusstsein wäre, wenn es sich nicht in der Hülle der Gegenständlichkeit erfasste, die es so erfahrend abzuarbeiten gilt. Das, was Hegel also Begriff nennt, wäre Selbstbewusstsein. Der einzige Grund, den Hegel hierfür zunächst liefert, ist die Bemerkung von der Verflochtenheit des Bewusstseins in das Werden seines Gegenstands und der Identität der Reflexionsbewegung beider. Es ist nahelie-
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gend, dass Hegel mit dem „Werden des Gegenstandes“ die Erfahrung des wahrnehmenden Bewusstseins meint, denn der neue Gegenstand ist schließlich das Resultat von dessen Erfahrung. Wird die Erfahrung des wahrnehmenden Bewusstsein gewärtigt, ist klar, dass Hegel nur auf den zweiten Erfahrungsdurchgang anspielen kann. Der erste erwies, da darin das Bewusstsein aus einem bestimmten Bewusstsein zum unmittelbaren Bewusstsein regredierte, die Notwendigkeit der „Funktionsteilung“ von Bewusstsein und Gegenstand, also des zweiten Erfahrungsdurchlaufs. Die letzte zeigte die Unausweichlichkeit, den Gegenstand als „unbedingt Allgemeines“ zu denken. Was nun berechtigt Hegel, die Reflexion des Gegenstands in sich selbst und die Reflexion des Bewusstseins in sich selbst als identisch zu setzen? Wenn das wahrnehmende Bewusstsein den Gegenstand als Einen fokussiert, gelingt dies nur, wenn von einer mannigfaltigen Beschaffenheit des Gegenstandes abstrahiert wird. Wenn dasselbe Bewusstsein den Gegenstand folgerichtig als Mannigfaltigen begreift, muss es, um ihn zu wissen, diese Mannigfaltigkeit zu einer Einheit synthetisieren. Es schlägt also auf beiden Seiten unmittelbar die Einheit in eine Mannigfaltigkeit und die Mannigfaltigkeit in eine Einheit um. Insofern sind beide Bewegungen tatsächlich gleich. Nur eine wäre die Bewegung erst dann, wenn das dieser Bewegung ausgesetzte, also Bewusstsein und Gegenstand, auch identisch wäre. Dann gäbe es keinen Gegenstand mehr, nur das Bewusstsein, welches sich in eine Mannigfaltigkeit bestimmt und sich aus dieser Mannigfaltigkeit wiederum in sich reflektiert. Es hat sich jedoch aus der Erfahrung der Wahrnehmung heraus nur ergeben, den Gegenstand als unbedingt Allgemeinen zu setzen; und da es sich noch nicht als notwendig erwiesen hat, das Medium der Gegenständlichkeit zu entfernen, geht es nun dem Bewusstsein wie einem, der sich im Spiegel sieht, sich aber nicht darin erkennt. Dies „unbedingt Allgemeine“ wird näher charakterisiert. Die einfachste Struktur dieses Gegenstandes, so kann konstatiert werden, ist sein Bestehen aus dem Moment des Für-sich-Seins (das ist die Identität, in welche die Bestimmtheit umschlägt) und dem Moment des Für-anderes-Seins (das sind die vielfältigen Wissensinhalte, die der Gegenstand annehmen kann). Das zweite Moment, gefasst als „allgemeines Medium“, ist zugleich das Ding nach der Seite seiner „Passivität“: Es muss sich gefallen lassen, diesen oder jenen Inhalt anzunehmen. Dann aber ist es nicht mehr das „Ding
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selbst“, sondern ein bestimmtes Ding. Darin ist es nicht allgemein, nicht mit sich selbst identisch. Das Haus hat mit dem Baum nichts gemein. Nach der Hinsicht hingegen, dass sie beide Dinge sind, haben sie etwas gemein. Das ist das erste Moment, das Für-sichSein.
1.3.2 Die Inklusion der Bewegung in der Kraft Werden diese Momente auseinander gehalten, findet sich die Selbständigkeit, die eben noch dem Für-sich-Sein zugesprochen wurde, auf der Seite der Bestimmbarkeit des „unbedingt Allgemeinen“, des allgemeinen Mediums, also des unbedingt Allgemeinen nach seiner inhaltlichen Seite. Denn da die möglichen Bestimmungen jetzt keinem Dinge mehr inhärieren, sind sie „frei“, also selbständig. In dieser Selbständigkeit machen sie aber die Seite des Mediums aus, was bedeutet, dass das unbedingt Allgemeine als eine Vielheit unterschiedener Materien besteht. Das unbedingt Allgemeine, nun als Möglichkeit aller Bestimmungen betrachtet, fordert, dass es sich keiner Bestimmbarkeit entzieht. Es wird durch „das Haus“ ebenso ausgedrückt wie durch „den Baum“. Aber Baum kann das unbedingt Allgemeine nur sein, insofern es nicht Haus ist. Auf alle möglichen Fälle ausgeweitet bedeutet das, dass jede Bestimmung das „Poros“ der anderen ist. Damit wird aus dem unbedingt Allgemeinen aber ein lediglich Bestimmbares: Jede Bestimmung ist also zugleich in einem Bestimmungslosen, einem reinen Für-sich-Sein aufgehoben. Dieses Für-sich-Sein ist aber mit der reinen Bestimmbarkeit identisch, mithin das Medium selbst, welches in den freien, unterschiedenen Materien besteht. Diese hier referierte Bewegung nennt Hegel „dasjenige, was Kraft genannt wird“. Das ist insofern irreführend, als das unmittelbare Übergehen von Bestimmtheit in reine Unbestimmtheit, von Für-anderes-Sein in Für-sich-Sein mitnichten dem entspricht, was die Physik, ja was der gewöhnliche Alltagsverstand mit diesem Begriff verbindet. Er hat aber seine Berechtigung, wenn er als ein höchst vorläufiger Begriff gebraucht wird. Die Bewegung von den selbständigen Materien hin zum reinen Für-sich-Sein ist die Bewegung zu dem, was Hegel die „z u r ü c k g e d r ä n g t e , oder die e i g e n t l i c h e K r a f t “ (PhG, S. 95) nennt; die Bewegung vom Fürsich-Sein zu den selbständigen Materien ist Hegel zufolge die Be-
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wegung zur „Äußerung“ der Kraft. Da aber jede der beiden Momente die gegenläufige Bewegung der anderen ist, mit der je anderen also eine Einheit bildet, ist es „eigentlich der Verstand, dem der Begriff der Kraft angehört, d e r B e g r i f f , welcher die unterschiedenen Momente, als unterschiedene, trägt; denn a n i h r s e l b s t sollen sie nicht unterschieden sein; der Unterschied ist hiermit nur im Gedanken.“ (PhG, S. 95) Der Preis, den der Verstand dafür zahlen muss, den Widerspruch dieses unbedingt Allgemeinen nicht auf sich zu nehmen, besteht darin, die beiden Kraftmomente als für sich bestehende Substanzen aufzufassen. Es gilt also nun, das unbedingt Allgemeine an einer Bestimmtheit, einem Sein festzumachen, der real sich äußernden Kraft; und eine Bestimmtheit ist nicht identisch mit einer Allgemeinheit, welche jedoch auch gegenständlich gesetzt wird, also als zweite Substanz neben die erste treten muss. Dabei ist nun eine ähnliche Situation wie im dritten Durchlauf des Wahrnehmungskapitels eingetreten, als die zwei Momente des Dinges sich substantialisierten in das mediale und das für-sichseiende Ding. Der Unterschied ist der, dass nun das Moment des Für-sich-Seins und das des Für-anderes gleich selbständig sich gegenüberstehen, denn es muss sich ja beides um Seiendes handeln. Dies geschieht jedoch in der Weise eines wechselseitigen Sichverselbständigens und -aufhebens. Denn die Kraftäußerung bedarf immer des Allgemeinen, des reinen Für-sich-Seins, sonst wäre sie eine Unbestimmtheit, das reine Für-sich-Sein muss sich, um nicht im bloßen Nichts zu vergehen, immer wieder bestimmen. Was sich „in Gedanken“ als Einheit eines Widerspruchs erwies, ist in der Realität ein Ineinander-Übergehen. Diese Bewegung, das merkt Hegel selbst an, ist dieselbe wie die der Wahrnehmung: Im Wissen des Gegenstandes sind Ding und Bewusstsein eins, aber um den Preis des sich ständig Auseinanderbewegens eines vereinheitlichenden Bewusstseins bzw. mannigfaltigen Sinnendinges und eines einheitlichen Dinges an sich bzw. eines dieses Ding zersplitternden sinnlichen Bewusstseins. Diese beiden Momente sind nun Momente der Kraft. Das Fürsich-Sein, oder das „unter die Bestimmtheit des Eins gesetzte“, steht auf der einen Seite und schließt das „Bestehen der entfalteten Materien“ aus sich aus. Hiermit wäre es aber ein bestimmungsloses Nichts und auf keinen Fall eine neue Art des Wissens. Es muss sich bestimmen oder, um im Vokabular des Verstandes zu bleiben,
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es „muss sich äußern“. Sich zu äußern, in dieser Äußerung aber als etwas anderes zu existieren: Diesen merkwürdigen Sachverhalt drückt Hegel mit dem Kunstwort „sollizitieren“ aus. Das Medium der Äußerung tritt gewissermaßen zur eigentlichen Kraft „hin-zu“ und „sollizitiert“ (beunruhigt) sie zur Äußerung. Dieser Zusammenhang, der zugleich nicht sein darf, zeigt das Ungenügen dieser Konstellation: Wenn das Bestimmungslose sich bestimmen muss, dann ist dies eigene Notwendigkeit: sie wird also nicht geäußert, sondern sie äußert sich. Das ist allerdings ihr Umschlagen ins mediale Moment. Diesem Umgeschlagensein trägt die von Hegel gewählte Zeitform Rechnung: „sie hat sich geäußert“ (PhG, S. 97), das Sollizitieren hat also keinen Anfang. Als Medium der „sich geäußert-habenden“ Kraft steht sie nun jedoch der für sich seienden Kraft entgegen, dem rein Abstrakten. Hier wiederholt sich nun das Spiel: Ein bestimmtes Wissen kann das „Wissen an sich“ nicht repräsentieren, oder, um in der Sprache des Verstandes zu reden, die geäußerte Kraft wird zur Reflexion in sich selbst „sollizitiert“, welches in Wirklichkeit bedeutet, dass sie sich selbst in die Reflexion treibt, was ihr Umschlagen ins reine Aufgehobensein, in die „zurückgedrängte Kraft“ nach sich zieht. Auf den ersten Blick ist der Unterschied zum dritten Durchlauf des Kapitels „Wahrnehmung“ kaum auszumachen. Er besteht aber darin, dass zwei tatsächlich existierende Kraftmomente möglich sind, wenn auch nur um den Preis des sich beständig ineinander Veränderns. Nicht nur vertauschen sich iterativ die Momente der Reflexion und der Medialität, beide sind auch wechselseitig mal Hervortreibendes, mal Hervorgetriebenes. Das bedeutet aber inhaltlich auch, dass die Medialität nicht anders denkbar ist als durch das Moment der Reflexion in sich hervorgebracht und es hervorbringend und umgekehrt. Kurzum: beide Momente wären gar nicht ohne ihren Widerpart, sie bestehen nur in ihrem Übergehen in den jeweils anderen. Dieses von Hegel so genannte „Spiel der Kräfte“ zeigt sich dem Bewusstsein als Übergehen selbständiger Momente – der fallende Stein als Äußerung der Gravitation beispielsweise –, obwohl diese Momente sich gegenseitig tragen und erzeugen: Im fallenden Stein manifestiert sich die Gravitation und ist keine von diesem speziellen Fall unterschiedene Wesenheit. Auch hier sei daran erinnert, dass dies Beispiel, das Verhältnis einer bestimmten Kraft und ihrer Äußerung, nur ein Anwendungsfall für das übergeordnete Problem des Verhältnisses von Allge-
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meinheit und Bestimmtheit ist. Diese Erinnerung ist aus zweierlei Gründen notwendig. Hegels Rede vom „Spiel der Kräfte“ und der „Bewegung der Kraft“ könnte, wie bereits angedeutet, dazu verleiten, an dieser Stelle eine Art Philosophie der Mechanik zu sehen. 49 Dass dies durchaus nicht der Fall ist, macht Hegel mit seinem Verweis auf die Wahrnehmung klar. Obwohl es sich im Grunde um dieselbe Bewegung handelt, nämlich den Übergang von einem lediglich bestimmbaren zu einem bestimmten Wissen (da ein unbestimmtes Wissen kein Wissen ist) und wieder zurück (da das bestimmte Wissen ein allgemeines Substrat braucht), wird zur Beschreibung dieses Sachverhaltes ein anderer Sprachgebrauch notwendig. Da diese Bewegung nun nicht mehr zwischen Bewusstsein und Gegenstand erfolgen kann – das war das Ergebnis des Wahrnehmungskapitels –, muss sie nun innerhalb der Gegenstandssphäre selbst erfolgen. Aus dem bestimmbaren Wissen wird also die Potentialität der Kraft oder die zurückgedrängte Kraft, das bestimmte Wissen wird hier zur Äußerung der Kraft, die leicht als potentielle und kinetische Energie bzw. als Masse und Bewegung missdeutet werden könnten, würde die Genese der Bewusstseinsgestalten außer Acht gelassen. Dass die hier entwickelten Verhält49
Vgl. Martin Heidegger, Hegels Phänomenologie des Geistes, Frankfurt am Main 21988 (=GA Bd. 32), S. 175. Eine solche Einschätzung des Textes indes ist jedoch nur möglich, wenn bereits das Spiel der Kräfte missverstanden wird. Heidegger betrachtet es als das Zusammenspiel des „Vielfältigen des Gewirkten“ und der „Gedrängtheit zur Äußerung“ (ebd., S. 166), welches eine Bewegung im Medium des Auch erzeugt (vgl. ebd., S. 167), und sieht diese Bewegung analytisch aus dem Begriff der Kraft gewonnen (vgl. ebd., S. 166f), welchen Begriff Hegel deshalb gewählt habe, weil er die aus dem Kapitel „Wahrnehmung“ sich ergebende Forderung, der Gegenstand des Wissens sei die unbedingte Allgemeinheit, erfüllt (vgl. ebd., S. 164). Wird dieser Interpretation gefolgt, erscheint der Kraftbegriff als geeigneter, aber keineswegs notwendiger Übergang vom Wahrnehmungsgegenstand, die Interpretation der Kraft als mechanischer Bewegung nach Art angestoßener Billardkugeln oder dem Entspannen einer angespannten Feder keineswegs als intuitiv, da eher von naturwissenschaftlicher als metaphysischer Art; die Ableitung von Gesetzen aus der Abstraktion dieser Bewegungen rückt Hegels Ansinnen in die Nähe des Empirismus, welches sich ebenfalls nicht mit seinem Anspruch verträgt. Eugen Fink, Hegel, S. 119, arbeitet den Kraftbegriff als Sukzessor des Dingbegriffs hingegen deutlich heraus: „Wir erkennen jetzt unschwer in den Gedanken, welche die Wahrnehmung nicht zusammenbringen konnte, die kategorialen Gedanken: das Ding ist eins und vieles, es ist eins als in sich zusammengehaltene Kraft und vieles als die Ausbreitung, als die Äußerung der Kraft, – es ist Sichselbstgleiches als die einheitliche Natur der Kraft, aber deren Wesen ist ja gerade, außer sich zu gehen; sie ist nur, was sie ist, wenn sie sich äußert.“
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nisse in Hegels Naturphilosophie zum Tragen kommen, steht auf einem anderen Blatt; hier geht es jedoch um den Bewusstseinsgegenstand, der nun auf die hier entwickelte Art und Weise gedacht werden muss.
1.3.3 Die Fortbestimmung des Allgemeinen zum Inneren der Äußerung und das Reich der Gesetze Es ist hiermit der Erkenntnisgewinn vorhanden, dass sich die wirkliche Kraft genauso darstellt wie das zunächst entwickelte unbedingt Allgemeine, dass sich also zwei unabhängige Substanzen nicht realisieren lassen. Was sich im ersten Allgemeinen als die unmittelbare Einheit von Gegensätzen zeigte, erweist sich hier als ein Bestehenkönnen nur im Übergange von einer gegensätzlichen Substanz zur anderen, die somit also kein unabhängiges Bestehen voneinander haben, sondern in diesem Übergang existieren. Hegel illustriert diesen Umstand durch die Wendung, dieser neue Begriff der Kraft sei „ihr Begriff, als Begriff“, also nicht ein „Begriff von“ einer Reihe von durch ihn verbundenen Bestimmtheiten, sondern der Begriff an sich als realisierter; er sei nun als das „Wesen“ auch „an ihrer seinsollenden Realität“ erwiesen, weshalb die „Realisierung der Kraft“ den „Verlust der Realität“ bedeute. Dieses „Negative der sinnlich gegenständlichen Kraft“ ist das „I n n e r e der Dinge, als I n n e r e s “ (PhG, S. 100), das gegenständliche Innere schlechthin. Wieso nur das „Negative der sinnlich gegenständlichen Kraft“ ? Geht nicht auch im Spiel der Kräfte das Fürsichsein der Kraft immer in die medial bestimmte Kraft über? Ein Rekurs auf die Sinnliche Gewissheit soll verdeutlichen, was gemeint ist: Zwar geht in ihrem Versuch, eine Bestimmtheit zu fassen, diese immer verloren; aber eins bleibt, nämlich das Diese, das allgemeine Substrat jeglicher Bestimmtheit. Zwar muss sich das Diese immer wieder bestimmen, was sich hier, im Kapitel Kraft und Verstand, darin zeigt, dass die für sich seiende Kraft sich äußern muss; aber sie bleibt in jeder Kraftäußerung erhalten, die Kraft als solche dieselbe. Der fallende Stein ist, wenn gefallen, als Kraftäußerung vergangen, die Gravitationskraft aber ist, sollte sie sich anders äußern, als fallender Baum beispielsweise, die gleiche.
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Zu diesem Innern habe das Bewusstsein Zugang, und zwar mittelbar, im Sinne des syllogistischen Mittelbegriffs. Das Bewusstsein erkennt nun nicht mehr ein Sein, sondern ein verschwindendes Sein. Und tatsächlich ist es ihm in den bisherigen Erfahrungen immer wieder entschwunden: im Widerspruch der Sinnlichen Gewissheit und in der Auflösung seines Gegenstandes in der Wahrnehmung. Dies „S e i n , das unmittelbar an ihm selbst ein N i c h t s e i n ist“ (PhG, S. 101) nennt Hegel „Schein“ und, insofern es „ein Ganzes“ ausmacht, „Erscheinung“. Das Verhältnis des Verstandes zu dieser Erscheinung ist ein anderes als das Verhältnis von wahrnehmendem Bewusstsein und Gegenstand. Während diese die einander inkompatibel scheinenden Momente des Fürsichseins und des Sein für Anderes auf Bewusstsein und Gegenstand komplementär verteilten, ist die Reflexionsbewegung bei jener auf beiden Seiten dieselbe: Das S e i n desselben [des an sich seienden Gegenstands, des Allgemeinen, Anm. F.Z.] für das Bewußtsein ist vermittelt durch die Bewegung der E r s c h e i n u n g , worin das S e i n d e r Wahrnehmung, und das sinnlich Gegenständliche überhaupt nur negative Bedeutung hat, das Bewußtsein also daraus sich in sich als in das Wahre reflektiert, aber als Bewußtsein wieder dies Wahre zum gegenständlichen Innern macht, und diese Reflexion der Dinge von seiner Reflexion in sich selbst unterscheidet; wie ihm die vermittelnde Bewegung ebenso noch eine gegenständliche ist. (PhG, S. 101)
Es findet also eine Verdopplung der Reflexionsbewegung statt, aber eine redundante, keine komplementäre; die Reflexion des Gegenstandes wird vom Bewusstsein einfach nachvollzogen und sich weiter unten als der Nachvollzug der Unendlichkeit – als „Erklären“ – erweisen. Dies Innere ist ihm daher ein Extrem gegen es; aber es ist ihm darum das Wahre, weil es darin als in dem A n s i c h zugleich die Gewißheit seiner selbst oder das Moment seines Fürsichseins hat; aber dieses Grundes ist es sich noch nicht bewußt, denn das F ü r s i c h s e i n , welches das Innre an ihm selbst haben sollte, wäre nichts anderes als die negative Bewegung, aber diese ist dem Bewußtsein noch die g e g e n s t ä n d l i c h e verschwindende Erscheinung, noch nicht sein e i g e n e s Fürsichsein; das Innre ist ihm daher wohl Begriff, aber es kennt die Natur des Begriffes noch nicht. (PhG, S. 101)
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Die Erscheinung wird also einerseits in das Innere der Dinge reflektiert, diese Reflexionsbewegung andererseits vom Bewusstsein wiederholt. Bewusstsein und Ding haben also in ihrer Bewegung in der Erscheinung denselben Ausgangspunkt. Die zum „Inneren“ fortbestimmte zurückgedrängte Kraft ist dasselbe „Nichts von einem Inhalt“, als welches zunächst das „Ding“ auftrat. Demzufolge erscheint das Innere dem Verstand als reines, daher aber auch leeres Jenseits. So wie die Gravitation, ohne ihre Realisation gedacht, leer erscheint. Es ist gewissermaßen nur das „Allgemeine an sich“, ein „reines Licht“ oder eine „reine Finsternis“, in der nichts zu erkennen ist. Diese „Leere“ des Inneren ist aber nur ein Moment der Erscheinung und ein Aspekt des Allgemeinen. Das Diese, welches als Haus, Baum usw. zwar immer verging, sich aber in diesem Vergehen als Dieses erhalten konnte, kann in diesem Sinne als das „Leere“ dieser Bestimmungen gesehen werden. Das Stück Salz drohte sich als Wahrnehmungsgegenstand im scharfen Salz oder im weißen Salz zu verlieren, wenn nicht die Intervention des wahrnehmenden Bewusstseins ein Bleiben dieser Bestimmungen im Gegenstand Salz, also dem „Leeren“ dieser Eigenschaften, bewirkt hätte.50 Ein erster Versuch des Verstandes, die Bestimmtheiten mit ihrem Wahren zusammenzubringen, liegt im Konzept des Gesetzes. Der Gegenstand des Verstandes ist einer, der durch das ständige Umschlagen von Bestimmtheit und Allgemeinheit charakterisiert 50
Ingtraud Görland, Die Kantkritik des jungen Hegel, Frankfurt am Main 1999, S. 70ff., kontrastiert Hegels Analyse des Innern mit der Kantischen. Nach Kant seien die Reflexionsbegriffe Inneres und Äußeres nur als auf die Erscheinungswelt anwendbar denkbar, vom reinen Verstand gedacht kämen als ihre Objekte nur Noumena in Betracht. So wäre das dem reinen Verstande nach Innere der Materie „nur ein jenseits unserer Erkenntnis angenommenes Etwas, Gegenstand des Verstandes aber ist nur das Innere der Natur“, welches sich uns „auf unendlichem Wege erschließt“ (S. 71). Hegel habe dies Innere jedoch noumenal gebraucht, aber so, dass es zum Erkennbaren geworden wäre, „indem das Moment der Sinnlichkeit des empirischen Verstandesgebrauches in seiner allgemeinen Form an den reinen Verstand übergeht“ (S. 72) und so dem Erscheinungen aber gegenübersteht, obwohl nach Kant dies Bestehen nur als Ordnung des Mannigfaltigen möglich sei. – Dies verkennt wieder den abstrahierend-zuspitzenden Zug der Erfahrung des Bewusstseins. In der Tat ist das Innere zunächst ein den Erscheinungen jenseitiges. Aber damit ist nicht die Position Kants attackiert, die sich im Gegenteil am Schluss des Kapitels erst herstellt – jedenfalls was das kategoriale Durchwirktsein der Erscheinungen betrifft.
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ist, ebenso dadurch, dass die Allgemeinheit das Bleibende, das Wahre der beständig in es umschlagenden Bestimmtheiten ist. Wissen ist nur möglich, wenn das Gewusste bleibt. Das Einzige, was der Sinnlichen Gewissheit blieb, war das Konzept des Diesen. Es erwies sich aber als ungeeignet, das Bestimmte festzuhalten, zu einem Bleibenden, zu einem Für-sich zu machen. Das gemeinte Diese war immer dem Missverständnis des „Beispiels“ ausgesetzt: „Ist jetzt dieses Diese oder jenes Diese gemeint und daher gewusst?“ war die Frage, welches die Sinnliche Gewissheit nicht beantworten konnte. Die Einheitskonzeption der Wahrnehmung, also ihr Versuch, Gewusstes zu einem Bleibenden zu machen, krankte an dem Umstand, dass sie immer zwei Relate setzen musste und deren Einheit nicht erreichen konnte, da diese immer im Spiel des Auch und Insofern verloren ging. Jetzt ist aber eine Situation eingetreten, in der darauf verzichtet werden kann, besondere Relate festzusetzen. Dies ist deshalb möglich, da das Sollizitierte unmittelbar das Sollizitierende, die Medialität unmittelbar die negative Einheit ist. Da also der Unterschied besonderer Kräfte – des Sollizitierenden und des Sollizitierten, des Medialen und des Eins – verschwunden ist, bleibt nur der „U n t e r s c h i e d als a l l g e m e i n e r “, das „G e s e t z d e r K r a f t “. Hegel macht an dieser Stelle die noch etwas undurchsichtige Bemerkung, dass die wechselnde Erscheinung „durch ihre Beziehung auf die Einfachheit des Innern oder des Verstandes“ (PhG, S. 104) zum „einfachen Unterschied“ werde. Da das Gesetz aber Ausdruck des allgemeinen Unterschieds ist, kann Hegel nun das Jenseits als „ruhiges Reich von Gesetzen“ fortbestimmen, den Unterschied als Einfaches der Spiel der Kräfte („ruhiges Reich […]“) zu einem Hort allen Wechsels („[…] von Gesetzen“) machen. Diese Allgemeinheit rührt jedoch daher, dass jede Bestimmtheit an sich hat, als Wissen in diese Einheit umzuschlagen und im ruhigen Reich der Gesetze eine Heimat zu finden. Im Reich der Gesetze ist also das Umschlagen von Bestimmtheiten in Allgemeinheiten, der Wechsel einer Bestimmtheit in ihre Allgemeinheit und wieder zurück, der ja für die Entstehung von Allgemeinheiten konstitutiv ist, nicht festgehalten. Das Reich der Gesetze ist ein Reich von Allgemeinheiten, das Sinnenfältige bleibt außen vor. Zwar sind die Gesetze eine Fortbestimmung des Moments des ruhigen Für-sichSeins im Spiel der Kräfte. Sie drücken aus, dass die Bestimmtheiten in ihnen verschwunden sind. Allerdings ist an den
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Bestimmtheiten nicht ausgedrückt, dass sie in den allgemeinen Gesetzen verschwinden.51
1.3.4 Der doppelte Sinn der allgemeinen Attraktion. Das System von Gattungen Das Reich der Gesetze habe somit unter immer anderen Umständen eine immer andere Wirklichkeit. D.h.: Die Wirklichkeit der Gesetze muss sich aus den Umständen der Bestimmtheiten ergeben. Sie sind je andere, je nachdem, welchen Bestimmtheiten sie sich verdanken. Diese solcherarts bestimmten Gesetze werden im weiteren Verlauf als Gleichnamige begriffen werden, wobei sich auch hier die Vorläufigkeit des Begriffs der Gesetze darin zeigt, so unbestimmt zu sein, dass es ohne weiteres mit Gattung identifiziert werden kann. Das Reich der Gesetze beherbergt daher unbestimmt viele Gesetze: Das unendlich bestimmbare Allgemeine hat unendlich viele Bestimmungen. Diese Vielheit, so Hegel, beseitigt zwar den Mangel der Unbestimmtheit des Reichs der Gesetze, schaffe aber einen neuen, denn „sie widerspricht nämlich dem Prinzip des Verstandes, welchem als Bewusstsein des einfachen Innern die an sich allgemeine E i n h e i t das Wahre ist“ (PhG, S. 105), weshalb er die vielen Gesetze in ein Gesetz, der allgemeinen Attraktion, zusammenfassen muss. Eine Klärung der Fragen, was es mit diesem Prinzip des Verstandes auf sich hat und worin sich diese „allgemeine Attraktion“ vom „Gesetz der Kraft“ unterscheidet, gibt einen Hinweis darauf, was Hegel hier überhaupt mit „Gesetz“ meint. Eine naheliegende Antwort wäre die, dass der Verstand als reflektierende Urteilskraft „auf Gesetze geht“, also die Tendenz hat, die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, mithin also auch der Gesetze, die die Erscheinungen bündeln, möglichst zu minimieren. Tatsächlich wird eine solche Interpretation durch Hegels Wortwahl nahegelegt, wenn er von 51
Dies als Befund Hegels zu deuten, das Gesetz stelle „eine Idealisierung der Erscheinung dar, in welche einige konkrete Seiten der Erscheinung nicht eingepasst werden können“ (vgl. Sobotka, Die Auffassung des Gegenstandes, S. 149), hieße, die Tatsache zu ignorieren, dass alle Wirklichkeit an ihr selbst gesetzmäßig ist, deren Erkenntnis sich aus der Diskussion um den Gegensatz vom Gesetz und den bestimmten Gesetzen ergibt, wovon weiter unten. Hegel zeigt lediglich auf, dass das Gewordensein der Gesetze aus den Erscheinungen im Reich der Gesetze nicht ausgedrückt ist.
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einem immer oberflächlicher werdenden Gesetz spricht und als Beispiel die Vereinigung von Fallgesetzen und den Gesetzen der Planetenbewegung im Gravitationsgesetz erwähnt. Eine solche Interpretation ist indes systematisch nicht gestattet, da sie zu starke Voraussetzungen macht. Denn weder ist im Gang der PhG eine die Wirklichkeit schematisch durchmusternde Urteilskraft notwendig geworden noch ist ersichtlich, dass das Prinzip des Verstandes eine auf ökonomische Einheitlichkeit ausgerichtete Systematik erzeugt. Das Gesetz der Kraft war aus der formalen Gleichheit von Sollizitiertem und Sollizitierendem, von Medialität und Identität gewonnen worden. Diese Gleichheit meint keine Identität, mit ihr soll lediglich ausgedrückt werden, dass das eine ohne das andere nicht zu haben ist und sie vielmehr beide in einem Dritten vorhanden sind. Dieses hat sich als der allgemeine Unterschied, das Gesetz der Kraft erwiesen. „Gesetz der Kraft“ drückt also nichts anderes aus, als dass alle Bestimmtheiten unmittelbar auch „Eins“ und „Allgemeinheiten“ sind. Dies wurde bereits in der „Sinnlichen Gewissheit“ deutlich: Das bestimmte Diese geriet unmittelbar zum allgemeinen Diesen, das allgemeine Diese wiederum kann nur als bestimmtes Dieses bestehen. Jedoch ist das Gesetz der Kraft selbst noch unbestimmt und leer. In dieses Konzept wurde zwar der Wechsel, welchen die Sinnliche Gewissheit als ständigen Verlust von Bestimmtheiten und die Wahrnehmung als den Grundwiderspruch zwischen Auch und Insofern erfahren musste, in das Wissenskonzept selbst integriert. Aber dieses ist zunächst nur formales „Wissensgerüst“; dass das Sollizitierte in das Sollizitierende umschlägt und dieses wiederum in jenes – darin ist, wie schon bemerkt, ein bestimmter Sachverhalt noch gar nicht ausgesprochen, z.B. dass je der fallende Stein oder der sich bewegende Himmelskörper in dieser ihrer Bestimmtheit in Bezug zu einem Allgemeinen stehen. Wird jedoch diese Bestimmtheit in das Konzept vom „Gesetz der Kraft“ integriert, dann ist jedoch die notwendige Allgemeinheit wieder verloren, die doch durch das Gesetz der Kraft ausgedrückt werden sollte. Der durch das Allgemeine Fallgesetz bestimmte fallende Stein drückt ja zunächst eine andere Beziehung aus als der durch das Gesetz der Planetenbewegung bestimmte Himmelskörper, jede Bestimmtheit hat zwar den unmittelbaren Unterschied an sich, aber der Unterschied stellt sich je Bestimmtheit anders dar. Wenn aber der allgemeine Unterschied je nach Bestimmtheit sich anders darstellt, kann er kein allgemeiner mehr
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sein, ein Wissen von ihm wäre unmöglich; das Bewusstsein wäre zur bloßen Meinung zurückgefallen. Deswegen bliebe als einzige Möglichkeit, von diesen Bestimmtheiten zu abstrahieren, um ein allen Bestimmtheiten gemeinsames Gesetz, welches Hegel die allgemeine Attraktion nennt, zu finden. Oder anders: je mehr Bestimmtheit, desto weniger Gesetz; je gesetzmäßiger, umso unbestimmter. Diese allgemeine Attraktion wäre zwar eine entwickeltere Gestalt als das Gesetz der Kraft, aber, obwohl durch sie eine allgemeine Aussage über alle bestimmten Gesetze gemacht wird, welche im reinen Gesetz der Kraft nicht angetroffen wird, von diesem scheinbar nicht zu unterscheiden. Aber dies „oberflächliche“ Gesetz, wie Hegel die allgemeine Attraktion nennt, macht, im Gegensatz zum Gesetz der Kraft, welches ein bloßes Gedankending ist, wenigstens eine Aussage über das Sein der Kraft, nämlich die, „daß A l l e s e i n e n b e s t ä n d i g e n U n t e r s c h i e d z u a n d e r e m hat“ (PhG, S. 106). Gleichwohl ist er von diesen Bestimmtheiten gereinigt – im reinen Gesetz waren diese gar nicht berücksichtigt –, und somit der „reine Begriff des Gesetzes“. Durch diesen „beständigen Unterschied“ ist der Mangel am „Reich der Gesetze“, nämlich nicht auszudrücken, Reich der Gesetze von Bestimmtheiten zu sein, schon teilweise behoben. Das ist der erste Sinn der „allgemeinen Attraktion“. Mit diesem reinen Begriff hat sich aber der Status des „Gesetzes der Kraft“ selbst geändert. Dieses Gesetz wurde nötig, weil in ihm das unmittelbare Übergehen von Sollizitierendem und Sollizitiertem als Einheit zu denken möglich wurde. Gleichwohl ist dieses Übergehen nur denkbar, wenn die Momente dieses Übergehens: Sollizitiertes und Sollizitierendes, Fürsichsein und Sein für Anderes, als bestehend gedacht werden. Diese Verlegenheit, dass es zu einer Vereinigung in das Gesetz der Kraft nach wie vor des Sollizitierten und des Sollizitierenden bedarf, einer notwendigen Einheit eine ebenso notwendige Zweiheit gegenübersteht, erübrigt sich, wenn diese Unterschiede als in die Einheit des Gesetzes der Kraft verschwindend gedacht werden, als „innere Notwendigkeit des Gesetzes“. Dieses Zurückgehen in die innere Einheit der Kraft kann aber nur so gemeint sein, dass es ein ständiges Zurückgehen in sie ist, was aber ein ebenso ständiges Gesetztsein von Sollizitiertem und Sollizitierendem impliziert. Das Gesetz muss sich also, wie vorher der Gegenstand, teilen. Es muss sich einerseits als die Allgemeinheit darstellen, in die je-
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des Sollizitierte und Solliztitierende verschwindet, sodann, um seiner Bestimmtheit, seines Seins willen, als das Übergehen der Momente dieser Allgemeinheit. Die Beispiele, die Hegel beibringt, scheinen deshalb irreführend. Ist der Begriff des Gesetzes an dieser Stelle des Kapitels denn nicht zu unterentwickelt, um die Teilung der allgemeinen Attraktion und des Gesetzes der Kraft an bestimmten Fällen allgemeiner Attraktion darzustellen? Wie kann die Elektrizität in Folge der Diskussion der allgemeinen Attraktion als Beispiel herangezogen werden, wenn die allgemeine Attraktion schließlich bestimmt wurde als das, was keinen Inhalt ausdrückt als bloß den Begriff des Gesetzes selber? Bis jetzt war der Zusammenhang der Bestimmtheiten qua Gesetz untereinander ein schlechthin allgemeiner. Die Bestimmtheit kann nur in einem allgemeinen Medium existieren, dies allgemeine Medium muss sich zu einer je anderen Bestimmtheit realisieren (realisierte es sich zur selben Bestimmtheit, wäre es keine Allgemeinheit). Wenn Hegel also bisher von unbestimmt vielen Gesetzen und von einem Reich von Gesetzen gesprochen hat, so liegt der Unterschied jeweils an den unterschiedenen Bestimmtheiten, denn das Allgemeine muss ja mit sich identisch bleiben. Kurz: Viele Bestimmtheiten schlagen zu einem Allgemeinen um und bilden dadurch viele Gesetze. – Der auf den folgenden Seiten ausgeführten Entwicklung ist außerordentlich schwer zu folgen. Das deshalb, weil hier Hegels Neigung, bedeutsame Übergänge geradezu zu verstecken, in einer Weise hervortritt, dass sie einen bruchlosen Nachvollzug geradezu verhindert. Weil die Opazität des Textes an dieser Stelle eine Konjektur geradezu erzwingt, ist es nötig, gerade deshalb besonders nahe am Text zu bleiben, um die heuristische Interpretation vor Irrwegen zu bewahren, welche von einem Anschluss an die Entwicklungen des Kapitels „Selbstbewusstsein“ wegführten. Hegel geht es, um die These gleich an den Eingang zu stellen, um die Begründung eines hierarchisch gestuften Systems von Gattungen, ohne die der Verstand nicht auskommt, also um etwas, welches der oben kritisierten Interpretation des auf Gesetze gehenden Verstandes zumindest nahekommt. Dafür sprechen die spärlichen Hinweise im Text, aber vor allem die Systematik der Entwicklungsfolge. Zunächst sei angemerkt, dass das Gesetz der Kraft den allgemeinen Unterschied im „Spiel der Kräfte“ ausdrückt: die Tatsache, dass eine Bestimmtheit Bestimmtheit nur sein kann,
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wenn sie andere ausschließt, d.h. Selbstsein ist, und die, dass Anderes ausschließende Identität nur bestehen kann als Bestimmtheit; oder, um es mit Hegel zu sagen, den unmittelbaren Übergang von Sollizitiertem in Sollizitiertes, von Für-sich-Sein in Sein für Anderes. Diesen „allgemeinen Unterschied“ drückt das Gesetz als Gleichheit aus. Diese Gleichheit meint keine Identität, mit ihr soll lediglich vermittelt werden, dass das eine ohne das andere undenkbar ist. „Gesetz der Kraft“ drückt also nichts anderes aus, als dass alle Bestimmtheiten unmittelbar auch „Eins“ und „Allgemeinheiten“ sind. „Eins“ und „Allgemeinheit“ sind bis jetzt schlechthin unbestimmt, sie gelten in Ansehung aller Bestimmtheiten: Das Diese war als allgemeines Dieses indifferent und getrennt von seiner Bestimmtheit; ebenso war das Allgemeine in allen Dingkonzeptionen des Wahrnehmungskapitels von der mannigfaltigen Bestimmtheit gesondert. Gleichwohl gilt für den Gesetzesbegriff bis zu dieser Stelle des Kapitels: Unbestimmt viele Bestimmtheiten schlagen zu einem Allgemeinen um und bilden dadurch „unbestimmt v i e l e “ Gesetze. Eine solche Konstruktion ist indes nicht haltbar, was mit dem „unbestimmt viel“ angedeutet wird. Denn um etwas zu bestimmen, muss es abgegrenzt werden können. Das bedingt: Wenigstens eine gewisse Anzahl von Gegenständen muss miteinander identifiziert werden können, weil Prädizierungen sonst nicht möglich wären. Das ist die positive Seite des Für-sich-Seins, neben der negativen, andere Bestimmtheiten eben nicht zu identifizieren, sondern auszuschließen. Dies scheint ein Sinn des Satzes zu sein: „Allein diese Vielheit ist vielmehr selbst ein Mangel; sie widerspricht nämlich dem Prinzip des Verstandes, welchem als Bewusstsein des einfachen Innern die an sich allgemeine Einheit das Wahre ist.“ (PhG, S. 105) Das Bewusstsein ist nur Bewusstsein des einfachen Innern in dem Moment, wenn die Erscheinungen in dieses Innere verschwunden, zu einem Bleibenden für es geworden, erinnert sind. Der Verstand ist zudem „als Bewusstsein“, hat aber darüber hinaus ein Prinzip, und zwar ist ihm die „allgemeine Einheit“ das Wahre. Diese Differenzierung von „einfachem Innern“ und „allgemeiner Einheit“, von Bewusstsein und Verstand ist merkwürdig. „Prinzip“ wurde von Hegel nur im Zusammenhang des wahrnehmenden Bewusstseins gebraucht, auch da als das der Allgemeinheit. Die Dop-
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pelung scheint den Sinn zu haben, das „zum Innern Machen“ der Erscheinung des Bewusstseins als Leistung der Vereinheitlichung des Verstandes konkreter zu fassen. Dieses Vereinheitlichungsprinzip des Verstandes bewirkt, das legen die Beispiele nah, eine Vereinheitlichungstendenz: „Die vielen Gesetze muß es darum vielmehr in E i n Gesetz zusammenfallen lassen. Wie zum Beispiel das Gesetz, nach welchem der Stein fällt, und das Gesetz, wonach die himmlischen Sphären sich bewegen, als E i n Gesetz begriffen worden ist.“ (PhG, S. 105) Diese Tendenz bleibt aber immer noch rätselhaft. Denn mit der Etablierung vieler Gesetze scheint dem Prinzip des Verstandes doch Genüge getan, welches eine Vermittlung Verschiedener in Allgemeinheit fordert. – Bei genauer Betrachtung tut es das aber eben nicht, denn die vielen bestimmten Gesetze sind selbst wieder Bestimmtheiten, über die Aussagen nur getroffen werden können, wenn sie selbst wieder in Allgemeinheiten überführt, also in ein Verhältnis zu anderen – nun bestimmten – Allgemeinheiten gesetzt werden. Auf diese Weise ist dem Verstand eine Hierarchisierung der Gesetze nach einen immer größeren Abstraktionsgrad vorgegeben, allerdings mit der Obergrenze der „allgemeinen Attraktion“, welche zugleich den „b l o ß e n B e g r i f f d e s G e s e t z e s s e l b s t “ bezeichnet. In dieser Attraktion offenbart sich diese Abstraktionstendenz des Verstandes als „die innre Notwendigkeit des Gesetzes“. Werden die Gesetze nach Grad der Allgemeinheit immer unbestimmter, so sagt die allgemeine Attraktion schließlich „nur dies, daß A l l e s e i n e n b e s t ä n d i g e n U n t e r s c h i e d zu a n d e r e m hat.“ (PhG, S. 106) Alles hat einen Unterschied zu anderem: Alles ist also als Irgendetwas bestimmt durch andere Bestimmtheiten; wie es bestimmt wird, verbirgt sich im Adjektiv „beständig“. Der beständige Unterschied ist der Unterschied, der gleichermaßen einen Haltepunkt hat. Dieser aber ist das Allgemeine. Ein grüner Apfel und ein gelber Apfel mögen verschieden sein. Bestand aber haben sie an ihrem Gattungsallgemeinen. Der zweite Sinn der „allgemeinen Attraktion“ ist also der, auf das Reich der Gesetze als ein System hierarchisch gegliederter Gattungen aufmerksam zu machen. Dass der Verstand ein Gesetzessystem zwischen Überbestimmtheit und Unterbestimmtheit aufspannt, das sagt Hegel nicht explizit. Es deuten nur die Beispiele, gewisse Formulierungen wie die vom immer unbestimmter werdenden Gesetz und entsprechende
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Weiterungen im Sinne der hier vorgelegten heuristischen Annahme im Kapitel „Selbstbewusstsein“ darauf hin, dass Hegel ein solches Verfahren des Verstandes implizit im Sinn hat. Leider existieren keine entsprechenden Parallelen in der Wesenslogik, wo die Erörterung der Gesetze ohne eine allgemeine Attraktion auszukommen scheint.52 Aber ohne diese Interpretation wäre der Unterschied zwischen dem Gesetz der Kraft und dem Begriff des Gesetzes schwerlich auszumachen. Die folgenden Ausführungen Hegels werden dadurch jedoch plausibler. In ihnen wird im Anschluss an die Überlegungen zur allgemeinen Attraktion nämlich scheinbar zu einem völlig neuem Thema übergeleitet, nämlich zur Kraft und ihrem Verhältnis zu ihrem Gesetz. Aber schon der Beginn macht deutlich – durch das Wörtchen „dadurch“ –, dass dieses Thema durch die Diskussion um die allgemeine Attraktion, ihr Verhältnis zum Gesetz und die innere Notwendigkeit des Gesetzes inhaltlich vorbereitet werden sollte: Das Gesetz ist dadurch auf eine gedoppelte Weise vorhanden, das einemal als Gesetz, an dem die Unterschiede als selbständige Momente ausgedrückt sind; das anderemal in der Form des e i n f a c h e n in sich Zurückgegangenseins, welches wieder K r a f t genannt werden kann, aber so, daß sie nicht die zurückgedrängte, sondern die Kraft überhaupt oder als der Begriff der Kraft ist, eine Abstraktion, welche die Unterschiede dessen, was attrahiert und attrahiert wird, selbst in sich zieht. (PhG, S. 106f)
Zunächst: Was hier unter dem Namen Kraft firmiert, ist eine Fortbestimmung, denn eingeführt wurde die Kraft als Bezeichnung der Bewegung und des Austauschs des Sollizitierten und des Sollizitie52
In der Begriffslogik wird jedoch eine solche hierarchische Stufung im Abschnitt „Der allgemeine Begriff“ des Begriffskapitels angeführt, und zwar am Beispiel der Gattung, die in der PhG an dieser Stelle freilich noch nicht Erwähnung fand. Jedoch ähnlich wie hier wird dort bemerkt, dass das Allgemeine, trotzdem es seinem Wesen unangemessen scheint, gleichwohl bestimmt sein kann: „Die Bestimmtheit ist als bestimmter B e g r i f f aus der Äußerlichkeit i n s i c h z u r ü c k g e b o g e n ; sie ist der eigene, immanente C h a r a k t e r , der dadurch ein Wesentliches ist, daß er, in die Allgemeinheit aufgenommen und von ihr durchdrungen, von gleichem Umfange, identisch mit ihr, sie ebenso durchdringt; es ist der Charakter, welcher der G a t t u n g angehört, als die von dem Allgemeinen ungetrennte Bestimmtheit.“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Wissenschaft der Logik. Die Lehre vom Begriff (= Begriffslogik), Hamburg 2003, S. 37) Insofern die Allgemeinheit aber bestimmt ist, hat sie „als niedrigere Gattung in einem höheren Allgemeinen ihre Auflösung“ (ebd.).
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renden. Da dies aber jetzt als Gesetz begriffen ist, ist dessen Einheit etwas, „welches wieder Kraft genannt werden kann“, und zwar deshalb, weil in ihm die ruhige Einheit des Gesetzes ausgesprochen ist, ein Für-sich-Sein also, welches ohne Sein für Anderes gedacht werden, also nicht sollizitiert, beunruhigt werden kann. Die Kraft ist also hier das, was die Bestimmtheiten zum Gesetz verbindet, was Heterogenes unter einem Namen vereinigt und selbst zu einer Bestimmtheit einer anderen, abstrakteren Kraft werden kann, und zwar ebenso „notwendig“, wie die von ihm verbundenen Bestimmtheiten notwendig in die Kraft zurückgehen. Die Beispiele, die Hegel PhG S. 107 anführt, werden vor dem Hintergrund der oben vorgelegten Interpretation verständlich. Denn nur mit ihr ist ersichtlich, wie Hegel Elektrizität und Schwere zur Illustration von Kräften und ihren Bewegungen heranziehen kann. Natürlich werden die Beispiele nach naturwissenschaftlichem Verständnis zu Recht gebraucht: Es handelt sich schließlich um physikalische Gesetze. Aber darum kann es hier nicht gehen, wo es auf die korrekte Herleitung von einzelnen Momenten der Gestalten des Bewusstseins und ihrer Gegenstände ankommt. Werden die oben angeführten Konjekturen nicht vorgenommen, muss es unverständlich bleiben, wie zur Erläuterung der Natur der Kraft und des „Gesetzes an sich“ bestimmte Momente von Gesetzen in ein Verhältnis bestimmter Kräfte gebracht werden können. Die Beispiele bieten so vielmehr eine gute Illustration von Hegels Verständnis von Gesetz. Die „Größen der unterschiedenen Momente der Bewegung der Schwere, der verflossenen Zeit, und des durchlaufenen Raums“, das „Doppelwesen“ der Elektrizität – mit ihnen werden auf den ersten Blick bloß unbestimmte Allgemeinheiten verbunden. Jedoch werden sie durch ihre Verbindung in einer Kraft je zu Bestimmungen einer Allgemeinheit, das Verhältnis zueinander „wie Wurzel und Quadrat“ bei der Bewegung der Schwere, als positive und negative Elektrizität bei der „einfachen“ Elektrizität. Das Gesetz ist also nicht mehr wie in der Wahrnehmung ein mit sich identisches Allgemeines, welches nur mit einem anderen Inhalt ausgekleidet werden kann – als Apfel-Ding oder Haus-Ding etwa –, sondern das Allgemeine wird selbst zu Bestimmungen fähig, womit ein wesentlicher Erkenntnisfortschritt über das Wesen von Bestimmtheit gemacht ist: Sie kommt durch Relationierungen von Allgemeinheiten zustande. Dies ist für den Fortgang der PhG von großer Bedeutung. Ohne den Begriff des
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Allgemeinen als etwas bestimmbaren wäre beispielsweise die Bildung des Knechts im Abschnitt über Herrschaft und Knechtschaft nicht als durch den Gang des Bewusstseins legitimiert zu begreifen. Überdies muss, da dies durch Hegels Beispiele verdeckt wird, an dieser Stelle bemerkt werden, dass Bestimmtheiten selbst nur als Allgemeinheiten, mithin als Gesetze bestehen können, was sich zwar implizit schon im Spiel der Kräfte verbirgt, worüber die Erfahrung aber erst noch gemacht werden muss.
1.3.5 Der Schluss des Verstandes Was ist aber der Sinn der angeführten Beispiele, außer dem, den wichtigen Hinweis zu geben, das Allgemeine als Gattung zu begreifen? Es geht Hegel vordergründig darum, auf ein Defizit dieser Gestalt von Gesetz hinzuweisen, der sich auf zweierlei Art und Weise zeigt. Eine kann am Beispiel der Elektrizität erläutert werden: Wenn positive Elektrizität gesetzt sei, sei auch negative an sich notwendig, weil das Positive nur gedacht werden könne als Widerpart des Negativen. Was aber nicht notwendig ist, sei, so Hegel, dass die Elektrizität als Kraft eben dies Gesetz habe, da das Verhältnis von Gesetz und der in der „allgemeinen Attraktion“ ausgedrückten „inneren Notwendigkeit des Gesetzes“ noch nicht entwickelt ist. Die Definition, die Hegel hier als Kandidaten zur Gewährleistung der Notwendigkeit anführt, scheitert an der ihr immanenten Zufälligkeit und ist subjektiv-willkürlich, kann also alles Denkbare in ein Gesetz hineinnehmen, ohne erweisen zu können, dass es notwendig in das Gesetz einer Kraft gehört53; die Notwendigkeit, als die Wirkung anderer Kräfte, ist Bestimmung durch anderes, ein Rückfall in die „unbestimmt vielen Gesetze“, nicht durch Allgemeines, nicht durch die Kraft selbst, welches aber als „innere Notwendigkeit des Gesetzes“ in den Begriff der Kraft hineingehört. Die Äußerung der Kraft muss als ihre Äußerung sich notwendig herstellen. Die allgemeine Attraktion hatte zwar schon den Mangel des Gesetzes, nicht zeigen zu können, Gesetz von Erscheinungen zu sein, dahingehend minimiert, als sie die Notwendigkeit aller Erscheinungen, in die Kraft überzugehen, auswies, aber eben nicht die Notwendigkeit je bestimmter Erscheinungen. 53
Vgl. Hegel, Begriffslogik, S. 250ff.
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Die Relate bestimmter Gesetze können ebenfalls – zunächst – nicht als notwendig miteinander verbunden gedacht werden. Raum und Zeit, im Gesetz der Bewegung auf eine notwendige Weise miteinander verbunden gedacht, zeigen an ihnen selbst diese Verbindung nicht an, sie sind „gleichgültig gegeneinander“. Die gesuchte Notwendigkeit findet sich aber im Verstand, durch dessen Notwendigkeit. Sie zeigt sich darin, nur dann über Wissen zu verfügen, wenn es ihm gelingt, mehrere Bestimmtheiten zueinander in Bezug zu setzen, indem er also von Unterschieden abstrahiert, kurz: indem er verallgemeinert. Dass diese Operation den Gegenstand an sich unangetastet lässt, dessen ist sich der Verstand im Erklären geständig. Der im Erklären sich zeigende tautologische Charakter ist es, der hier die gesuchte notwendige Verbindung von Kraft und Gesetz herstellt – freilich noch nicht an den seienden Kräften und Gesetzen angewandt: Es wird also ein G e s e t z ausgesprochen, von diesem wird sein an sich Allgemeines, oder der Grund, als die K r a f t , unterschieden; aber von diesem Unterschiede wird gesagt, daß er keiner, sondern der Grund ganz so beschaffen sei, wie das Gesetz. (PhG, S. 109)
Dies Erklären erklärt zwar nichts, hat aber den Vorzug, dass an ihm der notwendige Übergang von Bestimmtheit in Allgemeinheit vollzogen wird, der „an dem Gesetze vermißt“ (PhG, S. 110) wurde. Denn wenn Kraft und Gesetz „im Grund“ identisch sind, so ist dafür gesorgt, dass dieses Gesetz das Gesetz jener Kraft ist. Die Notwendigkeit liegt hier in der unterschiedenen Ununterschiedenheit, so könnte gesagt werden. Erst hier, von der ersten Lösung des Problems her, wird voll verständlich, was Hegel als Mangel am „Reich der Gesetze“ bezeichnete, dass es nämlich die Erscheinung nicht ausfülle und somit der Erscheinung für sich eine Seite bleibe (vgl. PhG, S. 105). Das Gesetz ist in der Erscheinung nicht gegenwärtig, was sich am Gesetz der Kraft darin äußert, dass das Gesetz der Kraft nicht notwendig erscheint. Es wurde nicht an den Bestimmtheiten gesetzt, wie sie sich in ihr Allgemeines aufheben, es wurde nicht gezeigt, wie aus dem Schein Erscheinung wird. Der Verstand wird dieses Gaukelspiel des Scheins als verkehrte Welt erfahren, also als nicht durch allgemeine Regeln gelenkte Welt der Erscheinung. Wie die Regel in die Welt der Erscheinung kommt, davon gab nun das Erklären einen ersten Hinweis. Das Unterscheiden und das Zurück-
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nehmen dieser Unterscheidung ist „derselbe Wechsel, der sich als das Spiel der Kräfte darstellte“ (PhG, S. 110). So ist das Erklären gewissermaßen auch eine Erklärung für das Spiel der Kräfte: „es war in ihm der Unterschied des Sollizitierenden und des Sollizitierten, der sich äußernden und der in sich zurückgedrängten Kraft; aber es waren Unterschiede, die in Wahrheit keine waren, und sich darum auch unmittelbar wieder aufhoben.“ (PhG, S. 110) Da das Erklären aber nur eine Bewegung des Verstandes ist, ist dieser Wechsel noch nicht ein Wechsel der Sache selbst und die Erscheinung noch nicht begrifflich vollständig dargelegt. Auffallend ist, dass Hegel hier zum ersten Male von der Erfahrung des Verstandes spricht. Die Präparierung des Gegenstandes, mit dem der Verstand seine Erfahrung macht, also die Auseinanderlegung des „unbedingt Allgemeinen“, ist also im Vergleich zu den Vorgängerkapiteln ungewöhnlich lang geraten, wie schon oben bemerkt. Er, der Verstand, erfahre also, dass es Gesetz der Erscheinung selbst sei, daß Unterschiede werden, die keine Unterschiede sind; oder daß das Gleichnamige sich von sich selbst abstößt; und eben so, daß die Unterschiede nur solche sind, die in Wahrheit keine sind, und sich aufheben; oder daß das Ungleichnamige sich anzieht. (Ebd.)
Wieso macht der Verstand diese Erfahrung mit der Erscheinung? Werden die Erfahrungen der beiden vergangenen Kapitel rekapituliert, war es jedesmal so, dass „die Wissenschaft“ vorher ausbuchstabierte, was das Bewusstsein erfahren sollte. In der Erfahrung selbst kamen derlei Begründungen nicht mehr vor. Das ist es schließlich, was die jeweilige Gestalt als Gestalt ausmacht, eben keine Einsicht in das eigene Tun zu haben: Es widerfährt ihr etwas, was sie nicht durchschauen und dessen Mangel sie auch nicht überwinden kann. – Was also widerfährt dem Verstand in seiner Erfahrung? Nichts anderes als er selbst, aber in gegenständlicher Form. Was im Erklären der Verstand als seine eigene Produktion durchschauen kann, das Setzen und Wiederzurücknehmen eines Unterschiedes, wird ihm in der Erfahrung als eigene gegenständliche Setzung unbegreiflich. Er begegnet Gattungen – so ließe sich das Gleichnamige, entsprechend auch der oben angestellten Interpretation, übersetzen54 – und deren Individuation, er erkennt bei54
So auch Hans-Georg Gadamer, Die verkehrte Welt, in: Hans Friedrich Fulda u. Dieter Henrich (Hrsg.), Materialien zu Hegels Phänomenologie des Geistes,
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spielsweise Verschiedenes unter dem Gattungsnamen „Pferd“ – ein Gleichwerden von Ungleichen – und sieht das Ungleichwerden dieses Gleichnamigen, nämlich, wie sich dies Gleichnamige in verschiedenen Geschöpfen individualisiert und damit als Gleichnamiges wieder verliert. – Jedoch ist dieses Beispiel aufgrund der Unaufgeklärtheit des Verstandes viel zu klar. Denn das „zweite Gesetz“, welches der Verstand an der Erscheinung erfährt, erscheint ihm als eine solche Konfusion, dass Hegel den Ausdruck der „verkehrten Welt“ gebraucht. Dies kommt daher, dass der Unterschied ohne das Zum-Unterschied-Werden der Erscheinung im ersten Reich der Gesetze gedacht wurde. Die Erweiterung des Reiches der Gesetzes um jene Momente des Umschlagens der Erscheinungen in ihre Allgemeinheiten schafft zwar neue Gesetze – denn wie im Erklären wird eine Gleichheit gezeigt –, aber es ist, analog dem Erklären, eine Gleichheit der Ungleichheit, „eine Beständigkeit der Unbeständigkeit“ (PhG, S. 111). Hegel betont nun diese Verkehrtheit im Sinne von „Verrücktheit“, indem er Beispiele anbringt, wonach, „was im Gesetz des ersten [also nach dem ruhigen Reich der Gesetze, Anm. F.Z.] süß, in diesem verkehrten Ansich sauer, was in jenem schwarz, in diesem weiß ist.“ Hegel zieht nicht mehr Naturgesetze heran, sondern Eigenschaften, deren Unverbundenheit er betont – was schwarz war, wird (ohne ersichtlichen Grund) – weiß, das Süße wird (unvermittelt) sauer. Mit Blick auf diese Beispiele kann Hegel dann sagen, dass diese Welt der Gesetze – oberflächlich betrachtet! – das Gegenteil der ersten sei. In dieser platonischen Doppelwelt gibt es so ansichseiende stetige Gesetze und eine wechselnde Erscheinung. Sie sind zu einer Welt verbunden, in der die Gesetze als das Ansich der Erscheinungen begriffen werden, die Welt also in einen ruhigen und einen erscheinenden Pol zerfällt, der bleibende Halt aus der Welt der Erscheinungen verbannt ist, die somit „verkehrt“55 erscheint.
55
Frankfurt am Main 1973, S. 106-130: „Das Gleichnamige ist – scholastisch gesehen – die Gattung. Gesetz und Gattung sind hier ineins gefaßt. Sie haben beide dieses an sich, daß sie eigentlich nur sind als die differenten Fälle.“ (S. 119) Joseph C. Flay, Hegel’s “Inverted World”, in: Hans Friedrich Fulda/Dieter Henrich (Hrsg.), Materialien zu Hegels Phänomenologie des Geistes, Frankfurt am Main 1973, S. 89-105 interpretiert diese Welt daher auch als „a topsy-turvy, absurd world“ (S. 89), als Demonstration dessen, was passiert, wenn die Welt der Gesetze und die Welt der Erscheinung auseinandergehalten und vergessen wird, dass „all distinction is internal distinction“: „The discussion of the second world and ist law as inverted, perverted, and absurd is the articulation of this
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Dass dies eine oberflächliche Betrachtung ist, dafür fehlte schon der einleitende Hinweis nicht. Denn: „Die abgestoßenen Unterschiede verteilen sich nicht von neuem an zwei Substanzen, welche sie trügen und ihnen ein getrenntes Bestehen verliehen“. (PhG, S. 113) Denn das Innere war ja mit der Ergänzung um die Bewegung der Erscheinung in dies Innere „als Erscheinung vollendet“. Es könnte akzentuiert werden: Sie ist als Erscheinung vollendet, indem sie nämlich auf die von ihr ausgeschlossene Substanz übergreift. Die Erscheinung ist so zu verstehen als Ent-Äußerung eines Inneren und als Er-Innerung eines Äußeren. Die Eigenschaften, die in das Gesetz als unverbunden einbrachen und es damit in Verwirrung setzten, sind als miteinander verbunden zu betrachten. Als Verbundene bilden sie das Innere. Was also schwarz war, kann nur nach einer Regel weiß werden, schlägt also nicht unvermittelt in das Weiße um: die Regel erscheint also, ebenso wie ihre Setzungen,56 sie hat kein getrenntes Bestehen mehr in einem Jenseits, was als entsinnlichtes Sinnliches vorzustellen ohnehin schwerfiele. Hegel präsentiert die Beispiele erneut, aber um dies entscheidende Moment ergänzt, verlieren sie ihren „verkehrten“ Charakter: Aber in der Tat, wenn das eine G e s e t z t e ein Wahrgenommenes ist, und sein A n s i c h , als das Verkehrte desselben, ebenso ein s i n n l i c h V o r g e s t e l l t e s , so ist das Saure, was das Ansich des süßen Dinges wäre, ein so wirkliches Ding, wie es, ein s a u r e s
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distinction, demonstrating what would be the case were this second domain of intelligibility, containing contradiction, truly a second, supersensible world standing over against either appearance of the first supersensible world.“ (S. 102, Kursivierungen im Original) Vgl. dazu auch Armin von Bogdandy, Hegels Theorie des Gesetzes, Freiburg/München 1989, S. 26. Robert C. Solomon, In the Spirit of Hegel. A Study of G.W.F. Hegel’s Phenomenology of Spirit, New York/Oxford 1983, interpretiert Hegels Intention so, dass Unterschiede durch Begriffsbildung nötig würden: „[…] we could not pick out colors if we had only one color; we could not have a concept of light without a concept of dark […]“ (S. 382), und meint, dass Hegel sogar so weit ginge, zu behaupten „in a hands-down no-holds-barred attack on what he calls ‚finite thinkingǥ – mere understanding –, that the world itself is genuinely contradictory“ (ebd.) Das bedeute nicht, dass Hegel meine, p sei non p. Vielmehr müsse man dies von der Warte seiner Kritik an den Kantischen Antinomien aus sehen, von denen Hegel meinte, dass sie nur zustande kämen unter der Annahme, es gebe eine intelligible und eine phänomenale Welt. Teile man, wie Hegel, diese Annahme nicht, dann ist die Welt selbst widersprüchlich insofern, als sie sich abhängig von unseren Konzeptualisierungen je anders darstellt. „Dogmatism approaches the world with fixed categories; speculation is flexible enough to adjust its concepts as it changes through experience.“ (Ebd., S. 385).
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D i n g ; das Schwarze, welches das Ansich des Weißen wäre, ist das wirkliche Schwarze […] (PhG, S. 113)
Diese gewonnene Einsicht ist so trivial, dass der dazu nötige Erkenntnisaufwand schon erstaunlich wirkt. Wenn die Regel von der geregelten Erscheinung separiert und in eine gesonderte Sphäre verlagert wird, ist erstens unklar, wie sich dann noch die Erscheinung zu ihrer Regel verhalten soll, zweitens, und schwerwiegender, muss die Erscheinung dann als gesetzlos, „verrückt“ betrachtet werden. Die Erscheinung ist demnach zu fassen als eine Stetigkeit im Differenten, als mannigfaltiges Auftauchen einer einheitlichen Regel. Dass dies allerdings die Bedingungen definiert, wie das Bewusstsein überhaupt Bewusstsein sein kann, ist das zentrale Anliegen des Kapitels. Die Fähigkeit zur Abstraktion ist eine notwendige Bedingung des Bewusstseins. Könnte es nicht von dem abstrahieren, was Bestimmtheiten voneinander trennt, würde es sich, der Fähigkeit jeder Artikulation beraubt, in einem Meer von Anmutungen verlieren. Es wäre identisch mit der „Sinnlichen Gewissheit als Ganzer“, die ja bekanntlich sich mit dem Aufzeigen bereits verfehlt, also mit dem elementarsten Stiften von Zusammenhang (nämlich dem Aufzeigen des Allen gemeinsamen Diesen). Das Bewusstsein ist in diesem Sinne ein Gestalten, eine Bewegung zwischen Bestimmen und der Abstraktion von dieser Bestimmung. Diese Struktur des Bewusstseins eröffnet sich ihm im Erklären. Sie ist an sich präsent auch in der Erfahrung, welches das Bewusstsein mit der gegenständlichen Welt als „Abstoßen des Gleichnamigen und Anziehen des Ungleichnamigen“ erfährt. „An sich“ oder für uns ist dies die Erfahrung der eigenen Gestaltungen des Bewusstseins. Um weit vorzugreifen, nämlich dem Ergebnis des Selbstbewusstseinskapitels: Das Bewusstsein ist nur als sein Bewusstseinsgegenstand: Das Haus ist nur das Bewusstsein des Hauses, der fallende Stein nur Bewusstsein des fallenden Steines. Die Inhalte des Bewusstseins werden also nicht nur vom Bewusstsein begleitet, sie machen das Bewusstsein aus. Bewusstsein ist also immer Selbstbewusstsein. Freilich bewirkt die sinnliche Hülle, dass der Verstand sich nicht über diesen Umstand aufklären kann. Er erkennt nicht, dass die Notwendigkeit und Bewegung des Erklärens genau der Notwendigkeit und Bewegung der von ihm erfahrenen Welt entspricht:
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Diese Bewegung oder Notwendigkeit ist aber so noch Notwendigkeit und Bewegung des Verstandes, oder sie als solche ist nicht sein Gegenstand, sondern er hat in ihr positive und negative Elektrizität, Entfernung, Geschwindigkeit, Anziehungskraft, und tausend andere Dinge zu Gegenständen, welche den Inhalt der Momente der Bewegung ausmachen. (PhG, S. 117)
1.4 Zusammenfassung. Der Weg des Bewusstseins Werden diese Bewegungen von ihrer Bestimmtheit gereinigt, tritt etwas hervor, was Hegel die „Unendlichkeit“ oder die „absolute Unruhe des reinen sich selbst Bewegens“ (PhG, S. 116) nennt. Von dieser Unendlichkeit wird weiterhin behauptet, sie sei „schon die Seele alles bisherigen gewesen“. Wie ist das gemeint? Bekanntlich schloss Hegel an die Bewegung des Zeigens in der „Sinnlichen Gewissheit“ die schematische Darstellung dessen Verlaufs an, welches er mit arabischen Ziffern unterteilte. Eine entsprechende Parallelstelle findet sich im Kapitel über die Wahrnehmung. Es ist die „vollendete“ Darstellung des Dinges als des „Wahren der Wahrnehmung“, „soweit es nötig ist, es hier zu entwickeln“ (PhG, S. 82), und zwar diesmal unterteilt nach griechischen Buchstaben und vor der eigentlichen Erfahrung des Bewusstseins. Eine dritte schematische Darstellung, unterteilt wiederum nach Alpha, Beta, Gamma, befindet sich am Ende des Kapitels über Kraft und Verstand, nach der Bemerkung, durch „die Unendlichkeit“ sei „das Gesetz zur Notwendigkeit an ihm selbst vollendet und alle Momente der Erscheinung in das Innere aufgenommen“ (PhG, S. 114). Die Frage beiseitegelassen, weshalb im Kapitel „Wahrnehmung“ die Erfahrung nichts zum Gegenstand beitragen konnte, was die „Wissenschaft“ „mit uns“ nicht schon vorher entwickelt hätte, so ist doch evident, dass Hegel den jeweiligen Gegenstand gewissermaßen jeweils „in a nutshell“ vorstellt. Daher mag es hilfreich sein, diese kurzen Textstellen miteinander zu kontrastieren, um zu sehen, ob und wie die „Seele des bisherigen“ sich in ihnen – mit dem Wissen, welches der Leser am Ende des dritten Kapitels gewonnen hat – offenbart. In der Sinnlichen Gewissheit wird der Verlauf der Bewegung des Zeigens wie folgt eingeleitet: „Ich zeige das Jetzt auf, es ist als das Wahre behauptet; ich zeige es aber als Gewesenes oder als ein Aufgehobenes, hebe die erste Wahrheit auf […]“ (PhG, S. 75) Das
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Aufgezeigte ist das „Gewesene“, das, was Nacht, Tag, Baum, Haus immer nur als Gewesenes sein kann, heißt, nach seiner negativen Seite, immer vergänglich ist. Das erste Moment des Dinges wird von Hegel wie folgt beschrieben: „Es ist Į) die gleichgültige passive Allgemeinheit, das A u c h der vielen Eigenschaften oder vielmehr M a t e r i e n […]“ ( PhG, S. 82) Im Kapitel „Wahrnehmung“ wird also versucht, das Vergängliche mit dem Auch zu fixieren und es als in einem Medium befindlich wahrzunehmen. Durchsichtigkeit erhält der im ersten Moment des Zeigens noch unverständliche Vorgang aber erst als Teil der Unendlichkeit: Das Einfache des Gesetzes ist die Unendlichkeit, heißt nach dem, was sich ergeben hat, Į) es ist ein S i c h s e l b s t g l e i c h e s , welches aber der U n t e r s c h i e d an sich ist; oder es ist Gleichnamiges, welches sich von sich selbst abstößt oder sich entzweit. Dasjenige, was die e i n f a c h e Kraft genannt wurde, v e r d o p p e l t sich selbst und ist durch ihre Unendlichkeit das Gesetz. (PhG, S. 114)
Das „Gewesene“ der Sinnlichen Gewissheit wie das mit „Auch“ umschriebene Phänomen der beständigen Zerstörung des Dinges durch seine Eigenschaften ist in Wahrheit das Von-sich-selbstAbstoßen oder das Entzweien des Gesetzes, das Auftauchen und Wieder-Verschwinden des gemeinten Hauses oder Baumes wie der Wechsel zwischen dem Auch und dem Insofern begriffen ist als Spiel der Kräfte. Aber wie verhält es sich nun mit dem Wesen dieses Gewesenen? Auch hier gibt es im Verlauf der Kapitel eine schrittweise Aufklärung. In der „Sinnlichen Gewissheit heißt es: „2. Jetzt behaupte ich als die zweite Wahrheit, daß es [d.i. das Gezeigte, Anm. F.Z.] g e w e s e n , aufgehoben ist.“ (PhG, S. 75) Hier wird zunächst der Sinn von „gewesen“ in das Positive verkehrt: Das immerzu Verschwindende wird aufbewahrt, es ist notwendig, dass das Verschwindende bleibt. In der „Sinnlichen Gewissheit“ wird dies Ubiquitäre zunächst als „Dieses“ vorgestellt. Das „Diese“ wird im Kapitel „Wahrnehmung“ als eine Anderes ausschließende Identität begriffen. Die Allgemeinheit im „Diesen“ erfährt also nun ihre Berechtigung, dass jedem bestimmten Diesen gemein sein muss, alle anderen auszuschließen. Das Ding ist „ȕ) die Negation ebenso als einfach, oder das E i n s , das Ausschließen entgegengesetzter Eigenschaften“ (PhG, S. 82). Auf Punkt ȕ) nun im Kapitel „Kraft und Verstand“ können die entsprechenden Momente der „Sinnlichen Gewissheit“ und der „Wahrnehmung“ nicht ohne weiteres abgebildet werden. Das liegt daran, dass im Kapitel
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„Kraft und Verstand“ eine wesentliche Erfahrung der beiden vorhergehenden Kapitel in die Gestaltung des Gegenstandes der Kraft integriert ist. Es ist die Erfahrung, dass keine Bestimmtheit ohne Allgemeinheit, oder anders: keine Unmittelbarkeit ohne Vermittlung, und dass keine Allgemeinheit ohne Bestimmtheit oder keine Vermittlung ohne Unmittelbarkeit denkbar ist. Diese Erfahrung wird im Spiel der Kräfte manifest, welches sich im Gesetz als das Entzweite zeigt. Kurz gefasst: Zwar stellt das zweite Moment der Unendlichkeit auch das Allgemeine dar, aber anders als in den beiden vorhergehenden Kapiteln ist dies ein Allgemeines, welches die Bestimmtheit an ihm hat und sich als deren Entzweien zeigt: ȕ) Das Entzweite, welches die in dem G e s e t z e vorgestellten Teile ausmacht, stellt sich als Bestehendes dar; und sie ohne den Begriff des inneren Unterschiedes betrachtet, ist der Raum und die Zeit oder die Entfernung und die Geschwindigkeit, welche als Momente der Schwere auftreten, sowohl gleichgültig und ohne Notwendigkeit füreinander als für die Schwere selbst, so wie diese einfache Schwere gegen sie oder die einfache Elektrizität gegen das Positive und Negative ist. (PhG, S. 114f.)
Dass dies Entzweitsein aber schon in der Sinnlichen Gewissheit zum Tragen kommt, zeigt das dritte Moment in der Bewegung des Zeigens: „3. Aber das Gewesene ist nicht; ich hebe das Gewesenoder Aufgehobensein, die zweite Wahrheit auf, negiere damit die Negation des Jetzt und kehre so zur ersten Behauptung zurück, daß J e t z t ist.“ (PhG, S. 75) Wieso eine Negation? Ganz einfach deshalb, weil das Aufgehobene, also Allgemeine, nicht ist, es hat kein Bestehen, es ist so lange Chimäre, wie es sich nicht als etwas Seiendes setzt. Das aber ist die in „Kraft und Verstand“ verarbeitete Erkenntnis des unmittelbaren Zusammenhangs von Allgemeinheit und Bestimmtheit. Dass dieser Zusammenhang ein prozessualer ist, davon finden sich im Moment Ȗ) des „Dings“ schon Hinweise. Das Ding ist als „die vielen E i g e n s c h a f t e n selbst, die Beziehung der zwei ersten Momente [nämlich der Medialität und der Negation, Anm. F.Z.], die Negation, wie sie sich auf das gleichgültige Element bezieht und sich darin als eine Menge von Unterschieden ausbreitet; der Punkt der Einzelheit in dem Medium des Bestehens in die Vielheit ausstrahlend.“ (PhG, S. 82) „Ausbreiten“ und „Ausstrahlen“ wollen als Tätigkeitswörter nicht so recht in das statische Konzept des Dinges passen. Sie nehmen aber die Vollen-
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dung der „Unendlichkeit“ durch den Begriff des „inneren Unterschiedes“ im dritten Kapitel vorweg: Ȗ) Durch den Begriff des inneren Unterschiedes aber ist dies Ungleiche und Gleichgültige, Raum und Zeit usf. ein U n t e r s c h i e d , welcher kein U n t e r s c h i e d ist oder nur ein Unterschied des G l e i c h n a m i g e n , und sein Wesen die Einheit; sie sind als Positives und Negatives gegeneinander begeistet, und ihr Sein ist dieses vielmehr, sich als Nichtsein zu setzen und in der Einheit aufzuheben. Es bestehen beide Unterschiedene, sie sind a n s i c h , sie sind a n s i c h a l s E n t g e g e n g e s e t z t e , d.h. das Entgegengesetzte ihrer selbst, sie haben ihr Anderes an ihnen und sind nur e i n e Einheit. (PhG, S. 115)
Da dieser innere Unterschied als Notwendigkeit des Verstandes begriffen wurde, zugleich aber die Struktur jeden Wissens aufzeigt, so ist jedes Wissen in Wahrheit Wissen von sich, Wissen der eigenen Tätigkeit, also Selbstbewusstsein. Dies mit dem Gedanken der Kantischen Apperzeptionseinheit zu verbinden, würde allerdings zu kurz greifen und den Hegelschen Gedanken um die entscheidende Pointe bringen. Diese zeigt sich schon methodisch: während Kant die Bestimmungen des Subjekts immer in Hinsicht auf die Frage nach der Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung ergründet, vom Gegenstand der Erfahrung selbst aber absieht, entwickelt Hegel in der PhG den Gegenstand zusammen mit dem Bewusstsein. Die Bedingungen des Wissens vom Gegenstand sind also die Bedingungen des Gegenstandes selbst. Deswegen darf, wenn von der Notwendigkeit des Verstandes die Rede ist, nicht in die naheliegende Interpretation verfallen werden, Hegel arbeite hier mit transzendentalen Argumenten: Denn die Notwendigkeit des Verstandes wird mit der verkehrten Welt und der vollendeten Erscheinung ausdrücklich zu einer ontologischen Notwendigkeit. Es gibt nichts zu wissen, außer als Leistung des Selbstbewusstseins. Es ist also nun zu ergründen, wie Hegel zu dieser Aussage kommt und was sie bedeutet.
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2. Der Übergang zum Selbstbewusstsein Hegel lässt – wie in vielen Übergängen seiner Philosophie – die Deutlichkeit vermissen, die hier jedoch notwendig ist, um zu ergründen, worum es sich beim Hegelschen Selbstbewusstsein überhaupt handelt. Leider wird dieser Übergang auch in den anderen Hegelschen Texten – von den propädeutischen Nürnberger Schriften bis hin zur Enzyklopädie57 – nicht von einer anderen Perspektive beleuchtet. Es heißt allenthalben: Mit dem „Unterschied, der keiner ist“, als welcher sich der Gegenstand des Kapitels „Kraft und Verstand“ am Ende entpuppt hat, falle auch der Bewusstseinsgegensatz weg; die nächste Gestalt der PhG müsse also notwendig das Selbstbewusstsein zum Thema haben.
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Hegel, Enzyklopädie, §423: „Der innere Unterschied ist aber auf diese Weise, was er in Wahrheit ist, der Unterschied an ihm selbst, oder der Unterschied der keiner ist. – In dieser Formbestimmung überhaupt ist an sich das Bewußtsein, welches als solches die Selbständigkeit des Subjekts und Objekts gegeneinander enthält, verschwunden; Ich hat als urteilend einen Gegenstand, der nicht von ihm unterschieden ist, – sich selbst; – Selbstbewußtsein.“ Ders., Nürnberger Gymnasialkurse und Gymnasialreden (1808-1816), hrsg. von Klaus Grotsch (=Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Gesammelte Werke, in Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der NordrheinWestfälischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 10.1, Düsseldorf 2006), S. 15f.: „Das Bewußtseyn, das nur ein solches Unterschiedenes, welches keines ist, zum Gegenstande hat, hat damit die bisherige Art seiner Gegenstände überhaupt, verlassen. Denn diese waren ihm etwas von ihm unterschiedenes Fremdes; indem es aber Unterschiedne, das kein Unterschiednes ist, zum Gegenstande hat, fällt sein Unterschied vom Gegenstande hinweg, oder es hat sich selbst zum Gegenstande.“ Ebd., S. 104: „Indem der Unterschied überhaupt zu einem Unterschiede geworden ist, der ebensosehr keiner ist, so fällt zugleich die bisherige Art des Unterschieds des Bewußtseyns von seinem Gegenstande hinweg, es hat seinen Gegenstand, bezieht sich auf ein Anderes, das aber unmittelbar ebensosehr kein Anderes ist, oder es hat sich selbst zum Gegenstande.“ Abgesehen von der Verlagerung des Schwerpunkts vom „Unterschied“ auf das „Andere“ in den beiden Kursen und der Betonung des „Urteils“ als des Setzens eines Unterschieds im Bewußtsein – des Urteilens also – in der Enzyklopädie wird in allen drei Texten vom Wegfall des Unterschiedes des Gegenstandes auf den Wegfall des Unterschiedes des Bewusstseins geschlossen.
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2.1 Die Unzugänglichkeit des externen Allgemeinen Nun wurde tatsächlich das Bewusstsein als dasjenige behandelt, das etwas von sich unterscheidet, worauf es sich zugleich bezieht, genau entsprechend der Charakterisierung in der Einleitung. Aber es müssen sich schwere Bedenken einstellen, wenn aus der Tatsache, dass es sich beim Gegenstand des Verstandes um etwas handelt, welches Unterschiede macht und wieder zurücknimmt, scheinbar geschlossen wird, dass dieser Unterschied identisch ist mit dem Bewusstseinsunterschied. Unterschiede in der Gegenstandswelt haben einen anderen Status als der gegenständliche Unterschied, welcher dem Bewusstsein gegenüber ist. Eine zweite Möglichkeit bietet sich an: Der Gegenstand als Unendlichkeit ist, da er Unterschiede setzt, die keine sind, von gleicher Struktur wie das Bewusstsein, welches etwas von sich unterscheidet und sich auf das Unterschiedene bezieht. Dieser Weg ist jedoch erst recht nicht gangbar, denn eine bloße Strukturidentität erlaubt keine Identifizierung58 und wäre zu Recht als primitiver Analogieschluss ausgewiesen.59 Hegel identifiziert aber das eine mit dem anderen, indem er nun das Bewusstsein selbst als seinen eigenen Gegenstand thematisiert. Eine dritte Variante, die Natur des Übergangs und damit dieser neuen Gestalt zu ergründen, besteht darin, dasjenige, was der Ver58
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So aber Brady Bowman, Hegels Übergang zum Selbstbewußtsein in der Phänomenologie des Geistes, in: Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein kooperativer Kommentar zu einem Schlüsselwerk der Moderne, Frankfurt am Main 2008, S. 153-168: „So wie das Erklären als geistige Aktivität sich als dem Selbstbewußtsein in vollem Sinn gleichstrukturiert zeigte, zeigt sich die ‚verkehrte Weltǥ als der Beziehung zwischen dem lebendigen Individuum und der Gattung in vollem Sinn gleichstrukturiert. Damit ist der eigentliche Übergang vollzogen.“ (S. 164f) Ähnlich argumentiert Ricardo Dottori, Die Reflexion des Wirklichen. Zwischen Hegels absoluter Dialektik und der Philosophie der Endlichkeit von M. Heidegger und H. G. Gadamer, Tübingen 2006: „Das Leben hat aber seinerseits, als die Einheit und Gleichheit im Anderssein, oder durch den absoluten Unterschied, welcher keiner mehr ist, nämlich den Unterschied zwischen allgemeinem Medium, Gattung und Individuum, dieselbe Struktur des Selbstbewußtseins; dieses ist auch die ursprüngliche Struktur des Sichselbstgleichseins im Anderssein, denn das Andere, welches das Selbstbewußtsein von sich unterscheidet, ist für das Selbstbewußtsein auch nicht von sich zu unterscheiden, da es seinem Bewußtsein gehört, wie der Unterschied, den es festlegt.“ (S. 278). So Johannes Heinrichs, Die Logik der Phänomenologie des Geistes, Bonn 1974, S. 170ff.
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stand als „positive und negative Elektrizität, Entfernung, Geschwindigkeit, Anziehungskraft, und tausend andere Dinge zu Gegenständen“ hat, in Wahrheit als ichliche Leistungen zu betrachten. Aber das Bewusstsein mit seinen unterschiedlichen Inhalten zu identifizieren bedeutet dessen Aufsplitterung in diese inhaltliche Vielfalt und würde das einheitliche Bewusstsein, welche diese Gegenstände von sich unterscheidet, verunmöglichen. Der Fehler der letzten Lesart liegt jedoch nur darin, dass mit den Produkten des Bewusstseins dessen Produzieren aus dem Blick gerät. So ist es in der Tat die erste Lesart, die als einzige in Frage kommt: Denn wenn es das Innere ist, in welches alle Bestimmtheiten zurückgehen, dies Innere aber der Verstand ist, so haben alle Gegenstände eine bestimmte und eine allgemeine Seite, so wie das Bewusstsein eine bestimmte und eine allgemeine Seite hat. Beide sind also über jeweils ein Moment mit dem anderen verbunden und bilden somit eine Einheit, denn ohne Bestimmtheit lässt sich Allgemeinheit ebensowenig denken wie Allgemeinheit ohne Bestimmtheit. Damit mutet Hegel dem Leser in kurzer Folge zu, zwei Übergänge zu begreifen, die dem Alltagsverstand vollkommen zuwiderlaufen: 1. Das Allgemeine ist in all seinen Bestimmtheiten gegenwärtig und steht ihnen nicht als Jenseits gegenüber, 2. der so bestimmte Gegenstand enthält ebenso notwendig ein subjektives Moment, wie das Bewusstsein ebenso notwendig ein objektives Moment enthält: Das Subjektive ist also in allem Objektiven gegenwärtig wie das Objektive in allem Subjektivem. Im Kapitel „Kraft und Verstand“ erscheint die objektive Seite dieser Relation als „verkehrte Welt“, die subjektive als „Erklären“, das Objektive also wurde unabhängig vom subjektiven Produzieren als bloßes Produkt, das Subjektive als bloßes tautologisches Produzieren genommen, obwohl beides eine Totalität ausmacht. Wie lässt sich dieser Übergang aber am Text erläutern – und das heißt, auch an den anderen, nahezu identischen Formulierungen, die Hegel in den angesprochenen anderen Werken gebraucht? Wie ist zu rechtfertigen, dass mit dem Unterschied des Gegenstandes auch der Unterschied des Bewusstseins wegfällt? Dazu bietet sich nur eine Interpretation an: Sie soll zunächst thetisch formuliert werden: Um einen Gegenstand von mir zu unterscheiden, ist vorauszusetzen, dass dieser Gegenstand von anderen Gegenständen unterschieden ist. Dies ist zunächst eine bloße Neuformulierung der Hegelschen Aussage. Aber sie impliziert
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einen Sachverhalt, der im Verlauf der PhG schon deutlich geworden ist. Er besagt: Das Bewusstsein kann sich nur auf etwas beziehen, welches auf eine gewisse Art und Weise bestimmt ist. Auf eine gewisse Art und Weise bestimmt sein kann es nur im Unterschied zu anderen Bestimmtheiten. Gäbe es diesen Unterschied nicht, wäre es keine Bestimmtheit, und das Bewusstsein könnte sich nicht auf sie beziehen, wäre also kein Bewusstsein von etwas, folglich überhaupt kein Bewusstsein. Jedoch ist mit dieser Aussage lediglich der Gegenstand des Bewusstseins als Bestimmtheit eliminiert und noch nicht die Tatsache abzuleiten, dass das Bewusstsein nunmehr sich selbst zum Gegenstand hat. Oder doch? Fällt der Unterschied als Gegenstand des Bewusstseins weg, so kann sich das Bewusstsein intentional nur noch auf sich selbst beziehen – und auf einen Gegenstand muss es sich beziehen, denn es ist ja der Gegenstand des Bewusstseins, der sich als „Unterschied, der keiner ist“ erwiesen hat.60 Wenn dem Bewusstsein der intentionale Bezug BewusstseinGegenstand nicht mehr möglich ist, so bleibt nur noch übrig der Bezug Bewusstsein=Bewusstsein oder Ich=Ich. Dass der Übergang zum Selbstbewusstsein hiermit aber gewissermaßen nur zur Hälfte vollzogen wurde, soll an gegebener Stelle erläutert werden. Die Momente der Allgemeinheit und der Bestimmtheit werden im Kapitel IV der PhG unter dem prominenten Gesichtspunkt der Autonomie und der Heteronomie betrachtet, welches den Anschein erweckt, hier werde ein sachlich völlig neues Thema verhandelt, nämlich das der menschlichen Praxis. An diesem Anschein ist jedoch nur so viel, als mit der Hinwendung des Bewusstseins auf sich ein neuer Gesichtspunkt erreicht wird, welcher es erlaubt, das 60
Charles Taylor, Hegel, Frankfurt am Main 1983, S. 201f. scheint, was die Natur des Übergangs vom Bewusstsein zum Selbstbewusstsein betrifft, einem Missverständnis aufzusitzen. Nach Taylor unterstelle Hegel dem Gesetz eine Notwendigkeit, sich selbst als Inneres in eigener Manifestation äußerlich zu setzen, welche Struktur identisch ist mit der des Bewusstseins, weshalb der Übergang zum Selbstbewusstsein vollzogen sei – und das, obwohl schon Hume eine Alternativauffassung vom Gesetz vertrat, welches eben eine nicht notwendige, sondern zufällige Wechselbeziehung sei. – Erstens ist die Notwendigkeit der Setzung nicht das Argument für den Übergang, sondern die Flüchtigkeit des Gesetzten, welche den Unterschied als einen nichtigen setzt. Zweitens ist die Notwendigkeit durchaus wichtig, begleitet das Bewusstsein aber schon seit dem Beginn der Sinnlichen Gewissheit, die sich gezwungen sah, obwohl Unbegrenztes meinend, Begrenztes zu setzen und diese Begrenztheit als Widerspruch zwischen Allgemeinem und Bestimmtem zu erleben.
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Moment des Praktischen in den Blick zu nehmen. Denn da das Bewusstsein sich als die Einheit seiner als Allgemeines und Bestimmtes erwiesen hat, gilt es, das Verhältnis dieser Momente in seiner Entwicklung zu betrachten, und das betrifft selbstverständlich auch praktische Fragen. Denn wenn sich die Bestimmtheiten des Bewusstseins in Wahrheit als Bestimmtheiten des Selbstbewusstseins erwiesen haben, so gelten sie, ungeachtet der Frage, ob hier der genitivus subjectivus oder objectivus angewandt wird, für ein Selbst. Für ein Selbst bedeuten die Fragen des Verhältnisses von Allgemeinheit und Bestimmtheit in Wahrheit auch die von Autonomie und Heteronomie. Allerdings impliziert der neue Gegenstand Selbstbewusstsein auch, dass alle Bestimmtheiten Bestimmtheiten des Selbst sind. Die objektive Welt wird selbstisch, dies verleiht den in der Gestalt „Selbstbewusstsein“ auftretenden, cum grano salis „idealistisch“ kennzeichenbaren Positionen einen stark subjektiven Zug. Damit einher geht ein Bedeutungswandel von „Erscheinung“, sie ist nun nicht mehr die objektive Welt als ein Ganzes entstehender und vergehender Gestalten. Denn wenn sie Erscheinungen nur sind, indem sie einem Selbst angehören, werden sie als bloße Vorstellungen herabgestuft. Denn Erscheinung für ein Bewusstsein bedeutet, wie deutlich werden wird, in einem Bewusstsein zu vergehen, in ihm aufgehoben zu werden, also ein dem Bewusstsein unterschiedenes Sein auszumachen, welches in Wahrheit kein unterschiedenes Sein ist. Tatsächlich geht es im Kapitel „Selbstbewusstsein“ also um die „Wahrheit der V o r s t e l l u n g der Erscheinung und ihres Innern“. (PhG, S. 119, Sperrung im Original) Diese Herabsetzung der Erscheinung äußert sich auf mehrere Arten: Unterdrückung (Dialektik von Herr und Knecht), Indifferenz (Stoizismus), Skepsis (Skeptizismus)61 und Frustration (unglückliches Bewusstsein). 61
Laut Klaus Vieweg, Die ‚Umkehrung des Bewußtseins selbst‘, in: Jindrich Karásek/ Jan Kunes/Ivan Landa (Hrsg.), Hegels Einleitung in die Phänomenologie des Geistes, Würzburg 2006, S. 193-208, kommt dem Skeptizismus als eigener Gestalt des Bewusstseins besondere Bedeutung zu, und zwar deshalb, weil sich in dieser Gestalt die Struktur des Bewusstseins selbst offenbart. Für das skeptische Wesen des Bewusstseins spreche schon der Hegelsche Gebrauch des Terminus „Phänomen“ (vgl. ebd., S. 193) sowie Hegels Umschreibung des in der PhG verwendeten Prüfverfahrens als „Weg des Zweifels“ (vgl. ebd., S. 3). Dem phänomenologischen Prüfverfahren entspricht jedoch im Skeptizismus eine eigene Gestalt, in dem die Leistung des Bewusstseins, alles Wissen als subjektiv zu setzen, vollendet wird (vgl. ebd., S. 195f); aus der Autorität des
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2.2 „Erscheinung“ und die Gestalten des Bewusstseins Zunächst ist jedoch ein Umstand von großer Bedeutung für das weitere Verständnis des Kapitels. Der neue Gegenstand des Bewusstseins schreitet nun nicht einfach fort, wie es der Gegenstand im Abschnitt „Bewusstsein“ von der Sinnlichen Gewissheit bis hin zur Kraft getan hat. Der Wendepunkt, der im Selbstbewusstsein erreicht ist, ist derart, dass zunächst alle diese bisherigen Gestalten des Bewusstseins in einem neuen Licht dargestellt werden müssen. Denn: Der n o t w e n d i g e F o r t g a n g von den bisherigen Gestalten des Bewußtseins, welchen ihr Wahres ein Ding, ein anderes war, als sie selbst, drückt eben dies aus, daß nicht allein das Bewußtsein vom Ding nur für ein Selbstbewußtsein möglich ist, sondern daß dies allein die Wahrheit jener Gestalten ist. (PhG, S. 118)
Was dies bedeutet, wird zu Beginn des Kapitels „Selbstbewusstsein“ näher erläutert: Betrachten wir diese neue Gestalt des Wissens, das Wissen von sich selbst, im Verhältnis zu den Vorhergehenden, dem Wissen von einem Andern, so ist dies zwar verschwunden; aber seine Momente haben sich zugleich ebenso aufbewahrt; und der Verlust besteht darin, daß sie hier vorhanden sind, wie sie an sich sind. Das Sein der Meinung, die E i n z e l n h e i t und die ihr entgegengesetzte A l l g e m e i n h e i t der Wahrnehmung, so wie das l e e r e I n n e r e des Verstandes, sind nicht mehr als Wesen sondern als Momente des Selbstbewußtseins […]“ (PhG, S. 121)
Von Wichtigkeit ist hier das „aufbewahrt“, in welchem das positive Moment des Hegelschen Ausdrucks „Aufheben“ ausgedrückt ist und welches diesen Ausdruck etwas erhellt. Denn etwas blieb bisher in der Entwicklung des Bewusstseins unklar: Warum zeigten sich die Gestalten des Bewusstseins ihrer Erfahrung gegenüber inkonsequent und „verweigerten“ gewissermaßen den Übertritt in die nächste Stufe? Warum musste die Wissenschaft diesen Übertritt stattdessen vollziehen? – Hegel hat diesen Umstand bekanntanfänglich Objektiven wird ein „Dafürhalten aus subjektiv-eigener Überzeugung“ (ebd., S. 198, Kursivierung im Original), somit aus dem Sein bloßer Schein, der keine geistige Orientierung mehr liefert, weswegen als einziges Urteilsenthaltung übrigbleibt (vgl. ebd., S. 204f.). Jedoch ist der Entschluss, keine Position anzuerkennen, selbst eine Position, womit auch diese Gestalt des Bewusstseins aufgehoben wird (vgl. ebd., S. 204ff.).
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lich in der Einleitung erwähnt, aber nur den Hinweis gegeben, dass die Wissenschaft das Scheitern jeder Gestalt des Bewusstseins als bestimmte Negation fassen muss, also dasjenige, „was das vorherige Wissen Wahres an ihm hat“ (PhG, S. 67), als einen neuen Gegenstand einer daher auch neuen Bewusstseinsgestalt begreifen muss. Dass dieser Neubeginn „hinter dem Rücken“ des Bewusstsein stattfindet, es als „Gegebenes“ betrachtet, was in Wahrheit ein „Gewordenes“ ist, wird von Hegel an dieser Stelle nur konstatiert, wie insgesamt die Erwähnung dieses Umstands eher den Anschein einer Aufklärung des Lesers über die methodisch zu rechtfertigende Strukturierung des Textes erweckt. Was hat sich beispielsweise beim Übergang der Gestalt „Sinnliche Gewissheit“ in die der Wahrnehmung geändert? Doch nicht soviel, dass das „Sein“, welches dieses Bewusstsein von sich unterscheidet, durch den Übertritt in eine neue Bewusstseinsform obsolet würde. Sie ist lediglich als Wissen um ihren Gegenstand, das Unmittelbare, gescheitert, insofern, als dieses weiterer Kategorisierungen bedurfte. In der Vorrede, welche der PhG als Einleitung in das System der Wissenschaft vorangestellt ist, heißt es, die Gestaltung und das Ziel der PhG betreffend: Die Ungeduld verlangt das Unmögliche, nämlich die Erreichung des Ziels ohne die Mittel. Einesteils ist die L ä n g e dieses Weges zu ertragen, denn jedes Moment ist notwendig, – andernteils bei jedem sich zu v e r w e i l e n , denn jedes ist selbst eine individuelle ganze Gestalt, und wird nur absolut betrachtet, insofern seine Bestimmtheit als Ganzes oder Konkretes, oder das Ganze in der Eigentümlichkeit dieser Bestimmung betrachtet wird. (PhG, S. 23)
Die Mittel zur Erreichung des Zieles – „die Einsicht des Geistes in das, was Wissen ist“ (ebd.) – sind also selbst schon das „Ganze“, allerdings ein perspektivisches und daher unvollkommenes Ganzes. Der Weg der PhG verläuft so analogisch dem des sezierenden Betrachtens eines Gegenstandes, von welchem zwar stets nur eine Seite in den Blick gerät, diese aber das Ganze zu repräsentieren beansprucht, zugleich aber auf die Seiten aufmerken lässt, welche sich momentan zwar dem Blick entziehen, für den ganzen Gegenstand aber konstitutiv sind. „Erscheinung“, sowohl in meliorativer wie pejorativer Bedeutung, scheint so geeignet, den Gang des Bewusstseins selbst und den Aufbau des Werkes zu verstehen, und die Frage, was die einzelnen Gestalten des Bewusstseins dennoch
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hemmt, den Weg der Wissenschaft mitzugehen. Die pejorative Bedeutung ergibt sich aus der „Einleitung“, in der von der auftretenden Wissenschaft als „Erscheinung“ die Rede ist und davon, dass sie sich von „diesem Scheine“ befreien muss. (Vgl. PhG, S. 60) Die meliorative Bedeutung wird noch im selben Abschnitt angesprochen, nämlich in der bekannten Wendung, dass „hier“, also in der PhG, die „Darstellung des erscheinenden Wissens vorgenommen“ werde. Nach dem, was im Kapitel „Kraft und Verstand“ über die „Erscheinung“ erfahren wurde, kann dies auch gar nicht anders sein. Es ist auffallend, dass in allen bisherigen Gestalten des Bewusstseins Entzweiungsbewegung und Vereinigungsbewegung einander abwechseln. Trat in der Sinnlichen Gewissheit das unmittelbare Wissen in die vielen Wissensinhalte auseinander, so wurden diese im „Ding“ des folgenden Kapitels wieder vereinigt, um abermals hilflos durch den Widerstreit des Auch und Insofern auseinanderzutreiben. Dieselbe Bewegung auch im Kapitel „Kraft und Verstand“, als Entzweien des „unbedingt Allgemeinen“ in Kräfte (die weiteren Vereinigungs- und Trennungsbewegungen – in das Gesetz, in die unbestimmt vielen Gesetze, in die allgemeine Attraktion, in die Gattungen usw. – scheint die Charakteristik dieser Gestalt selbst zu betreffen: die Entwicklung einer Gestalt ist in der PhG auch immer ihre Zerstörung). So liegt es nahe, die Konsequenz zu ziehen, die Gestalten des Bewusstseins selbst als Ganzes eines Seins zu betrachten, welches an ihnen unmittelbar selbst ein Nichtsein ist. Die Weigerung des jeweiligen Bewusstseins am Ende jedes Kapitels, seine Nichtigkeit einzusehen, stünde dann für ihre Erscheinung als Positivität, ihre Fortentwicklung als neue Bewusstseinsgestalt für ihre aufgehobene Negativität.
2.3 Das reine Selbstbewusstsein als Ich=Ich Wäre dies nicht der Fall, so wäre die neue Gestalt des Bewusstseins, das Selbstbewusstsein, gewissermaßen eine Un-Gestalt. Somit erschafft der „Unterschied, der keiner ist“, zwei unterschiedene Einheiten: Einmal diejenige Einheit, in welcher die Unterschiede gesetzt werden, das sogenannte „Leben“, dann die Einheit, in welche jene Unterschiede wieder zurückgenommen werden, das Ich. Spätestens hier wird klar, dass die Formulierung: „Unterschied, der
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keiner ist“, einen scheinbar hoffnungslosen Widerspruch ausdrückt. Denn es wird ja nicht behauptet, dass der Widerspruch nicht ist. Sondern es wird der Widerspruch ausgesprochen, der nicht ist, im gleichen Satz also sein Sein und sein Nichtsein konstatiert. Dieser Widerspruch ist es, der aus der Einheit „Unterschied, der keiner ist“ zwei Einheiten macht, einmal die Einheit, welche die Seite des Unterschieds ausmacht, dann die Einheit, die diesen Unterschied negiert. Denn wird sie bloß als der „Unterschied, der keiner ist“, gefasst, unter Betonung jener negierenden Prädizierung, so bliebe von ihm „nur die bewegungslose Tautologie des: „Ich bin Ich“62 übrig, so dass gelten muss: „[I]ndem ihm [sc. dem Ich] der Unterschied nicht auch Gestalt des S e i n s hat, ist es nicht Selbstbewußtsein“ (PhG, S. 121). An dieser Stelle wird deutlich, warum der Übergang zum Selbstbewusstsein, wie er oben rekonstruiert worden ist, nur zur Hälfte vollzogen ist. Denn: Wird er an die Bemerkung Hegels geknüpft, der neue Gegenstand des Bewusstseins sei der „Unterschied, der keiner ist“, und mit dem Fehlen eines in sich differenten Gegenstandes mithin Selbstbewusstsein, so ist damit ja nur gesagt, er sei Selbstbewusstsein, sofern der Unterschied nicht ist. Es ist aber festgestellt worden, dass in diesem Satz der Unterschied ebenso gesetzt worden ist. Insofern der Unterschied also gesetzt ist, wäre der neue Gegenstand nicht das Selbstbewusstsein! Aber: Wie Hegel selbst feststellt, ist das Selbstbewusstsein als Ich=Ich ohnehin unzureichend erfasst. Denn als Bewusstsein seiner selbst unterliegt es selbst der Bedingung des Bewusstseins, sich auf etwas zu beziehen, das von ihm unterschieden ist. Das ist hier aber durchaus nicht der Fall. 63 Es bildet sich 62
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Darauf, dass das Selbstbewusstseinskapitel der PhG sich in der Sphäre der Fichteschen Philosophie bewegt und von dieser entschlüsselt werden muss, wurde zuerst Aufmerksam gemacht von Werner Becker, Hegels Dialektik von Herr und Knecht, in: Hegel-Studien, Bh. 11, S. 429-430. An dieser Tatsache scheitert auch Reinholds Theorie des „logisch einfachen Ich“, vgl. Jürgen Stolzenberg, „Geschichte des Selbstbewußtseins“. Reinhold – Fichte – Schelling, in: Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus 1 (2003), S. 93-113 (S. 97). Der Punkt ist also nicht der, dass in dieser Gestalt das Selbstbewusstsein von sich kein Wissen erlangt, wie Christian Klotz, Kritik und Transformation der „Philosophie der Subjektivität“ in Hegels Darstellung der Erfahrungen des Selbstbewußtseins, in: Wolfgang Welsch, Klaus Vieweg (Hrsg.), Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein komparativer Kommentar zu einem Schlüsselwerk der Moderne, Frankfurt am Main 2008, S. 170-186 (S. 180), unterstellt; sondern das Bewusstsein seiner selbst ist unmöglich, die Frage, ob es Wissen von sich erlangen kann, erübrigt sich daher an dieser Stelle. Konrad Cramer, Bewußtsein und Selbstbewußtsein. Vorschläge zur sys-
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eine neue paradoxe Situation, dass das, was zu verhindern scheint, dass das Selbstbewusstsein sich selbst als neuen Gegenstand erhält, diesen Gegenstand Selbstbewusstsein zugleich konstituiert.64 Dies verbirgt sich hinter der Aussage, dass das Selbstbewusstsein die Gestalt des Seins haben muss. Leicht zu übersehen ist: Hegel sagt nicht, dass der notwendige Unterschied des Ich=Ich das Sein ist, er sagt, dass er die „Gestalt des Seins“ haben muss.65 Dass er die Gestalt des Seins haben, also als gestaltetes Sein vorliegen muss, ist schon die Lehre der Sinnlichen Gewissheit, deren Anspruch, das Sein unmittelbar zu wissen, scheiterte. Aber es verdeutlicht hier, dass es die vorherigen Gestalten des Bewusstseins als Kategorisierungen, als Schemata des Seins nötig hat, um überhaupt als Selbstbewusstsein zu bestehen. Es befasst die vorherigen Gestalten des Bewusstseins als „aufgehoben“ in sich, als seine Momente. Da sie sich jetzt ihm darstellen, wie sie in Wahrheit sind, glaubt sich Hegel offenbar berechtigt, einen neuen Namen für das so gestaltete Sein einzuführen: Die Gestalten bilden so das „Leben“.
2.4 Die Begierde und das Leben Das muss überraschen und scheint der erst eben angestellten These von der Positivität der überwundenen Bewusstseinsgestalten Sinnliche Gewissheit, Wahrnehmung und Verstand schon zu widersprechen, nach der ja zu erwarten wäre, dass sie das gestaltete Sein ausmachten. Aber in Anlehnung an die Bemerkung, dass in der
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tematischen Rekonstruktion einer Behauptung Hegels im §424 der Berliner Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften, in: Hegelstudien, Bh. 19, S. 215-225 interpretiert die daraus folgende Forderung mit dem Satz: „Selbstbewußtsein muß Bewußtsein werden“ (S. 224). Daraus folge, dass „Gegenstände namhaft gemacht werden“ müssten, die dem Selbstbewusstsein wieder die Qualität des Bewusstseins restituierten, dies aber in einer Weise, die es dem Selbstbewusstsein erlaube, sich in ihnen in nicht-tautologischer Weise zu bestimmen. (Vgl. ebd.) Einen philosophiegeschichtlichen Abriss zum Problem, das Ich als Gegenstand seiner selbst zu fassen, gibt Konrad Cramer, „Erlebnis“. Thesen zu Hegels Theorie des Selbstbewußtseins mit Rücksicht auf die Aporien eines Grundbegriffs nachhegelscher Philosophie, in: Hegelstudien, Bh. 11, S. 538-603. Schon an dieser Stelle wird deutlich, dass die Unterstellung, Hegels avisierte Einheit von Subjekt und Objekt bedeute eine Entgegenständlichung, wie sie Ernst Bloch, Subjekt-Objekt. Erläuterungen zu Hegel, Frankfurt/Main 1971, S. 101 vornimmt, Hegels Absichten verkennt.
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Gestalt „Selbstbewusstsein“ das Wissen von „einem Anderen […] zwar verschwunden“, „hier“ aber so „vorhanden sind, wie sie an sich sind“, heißt es PhG, S. 122: „Was das Selbstbewußtsein a l s s e i e n d von sich unterscheidet, hat auch insofern, als es seiend gesetzt ist, nicht bloß die Weise der der sinnlichen Gewißheit und der Wahrnehmung an ihm, sondern es ist in sich reflektiertes Sein“. Schon zuvor (PhG, S. 121) wurde auffälligerweise der unterschiedene Gegenstand als der „unmittelbare“, der „Gegenstand der sinnlichen Gewißheit und des Wahrnehmens“ gekennzeichnet. Aber jetzt fehlt bei der Charakterisierung dessen, was das Selbstbewusstsein als seiend von sich unterscheidet, der Verstand, der wenige Absätze zuvor noch als Moment des Selbstbewusstseins genannt worden war. Die einzig mögliche Erklärung ist, dass dies „leere Innere“ der Einheit des Selbstbewusstseins zugesprochen wird. Dann eigentlich kann nur noch in einem sehr vagen Sinn gesagt werden, die von der Einheit Selbstbewusstsein unterschiedene Einheit des Unterschieds habe die Weise der Sinnlichen Gewissheit und der Wahrnehmung an ihr, denn auch für diese ist „an sich“ das „leere Innere“ des Verstandes konstitutiv, im „leeren“ Itzt und Hier ebenso wie in dem seiner Bestimmungen entleerten Ding – was allerdings erst im Kapitel „Kraft und Verstand“ durchsichtig geworden ist. Hauptsächlich scheint es darauf anzukommen, dass das Ding und das Sein der Meinung einen Unterschied des Bewusstseins ausmachen; und der Begriff des Unterschiedes ist als Bestimmung des „Lebens“ zentral. Der Weg, der von der Sinnlichen Gewissheit seinen Ausgang nahm, führt also zu der in sich reflektierten Einheit des Bewusstseins und der in sich reflektierten Einheit des Lebens. Wie aber ist zu rechtfertigen, dass Hegel diese Einheit „Leben“ nennt? Zunächst gibt es die Möglichkeit, zu unterstellen, Hegel habe diese Einheit mit Merkmalen desjenigen ausstaffiert, was er später, u.a. in der Begriffslogik und der Ästhetik mit diesem Namen bedacht hat. In der Ästhetik ist das Leben als Setzen und Auflösen „des Widerspruchs von ideeller Einheit und realem „Aussereinander“66, also des Widerspruchs der Seele und der beseelten Glieder.67In der Begriffslogik wird vom „lebendigen Individuum“ als 66
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Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik (= Werke in 20 Bänden, Bd. 13), Frankfurt am Main 1986, S. 162. Vgl. ebd., S. 160.
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Organismus eines „Vielfachen von Gliedern“ gesprochen.68 Im fraglichen Absatz der PhG ist von einer Substanz die Rede, die als „unterschiedene Glieder und f ü r s i c h s e i e n d e Teile“ besteht – und denselben Sachverhalt ausdrückt? Der Prozesscharakter des Lebens wird in der Ästhetik,69 der Begriffslogik70 und dem hier zu erörternden Abschnitt der PhG (S. 124) beschrieben – ein Hinweis darauf, dass es um ein und dieselbe Sache geht? – Aber schon die „Gattung“, welche in der PhG als „einfache Gattung“ die reflektierte Einheit des Lebens charakterisiert, welche „auf ein anderes“, nämlich das Bewusstsein verweist, wird zwar in der Begriffslogik eingehend besprochen,71 in der Ästhetik jedoch nicht erwähnt. Zudem differenziert Hegel in der Begriffslogik „das logische Leben als reine Idee“, das „Naturleben“ und das „Leben, insofern es mit dem G e i s t e in Verbindung steht“72. Ein Hinweis für eine je nach Kontext verschiedene Darstellung dieses Phänomens, denn auch diese Differenzierung wird in den beiden anderen Schriften nicht vorgenommen. Soll nun der Kontext der PhG ernst genommen werden, so ergibt sich daraus die Forderung, das Leben, wie es sich am Anfang des Kapitels IV darbietet, als aus den vorherigen Gestalten des Bewusstseins konstruiert aufzuzeigen: Die Bestimmung des Lebens, wie sie sich aus dem Begriffe oder dem allgemeinen Resultate ergibt, mit welchem wir in diese Sphäre eintreten, ist hinreichend, es zu bezeichnen, ohne daß seine Natur weiter daraus zu entwickeln wäre […] (PhG, S. 122)
Die aus dem „allgemeinen Resultate“ sich ergebenden Bestimmungen des Lebens sind also hinreichend. Wofür? „Es zu bezeichnen.“ Dies zeigt zunächst, dass sich die bisherigen Bestimmungen auf eine Weise darstellen, die von der bisherigen der Gestaltungen des Seins und des Bewusstseins von ihnen abweicht, sonst wäre der Gebrauch einer neuen Bezeichnung nicht legitimiert. Ferner muss ein Gegenstand bezeichnet werden, eben das Leben. Diese Bezeichnungen sind aber nur „hinreichend“: Es kann bestenfalls eine Art „Rumpfphänomen“ beschrieben werden. Erkennbar ist 68 69 70
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Vgl. Hegel, Begriffslogik, S. 218. Vgl. Hegel, Ästhetik, S. 162f. Hegel unterscheidet hier (Lehre vom Begriff, S. 215) den Lebensprozess (vgl. ebd., S. 221ff. und den Prozess der Gattung (vgl. ebd., S. 225ff., ausdrücklich S. 227). Vgl. ebd., S. 225ff. Ebd., S. 213.
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also, inwieweit sich der Gegenstand als „unmittelbarer Unterschied“ auf eine Weise entwickeln lässt, welche ihn als in sich reflektierten auf eine Art darstellen lässt, nach der mit Recht von einem neuen Gegenstand gesprochen werden kann, für den überdies die Bezeichnung „Leben“ gerechtfertigt ist. Es ist außerdem zu betrachten, wie sich der Gegenstand dergestalt entwickelt, dass von ihm als in sich reflektiertem gesprochen werden kann. Es ist zunächst zu vermuten, dass er, analog dem Bewusstsein, im Resultat seinen eigenen Anfang setzt, also ein selbstgenügsames Gebilde ergibt. Zunächst ist also die Frage: Wie ist eine solche Einheit, welche den bloßen, unmittelbaren Unterschied darstellt, zu denken? Dass es nicht hinreichend ist, dass das Bewusstsein etwas als seiend von sich unterscheidet, wurde bereits festgestellt. Wird nun genauer betrachtet, was sich hinter den Bestimmungen des Lebens verbirgt, kommen folgerichtig wesentliche Elemente der ersten Kapitel der PhG zum Vorschein. Denn das Sein, welches das Selbstbewusstsein – als nichtig – von sich unterscheidet, wäre ja so wieder unmittelbares Sein. Als unmittelbares Sein aber widerfährt ihm ähnliches wie der Sinnlichen Gewissheit – es ist nur als eine Abfolge sich negierender Bestimmtheiten denkbar. Somit ist der Unterschied des Bewusstseins eine Einheit von Unterschieden – das ist damit gemeint, dass der Gegenstand des Selbstbewusstseins „ebenso in sich zurückgegangen [ist] als das Bewußtsein andererseits.“ (PhG, S. 122) „In sich zurückgegangen“ – dies ist wörtlich zu nehmen. Denn die Wahrheit des Bewusstseins, so das Ergebnis seiner Erfahrung, ist das Bewusstsein selbst, sie liegt nicht in dem, was das Bewusstsein von sich unterscheidet. Ebenso ist jedoch das Leben als „Rückkehr in sich selbst“ aufzufassen. Zunächst: Ein Unterschied ist nur da, wo negiert wird. Wird dies jetzt als Totalität gedacht, so ist er eine Totalität von Negationen. Deshalb wird für die Einheit des Lebens in dieser Hinsicht die Bestimmung der „Flüssigkeit“ verwendet. Ein Verflüssigen der Bestimmtheiten erlebte auch die Sinnliche Gewissheit – sie erlebte im Itzt und Hier dasjenige, was in der Bestimmung des Lebens erneut zur Sprache kommt: Sie wäre das einfache Wesen der Zeit, welches die gediegene Gestalt des Raumes hat – ein Nacheinander (Itzt) von außerhalb des Bewusstseins gesetzten Bestimmungen (Hier), die „reine Bewegung selbst“. Was es mit diesem Verflüssigen auf sich hat, macht schon die „Vorrede“ zur PhG deutlich,
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worin von der „Verflüssigung“ des sinnlichen Daseins die Rede ist, als Voraussetzung dafür, es zum Eigentum des reinen Selbstbewusstseins zu machen. (Vgl. PhG, S. 26f) Diese Flüssigkeit ist aber zugleich Substanz. Denn negiert werden kann nur das, was Bestand hat. Ein Unterschied ist ein Unterschied von etwas. So kann das Leben weiterbestimmt werden: „Ebendiese Flüssigkeit ist als die sichselbstgleiche Selbständigkeit selbst das B e s t e h e n , oder die S u b s t a n z derselben, worin sie als unterschiedene Glieder und f ü r s i c h s e i e n d e Teile sind.“ (PhG, S. 123) Diese unterschiedenen und negierten Teile sind darin gleich, Etwas zu sein, also im Ausschluss anderer zu bestehen. Somit sind sie, indem sie ausschließende Einheiten sind, Bestimmtheiten, und die Substanz selbst kann als dasjenige begriffen werden, das für sich ist – andere ausschließt, indem es für anderes ist – also jede Bestimmtheit annehmen kann. Damit sind die Konzepte des Fürsichseins und des Seins für andere aus dem Wahrnehmungskapitel in das „Leben“ integriert. Das Leben ist also – wie das Ding – als etwas Identisches wie auch in sich Verschiedenes bestimmt: es ist Eins und entzweit. Das entspricht der Erfahrung der Wahrnehmung, welche mit dem Widerspruch dieser beiden Momente nicht fertig wurde, weshalb das Ding nämlich „zu Grunde ging“. Dieses Entzweien offenbart das erste Moment als das B e s t e h e n d e r s e l b s t ä n d i g e n Gestalten; oder die Unterdrückung dessen […], was das Unterscheiden an sich ist, nämlich nicht zu sein und kein Bestehen zu haben. Das z w e i t e Moment aber ist die U n t e r w e r f u n g jenes Bestehens unter die Unendlichkeit des Unterschiedes. Im ersten Moment ist die bestehende Gestalt; als f ü r s i c h s e i e n d , oder in ihrer Bestimmtheit unendliche Substanz tritt sie gegen die a l l g e m e i n e Substanz auf, verleugnet diese Flüssigkeit und Kontinuität mit ihr und behauptet sich als nicht in diesem Allgemeinen aufgelöst, sondern vielmehr als durch die Absonderung von dieser ihrer unorganischen Natur, und durch das Aufzehren derselben sich erhaltend. (PhG, S. 124)
Was in diesem Zitat ins Auge springt, ist eine befremdlich scheinende Subjektivierung, zumindest ein scheinbar unstatthafter Gebrauch des Reflexionsausdrucks „sich“. Das zweite Moment „behauptet sich“, „verleugnet“ den Zusammenhang, „tritt“ gegen die Substanz „auf“ und „verzehrt“ dieselbe. Aber bei genauerer Betrachtung wird die Hauptsache erkennbar, nämlich die in äußerer Kompression vorgelegte Entwicklung des ersten Teils des Kapitels
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„Kraft und Verstand“.73 Den Fingerzeig gibt die „fürsichseiende Substanz“ und ihr Verhältnis zur „allgemeinen Substanz“. Da dies nur ein Hinweis auf die ausschließende Einheit sein kann, die andere aus sich ausschließt und damit den „unendlichen Unterschied“ erzeugt, sowie die ihr gegenüberstehende ruhige Allgemeinheit, in der die Gleichheit aller Einheiten bei aller unterschiedlicher Bestimmtheit ausgedrückt ist, so sind diese beiden Substanzen nichts als Neubeschreibungen der unruhigen Erscheinung und ihres ruhigen Gesetzes, ist das „Bestehen der selbständigen Gestalten“ vs. der „Unterwerfung jenes Bestehens“ nichts als ein Verweis auf die geäußerte und die zurückgedrängte Kraft. Somit ist auch die Bedeutung des Sichbehauptens der fürsichseienden Substanz als eine Neuformulierung der Lehre von den zwei Reichen zu erfassen: In der verkehrten Welt wurden Phänomene als unabhängig von der Welt der allgemeinen Gesetze vorgestellt und in einer Welt der Erscheinungen situiert. Das Leben wird zum „Prozess“ – zur fortwährenden Negation und Neubestimmung, also zu dem, was bereits als Spiel der Kräfte bekannt ist. – Aber die unterschiedenen Gestalten sind ja aus dem flüssigen Medium, von welchem sie sich emanzipiert wähnen, gestaltet, oder anders ausgedrückt: Es gäbe ohne es keinen Prozess des gestalteten Aufeinanderfolgens, denn eine Folge ist nur möglich durch Identifikation, die Glieder müssen gemein haben, Glieder eines Prozesses zu sein. Die Unterschiede werden Unterschiede innerhalb eines Prozesses, weshalb Hegel das Leben jetzt als das „Lebendige“ bezeichnet. Somit besteht das Verleugnen des Allgemeinen in der Sphäre des Unterschiedes zu Unrecht. Es besteht aber nicht nur die „Verkehrung“ der Identifikation des Unterschiedes im Allgemeinen, sondern ebenso die Verkehrung der Identifikation des Allgemeinen im fürsichseienden Unterschied, denn indem dieser für sich ist, ist er darin denen, die er ausschließt, gleich, und „die E i n h e i t mit sich selbst, welche [er] sich gibt, ist gerade die F l ü s s i g k e i t der Unterschiede, oder die 73
Dass im Begriff des Lebens die Erfahrungen der vorhergehenden Gestalten als aufgehobene zu erkennen sind, sieht auch Andreas Luckner, Genealogie der Zeit. Zu Herkunft und Umfang eines Rätsels. Dargestellt an Hegels Phänomenologie des Geistes, Berlin 1994, S. 157f, vor allem in ihrem Verhältnis zur Zeit: „Das Selbstbewußtsein – das sich als derjenige (zeitkonstituierende) Prozeß selbst darstellt, welchen die sinnliche Gewißheit mit ‚Verschwindenǥ, die Wahrnehmung mit ‚Veränderungǥ und der Verstand mit ‚Bewegungǥ als Substraten von Zeit objektivierte – erfährt sich als (zunächst) stabiler Prozeß des Lebens“.
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a l l g e m e i n e A u f l ö s u n g .“ (PhG, S. 124) Der ausschließende und der identifizierende Charakter gehören also gleichermaßen der Bestimmtheit und der Allgemeinheit an: Indem das Leben gegliedert ist, ist es unmittelbar allgemein, und indem es allgemein ist, ist es unmittelbar gegliedert; die Scheidung von Allgemeinheit und Bestimmtheit zeigt sich auch im Begriff des Lebens als Abstraktion. Denn wenn die Bestimmtheit durch ihre Identität sich in das Allgemeine auflöst, so zeigt dies Allgemeine an, in sich gegliedert zu sein, das „Andere“ unmittelbar in sich zu haben, sich zu entzweien. Umgekehrt zeigt sich an der Auflösung der Glieder, dass das Allgemeine ebenso an ihnen ist, denn sie lösen sich auf in andere Glieder, sind also, wie das allgemeine Medium, Gestaltung. Es sind also zwei Seiten unterschieden worden, die das Leben ausmachen: Erstens das Leben als Eines, Ganzes, welches nicht anders zu denken ist als gestaltetes Ganzes. Das führt zur zweiten Seite, den Gestalten. Diese offenbaren, dass sie als Prozess ebenso Gestalten eines Ganzen sind, dies Ganze also ausmachen. So betrachtet, hat dies Gebilde große Ähnlichkeit mit der Substanz Spinozas und dem hen kai pan – schließlich ist die gehäufte Nennung von „Substanz“ auffallend, und der strikte Determinismus der Spinozaschen Konzeption eignet ebenso der phänomenologischen Konzeption des Lebens, wie sich noch zeigen wird. Aber Hegels abschließende Beschreibung des Lebens deutet an, dass es doch anders zu fassen ist: Dieser ganze Kreislauf macht das Leben aus, weder das, was zuerst ausgesprochen wird, die unmittelbare Kontinuität und Gediegenheit seines Wesens, noch die bestehende Gestalt und das für sich seiende Diskrete, noch der reine Prozeß derselben, noch auch das einfache Zusammen dieser Momente, sondern das sich entwickelnde, und seine Entwicklung auflösende und in dieser Bewegung sich einfach erhaltende Ganze. (PhG, S. 125)
Dies Leben ist also etwas in sich Bewegtes, was bedeutet: es lässt sich nichts in ihm fixieren, gleichwohl es – ob als Kontinuität, Gestalt oder Prozess – durchaus Moment des Lebens ist. Diese Selbstbewegung innerhalb dieser Figur scheint nun auch die Berechtigung ihrer Benennung als Leben zu erklären74 – im Gegen74
Heidegger, Hegels „Phänomenologie des Geistes“, sieht im Leben einen neuen Seinsbegriff (vgl. S. 203ff.), der durch den Gang des Bewusstseins nun notwendig geworden sei, und verweist auf Aristoteles’ De Anima, in der es heißt: „Leben ist eine Weise des Seins“, wie auf Hegels Geist des Christentum, in
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satz nämlich zur „Gleichgültigkeit“ des Bezugs verschiedener Allgemeinheiten zueinander in der Gesetzeswelt der Physik. Die Wahrheit der bisherigen Gestalten des Bewusstseins war, Erscheinung, also als Sein vom Bewusstsein unterschieden zu sein, in Wahrheit aber bloß dem Bewusstsein anzugehören. Dieser Übergang verbietet sich hier, da das Leben als Unterschied des Bewusstseins als seiend gesetzt ist. In ihm muss sich also die Erscheinung als etwas zeigen, das dennoch Sein bleibt. Als solches zeigt sie sich aber im Prozess. In der Ästhetik wird deutlicher, wie das gemeint ist. Hier wird der Prozess beschrieben als „Setzen und Auflösen des Widerspruchs von ideeller Einheit und realem Aussereinander der Glieder.“75 Darin zeigt sich in der Natur der „Idealismus der Lebendigkeit“, welcher sich äußert als stetes „Realisieren der Bestimmtheiten des Organismus wie das Ideellsetzen der real vorhandenen zu ihrer subjektiven Einheit“.76 Weiter heißt es dort: „Die Realität, welche die Idee als natürliche Lebendigkeit gewinnt, ist deswegen erscheinende Realität. Erscheinung nämlich heißt nichts anderes, als dass eine Realität existiert, jedoch nicht unmittelbar ihr Sein an ihr selbst hat, sondern in ihrem Dasein zugleich negativ gesetzt ist.“77 Der Unterschied zu dem, als was sich die Erscheinung im vorherigen Kapitel erwiesen hat, nämlich an sich nichts, sondern bloße Setzung des Verstandes zu sein, ist der, dass hier die Glieder immer schon in der „allgemeinen Flüssigkeit“ aufgelöst sind – analog der hier angeführten Bemerkung aus der Ästhetik,
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welchem der Satz fällt „Reines Leben ist Sein“ (vgl. S. 206). Auch der Lebensbegriff Kants ist abstrakt genug, um die Berechtigung des Hegelschen Lebensbegriffs schon in dieser frühen Ableitungsstufe zu erhellen. Leben sei das Vermögen einer S u b s t a n z , sich aus einem i n n e r e n P r i n c i p zum Handeln, einer endlichen Substanz, sich zur Veränderung, und einer m a t e r i e l l e n Substanz, sich zur Bewegung oder Ruhe als Veränderung ihres Zustands zu bestimmen.“ (Immanuel Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, AA IV, S. 465-565 (S. 544). Vittorio Hösle, Hegels System. Der Idealismus der Subjektivität und das Problem der Intersubjektivität, Hamburg 1989, sieht (S. 369) „das Lebendige“ wegen seiner gegenüber dem Gesetz höheren Affinität zum Geist innerhalb des Kontextes zum Geist aufgeführt, wodurch unterstellt ist, Hegel habe empirisch vorfindliche Phänomene auf ihre Tauglichkeit zur Darstellung eines anderen Phänomens geprüft und gegebenenfalls in sein System integriert. Dies wäre dem Hegelschen Anspruch einer Entwicklung aus der Sache selbst aber völlig entgegengesetzt. Hegel, Ästhetik, S. 162. Ebd., S. 163. Ebd., S. 164.
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wonach Glieder nur als Glieder eines Organismus sind. Für das Beweisziel dieser Arbeit ist aber die Feststellung unerlässlich, dass mit dem Leben hier nichts als die in einer Einheit aufgehobene Erfahrung des Bewusstseins gemeint ist, welche Einheit nur deshalb nicht „Wissen“ heißen kann,78 weil mit einem solchen Namen der affirmative Bezug des Ich auf seinen Gegenstand ausgedrückt wäre. Die Annahme, es hier mit einem sehr abstrakten Lebensbegriff79 zu tun zu haben wird gestützt durch das Kapitel „Das Leben“ der Begriffslogik. Dieses Kapitel befindet sich im dritten Abschnitt und bezeichnet „die Idee“. Die Idee ist die „Einheit des Begriffs und der Objektivität“80. In ihr ist als eins gedacht, was z.B. Kant, den er dafür kritisiert, noch strikt getrennt wissen wollte. Würde es getrennt gedacht, fiele die Natur auseinander in Form und Materie.81 Dies wird mit dem bekannten Beispiel verdeutlicht: Ganze, wie der Staat, die Kirche, wenn die Einheit ihres Begriffs und ihrer Realität aufgelöst ist, hören auf zu existieren; der Mensch, das Lebendige ist tot, wenn Seele und Leib sich in ihm trennen; die tote Natur, die mechanische und chemische Welt – wenn nämlich das Tote für die unorganische Welt genommen wird, sonst hätte es gar keine positive Bedeutung –, die tote Natur also, wenn sie in ihren Begriff und ihre Realität geschieden wird, ist nichts als die subjektive Abstraktion einer gedachten Form und einer formlosen Materie.82
Hegel entwickelt die „Idee“ weiter vor dem Hintergrund des im Teleologieabschnitt entwickelten Zweckbegriffes. Ein getreues Referat davon würde zu weit vom eigentlichen Thema abführen. Wichtig ist die Erinnerung, dass, wenn Hegel von der Idee als der 78
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In diesem Sinne spricht jedoch John O´Donohue, Person als Vermittlung. Die Dialektik von Individualität und Allgemeinheit in Hegels Phänomenologie des Geistes, Mainz 1999, S. 203, von der „Memoria des Selbstbewußtseins“. Die Annahme, dass hier noch nicht der systematische Ort für die Thematisierung des organischen Lebens ist, wird geteilt von Christian Spahn, Lebendiger Begriff. Begriffenes Leben. Zur Grundlegung der Philosophie des Organischen bei G.W.F. Hegel, Würzburg 2007, S. 125: „Hegels Betrachtung des Organischen findet sich […] nach der Betrachtung der Natur durch den Verstand und nach der Einführung der Idee des Selbstbewusstseins und der Idee der Vernunft.“ Dies habe seinen Grund in „Hegels Auffassung, nach der das Leben nur von der Vernunft und nicht vom Verstand richtig zu erfassen sei.“ (Ebd., S. 129). Hegel, Begriffslogik, S. 206. Vgl. ebd., S. 207. Ebd.
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Einheit der Realität und des Begriffs spricht, mit dem Begriff das „reine Selbstbewusstsein“ gemeint ist, die „reine sich auf sich beziehende Einheit“,83 welche freilich als solche „nicht vollständig ist, sondern in die Idee sich erheben muß“84. Die Idee wird so näherhin bestimmt als Einheit des „subjektiven Begriffs“ und der „Objektivität“, dem bestimmten Sein in seiner Totalität. In der Beschreibung des Zustandekommens der Idee findet sich in größter Verdichtung dieselbe Struktur, wie sie sich auch im Selbstbewusstsein der PhG zeigt: Die Idee hat sich nun gezeigt als der wieder von der Unmittelbarkeit, in die er im Objekt versenkt ist, zu seiner Subjektivität befreite Begriff, welcher sich von seiner Objektivität unterscheidet, die aber ebensosehr von ihm bestimmt und ihre Substantialität nur in jenem Begriff hat.85
Hier sind alle Momente des Selbstbewusstseins versammelt: Das Selbstbewusstsein, das sich aus der Unmittelbarkeit „befreit hat“, aber eine Objektivität von sich unterscheidet, die es in ihrer Unmittelbarkeit bestimmen muss, um sie überhaupt von sich unterscheiden zu können, welche Objektivität also nur aus der Subjektivität heraus bestehen kann. Die so bestimmte Idee, so merkt Hegel an, sei „mit Recht als das S u b j e k t - O b j e k t bestimmt worden“ – ein klarer Hinweis auf Schellings Naturphilosophie. Diese Einheit ist in der Begriffslogik, genau wie in der PhG, als ein Beziehen auf sich selbst gefasst, als „absolutes Urteil“, also ein Prozess, der Unterschiede setzt und wieder zurücknimmt. Der von Hegel dafür gewählte Begriff des Triebes erinnert dann auch stark an die Begierde, von der später noch zu reden sein wird, bedeutet aber der Sache nach die Relation „Selbstbewusstsein für Selbstbewusstsein“. Dieses „Triebhafte“ der Idee wird in der Begriffslogik Leben86 genannt, es ist die vom Begriff „durchdrungene“87 Objektivität: 83 84 85 86
Ebd., S. 12. Ebd., S. 17. Ebd., S. 209. Myriam Gerhard, Zur logischen Funktion des Lebens, in: Hegel-Jahrbuch 2006, S. 159-163, fasst Hegels Intention wie folgt zusammen: „Nicht die logische Form, die ihre Realität erst durch den Bezug, ihre Anwendung auf einen als gegeben vorgestellten Inhalt erhält, sondern allein die Form, die sich selbst ihren Inhalt gibt, kann den wahren Inhalt der Logik ausmachen.“ (Ebd., S. 162.) Allein die Aussage, der Begriff des Lebens sei ein „Analogon“ zum transzendentalen Gegenstand Kants (vgl. ebd.), scheint ein wenig unglücklich. Denn er
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Das einfache Leben ist aber nicht nur allgegenwärtig, sondern schlechthin das B e s t e h e n und die i m m a n e n t e S u b s t a n z seiner Objektivität, aber als subjektive Substanz T r i e b , und zwar der s p e z i f i s c h e T r i e b des b e s o n d e r e n Unterschiedes und ebenso wesentlich der eine und allgemeine Trieb des Spezifischen, der diese seine Besonderung in die Einheit zurückführt und darin erhält. Das Leben ist nur als diese n e g a t i v e E i n h e i t seiner Objektivität und Besonderung sich auf sich beziehendes, für sich seiendes Leben, eine Seele.88
Dieses Pendeln zwischen der Objektivität und dem Spezifischem deckt sich mit dem sich in sich gliedernden Leben der PhG, mit dem Unterschied, dass dort das Gliedern in die allgemeine Auflösung übergeht, in der Logik allerdings in den Begriff. Oder sollte auch in der PhG dasjenige, worin das bestimmte Wissen qua Gegliedertsein im Leben zurückgeht, das Selbstbewusstsein sein? Dazu müsste diese zweite Einheit neben dem reinen Fürsichsein einerseits das Selbstbewusstsein selbst, andererseits aber ein Anderes als das Selbstbewusstsein sein. Dann wäre es das Selbstbewusstsein, welches lebt, ebenso wie in der Begriffslogik die Idee lebt. Um dieser Frage nachzugehen, soll sich wieder dem Lebensbegriff der PhG zugewendet werden. Die Substanz als Kreislauf „macht“ zwar „das Leben aus“, ihre Bestimmungen sind jedoch nicht vollständig. Die Bestimmung, die fehlt, ist zwar in der Interpretation der PhG schon mehrmals aufgetaucht, aber eigentlich kann von ihr erst jetzt gesprochen werden. Es handelt sich um die noch näher zu untersuchende „Gat-
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schreibt ausdrücklich (KrV, A109): „Dieser Begriff [sc. des transzendentalen Gegenstandes] kann nun gar keine bestimmte Anschauung enthalten, und wird also nichts anderes, als diejenige Einheit betreffen, die in einem Mannigfaltigen der Erkenntnis angetroffen werden muß, so fern es in Beziehung auf einen Gegenstand steht.“ Die Einheit ist es also hier, die Kant hervorhebt, im Gegensatz dazu geht es im Leben um die Differenz, in welche das reine Selbstbewusstsein gezogen wird. Dies ist ja die Pointe der Hegelschen Überlegungen, die Bestimmtheit, der Inhalt muss immer mitgedacht werden. Auch die Differenz-insich des bestimmten Selbstbewusstseins, die bei Kant der möglichen Erfahrung vorbehalten bleibt, muss nach Hegel begriffen werden. Vor Schelling hat bereits Fichte das Wissen „verlebendigt“. So heißt es im §9 seiner Wissenschaftslehre 1801: „Nicht das ruhende Seyn ist das Wissen, und ebensowenig ist es die Freiheit, […] sondern das absolute Durchdringen und Verschmelzen beider ist das Wissen.“ Johann Gottlieb Fichte, Darstellung der Wissenschaftslehre aus dem Jahre 1801, in: Immanuel Hermann Fichte (Hrsg.), Fichtes Werke II. Zur theoretischen Philosophie, Berlin 1971, S. 3-163 (S. 19). Ebd. ist vom „lebendige[n] sich Durchdringen der Absolutheit selbst“ die Rede. Ebd., S. 214f.
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tung“. Gattung ist das, was Hegel die entwickelte Einheit des Unterschiedes vom Bewusstsein nennt – im Unterschied zur unmittelbaren Einheit. Mit diesem Sprachgebrauch steht Hegel in der philosophischen Tradition. Für Aristoteles, der „Gattung“ als logischen Grundbegriff eingeführt hat, bezeichnet sie „Was und Wesen“ mehrerer, der Art nach verschiedener Dinge,89 für Kant ist sie das, welches das Identische von empirisch Verschiedenen bezeichnet, ohne welche „keine empirische Begriffe, mithin keine Erfahrung“90 möglich ist. Die Erfahrung wiederum bedarf nach Kant allerdings komplementär der Arten, welche die Verschiedenheit ungeachtet ihrer Identität festhalten,91 was bedeutet, dass die höchste Gattung, da keiner anderen mehr subordiniert, keine Art sein kann. Das Leben, wie es Hegel gebraucht, so kann vermutet werden, ist also ein Gebilde aufeinander verweisender, sich auseinander entwickelnder Gattungen, denn anders macht der Gebrauch von „einfache Gattung“ im folgenden Zitat keinen Sinn, mit der Hegel die zweite, reflektierte Einheit neben die erste der Ich-Identität stellt und die zu der gesuchten fehlenden Bestimmung führt: Sie ist die e i n f a c h e G a t t u n g , welche in der Bewegung des Lebens selbst nicht f ü r s i c h A L S dies E i n f a c h e e x i s t i e r t ; sondern in diesem R e s u l t a t e verweist das Leben auf ein Anderes, als es ist, nämlich auf das Bewußtsein, für welches es als diese Einheit oder als Gattung ist.
Die fehlende Bestimmung ist also ein „Verweisen“. Das klingt so, als eigne dem Leben Subjektivität. Da dies nicht gemeint sein kann – denn nur das Bewusstsein seiner selbst ist „bei sich“–, kann mit diesem Verweisen nur das Aufmerken des phänomenologischen Betrachters gemeint sein, und zwar das Aufmerken darauf, dass das unmittelbare Sein nur durch den Eingriff des Bewusstseins zum gestalteten und vermittelten Leben sich entwickeln konnte – der schon erwähnte Gebrauch von Reflexionsausdrücken und die Implementierung von Kategorien der Allgemeinheit in den Begriff des Lebens gaben darauf Hinweise. Es erhält diesen hinweisenden Charakter, da es offensichtlich ein Produkt ist, welches auf ein Produzierendes verweist. Schon allein deshalb sind die Hinweise auf die vorherigen Gestalten des Bewusstseins wichtig. Denn wie die Sinnliche Gewissheit den sie Wissenden, das Ding das sinnli89 90 91
Vgl. Aristoteles, Topik 102 a 31f. Kant, KrV A654/B682 Vgl. ebd., Vgl. Kant, Logik, §10.
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che bzw. synthetisierende Bewusstsein braucht und die Kräfte und Gesetze den sie verbindenden Verstand brauchen, so rundet sich das Leben nicht als der in sich vermittelte Kreislauf, wenn nicht dasjenige, dessen unterschiedene und somit bewusste andere Seite es ist, mitbedacht wird. So wird auch verständlich, wieso im nächsten Abschnitt das Selbstbewusstsein als das „andere Leben“ bezeichnet wird. Das Selbstbewusstsein, soviel wird angedeutet, ist in das Werden seines Gegenstandes, des Lebens, verflochten. Diese Verflochtenheit geschieht durch das Verhalten des Selbstbewusstseins, und dieses Verhalten nennt Hegel, in unübersehbarer Anlehnung an Fichte92, „Begierde“. Aber das Leben, als die Gattung, ist nicht unmittelbar „für das Selbstbewusstsein“. Denn es verweist nicht unmittelbar auf das Selbstbewusstsein, sondern auf das Bewusstsein. Wird dies nicht beachtet, gerät völlig aus dem Blick, dass es sich jetzt um eine 3er-Konstellation handelt. Denn das Selbstbewusstsein als Ich=Ich ist ja gar kein Bewusstsein, sonst wäre die Unterscheidung des Seins gar nicht nötig gewesen. Bewusstsein werden kann es jedoch nur durch den Unterschied des Seins, wie das Sein nur denkbar ist in Bezug auf ein Bewusstsein, für welches es ist. Das ist mit dem „Verweisen“ gemeint. Um Selbstbewusstsein zu werden, muss es zunächst also einmal Bewusstsein werden. Allerdings ist es damit nicht getan, denn die zu erreichende Wahrheit ist ja nicht das Bewusstsein von etwas, sondern das Bewusstsein von sich. Es entsteht so die Notwendigkeit, trotz aller wechselnden Bewusstseinsinhalte die Identität des Bewusstseins mit sich zu vermitteln und so das geforderte Selbstbewusstsein herzustellen. Hegels terminus technicus für diesen Vorgang ist nun die erwähnte „Begierde“. „Begierde“ wurde von Hegel bereits vor dem Begriff des Lebens eingeführt, und zwar einen Absatz zuvor, als „Begierde überhaupt“. Damit ist zunächst nichts als die Konsequenz dessen beschrieben, dass das Selbstbewusstsein sich verdoppeln muss – in ein um des Bewusstseins Willen seiendes und ein um des Selbstseins Willen mit sich identisches. Aber mit der Doppelung der Selbstbewusstseinsstruktur, mit dem Setzen eines vom Ich unter92
Fichtes zentraler Begriff des Strebens steht in der Tradition der Leibnizschen appetition, vgl. Marco Ivaldo, Fichte und Leibniz zur Intersubjektivität, in: Helmut Girndt (Hrsg.), Fichte in Geschichte und Gegenwart (= Fichte-Studien Bd. 22), New York 2003, S. 59-72 (S. 70).
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schiedenen Seins ist es nicht getan. Denn das Sein hat sich im 3. Kapitel als Scheinen erwiesen, als „Erscheinung“, welche „an sich kein Sein hat“ (PhG, S. 121). Diese ganze entwickelte Seinsstruktur hat an sich kein Sein: Diese paradox anmutende Entwicklung führt nun dazu, dass das Sein einerseits benötigt wird, da das Ich sonst leer wäre, andererseits es aber nur benötigt wird, um es wieder loszuwerden, da sich das Ich durch seinen Gegensatz partikularisiert, mit sich uneins wird, und es sich deshalb wieder herstellen muss. Dieser Umstand erlaubt es, mit der Begierde einen Begriff einzuführen, der sowohl eine theoretische Leistung wie ein praktisches Handeln bedeuten kann. Ein Ich muss sich, um nicht leer zu sein, bestimmter Inhalte vergewärtigen, oder, um es praktisch zu fassen, sich bestimmen. Wechselten sich diese Inhalte lediglich ab – und das ist das Wesen von Bestimmtheiten, sich voneinander abzustoßen, dieser Sachverhalt tauchte schließlich in immer neuen Verkleidungen wieder auf – so hätte sich das Ich in diesen Bestimmtheiten verloren, und die Bestimmtheiten, da sie nur in einem Medium des Allgemeinen auftreten, sich selbst gleich mit. Das Ich muss also all diese Bestimmtheiten wieder an sich zurückbinden, d.h. aber: sie negieren.93 93
Auf keinen Fall hat Hegel mit dem Terminus „Begierde“ Aussagen zoologischer bzw. anthropologischer Art treffen wollen, was allerdings Alexandre Kojève in seiner einflussreichen, aber gerade deshalb für die Hegel-Rezeption verhängnisvollen Hegel-Studie behauptet. Nach Kojève verhindere die Begierde nach einem Gegenstand, durch diesen voll absorbiert zu sein, indem sie nämlich den Menschen „an sich selbst“ erinnere und ihn somit in die Lage versetze, das Ding „in seiner Unabhängigkeit zu negieren“ und ihm „zu assimilieren“ und damit sogar zur Aufdeckung einer Wesensbestimmung des Menschen, zumindest seiner animalischen Grundlage, als „lechzend Leeren“ zu berechtigen, als „ein Ich, das sich anfüllen will durch das, was voll ist, sich anfüllen will, indem es dieses Volle leert“. (Vgl. Alexandre Kojève, Hegel. Eine Vergegenwärtigung seines Denkens. Kommentar zur Phänomenologie des Geistes (=Hegel), Frankfurt am Main 1975, S. 54ff.) Indem Kojève allein auf das eingeht, was die von Hegel verwendeten Termini assoziieren, ohne den dahinterstehenden Argumenten nachzuspüren, kann er ihnen nach gusto einen ganz neuen Sinn einhauchen. Die so entstandene Anthropologie kann jedoch sich nicht einmal mehr auf Hegel als Inspiration berufen, da sie mit den entwickelten Hegelschen Begriffen nicht entfernt Ähnlichkeit hat. Da Kojève völlig unbeeindruckt davon ist, dass Hegel „Begierde“ im Zusammenhang mit einem idealistischen Begriff von Selbstbewusstsein einführt, entgeht ihm offenbar völlig, dass im Text das Wort „Mensch“ nirgends fällt; und er scheint klaglos hinzunehmen, dass Hegel in seiner, Kojèves’, Auslegung offenbar den Ausdruck „Bewußtsein“ anstelle „Mensch“ verwendet, ohne an den Gründen dafür interessiert zu sein. Da jedoch tatsächlich vom Menschen keine Rede ist, auch
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dann nicht, wenn durch die parallele Behandlung von „Leben“ die Versuchung groß ist, diesen in den Text hineinzulesen, hat es auch keinen Sinn, ihm gewisse Merkmale einzuschreiben, die zudem in ihrer völlig willkürlichen Wahl – Kojève nennt die Begierde eine mehrerer „nicht weiter zurückführbare Gegebenheiten“ (ebd., S. 56) – völlig gegen die strenge Methodik Hegels gehen, welche auf der Zurückweisung jeglicher unzurückführbarer Grundannahmen basiert. Wolfgang Janke, Herrschaft und Knechtschaft und der absolute Herr, in: Philosophische Perspektiven 4 (1972) S. 211-231, nimmt den Hegelschen Lebensbegriff hingegen zu buchstäblich, d.h. in einer zu ausgeprägten Differenziertheit, weshalb er, da er sie auf das Leben bezieht, die Begierde ebenso buchstäblich nimmt: „Weil […] die belebten Dinge (Pflanzen, Tiere) in ihrem natürlichen Wachsen und Gedeihen von sich her in ihren eigenen Zweck aufgehen, sind sie für den Zugriff des Menschen nicht bereit.“ (S. 215). Dies ist eine Interpretation, in der nicht berücksichtigt wird, dass Hegels strenge Methodik eine Implementierung solcher empirischer, noch dazu fragwürdiger Schlussfolgerungen – denn es ist offensichtlich, dass sich die belebten Dinge dem menschlichen Zugriff fügen – nicht zulässt. Hans-Georg Gadamer, Hegels Dialektik des Selbstbewußtseins, in: Hans Friedrich Fulda, Dieter Henrich (Hrsg.), Materialien zu Hegels „Phänomenologie des Geistes“, Frankfurt/Main 1988, S. 217-242, interpretiert ebenfalls den Begierdebegriff vom Begriff des Lebens her (vgl. ebd., S.221f), obwohl er ihm sachlich weder vorausgegangen noch nachgefolgt ist – die Begierde ist eine Folge der Unvereinbarkeit der Identität des Selbstbewusstseins und des Bewusstseinsgegensatzes, das Leben die Folge der Selbstbewegung des unmittelbaren Seins. Derselbe Einwand trifft HansChristoph Schmidt am Busch, Begierde und Arbeit. Eine Untersuchung zum „Selbstbewußtseyn“ in der Phänomenologie des Geistes, in: Michael Quante/Erzsébet Rózsa (Hrsg.), Vermittlung und Versöhnung. Die Aktualität von Hegels Denken für ein zusammenwachsendes Europa, Münster/Hamburg/Berlin/London 2001, S. 69-89, der kurzerhand den Prozess des Gliederns mit der Begierde zusammenschließt und sich so berechtigt sieht, „Begierde“ mit Hunger zu übersetzen, welcher zum Aufgezehrtwerden der selbständigen Glieder im Lebensprozess führe (vgl. ebd., S. 72ff.). Die Interpretation von Begierde als Hunger findet sich auch bei Werner Marx, Das Selbstbewußtsein in Hegels Phänomenologie des Geistes, Frankfurt 1986, S. 26ff. Eine aus angeführten Gründen verengende Darstellung des phänomenologischen Lebensbegriffs, welche ihn mit Späterem, nämlich der Erfahrung der beobachtenden Vernunft, erläutert, findet sich bei Angelika Kreß, Reflexion und Erfahrung. Hegels Philosophie der Subjektivität, Würzburg 1996, S. 89. Axel Honneth, Von der Begierde zur Anerkennung. Hegels Begründung von Selbstbewußtsein, in: Wolfgang Welsch, Klaus Vieweg (Hrsg.), Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein kooperativer Kommentar zu einem Schlüsselwerk der Moderne, Frankfurt am Main 2008, S. 187-204, sieht in der Begierde einen Hinweis Hegels auf die „exzentrische Natur“ des Menschen: „Das Subjekt erfährt sich sowohl als Teil der Natur, weil es in die bestimmende, heteronome ‚Bewegung des Lebensǥ einbezogen ist, wie auch ihr aktiv-organisierendes Zentrum, weil es an ihr kraft seines Bewußtseins wesentliche Diskriminierungen vornehmen kann.“ (S. 195) Bürdet eine solche Deutung dem Text schon mit den angesprochenen biologischen Sachverhalten zuviel auf, so bleibt weiter fraglich, welche Textpassage die Deutung des Bewusstseins als eines, was zwischen ihm Zu- und Abträglichen zu differenzieren vermag, legitimiert. Frede-
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Das Selbstbewusstsein ist die Inversion des Bewusstseins.94 Dem Bewusstsein ist das von ihm Unterschiedene, das Andere das Wahre, das Selbstbewusstsein die „Rückkehr aus dem Anderssein“; das Bewusstsein affirmiert seinen Gegenstand, das Selbstbewusstsein negiert ihn. Dass diese Position unhaltbar ist, kann dadurch erkannt werden, dass sie ihr Ziel nie erreicht. Die erste Position des „Ich bin Ich“ und die sich aus deren Leerheit ergebende Ergänzung um den Gegensatz des Ich führen gewissermaßen zu einer Endlosschleife, einem Hin-und-Her-Getriebensein zwischen dem sich Bestimmen des Ich und der Aufhebung dieser Bestimmung. Das Selbstbewusstsein muss sich von sich unterscheiden, um Bewusstsein zu sein, und es muss sich nicht von sich unterscheiden, um Selbstbewusstsein zu sein. Es ist ganz unverkennbar die Sollensphilosophie, besonders die Fichtesche, in diese und die sich anschließende Position einzuordnen, eine Philosophie, an deren Kritik, so Odo Marquard, die gegenwärtige Hegelforschung rezipierend, sich „grundsätzlich“ zeige, „was Hegel will“95.
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rick Neuhouser, Deducing Desire and Recognition in the Phenomenology of Spirit, in: Journal of the History of Philosophy 24 (1986), S. 243-262, versucht, der von Hegel vorgegebenen Strenge dadurch gerecht zu werden, dass er „Begierde“ als transzendental abgeleitet zu deuten versucht. Als dazu erforderlichen „undeniable facet of our experience“ schlägt er zunächst vor, das wissende Subjekt der ersten Kapitel der PhG selbst als begehrendes zu begreifen, denn „the subject which attempts to know is also necessarily a desiring subject“ (S. 249), verwirft diesen Vorschlag jedoch wegen vermeintlicher Textferne und meint, in der Notwendigkeit des sich zunächst naiv als „empty and abstract“ begreifenden Selbstbewusstseins, sich einen „contrasting background“ zu verschaffen, „in relation to which self-consciousness gets a picture of itself“ (S. 250), das strenge transzendentale Argument gefunden zu haben. Indem er jedoch betont, dieser Hintergrund dürfe kein bloß kognitiver sein, denn solche Zustände seien eben immer nur Zustände des Ich und erfüllen so die Bedingung der Andersheit nicht, stellt er die wahre Stoßrichtung der Begierde auf den Kopf, der es um die Aufhebung dieser Andersheit geht. Vgl. Klaus Vieweg, Umkehrung des Bewußtseins selbst, sowie Scheier, Analytischer Kommentar zu Hegels Phänomenologie des Geistes, S. 97. Odo Marquard, Hegel und das Sollen, in: Philosophisches Jahrbuch 72 (1964/65), S. 103-110 (S. 105). Deutlich bringt Fichte diesen Aspekt seiner Philosophie in seinem System der Sittenlehre, S. 7f zum Ausdruck: „Ferner, alles Bewusstseyn ist bedingt durch das Bewusstseyn meiner selbst, dieses ist bedingt durch die Wahrnehmung meiner Tätigkeit, diese durch das Setzen eines Widerstands, als eines solchen. Also der Widerstand mit dem soeben angegebenen Charakter erstreckt sich nothwendig durch die ganze Sphäre meines Bewusstseyns; dauert neben demselben fort, und die Freiheit kann nie gesetzt werden, als das geringste über ihn vermögend, weil dadurch sie selbst, und alles Bewusstseyn, und alles Seyn wegfiele.“ Die Auflösung dieses Gegensatzes
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Wie kommt es aber zu der Abwertung der Einheit des Seins, da doch beides, Ich und Leben, nötig sind? Auch dies wird nicht näher erklärt, ist aber leicht zu ergründen. Die erste Probe eines Geltungsanspruches einer Aussage wird schon in der „Sinnlichen Gewissheit“ vorgenommen. Die Aussage: „Das Itzt ist die Nacht“ wurde aufgeschrieben und wurde am nächsten Mittag für „schal“ befunden (vgl. PhG, S. 71). Dies deshalb, weil der Wahrheitsanspruch nicht aufrechterhalten werden konnte, weil die Wahrheit nicht geblieben ist. Sie ist, wie sich später in der Bewegung des Zeigens verdeutlichte, gewesen, hat also ihr Wesen in einem anderen, nämlich einem Bleibenden. Dieses Bleiben darf nicht als ein auf Zeitliches beschränkt gedacht werden, sondern es ist das Allgemeine gemeint, etwas, das in Geltung bleibt, während alles andere sich ändert. Nun ist das Sein des Lebens allerdings dadurch gekennzeichnet, dass es ein Ganzes in Bewegung ist, eine Einheit wechselnder Erscheinung, die sich selbst in diesen wechselnden Erscheinungen manifestiert. Sie ist also kein Bleibendes wie das ruhige Ich=Ich, welches daher das Wesentliche dieser neuen Bewusstseinsgestalt ist. Das macht aber das Leben zum Unwesentlichen, und dies führt zur angesprochenen Entwertung des Lebens.96
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in einem praktischen Fordern kann Hegel nicht überzeugen: „Für die Vernunft bleibt nichts als die Ohnmacht des sich selbst aufhebenden Forderns und der Schein einer – aber verständigen, formalen – Vermittlung der Natur und Freiheit in der bloßen Idee der Aufhebung der Gegensätze, in der Idee der Unabhängigkeit des Ich und des Absolut-Bestimmtseins der Natur, die als ein zu Negierendes, als absolut ab hängig gesetzt ist. Der Gegensatz ist aber nicht verschwunden, sondern – weil, indem ein Glied desselben besteht, auch das andere besteht – unendlich gemacht.“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie, in: ders., Jenaer Schriften 1801-1807 (= Werke 2), Frankfurt/Main 1986, S. 7-138 [S. 77]). Auf die gefährlichen Folgen einer solchen Philosophie geht Hegel in seiner Rechtsphilosophie ein: Wo politisch diese Unbestimmtheit gewollt wird, die sich hier in der Forderung der abstrakten Ich-Identität ausdrückt, werde nichts als Zerstörung erreicht: „[D]er Fanatismus will ein abstraktes, keine Gliederung: wo sich Unterschiede hervortun, findet er diese seiner Unbestimmtheit zuwider und hebt sie auf“ (Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §5, Zusatz). Diese Unbestimmtheit kann politisch in die Forderung der Diskontinuität einer neuen politischen Ordnung zur Geschichte übersetzt werden, was Ausdruck einer nur abstrakten Freiheit ist, die in die Selbstzerstörung hineintreibe. (Zu Hegels Sicht der Französischen Revolution als Ausdruck dieser abstrakten Freiheit vgl. Joachim Ritter, Hegel und die französische Revolution, in: ders., Metaphysik und Politik. Studien zu Aristoteles und Hegel, Frankfurt am Main 1988, S. 183-255 [S. 224ff.]).
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Erst diese Entwertung macht aus dem oben angesprochenem Hin- und Herwechseln (der in Hegels Text nicht angesprochen wird) eine Begierde, ein Postulat, durch Negation des Gegenstandes die Identität des Ich herzustellen. Aber diese Werte-Hierarchie ändert nichts daran, dass das Selbstbewusstsein auf das Leben angewiesen ist. Wenn das Ich seine Identität nur durch Negation des Gegenstandes herzustellen vermag – und alle anderen Varianten, den Gegenstand als „Unterschied, der keiner ist“ zu erfassen, sind nun ja verbaut –, so ist er nun zwar nicht mehr auf den Gegenstand selbst angewiesen, aber auf die Negation, die Begierde, und diese ist wiederum auf den Gegenstand angewiesen: „daß dies Aufheben sei, muß dies Andere sein“ (PhG, S. 126). Dadurch kann der geforderte Gegenstand also auch nicht realisiert werden: „Es ist in der Tat ein anderes, als das Selbstbewußtsein, das Wesen der Begierde“ (ebd.). Denn anstatt das Selbstbewusstsein herzustellen als das Wesentliche, als Ich=Ich, stellt es ebenso das Unwesentliche als das Wesen her, das Nicht-Ich, welches sich so nicht als unselbständiges, sondern als selbständiges Moment erweist, also auch als ein Bleibendes, weil beständig neu Erzeugtes. Die Begierde hat so zwei „Wesen“, die Entwertung des Gegenstandes hat sich, allerdings nur für kurze Zeit, wieder aufgehoben. Dies ist die erste Erfahrung, die die neue Bewusstseinsgestalt mit ihrem Gegenstand macht. Die Lösung des Problems scheint klar: Das Selbstbewusstsein darf sich weder auf sich nur als Bewusstsein seiner selbst beziehen, denn sonst wäre es kein Bewusstsein seiner selbst; noch darf es sich über ein Anderes seiner selbst mit sich vermitteln, denn sonst wird dies Andere ständig mitgesetzt und das Selbstbewusstsein nie erreicht. Es muss sich also als Selbstbewusstsein von sich unterscheiden. Das Andere, welches das Bewusstsein von sich unterscheidet, muss trotzdem es selbst sein. Es muss das unterschiedene Selbstbewusstsein affirmieren.97 Mit welcher Berech97
So auch Christian Klotz, Kritik und Transformation der „Philosophie der Subjektivität“ in Hegels Darstellung der Erfahrungen des Selbstbewußtseins, S.14: „Die systematische Intention des Selbstbewußtseinsabschnitts aber besteht darin, aus eben dem Standpunkt der so gefaßten Selbstgewißheit heraus die Notwendigkeit aufzuweisen, zu einem anderen Bild des Verhältnisses zwischen spontaner Eigentätigkeit und objektiver Bestimmtheit überzugehen – zu der Annahme nämlich, daß ‚alle Realitätǥ in ihrer unabhängigen Bestimmtheit eben den Strukturen positiv entspricht, die selbstbestimmtem Denken und Handeln wesentlich sind.“
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tigung aber lässt sich vom Unterschied des Bewusstseins sagen, dass es dennoch Selbstbewusstsein ist?
2.5 Die Verdoppelung des Selbstbewusstseins Hegel beschreibt den Fortgang, der zu der geforderten Struktur führt, in Sätzen, neben denen der bisherige, hoch opake Text geradezu leicht verständlich wirkt. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie die Wegscheide markieren, an welcher die Interpretationen der folgenden Textabschnitte in die verschiedensten Richtungen auseinandergehen. Sie seien deshalb zunächst vollständig zitiert: Um der Selbständigkeit des Gegenstandes willen kann es [sc. das Selbstbewusstsein] daher zur Befriedigung nur gelangen, indem dieser [sc. der Gegenstand] selbst die Negation an ihm vollzieht; und er muß diese Negation seiner selbst an sich vollziehen, denn er ist a n s i c h das Negative, und muß für das Andere sein, was er ist. Indem er die Negation an sich selbst ist und darin zugleich selbständig ist, ist er Bewußtsein. An dem Leben, welches der Gegenstand der Begierde ist, ist die N e g a t i o n entweder a n e i n e m A n d e r e n , nämlich an der Begierde, oder als B e s t i m m t h e i t gegen eine andere gleichgültige Gestalt, oder als seine u n o r g a n i s c h e a l l g e m e i n e N a t u r . Diese allgemeine selbständige Natur aber, an der die Negation als absolute ist, ist die Gattung als solche oder als Selbstbewußtsein. Das Selbstbewußtsein erreicht seine Befriedigung nur in einem anderen Selbstbewußtsein. (PhG, S. 126)
Die ersten Teilsätze bereiten dem Verständnis noch geringe Schwierigkeiten. Der Grundfehler der Begierdekonstruktion ist, dass etwas als affirmativ gesetzt wird, welches dem Gegenstand Selbstbewusstsein, dem eigentlich zu Bewahrheitendem, widerspricht. Überraschend dagegen schon der Befund, dass der Gegenstand selbst sich als negativ setzen soll, was offenbar aus der Selbständigkeit des Gegenstandes folgt. Demzufolge ist die Formulierung „Negation an sich selbst“ gleichbedeutend damit, sich selbst als negativ zu setzen. Daraus soll nun folgen, dass der Gegenstand Bewusstsein ist. Dies scheint unproblematisch, denn das Bewusstsein zeichnet sich dadurch aus, etwas von sich zu unterscheiden. Statt seiner wird jedoch im nächsten Satz das Leben, also der Gegenstand des Bewusstseins, daraufhin expliziert, in welcher Weise die Negation in ihm ist, und zwar an der Funktion des Selbstbe-
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wusstseins, welche als Begierde eingeführt wurde, also etwas dem Leben Äußerlichen; dann wird die Negation als ausschließende Bestimmtheit erwähnt – das, was in der Explikation des Lebens als Gliedern dargestellt wurde –, schließlich sei die Negation an der Gattung, über welche im Anschluss an besagte Explikation gesagt wurde, sie verweise in „diesem Resultate“ auf das, für welche sie da sei, nämlich auf das Bewusstsein, welches die Vermittlungsinstanz zu dem darstellt, „welches für sich selbst Gattung“ sei, das Selbstbewusstsein. Diese erste Gattung, sie sei fortan Lebensgattung, im Unterschied zur Selbstbewusstseinsgattung genannt, ist nun irgendwie durch ihre Funktion als Negation selbst als Selbstbewusstsein ausgewiesen, so dass Hegel diesen Absatz mit dem ebenso erratischen wie vielzitierten Satz vom Selbstbewusstsein, welches seine Befriedigung nur in einem anderen Selbstbewusstsein erreiche, beendet. Wie aber wird aus dem Leben ein zweites Selbstbewusstsein? Dass der Unterschied des Selbstbewusstseins selbst wieder Selbstbewusstsein sein muss, wurde gezeigt, aber dies ist ein Postulat, kein Argument. Das Sein selbst muss vielmehr in seiner Entwicklung als Leben hin zur Lebensgattung begriffen werden können als Bewusstsein seiner selbst. Der Ausweg, das Ich=Ich als den bewusstlosen, das Leben als den selbstlosen Teil einer zu erreichenden Einheit Selbstbewusstsein zu betrachten98, bietet sich schon aus dem trivialen Grund nicht an, weil dann von einer abstraktiven Spaltung des Selbstbewusstseins, nicht von einer Verdoppelung die Rede wäre und ferner der Befund lauten müsste: „Es ist ein Selbst für ein Bewusstsein eines lebendigen Gegenstandes“. Es muss sich also das Leben und das Bewusstsein, auf das es verweist, als ein weiterer Fall von Selbstbewusstsein darstellen lassen. Hegel erreicht die Verdoppelung des Selbstbewusstseins offensichtlich über den schon angeführten Begriff der Gattung. Expressis verbis fällt er in der PhG in diesem Zusammenhang erstmalig. Oben wurde jedoch mit dem Gleichnamigen ein Kandidat ausgemacht, der als Vorläufer dieses hier genannten Begriffs gelten kann. Das Gleichnamige wurde dort als das bezeichnet, was sich von sich abstößt, also zum Ungleichnamigen umschlägt, und als solches sich wieder gleich wird. Übertragen auf den Begriff der Gattung bedeutet das: Die Lebensgattung wäre das, was sich als 98
So aber Claus-Arthur Scheier, Analytischer Kommentar zu Hegels Phänomenologie des Geistes, S. 98.
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Ungleichnamiges von sich selbst abstößt – das sich gliedernde Leben; die Selbstbewusstseinsgattung das, was sich gleich wird – das Gleichnamige, Ich=Ich. Das Ich=Ich wird in der Tat sich gleich, aber durch den Prozesscharakter der Begierde. Es ist ein Werden, das nicht zum Ziel führt. Der Prozesscharakter ist ausdrücklich aber in der Lebensgattung anzutreffen, er ist als Abstoßen des Ungleichnamigen vor allem Negation, und, indem er als Einheit gedacht wird, absolute Negation, eine Einheit nämlich, die sich in ihren Bestimmtheiten manifestiert, diese Bestimmtheiten aber nur durch Negation anderer Bestimmtheiten erreicht. Es könnte überspitzt formuliert werden: Die Selbstbewusstseinsgattung definiert sich über das, was sie ist, nämlich als Abwesenheit aller Bestimmungen, die Lebensgattung über das, was sie nicht ist, nämlich eine einzelne Bestimmung – deshalb ist sie ja auch das erforderte Komplement der reinen Identität, indem sie sich selbst als negativ setzt. So wird einsichtig, dass sie in gewisser Hinsicht identisch sind, es sind beides Bestimmungslose, die eine jedoch ruhig, die andere tätig, der einen wird ihre Identität über die Begierde vermittelt, die andere ist dies Vermittelnde selbst, als spontanes, synthetisierendes und auflösendes Bewusstsein. Da dies Bewusstsein aber Bewusstsein eben dieser Leistungen ist, wäre es als das andere Selbstbewusstsein plausibel gemacht. Der nächste Schritt liegt also darin, das Selbstbewusstsein zu der Einsicht zu bringen, dass es Bewusstsein seiner eigenen Leistungen ist, und zwar bleibendes, trotz der unterschiedlichen Bestimmtheiten mit sich identisches Bewusstsein, und zu dieser Einsicht müssen das identische Selbstbewusstsein, welches seine eigenen Leistungen als etwas ihm Fremdes abtut, sowie das Bewusstsein dieser Leistungen, welchem es aber am Bewusstsein seiner Identität mit sich gebricht, je für sich gelangen. Dies alles reicht jedoch immer noch nicht aus, die Struktur des Selbstbewusstseins zu verstehen, denn es ist immer noch völlig dunkel, wie sie diese Einsicht erreichen können. Zudem wurde die Selbstbewusstseinsstruktur als das Verhältnis eines Selbstbewusstseins zu einem Selbstbewusstsein bezeichnet. Oben wurde zwar bereits der Frage nachgegangen, mit welchem Recht dem Bewusstsein des Lebens zugesprochen werden kann, Selbstbewusstsein zu sein. Aber die Begründung dafür war eine andere als die Definition des Selbstbewusstseins als Ich=Ich, das Selbstbewusstsein verhält sich somit zum Selbstbewusstsein als zu einem andern Selbstbe-
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wusstsein. Das Selbstbewusstsein muss sich jedoch als anderes seiner selbst erweisen: Das Ich=Ich muss sich als Bewusstseinsgegenstand wiederfinden, aber so wie bis jetzt entwickelt, vermag es nur etwas vor sich zu haben, dem auf eine andere Art zukommt, Selbstbewusstsein zu sein. Tatsächlich führt die Forderung, die sich ergibt, nämlich das Ich als das andere seiner selbst zu begreifen, an die Grenze des Sagbaren. Denn die Formulierung „anderes seiner selbst“ ist ganz offensichtlich ein Oxymoron. Ein naheliegender Ausweg wäre der, das Selbstbewusstsein des Ich=Ich und das Selbstbewusstsein der Lebensgattung als complementum des eigentlichen Selbstbewusstseins zu sehen, deren Einheit sie bilden. Damit wäre die Situation jedoch nur verschlimmert, denn nicht nur, dass sie als Momente des Selbstbewusstseins immer noch voneinander verschieden wären, wäre nun keins der beiden ein Selbstbewusstsein. Um die Struktur des Selbstbewusstseins einsichtig zu machen, muss dasjenige, was oben im „Verweis des Lebens auf das Selbstbewusstseins“ und in der „Gattung“ bereits thematisch war, mit größerer Klarheit dargestellt werden.
2.6 Die Verdoppelung des Selbstbewusstseins in das Andere seiner selbst In der Enzyklopädie entwickelt Hegel das Selbstbewusstsein, ohne dem Leben die Bedeutung zukommen zu lassen, welche es in der PhG hat99 – nur in den Zusätzen wird auf diesen Begriff eingegangen. Im §429 heißt es, nach der Entfaltung der Begierdestruktur, die sich auch hier aus dem unmittelbaren Selbstbewusstsein entwickelt, welche deshalb als „selbstsüchtig“ apostrophiert wird: Aber das Selbstgefühl, das ihm [dem Ich] in der Befriedigung wird, bleibt nach der inneren Seite oder a n s i c h nicht im abstrakten F ü r s i c h s e i n oder in seiner E i n z e l h e i t , sondern als die Negation der U n m i t t e l b a r k e i t und der Einzelheit enthält das Resultat die Bestimmung der A l l g e m e i n h e i t und der I d e n t i t ä t des Selbstbewußtseins mit seinem Gegenstande. Das Urteil oder die Diremtion dieses Selbstbewußtseins ist das Bewußtsein eines f r e i 99
Vgl. Karl Ulmer, Die zweifache Dialektik in der Entwicklung zur Freiheit bei Hegel, in: Ugo Guzzoni/Bernhard Rang/Ludwig Siep (Hrsg.), Der Idealismus und seine Gegenwart. Festschrift für Werner Marx, Hamburg 1976, S. 418423.
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e n Objekts, in welchem Ich das Wissen seiner als Ich hat, das aber auch noch außer ihm ist.
Indem sich hier Hegel den Umweg über das Leben erspart (das Leben wird in der enzyklopädischen Logik, genau wie in der großen, unter dem Abschnitt „Idee“ verhandelt, ansonsten wird darauf nur im §423 Bezug genommen), tritt das positive Ergebnis der Begierde klarer hervor. Das unmittelbare Selbstbewusstsein hat seinen Gegenstand begehrend nicht vernichtet, und zwar nicht nur deshalb nicht, weil er sich wieder herstellt, sondern es hat ihn verändert, indem es ihn sich selbst anverwandelt hat.100 Indem aber nun sich der Gegenstand unmittelbar wieder herstellt, sieht es sich selbst als unmittelbar in den Gegenstand übergegangen. Nur so lässt sich das Selbstbewusstsein als anderes seiner selbst begreifen. Dem Selbstbewusstsein als Ich=Ich offenbart sich der vermeintlich fremde Gegenstand als mit ihm identisch, aber gleichzeitig, indem es sich wieder – in der PhG – als Gestalt des Lebens bestimmt, als etwas anderes als das Selbstbewusstsein.101 Der Hinweis, der diese 100
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Ebenso deutlich macht Hegel die Verwandlung des Gegenstandes in ein zweites Selbstbewusstsein in den Vorlesungen über die Philosophie des Geistes. Berlin 1827/28. Nachgeschrieben von Joh. Eduard Erdmann und Ferdinand Walter, hrsg. von Franz Hespe und Burkhard Tuschling (= Vorlesungen. Ausgewählte Nachschriften und Manuskripte, Bd. 13), Hamburg 1994. „Zunächst ist ein Gegenstand unmittelbar für das Selbstbewußtsein, es ist einzeln und ein Gegenstand überhaupt ihm gegenüber. Das zweite ist, daß der Gegenstand auch ein Selbstbewußtsein ist. Es sind zwei Selbstbewußtseine, beide frei“. (S. 164) Auch hier wird die Begierde als Ausdruck dessen beschrieben, dass für das reine Selbstbewusstsein die „Dinge nichtig“ sind. Dass sie sich zum Behufe der Einheit des Selbstbewusstseins negieren lassen, wird auch hier festgestellt. Diese Erfahrung des Selbstbewusstseins hat allerdings zwei Aspekte, nämlich neben der Nichtigkeit des Gegenstandes noch die Erfahrung eines zweiten Übergangs: „Es ist aber auch ein weiterer Übergang. Ich, das Selbstbewußtsein schließt sich mit sich selbst zusammen, ist für sich selbst wirkliches Selbstbewußtsein, für uns wars zunächst nur diese Gewißheit. Das Selbstbewußtsein geht mit dieser Gewißheit an das Objekt, nun ist es für sich selbst diese Gewißheit der Einheit seiner und der Objektivität als einer bestimmten“. (S. 166) Hätte Hegel diesen zweiten Übergang, dass die Vernichtung des Gegenstandes dessen Subjektwerdung bedeutet, in der PhG klarer herausgestellt, so wäre der Rezeptionsgeschichte des Kapitels „Selbstbewusstsein“ manches Missverständnis erspart geblieben. Stephen Houlgate, Why does the Development of Self-consciousness in Hegel’s Phenomenology make Recognition necessary?, unveröffentlichtes Manuskript, S. 2, formuliert diesen Umstand folgendermaßen: „Self-consciousness is desire […] not just because it is an relation to itself, but because it is an relation to itself in relation to what is other than it, that is, because it is self-consciousness in being conscious of what is other.“ (Kursivierungen im Original). Dies kommt
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Interpretation am deutlichsten stützt, ist im Enzyklopädie-Zitat der Gebrauch von „Urteil“. Das Urteil ist, mit den klaren Worten der Logik, die „am B e g r i f f selbst g e s e t z t e B e s t i m m t h e i t desselben“.102 Hinter dem Ausdruck „Diremtion“ verbirgt sich die Doppelstruktur des Selbstbewusstseins, die in jedem Urteil zutage tritt, welches im Deutschen Idealismus gerne, etymologisch nicht ganz richtig, im Sinne einer ursprünglichen Teilung gebraucht wurde. In jedem Prädikat ist zugleich das Andere wie das Gleiche eines Subjekts ausgesagt, und so kann dadurch, dass das Selbstbewusstsein sich immanent bestimmt, dem Ausdruck „anderer seiner selbst“ Sinn verliehen werden. Die Modifikation, die jetzt an der Struktur des Bewusstseins gemacht werden muss, ist die, dass das Bewusstsein nicht mehr etwas von sich unterscheidet, sondern: Das Selbstbewusstsein unterscheidet sich als Identität von sich als Bestimmtheit; das Etwas, worauf es sich nun unterscheidend bezieht, ist es selbst als bestimmtes Selbstbewusstsein.103 Hegel gelingt es also, das Nicht-Ich Fichtes als zweites Ich begreiflich zu
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der Sache nahe, müsste allerdings noch um den Umstand ergänzt werden, dass es sich selbst als anderes bewusst ist. Sonst wäre die Struktur die des Verhältnisses von Selbstbewusstsein zu Bewusstsein von anderen als des Selbstbewusstseins (also die Kantische Struktur der obersten Apperzeptionseinheit) und nicht die von Selbstbewusstsein zu Selbstbewusstsein, die doch notwendig ist, um auch im Bewusstseinsgegensatz von sich zu wissen. Hegel, Die Lehre vom Begriff, S. 58. Auch hier streift der Gang des Bewusstseins die Philosophie Fichtes, zumindest in der Darstellung der Differenzschrift. Auch dort folgen dem Grundsatz des Selbstsetzens des Ich die bedingten des Entgegensetzens und des Entgegensetzens eines teilbaren Ichs und eines teilbaren Nichtichs. Dadurch entstehen, wie im referierten Text der PhG, zwei Iche, ein subjektives der Form Ich=Ich, ein objektives der Form Ich=Ich+Nicht-Ich (vgl. Hegel, Differenzschrift, S. 58ff.), was vereinfacht folgende Struktur des Selbstbewusstseins ausmacht: Ich (reines Fürsichsein)=Ich+Nicht-Ich (bestimmtes Selbstbewusstsein., oder Bewußtsein vom Sein). Auch hier erscheint also eine dreigliedrige Struktur des Selbstbewusstseins, bestehend aus dem Ich=Ich, dem Nicht-Ich und dem Ich+Nicht-Ich. Wenn Hegel also in der PhG das „Leben“ auf das Bewußtsein „verweisen“ lässt, ist es hilfreich, an Fichtes dritten Grundsatz zu denken. Dies Verweisen als Reflexion auf das Bewußtsein zu deuten, welche dadurch geschehe, dass die Struktur des Lebens nur an sich vorhanden wäre, sie aber zum Fürsichsein fortschreiten müsse (vgl. Manfred Negele, Grade der Freiheit. Versuch einer Interpretation von Georg Wilhelm Friedrich Hegels „Phänomenologie des Geistes“, Würzburg 1991, S. 66), führt jedoch in die Irre, weil es gerade der Sinn dieses Selbstbewusstseinsmodells ist, Selbst, Bewußtsein und Sein – zunächst – klar voneinander zu scheiden.
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machen.104 Dieses zweite Ich nun ist dasjenige, welches infolge der logischen Implikationen, die seine Bestimmtheit nach sich zieht, das Sein in Leben verwandelt. Es ist das Sein als Gewusstes, wohingegen das erste Ich dasjenige ist, welches dies Gewusste in einem Subjekt identifiziert.105 Wird die scheinbare Selbstbewegung des Lebens rekapituliert, die sich als Selbstbewegung des Bewusstseins dieses Lebens erwiesen hat, fällt auf, dass am Ende von der „unorganischen Natur“ des Lebens die Rede war. Diese wurde identifiziert mit der „Gat-
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Werner Becker, Idealistische und materialistische Dialektik. Das Verhältnis von ‚Herrschaft und Knechtschaftǥ bei Hegel und Marx, Stuttgart 1972, sieht jedoch durch „die definitive Ineinssetzung des Ich-Objekts mit dem ‚Anderssein der sinnlichen und wahrgenommenen Weltǥ […] jeden Unterschied zwischen Selbstbewußtsein und Gegenstandsbewußtsein“ aufgehoben (S. 57). Somit treibe Hegel, da die „Differenz von Selbstbewußtsein und Gegenstandsbewußtsein […] die Grundvoraussetzung einer jeden idealistischen Konzeption von Descartes“ sei (S. 58), „den Idealismus in eine Konsequenz, in welcher der idealistische Ansatz in Sinnlosigkeit übergeht“ (ebd.), und folglich denaturiere (vgl. ebd.). Becker übersieht, dass von einer „definitiven Ineinssetzung“ keine Rede sein kann, da Hegel sehr wohl zwischen bestimmtem Selbstbewusstsein und reinem Selbstbewusstsein unterscheidet, welches das Subjekt- und das Objektbewusstsein zwar ablöst und damit zu einer idealistischen Konzeption befähigt, die außertheoretischen Annahmen wie die des Fichteschen „Anstoßes“ unnötig macht, jedoch die Unterscheidbarkeit von Subjekt und Objekt bewahrt. Beckers Vorhaltung, dass Hegel an „die Stelle dessen, was Fichte Nicht-Ich nennt […] lediglich einen in seiner Bedeutung wechselnden, empirischen Begriff [setzt], der auf Bewußtseinstranszendentes abzielt“ (S. 59), ist insofern unverständlich, als Hegel in der Formel „ein Selbstbewusstsein für ein Selbstbewusstsein“ die Selbstbewusstseinsverdoppelung als idealistische auf den Punkt bringt. Die Rede vom „wechselnden empirischen Begriff“ offenbart ein Unverständnis der Aufgabe der PhG, nämlich historische und geistige Phänomene in all ihrer Vielfarbigkeit in einem systematischen Zusammenhang darzustellen, in welchem sie als Typen logischer Kategorien zu erkennen sind, die nun in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und somit Einseitigkeit kenntlich werden. Die Tatsache, dass Hegel „diese seine Paraphrasen permanent mit neu gewählten Termini durchsetzt“ (S. 62), ist also nicht einer unredlichen Absicht Hegels geschuldet, eine etwaige Defizienz seiner Argumentation zu verschleiern, sondern dient im Gegensatz durch den Hinweis, dass diese Kategorien in immer neuen Zusammenhängen unter stets anderen Namen zur Erscheinung kamen, der Klärung ihrer grundsätzlichen Verfasstheit. Werner Beckers Diffamierung dieses Gedankens als „animistische ‚Intellektierungǥ der Materie“ (ebd.) erweckt den Anschein, als sei auch ein nichtintellektuiertes Sein denkbar und übersieht dabei völlig, dass durch diese Wendung Hegel alle Probleme des Deutschen Idealismus, die durch ein Ding an sich oder einen äußeren Anstoß entstanden sind, umgangen hat.
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tung als solcher“106 bzw. dem „Selbstbewusstsein“. Die Bezeichnung „unorganisch“ wiederum legt die Richtigkeit obiger Lesart nahe, denn wenn das Leben mit dem Unorganischen in Beziehung steht, ist auch es mit dem Anderen seiner selbst verbunden. Es ist die wohlvertraute Lehre, dass Bestimmtheiten nur denkbar sind in Bezug auf Allgemeines, Allgemeines nur in Bezug auf Bestimmtes, die sich hier auch in der Sphäre des Bewusstseins selbst zeigt. Es ist zugleich deutlich geworden, dass dem zweiten Selbstbewusstsein, welches zwar vom Selbstbewusstsein als es selbst erkannt wird, sich aber sogleich wieder in eine Bestimmtheit entfremdet, das Moment des Fürsichseins fehlt. Indem es fähig ist, mit dem Selbstbewusstsein identisch zu sein, ist es zwar Selbstbewusstsein. Ihm wurde dieser Status jedoch nur durch die Selbstsüchtigkeit des Ich=Ich gleichsam aufgeprägt. Somit ist der Grund gelegt für die weitere Entwicklung des Selbstbewusstseins, denn nun tritt der Widerspruch zwischen bestimmtem Selbstbewusstsein und unbestimmten Selbstbewusstsein auf, nicht mehr nur zwischen Selbstbewusstsein und Gegenstand. Es darf deshalb nicht der Eindruck entstehen, das Selbstbewusstsein als reine Identität und die Begierdestruktur des Selbstbewusstseins seien als falsche Theorien beiseite zu legen. Sie sind jeweils notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen des Selbstbewusstseins, deren Dürftigkeit je auf die nächste Struktur verweist. Mit der Gestalt des „anderen Selbstbewusstseins“ hat sich das Selbstbewusstsein zu einer Einheit abgerundet und der Begriff des Selbstbewusstseins ist erreicht. Dieser Begriff gliedert sich auf in a) den unmittelbaren Gegenstand des Ich=Ich, b) diesen unmittelbaren Gegenstand als vermittelten, nämlich über die Begierde als tätige Negation des „selbständigen Gegenstands“ und schließlich c) die „gedoppelte Reflexion“ als „Verdoppelung des Selbstbewusstseins“ in der neuen Gestalt des „lebendigen Selbstbewusstseins“,107 der sowohl „Ich, wie Gegenstand“108 ist (vgl. PhG, S. 127). 106
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Dieser Begriff kann auch nicht anhand der Wissenschaft der Logik erklärt werden, die zwar vom Begriff der Gattung reichen Gebrauch macht, eine „Gattung als solche“ aber nicht kennt. Adriaan Peperzak, Selbstbewußtsein – Vernunft – Freiheit – Geist, in: Lothar Eley (Hrsg.), Hegels Theorie des subjektiven Geistes in der „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse“, Stuttgart/Bad Cannstatt 1990, S. 280-312, stört sich (S. 294f) am Hegelschen „Schema eines subjektiven Bewußtseins, dessen Objekt dasselbe Bewußtsein ist […] Sich seiner selbst in ver-
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Das bemerkenswerte an einem so gefassten Begriff von Selbstbewusstsein wäre, dass, sollte er gelingen, er als nicht-reflexiver Begriff die Probleme der Reflexionstheorie des Selbstbewusstseins vermeidet.109 Nach dieser erfasst sich das Selbstbewusstsein, indem es sich von den Dingen, derer es bewusst ist, ab- und sich zuwendet. Die unauflösbaren philosophischen Schwierigkeiten dieser Theorie liegen darin, dass die Frage, wie dasjenige definiert ist, wovon das Selbstbewusstsein Bewusstsein hat, in einen Zirkel führt. Diese Schwierigkeit kann auch in der Variante vorgestellt werden, dass, wenn es sich als seiner bewusst vorstellen will, es schon wissen muss, wann denn der Fall des Bewusstseins seiner selbst vorliegt, es also schon Kenntnis von sich haben muss, bevor
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schiedenen Bewußtseinsweisen eines Gegenstandes bewußt zu sein, ist vielmehr eine horizontgebende, umgreifende und einbettende Anwesenheit bei und Vertrautheit mit dem eigenen Bewußtsein in der Orientierung auf Anderes, ein unvermitteltes Bei-sich-sein oder ein gelichtetes Sich-selbst-ausstehen, das zwar eine Beziehung zu sich enthält, aber nicht den Charakter einer Objektivität hat. Das ‚sichǥ ist kein Objekt.“ (S. 295) Aber das Selbstbewusstsein hat weder sich zum Gegenstand, denn das wäre die leere Selbstidentität, noch einen Gegenstand, welchen es denkend begleitete. Vielmehr ist das Wissen seiner selbst als Wissen eines lebendigen Selbstbewusstseins konsequent als Wissen eines anderen gedacht; von einem Gegenstandswissen, in welchem das Bewußtsein immer in geheimnisvoller Weise zugleich von sich weiß, kann bei der Doppelung des Selbstbewusstseins keine Rede mehr sein. Auf die Wichtigkeit der Identität von Ich und Bewußtsein dieses Ich, da nur so die Bestimmungen des Selbstbewusstseins als eigene Bestimmungen denkbar und nur so das Ich von seinem Gegensatz befreit werden kann, macht Hans Friedrich Fulda aufmerksam (Spekulatives Denken und Selbstbewußtsein, S. 473). Deshalb ist Werner Mayer, Selbstbewußtsein und Freiheit. Vom Begriff der Selbstbestimmung zur Selbstbestimmung des Begriffs, Wien 1995, S. 135, Unrecht zu geben darin, dass er meint, dass „das Bewußtsein eigentlich schon Selbstbewußtsein ist. Wenn es das Wissen – das es ja selbst ist – vom Gegenstand unterscheidet, weiß es auch sein Wissen, ist es Wissen seines Wissens.“ Das ist eben nicht der Fall, schon allein deshalb nicht, weil Bewusstsein kein Prädikat ist, das vom Bewusstsein selbst als zu seiner inneren Struktur gehörig ausgesagt zu werden braucht, selbst wenn es schon als Bewusstsein selbstreferentiell sein muss, worauf Cramer, Bemerkungen zu Hegels Begriff vom Bewußtsein, S. 87ff. hinweist. Das Bewusstsein in den ersten drei Kapitel – auch da, wo es auf sich reflektiert – begreift das Wissen eben nicht als Wissen seiner selbst, sondern als Wissen eines Anderen, ist in diesem Wissen also abhängig, nicht selbständig. Für das Selbstbewusstsein in der Ausführung der PhG gibt es somit kein Außen mehr, wie noch für das Ich Kants und Fichtes. Vgl. dazu Cramer, Erlebnis; Dieter Henrich, Selbstbewußtsein. Kritische Einleitung in eine Theorie, in: Rüdiger Bubner/Konrad Cramer/Reiner Wiehl (Hrsg.): Hermeneutik und Dialektik. Aufsätze I, Tübingen 1970, S. 257-284 (S. 269-274 u. S. 275).
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es überhaupt Kenntnis von sich haben kann. Indem Hegel den Unterschied von Subjekt und Objekt als eine unwirkliche Abstraktion beiseite wischt, vermeidet er diesen Zirkel.110 Gleichwohl scheint das eigentümliche Konstruktionsprinzip des Selbstbewusstseins als Widerspruch in sich diese Abstraktionen als Extreme immer wieder aus sich herauszutreiben, was zu betrachten sein wird. Zuvor muss sich aber der wichtigen Frage gestellt werden, ob nicht ein ganz neuer Phänomenenbereich mit der nun erreichten Gestalt des Bewusstseins erschlossen werden kann.
2.7 Die Möglichkeit der Ableitung von Multi- und Intersubjektivität aus der Verdoppelung des Selbstbewusstseins Diese Doppelgestalt im Begriff des Selbstbewusstseins als reines Selbstbewusstsein und sich bestimmendes Selbstbewusstsein scheint es nämlich zu erlauben, sie zur Erhellung auch von sozialen Phänomenen zu verwenden. Dies deshalb, weil mit dieser Gestalt scheinbar erstmalig die Ableitung von Intersubjektivität möglich ist. Dieser Gedanke drängt sich deswegen auf, weil sonst der Übergang zum Verhältnis von Herr und Knecht arbiträr erscheinen muss. Die Überlegung ist einfach: In der Gestalt Ich=Ich kann das Selbstbewusstsein zwar „allgemein“ genannt werden. Es ist jedoch so kein individuelles Selbstbewusstsein denkbar, denn als individuiertes Selbstbewusstsein müsste es bestimmtes Selbstbewusstsein sein. Die Fähigkeit der Individuation liefert jedoch nun das lebendige Selbstbewusstsein. Ein individuiertes Selbstbewusstsein impliziert jedoch notwendig eine Vielzahl selbstbewusster Individuen, denn auch hier gilt: Bestimmt ist nur dasjenige zu nennen, was sich qua Negation von anderen Bestimmtheiten abhebt. Mit dem Ich ist somit etwas gewonnen, was einerseits allen gemein ist, andererseits jedem Ich zugleich individuelle Gestalt gibt. Das könnte Hegel gemeint haben damit, dass „hiermit“ schon der Begriff des G e i s t e s für uns vorhanden“ (PhG, S. 127) ist. Dies ist 110
Henrich, Selbstbewußtsein, unterstellt Hegel jedoch, Fichtes Einsicht in die problematische Struktur des reflexiv gefassten Selbstbewusstseins nicht ausreichend gewürdigt zu haben. Er habe „sich niemals von der Reflexionstheorie des Selbstbewußtseins gelöst und damit dafür gesorgt, daß der gesamte Hegelianismus in der Bewußtseinstheorie dogmatisch und unproduktiv geblieben ist.“ (S. 281) Diese Einschätzung kann im Lichte der oben rekonstruierten Figur des Selbstbewusstseins hier nicht geteilt werden.
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er deshalb, weil das Selbstbewusstsein gewissermaßen als „sensus communis“ gedacht werden könnte.111 Wenn nun das Selbstbewusstsein, so aufgefasst, weiter in seiner Erfahrung mit sich beobachtet wird, so nicht als Individualprinzip, aber auch nicht als Abstraktum, was Allem in einer gänzlich unspezifizierten Weise zukäme, sondern eben als „Geist“: Was für das Bewußtsein weiter wird, ist die Erfahrung, was der Geist ist, diese absolute Substanz, welche in der vollkommenen Freiheit und Selbständigkeit ihres Gegensatzes, nämlich verschiedener für sich seiender Selbstbewußtsein, die Einheit derselben ist; I c h , das W i r , und W i r , das I c h ist. (PhG, S. 127)
2.7.1 Die Möglichkeit des intersubjektiv vermittelten Selbstbewusstseins Die Sache verhält sich aber leider komplizierter. Denn die zunächst zu lösende Aufgabe ist ja, dass Ich als leere Identität mit dem Ich in seiner vielfältigen Bestimmtheit zu vereinen. Eine Ableitung anderer Individuen hat dies zur Voraussetzung, denn erst ein in sich individuiertes Ich ist ein für andere individuiertes Ich: Das Wir hat so das saturierte Ich zur Voraussetzung. Wird dies nicht bedacht und mit der Medialität des Ich zugleich seine Binnenstruktur wie die Fähigkeit zur mehrfachen Individuierung verstanden, so ist das eine vom anderen nicht mehr zu unterscheiden, es könnte also nicht mehr gesagt werden, ob die Person, die das Haus, und die, die im nächsten Moment den Baum sieht, ein und dieselbe Person ist. Dass es im nächsten Abschnitt unvermittelt um soziale Verhältnisse geht, könnte also der Sache nach ausgeschlossen werden. Es bleibt jedoch noch eine Möglichkeit für die sozialphilosophische Lesart übrig. Es ist für ein Individuum gar nicht notwendig, dass es sich als Individuum weiß. Es kann ebenso als rein in der Naturkausalität stehendes und dennoch mit sich identisches Objekt von Bestimmungen gedacht werden. Hegel gebraucht hierfür das Motiv der „Kette“, welches auch an späterer Stelle der Erörterung zu Herrschaft und Knechtschaft eine Rolle spielt. In der Differenz111
Dieser ist natürlich nicht zu verwechseln mit dem von Hegel als philosophische Position heftig attackierten „gemeinen Menschenverstand“.
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schrift ist von der „Kette der Endlichkeiten des Bewußtseins“112 die Rede, der „Kette der Notwendigkeit“113; im Naturrechtsaufsatz wird die empirische Freiheit als Möglichkeit der Wahl zwischen +A und –A damit verworfen, dass in ihr „an das + A […] das – A sowie an das – A das + A unauflöslich gekettet“114 ist. Interessanterweise ist es dort gerade die Individuation, die das Selbstbewusstsein gefährdet: „Denn das Individuum ist eine Einzelheit, und die Freiheit ist ein Vernichten der Einzelheit; durch die Einzelheit ist das Individuum unmittelbar unter Bestimmtheiten, damit ist Äußeres für dasselbe vorhanden und damit Zwang möglich.“115 Dem Zwang entgehen kann das Individuum dadurch, dass es, wenn es sich als +A bestimmt, es dem Zwang durch –A dadurch entziehen kann, indem es sein +A negativ setzt, entäußert und aufhebt. Könnte es dies nicht, so könnte an das +A eine „unendliche Kette anderer Bestimmtheiten gefesselt werden“116. So könnte, wenn vom Freiheitsvermögen abstrahiert wird, Individualität als Objekt einer Kette kausaler Einflüsse verstanden werden. Abgesehen davon, dass solche Individualität nur über Umwege sich aus Hegels Texten herauslesen lässt: Dies setzt nicht zwingend eine Vielzahl von Individuen voraus, wie sie für eine Sozialphilosophie aber einmal nötig sind, und zwar aus folgendem Grund: Das Ding und das Gesetz zwangen dazu, eine Vielzahl von Dingen und Gesetzen anzunehmen, weil das Ding als bestimmtes und das Gesetz als bestimmtes sonst gar nicht zu denken wären. Dies ist beim Selbstbewusstsein nicht der Fall, es ist schon zu begreifen als allgemeines Medium vieler Bewusstseinsinhalte, als welches es sich freilich noch zu erweisen hat. Fehlte jedoch dieser Erweis, wäre jeder Weg versperrt, Bestimmtheiten als Bestimmtheiten des Selbstbewusstseins zu begreifen – denn dies soll nach der noch vorzustellenden Lesart die Anerkennungsbewegung leisten. Zudem wäre zu fragen, was das Substrat dieser Bestimmtheitszuschreibungen überhaupt sein soll, wäre es doch vom Gesetz in der Erscheinung nicht zu unterscheiden. 112 113 114
115 116
Hegel, Differenzschrift, S. 11. Ebd., S. 42 u. S. 104. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Über die wissenschaftliche Behandlungsarten des Naturrechts, seine Stelle in der praktischen Philosophie und sein Verhältnis zu den positiven Rechtswissenschaften (=Naturrechtsaufsatz), in: ders., Jenaer Schriften 1801-1806, Frankfurt am Main 1996, S. 434-532 (S. 477). Ebd., S. 478. Ebd.
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Nun ist es durchaus nicht so, dass keine Theorie des Selbstbewusstseins möglich wäre, nach welcher es sich über den Umweg der Intersubjektivität erst herzustellen hätte. Eine solche Theorie hat Fichte vorgelegt.117 Sie sei anhand seiner Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, seiner Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre (1796) und seines Systems der Sittenlehre nach den Principien der Wissenschaftslehre (1798) knapp umrissen. Es soll mit der umfangreichsten Darstellung begonnen werden, und diese befindet sich im Naturrecht. Sie hebt an mit dem „Zweiten Lehrsatz“: „Das endliche Vernunftwesen kann eine freie Wirksamkeit in der Sinnenwelt sich selbst nicht zuschreiben, ohne sie auch anderen zuzuschreiben, mithin auch andere endliche Vernunftwesen ausser sich anzunehmen.“118 Fichte begründet diese Aussage mit einem Rätsel, welches das Selbstbewusstsein aufgebe. Das Selbstbewusstsein als sich frei bestimmend kann kein Objekt wahrnehmen und begreifen, ohne sich eine Wirksamkeit zuzuschreiben, die somit zur Bedingung des Setzens des Objektes wird. Es kann sich diese Wirksamkeit allerdings nicht zuschreiben, ohne dies Objekt gesetzt zu haben. Dieser notwendige Zirkel scheint nun das Begreifen des Selbstbewusstseins zu verunmöglichen. Es gibt aber einen Ausweg: Es muss nur angenommen werden, „die Wirksamkeit des Subjects sey selbst das wahrgenommene und begriffene Object, das Object sey kein anderes, als diese Wirksamkeit des Subjekts, und so seyen beide dasselbe“.119 Allerdings scheint es nun, als wäre ein „vollkommener Widerspruch“ an die Stelle des Zirkels getreten: Es widerspricht die Freiheit des Subjekts dem Gehemmtsein dieser freien „Thätigkeit des Subjects bei seiner Auffassung“; Bestimmtheit und Selbsttätigkeit in einem Akt gleichermaßen zu denken erscheint also unmöglich. Es sei denn, das Subjekt findet sich insofern als Objekt, als dieses es zur Selbsttätigkeit bestimmt. Dadurch ist kein Sein, sondern ein Sollen bestimmt, diesem kann das Selbstbewusstsein nun entsprechen oder nicht entsprechen, in beiden Fällen aber zeigt es sich als frei. 117 118
119
Für diesen Hinweis danke ich Herrn Oliver Koch. Johann Gottlieb Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre, in: Immanuel Hermann Fichte (Hrsg.), Fichtes Werke III. Zur Rechts- und Sittenlehre I, Berlin 1971, S. 1–385 (S. 30). Ebd., S. 32.
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Dieses zur Selbsttätigkeit Bestimmen, dies Auffordern kann kein kausales Bewirken sein, sondern das Vernunftwesen „soll nur zufolge derselben sich selbst dazu bestimmen.“120 Diese Aufforderung muss zudem verstanden werden, sie wird also geäußert, um einen Zweck zu erreichen, und dies kann sie nur, wenn ihr Adressat Verstand hat, sie zu verstehen, und die Freiheit, sie auszuführen. Die Ursache der Aufforderung muss also „nothwendig den Begriff von Vernunft und Freiheit haben, ist also „selbst ein der Begriffe fähiges Wesen, eine Intelligenz, und, da eben erwiesenermaßen dies nicht möglich ist ohne Freiheit, auch ein freies, also überhaupt ein vernünftiges Wesen“.121 So kann Fichte schließlich abschließend die Aussage treffen, dass der „Mensch nur unter Menschen ein Mensch“122 wird, und die Aufforderung zur freien Selbsttätigkeit als „Erziehung“ weiterbestimmen. (Dem infiniten Regress, der durch die Frage angestoßen wird, wer denn die Erzieher erziehe, glaubt Fichte mit dem Verweis auf die Schöpfungsgeschichte der Bibel zu entgehen.)123 In der Sittenlehre beruft sich Fichte auf diesen Intersubjektivitätsbeweis, macht aber die Einschränkung, dass sich nur die Notwendigkeit genau eines weiteren Menschen deduzieren lasse,124 und bringt die Ergänzung, dass diese Abhängigkeit der Freiheit des Einen von der des Anderen nach sich zieht, die eigene Freiheit dort zu limitieren, wo sie die Freiheit dieses Anderen einschränkt: „Meine Ichheit und Selbständigkeit überhaupt ist durch die Freiheit des anderen bedingt; mein Trieb nach Selbständigkeit kann sonach schlechthin nicht darauf ausgehen, die Bedingung seiner eigenen Möglichkeit, d.i. die Freiheit des anderen, zu vernichten.“125 Obschon also die Wirklichkeit der Freiheit eines weiteren Vernunftwesens, und daraus resultierend ein Gebot der Freiheitsbeschränkung erwiesen ist, so können mehrere Andere wenigstens der Möglichkeit nach erklärt werden, zumal schon ein Begriff wenn auch nur eines anderen Vernunftwesens vorhanden ist. Erstlich liegt es im Wesen jeder individuellen Freiheit, in ihrer Selbstbestimmung 120 121 122 123 124
125
Ebd., S. 36. Ebd. Ebd., S. 39. Vgl. ebd., S. 39f. Vgl. Johann Gottlieb Fichte, Das System der Sittenlehre nach den Principien der Wissenschaftslehre (1798), in: Immanuel Hermann Fichte (Hrsg.), Fichtes Werke III. Zur Rechts- und Sittenlehre II, Berlin 1971, S. 1-365 (S. 233). Ebd., S. 221, Kursivierungen im Original.
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durch den dadurch geleisteten Verzicht auf alternative Handlungsoptionen Anderen einen Handlungsraum zu eröffnen.126 Die Folgerung jedoch auf eine Mehrzahl vernunftbegabter Wesen wird möglich durch das „Kunstproduct“. Das Wesen des Artefakts liegt nicht, wie bei einem Naturprodukt, in ihm selbst, es liegt außerhalb seiner. Da es außer ihm liegt, muss sein Zweck in es von jemandem hineingelegt worden sein, und derjenige muss über einen „Begriff vom Begriff“ verfügen. „So gewiss ich etwas für ein Kunstproduct erkenne, muss ich nothwendig ein wirklich vorhandenes vernünftiges Wesen als den Urheber desselben setzen.“127 Das Ich hat also, nachdem es notwendig ein anderes Ich außer sich setzen muss, die Möglichkeit, von Kunstprodukten auf das Dasein anderer Vernunftwesen zu schließen. Dieser Erklärung aus dem „Gesichtspuncte des gemeinen Bewusstseyns“ lässt Fichte eine transzendentale folgen, die aber ob ihrer Dunkelheit auslegungsbedürftig ist. Als Objekt sei ein Kunstprodukt eine „Beschränkung des Triebes“, also einer Hemmung der freien Tätigkeit des Ich, oder, in die Sprache Hegels übersetzt, eine Bestimmtheit des an sich bestimmungslosen Ich. Nun kann es vorkommen, dass der Trieb auf die „Modification“ des Objekts gehe. „Hier aber ist nicht eine blosse Beschränkung unseres Seyns, sondern auch unseres Werdens; wir fühlen unser Handeln zurückgestossen innerlich, es ist eine Beschränkung unseres Triebes nach Handeln sogar, und daher schliessen wir auf Freiheit ausser uns.“128 Die Formulierung „Beschränkung unseres Triebes nach Handeln“ ergibt nur Sinn, wenn darin ein Erkennen normativer Ansprüche anderer ausgedrückt ist. Nur solche sind in der Lage, ein Zurückweisen von Handeln „innerlich“ spürbar zu machen. Das ergibt mit dem Vorherigen aber nur Sinn, wenn der Begriff des Artefakts in einem sehr weiten Sinne verstanden wird.129 126 127 128
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Vgl. ebd., S. 223. Ebd., S. 224. Ebd., S. 225, Kursivierungen im Original. Vgl. dazu auch Johann Gottlieb Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo. Kollegnachschrift K. Chr. Fr. Krause 1798/99, Hamburg 1994, S. 175 ff., in der die Notwendigkeit der Beschränkung aus der Erklärung des „Wollens nach einem Zweckbegriffe“ (S. 174) folgt, ohne welches ein „freies Wesen“ nicht erkennbar sei. Schelling, auf dessen Neue Deduction des Naturrechts Fichte ebd. verweist, drückt dies noch deutlicher aus: „Nur dann, wann ich mich an den W i l l e n eines andern wende, und dieser mit einem kategorischen I c h w i l l n i c h t ! meine Forderungen zurückschlägt, oder seine Freiheit nur um den Preis der meinigen feil bietet, erkenne ich, daß hinter diesem Antlitz Menschheit und in
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Die weitere Darstellung der Intersubjektivitätstheorie der Sittenlehre ist hier nicht erforderlich, zumal Fichte einige wesentliche Details, in denen er sich auf die Leibnizsche Prädeterminationslehre beruft, später als „überfliegendes Räsonnement“ wieder zurücknimmt.130 Hegels Anerkennungslehre in seiner enzyklopädischen Phänomenologie, welcher sich hier gewidmet werden soll, da sie sich aufgrund ihrer Kompaktheit und der ähnlichen Thematik als geeigneter Text ausweist, um verschiedene Interpretationswege für die komplexere und verschachteltere Anerkennungslehre des Selbstbewusstseinskapitels der PhG zu erproben, ist der Fichteschen Intersubjektivitätslehre sehr ähnlich: Diese könnte jener Pate gestanden haben. Im §425 wird dort die Begierde eingeführt als entstehend aus dem Widerspruch des Selbstbewusstseins mit dem ihm notwendig angehörenden, da erst Realität verleihenden Bewusstsein, es ist „behaftet“ „mit der Negation seiner“. Indem das Bewusstsein und die Negation überhaupt im Ich = Ich an sich schon aufgehoben ist, so ist es als diese Gewißheit seiner selbst gegen das Objekt der T r i e b , das zu setzen, was es an sich ist, – d.i. dem abstrakten Wissen von sich Inhalt und Objektivität zu geben und umgekehrt sich von seiner Sinnlichkeit zu befreien, die gegebene Objektivität aufzuheben und mit sich identisch zu setzen; beides ist ein und dasselbe; – die Identifizierung seines Bewußtseins und Selbstbewußtseins.
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dieser Brust Freiheit wohnt.“ (Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Neue Deduction des Naturrechts, in: ders., Ausgewählte Werke. Schriften von 17941798, Darmstadt 1980, S. 127-160 [ S. 130]). Der Mensch wird Mensch durch Kommunikation, durch die Etablierung einer gemeinsamen „sich auf gegenseitige Verständigung zu gründenden Welt“ (Ivaldo, Fichte und Leibniz zur Intersubjektivität, S. 68), und kommuniziert wird zunächst die eigene Freiheit und somit die Aufforderung an andere, sich selbst frei zu bestimmen, aber dabei die Sphäre der Freiheit anderer nicht einzuschränken – es könnte gesagt werden, sie anzuerkennen: „In dem Aufgerufenwerden findet sich das Ichbewußtsein zur Verantwortung aufgefordert: und zwar durch die Wahrnehmung der Grenzen und zugleich der Möglichkeiten seiner Freiheit.“ (Marco Ivaldo, Transzendentale Interpersonalitätslehre in Grundzügen nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre, in: Albert Mues, (Hrsg.), Transzendentalphilosophie als System. Die Auseinandersetzung zwischen 1794 und 1806, Hamburg 1989, S.163-173 [S. 171]). Vgl. Alois K. Soller, Die Unbegreiflichkeit der Wechselwirkung der Geister. Das Problem einer Interpersonalitätslehre bei Fichte. In: Helmut Girndt/ Wolfgang H. Schrader, (Hrsg.): Realität und Gewißheit. Fichte-Studien, Bd. 6, Amsterdam-Atlanta 1994, S. 215-227 (S. 218).
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Diese Bewegung ist ganz die der Begierde der PhG, nur mit dem schon bereits erwähnten Unterschied, dass das Objekt nicht als das Leben bestimmt und als „lebendiges Selbstbewusstsein“ weiterbestimmt ist. Die Begierde entsteht durch den immanenten Widerspruch des Selbstbewusstseins, wie im folgendem § weiter ausgeführt wird: Es ist Abstraktion vom Gegen-stand, aber als solche auf diesen verwiesen; oder als unmittelbar Einzelnes objektiv, soll aber zugleich subjektiv sein. Von der subjektiven Seite ist das Objekt, von der objektiven das „abstrakt ideale“ Subjekt „als ein Nichtiges bestimmt“ – im Gegensatz zum Selbstbewusstsein der PhG, für das allein das Objekt das Nichtige ist. Im §427 heißt es diese Negativität betreffend, dass das Selbstbewusstsein sich „an sich im Gegenstande weiß“, somit die einseitigen Abstraktionen des abstrakt Objektiven und abstrakt Subjektiven hinter sich lässt und deren Identität herstellt, welcher Tätigkeit der Gegenstand als das „Selbstlose“ „keinen Widerstand“ zu leisten in der Lage ist – in der PhG erweist sich der Gegenstand allerdings als selbständiges Leben. Da aber in der Enzyklopädie der Gegenstand nicht selbständig ist, wird das Ich durch die Begierde im §428 „für sich“ befriedigt – für sie ist also kein anderes Selbstbewusstsein nötig, wie für das begehrende Ich der PhG! Allerdings gibt es die Gemeinsamkeit, dass in beiden Fällen die Begierde sich wieder herstellt. Im Falle der PhG liegt das allerdings an der Selbständigkeit des Gegenstandes, in der Enzyklopädie an der „Selbstsüchtigkeit“ des Inhaltes der Begierde – durch sie wird nur eine abstrakte Identität hergestellt, eine Einzelheit, deren Fatum es aber ist, sich immer wieder bestimmen zu müssen – wie schon aus der Sinnlichen Gewissheit bekannt, als das einzelne Diese ob seiner Abstraktheit von einer Bestimmtheit in die nächste getrieben wurde – und von dort jeweils immer wieder zurück in seine Abstraktheit. Am Ende aber ist mit der Begierde auch hier ein „Progress ins Unendliche“ erreicht, wie im Zusatz zum § angeführt. Dies aber nur, wenn nicht auch die andere Seite betrachtet wird, was aber im §429 geschieht: Denn durch das negative Verhalten der Begierde wurde der Gegenstand positiv zu etwas Allgemeinem gemacht. Er erweist sich als fähig, mit dem Ich identifiziert zu werden, und dies erlaubt, das Objekt freies Objekt, das Bewusstsein also Bewusstsein eines freien Objekts zu nennen. Im „Zusatz“ heißt es dazu:
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Nach der inneren Seite, […] oder dem Begriffe nach, hat das Selbstbewußtsein, durch Aufhebung seiner Subjektivität und des äußerlichen Gegenstandes, seine eigene Unmittelbarkeit, den Standpunkt der Begierde negiert, sich mit der Bestimmung des Andersseins gegen sich selbst gesetzt, das Andere mit dem Ich erfüllt, aus etwas Selbstlosem zu einem freien, zu einem selbstischen Objekt, zu einem anderen Ich gemacht, – somit sich als ein unterschiedenes Ich sich selber gegenübergestellt, dadurch sich über die Selbstsucht der bloß zerstörenden Begierde erhoben.
Das Objekt wurde also ins Innere aufgenommen, „begriffen“, aus einem Unmittelbaren etwas Allgemeines gemacht; das Objekt subjektiviert und das Subjekt objektiviert. Im Assimilieren des Objekts zeigt sich also erstens, dass es als Objekt aufgehoben, negiert werden kann, aber eben auch zweitens, dass es affirmativ als aufhebbar, negierbar erkannt wird. Die Objekte bleiben zwar nicht als Objekte bestehen, aber indem sie Inhalt des Selbstbewusstseins werden, verwandeln sie sich in Begriffe, sie werden also selbst zum Selbstbewusstsein. Diese Redeweise verliert ihre Befremdlichkeit, wenn daran erinnert wird, dass darin nichts anderes ausgesagt ist als: Dinge sind nur als Gedanken, also als Mixtur von subjektiven, d.h. abstraktiven Leistungen, und objektivem Bestimmen. Dinge werden gedacht, indem von anderen Dingen abstrahiert wird; diese Abstraktion gelingt aber nur, wenn gleichzeitig eine Dingwelt gesetzt wird, von der abstrahiert werden kann. Die Welt lässt sich auf dieser Stufe der PhG ausschließlich als ein Produkt subjektiver Leistungen beschreiben, und das Objektivieren seiner selbst ist ebenfalls eine Leistung, die das Subjekt erbringen muss, welches dazu keiner äußeren Anstöße bedarf. Die objektiven Gesetze sind nun auch hier, in der Enzyklopädie, in Gedanken überführt, also um das subjektive Moment angereichert. Es wird sich unten zeigen, dass dies Erörterte auch für das Selbstbewusstsein der PhG gilt. Dies vorausgesetzt, bereitet auch der folgende §430 keine Probleme. „Es ist ein Selbstbewußtsein für ein Selbstbewußtsein“ heißt es zunächst, es wird also die identische Formulierung gebraucht wie in PhG, S. 127. Ebenso gilt auch hier, dass sich das Binnenverhältnis des Selbstbewusstseins als „Anderes für Anderes“ darstellt, es ist also auch hier eines der Identität Nichtidentischer, welches sich, was für die PhG im Anschluss an diesen Exkurs noch zu zeigen ist, jedoch als diese Identität noch herstellen muss. Regelrecht kontraintuitiv, da bei bestem Willen nicht mit dem § vor den
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§430 zu vermitteln, ist jedoch der Weg dieser Identifizierung: Sie soll sich über einen Kampf herstellen. Dieser ist jeweils gegen die Unmittelbarkeit des anderen gerichtet. Diese Unmittelbarkeit ist „zugleich die Leiblichkeit des Selbstbewußtseins“, welche wiederum das jeweilige „Zeichen und Werkzeug“ ist. Dies „Zeichen und Werkzeug“ hat darüber hinaus die ihm „sein eigenes Selbstgefühl sowie sein Sein für andere und seine es mit ihm vermittelnde Beziehung.“ Lassen sich diese Bemerkungen zur Not noch metaphorisch verstehen, so macht der Zusatz zu diesem § unmissverständlich klar, dass Hegel meint, jetzt soziale Sachverhalte thematisieren zu können – es ist von Leiblichkeit die Rede, davon, dass wahre Freiheit nur zustande kommt, wenn Menschen einander sich als Freie zeigen: „Die Freiheit fordert daher, daß das selbstbewußte Subjekt weder seine eigene Natürlichkeit bestehen lasse“ – eine Anspielung auf das Unzureichende der Begierde – „noch die Natürlichkeit anderer dulde, sondern vielmehr, gleichgültig gegen das Dasein, in einzelnen unmittelbaren Händeln das eigene und das fremde Leben für die Erringung der Freiheit auf das Spiel setze.“ Der Ausweg, dass dies nur eine beispielhafte Veranschaulichung Hegels sei, wird verbaut mit Blick auf die Zusätze der folgenden §§, die diese sozialphilosophischen Überlegungen fortsetzen, spätestens jedoch dann, wenn im Paragraphentext selber, nämlich im §433, klar wird, dass Hegel hier Bezug auf den historischen Anfang der Staaten nimmt. Dass diese Bemerkung im Druckbild eingerückt ist, kann auch nicht darüber hinweghelfen, dass hier tatsächlich ein Übergang von epistemischen zu sozialen Fragen geschaffen wurde, da im §434, ganz ohne Einrückung, von der „Vorsorge“ der Bedürfnisbefriedigung die Rede ist und von „Erwerbung, Erhaltung und Formierung“ dessen, was für die „Zukunft“ zu „berücksichtigen“ ist. Wie selbstverständlich also ein Übergang von der Frage, wie ein Objekt als das „meinige“ zu erkennen ist, zum „Kampf um Anerkennung“! Wie selbstverständlich die Identifizierung eines fremden Objektes als mein Begriff mit einem mich herausfordernden Selbstbewusstsein! Es ist für das weitere Vorgehen bei der Interpretation unerlässlich, eine Vorentscheidung zu treffen, auf welche Weise das Identischwerden des Selbstbewusstseins zu deuten ist. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder, es wird sich an den Wortlaut gehalten und die Möglichkeit von Selbstbewusstsein an dessen intersubjektive Kommunikation gebunden, wobei untersucht wer-
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den müsste, auf welche Weise die „Aufforderung zur Freiheit“ bei Hegel geschieht. Mit dieser Möglichkeit wird dem Hegelschen Text offenbar am wenigsten Gewalt angetan und der Übergang zum Abschnitt C: (Psychologie) einsichtiger. Die Verwandlung des Objekts des Selbstbewusstseins in ein selbstbewusstes, leibliches Wesen ist jedoch eine Schwierigkeit, welcher sich diese Interpretation zu stellen hätte. Die andere Möglichkeit liegt darin, alle genannten Äußerungen Hegels als Metaphern zu begreifen, mit welchen Hegel seine eigentliche Aufgabe, die immanente Vermittlung des Selbstbewusstseins mit sich, darzustellen versucht. Die zahlreichen Umetikettierungen, welche das Bewusstsein in seinen verschiedenen Gestalten und Konstellationen erfahren musste und welche den Interpreten jedesmal vor die erhebliche Schwierigkeit der ReIdentifizierung der zugrundeliegenden Bewusstseinsbewegung stellte, scheinen dazu zu berechtigen. Nur sind die Bedenken hier noch stärker als bei der ersten Möglichkeit: Erstens ist es so der Anschluss an die folgenden Kapitel, welcher Probleme bereitet, denn in diesen wird mit dem Geist als Medium sozialer Kommunikation operiert, welches aber zuerst abgeleitet werden muss. Wird jene Möglichkeit der Interpretation gewählt, so fehlt diese Ableitung. Das immanente Verhältnis eines einzelnen Selbstbewusstseins wäre deduziert, die Existenz einer geistigen Gemeinschaft müsste jedoch als erschlichen gelten. Zweitens ist vor textfernen Interpretationen vor allem deshalb zu warnen, weil selbstredend sich mit ihnen eine völlige hermeneutische Beliebigkeit einstellt und das Ergebnis schlechterdings nicht mehr zu falsifizieren ist. Deshalb soll zunächst der Text der Enzyklopädie, der, stärker noch als der entsprechende Abschnitt der PhG, eine sozialphilosophische Sprache spricht, auch als Sozialphilosophie gelesen werden, und zwar als sozialphilosophische Begründung des Selbstbewusstseins, da sich die Aufgabe dieser Begründung schließlich im vorherigen § stellte. Dies auch deshalb, weil Fichtes intersubjektive Begründung des Selbstbewusstseins zeigt, dass eine solche Herleitung mit den strengen Kriterien der deutschen idealistischen Philosophie möglich ist, und weil Hegel die referierten Fichteschen Texte nicht nur gekannt, sondern auch rezipiert hat. Für den Kontext dieser Arbeit bedeutet die Erprobung einer intersubjektiven Lesart eine Entscheidungshilfe für die weitere Deutung des Textes der PhG, in welchem es um die Genese des Ich aus seinen Extre-
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men durch eine Anerkennungsbewegung geht, und schon ihre Bezeichnung legt ja die Möglichkeit nahe, dass auch sie als intersubjektive Anerkennung zu begreifen ist. Dass der merkwürdige Übergang von Objektbewusstsein zu Subjektbewusstsein, welcher oben angesprochen wurde, zunächst ungeklärt bleibt, muss vorerst in Kauf genommen werden. Im §430 wird aus dem „Selbstbewußtsein für ein Selbstbewußtsein“ „ein Anderes für ein Anderes“. In ihm schaut sich das Ich einerseits als es selbst, andererseits als ein „anderes Objekt“ an. „Dieser Widerspruch gibt den Trieb, sich als freies Selbst zu zeigen und für den Anderen als solches da zu sein, – den Prozeß des Anerkennens“. Dies kann für eine intersubjektive Lesart nur den Sinn haben, dass das Selbstbewusstsein, indem es das andere Ich als Objekt betrachtet, auf eine noch zu ergründende Weise bemerkt, ebenfalls als Objekt betrachtet zu werden, also eine Wechselseitigkeit dem Prozess des Anerkennens von Beginn an zugrunde liegt. Dies Anerkennen ist „ein Kampf“, heißt es lapidar zu Beginn des §431. Das Selbstbewusstsein könne sich im Anderen nicht als sich selbst wissen, da das Andere ein „unmittelbar anderes Dasein“ für es ist, weshalb das Selbstbewusstsein auf Aufhebung dieser fremden Unmittelbarkeit „gerichtet“ sei, ebenso aber auch auf Aufhebung der Unmittelbarkeit seiner selbst, denn es könne nicht „als Unmittelbares anerkannt werden“. Nur so könne das Selbstbewusstsein seiner „Freiheit Dasein“ geben. Dies kann entweder so verstanden werden, dass das Selbstbewusstsein darauf „gerichtet“ ist, das Wissen seiner im Anderen als Objekt aufzuheben.131 Diese Aufgabe mit einem Kampf zu lösen wäre jedoch nicht zweckdienlich. Also muss die Aussage wohl so verstanden werden, dass des Anderen Anspruch, auch Selbstbewusstsein zu sein, dem Anspruch des ersten Selbstbewusstseins, singuläres Selbstbewusstsein zu sein, entgegensteht und es so herausfordert und sich so als im Wissen des anderen vorhandenes anderes Objekt selbst aufhebt. Was 131
Lothar Eley, Was ist der systematische Ort des Kampfes des Anerkennens und der Unterwerfung unter einen Herrn in Hegels Theorie des Geistes der „Enzyklopädie“ (1830)?, in: ders. (Hrsg.), Hegels Theorie des subjektiven Geistes in der „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse“, Stuttgart/Bad Cannstatt 1990, S. 339-366 (S. 346, Fn. 5), sieht den Kampf logisch ausgelöst durch einen kontradiktorischen Widerspruch beider Selbstbewusstseine, der zu einem konträren im Herr-Knecht-Verhältnis beruhigt werde.
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gegen den Anderen gerichtet ist, betrifft so das erste Selbstbewusstsein selbst. Dass diese „Unmittelbarkeit“ dennoch wichtig ist, darauf weist die Bemerkung hin, sie sei „zugleich die Leiblichkeit des Selbstbewußtseins, in welcher es als in seinem Zeichen und Werkzeug sein eigenes Selbstgefühl sowie sein Sein für andere und seine es mit ihnen vermittelnde Beziehung hat“. Hier gibt es schon die erste Bemerkung, die an der Gültigkeit einer intersubjektiven Lesart bzw. am wissenschaftlichen Anspruch Hegels zweifeln lässt, denn es gibt nichts in den vergangenen §§, was sich als Ableitung von Leiblichkeit hätte lesen lassen, es sei denn die Notwendigkeit des Kampfes, welcher schließlich eines Vollzugsorgans bedarf. Jedoch gibt Hegel viele Hinweise, als was der Körper fungiert, unter ihnen fehlt allerdings der Körper als Mittel der Überwältigung. Der Kampf selbst lässt sich hingegen recht gut als Hegels rabiate Variante der Fichteschen sittlichen Aufforderung verstehen132 – die Ähnlichkeit reicht sogar dahin, dass hier wie dort nur eine Zweiheit von Selbstbewusstsein als ableitbar gedacht wird. Bei Hegel läuft der Kampf jedoch darauf hinaus, „daß der Mensch sich selber, wie andere, in die Gefahr des Todes bringt“, wie es im „Zusatz“ heißt. Das muss er allerdings, denn nur so wird ihm und anderen offenbar, dass er ein Wesen ist, welches von seinen unmittelbaren Bedürfnissen absehen und welches daher abstrahieren kann. Wird bei Fichte von der sittlichen Aufforderung auf ihren Urheber, und dann darauf, dass dieser ein des Begriffes fähiges Wesen sein müsse, geschlossen, so wird im Angriff dem Angegriffenen offenbar, dass es sich bei dem Angreifer um ein Wesen handeln muss, welches in seinem Mut nicht bloß „selbstsüchtig“ ist, wie auch das Aufgebenkönnen der Unmittelbarkeit der Angegriffene selbst erfährt – wenn er den Kampf annimmt. Ein weiterer Aspekt der Leiblichkeit, nämlich, Dasein der Freiheit zu sein, ist es, welcher den Kampf selbst, der ja Ausdruck eines Widerstreites ist, zu etwas in sich Widerstreitendem macht. Der Kampf ist eine Gratwanderung zwischen Mut und Vorsicht, das rechte Maß zwischen Tollkühnheit und Feigheit, um mit Arist132
So interpretiert auch Italo Testa, Selbstbewußtsein und zweite Natur, in: Wolfgang Welsch, Klaus Vieweg (Hrsg.), Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein kooperativer Kommentar zu einem Schlüsselwerk der Moderne, Frankfurt am Main 2008, S. 286-307, die phänomenologische Anerkennungstheorie im Lichte von Fichtes „zweiter Natur“.
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oteles133 zu sprechen. Es geht nur um die Gefahr des Todes, nicht um den Tod selbst, heißt es im §432. Im Zusatz des § wird dies damit begründet, dass mit dem Tode eines der Kombattanten ein „höherer Widerspruch“ eingehandelt wäre, denn nun ist zwar tatsächlich die Befähigung zur Freiheit erwiesen, aber der, dem sie erwiesen werden sollte, kann dies nicht mehr anerkennen. Der Überlebende hätte zwar erreicht, was er wollte, nämlich seine Selbstgenügsamkeit wieder herzustellen. Aber im Kampf wäre ihm aufgegangen, dass mehr auf dem Spiel stand, nämlich seine Freiheit, die hier jedoch nichts Differenzierteres als seine Autonomie bedeutet; diese aber kann nur bestehen, wenn der andere sie „anerkennt“. Welchen Sinn aber kann Anerkennung in einem intersubjektiven Kontext verliehen werden? Wieso ist sie für die Ich-Konstitution notwendig? Ganz offensichtlich liegt die Notwendigkeit auch hier, ähnlich wie bei Fichte, in der Kommunikation. Die Freiheit ist durch Mitteilung verliehen, und deshalb darf das Medium der Mitteilung nicht schon von Anbeginn an unmöglich gemacht werden. Bei Fichte folgte aus der Abhängigkeit des Ich vom Alterego die erste sittliche Forderung, das Alterego nicht einzuschränken. Das Leben wird im Folgenden § daher als „so wesentlich als die Freiheit“ bezeichnet, nicht etwa, weil es das Dasein der Freiheit bedeutet: Der überlebende Kämpfer hat durch seine „rohe Negation der Unmittelbarkeit“ (§432) die Anerkennung seiner Freiheit vernichtet, indem er die Leiblichkeit des Anderen vernichtete. Es ist also der Leib, der die vermittelnde Beziehung mit dem Anderen erlaubt, um den es hier geht. Der Abschnitt „Das anerkennende Selbstbewußtsein“ ist mit der Feststellung der Wesentlichkeit des Leibes noch nicht zu Ende, und doch soll das kurze Referat genügen, um zu entscheiden, ob eine intersubjektive Lesart die Aufgabe löst, die oben an sie gestellt wurde: Begreiflich zu machen, wie ein Einfluss von Subjekten aufeinander ihr Wissen um sich als freie Wesen erst möglich macht. Oder, um die Aufgabe deutlicher zu stellen: Wie die Einsicht, dass alle Objekte Inhalt eines Selbstbewusstseins seien, es weder bewusstlose Objekte noch unbestimmte Subjekte gebe, zum Schluss führen kann, dass es sich bei diesen Objekten um leibhafte andere Personen handelt, ein Schluss, der so unvermittelt wie ab133
Eth. Nic. II, 9, 1109 a 20f.
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strus erscheint. Dieses Problem, um es vorwegnehmen, wird von einer intersubjektiven Interpretation nicht gelöst. Abgesehen davon würde eine solche Interpretation nicht umhin können, zu bemerken, dass die anderen Individuen vorausgesetzt werden.134 Das Hegelsche Selbstbewusstsein wird wie das Fichtesche von außen bewogen, seiner Freiheit gewahr zu werden; die Freiheit muss geweckt und wach gehalten werden von anderen Individuen. Damit ist zwar erwiesen, dass die Freiheit andere Individuen zur Voraussetzung hat, nicht aber die Wirklichkeit der anderen Individuen selbst – weder bei Fichte noch bei Hegel. Bei Hegel allerdings ist das andere Selbstbewusstsein aus dem Bewusstsein eines freien Objekts entstanden – aber die dazu nötige Identifizierung eines Begriffsinhaltes mit einer weiteren freien und ihre Freiheit zu verwirklichen strebenden Person bleibt unerklärlich. Wenn also Hegel die Absicht hatte, eine Welt von Individuen herzuleiten, so ist diese Herleitung nicht begreiflich zu machen135 und die Berechtigung der Figur des anerkennenden Selbstbewusstseins und damit des Fortgangs der enzyklopädischen Phänomenologie anzuzweifeln. 136 134
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Yasuhiro Kumamoto, Die methodologische Funktion des Verhältnisses von „Herr und Knecht“ in der Philosophie Hegels, in: Fichte-Studien, Bd. 1, S. 5167, deutet an, das Einssein des Selbstbewusstseins mit seinem Gegenstand sei erreicht in der Begierdestruktur, die auch er als „tierische Tätigkeit“ versteht. Diese sei aber die niedrigste Form der Identität von Selbst und Gegenstand, (vgl. ebd., S. 53) werde allerdings als Vermittlungsobjekt zur Herstellung der höheren Identität, nämlich der zwischen Subjekten, gebraucht. Auch diese Annahme krankt daran, dass in ihr nicht die systematische Herkunft der anderen selbstbewussten Wesen klar wird. Zur Möglichkeit einer solchen Ableitung und einer sozialphilosophischen Lesart des Abschnittes über Herr und Knecht vgl. den vom Verfasser nach Niederschrift vorliegender Dissertation publizierten Aufsatz Vorüberlegungen zu einer Logik der Anerkennung, in: Freiheit und Bildung bei Hegel, hrsg. v. Eberhard Eichenhofer, JiĜí Chotaš, Andreas Braune und Kai-Uwe Hoffmann, Würzburg 2013. Georg Römpp, Ein Selbstbewußtsein für ein Selbstbewußtsein. Bemerkungen zum Kapitel „Die Wahrheit der Gewißheit seiner selbst“ in Hegels Phänomenologie des Geistes, in: Hegel-Studien Bd. 23 (1988), S. 71-94 sieht darin jedoch die Notwendigkeit einer realen Entäußerung des Selbstbewusstseins, eine durch interne Zwänge bedingte Externalisierung des Selbstbewusstseins (vgl. ebd., S. 79f), und kommt zu dem Schluss: „Wir sehen […] die Auszeichnung der Hegelschen Argumentation […] in der selbstbewußtseinstheoretischen Entwicklung von den internen Strukturmerkmalen eines Bewußtseins von sich selbst zu dem externen Verhältnis eines Selbstbewußtseins zu einem Selbstbewußtsein.“ (S. 94) Damit scheinen zwar die größten Schwierigkeiten beseitigt, die einer sozialphilosophischen Interpretation des Kapitels über Herrschaft und
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2.7.2 Die Möglichkeit einer immanenten Interpretation des Selbstbewusstseinsverhält-nisses Ein „dead end“ steht allerdings auch am Anfang einer bewusstseinsimmanenten Interpretation. Zu prätendieren, es handele sich in der beschriebenen Bewegung gar nicht um konkrete Menschen, die sich in einem Kampf um Anerkennung ihrer Freiheit versichern wollen, ginge auch eine Weile gut. Der im §427 formulierte Sachverhalt, dass das Selbstbewusstsein sich im Gegenstande weiß, der eigentlich ihm ein anderer ist, kann auch so gedeutet werden, dass von einem „freien Objekt“ dann die Rede sein kann, wenn sich das Subjekt seiner bemächtigt und es so zu seinem Besitz macht. Der Ausdruck „Selbstbewusstsein für ein Selbstbewusstsein“, das Thema der §§430ff., könnte also auch so gelesen werden, als trete eine immanente Selbstbewusstseinsbestimmung einer anderen entgegen. Der Kampf um Anerkennung könnte so gedeutet werden, als gelte es, das Chaos des in sich in seine Bestimmtheiten zersplitterten Selbstbewusstseins zu verhindern und die Einheit des Selbstbewusstseins zu bewahren, und zwar so, dass zunächst eine Selbstbewusstseinsbestimmtheit versucht, als der wahre Repräsentant des einen Selbstbewusstseins aufzutreten – ein Anspruch, der freilich auch von einem konkurrierenden Selbstbewusstseinsinhalt aufgestellt werden kann. Dies erklärt jedoch nicht die Zweiheit des Selbstbewusstseins – aus den bisherigen Erfahrungen mit der Knechtschaft entgegenstehen, jedoch um den Preis, dass Selbstbewusstsein nur als soziales Phänomen gedacht werden kann und Personen gewissermaßen für sich nur ein unvollständiges Selbstbewusstsein hätten. Auch wenn diese Interpretation nahe am Text erscheint, ist ihre Absurdität doch augenfällig. Zudem wäre dies erst recht kein Fall von Selbstbewusstsein als Bewusstsein seiner selbst, um welches es ja eigentlich geht, allenfalls der eines Bewusstseins eines fremden Selbst. Dass das Selbstbewusstsein seine Wahrheit nur auf intersubjektive Weise erfahren kann, wäre eine Antwort auf eine Frage, die hier gar nicht gestellt ist. Dass das Selbstbewusstsein in seiner reinen Identität kein Gegenstandswissen begründen kann, weil es sich nicht adäquat als deren Produzent begreift und somit sich selbst nicht erreicht, ist das eigentliche Problem. Die Mixtur der Phänomene im Kapitel „Selbstbewusstsein“ lässt sich folglich nicht daher erklären, dass „die Genesis konkreten Selbstbewußtseins nur in eins und in korrelativem Zusammenhang mit der Konstitution von Intersubjektivität zustande kommt“, wovon Edith Düsing, Genesis des Selbstbewußtseins durch Anerkennung und Liebe. Untersuchungen zu Hegels Theorie der konkreten Subjektivität, in: Lothar Eley, Hegels Theorie des subjektiven Geistes in der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, Stuttgart/Bad Cannstadt 1990, S. 244-279 (S. 244), ausgeht.
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Bestimmtheit wäre eigentlich zu erwarten, dass mit ihr eine Vielheit statt einer Zweiheit gesetzt würde. Die Interpretation muss also revidiert werden: Eine Zweiheit ergibt sich, wenn dem reinen Selbstbewusstsein das Selbstbewusstsein als Objekt, egal welcher Bestimmtheit, entgegentritt. Dies deckt sich zudem besser mit der nicht-enzyklopädischen phänomenologischen Struktur des Selbstbewusstseins als Einheit von reinem und lebendigem Selbstbewusstsein. Dabei kann allerdings die Frage danach, wofür die Metapher des Kampfes in dieser immanenten Entwicklung dieser zwei Momente des Selbstbewusstseins stehen könnte, nicht ohne weiteres beantwortet werden. Die Beantwortung dieser Frage wäre aber zumindest dahingehend möglich, dass der Widerstreit des Imperativs des Ich=Ich mit den Zwängen der Neigungen, in welche diese Bestimmtheiten dann umgedeutet werden müssten, als Kampf gefasst werden könnte. Dies aber nur um den Preis der Missachtung dessen, dass in den Zusätzen ganz eindeutig eine Naturzustandssituation beschrieben wird, dass ein Kampf auf Leben und Tod als Metapher eigentlich zu stark für diesen binnensubjektiven Konflikt wäre, die Metapher der Gefahr, des Mutes des Siegreichen und des Kleinmuts des Unterlegenen schließlich sinnvoll gar nichts mehr bedeuten könnte. Es scheint hoffnungslos, mit der Deutung des Textes der Enzyklopädie fortzufahren. Da diese als Testlauf für einen möglichen Zugang zur Anerkennungsbewegung der PhG gedacht war, ist für deren Zugänglichkeit ebenfalls nichts Gutes zu erhoffen. Beide Interpretationsmöglichkeiten, die intersubjektive wie die innersubjektive, sind an ihre Grenzen gekommen, die intersubjektive, weil ihre Herkunft aus dem Konzept des „freien Objektes“ nicht erklärt werden kann, die binnensubjektive, weil sie selbst bei größter Freiheit im Umgang mit dem Text nicht mit dem Wortlaut der §§ in Übereinstimmung zu bringen ist. Dennoch ist auffällig: Die Sache ging eine ganze Weile gut, und zwar bei beiden Zugangsversuchen; so als habe sich Hegel berechtigt gesehen, völlig verschiedene Vorgänge als Erscheinungen eines und desselben zugrundeliegenden Antriebs, ja sogar trotz ihrer Gegensätzlichkeit als Vollzug der zu erreichenden Einheit des Selbstbewusstseins zu beschreiben.
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2.7.3 Das Selbstbewusstsein als substantielle Gestalt Offenbar ist das Referat des Hegelschen Textes nicht weitergekommen, weil das Selbstbewusstsein von Anfang an unzureichend oder gar falsch verstanden wurde. Zu Erläuterung der Frage, ob es noch einen weiteren Zugang zum Begriff der Anerkennung gibt – ob sowohl der Enzyklopädie als auch der PhG, kann an dieser Stelle noch nicht entschieden werden –, soll ein späterer Text Hegels betrachtet werden, seine Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie, und zwar der Part, in welchem sich Hegel mit der Fichteschen Philosophie auseinandersetzt, mit welcher die Hegelsche Anerkennung ja auffallend viele Berührungspunkte aufweist. Dort kommt er in seiner Behandlung der praktischen Philosophie Fichtes an einen Punkt, an dem er auch dessen praktisches Ich als gegen ein ewiges Nicht-Ich anrennend beschreibt. Er zitiert Fichte: „Insofern das Ich Schranken und sich selbst in diese Schranken setzt, geht seine Tätigkeit nicht unmittelbar auf sich selbst, sondern auf ein entgegenzusetzendes Nicht-Ich.“137 Zwar könne es diese übersteigen, müsse sie aber jedesmal neu setzen, was Hegel zur Kritik führt: „Das Ich setzt schlechthin einen Gegenstand, Grenzpunkt; aber wo die Grenze sei, ist unbestimmt. Den Kreis meiner Bestimmung kann ich ins Unendliche hinaus verlegen, erweitern; aber ein Jenseits bleibt immer.“138 Dass das Ich als Endliches gedacht wird, dies ist für Hegel an Fichtes Konstruktion mangelhaft. Nur deshalb hat es nötig, etwas außerhalb seiner zu setzen. Da es außerhalb seiner ist, entzieht es sich immer wieder seiner Gewalt. Dadurch entstehe ein „nie aufzulösender Zirkel“139, denn das Nicht-Ich „bleibt ein Jenseits – ein Jenseits, welches als Nicht-Ich das Selbstbewusstsein nicht sich zu eigen zu machen weiß.“140 Dadurch aber behalte das Ich die Bedeutung des einzelnen wirklichen Selbstbewußtseins, entgegengesetzt dem allgemeinen, absoluten, oder dem Geiste, worin es selbst nur Moment ist; denn das einzelne Selbstbewußtsein ist eben dieses, das gegen ein Anderes auf der Seite stehenbleibt. Wenn Ich deswegen das absolute Wesen genannt wurde, so gab dies das ungeheure; Ärgernis, weil Ich in der Tat bestimmt nur in dem Sinne 137
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Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie III (= Werke, Bd. 20), Frankfurt am Main 1986, S. 407. Ebd. Ebd., S. 408. Ebd.
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des einzelnen Selbstbewußtseins oder des Subjekts, entgegengesetzt dem Allgemeinen, vorkommt.141
Somit erkenne die Fichtesche Philosophie also nur den endlichen Geist – das ist der Hauptvorwurf, der auch anders so lautet: Fichtes Denken bleibe „formell“.142 Was bedeutet das für das der Enzyklopädie und der PhG gemeinsame Thema des Selbstbewusstseins? Doch wohl nur das, dass Hegels Konzeption des Selbstbewusstseins nicht die eines endlichen sein kann, immer unterstellt, Hegel behandle in der Enzyklopädie und der PhG den gleichen Gegenstand. Wie wäre also ein nicht endliches Selbstbewusstsein zu verstehen? Um dies zu beantworten, muss in aller Konsequenz klar werden, was es in der Enzyklopädie und der PhG eigentlich bedeutet, das Bewusstsein habe sich zum Gegenstand, und zwar als von sich unterschiedenen Gegenstand. Oben wurde geklärt, warum der Befund, dass der Gegenstand des Bewusstseins der Unterschied sei, der keiner ist, zur Konsequenz haben soll, dass das Selbstbewusstsein in Wahrheit sich selbst zum Gegenstand hat. Es wurde dort der neue Gegenstand aus dem nichtseienden Unterschied abgeleitet. Jetzt geht es darum, dass Selbstbewusstsein aus dem Unterschied begreiflich zu machen, aus dem also, was als das lebendige Selbstbewusstsein entdeckt wurde. Es geht also jetzt um das Verstehen des Unterschieds vom Ununterschiedenen, um das, was das Selbstbewusstsein auch sein muss, um Gegenstand seiner selbst zu sein. Das Selbstbewusstsein hat sich zum Gegenstand: Heißt das, dass es sich der objektiven Welt ab- und der subjektiven zugewandt habe? Ganz gewiss nicht, denn es hat sich ihm ja sein Gegenstand selbst gewandelt, d.h. aber auch: anders dargeboten. Das, was dem Selbstbewusstsein jetzt Gegenstand ist, ist ja noch derselbe Gegenstand, der in den vorherigen Kapiteln als Dieses, als Gegenstand, als Kraft und Gesetz vergeblich als Wissen rechtfertigt werden sollte. In diesem Sinne waren die Ansprüche dieser Kapitel transzendentaler Art: Das Wissen sollte als jeweils substantielles Wissen, als Wissen vom Diesen, vom Gegenstand, von der Welt als Kraft und Gesetz, gefasst werden. Dass dem Bewusst141 142
Ebd. Vgl. ebd., S. 409. Dies wird erhellend dargestellt von Tommaso Pierini, Theorie der Freiheit. Der Begriff des Zwecks in Hegels Wissenschaft der Logik, München 2006, S. 209ff., und zwar anhand des in der Enz. §78 ausgedrückten „Entschluss[es], rein denken zu wollen“.
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sein nun der Gegenstand zum Selbstbewusstsein geworden ist heißt demzufolge, dass nun ausschließlich das Selbstbewusstsein sein Gegenstand sein kann. Seine Welt ist also nicht die Welt des Selbstbewusstseins (neben anderen, die ihm aus welchen Gründen auch immer entrückt sind), die Welt ist das Selbstbewusstsein. Was als Verstiegenheit erscheinen mag, ist in Wahrheit, wie im Verlauf dieser Arbeit schon oft entdeckt werden konnte, nicht schwer zu verstehen. Voraussetzung dafür ist jedoch, das Wissen zunächst als umfassendes Selbstbewusstsein anzunehmen, und nicht als einzelnes Selbstbewusstsein. Denn wäre es einzelnes, so müsste man es als begrenztes, andere ausschließendes Selbstbewusstsein verstehen. Ein einzelnes Selbstbewusstsein wäre somit aber keine Gestalt, die beanspruchen könnte, für das Wissen zu stehen. Auch einer solchen selbstbewussten Substanz nun ließe sich die Struktur Ich=Ich einschreiben. Auch bei dieser treten dieselben Mängel zutage, die im Kap. 2.3 dieser Arbeit erörtert worden sind. Ebenfalls ausführlich erörtert wurde, dass sich diese Struktur als Leben von sich unterscheiden muss, d.h. als Sein, welches im Bewusstsein ist und nur als diesem Bewusstsein gemäß kategorial gegliedert gedacht werden kann. Dass sich dies Sein gliedert als Einheit der in ihr aufgehobenen, d.h. inbegriffenen Gestalten des Bewusstseins, wurde ebenfalls bereits versucht darzulegen. Somit ist das Leben zu denken als etwas, in dem sich Bewusstseinsinhalte artikulieren, nur dass jetzt „die Wissenschaft“ weiß, dass diese Bewusstseinsinhalte dem Selbstbewusstsein angehören: Auch dies ist bereits bekannt. Nur wurde bisher eines übersehen: Wenn das Selbstbewusstsein diese allgemeine Substanz sein soll, die ihre Besonderungen in sich setzt, dann „verleiblicht“ sich erstens diese Substanz in vergängliche Endlichkeiten. Was es mit diesen vergänglichen Endlichkeiten auf sich hat, ist leicht zu erschließen: Dasjenige, was im Gang der PhG zugrunde geht, sich so als Endlichkeit ausweist, sind Wissensansprüche. Dies Zugrundegehen ist im Sinne der bestimmten Negation gemeint, als Auflösung in höhere Gestalten, bis die höchste und leerste Gestalt des reinen Selbstbewusstseins erreicht ist, welches sie wieder in die Unmittelbarkeit der Sinnlichen Gewissheit und somit in den Kreislauf des Vergehens und Entstehens des endlichen Wissens entlässt. Das Leben als Gattung „verweist“ aber auf das Bewusstsein, auf dasjenige, was die bestimmten Ge-
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stalten als bewusste Gestalten, mithin als Wissen, vermittelt. Wie genau diese Vermittlung erfolgt, dafür gibt es aufgrund des hohen Abstraktionsgrads, in welchem das Selbstbewusstsein an dieser Stelle noch zu denken ist, noch keinen genauen Hinweis. Sie kann aber als Sprache, oder aber als Aufforderung im Fichteschen Sinne verstanden werden. Ebensowenig ist ausgemacht, ob nur die Selbstverständigung eines endlichen Wesens damit gemeint sein kann. In all diesen Fällen springt aber eine Notwendigkeit ins Auge: Wie auch immer die selbstbewusste Entität beschaffen sein mag, sie muss in der Lage sein, ihre Bestimmtheit zu kommunizieren. Damit ist zwar nicht der menschliche Leib begründet, aber über irgendein Mittel zur Vermittlung und somit Ermöglichung des Wissensanspruchs muss dieses Wesen verfügen, und dieses Mittel bedarf eines seienden Akteurs, mithin eines wie auch immer zu denkenden „Leibes“.143 143
John McDowell, der das Selbstbewusstseinskapitel ähnlich wie diese Arbeit vom Problem der Vermittlung von empirischem Ich und dem Ich der Apperzeption, wie es sich bei Kant findet, angeht, versucht, gegen eine sozialphilosophische Interpretation des Textes dessen Kontext geltend zu machen, welcher der einer Vermittlung der „sinnlichen Welt“ mit dem reinen Ich ist: „[I]f ǥanother self-consciousness’ here is a literally other mind, say a different human being, what has happened to ‘the whole expanse of the sensible world’? How does replacing that first moment in the doubled object of self-consciousness with someone else’s self-consciousness belong with the unfolding of that moment that Hegel seemed to be offering in the text up to this point?“ (John McDowell, The apperceptive I and the empirical self. Towards a heterodox reading of “lordship and bondage” in Hegel’s Phenomenology, in: Katharina Deligiorgi (Hrsg.), Hegel. New Directions, Bucks 2006, S. 33-48 [S 41]). Auch wenn McDowell sachlich Recht hat, ist dies aus dem genannten Grund kein Argument gegen die sozialphilosophische Lesart, denn die „whole expanse of the sensible world“ könnte ja in den Individuen enthalten sein, die sie sich einander kommunizieren müssten. Das ist auch die Lesart von Terry Pinkard, Hegel’s Phenomenology. The Sociality of Reason, Cambridge 1994: „Knowledge […] is not to be understood as a metaphysical relation between a ‘subject’ and an ‘object’ but as a way in which the peculiarly social organisms that we are establish a relation with the world and ourselves that involves both the kinds of ends we pursue and the kinds of subjects we take ourselves to be“. (S. 44) So auch Horstmann, Hegels Ordnung der Dinge, S. 42, in seiner Aussage, Hegel stehe „für die These, daß nur eine intersubjektiv geteilte Welt […] eine epistemisch zugängliche Welt ist, weil nur sie das notwendige Maß an Öffentlichkeit besitzt, um den Begriff der Objektivität nicht leer bleiben zu lassen.“ Dann müsste Hegel, sollten Pinkard und Horstmann Recht haben, an der Frage der Struktur von Subjektivität allerdings kein Interesse zeigen, wenn er diesen Subjekten ohne weiteres Interaktion zutraut, ohne die Frage zu stellen, was sie dazu befähigt – was zumindest merkwürdig wäre angesichts des Um-
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Dies einzelne, körperliche Selbstbewusstsein ist jedoch wiederum die Substanz selbst. Genauer: Es hat an ihr Teil, wie umgekehrt die Substanz sich in ihm verwirklicht.144 Das bedeutet: So wie das Selbstbewusstsein in sich gegliedert ist in mehrere existente Iche, so verkörpert jedes dieser einzelnen Iche die Allgemeinheit des reinen Selbstbewusstseins, ist jedes dieser individuierten Wesen das Ganze des Ich=Ich.145 Wie das reine Selbstbewusstsein ist
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standes, dass derselbe Hegel sich in den Jenaer Schriften und in seiner Logik sehr wohl für diese Struktur interessiert. Die Idee der Selbst-Besonderung des Absoluten als Geist taucht erstmalig in den Jenaer Systementwürfen III auf, also in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur PhG, vgl. Christof Schalhorn, Hegels Jenaer Begriff des Selbstbewußtseins (1801-1805/06), in: Heinz Kimmerle (Hrsg.), Die Eigenbedeutung der Jenaer Systemkonzeption Hegels, Berlin 2004, S. 165-183 (S. 179ff.). Jedoch war schon Kant genötigt, „den Satz ‚Ich denkeǥ insofern empirisch zu nennen, als er etwas tatsächlich Existierendes bezeichnet und ‚ohne irgend eine empirische Vorstellung, die den Stoff zum Denken abgibt […] doch nicht stattfinden würdeǥ (B423 Anm.)“ (Wilhelm Lütterfelds, Zum undialektischen Begriff des Selbstbewußtseins bei Kant und Fichte, in: Wiener Jahrbuch für Philosophie 1975, S. 7-38 [S. 19]). Mit diesem Verständnis von Selbstbewusstsein ist Hegels monistische Philosophie schon in ihren Grundzügen beschrieben, zumindest entspricht sie dem, was Dieter Henrich, Andersheit und Absolutheit des Geistes, in: ders., Selbstverhältnisse, Stuttgart 2001, S. 142-172, zufolge den Geist eigentlich ausmacht. Henrich geht das Problem von der Vereinbarkeit des Endlichen mit dem Unendlichen aus an. Der Monismus als reine Selbstbeziehung befinde sich, indem er bestreitet, „dass zwischen […] Einzelnen in Wahrheit die radikale Unterschiedenheit stattfindet, von der wir zunächst stets ausgehen“ (S. 145), im Dilemma, entweder die Existenz von Endlichen leugnen oder, indem er sie bejaht, sein „Wirklichkeitsmonopol“ , All-Eines zu sein, in Frage stellen zu müssen. Die Aufgabe, die sich dem Monismus stellt und der Hegel nachgeht, ist es, Endliches als Selbständiges zu setzen und in dieser Setzung zugleich als aufgehoben zu denken. (Vgl. S. 151) Würde dies durch einen Bezug des Unendlichen auf das Endliche gedacht, so wäre der Monismus erneut gefährdet. Das Aufgehobensein des Endlichen, das, was es erst zum Endlichen macht, muss also durch das Endliche selbst erfolgen, weshalb das Endliche ein endliches Korrelat braucht. (Vgl. S. 156, zur Doppelstruktur dieser dazu erforderlichen Negation vgl. ders., Hegels Grundoperation. Eine Einleitung in die Wissenschaft der Logik, in: Ugo Guzzoni/Bernhard Rang/Ludwig Siep [Hrsg.], Der Idealismus und seine Gegenwart. Festschrift für Werner Marx, Hamburg 1976, S. 208230) Wenn aber „die Vernichtung des Endlichen an das Endliche delegiert“ worden ist, so ist „seine absolute Vernichtung im Absoluten gerade undenkbar geworden“. (S. 157) Die Aufhebung kann also weder vom Absoluten geleistet werden, da sonst ein Dualismus entstehen müsste, noch von einem anderen Endlichen, da somit die Beziehung zum Absoluten völlig wegfiele. Hegels Lösung: Das Endliche wird aufgehoben durch sich selbst. Aber das Endliche ist nichts anderes als das Absolute, das sich verendlicht hat. Das Absolute ist also „gerade durch dessen Selbstvernichtung und interne Verkehrung in sein Korre-
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jedes dieser Wesen aber auch wiederum in sich individuiert, also Einheit widerstreitender Bestimmtheiten in Form sich abwechselnder Wahrnehmungen oder sinnlicher Antriebe. Dieses SichEntäußern in diese Bestimmtheiten wird negierend in die Einheit des Ich aufgehoben, verinnerlicht: Aus den Wahrnehmungen wird Wissen, aus den Antrieben sittliche Handlungen. So wird auch begreiflich, worin die Objektwelt verschwunden ist: Aus den Objekten wurden Begriffe, diese wiederum sind Vermittlungsleistunlat gegenwärtig“ (S. 158). Dadurch, dass sich das Endliche als Negatives negativ auch zu sich selbst verhält – denn es negiert seine Negation ja im anderen endlichen Korrelat, macht es sich zudem dem Absoluten gleich, gegen das es, als Endliches, negativ bestimmt war. Das Problem ist, dass es nun nicht mehr das Absolute ist, welches das Endliche aufhebt – was aber gefordert war. Zudem: Das Endliche wird nicht so aufgehoben, dass es im somit allein existenten Absoluten verschwände, und zwar deshalb, weil sein Negationssinn lediglich der der Limitation ist. Der einzige Ausweg ist, das Endliche vollständig mit dem Absoluten zu identifizieren: „Das Absolute ist das Endliche, insofern dieses überhaupt gar nichts weiter ist als die negative Beziehung auf sich selbst.“ (S. 160, Kursivierungen im Original) Das Absolute ist also „das Endliche, insofern dieses nichts als der stetige Prozeß eines solchen Sich-selbst-Aufhebens ist […] Das Endliche als solches ist das Andere seiner selbst.“ (Ebd., Kursivierungen im Original) Leicht zu erkennen ist die so in Gang gebrachte Prozessualität des Unendlich-Endlichen, die am Ende des Kapitels „Kraft und Verstand“ das erste mal ausdrücklich zur Sprache kam und auf welche Henrich in seinem Aufsatz verweist. In der Charakterisierung des Absoluten qua Endlichen als Anderes seiner selbst ist nun zugleich eine Selbstnegation (Anderes) und eine Selbstbeziehung (seiner selbst). Darin beschlossen ist, dass das Absolute bereits gedacht ist, „wenn man das Endliche als solches denkt.“ (Vgl. S. 162). Da das Endliche das Absolute in seiner negativen Selbstbeziehung selbst ist, wird in der Selbstaufhebung nicht nur Endliches in Endliches, sondern alle Endlichkeit selbst in das Absolute aufgehoben. (Vgl. S. 163) Der Verlegenheit, dass nicht klar ist, wie das Absolute in diesem Prozess des Anderswerdens des Endlichen selbst repräsentiert wird, kann damit abgeholfen werden, dass das Absolute im Endlichen auch das Andere seiner selbst hat und vom Endlichen nur insofern geschieden ist, als im Absoluten „der Prozeß der Selbstaufhebung der Andersheit zu Ende kommt.“ (S. 165f) Der Selbstbezug auf sich als ein Anderes sei so nur als epistemische Beziehung möglich. „Das Absolute bezieht sich auf sein Anderes als auf sich selbst. So ist das Absolute gemäß dem Postulat der All-Einheit nur zu denken, wenn es als Erkennen gedacht wird.“ (S. 166, Kursivierungen im Original) Das Absolute ist somit erkennende Selbstbeziehung und damit Geist. Zwar identifiziert Henrich diese erkennende Selbstbeziehung nicht mit dem Selbstbewusstsein, welche er bloß zur Erläuterung dieser „logischen Form“ einbringt, dass diesem nämlich wie dem Geist zukomme, „aus sich selbst heraus anheben“ (S. 169) zu müssen, „um zum Begreifen seiner selbst als sich selbst zu gelangen.“ (S. 170) Das Selbstbewusstsein, das Thema des gleichnamigen Kapitels der PhG ist, hat aber unverkennbar die von Henrich als Geist beschriebene Struktur.
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gen selbstbewusster Wesen oder diese selbstbewussten Wesen selbst. Dies hat nun nicht die Pointe, dass die Welt erst zu existieren begann, als selbstbewusste Wesen sich sie zu begreifen anschickten. Die Pointe ist vielmehr, dass sie erst ab dann gewusst werden konnte. Diese Gliederung der Substanz, oder, um den Hegelschen Begriff zu verwenden, des Geistes, hat nun nicht nur zwei, sondern drei Konsequenzen. Da die Binnenstruktur des Selbstbewusstseins so angelegt ist, dass sie für eine mögliche, wenn auch hier offensichtlich noch nicht abgeleitete Gemeinschaft mehrerer Subjekte die Struktur vorzeichnet, deren Einzelsubjekte selbst diese immanente Gliederung repräsentieren, betrifft die Anerkennungsbewegung, welche die Vermittlung des Fürsichseins mit dem Sein für Anderes, also von reinem und lebendigen Selbstbewusstsein leisten soll, naturrechtliche Fragen. 146 Da mit ihr ebenso die Struktur des Einzelsubjekts vorgezeichnet ist, welches tatsächlich als abgeleitet gelten darf, betrifft sie epistemische wie praktische Fragen. Die Anerkennungsbewegung muss also notwendig ambiguitiv dargestellt werden, und ihr Prozess muss notwendig sich in allen epiphänomenalen drei Feldern gleichzeitig zeigen. Werden diese Fragen nicht als im substantiellen Selbstbewusstsein inbegriffen gesehen, muss die Behandlung der Anerkennungsproblematik notwendig zu Widersprüchen führen. So wird auch deutlich, weshalb sich eine rein selbstbewusstseinsimmanente Lesart ebenso notwendig in eine Sackgasse begeben muss wie eine rein intersubjektive: Hegel beschreibt mit ein und derselben Gestalt mehrere Phänomene zugleich. Ob und wie indes die Anerkennung tatsächlich notwendig zur Voraussetzung einer Gemeinschaft von Subjekten führt und Naturrechtsphänomene mit derselben Strenge als abgeleitet gelten können, soll sich nach der Analyse des Begriffs der Anerkennung im Anschluss an dieses Kapitel zeigen. Es kann also heuristisch für die PhG vermutet werden, dass es sich beim Prozess der Anerkennung um die Konstituierung des Selbstbewusstseins in all seinen Momenten handelt – und zwar des 146
Dass Hegel naturrechtliche Konsequenzen aus dem Problem der Subjektivität selbst zieht, ist leicht zu übersehen, ist doch bei traditionellen Erörterungen des Naturzustands die menschliche Natur Referenzpunkt. Dennoch muss der Vorwurf zurückgewiesen werden, Hegel habe einen geschichtlichen Naturzustand konstruieren wollen, der doch vom geschichtlichen Faktum selbst abhängig wäre, wie aber geäußert wird von László Molnár, „Das anerkennende Selbstbewußtsein“ bei Hegel, in: Hegel-Jahrbuch 1996, S. 197-202 (S. 198).
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substantiellen Selbstbewusstseins und ineins der vielen selbstbewussten Wesen,147 die sich untereinander zur Erscheinung dieses substantiellen Selbstbewusstseins bestimmen. Es bleibt die Frage zu klären, wie Hegel dies macht und ob es ihm gelingt, dieser komplizierten Struktur, die im Text explizit nicht begründet wird, die aber präsent ist, Rechnung zu tragen. Es geht also um die Frage, ob die Darstellung des substantiellen Ich als erscheinendes Wir148 gelingt oder ob sich Hegel in der PhG in eine Sackgasse begibt. Auffallend ist eine Akzentverschiebung in beiden Darstellungen der Anerkennungsbewegung. Der enzyklopädische Begriff des Anerkennens hat mit dem phänomenologischen vieles gemein. Mag der Satz „Es ist ein Selbstbewusstsein für ein Selbstbewusstsein“, der Auftakt der Anerkennungsdialektik, in beiden Werken im gleichen Wortlaut vorkommen, so werden doch andere Gewichtungen gesetzt: Wird in der Enzyklopädie der Trieb frei, „sich als freies Selbst zu z e i g e n und für den Anderen als solches d a zu 147
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Es geht aus dem Kontext der Formulierung vom „Ich, das Wir, und Wir, das Ich ist“ nicht hervor, ob der Prozess der Anerkennung tatsächlich schon im Selbstbewusstseinskapitel zum Abschluss kommt, worauf Ludwig Siep, Die Bewegung des Anerkennens in der Phänomenologie des Geistes, in: Dietmar Köhler/Otto Pöggeler (Hrsg.), G.W.F. Hegel. Phänomenologie des Geistes, Berlin 2006, S. 109-129 (S. 114), hinweist. Er bemerkt im Bezug auf den Begriff des Anerkennens: „Daß dies Aufheben des Anderen und des Andersseins eine ‚Rückkehr in sich selbstǥ ist, die nicht nur die eigene Identität und Selbständigkeit aus der Abhängigkeit von anderen zurückgewinnt, sondern auch diesen anderen wieder frei entläßt, wird aber nicht mehr im Selbstbewußtseinskapitel ‚erfahrenǥ, sondern erst im ‚Geistǥ. Es zeigt sich nämlich, daß die Anerkennung selbstbewußter Wesen nur in einem gemeinsamen Selbstbewußtsein möglich ist, das in Institutionen ‚substantialisiertǥ ist und sich im Leben und Bewußtsein der Individuen bestätigt findet. Für die ‚interpersonaleǥ Anerkennung bedarf es einer Anerkennung des ‚Ichǥ im ‚Wirǥ und des ‚Wirǥ im ‚Ichǥ.“ Wenn der Begriff der Anerkennung einer so langen Auseinanderlegung bedarf, ist jedoch nicht zu verstehen, weshalb er sich nicht auch in der Gliederung des Textes, und vor allem, weshalb er sich schon mehr als hundert Seiten vor dem Geist-Kapitel findet. Zwar fällt die Formulierung über das „Wir“ im „Ich“ mit eindeutigem Verweis auf den Geist, damit ist aber noch nicht gesagt, dass der Begriff der Anerkennung sich erst im Geist vollendet. Bei diesem scheint es sich vielmehr um einen Begriff zu handeln, welcher mehreren, gestuften und auf jeder Stufe konkreteren Bewegungen des Anerkennens zugrunde liegt. Nicht gerechtfertigt ist es, Hegel eine Theorie der Intersubjektivität aufgrund des Satzes „Es ist ein Selbstbewusstsein für ein Selbstbewusstsein“ zu unterstellen, indem von einem einzelnen, endlichen Selbstbewusstsein ausgegangen wird, wie es für die Enzyklopädie allerdings Josef Simon tut (Intersubjektivität bei Kant und Hegel?, in: Lothar Eley (Hrsg.), Hegels Theorie des subjektiven Geistes in der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, Stuttgart/Bad Cannstadt 1990, S. 313-338).
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sein“ , so geht es in der PhG darum, sich im Anderen als des Wesens zu vergewissern, d.h., in der Andersheit sich selbst zu erkennen, also um etwas viel Grundlegenderes. Gilt es in der Enzyklopädie, einen ganz konkreten Kampf zu führen, aber den Leib, sein „Zeichen und Werkzeug“ als „Dasein“ der Freiheit zu bewahren, so begibt sich die Darstellung der PhG in die Nähe der Metaphorik, indem der Kampf die Abstraktion der das Selbst bedrohenden Andersheit bedeutet, die jedoch nicht gelingen kann, da das Selbst ohne inhaltliche Füllung, auf die diese Abstraktion geht, nicht denkbar wäre. In der PhG unterscheide „ich mich von mir selbst“ (PhG, S. 118), es geht also um eine immanente Unterscheidung, welche in der Enzyklopädie ausdrücklich nicht vorkommt, freilich aber implizit mitgedacht werden muss, da ohne diese eine intersubjektive Anerkennung nach dem Vorbild Fichtes vom Text nicht bestätigt wird. Mich von mir in Gestalt eines Anderen zu unterscheiden ist unmöglich, zum Alter Ego gibt es vom endlichen Selbstbewusstsein aus keinen epistemischen Zugang.149
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Nach Theodor Litt, Hegel. Versuch einer kritischen Erneuerung, Heidelberg 1953, S. 48ff., genügt die Allgemeinheit des Selbstbewusstseins für die Annahme einer mit Subjekten bevölkerten Welt. Jedoch, so ist einzuwenden, setzt die Allgemeinheit nicht die Vielheit voraus. Sie besagt ja nur, dass mehrere Personen in ihr übereinkämen, wenn sie denn existierten.
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3. Die Erfahrung des Selbstbewusstseins Die räumliche und zeitliche Vervielfältigung des Selbstbewusstseins, das sich Bestimmen des reinen Selbstbewusstseins in die vielen Selbstbewusstseinswesen, die als das „lebendige Selbstbewusstsein“ zusammengefasst sind, macht allerdings die Darstellung der folgenden Identifizierungsbewegung kompliziert, denn da die Doppelstruktur des Selbstbewusstseins dessen Vielheit impliziert, kann diese Bewegung als Bewegung einer Zweiheit wie auch einer Vielheit erfolgen. Obschon eigenwillig, ist diese Vorgehensweise in der PhG keinesfalls neu. Auch im Kapitel „Wahrnehmung“ wurde die Vermittlung des Dings mit seinen Eigenschaften als Vermittlungsbewegung einer Dingeinheit qua Identität mit einer Eigenschaftseinheit qua Medialität dargestellt; im Kapitel „Kraft und Verstand“ stand die Einheit „Welt der Gesetze“ der Einheit „Welt der Erscheinungen“ gegenüber. Kam in diesen Fällen die Entwicklung anhand der Darstellung einer Dualität kaum zum Vorschein, so tritt jetzt auf den ersten Blick eine Konfusion der Darstellung hervor: Mal ist von einem gedoppelten Selbstbewusstsein die Rede, mal von einem vervielfachten.150 Es dürfte nicht ganz abwegig sein, hierin den Grund zu vermuten, weshalb die Interpretation des Abschnitts „Herrschaft und Knechtschaft“ als Entwicklung sozialphilosophischer Zusammenhänge sich mit der Interpretation des vorherigen Abschnittes „Wahrheit der Gewissheit seiner selbst“ als eine Kritik an unmittelbaren Selbstbewusstseinsmodellen insofern zu beißen scheint, als ein Übergang des einen in das andere nicht für möglich gehalten wurde. Werden jedoch genau die Konsequenzen bedacht, die sich aus der Doppelstruktur des Selbstbewusstseins ergeben, wonach ein einfaches mit sich identisches Selbstbewusstsein sich auf sich selbst, aber bestimmbares, mithin mediales Selbstbewusstsein bezieht, so ergibt sich, dass dieser Bezug immer auch den auf eine Vielzahl dieses Selbstbewusstseins nach sich zieht. Ohne diese Vorüberlegung wird ein Verständnis der Anerkennungserfahrung, die im Kapitel darauf vorgestellt werden soll, nicht möglich sein. 150
Dies wird m.E. von Ludwig Siep, Anerkennung als Prinzip der praktischen Philosophie. Untersuchungen zu Hegels Jenaer Philosophie des Geistes, Freiburg/München 1979, in der Aussage verkannt, Hegel habe das „Wir-Bewußtsein im Grunde aus einer Zweierbeziehung entstehen lassen“ (S. 75).
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3.1 Der Begriff der Anerkennung Wenn sich also nicht nur ein Selbstbewusstsein im Anderen, sondern in vielen wiederfinden soll, ist klar, dass das Selbstbewusstsein als erste Person Einzahl immer nur in Bezug auf die erste Person Mehrzahl erfolgen kann. Ziel der Anerkennungsbewegung, welche zu dieser Einheit des Selbstbewusstseins führen soll, ist also das Wir, und zwar ein „wir beide“ (Doppelung des Selbstbewusstseins), welches unmittelbar ein „wir alle“ (das Medium des Selbst) nach sich zieht. Dass die Identifikationsbewegung, die Hegel unter dem Stichwort „Anerkennung“ verhandelt, ineins eine in das Selbstbewusstsein wie in eine der Gemeinschaft ist, diese Interpretation bringt Licht ins Dunkel folgender Formulierung, wonach der Begriff dieser seiner [sc. des Selbstbewußtseins als Anerkanntes] Einheit in seiner Verdopplung, der sich im Selbstbewußtsein realisierenden Unendlichkeit, […] eine vielseitige und vieldeutige Verschränkung [ist], so daß die Momente derselben teils genau ausenandergehalten, teils in dieser Unterscheidung zugleich auch als nicht unterschieden, oder immer in ihrer entgegengesetzten Bedeutung genommen und erkannt werden müssen. (PhG, S. 127f)
Eine Verdoppelung, welche zugleich ein Verunendlichen ist, trat schon im Kapitel „Kraft und Verstand“ auf:151 „[W]as die e i n f a 151
Es ist wichtig, Hegels Hinweis, im Begriff der Anerkennung wiederhole sich das Spiel der Kräfte im Bewusstsein, wörtlich zu nehmen – d.h. diesen Begriff auf derselben abstrakten Ebene zu verstehen. Indes interpretiert Henry Stilton Harris, Hegel’s Ladder. I: The Pilgrimage of Reason, Indianapolis/Cambridge 1997, diese Identität zu einer metaphorischen Entsprechung um, wenn er sie als platonischen Erziehungsprozess auffasst und die Aktivität und Passivität der Kräfte in Aktivität des Lehrers und Passivität des Schülers umdeutet: „When the pupil knows that she is being taught, and has come to trust her teacher, and hence to obey willingly, there is a harmony of activity and passivity on both sides that is evident to both of them as Self-Consciousness.“ (S. 349) Hier wirkt sowohl die Bezeichnung dieses Verhältnisses als Selbstbewusstsein fragwürdig wie die strikte Zuteilung des aktiven Parts zum Lehrer und des passiven zum Schüler unplausibel. Auch auf die Begründung der Familie glaubt Harris unmittelbar die Logik des Spieles der Kräfte anwenden zu können: „Each party both is and is not the other, and the identity mediates the otherness. This is the conscious ‚play of forcesǥ as an absolutely spontaneous and equal exchange of functions and roles.“ (S. 350) In beiden Fällen wird deutlich, dass empirisch aufgefundenen Phänomenen nicht ohne weiteres die logische Struktur, die im Begriff der Anerkennung zur Sprache kommt, untergeschoben werden darf, denn mit etwas Phantasie lassen sich so viele Sachverhalte als Fall von Aner-
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c h e Kraft genannt wurde, v e r d o p p e l t sich selbst und ist durch ihre Unendlichkeit das Gesetz.“ (PhG, S. 114) Die Kraft musste sich verdoppeln aufgrund der doppelten Anforderung, die das Wissen in der Form der Kraft zur Voraussetzung hat: zugleich Bestimmtheit und Allgemeinheit zu sein. Diese zweifache Bedingung, nur möglich durch ein unendliches Übergehen des einen in das andere, muss sich nun, da das Bewusstsein sich selbst das Wahre ist, im Selbstbewusstsein realisieren. Obgleich dies auch hier ein unendliches Setzen der Identität des Selbstbewusstseins und seiner Bestimmtheit bedeutet, lässt sich dieses Setzen als Setzen zweier Momente beschreiben – wie sich das Spiel der Kräfte als Bewegung vom Sollizitierten zum Sollizitierenden darstellen ließ. Ein solches gewissermaßen sollizitierendes und sollizitiertes Moment des Selbstbewusstseins muss folglich auch hier „auseinandergehalten“ werden. Der Begriff der Einheit des Selbstbewusstseins ist aber darüber hinaus eine „Verschränkung“: Die unterschiedenen Momente sind zugleich „nicht unterschieden“ und haben auch jeweils eine „entgegengesetzte Bedeutung“, worin die Übergängigkeit der Kraftbewegung wiederkehrt, die darin bestand, dass das eine Moment der Kraft sein gegensätzliches Moment immer an sich hatte, das Sollizitierte immer zugleich das Sollizitierende war. Die Anerkennungsbewegung ist an dieser Stelle der PhG nichts anderes als die Herstellung der Identität des Identischen (Ich=Ich) mit dem lebendigen Selbstbewusstsein, die Identifikation des Ich=Ich im lebendigen und die Identifikation des lebendigen Selbstbewusstseins im Ich=Ich, etwas gänzlich abstraktes also, das sich allerdings in der weiteren Darstellung des Hegelschen Systems der Wissenschaft bereichert und auch in den früheren Schriften in einem weiteren, nämlich sozialphilosophischen Sinne gebraucht wurde.152 Diese Identität kann nun nicht mehr von Außen durch das Bewusstsein konstatiert werden wie die Identifikation der Kräfte im Gesetz. Das heißt, sie muss vom Selbstbewusstsein selbst vollzogen werden.
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kennung beschreiben, dass dieser Begriff, da mit ihm offenbar alles und nichts erklärt werden kann, zu einer völligen Belanglosigkeit herabsinkt. Vgl. Siep, Anerkennung als Prinzip der praktischen Philosophie, der allerdings das Fehlen der Darstellung von Interaktionsformen als Anerkennungsmomente (ebd., S. 75) zwar konstatiert, dies aber nicht darauf zurückführt, dass für die Darstellung sozialer Anerkennungsbewegungen das 4. Kapitel der PhG nicht der systematische Ort sein kann.
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Das Spiel der Kräfte ist ein sich bewusstes Spiel der Kräfte geworden (vgl. PhG, S. 129). So bemerkt das Selbstbewusstsein dasjenige, was vordem als Kraftäußerung bezeichnet worden ist, als einen Zustand, da es „außer sich gekommen“ ist (vgl. PhG, S. 128). Oder anders: Es hat sich bestimmt. Dies kann gelesen werden als: „Es hat sich zu einem selbstbewussten Wesen bestimmt“ – dies wäre dann der Anknüpfungspunkt für naturrechtliche Überlegungen. Oder als: „Es hat sich zu einer Bestimmtheit gemacht, sich Inhalt gegeben“ – was zwar auf einer abstrakteren Ebene dasselbe ist, aber damit eben auch Anknüpfungspunkt binnensubjektiver Entwicklungen, die in jedem selbstbewussten Wesen, als Erscheinung des einen substantiellen Selbstbewusstseins, vor sich gehen. Die Äußerlichkeit, die Anfangsbestimmung des Raumes, ist somit Bestimmung des Selbstbewusstseins. In diesem „es hat sich bestimmt“ liegt aber auch, dass es selbst das Bestimmte ist, ihm also keine fremde Bestimmtheit vorliegt. Dieses Identifizieren des einen im anderen, als Itzt Anfangsbestimmung von Zeitlichkeit, ist somit auch Bestimmung des Selbstbewusstseins selbst. Das Ich, welches erst die eine, dann die andere Impression hat, mal durch dies, mal durch jenes Individuum verkörpert wird, sieht sich mal so, mal so bestimmt (entäußert sich), ist aber dennoch in diesen verschiedenen Fällen mit sich identisch, denn es sieht sich in dieser und jener Bestimmtheit. Der Begriff der Anerkennung als Zustandekommen der „geistigen Einheit“ des Selbst-bewusstseins in seiner Verdoppelung besteht also zunächst in seinem „Außersichgekommensein“, und dieses umfasst die eben referierten Momente des Selbstverlusts und des Aufhebens des Anderen. Hier wird allerdings die Darstellung intrikat, und dies ist unvermeidlich: Ein Wissen des Außersichgekommenseins kann nur das Subjekt als Substanz haben, welches in sich seine Bestimmtheiten setzt, und mit ihm das selbstbewusste Wesen, welches die jeweilige Verwirklichung der Substanz ist; aber als vereinzelte, daseiende Wesen können sie in den anderen Wesen nicht erkennen, dass diese Bestimmtheiten des substantiellen Selbstbewusstseins sind, dass ihnen also jenes allgemeine Selbstbewusstsein zukommt. Überraschend muss, nachdem das Selbstbewusstsein das Andere aufgehoben hat – denn das Andere wird ja erfahren als Anderswerden des Selbst –, das Selbstbewusstsein „sein Anderssein“ erneut aufheben – auch hier gilt allerdings, dass nur das substantielle
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Selbstbewusstsein vermag, sich im anderen aufzuheben, da dies daran gebunden ist, sich im anderen zu erkennen. Dass dies ein neues Aufheben ist und nicht die Rekapitulation des Geschehenen, wird dadurch nahegelegt, dass es diesmal nicht nur das Andere, sondern auch das mit dem Anderen als identisch erkannte Selbst aufheben muss. Dies Aufheben ist deshalb „doppelsinnig“ und dies trotz der paradox anmutenden Redeweise notwendig, soll die Bewegung der Anerkennung nicht mit der Begierde identisch sein. Mit diesem Aufheben erhält das Selbstbewusstsein sich selbst zurück, „denn es war sich im andern, es hebt dies s e i n Sein im andern auf, entläßt also das andere wieder frei“ (PhG, S. 128). Zur Klärung der Frage, was es mit diesem „freien Entlassen“ auf sich hat, muss entschieden werden, ob dies andere in die Freiheit entlassen oder das Selbst durch dieses Entlassen frei wird. Für die erste Variante spricht der Wortlaut: Das Andere wird ja als Entlassenes frei, nicht das Selbstbewusstsein durch das Entlassen. Für die zweite Variante spricht, dass das Selbstbewusstsein sich von einer Bestimmung losmacht und mithin frei, also wieder das bestimmungslose, aber zu bestimmende Ich=Ich wird. Die Doppelsinnigkeit des Ganzen macht aber, dass beides gemeint sein muss: Denn auch für das Selbstbewusstsein als bestimmtes gilt, dass ihm das Selbstbewusstsein als identisches ein anderes ist; gleichzeitig ist es selbst das andere, denn es geht ja unmittelbar in diese Identität über. Dieses seine Identität aufzuheben muss es sich bestimmen, und auch in dieser Bestimmung liegt das Doppelsinnige, dass mit ihr das Andere und ineins es selbst aufgehoben ist, in diesem Aufgehobensein ebenso die doppelsinnige Rückkehr in sich selbst wie das freie Entlassen des anderen gemeint ist. In diesem Fall ist die Aktualität des Selbstbewusstseins wieder hergestellt, denn in bloßer Potentialität liegt ebenso wenig die Freiheit wie in bloßer Bestimmtheit. Freiheit bedeutet nicht nur, sich zu etwas entschließen zu können: Der Entschluss muss auch verwirklicht werden. Auf eine weitere Doppelung wird hingewiesen: Das Aufheben des Anderen und des jeweiligen Selbstbewusstseins im Anderen kann nur funktionieren, wenn sich das jeweilige Selbst-bewusstsein selbst aufhebt. Also: Das Aufheben der Bestimmtheit in die Selbstidentität des Bewusstseins erfordert eine Neubestimmung des Bewusstseins, denn die so erreichte Tautologie des Ich=Ich wäre sonst kein Wissen; das bestimmte Wissen setzt aber eine Ungleichheit in das Selbstbewusstsein, welches dieses, da ja auch in
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der Bestimmtheit noch Selbstbewusstsein, selbst wieder zur Identität mit sich selbst machen muss. Das Selbstbewusstsein in seiner Potentialität des Ich=Ich muss sich durch eine bestimmte Tat Wirklichkeit geben, es muss als solcherart bestimmtes Selbstbewusstsein jedoch zeigen, dass es nicht an diese Bestimmung durch seine Tat gebunden ist und wieder zur reinen Potentialität zurückkehren. Mit diesen Überlegungen wird die Aussage des folgenden Zitats klar: Die Bewegung ist also schlechthin die gedoppelte beider Selbstbewußtsein. Jedes sieht das andere dasselbe tun, was es tut; jedes tut selbst, was es an das andere fodert; und darum, was es tut, auch nur insofern, als das andere dasselbe tut; das einseitige Tun wäre unnütz; weil, was geschehen soll, nur durch beide zu Stande kommen kann. (PhG, S. 129)
Die Aussage verdeutlicht Hegels Bemerkung, der Begriff der Anerkennung beschreibe denselben Prozess, der sich schon im Spiel der Kräfte zeigte, nur eben jetzt im Bewusstsein (Vgl. PhG, S. 129). Dass dieser Prozess jetzt im Bewusstsein geschieht, rechtfertigt allerdings eine weitere terminologische Verschiebung: Aus dem Sollizitieren der Kraft wird ein „Tun“. Da schon das Spiel der Kräfte offenbart hat, dass das Sollizitieren unmittelbar auch das Sollizitiertsein ist, kann Hegel sich hier den Begriff des Erleidens sparen, der im „Fodern“ verschwindet. Von einem „Sehen“ eines „Tuns“ kann natürlich im buchstäblichen Sinne keine Rede sein, ebensowenig von einem „Fodern“ wie von einem anvisierten Zustandekommen. Diese Begriffe beschreiben nichts anderes als die Bedingungen von Wissen – theoretischem wie praktischem – im Modus des Selbstbewusstseins. Aus der Notwendigkeit des „sich Äußerns“ der und des Zurückgehens in die Kraft wird ein „Fodern“ und ein „notwendiges Zustandekommen“, aus der Äußerung der Kraft und dem „Zurückgehen“ in die Kraft wird ein „Tun“, aus dem Spiel der Kräfte das wechselseitige Sehen eines Tuns im anderen. Hegel unterstreicht nun, nachdem er zuvor das Selbstbewusstsein in seiner gedoppelten Struktur beschrieben hat, das Ungetrenntsein der Momente des Selbstbewusstseins in seiner Doppelung, indem er es als „Mitte“ beschreibt, welches sich in „Extreme“ zersetzt. Diese Ausdrücke verweisen, wie schon in der Rede über die „Erscheinung“ (im Wahrnehmungskapitel fehlte der Bezug auf die Mitte), auf die syllogistische Figur, es ist dem Ver-
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ständnis aber sicher auch dienlich, wenn die begriffliche Nähe zu „Mittel“ und die lateinische Bedeutung von „exter“, äußerlich, bedacht wird. Diese „Extreme“ dienen gegenseitig als „Mitte“ und konstituieren so das Selbstbewusstsein. In dieser Hinsicht sind sie für sich noch nicht Selbstbewusstsein, es darf also nicht wundernehmen, wenn hier die Bezeichnung „Bewusstsein“ wieder auftaucht und auf der anderen Seite das „Fürsichsein“ als bloße Funktion des Identifizierens gebraucht wird. Hegel beschreibt diesen Vorgang in einem Satz, der aufgrund seiner Komplexität Stück für Stück kommentiert werden muss. 1. „Als Bewußtsein“ komme das Selbstbewusstsein „wohl a u ß e r s i c h “, heißt es zunächst: Es hat sich als Wissen also entäußert, ist bestimmtes Wissen geworden – also einerseits Wissensinhalt eines Individuums, andererseits das erscheinende Selbstbewusstsein als dieses Individuum – nicht mehr bloßes Fürsichsein. 2. „Zugleich“, so geht es weiter, „ist es in seinem Außersichsein […] in sich zurückgehalten, f ü r s i c h “: Das beschreibt dasjenige Moment der Identität, welches jedes Wissen aufweisen muss, das, was als „Dieses“ den Fluss der Bestimmtheiten nicht aufhalten konnte und als Gesetz die unstete Erscheinung beruhigen sollte, und was anstelle des Gesetzes nun das Fürsichsein des Selbstbewusstseins leistet, das Ich, welches in all seiner Bestimmung immer dasselbe ist. Auch hier muss mitbedacht werden, dass damit sowohl das Selbstbewusstsein als Substanz gemeint ist, dass in allen selbstbewussten Individuen präsent ist, als auch das in allem individuellem Wissen präsente „Ich weiß“. 3. Sein „Außer sich“ ist also „f ü r e s “ , etwas, was ihm als bestimmtes Wissen begegnet (individuelles Selbstbewusstsein) bzw. das ihn (das substantielle Selbstbewusstsein) repräsentiert. 4. „Es ist für es, daß es unmittelbar anderes Bewußtsein i s t und n i c h t i s t “ , in all seinen unterschiedlichen Anmutungen also dasselbe Bewusstsein, also mit sich identisch und in sich different ist – was das substantielle und individuelle Selbstbewusstsein gleichermaßen betrifft. Durch den Gebrauch von „anderes“ wird zudem auf etwas Wichtiges hingewiesen, ohne das der Begriff und erst recht die Erfahrung der Anerkennung nicht verstanden werden kann. Bewusstsein heißt Bewusstsein von anderem zu haben, also die wissende Beziehung auf ein Detail einer vielfältigen Welt, deren Objekte einander je andere sind. So ist auch das Bewusstsein
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das Gewahren von Veränderung. Jedoch ist für das Gewahren der Veränderung ein mit sich identischer Maßstab notwendig, an dem diese Veränderung gemessen werden kann, das, was das Bewusstsein zum Selbstbewusstsein macht. Der Unterschied ist nur für den, der selbst kein Unterschied ist; das Bewusstsein nur möglich durch das Selbstbewusstsein, was zum nächsten Schritt der Anerkennungsbewegung führt: 5. Ebenso „ist es für es“, „daß dies Andere nur für sich ist, indem es sich als Fürsichseiendes aufhebt und nur im Fürsichsein des Anderen für sich ist“. Diese Äußerung wird erst durchsichtig, wenn bedacht wird, dass dies andere ja auch ein Fürsichsein ist. Ein Bewusstsein ist dann Selbstbewusstsein, wenn es einer Bestimmtheit ausgesetzt ist und diese Bestimmtheit als die seine begreift. Nun ist es aber das Wesen von Bestimmtheit, dass sie anderer Bestimmungen bedarf. Ein Bewusstsein, einer anderen Anmutung ausgesetzt, ist in ihr, sobald es sie als die seine begriffen hat, auch für sich. Damit ist es aber zugleich nicht für sich, nicht mit sich identisch, denn die Gewissheit seiner selbst hat es nur durch das Beziehen seiner auf sich. Aus dem anderen Fürsichsein muss das Fürsichsein auch des ersten, das Andere nicht als anderes, sondern identisches Fürsichsein begriffen werden. Das Bewusstsein wird Selbstbewusstsein nur dann, wenn es ihm gelingt, sich selbst in seinem jeweils anders bestimmten Fürsichsein zu erkennen, oder: Das mit sich identische „Wissen um“ muss in allen Vorstellungen als diese begleitend erkannt werden. Nach der praktischen Seite könnte der Satz auch so erläutert werden: Wenn sich das Individuum zu seinen sinnlichen Motiven verhält, ist er um so weniger es selbst, um so mehr es sich in diesen Antrieben verliert, und um so mehr, je mehr es ihm gelingt, sich selbst zu bestimmen, also diese so zu kanalisieren, dass sie sich der Autonomie des Selbst fügen.153 153
Hans Georg Gadamer, Hegels Dialektik des Selbstbewußtseins, liest die Anerkennungsbewegung jedoch zu konkret, wenn er meint, die „Dialektik der Anerkennung“ durch Grußsitten illustrieren zu können. Er erklärt die oben unter Punkt 1 angesprochene „Verlorenheit“ des Selbst im Anderen darin als gegeben, dass in einer sozialen Situation das Selbstbewusstsein „den Anderen gar nicht mehr als Selbst [sehe], sondern nur ‚sich selbstǥ im Anderen, wenn es derart auf Ehre aus ist, d.h. sein eigenes Selbstbewußtsein in ihm sucht.“ (S. 228) Da dies daher „nicht genügen“ kann, muss das Selbstbewusstsein sich „selbst zugunsten des Anderen zurücknehmen, denn dies Andere ist es selbst, es ist für es selbst wesentlich, daß es ist“ (S. 228f). Denn das Selbstbewusstsein hänge in einem „geistigeren Sinne“ als die Begierde vom Anderen „als Selbst“
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ab, welcher deswegen frei sein muss, auch wenn die Anerkennung dessen Aufhebung erfordere. Es muss also ineins mit dem Selbstbewusstsein auch der Andere bestätigt werden, was Gadamer anhand eines Beispiels illustriert: „Man denke an das Gefühl der Demütigung, wenn jemand einen nicht wiedergrüßt, sei es, daß er einen nicht kennen will – eine schreckliche Niederlage des eigenen Selbstbewußtseins –, sei es, daß er einen wirklich nicht kennt, sondern daß man ihn verwechselt und verkannt hat – auch kein schönes Gefühl: so sehr ist die Wechselseitigkeit essentiell.“ (S. 229) Das mag plausibel klingen, überzeugend im strengeren Sinn ist es dennoch nicht. Weder ist zu verstehen, wie ein Selbstbewusstsein sich selbst in einem Anderen sehen kann, noch, wo der Begriff der „Ehre“ abgeleitet ist – ohne den das Beispiel nicht funktioniert –, noch, was unter „Freiheit des Anderen“ zu verstehen ist. Eine zwingende Notwendigkeit, welche Hegel doch beansprucht, ist auch in Gadamers Interpretation nicht zu finden. – Obschon nicht bestritten werden kann, dass das angemessene Verständnis dessen, was sich hinter dem Begriff der Anerkennung in der PhG verbirgt, alles andere als einfach zu erreichen ist, muss dennoch die Leichtfertigkeit kritisiert werden, mit der Alexandre Kojève, Hegel, meint, diesen Begriff fassen zu können. Ausgehend von seiner unhaltbaren Auslegung von „Begierde“ als animalischer Grundlage menschlicher Existenz ist für ihn ausgemacht, dass diese dem Menschen nur ein „Selbstgefühl“ vermittle, nicht jedoch eine Selbsttranszendenz, die für die Selbstdistanz gebraucht wird, welche nötig ist, um sich selbst zu betrachten und sich als „Ich“ zum Objekt werden zu können. Dies liegt Kojève zufolge daran, dass der Mensch als animalischer daseiende Dinge begehrt. Das zu Begehrende muss also, um anthropogen zu sein, ein Nichtseiendes sein. Als nichtseiendes „lechzend Leeres“ meint Kojève in der PhG den Menschen ausgemacht zu haben. Dieser ist es demnach, zu dem sich der Mensch begehrend zu verhalten habe, was eine – neben der Logifizierbarkeit des Seins, welche sich Kojève zufolge in der „Sinnlichen Gewissheit“ ausspräche, und der Begierdestruktur als Wesensbestimmung des animalischen Menschen – dritte „nicht weiter zurückführbare Prämisse“ notwendig mache: die Existenz mehrerer Begierden (ebd., S. 58, ihm folgt darin George Armstrong Kelly, Bemerkungen zu Hegels „Herrschaft und Knechtschaft“, in: Dietmar Köhler/Otto Pöggeler, Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Phänomenologie des Geistes, Berlin 1998, S.189-216 [S. 194]). Erst wenn diese gegeben seien, sei der Mensch in der Lage, vermittels dieses anthropogenen Objektes sich selbst als freien, da transzendenzfähigen Menschen zu begreifen. Abgesehen von der bereits oben bemerkten Verkennung von Hegels Methode, die sich darin ausdrückt, Hegel mache Gebrauch von unhintergehbaren Prämissen (was dem Vorwurf einer Erschleichung gleichkommt); abgesehen auch vom sehr freien Umgang mit dem Text, ist diese Anthropologie nicht überzeugend, schon gar nicht in der Rede vom Menschen als „lechzend Leeren“, welche den Menschen zum bestimmungslosen, mithin als real nicht denkbaren macht, welcher demzufolge auch nicht „begehrt“ werden kann. Selbst wenn er dies könnte, ist es völlig unplausibel, was die Begierde einer anderen Person zur Selbsterkenntnis des Menschen als transzendenten beitragen soll, kann doch nur ein „Er“, niemals ein „Ich“ Objekt dieses Begehrens sein. Kojève scheint nicht zu bemerken, dass die Inspiration für seinen animalisch „lechzend leeren“ Menschen die idealistische Bestimmung des allgemeinen Selbstbewusstseins ist, nämlich die der tautologischen Leerheit des Ich=Ich, welche sich in ihrer
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Wenn sich das Selbstbewusstsein als Substanz individuiert, dann ist es als dieses Individuum Selbstbewusstsein jedoch nur insofern, als diese Individualität wieder aufgehoben wird. Umgekehrt könnte auch gesagt werden: Je verstrickter ein Individuum in das ist, was es als Individuum auszeichnet, um so weniger repräsentiert es das reine Selbstbewusstsein als Ich=Ich. Dies erreicht es nur, wenn es sich auf dieses besinnt und seine bloße Individualität abstreift. Es scheint in dieser Interpretation des äußerst dicht dargestellten Begriffs der Anerkennung, als könnte Hegel ein Anti-Individualismus vorgeworfen werden. Dass sich dies durchaus nicht so verhält, soll kontrastierend mit Hilfe des notorischen Fichteschen Anti-Individualismus erläutert werden. In den Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten zieht Fichte aus dem Imperativ der Sichselbstgleichheit die letzte Konsequenz: Alle Individuen, die zum Menschengeschlechte gehören, sind unter sich verschieden; es ist nur Eins, worin sie völlig übereinkommen, ihr letztes Ziel, die Vollkommenheit. Die Vollkommenheit ist nur auf eine Art bestimmt: – sie ist sich selbst völlig gleich; könnten alle Menschen vollkommen werden, könnten sie ihr höchstes und letztes Ziel erreichen, so wären sie alle einander völlig gleich, sie wären nur Eins; ein einziges Subject.154
Dies ergibt sich ganz klar aus der Fichteschen Perspektive des Sollens, des Strebens nach Sichselbstgleichheit, welches jeden Unterschied einebnen muss und jede Individualität auslöscht – ein Postulat, welches in dieser Strenge sich selbst zerstören muss. Denn das Selbstbewusstsein hat das Bewusstsein, mithin den Unterschied nötig, so sehr es ihn auch zu übersteigen sich genötigt sieht. Es kann also nicht darum gehen, die Differenz zu zerstören. Vielmehr muss die Identität in der Differenz selbst hergestellt werden. Das Aufheben des Anderen kann also nicht als dessen Vernichtung gemeint sein – und so ist Aufheben bei Hegel nie gemeint. Es kann deshalb nur die Anreicherung des Anderen um das Moment der Identität selbst bedeuten. Für das verschieden bestimmte Selbstbewusstsein heißt das: Wenn das Selbstbewusstsein in der Bestimmtheit A dem Selbstbewusstsein in der Bestimmtheit
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Reinheit gar nicht zu einem Individuum besondern kann, und zu einem Individuum nur wird, indem es sich in sich bestimmt. Johann Gottlieb Fichte, Das System der Sittenlehre nach den Principien der Wissenschaftslehre, S. 310.
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B begegnet, so können beide versuchen, dem jeweils anderen streitig zu machen, Selbstbewusstsein zu sein. Dann wäre aber kein Selbstbewusstsein, nur zerfasertes Bewusstsein erreicht. Oder aber es unterwirft sich ein Selbstbewusstsein unter den Anspruch des Anderen. Dann wäre es als Selbstbewusstsein aufgehoben, das Selbstbewusstsein der anderen Bestimmtheit könnte prätendieren, Selbstbewusstsein zu sein und das andere als Bewusstsein, welches nicht für sich ist, unter sich zu haben. Tritt allerdings dieser Fall ein, so muss auch das Selbstbewusstsein seine Bestimmtheit aufgeben und sie dem Bewusstsein überlassen. Das ist offensichtlich die Position Fichtes, wie sie in aller Radikalität aus dem Zitat spricht. Oder aber das Selbstbewusstsein der Bestimmtheit A erkennt sich im Selbstbewusstsein der Bestimmtheit B wieder und umgekehrt, ohne dass sich beide ihre Bestimmtheiten aberkennen müssten. So wäre das Bewusstsein im Selbstbewusstsein integriert, und zwar nicht als hierarchisch unterlegenes, sondern als die Wirklichkeit des Selbstbewusstseins durch die Re-Identifizierung des Bewusstseins mit sich in allen seinen Bestimmtheiten. Der Vorwurf des Anti-Individualismus trifft Hegel also nicht. So verliert auch der Satz an Befremdlichkeit, mit dem Hegel die Darstellung des reinen Begriffs der Anerkennung beschließt: „Sie a n e r k e n n e n sich, als g e g e n s e i t i g sich a n e r k e n n e n d . “ (PhG, S. 129) Es geht in diesem ersten Auftreten des Begriffs Anerkennung zunächst um nichts weiter als darum, dass sich verschiedene Bewusstseinsinhalte gegenseitig in einer Kontinuität sehen und so eine Einheit des Bewusstseins herstellen, die es erlaubt, von einem Selbstbewusstsein der vielen Selbstbewusstseinsinhalte zu sprechen.
3.2 Naturrechtliche Fragen im Kontext des Anerkennungsbegriffs Aber wird mit dieser Interpretation nicht die naturrechtliche Folgerung unterschlagen, nämlich die, dass sich verschiedene Individuen gegenseitig anerkennen müssen, als teilhaftig eines Selbstbewusstseins? Leider führt auch der Weg, das einzelne Selbstbewusstsein als Emanation des substantiellen zu begreifen, nicht dahin, eine Vielheit dieser Einzelnen herzuleiten, ganz einfach deshalb, weil dieser Einzelne diese Vielheit – als Gedanken und praktische Ein-
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stellungen – in sich selbst schon realisiert. Es zeigt sich auch nach der Vorstellung des Begriffs der Anerkennung keine Notwendigkeit, der vielfältigen Bestimmungen wegen eine Vielzahl von Individuen als Träger dieser Bestimmungen anzunehmen. Das Selbstbewusstsein muss sich in ein wirkliches Selbstbewusstsein verleiblichen, für die Notwendigkeit der Verwirklichung in eine Vielzahl kann im Text kein Hinweis gefunden werden. Somit müssen die im Text der PhG vorhandenen Anspielungen auf sozialphilosophische Zusammenhänge zwar nicht als bloß metaphorischer, aber doch als von hypothetischer Natur eingeschätzt werden. Selbst die Fichtesche indirekte Herleitung eines anderen Selbstbewusstseins lässt sich aus dem Begriff der Anerkennung nicht herauslesen, denn die unter 3. vorgestellte Aussage, es sei sein Aussersichsein für das Selbstbewusstsein, deutet auf einen direkten Zugang zum Alterego, den aber nur das konkrete Selbstbewusstsein zu sich selbst, zwischen seinen einzelnen Bestimmtheiten Verbindungen knüpfend, haben kann. Warum Hegel die Einswerdung des Selbstbewusstseins mit solchen starken Anspielungen auf das Naturrecht unterlegt hat, kann nur vermutet werden, denn die Notwendigkeit intersubjektiver Vermittlung für den Begriff der Anerkennung hat sich nicht gezeigt. Plausibel ist die Annahme, Hegel habe das Phänomen Selbstbewusstsein, welches nach dem wissenschaftlichen Anspruch der PhG eigentlich nur als Entfaltung begriffslogischer Momente dargestellt werden kann, gar nicht anders als in der Geschichte auftreten lassen können – wofür im Folgenden Indizien vorgestellt werden sollen. Es bildete sich also in einem Medium heraus, welches sich als eines der Erscheinung dieses Prozesses gegen die nötige Reinheit seiner begriffslogischen Darstellung sperrt – das Phänomenale geht nicht sauber in ein Phänomenologisches über. Um die Verlegenheit, in welche die Textanalyse an dieser Stelle gerät, abzumildern, muss zu einer Konjektur gegriffen werden. In Joh 3,8 heißt es: „Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist.“ Dass sich der Geist Bahn brechen muss, folgt aus seiner inneren Struktur, aber wie er das macht, welcher Mittel er sich bedient, scheint nicht so strikt notwendig hergeleitet werden zu können. Hegel sah offenbar im Anfang der Staatenbildung unter anderem das Mittel,
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dessen sich der Geist bemächtigte, um sich selbst zu verstehen. Das Kapitel Selbstbewusstsein ist jedoch deswegen noch lange keine Geschichtsphilosophie. Vielmehr werden in ihm historische Phänomene benutzt, um die Genese des Bewusstseins zum Selbstbewusstsein zu beschreiben; jedoch, wie in der vorherigen Kapiteln auch, nicht ausschließlich historische, sondern ebenso philosophiegeschichtliche Phänomene und solche aus der Geschichte der Naturwissenschaft. Dies erschwert einerseits das Verständnis, allerdings gibt das bunte Gewirr dieser Anspielungen einen Hinweis darauf, dass es eben nicht um diese Beispiele selbst geht, sondern um die Logik der Entfaltung der Strukturmomente des Selbstbewusstseins, welche offenbar Hegels Ansicht nach auch die angeführten Phänomene grundiert, ohne dass diese an dieser Stelle der PhG vollumfänglich abgeleitet werden können. So fehlt der Sozialphilosophie, auf welche angespielt wird, ganz offensichtlich die Intersubjektivität, eine Handlungstheorie und anthropologische Grundannahmen; aber auch die Erkenntnistheorie und praktische Philosophie, auf welche ebenfalls Hinweise nicht fehlen, ist nur von der Perspektive des Verhaltens des Selbstbewusstseins zu sich beschrieben und muss ohne eine Analyse des Willens und der Erkenntnisvermögen auskommen. Das alles aber deshalb, weil es Hegel vordergründig gar nicht darum geht. Das Problem, welches viele der Interpretationen gerade des Kapitels „Selbstbewusstsein“ haben, ist also nicht, dass sie auf die Phänomene, auf welche Hegel anspielt, Bezug nehmen. Es liegt vielmehr darin, dass in ihnen gerade mit den Annahmen, welche im Kapitel „Selbstbewusstsein“ eben noch nicht deduziert sind, argumentiert wird, und sie so an der eigentlichen Ableitung der Selbstbewusstseinsmomente, um welche allein es zu tun ist, vorbeigehen. Zu diesen Schwierigkeiten der Darstellung zählt auch, dass das Erscheinen des Prozesses der Anerkennung nicht anders erklärt werden kann als über eine Naturzustandserzählung, die jedoch begriffslogisch von Hegel offenbar nicht erreicht wird, aber auch nicht erreicht zu werden braucht. Es muss dem Leser nur klar sein, was am Text Darstellung des Phänomens ist und was die Logik hinter dem Phänomen beschreibt. Dies musste allerdings auch bis zum Kapitel „Selbstbewusstsein“ schon geleistet werden: Die Erkenntnis, dass es im Kapitel „Sinnliche Gewissheit“ nicht bloß um eine verquere epistemologische Theorie geht, sondern um das
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seinslogische Problem, Endlichkeiten nicht fassen zu können ohne einen Bezug auf das ihnen Allgemeine; die Erkenntnis, dass es im Kapitel „Wahrnehmung“ nicht um das epistemologische Problem der Dingunterscheidung und -identifizierung geht, sondern um die Unmöglichkeit, Bestimmtheit und Allgemeinheit als identisches miteinander zu vermitteln; die Erkenntnis, dass es sich im Kapitel „Kraft und Verstand“ nicht um eine Kritik an der Newtonschen Physik handelt, ebensowenig an der Leibnizschen Monadologie und der Platonischen Zwei-Welten-Lehre, sondern darum, dass sich die widerspruchsvolle Identität von Allgemeinem und Besonderem nur auf eine Weise denken lässt, die deren Existieren in einer vom Subjekt unterschiedenen Welt aufhebt – und diese Welt mit ihnen. Es muss also Gestaltgenese und Gestaltphänomen getrennt werden. Aber ist deren Verknüpfung dann nicht willkürlich? Ganz sicher wohnt dem Herbeizitieren unterschiedlicher Phänomene, durch die Hegel die jeweiligen Gestalten des Bewusstseins illustriert und welche dem Hegelschen Text den Eindruck von Inkohärenz verleihen, eine gewisse Willkür inne. Aber die „Wissenschaft der Erfahrung des Bewusstseins“ ist eben eine Phänomenologie des Geistes. Die Wissenschaft spricht die Sprache der Phänomene. Die Phänomene kommen allerdings auf eine Weise zu Wort, in der sie ihre innere Logik enthüllen sollen. Das Wesen einer unmittelbaren Epistemologie wäre also ein Bezugssystem, welches ohne allgemeine Begriffe auszukommen versucht. Wenn die Phänomene aber dazu gebracht werden, ihre innere Struktur zu enthüllen, also ihre Logik zu thematisieren, ohne ihren phänomenalistischen Dialekt abzustreifen, können sie, am Narrenseil ihrer eigenen Thesen geführt, widerlegt werden. So bleibt der Sinnlichen Gewissheit die Wahl, sich in die Sprachlosigkeit treiben zu lassen oder das Gegenteil dessen zu sagen, was eigentlich gemeint ist; so bleibt der Wahrnehmung, sich vom „Auch“ und „Insofern“ beraubt zu sehen, und dem Verstand das Verdikt, im Erklären, statt zu verstehen, ein autistisches Spiel mit sich selbst zu treiben. Hegel macht diese Typen zu Advokaten in eigener Sache – nur dass ihr von ihnen selbst vorgetragenes Plädoyer zu ihren Ungunsten ausfällt. Der Sinn der phänomenalistischen Sprache ist demnach der, dass, egal in welcher Maske der Erscheinung eine Theorie auftritt, ihr Wesen aufgedeckt und sie somit als Typus im Gang der Gestalten des Bewusstseins identifiziert und sie somit widerlegt werden kann. Das
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Arbiträre der beispielhaft angeführten Phänomene aus der Geschichte und der Philosophiegeschichte bedeutet, dass diese Beispiele beliebig austauschbar sind – ein geschultes Urteil vorausgesetzt, könnte die PhG aus heutiger Perspektive neu geschrieben werden, wenn denn das logische Gerüst unangetastet bliebe. Das Wesen dieser Beispiele führt jedoch auf eine Notwendigkeit, nämlich der analytisch und synthetisch fortschreitenden Genese des Bewusstseins. Diese Notwendigkeit ist allerdings aus den angeführten Gründen der Darstellung – zum großen Schaden der Rezeptionsgeschichte – hinter den willkürlich auftretenden und sich inkohärent abwechselnden Phänomenen verborgen. Das gilt auch für das die Anerkennung erfahrende Bewusstsein. Die Phänomene, welche sich in ihr äußern – der Kampf um Anerkennung, Herrschaft und Knechtschaft im antiken Staat, Selbstbeherrschung und Beherrschung der Natur – können durch ihr logisches Fundament, was das wesentliche der Darstellung ist –, erklärt werden, ihre bloße Erscheinung ist nicht selbsterklärend, erklärt tatsächlich gar nichts, wenn nicht in das Innere geschaut wird. In diesem Sinne soll nun die eigentliche Darstellung der Erfahrung des Prozesses der Anerkennung erfolgen.
3.3 Die Erfahrung des Bewusstseins. Herrschaft und Knechtschaft In der Erfahrung der Anerkennung vollzieht das Bewusstsein als Selbstbewusstsein den Begriff der Anerkennung nach. Auch hier hält sich Hegel also an die in der Einleitung vorgestellte Vorgehensweise. Für die Darstellung dieser Erfahrung ist stete Rückversicherung auf deren Begriff unerlässlich. Die Einführung neuer Begrifflichkeiten zur Beschreibung dieser Erfahrung: Kampf, Tod, Herrschaft und Knechtschaft, Dienst und Bildung sind zwar, wie zu zeigen sein wird, durch die neue Konstellation berechtigt. Nichtsdestotrotz müssen sie, stärker noch als in den bisherigen Umetikettierungen, die am Bewusstsein und seinem Gegenstand gemacht wurden, als Erschleichungen gelten, wenn die Interpretation davon ausgeht, dass die ursprüngliche Intention der PhG war, die Entwicklung der Sache selbst, nämlich des Wissens, darzustellen. Besonders unglücklich muss in diesem Zusammenhang die Darstellung des Begriffs des Lebens gelten, verführt sie doch dazu,
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die sich zum Selbstbewusstsein formierenden Momente als leibliche Personen, die weitere Entwicklung daher als soziale zu betrachten. Aber schon eine etwas genauere Betrachtung des Wortgebrauchs zeigt, dass diese Begriffe als Phänomene nicht so recht zueinander passen wollen, schon gar nicht als genetisch auseinander entwickelt betrachtet werden können – weniger noch als im oben referierten Text der Enzyklopädie. Auch hier wird sich so bestätigen, dass der Zusammenhang der Gestalten der PhG keiner der assoziierten Phänomene, sondern der von seins-, wesens- und begriffslogischen Bestimmungen ist, die auch schon in der PhG entwickelt werden. Es muss deshalb noch einmal daran erinnert werden, dass unter der Bezeichnung „Selbstbewusstsein“ nichts anderes gedacht werden darf als eben ein Bewusstsein seiner selbst, ein Wissen, welches sich selbst zum Gegenstand hat. Ein tatsächliches menschliches Individuum wäre viel mehr als das und ist nicht gemeint. Das Selbstbewusstsein ist „zunächst einfaches Fürsichsein“. Entsprechend dem Beginn der Sinnlichen Gewissheit könnte das Selbstbewusstsein dies, auf sich verweisend, in dem Satz ausdrücken: „Ich bin dieses einzelne Ich.“ Hegel stellt die Erfahrung der Anerkennung also nicht anhand der Doppelstruktur des Selbstbewusstseins dar – auch wenn manchmal im Text von „beiden“ die Rede ist –, vielmehr macht ein einzelnes, konkretes Selbstbewusstsein die Erfahrung über seine eigene Natur. „Was anderes für es ist, ist als unwesentlicher, mit dem Charakter des Negativen bezeichneter Gegenstand.“ (PhG, S. 130) Hier realisiert sich, unschwer zu erkennen, der zweite Schritt in der Entwicklung des Begriffs der „reinen Anerkennung“, die Entäußerung, der Identitätsverlust durch Bestimmung. Das Ich ist zum bloßen Bewusstsein eines Gegenstands geworden. „Aber das Andre ist auch ein Selbstbewusstsein; es tritt ein Individuum einem Individuum gegenüber auf.“ Diese Aussage gilt es zunächst zu klären, denn es ist aus den oben genannten Gründen schwierig, Gründe dafür zu finden, die die Berechtigung lieferten, hier seien zwei verschiedene Personen gemeint, denn die Einheit in der Verschiedenheit seiner Eigenschaften, die dafür die Voraussetzung wäre, ist noch lange nicht erreicht; und dass sich zwei wirkliche Individuen zur Einheit eines Selbstbewusstseins zusammenschließen sollen, dass dies der „Begriff dieser Einheit in seiner Verdopplung“ (PhG, S. 127) sein soll, ist schwer plausibel zu machen. Es scheint statt dessen naheliegen-
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der, davon auszugehen, hier sei lediglich eine Bestimmung des Selbstbewusstsein gemeint, welche sich neben das erste Selbstbewusstsein als zweites Selbstbewusstsein stellt. Dies gilt es aber erst zu prüfen. Eine weitere Schwierigkeit dabei, die Eröffnung der Erfahrung des Selbstbewusstseins zu verstehen, liegt auf den ersten Blick nicht darin, dass Hegel mit einer Doppelung des Selbstbewusstseins operiert. Dass es notwendig in lebendiges und für sich seiendes Selbstbewusstsein auseinandertritt, wurde ja schon zur Genüge dargelegt. Die Schwierigkeit liegt im Gebrauch des Wortes „Individuen“ einerseits, andererseits in der Anmerkung, beide seien „in das Sein des Lebens“ versenkt. Da Individualität nur einem sich auf sich selbst beziehenden Wesen zukommt, dem lebendigen Selbstbewusstsein diese Selbstbeziehung aber abgeht, kann dieses Moment hier nicht gemeint sein, ebensowenig wie das Ich=Ich, welches klar vom Leben geschieden ist. Was auch immer mit „Individuum“ hier angesprochen ist, die Momente des Selbstbewusstseins sind es jedenfalls nicht. Wenn aber wirkliche selbstbewusste Wesen angenommen werden müssen, um die Erfahrung des Bewusstseins mit sich darzustellen: Wieso müssen es zwei sein? Die Zweiheit ist hier, anders als bei der Doppelstruktur des substantiellen Selbstbewusstseins, nicht unmittelbar einzusehen. Es wird aber schnell deutlich, dass sich diese Zweiheit aus Gründen der Darstellung ergibt. Behauptet sich nämlich ein Selbstbewusstsein unmittelbar selbst, so tritt derselbe Mechanismus ein, der schon in der Sinnlichen Gewissheit deren Wissensanspruch zunichte machte. Denn das Selbstbewusstsein vermeint sich schon unmittelbar wissen zu können, „und es ist in dieser U n m i t t e l b a r k e i t , oder in diesem S e i n seines Fürsichseins, E i n z e l n e s .“ (PhG, S. 130) Es ist ebenso eine sich in eine Einzelheit abkapselnde Bestimmtheit wie das vom Bewusstsein noch geschiedene behauptete Diese der Sinnlichen Gewissheit. Wie das Diese muss sich das unmittelbare Selbstbewusstsein um seiner selbst willen aufheben, weswegen notwendig „das Andere“ zu ihm hinzutreten muss. Die Zweiheit ist also eine andere als beim Begriff des Selbstbewusstseins, dessen voneinander geschiedene zwei Momente als abstrakte, unwillkürliche, bloß der Verständigung des Phänomenologen dienende für eine Erfahrung untauglich wären, weshalb in den Textabschnitten, welche die Erfahrung des Be-
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wusstseins beschreiben, auf Beispiele, eben Phänomene zurückgegriffen wird. Sie ist nicht wie bei ihm bedingt durch das reine Fürsichsein und das lebendige Selbstbewusstsein, welche beide diesen Begriff ausmachen; in der Erscheinung155 resultiert die Zweiheit aus dem unmittelbaren und dem anderen Selbstbewusstsein, gleich, in welcher Bestimmtheit sie auftreten. So klärt sich auch auf, dass die Formel „ein Selbstbewusstsein für ein Selbstbewusstsein“, durch die Bestimmung des Anderen als Modus des Verhältnisses beider ergänzt, in Wahrheit auf eine Vielheit von Selbstbewusstsein hindeutet, innerhalb dieser Vielheit das Selbstbewusstsein sich als je anderes zu sich verhält. Dadurch wird auch verständlich, weshalb Hegel den Geist einführt als etwas, das erfahren wird als „I c h , das W i r , und W i r , das I c h ist“ (PhG, S. 127).156 155
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Michael Quante, „Die Persönlichkeit des Willens“ und das „Ich als Dieser“. Bemerkungen zum Individuationsproblem in Hegels Konzeption des Selbstbewußtseins, in: ders./Erzsébet Rózsa, (Hrsg.), Vermittlung und Versöhnung. Die Aktualität von Hegels Denken für ein zusammenwachsendes Europa, Münster/Hamburg/Berlin/London 2001, S. 53-67, ist beizupflichten in seinem Befund, es hätte dem Deutschen Idealismus eventuell „manche Fehlauslegung erspart“, wenn statt dem Ich von einer „Ichheit“ Gebrauch gemacht worden wäre (vgl. ebd., S. 59). Bliebe Quante jedoch bei dieser Behauptung stehen, wäre sie schon bei einem Autor wie Fichte problematisch und würde mit ihr bei Hegel nicht nur der spinozistische Zug übersehen, der auch in der PhG allgegenwärtig ist, es würde auch übersehen, dass der Zusammenhang von der Universale Ich zum konkreten Selbstbewusstsein ganz entschieden herausgearbeitet wird, dass es also gerade die Rede von einer bloßen Ichheit ist, die von Hegel als zu abstrakt zurückgewiesen worden wäre. So macht Quante anhand einer Aussage Hegels im Kapitel „Vom Begriff im Allgemeinen“ deutlich, dass Subjektivität immer konkrete Subjektivität bedeutet. Hegel schreibt, das Ich sei „unmittelbar als die sich auf sich beziehende Negativität E i n z e l h e i t , a b s o l u t e s B e s t i m m t s e i n , welches sich anderem gegenüberstellt und es ausschließt: i n d i v i d u e l l e P e r s ö n l i c h k e i t .“ (Hegel, Begriffslogik, S. 13.) Quante interpretiert diese Passage so, „daß an dieser Stelle bereits die Individuation zu einer konkreten, existenten Person enthalten“ (ebd., S. 60), mit „Persönlichkeit“ also keinesfalls nur eine universale Eigenschaft gemeint ist. Dieser Zug ist bei allen Gestalten der PhG vorhanden: In ihnen sind Universales und Konkretes immer zusammen gedacht. Auch das wird übersehen von Becker, Idealistische und materialistische Dialektik, S. 68, wenn er anmerkt, „daß Hegel aufgrund seiner Prämissen, wenn überhaupt, lediglich von zwei Selbstbewußtseinen sprechen kann. Daß er selber diese Rede umstandslos in die einer Pluralität von Selbstbewußtseinen umsetzt, bestätigt die Gedankenlosigkeit, die seine – allerdings immer impliziten – Schlußfolgerungen bestimmt.“ Es ist verdienstvoll, wenn Becker darauf aufmerksam macht, dass es in der PhG implizite Schlussfolgerungen auszumachen gilt. Dass mit dem Selbstbewusstsein in der Form der Andersheit zugleich eine
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Für das erste Selbstbewusstsein aber ist dies Andere zunächst kein Selbstbewusstsein, sondern von einem Gegenstand nicht zu unterscheiden. Dies könnte bedeuten: Es ist ein reales Individuum entstanden, welches dem Anspruch des unmittelbar einzelnen Selbstbewusstseins, Ich zu sein, insofern widerspricht, als es dies auch in Anspruch nimmt; ähnlich der Situation der Sinnlichen Gewissheit, in welcher das Ich, von der Irrtumsanfälligkeit des Itzt und Hier abgeschreckt, zu sich selbst als der Konstante Zuflucht nahm, deren Wahrheit nicht bezweifelt werden könne, nur um die Erfahrung zu machen, dass dies Ich auch nur eine Variable ist. Es ist aber zu bezweifeln, dass es sich so verhält. Denn es kann hier nicht um die reine Subjektivität gehen, welche als Ich=Ich Objekt nur der Wissenschaft sein kann, denn ein solches reines Selbstbewusstsein kann nur durch analytische Entfaltung entstehen, selbst aber nicht unmittelbar eine Erfahrung eines realen Selbstbewusstseins sein. Es ist also die Frage, was mit dem Selbstbewusstsein als „einfachem Fürsichsein“ gemeint ist, oder anders, mit welchen Wissensanspruch das Ich nun die erste Erfahrung macht. Unmittelbar sich selbst kann es nicht behaupten, aus demselben Grunde nicht, aus dem die Sinnliche Gewissheit nicht beanspruchen konnte, das reine, unbestimmte Sein zu wissen. Dieser Grund kam bei der Verdoppelung des Selbstbewusstseins in ein reines und in ein anderes, welches diesem das Wissen seiner als das Wissen seines Seins als gliedernde Gattung zu vermitteln hat, erneut zum Tragen. Das unmittelbare Selbstbewusstsein muss sich also bestimmen, und „Ich bin dieses einzelne Ich“ ist als Bestimmung unzureichend. Die Bestimmung kann nicht anders erfolgen als so, dass es sich als einzelnes Ich die vermittelte Identität einer einzigen Anmutung sucht, also beispielsweise als das Bewusstsein eines Baumes, welches als dieses Baumbewusstsein dennoch nicht von sich unterschieden ist. Dieses Bewusstsein nun muss sich als das Bewusstsein dieses Bewusstseins herstellen. Es wird also deutlich, dass dieses Bewusstsein sich an dieser Stelle noch nicht unmittelbar zu einer Vielzahl selbstbewusster Wesen ausdifferenzieren kann. Denn als einzeln bestimmtes Selbstbewusstsein ist es in Wahrheit noch bestimmungslos, da die nötige Abgrenzung zu anderen Bestimmtheiten fehlt. Vielzahl von Selbstbewusstseinen gesetzt ist, ist jedoch eine implizite Schlussfolgerung, welche Becker übersieht.
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Die Erfahrung des einzelnen, unmittelbaren Selbstbewusstseins als Nachvollzug des Begriffs der Anerkennung hat die Vereinigung des bestimmten mit dem reinen Selbstbewusstsein zu leisten: „Der reine Begriff des Anerkennens, der Verdopplung des Selbstbewusstseins in seiner Einheit, ist […] zu betrachten, wie sein Prozeß für das Selbstbewußtsein erscheint.“ (PhG, S. 129) Wie diese Verdoppelung zu verstehen ist, darüber gibt Hegel drei Absätze vorher Auskunft: „Das erste [sc. Selbstbewusstsein] hat den Gegenstand nicht vor sich, wie er nur für die Begierde zunächst ist, sondern einen für sich seienden selbständigen“ (PhG, S. 128). Das bezieht sich auf das Leben, welches als in sich gegliedertes Sein entwickelt und dann als das andere, lebendige Selbstbewusstsein entdeckt wurde. Nun könnte eingewendet werden, dass die Strukturmomente im Begriff der Anerkennung sich in der entsprechenden Erfahrung des Bewusstseins nicht rein wiederholten, sondern nur das beschreiben, was sich im Ergebnis dieser Erfahrung als Einheit herstellen soll, denn schließlich wurde die anfängliche Doppelung des erscheinenden Selbstbewusstseins bereits als nicht identisch mit der Verdoppelung des Selbstbewusstseins als Begriff erkannt. Jedoch: Handelte es sich beim einfachen Fürsichsein bereits um ein solcherart bestimmtes, dass es ihm gelänge, verschiedene Bestimmtheiten in ihrem Unterschiedensein von sich dennoch als die seinen zu erkennen, so wäre mit ihm die erforderliche Einheit des Selbstbewusstseins bereits erreicht, um deretwillen die Erfahrung der Anerkennungsbewegung jedoch erst gemacht werden soll. Es wäre die Frage zu stellen, was durch diese Erfahrung also stattdessen vereinheitlicht werden soll. Was also im Text fehlt, ist die Antwort auf die Frage, was ein Individuum – im Sinne eines bestimmten Selbstbewusstseins verstanden – eigentlich ausmacht. Da es unwahrscheinlich ist, dass es sich um zwei in sich differenzierte Individuen handelte, muss in der Interpretation der folgenden Textabschnitte der oben bereits in Ansatz gebrachte Versuch weiterverfolgt werden, Individualität hier als bloße Bestimmtheit eines singulären Selbstbewusstseins darzustellen. Die Einzelheit dieses Fürsichsein wäre also somit tatsächlich zu verstehen als das Bewusstsein eines bestimmten Inhalts, welches sich dieses Inhalts als des seinen gewiss ist. Der Widerspruch, der sich aufgrund dieser Bestimmtheit der Sinnlichen Gewissheit noch als externer präsentiert hat, tritt hier als interner
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auf, in Gestalt eines anderen bestimmten Inhalts.157 Dieser andere Inhalt wird zwar als Veränderung des Selbstbewusstseins erfahren, jedoch ist in dieser Erfahrung noch nicht die der Identität dieses Anderen mit der ersten Bestimmtheit gemacht. Deshalb muss das Selbstbewusstsein diese Veränderung zunächst als seine eigene interne Spaltung erleben, dasjenige, was im Begriff der Anerkennung als Selbstverlust des Selbstbewusstseins beschrieben wurde. Es erschiene auch unangemessen, den Widerspruch eines tatsächlichen, menschlichen Individuums gegen den Anspruch eines anderen, einzelnes Selbstbewusstsein zu sein, als Verlust zu beschreiben. Dieser würde ohnehin nur die Einzelheit betreffen, welche das Selbstbewusstsein für sich beansprucht, das allein würde aber nicht rechtfertigen, von dieser Korrektur von außen als von einem Verlust zu sprechen. Die oben schon diskutierte Frage drängt sich erneut auf: Wenn auf dieser abstrakten Ebene das Naturrecht nicht Thema sein kann, wieso ist Hegel hier und in Folge nicht terminologisch eindeutiger? Wieso legt er offensichtlich Wert auf naturrechtliche Bezüge und Anspielungen, obwohl doch etwas ganz anderes im Fokus steht? Spricht Hegel nicht vielleicht doch die Sprache der Sozialphilosophie, weil in Wahrheit doch eine Gestalt des Bewusstseins erreicht ist, die solche Thematisierung erlaubte? Geht es in Wahrheit nicht doch um Phänomene, nicht um eine sie grundierende Logik? Der Rechtfertigungsdruck, das Selbstbewusstseinskapitel dennoch auf eine ursprünglichere Weise zu interpretieren, ist um so größer, als sich im Text keine klaren Aussagen finden lassen, die eine sozialphilosophische Deutung als völlig abwegig denunzieren. Dem Verweis darauf, dass die Enzyklopädie, indem dort die Ausmittlung des Selbstbewusstsein mit dem Beginn der Staaten in Verbindung gebracht würde und zudem im Anschluss daran einen anderen Weg 157
Denn die Kategorie der Einzelheit führt notwendig zur Setzung vieler Eins, somit hier vieler einzelner Selbstbewusstseine. Vgl. Hegel, Seinslogik, S. 167ff. u. Fn. 40. Somit aber ist eingelöst, dass das Ich als Substanz (oder besser: Geist) sich selbst bestimmt durch das Andere, aber eben das andere seiner. Aus der Perspektive des einzelnen Ich fehlt zunächst das Wissen, im Anderen bei sich selbst zu sein. Das darf aber nicht dazu verleiten, anzunehmen, dass das Ich selbst begrenzt werde. Diese Annahme ist aber unausweichlich, wenn dasjenige, was Hegel in der „Wahrheit der Gewissheit seiner selbst“ und im Begriff der Anerkennung auseinanderlegt, nicht als das monistische Prinzip, das es ist, sondern schon als Beschreibung des einzelnen Selbstbewusstseins verstanden wird. Aber die Einzelheit muss aus der Unmittelbarkeit erst abgeleitet werden, was erst an dieser Stelle der PhG geschehen ist.
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verfolge, weshalb Hegel offenkundig dort andere Beweisziele habe als in der PhG, könnte damit entgegnet werden, dass erstens die Vorgeschichte des enzyklopädischen Selbstbewusstseinskapitels mit der der PhG weitgehend deckungsgleich ist, zweitens damit, dass auch die das Selbstbewusstseinskapitel der PhG beschließenden Bewusstseinsgestalten des Stoizismus, des Skeptizismus und des unglücklichen Bewusstseins als historische Nachfolger der antiken Sklaverei zu gelten haben, deren Abfolge Hegel philosophisch zu deuten suche. 158 Zudem hat Hegel das für dieses Kapitel zentrale Thema von „Herrschaft und Knechtschaft“ bereits im System der Sittlichkeit und in den Jenaer Systementwürfen I und II abgehandelt, und zwar in einem unzweifelhaft naturrechtlichen Kontext.159 Der einzig mögliche Kompromiss wäre die Konjektur, Hegel habe tatsächlich in der PhG naturrechtliche Fragen nicht behandelt, aber er habe zeigen wollen, dass die Problematik der Einheit des Selbstbewusstseins naturrechtliche Entwicklungen grundieren. So müsste also die These lauten, Hegel habe den Vorwurf im Naturrechtsaufsatz, den er gegen Naturzustands- und Vertragstheorien erhoben hat, auch in der PhG beherzigt: dass das, was in diesen Theorien behauptet wird, eine Konstruktion von „in Beziehung auf den Staat“160 als notwendig erachteten Vermögen des Menschen ist, zu welchen aber nur auf dem Wege der Abstraktion gelangt werden kann, welche die zufälligen von den notwendigen Bestimmungen scheidet. Das Kriterium dafür aber könne nichts anderes sein als das, was zur Beschreibung des Vorfindlichen gebraucht wird: „das richtende Prinzip für jenes Apriorische ist das Aposteriorische“161. Denn wollte Hegel dasjenige, was in den oben referierten Zusätzen zu den §§ der Enzyklopädie, welche die Anerkennung thematisieren, zur Sprache gekommen ist, als für das menschliche Selbstbewusstsein konstitutiv befinden, so fielen diese Auslassungen als 158
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Vgl. Henning Ottmann, Herr und Knecht bei Hegel. Bemerkungen zu einer mißverstandenen Dialektik, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 35 (1981), S. 365-384 (S. 381). Vgl. ebd., S. 376ff.; vgl. Axel Honneth, Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte, Frankfurt am Main 1992, S. 13-105; vgl. Ludwig Siep, Der Kampf um Anerkennung. Zu Hegels Auseinandersetzung mit Hobbes in den Jenaer Schriften, in: Hegelstudien Bd. 9, S. 155-207. Hegel, Naturrechtsaufsatz, S. 445. Ebd.
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lupenreine Naturzustandstheorie unter Hegels eigenes Verdikt aus dem Naturrechtsaufsatz. Es würde als „richtendes Prinzip“ der die Gemeinschaft durch legitimen Zwang sichernde vorfindliche Staat gebraucht, und zwar als Lösung eines abstrahierend konstruierten Naturzustandes, welcher durch Opposition von Individuen gegeneinander gekennzeichnet ist. Sollen Hegels Ausführungen jedoch als nicht mit sich in Widerspruch stehend begriffen werden, so bietet sich einfach die Idee an, Hegel breite auf einer phänomenalen Oberfläche die Erzählung eines Naturzustandes aus, welche in ihrer Logik jedoch der Bildung des Selbstbewusstseins zu einem Ganzen folgt. Ob dies möglich ist, kann jedoch nur am Rande der Deutung des Abschnittes über Herr und Knecht als Entfaltung logischer Kategorien geprüft werden. Diese Logik zeigt sich dem Bewusstsein als die Erfahrung eines anderen Bewusstseins. Was es nicht weiß, aber die durch den Begriff der Anerkennung aufgeklärte „Wissenschaft“: Es begegnet sich selbst in seiner Andersheit. Erst in der Negation dieser Andersheit erlangt sich das Selbstbewusstsein wieder. Aber ist das wiederhergestellte Selbstbewusstsein dasselbe wie das erste? Wem macht das Selbstbewusstsein das Andere wieder gleich? Die Antwort kann nur lauten: Es macht ihm sich gleich, stellt also das unbestimmte Ich=Ich wieder her. Damit ist es aber nicht das „einfache Fürsichsein“ in seinem ersten Auftreten, denn dies war eine anders bestimmte Selbstbewusstseinsmonade. Aber das andere Selbstbewusstsein ist Selbstbewusstsein, wenn auch ein anderes als das erste: „So u n m i t t e l b a r auftretend, sind sie füreinander in der Weise gemeiner Gegenstände; s e l b s t ä n d i g e Gestalten, in das S e i n des L e b e n s – denn als Leben hat sich hier der seiende Gegenstand bestimmt – versenkte Bewußtsein“ (PhG, S. 130). Für das erste Selbstbewusstsein ist das andere Selbstbewusstsein daher Gegenstand, es selbst hat die Erfahrung, dass es auch Selbstbewusstsein ist, nicht gemacht, die Behauptung des zweiten, auch Selbstbewusstsein zu sein, muss ihm als illegitime Anmaßung erscheinen. An dieser Stelle wird jedoch deutlich, dass Hegel sich immer mehr eines Vokabulars bedient, welches eher an Hobbes denken lässt; dass nicht nur die verwendete Sprache auf eine Naturzustandstheorie hindeutet, sondern auch die Phänomene, auf welche diese Sprache verweist, einen Zusammenhang untereinander erkennen lassen. Nichtsdestotrotz soll der Versuch gemacht
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werden, die logischen Zusammenhänge unterhalb dieser vermeintlich bestehenden phänomenalen aufzuspüren und ihrer Suggestivkraft nicht zu erliegen.162 Die abstrakten, verborgenen Zusammenhänge zeigen sich indessen wie folgt: Das Selbstbewusstsein auf dieser Stufe weiß die verschiedenen Bewusstseinsinhalte als Inhalte nicht mehr von Bewusstsein, sondern von Selbstbewusstsein. Es weiß sich allerdings nicht als einheitliches Selbstbewusstsein dieser Bestimmungen. Es kann zwar zu jeder einzelnen Vorstellung sagen: „Dies ist eine von mir gesetzte Vorstellung“, indem es sich nämlich mit dieser Vorstellung identifiziert. Es kann aber alle anderen Vorstellungen nicht als die seinen begreifen. Es ist gewissermaßen erinnerungslos, ganz im Jetzt verhaftet, in das „Sein des Lebens versenkt“. Warum das so ist, wird gleich im Anschluss deutlich: Diese Individuen haben „f ü r e i n a n d e r die Bewegung der absoluten Abstraktion, alles unmittelbare Sein zu vertilgen und nur das rein negative Sein des sichselbstgleichen Bewußtseins zu sein, noch nicht vollbracht oder sich einander noch nicht als reines F ü r s i c h s e i n , d.h. als Selbstbewußtsein dargestellt“. (PhG, S. 130) Das Selbstbewusstsein ist als „einfaches Fürsichsein“ noch unvollständig, und dies deshalb, weil es so noch keine Dauer hat und in Konkurrenz zu anderem bestimmten einfachen Selbstbewusstsein tritt. Sein Bleiben herzustellen gelingt ihm nur in „absoluter 162
Zumal die Metaphern, wörtlich genommen, einer zwingenden inneren Logik entbehren. Edith Düsing, Genesis des Selbstbewußtseins durch Anerkennung und Liebe, S. 251ff., interpretiert den Begriff der Anerkennung so, dass Hegel das Problem des Selbstbewusstseins als Reflexion auf sich selbst so von allen problematischen Implikationen befreit, dass sie als Projektion auf ein anderes Selbstbewusstsein verstanden werden müsse. Mit diesem würde sich das erste zunächst identifizieren, dann, diesen Vorgang als Selbstverlust und den Anderen seiner Fremdheit benommen begreifend, dieses zweite Selbstbewusstsein bekämpfen. Es könne nicht anders, als dieses zweite Selbstbewusstsein vernichten zu wollen, da es sich selbst als autark und solipsistisch missversteht. Diese Bewegung erfolge im anderen Selbstbewusstsein spiegelbildlich. Da beiden Selbstbewusstseinen im Kampf auf Leben und Tod gewahr wird, dass sie im anderen ihre eigene Möglichkeit, sich in ihm zu identifizieren, unmöglich machten, verzichteten sie auf die ursprüngliche projektive Variante dieser Identifikation und ließen den Anderen als Anderen frei und etablierten so eine intersubjektive Selbstidentifikation. – Der so verstandene Begriff der Anerkennung, auf dessen Erfahrung angewandt, erklärt jedoch weder das Missverständnis des Anderen als Ding noch die Notwendigkeit, sich im Anderen zu identifizieren, noch die Erfahrung des Selbstverlustes dabei, noch die Notwendigkeit des Kampfes und dessen einzig möglichen Ausgang als intersubjektives Verhältnis auf die strenge Weise, wie sie nach Hegel sich ergeben muss.
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Abstraktion“, also in der reinen Erhebung seiner selbst aus der vielfältigen Bestimmtheit des Seins, wozu es von jeder Bestimmtheit, in der es sich befindet, abstrahieren muss. Dies allerdings ist durch die gegenwärtige Situation noch nicht gegeben, in der sich das „einfache Fürsichsein“, als auch das Andere, welches beansprucht, auch Selbstbewusstsein zu sein, von Anderem abschließt, beide aber dem anderen Selbstbewusstsein – oder, was genauso statthaft ist, da das Andere ja als Platzhalter für vieles Andere steht, „den anderen selbstbewussten Wesen“, als „bloßer Gegenstand“ erscheint – resp. als bloße Gegenstände erscheinen. Jedes ist wohl seiner selbst gewiß, aber nicht des anderen, und darum hat seine eigene Gewißheit von sich noch keine Wahrheit; denn seine Wahrheit wäre nur, daß sein eigenes Fürsichsein sich ihm als selbständiger Gegenstand oder, was dasselbe ist, der Gegenstand sich als diese reine Gewißheit seiner selbst dargestellt hätte. (PhG, S. 130)
Dies ist schon aus der Diskussion über das Leben geläufig. In dem Moment, in welchem sich das Selbstbewusstsein das von ihm Unterschiedene zu eigen macht, identifiziert es sich mit ihm. Als einzelnes Selbstbewusstsein ist es aber diese bloße Identität, im bloßen Selbstbezug ist aber kein Wissen, d.h., es kann nicht bewahrheitet werden, hat „noch keine Wahrheit“. Dieser Sachverhalt ist, wie jetzt deutlich hervortritt, nicht erst mit dem Begriff des „reinen Selbstbewusstseins“, des Ich=Ich aufgetreten, sondern schon in der Gestalt der Sinnlichen Gewissheit, in welcher sich das Bewusstsein völlig auf seinen Gegenstand bezog, sich mit ihm identifizierte und damit jeden Wahrheitsanspruch preisgeben musste. Er musste dies deshalb, weil Wahrheit den Bezug auf Anderes voraussetzt, die Ungleichheit von Subjekt und Prädikat. Diese Ungleichheit wäre allerdings nur die Voraussetzung für Wahrheit schlechthin, das Selbstbewusstsein ist sich aber selbst das Wahre. Der einzige Gegenstand, der die Voraussetzung, Anderes und zugleich das Selbstbewusstsein selbst zu sein, erfüllt, wurde oben als das „Leben“ bestimmt, das Selbstbewusstsein im Reichtum seines bestimmten Wissens. Dass das Leben auch hier gemeint ist, dafür spricht der Wortgebrauch „selbständiger Gegenstand“, deutlicher noch, dass der Gegenstand sich darstellen muss als die „Gewissheit seiner selbst“. Es wäre jedoch unsinnig, das „einzelne Fürsichsein“ mit dem fremden Fürsichsein zu identifizieren – denn dann wäre der Bezug auf anderes immer noch nicht
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gegeben, sondern das Andere muss sich als die „reine Gewissheit seiner selbst“ darstellen, also als das leere Ich=Ich, welches in sich völlig unbestimmt ist.
3.4 Die Metaphorik des „Kampfes auf Leben und Tod“ Das Selbstbewusstsein ist also Gegenstand für das andere Selbstbewusstsein und Selbstbewusstsein nur für sich selbst.163 Dies trifft freilich auch auf das andere Selbstbewusstsein zu. Schließlich wird so der letzte (5.) Schritt, der im Begriff der Anerkennung entwickelt worden ist, vom Selbstbewusstsein selbst erfahren. Es muss sich als Selbstbewusstsein bewahrheiten, und das heißt: Es muss von dem, was ihm als das Andere gegenübertrat (und was für die Wissenschaft nichts weiter als seine eigene Fortbestimmung war), abstrahieren. Das heißt aber auch: Es muss von sich selbst abstrahieren, muss sich bestimmungslos machen, denn eine solitäre Bestimmtheit ist keine Bestimmtheit. Hier wird klar: Dies Tun gegen „den Anderen“ zieht das Tun gegen sich selbst unmittelbar nach sich. Es kann auch hier festgehalten werden, dass die Begrifflichkeiten, die Hegel für diesen Vorgang verwendet: „Bewährung“ im 163
In der Erfahrung der Anerkennung gilt also nicht mehr, dass sich das Selbstbewusstsein von sich unterscheidet. Diese Einsicht ist zunächst nur der Wissenschaft vorbehalten. Dass das inhaltsvolle Andere zu einer Binnendifferenzierung des Selbstbewusstseins führt, weiß das erfahrende Selbstbewusstsein nicht, für das es durchaus ein „Außen“ gibt, welches ihm als Selbstbewusstsein daher nur als „unwesentlicher, mit dem Charakter des Negativen bezeichneter Gegenstand“ erscheinen kann. Wird das nicht gesehen, muss freilich Hegels Argumentation tatsächlich inkonsistent erscheinen, wie Becker Ausführungen, Idealistische und materialistische Dialektik, S. 70, zeigen, wonach Hegel sich desselben Arguments, „welches die Genesis des zweiten Selbstbewußtseins bedingt“, dass nämlich „die reine Identität des absoluten Ich sich als ein dem Gegensatz Entgegengesetztes erfaßt hat“ (S. 69f), wieder bedient, „um das erste Selbstbewußtsein in Gestalt des ‚Einzelnenǥ und ‚reinen Fürsichseinsǥ vom zweiten gerade abzuheben“ (S. 70). Das reine Fürsichsein und das einzelne Fürsichsein sind nicht dasselbe: Das erste zeigt ein Moment der einen Substanz des Geistes an, das zweite die Struktur eines wirklichen, daseienden. Das erste positioniert sich gegen sein zweites Moment als „lebendiges Selbstbewusstsein“, und es lassen sich beide als Momente einer Struktur einsehen, das zweite ist selbst anderer unter anderen, nicht mehr nur eins von zweien, und es kann als daseiendes anderes Selbstbewusstsein eben nicht mehr als von gleicher Struktur begreifen. Die Argumente Hegels sind also so verschieden wie ihre Gegenstände.
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„Kampf“ auf „Leben und Tod“ nicht bloß metaphorisch sind, sondern tatsächlich so etwas wie „Ur-Phänomene“ darstellen – dies trifft genaugenommen schon auf das Wort „Tun“ zu.164 Es finden sich in Hegels Werk zwar keine Parallelstellen, in denen dieser 164
Pirmin Stekeler-Weithofer, Philosophie des Selbstbewußtseins. Hegels System als Formanalyse von Wissen und Autonomie, Frankfurt am Main 2005, erkennt zwar richtig den intrapersonalen Ort des Kampfes um Anerkennung. Aber dessen Deutung als „allegorischen Kampf zwischen Geistseele und Leibseele“, als den „Kampf einer Absicht um ihr Überleben in der Verwirklichung durch das Tun“ (S. 415), verengt die Reichweite der zugrundeliegenden Figur auf den Leib-Seele-Dualismus. „Wenn man will, kann man auch sagen daß in diesem Kampf ein eher überpräsentisches zeitliches Selbst(bewußtsein) einem eher bloß präsentischen Bewußtsein gegenübersteht.“ (S. 416) Ohne dessen drei Einschränkungen wäre diesem Satz voll zuzustimmen. Denn dieser Satz entspricht inhaltlich vollkommen Stekeler-Weithofers vorheriger Aussage über die von Hegel erkannte „scheinbar widerspruchsvolle“ logische Struktur des Selbstbewusstseins, dass „ich, der ich hier und heute etwas tue, gleichzeitig unterschieden [bin] von dem, der ich danach sein werde, und doch auch wieder mit dem, der ich sein werde, identifiziert.“ (S. 413) Dieser Satz – wenn Tun nicht auf praktisches Handeln restringiert gedacht wird – gibt diejenige Struktur an, die sich durch die Anerkennungsbewegung herzustellen hat. Es erhellt, dass dasjenige, welches für die Differenz des Ich verantwortlich ist, nicht ohne weiteres mit dem Leib, und dasjenige, welches die Identität herstellt, nicht unmittelbar mit dem Geist identifiziert werden kann. Weiterhin gibt es Anmerkungen Stekeler-Weithofers, die das Wesen des Herrn betreffen (Wer ist der Herr, wer ist der Knecht? Der Kampf zwischen Denken und Handeln als Grundform des Selbstbewußtseins, in: Wolfgang Welsch, Klaus Vieweg (Hrsg.), Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein kooperativer Kommentar zu einem Schlüsselwerk der Moderne, Frankfurt am Main 2008, S. 205-237): Der Herr sei die Kontrollinstanz, das Herr-Knecht-Verhältnis deshalb als systematisch auf die Begierde folgend gerechtfertigt, da es als con-scientia eine Erweiterung der bloß unmittelbar bewussten Begierde ist; welche also in der Lage ist, mit Hilfe des Herrn darüber zu wachen, dass die Absicht auch realisiert werde, der Herr also nicht zum „Papiertiger“ verkomme (vgl. S. 223 f.); und die Konsequenz dieses Verhältnisses sei, „daß am Ende immer der Leib gewinnt“ (S. 229), da er ja entscheide, was tatsächlich getan wird. Diese sind insoweit richtig, als das, was von Hegel Knechtschaft genannt wird, für das Inhaltliche des Selbstbewusstseins steht; für die Restriktion dieses Inhalts auf bloße Leiblichkeit gibt es aber keinen Grund. Noch weiter entfernt vom Sinn dieser Figur des Kampfes ist Robert Brandom, Selbstbewußtsein und Selbst-Konstitution. Die Struktur von Wünschen und Anerkennung, in: Christoph Halbig, Michael Quante und Ludwig Siep (Hrsg.), Hegels Erbe, Frankfurt am Main 2004, S. 46-77, welcher ihn als soziales Verhalten von Identifikation mit einer Sache und damit als Preisgabe anderer, dieser widerstreitenden Sachen interpretiert (vgl. S. 46ff.). Seine sich daran anschließende Theorie über die Anerkennung mittels der dreiteiligen Struktur des erotischen Bewusstseins und der Ermöglichung reflexiver Anerkennung mittels reziproker durch transitive Schließung trifft dieser Einwand, da sie sich nicht ausdrücklich auf Hegel beruft, jedoch nicht.
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Sachverhalt auf ähnlich abstrakter Ebene verhandelt wird. Fest steht nur, dass er auf die beschriebene abstrakte Art und Weise gemeint ist, andernfalls Hegel, wie gezeigt, Erschleichung vorzuwerfen wäre. Für Hegel besteht diese abstraktive Selbstvergewisserung darin, „auf den Tod des andern“165 zu gehen. „Darin aber ist auch das zweite, d a s T u n d u r c h s i c h s e l b s t , vorhanden; denn jenes schließt das Daransetzen des eigenen Lebens in sich.“ (PhG, S. 130) Damit kann aber – gemäß Punkt 5 des Anerkennungsbegriffs, dass „für es“ ist, „daß dies Andere nur für sich ist, indem es sich als Fürsichseiendes aufhebt und nur im Fürsichsein des Anderen für sich ist“ – nichts anderes gemeint sein als die eigene Bestimmungslosigkeit infolge der Abstraktion von fremder Bestimmung. Aber: Wenn in einem tatsächlichen Kampf auf Leben und Tod, wenigstens bei einer partie égale, mit dem anderen Leben stets das eigene riskiert wird, wird deutlich, dass es auch in diesem konkreteren Fall um die Verzichtsbereitschaft auf die Verstrickungen des Daseins geht. „Das Individuum“, heißt es dazu, „welches das Le165
Andreas Luckner, Genealogie der Zeit, ist darin uneingeschränkt Recht zu geben, wenn er eine „‚formaleǥ Interpretation des Herrschafts-KnechtschaftsKapitels als die einzig mögliche“ ansieht (S. 159) – wenn formal in dem Sinne genommen wird, dass es nur auf die von der „Wissenschaft“ analysierten Strukturmomente ankommt, welche hinter den Phänomenen als diese steuernd versteckt sind. Gleichwohl ist die Interpretation von Herrschaft und Knechtschaft als Konfrontation von Momenten des Selbstbewusstseins miteinander, die er als tätiges und reines Selbstbewusstsein bezeichnet, problematisch: „[D]as tätige Bewußtsein muß, um tätig sein zu können, das reine negieren; das reine dagegen, um seine Reinheit zu wahren, sich der Tätigkeit enthalten“. (Ebd.) Zwar ist es richtig, dass die Momente des Selbstbewusstseins in der Erfahrung der Anerkennung hervortreten. Das tun sie allerdings noch nicht im Kampf auf Leben und Tod. Denn erstens hat Hegel beide Selbstbewusstseine als „in das Sein des Lebens versenkt“ vorgestellt – was als Beschreibung des reinen Selbstbewusstseins, welches sich nachgerade darüber definiert, nicht Leben zu sein, und als Beschreibung des lebendigen Selbstbewusstseins, welches schlicht das Leben ist, gleichermaßen unangemessen scheint. Weiterhin wurde das Selbstbewusstsein zu Beginn seiner Erfahrung als „einzelnes“ gekennzeichnet – eine weder auf das Leben noch das reine Fürsichsein zutreffende Charakterisierung. Schließlich ist nicht einzusehen, wie diese Abstraktionen einer Erfahrung fähig sein sollen. Zwar hat auch das Bewußtsein in seiner Erfahrung probeweise Universalien eine ontologische Existenz zugesprochen; das konnte es aber nur als wirkliches Bewußtsein, welches seine Erfahrung mit von Bäumen verdrängten Häusern, eckigem Salz und saurem Wein machte. Ebenso ist nur ein wirkliches, nämlich als Gestalt im Leben versenktes, einzelnes Selbstbewusstsein einer Erfahrung fähig.
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ben nicht gewagt hat, kann wohl als Person anerkannt werden, aber es hat die Wahrheit dieses Anerkanntseins als eines selbständigen Selbstbewußtseins nicht erreicht.“166 (PhG, S. 131) „Person“ ist ein zentraler Begriff der Hegelschen Rechtsphilosophie und hat den systematischen Ort seines Erscheinens erst im Kapitel „Rechtszustand“ der PhG. Dass die Anerkennung als Person die Bewegung der Anerkennung in diesem Kapitel gar nicht berührt, ist schon daraus ersichtlich, dass die erforderliche Reziprozität gar nicht in Erscheinung tritt. Dies alles kann daher als bloße Illustration mit Späterem betrachtet werden, es wird keineswegs damit der Kern der Sache selbst berührt, vor allem deshalb nicht, weil im §35 der Rechtsphilosophie Persönlichkeit und Person unabhängig von sozialer Anerkennung eingeführt werden, „Person“ als formelle, selbstbewusste und inhaltslose einfache Beziehung auf sich und „Persönlichkeit“ als „Bestimmtheit“ „nach allen Seiten“, worunter das „äußerliche Dasein“ sowie das innere von „Willkür, Trieb und Begierde“ gemeint ist, welches dennoch eine reine Beziehung auf sich einschließt, weshalb die Persönlichkeit das „Unendliche, Allgemeine und Freie“ im Endlichen ist.167 Das zeigt besonders folgendes Zitat:
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In der psychologisierenden Lesart Solomons, In the spirit of Hegel, liest sich das so: „Whatever the specific definition of self, it is only confrontation with death itself (so the argument goes) that forces us or allows us to appreciate the meaning of life as such. Thus is that the general sense of self-consciousness arises, and thus it is that the need for a ‘life and death’ struggle emerges, not from the need to negate the others so much as from the alleged and very romantic need to risk one’s own life.“ (S. 450) So glaubt Solomon schließlich, das Neue an Hegels Modell daran festmachen zu können, dass es nicht die Sorge um den Leib ist, welche den Übergang vom Natur- zum Rechtszustand erzwingt, wie bei Hobbes und Fichte, sondern: „Life isn’t everything: for selfconsciousness, selfhood is.“ (S. 451) Abgesehen davon, dass es psychologisch alles andere als einsichtig ist, dass Lebensgefahr nicht etwa auf das Leben, sondern auf das Selbstbewusstsein aufmerksam macht, so verfehlt der letzte Satz gerade die Pointe der Metapher des Kampfes, die lautet, dass das „Leben so wesentlich als das reine Selbstbewußtsein ist“. (PhG, S. 132). Ludwig Siep, Personenbegriff und praktische Philosophie bei Locke, Kant und Hegel, in: ders., Praktische Philosophie im Deutschen Idealismus, Frankfurt am Main 1992, S. 81-115, meint, offenbar wolle „Hegel hier mit Person und Persönlichkeit nicht zwei unterschiedliche Aspekte des individuellen Willens charakterisieren, sondern die gleiche Struktur.“ So sei „Personalität […] die Fähigkeit des Individuums, sich zu allen seinen Eigenschaften und Trieben distanziert zu verhalten, von ihnen gedanklich abstrahieren und sich zu ihnen willentlich verhalten zu können.“ (Ebd., S. 100).
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Und es ist allein das Daransetzen des Lebens, wodurch die Freiheit, wodurch es bewährt wird, daß dem Selbstbewußtsein nicht das S e i n , nicht die u n m i t t e l b a r e Weise, wie es auftritt, nicht sein Versenktsein in die Ausbreitung des Lebens, – das Wesen, sondern daß an ihm nichts vorhanden, was für es nicht verschwindendes Moment wäre, daß es nur reines F ü r s i c h s e i n ist. (PhG, S. 130f)
Hier ist deutlich, dass das Leben nur in der ursprünglichen Bedeutung, in der es eingeführt wurde, gebraucht wurde – auf die Ähnlichkeit mit der „lebendigen Idee“ der Begriffslogik wurde bereits hingewiesen –, und zwar vor allem durch die Wendungen der „unmittelbare Weise“, in der das Sein auftritt, und durch die des „unmittelbaren Auftreten“ in der „Ausbreitung des Lebens“. All das sind Hinweise auf den in der PhG, S. 122ff entwickelten Lebensbegriff, und nicht auf das Leben eines menschlichen Individuums. Die jetzt entstandene Situation ist der der Begierde recht ähnlich, mit dem Unterschied, dass das Fürsichsein nicht das Sein, sondern ein zweites Selbstbewusstsein gegen sich hat, gegen welches sich das Selbstbewusstsein nicht begehrend, sondern „kämpfend“ verhalten muss. Da es sich über das andere Selbstbewusstsein konstituiert, wie oben gezeigt, stellt es sich mit diesem Kampf auch selbst in Frage. Der Gebrauch des Wortes „Kampf“ zieht das Verstehen des Textes jedoch wieder hartnäckig in eine sozialphilosophische Richtung, wie sich auch die Darstellung der Erfahrung des Selbstbewusstseins, wie sie sich in den ersten beiden Absätze findet, ohne Irritation durch auf die zugrundeliegende wesensmäßige Beziehung verweisende Begrifflichkeiten durchaus als Sozialphilosophie lesen lässt – wird der Kontext und der letzte Satz des zweiten Absatzes außer Acht gelassen. Dass Hegel „Kampf“ in einem weiten Sinne verwendet, zeigt jedoch sein Auftauchen in Kontexten, die von Naturrechtsfragen denkbar weit entfernt sind: In der Anmerkung I zum Kapitel der Seinslogik etwa, das sich mit der quantitativen unendlichen Progression beschäftigt, wird Kants Moralphilosophie dafür kritisiert, dass in ihr das moralische Betätigungsfeld des Ich als ein ihm schlechthin Anderes fixiert und damit für es unerreichbar werde, „d.h. als ein a b s o l u t e s u n e r r e i c h b a r e s Jenseits vorgestellt, und eben dies solle der wahre Anker und der rechte Trost sein, daß es ein Unerreichbares ist; denn die Moralität soll als Kampf sein“. Es darf nicht vergessen werden, dass das Selbstbewusstsein in Wahrheit mit sich selber auf eine Weise kämpft, wie sie nach He-
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gel in Kants Moralphilosophie gefordert wird. Nur dass hier der Fall, da eine übergeordnete Sittlichkeitsinstanz das sinnlich bestimmte Bewusstsein reglementierte, noch nicht eingetreten ist. Das Fürsichsein in der Bestimmtheit A steht dem Fürsichsein in der Bestimmtheit B gegenüber, welches ihm dieser anderen Bestimmtheit wegen als fremdes gilt, obwohl es doch nur das eigene, fortbestimmte und ihn bestimmende Fürsichsein ist. Wird von diesem anderen nun abstrahiert, es „kämpfend vernichtet“, wird nicht nur das andere ein Bestimmungsloses, und damit als anderes aufgehoben; das zuerst aufgetretene Fürsichsein verliert aber mit diesem anderen das ihn bestimmende und wird so zum unbestimmten reinen Fürsichsein des Ich=Ich. Als unbestimmtes ist es somit frei, den Zwängen der Natur enthoben, und somit ist durch das Daransetzen des Lebens „die Freiheit bewährt“. Im Naturrechtsaufsatz wird diese – unvollständige – Erscheinung der Freiheit das „negativ Absolute“ genannt. Dort heißt es: „Dies negativ Absolute, die reine Freiheit, ist in ihrer Erscheinung der Tod, und durch die Fähigkeit des Todes erweist sich das Subjekt als frei und schlechthin über allen Zwang erhaben.“168 Unvollständig ist diese Freiheit deshalb, weil sie bloßes Verneinen, bloße Potentialität ist, also unverwirklichte Freiheit.169 168 169
Hegel, Naturrechtsaufsatz, S. 478. Auch hier ist eine scharfe Abgrenzung zur Auslegung Kojèves nötig, welcher diesen Kampf als unmittelbare Konsequenz der unhintergehbaren Prämisse der Existenz mehrerer Begierden interpretiert: „Wenn es nun aber andererseits eine Mehrzahl solcher Begierden nach allgemeiner Anerkennung gibt, dann ist es klar, daß das aus diesen Begierden hervorgehende Tun (vorerst wenigstens) nur ein Kampf auf Leben und Tod sein kann. Ein Kampf, denn jeder will sich den anderen, alle anderen durch ein negierendes, zerstörendes Tun unterwerfen.“(Kojève, Hegel, S. 58) Damit ineins ordne der Mensch seine biologische Existenz seiner nicht-biologischen Begierde nach anderen Begierden unter, was zu der weiteren Bestimmung führe, „daß ein Wesen, das nicht imstande ist, sein Leben zur Erreichung nicht unmittelbar lebenswichtiger Ziele aufs Spiel zu setzen, d.h., das sein Leben nicht in einem Kampf um die Anerkennung, in einem reinen Prestigekampf einsetzen kann, kein wirklich menschliches Wesen ist.“ (Ebd.) – Ungeachtet der schon erwähnten höchst problematischen Annahme, ein Nachweis einer Mehrzahl von Subjekten sei a priori möglich, muss darauf hingewiesen werden, dass Hegel selbst im Selbstbewusstseinsabschnitt der Enzyklopädie davon spricht, die eigene Freiheit von anderen Subjekten anerkennen zu lassen. Der Kampf ist selbst dort nicht davon motiviert, dass Menschen einander in ihre Gewalt zu bringen versuchen. Auch kann nicht einmal vom in der Enzyklopädie beschriebenen Anerkennungskampf behauptet werden, in ihm ginge es um bloßes Prestige. Es geht um den Erweis, nicht nur natürliche und somit zur Freiheit begabte Wesen zu sein. Von der Enzyklopädie ist anzuneh-
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So ist zunächst zu fragen, was innerhalb des Geistes es notwendig macht, nur vom Daransetzen, nicht vom Opfer des Lebens zu sprechen; und die Antwort kann zunächst wie folgt formuliert werden: Es fehlte bei letztem die „Bedeutung des Anerkennens“. Das Andere wäre zwar aufgehoben, aber vernichtet. Positiv ist im Ermen, Hegel habe in ihr von diesem Erweis als einer für andere Menschen gesprochen, auch wenn unklar geblieben ist, welche Bedeutung dieser hauptsächlich in den Zusätzen verhandelte soziale Austausch für den Beweisgang der enzyklopädischen Phänomenologie hat. In der PhG geht es, abstrakter, um den Erweis des Enthaltenseins selbstbewusster Bestimmungen im Ganzen der selbstbewussten Geist-Substanz. Da Kojève keine Verbindung dieser Transzendenz des Menschen zur Freiheit herzustellen vermag, nimmt es auch nicht Wunder, dass er den Snobismus als menschliches Wesensmerkmal ansieht, welches von der Geschichte selbst produziert werde: „Weil der Snobismus die interesselose Negativität ist. In der Welt der Geschichte übernimmt die Geschichte selbst die Aufgabe, die Negativität, die für das Menschliche wesentlich ist, zu produzieren. Wenn die Geschichte nicht mehr spricht, schafft man sich die Negativität selbst. Vergessen Sie nicht, daß das sehr weit geht, der Snobismus. Man stirbt aus Snobismus, das sind die Kamikazes.“ (Gilles Lapouge, Entretien avec Alexandre Kojève, in: La Quinzaine littéraire, Nr. 53 [1.–15.7. 1968], zit. nach Knut Ebeling, Alexandre Kojève. Ein Snobismus sans réserve, in: Ulrich Johannes Schneider (Hrsg.), Der französische Hegel, Berlin 2007, S. 49-64 [S. 63, Fn. 63)]. Von dieser nihilistischen Raserei ist Hegels Philosophie denkbar weit entfernt. – Nicht bestritten werden soll jedoch die grundsätzliche Berechtigung der Annahme, ohne Anerkennung durch andere gäbe es kein wirkliches menschliches Wesen. Zwar kann dem entgegnet werden, dass es Menschen gab, „bevor die bürgerliche Gesellschaft in Gestalt der Konkurrenzmechanismen den ‚Kampfǥ um die gesellschaftliche Anerkennung entwickelt hat“, und dass das Selbstbewusstsein in „sogenannten ‚primitivenǥ Gesellschaftsordnungen […] das Selbstbewußtsein der Menschen einem ‚Kampf um Anerkennungǥ schon gar nicht ausgeliefert“ war. (Becker, Idealistische und materialistische Dialektik, S. 30). Historische Fakten berühren aber nicht die Frage nach dem „wirklichen menschlichen Wesen“, auch wenn nicht ganz klar ist, was Kojève darunter versteht. Der bekannteste Vertreter der These, ohne menschliche Gemeinschaft gäbe es keinen Menschen, war Aristoteles. Beckers Behauptung, Aristoteles’ Aussage ließe sich darauf reduzieren, „daß der Mensch als seiner selbst bewußtes Individuum ein gesellschaftliches Wesen ist“ und dass diese nicht beinhalte, „daß ihm die durch Selbstbewußtsein ausgezeichnete Individuiertheit erst vermöge seiner Vergesellschaftung erwächst“ (S. 31), ist unzutreffend. Aristoteles schreibt deutlich: „Darum ist denn auch der Staat der Natur nach früher als die Familie und auch der einzelne Mensch, weil das Ganze früher sein muß als der Teil […] Man sieht also, daß der Staat sowohl von Natur besteht, wie auch früher ist als der Einzelne. Denn wenn sich der Einzelne in seiner Isolierung nicht selbst genügt, so muß er sich zum Staat ebenso verhalten, wie andere Teile zu dem Ganzen, dem sie angehören.“ (Aristoteles, Politik, Hamburg 1990, 1253a 19-29) Das Verhältnis vom Teil zum Ganzen, mit welchem Aristoteles operiert, wird zum Argument, da die Gerechtigkeit, „ein staatlich Ding“, den Menschen erst aus der Tierheit heraushebt.
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gebnis, dass das Selbstbewusstsein als Möglichkeit, als Potentialität, als frei von der im Sein waltenden Notwendigkeit entdeckt ist, negativ, dass bloße Potentialität nicht ausreicht. Denn sie als alleiniges Ergebnis würde sogar die „Gewissheit seiner selbst“ verunmöglichen, erst recht die Wahrheit dieser Gewissheit. Denn die Gewissheit seiner selbst muss entstehen, und schon die Begierde des Selbstbewusstseins bedurfte dazu des Seins, und zwar des selbständigen, sich wiederherstellenden Seins. Dieses wurde zu einem weiteren Selbstbewusstsein weiterentwickelt, und es wurde mit dem Begriff der Anerkennung erkannt, dass sich die Gewissheit seiner selbst nur über dies andere selbständige Selbstbewusstsein vermitteln lässt. Der Grund dafür wurde schon genannt: Durch die Abstraktion des „lebendigen Selbstbewusstseins“ ist die Gewissheit seiner selbst unmöglich gemacht, oder, in der Darstellung dieses Sachverhalts als Erfahrung des Selbstbewusstseins: Durch das Bekämpfen einer anderen Bestimmtheit als nicht zu seiner Bestimmtheit gehörig macht das Ich sich selbst zu einer Bestimmungslosigkeit und gibt seine seiende Einzelheit auf. In der an das „Spiel der Kräfte“ angelehnten Sprache liest sich das so: Sie heben ihr in dieser fremden Wesenheit, welches das natürliche Dasein ist, gesetztes Bewußtsein oder sie heben sich und werden als die für sich sein wollenden E x t r e m e aufgehoben. Es verschwindet aber damit aus dem Spiele des Wechsels das wesentliche Moment, sich in Extreme entgegengesetzter Bestimmtheiten zu zersetzen; und die Mitte fällt in eine tote Einheit zusammen, welche in tote, bloß seiende, nicht entgegengesetzte Extreme zersetzt ist; und die beiden geben und empfangen sich nicht gegenseitig voneinander durch das Bewußtsein zurück, sondern lassen einander nur gleichgültig, als Dinge, frei. Ihre Tat ist die abstrakte Negation, nicht die Negation des Bewußtseins, welches so a u f h e b t , daß es das Aufgehobene a u f b e w a h r t und e r h ä l t und hiermit sein Aufgehobenwerden überlebt. (PhG, S. 131)
Soll die Mitte normalerweise die Extreme zusammenschließen, „fällt“ sie hier „in eine tote Einheit zusammen“. Die Extreme sind „bloß seiende“, entsprechen also dem unmittelbaren Sein, welches aber ohne seine kategoriale Gestaltungen nicht gewusst werden kann. Gestalten kann sich das Sein indes nur, wenn es sich in Bestimmtheiten gliedert, diese Bestimmtheiten aber aufeinander bezieht. Bestimmen kann sich das Sein aber nur über seine bestimmten Agenten, und da das Sein nunmehr als Selbstbewusstsein erkannt ist, handelt es sich bei diesen um Selbstbewusstsein in
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seiner jeweiligen Bestimmtheit. Will das jeweilig bestimmte Selbstbewusstsein seine Identität mit sich retten durch Vernichtung seiner Andersheit, verhindert es jedoch die Gestaltung des substantiellen Selbstbewusstseins und damit seine eigene Existenz. Auch hier kann zur Verdeutlichung wieder auf jene „wahre Gestalt“ der Sinnlichen Gewissheit verwiesen werden, welche sich nicht umwendet, auf dass ihr Hier nicht „zu einem Nichtbaume würde“. Durch deren Ignorieren anderer Bestimmbarkeit des Hier verhindert sie das Wissen ihres gemeinten Objekts so zuverlässig wie das sich an seine Identität klammernde, dabei andere Bestimmtheiten sowie sich selbst bekämpfende Selbstbewusstsein.170 Jedoch ist ein Aspekt des Selbstbewusstseins erreicht, aber kein lebensfähiger, sondern ein in seiner Unvollständigkeit toter: Es ist die Unbestimmtheit des Selbstbewusstseins gewonnen, eine notwendige, nicht hinreichende Bedingung von Freiheit und der Fähigkeit, einen Bewusstseinsstrom zu tragen, ohne die Selbstidentität preiszugeben. Diese „tote Mitte“ ist eine ebensolcher Extreme, und mit diesen Extremen, die bei jeder Kollision zweier Selbstbewusst-seinsbestimmtheiten auftreten, sind die der Identität und der Andersheit gedacht. Die Identität wird durch Selbstreflexion zustandegebracht; dies Beziehen auf sich bedarf aber eines bestimmten Inhaltes, soll dieser Selbstbezug gelingen, denn das reine Ich kann sich nicht auf sich beziehen, es kann sich nicht selbst 170
Es geht also auch hier um ein Wissen, um einen sinnvoll zu artikulierenden Sachverhalt. Keineswegs ist damit erfasst, was sonst noch im Selbstbewusstsein sein kann. Das bloße Meinen der Sinnlichen Gewissheit ist also auch noch für das Selbstbewusstsein möglich, aber Hegel geht es um den Wissensanspruch dabei. Dieser Wissensanspruch kann für das Selbstbewusstsein nur noch die Form des Denkens haben, wobei dasjenige eingelöst wird, das Kant als das Denken bezeichnet, das alle meine Vorstellungen begleiten können muss (Vgl. KrV, §16). Hierzu Konrad Cramer, Kants ‚Ich denkeǥ und Fichtes ‚Ich binǥ, in: Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus, S. 57-92 (S. 62): „Nicht alle Vorstellungen, die etwas in mir sind, sind auch für mich […] Vorstellungen sind für Kant vielmehr mentale Zustände, die stets als Bestimmungen eines ‚Gemütsǥ (KrV, A19/B33; A22/b37; B67 u. passim) oder ‚Subjektsǥ (KrV, B67; B132 u. passim) zu gelten haben und in diesem ‚angetroffenǥ (KrV, B132) werden, ohne daß aus dieser Charakterisierung folgt, daß das Gemüt oder Subjekt, dessen Bestimmungen sie sind, auch schon das Bewußtsein besitzen muß, daß sie etwas in ihm sind […] Sind diese Vorstellungen Gegebenheiten der Sinnlichkeit in der Form von Anschauungen, muß ich über Begriffe verfügen, die sie beschreiben, um sie mir zuschreiben zu können […] Daß Beschreibungen von Anschauungen nur durch den Gebrauch von Begriffen, durch welche sie gedacht werden, möglich sind, ist trivialerweise wahr.“
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wahrnehmen; diese Bestimmtheit kommt jedoch nur durch das anders bestimmte Selbstbewusstsein zustande. Wird dies andere bloß negiert, so negiert sich das erste selbst, statt, was durch diese Operation ja eigentlich bezweckt sein sollte, sich als das wahre, weil bleibende Selbstbewusstsein zu erweisen. Da das Andere aber als das andere Selbstbewusstsein negiert wurde, ist das Substrat der Bestimmtheit, welche als dieses andere Selbstbewusstsein auftrat, nur mehr ein „Ding“, es ist nicht zum bestimmten Selbstbewusstsein gemacht worden, weshalb ihm das beseelende Prinzip fehlt; es hat mit dem Bewusstsein nichts mehr zu tun und kann das Bewusstsein so auch nicht mit dem Anderen seiner vermitteln. Dass durch diese Operation sich das Selbstbewusstsein aller empirischer Notwendigkeit enthoben hat, bedeutet allerdings auch, dass es nicht mehr im bestimmten Zusammenhang mit dem anderen Selbstbewusstsein steht, was heißt, dass es dies andere nicht nur zum Ding macht, sondern „gleichgültig“ frei „entlässt“. Es ist dies eine bizarre Zwischengestalt des Bewusstseins, die in all ihrer Roheit sich jedoch schon unschwer als Modell tatsächlicher philosophischer Positionen erkennen lässt, wie sie auch im weiteren Verlauf der PhG noch auftreten sollen. Die Momente des Selbstbewusstseins sind vorhanden, aber gänzlich unverbunden, so dass sie freilich den zuvor von der Wissenschaft formulierten Begriff des Anerkennens nicht erfüllen. Jenseits aller Bewusstseinszustände schwebt das reine Fürsichsein, das Ich=Ich. Diese Bewusstseinszustände sind dabei so radikal vom Selbstbewusstsein verlassen, dass ihnen jede Reflektiertheit abgeht, und so sind sie nicht einmal bewusste Zustände, sondern völlig entseelte Dinge. Warum das so ist, darüber gibt Hegel im letzten Satz des zitierten Abschnitts Kunde: Es ist die „Negation des Bewusstseins“, welche dem Begriff des Anerkennens entspricht und für welche durch die Erfahrung des Scheiterns der „abstrakten Negation“171 nun der Weg frei ist.172 171
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Das ist der Grund, weshalb der erlittene Tod als Möglichkeit eingeräumt, aber gleich wieder verworfen wird. In ihm zeigt sich eine jener vielen Sackgassen, in die sich das Bewusstsein in seinem Versuch, seine jeweilige Gestalt angemessen zu formulieren, verrennt. Diese Notwendigkeit wird nicht gesehen von Solomon, In the spirit of Hegel, der das eigenwillige Ergebnis des Kampfes abtut mit: „[I]n the Master-Slave parable […], no one dies. (If one did, the parable would simply be over).“ (S. 445). Alexandre Kojève, indem er die idealistische Fragestellung nach der Denkbarkeit einer Geiststruktur, welche auch in ihrer Vereinzelung immanent
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Das Selbstbewusstsein als „einfache Einheit“ hat sich somit, da ihm die Abstraktion von allem, welches diese Einheit in Frage stellt, nicht gelingt, „aufgelöst“. Ihm wurde die Erfahrung zuteil, dass ihm „das Leben so wesentlich als das reine Selbstbewußtsein ist.“ (PhG, S. 132) In dieser Umschreibung ist nun nichts anderes ausgedrückt als die Erfahrung, welche das Selbstbewusstsein als „Ich bin Ich“ mit dem Leben gemacht hat, welches es um seiner Reinheit willen tilgen und das sich um seines Bewusstseins willen immer wiederherstellen muss. Die Bestandteile, in die sich durch diese Erfahrung das Selbstbewusstsein aufgelöst weiß, sind das „reine Selbstbewußtsein“ und „ein Bewußtsein […], welches nicht rein für sich, sondern für ein anderes, das heißt, als s e i e n d e s Bewußtsein oder Bewußtsein in der Gestalt der D i n g h e i t ist.“ (PhG, S. 132) Durch die Benennung dieses Bewusstseins als in der Gestalt der Dingheit auftretend wird der Charakter der Medialität des seienden Bewusstseins betont, denn der Begriff „Dingheit“ wurde im Wahrnehmungskapitel als das Ding im Aspekt seiner bleibt, völlig übersieht, bleibt nichts anderes übrig, als Hegel darin, dass der Kampf einen bestimmten Ausgang haben muss, eine weitere unrückführbare Prämisse unterzuschieben: „Man muß annehmen, daß der Kampf so endet, daß beide Gegner am Leben bleiben.“ (Kojève , Hegel, S. 59) Es kann bezweifelt werden, ob dies selbst in der Enzyklopädie angenommen werden muss; dasjenige, was auch dort das Hauptargument zu sein scheint, ist, dass nur dort Freiheit anzutreffen ist, wo von natürlicher Befangenheit abstrahiert werden kann, aber nicht so, dass von dieser Natürlichkeit gänzlich abstrahiert wird. Alles darüber hinausgehende hat als Illustration dieses Sachverhaltes bei weitem nicht dessen argumentatives Gewicht. Die Äußerung des Anerkennens ist etwas anderes als das Anerkennen selbst und der „Kampf um Anerkennung“ kann als sozialer, aber auch als der eines Individuums mit sich selbst zur Erscheinung kommen. Es „muss“ daher ebensowenig eine Vielzahl von Menschen angenommen werden, wie ein seine Integrität bewahrendes Einzelindividuum angenommen werden muss, welches es in der Unterdrückung seiner Neigungen zugunsten seines reinen Fürsichseins nicht zu weit treiben darf. Wenn Hegel selbst in der Enzyklopädie darauf hinweist, „daß der Kampf um Anerkennung in der angegebenen bis zum Äußersten getriebenen Form bloß im Naturzustande, wo die Menschen als Einzelne sind, stattfinden kann, dagegen der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staate fernbleibt, weil daselbst dasjenige, was das Resultat jenes Kampfes ausmacht, nämlich das Anerkanntsein, bereits vorhanden ist“, (Hegel, Enzyklopädie, §432 Zusatz), so wird eine äußere, historische Erscheinung ihrem inneren Wesen nach beschrieben und lediglich ausgesagt, dass, wenn ein Anerkanntsein nicht vorliegt, und im Naturzustande lag es nicht vor, ein Kampf um Anerkennung in der „angegebenen bis zum Äußersten getriebenen Form“ statthat; und selbst dies ist eine bloße Beurteilung historischer Sachverhalte, welche in der Frage, wann ein Kampf in Wahrheit als einer um Anerkennung zu qualifizieren ist, fehlen kann.
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Bestimmbarkeit eingeführt, aber auch darauf hingewiesen, dass dies Moment in der Erfahrung des Bewusstseins zunächst nicht als das lebendige Selbstbewusstsein auftritt; denn dieses erwies sich in den Vorbetrachtungen „für uns“ als dem Ich=Ich gleichrangig. Von einer solchen Gleichrangigkeit kann hier aber keine Rede sein, denn da sie zunächst ungleich und entgegengesetzt sind, und ihre Reflexion in die Einheit sich noch nicht ergeben hat, so sind sie als zwei selbständige Gestalten des Bewußtseins, die eine das selbständige, welchem das Fürsichsein, die andere das unselbständige, dem das Leben oder das Sein für ein anderes das Wesen ist; jenes ist der H e r r , dies der K n e c h t . (PhG, S. 132)
Dass beide Gestalten ungleich sind, bedarf keiner Erläuterung, aber dass diese Ungleichheit als Inferiorität des „Bewusstseins in der Gestalt der Dingheit“ gegenüber dem Fürsichsein auftritt, bedarf ihrer durchaus. Hier ist sie zunächst darin zu finden, dass das Fürsichsein als Bleibendes gegenüber dem Leben als Werdendem die schon in der Begierdegestalt des Selbstbewusstseins angesprochene Wahrheitsbedingung der Sinnlichen Gewissheit erfüllt. Der Satz birgt jedoch noch mehr Fragen: Wieso ist das Bewusstsein des Lebens unselbständig, das Selbstbewusstsein aber selbständig? Was rechtfertigt deren Benennung in Herr und Knecht? Was bedeutet hier „Sein für Anderes“?173 173
Es sollte nicht überraschen, wenn festgehalten werden kann, was Hegel mit Herr und Knecht nicht bezeichnet: Dasjenige nämlich, als welches Kojève diese Figur deutet. Ausgehend von seiner Interpretation der vorherigen Passagen, nachdem der Mensch ein Verhältnis einzugehen hat, welches ihn transzendiert und von der Entdeckung dieses Verhältnisses als Begierde nach Begierde, ist für Kojève diese Forderung in einem Verhältnis realer Herrschaft schon erfüllt, denn der Herr ist durch die Anerkennung des Knechtes transzendiert, und der Knecht durch eine Idee, nämlich der der Dienstbarkeit für den Herrn. Beide sind also über ihre Animalität schon hinaus: „Das heißt, daß der Mensch ursprünglich immer entweder Herr oder Knecht ist; und es gibt keinen wirklichen Menschen, wo es nicht einen Herrn und einen Knecht gibt.“ (Kojève, Hegel, S. 61) An dieser Stelle wird Kojèves Auslegung endgültig in sich inkonsistent, und dazu muss nicht einmal auf die müßige Frage eingegangen werden, was denn unter einem „wirklichen Menschen“ verstanden werden soll. Wieso sollte sich der Knecht, der doch ursprünglich auch auf die Unterwerfung einer anderen Begierde aus war, auf einmal mit einer Transzendenz zufriedengeben, welche durch Knechtschaft vermittelt wird? Die mögliche Entgegnung, er könnte auch durch die Unterwerfung seiner eigenen Begierde befriedigt sein – und das ist die einzige Möglichkeit, diese Art von Transzendenz im Lichte der vorher von Kojève eingeführten zu lesen –, scheidet aus; denn dass es immer nur um
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3.5 Das Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft Die hier konstatierte Unselbständigkeit des Bewusstseins des Lebens kann nur dann verwundern, wenn übersehen wird, dass die Selbständigkeit des Lebens als Resistenz gegen die Begierde das Leben als Einheit betraf. Die Gestalten des Lebens erwiesen sich jedoch als in dieser Einheit aufgelöst und zudem als Gestaltetes, mithin unabhängig. So ist auch das Bewusstsein des Lebens nur eine „Gestalt der Dingheit“, zudem als bestimmte Gestalt bestimmt durch anderes, also abhängig von anderem. In der Hinsicht der Abhängigkeit also ist die Bezeichnung „Knecht“ durchaus gerechtfertigt. Überraschenderweise fehlt zunächst jeder Hinweis, der darauf hindeutete, dass vom Knecht eines Herrn gesprochen werden könnte. Der Ausdruck „Sein für Anderes“ taugt jedenfalls nicht, eine Verbindung vom Knecht zum Herrn herzustellen. Denn „Sein für anderes“ wird im Text unmittelbar auf das Leben bezogen, auf dasjenige also, was diesem Bewusstsein das Leben ist. Das „Sein für Anderes“ als Sein für den Herrn, die Abhängigkeit dieses Bewusstseins also als Abhängigkeit vom Fürsichsein zu deuten, wäre eine klare und naheliegende, wenn auch leider falsche Interpretation. „Sein für Anderes“ wurde im Wahrnehmungskapitel als das Gegenstück des Fürsichseins eingeführt, es soll damit nicht die Identität, das Selbstverhältnis, sondern die Bestimmtheit, welche via Negation das Verhältnis zu anderen Bestimmtheiten ist, ausgedrückt werden, welches Verhältnis hier ausdrücklich als Abhängigkeitsverhältnis thematisch wird, was es im Wahrnehmungskapitel erst implizit war. Auch der Versuch, „Sein für Anderes“ mit dem Bezug auf das Leben, welches als „einfache Gattung“ „auf ein anderes, als es ist, nämlich auf das Bewußtsein, für welches es als diese Einheit, oder als Gattung ist“, verweise (PhG, S. 125), trägt nicht, denn hier geht es um das Verhältnis von Bewusstsein und Fürsichsein, dort um das von Leben zu Bewusstsein, um die Einsicht, dass sich das unmittelbare Sein, sofern es gewusst wird, in die „Gattung“ verwandelt, also diejenigen Kategorien aufnehmen muss, die es für ein Bewusstsein erfahrbar machen. Wovon das Bewusstsein abhängig ist und wie diese Abhängigkeit gedacht werden muss, verdeutlicht die Formulierung, wonach andere Begierden ging, dafür glaubte Kojève Hegel die Prämisse einer ursprünglichen Setzung einer Vielzahl von Selbstbewusstsein unterstellen zu müssen.
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es „mit selbständigem S e i n oder der Dingheit überhaupt synthetisiert ist.“ (PhG, S. 132) Wohlgemerkt: Mit der Dingheit ist es verbunden, nicht mit dem Leben, denn zum Leben wird die Dingheit erst durch ihr Begriffenwerden durch das Bewusstsein. Was unter dem Lebendigwerden der Dingheit durch das Bewusstsein zu verstehen ist, darauf gibt Hegel mit dem Begriff der „Synthesis“ einen Hinweis. „Synthesis“ ist, so könnte gesagt werden, ein genuin Kantischer Ausdruck für die aktive Leistung des Verstandes, der, um tätig zu werden, freilich ein durch die rezeptiv-passive Sinnlichkeit bereitgestelltes Mannigfaltiges bedarf: Die „Spontaneität unseres Denkens“ erfordere es, „daß dieses Mannigfaltige zuerst auf gewisse Weise durchgegangen, aufgenommen, und verbunden werde, um daraus eine Erkenntnis zu machen.“174 Diese Anspielung auf die Kantische Begriffsanalytik darf jedoch nicht den Eindruck erwecken, mit dieser Gestalt des Selbstbewusstseins sei phänomenologisch eine Kantische Position eingeholt, denn ein Zusammenspiel von Rezeptivität und Spontaneität fehlt hier, weil es eine Konstruktion der wesentlichen Strukturmerkmale des Verstandes unabhängig von einer Konstruktion wesentlicher Merkmale des Sinnlichen nicht gegeben hat. Das Sinnliche ergibt sich zusammen mit der Spontaneität des Bewusstseins; sein Anspruch, von etwas Wissbarem Rechenschaft zu geben, impliziert nicht nur dies Wissbare in seinem Sosein, sondern auch in seiner Strukturiertheit, die aber eben darum nicht die Strukturiertheit eines unabhängigen Seins, sondern die des Bewusstseins selbst ist. Das Bewusstsein, sofern es sich als wissendes Bewusstsein strukturieren muss, macht allein das Sein aus. Wenn Hegel von einer Synthesis spricht, so kann dies nur so gedeutet werden, dass das Bewusstsein mit sich selbst synthetisiert ist. (Zu diesem Ergebnis ist der Gang des Bewusstseins allerdings noch nicht gediehen.) Das gilt theoretisch wie praktisch. Im Denken wie im Handeln ist das Bewusstsein an Gesetze gebunden, oder, anders formuliert, daran, die Integrität des Selbstbewusstseins zu bewahren – um den im Text nicht vorkommenden Begriff des Gesetzes zu vermeiden. Dies betrifft aber nur die notwendige Seite, die knechtische Seite des Bewusstseins. Denn im Herrn gibt es ebenso eine freie Seite. Diese Freiheit zeigt sich darin, dass er für sich seiendes Bewusstsein ist, allerdings „nicht mehr nur der Begriff 174
KrV A77/B102.
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desselben, sondern für sich seiendes Bewußtsein, welches durch ein a n d e r e s Bewußtsein mit sich vermittelt ist.“ (PhG, S. 132) Dies ist die Konsequenz aus der Erfahrung dessen, was passiert, wenn sich das Selbstbewusstsein als solitudes und eine Bestimmtheitsänderung als abzuwehrendes anderes Selbstbewusstsein begreift, was zu einer vollkommenen Bestimmungslosigkeit des Selbstbewusstseins insgesamt, positiv aber dem Selbstbewusstsein seine Fähigkeit vor Augen führte, sich abstrahierend von der reinen Notwendigkeit des Sichbestimmens zu entfernen. Gleichwohl ist es dieser Bestimmungslosigkeit wegen auf das Sein angewiesen. Bei der Explikation dieser Beziehung zeigt es sich allerdings, dass es sich hierbei, wie bei der Struktur Selbstbewusstsein-LebenBewusstsein, erneut um eine 3er-Konstellation handelt. Es kann vorweggenommen werden, dass in ihr zwei Schlussbewegungen vorbereitet sind, durch die das Selbstbewusstsein mit sich zum denkenden Selbstbewusstsein vermittelt wird. Nur folgt aus der Notwendigkeit, Elemente für eine Schlussfigur zu gewinnen, noch nicht die Notwendigkeit dieser Elemente selbst. Allerdings ist die Herkunft aller drei Elemente leicht zu verstehen. Da ist zunächst das Bewusstsein seiner selbst. Hier ist Subjekt und Objekt ununterschieden und eine Einheit. Da dies Bewusstsein aufgrund des fehlenden Bewusstseinsunterschiedes sich prozessual immer neu herstellen muss, ist es auf das Bewusstsein bzw. das Sein verwiesen. Das Bewusstsein als das Unterscheiden-von-sich aber bedarf des Seins, das Sein bedarf als Gattung des Bewusstseins. Hier ist also eine reale Scheidung in Subjekt und Objekt vorhanden, so dass zwei Elemente neben das Bewusstsein seiner selbst treten und es zu einer Dreiheit komplettieren. Der Herr bezieht sich auf diese beiden Momente, auf ein D i n g als solches, den Gegenstand der Begierde, und auf das Bewußtsein, dem die Dingheit das Wesentliche ist; und indem er a) als Begriff des Selbstbewußtseins unmittelbare Beziehung des F ü r s i c h s e i n s ist, aber b) nunmehr zugleich als Vermittlung oder als ein Fürsichsein, welches nur durch ein Anderes für sich ist, so bezieht er sich a) unmittelbar auf beide und b) mittelbar auf jedes durch das andere. (PhG, S. 132)
In diesem Zitat ist das Verhältnis noch einmal systematisch beschrieben: Das Selbstbewusstsein ist ein Fürsichsein, welches sich über einen seienden Unterschied mit sich vermitteln muss. Da diese Vermittelung aber selbst in sich vermittelt ist, insofern ein Sein
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immer ein Bewusstsein, ein Bewusstsein immer ein Sein voraussetzt, so muss dieser Bezug des Selbstbewusstseins als zweifache Vermittlung statthaben: auf das Ding mittels des Bewusstseins, auf das Bewusstseins mittels des Dings. Dass das Bewusstsein nicht aufgrund seiner Dienstbarkeit für den Herrn Knecht genannt wird, ergibt sich aus dem ersten der beiden Schlüsse, welche das Fürsichsein mittelbar mit dem Sein und mit dem Bewusstsein zusammenschließen. Im ersten dieser Schlüsse bezieht sich der Herr „a u f d e n K n e c h t m i t t e l b a r d u r c h d a s s e l b s t ä n d i g e S e i n ; denn eben hieran ist der Knecht gehalten; es ist seine Kette, von der er im Kampf nicht abstrahieren konnte, und darum sich als unselbständig, seine Selbständigkeit in der Dingheit zu haben, erwies.“ (PhG, S. 132) Im Auftauchen des schon angesprochenen Motivs der Kette verdeutlicht Hegel die Verwurzelung in der Sphäre der Bestimmtheit und Notwendigkeit, vergleichbar mit Kants phänomenaler Welt. Da der Herr aber sich als „Macht über dies Sein“ erwies, da es ihm nur „als Negatives“ gilt, hat er, als Bemächtiger dessen, was den Knecht bemächtigt, „in diesem Schlusse diesen andern unter sich.“ (PhG, S. 132f) Somit erweist er sich als frei und, Kantisch gesprochen, als in der intelligiblen Welt behaust; aber auch hieraus ergibt sich keine Subordination des Knechts unter den Herrn, denn schließlich ist der Knecht nicht durch den Herrn gezwungen, sondern durch seine „Kette“, die auch nicht vom Herrn gehalten wird, welcher nur deswegen Herr ist, weil er davon abstrahieren konnte. Oder, die Metaphorik beiseitelassend: Das reine Fürsichsein als Fähigkeit zur epoché steht freilich dadurch außerhalb der Zwänge der phänomenalen Welt, es kann also etwas, was das Bewusstsein nicht kann, welches von einem Bewusstseinsunterschied konstituiert und bestimmt wird. Aber dadurch nimmt das Fürsichsein noch keinen Einfluss auf das Bewusstsein, schon gar keinen beherrschenden. Einen Eindruck der Herrschaft könnte eher noch der zweite Schluss, des Herrn auf das Ding mittels des Knechtes, geben. In diesem Schluss wird zudem deutlich, dass die Trennung des Selbstbewusstseins in drei Momente schon auf ihre Aufhebung verweist. Denn „der Knecht bezieht sich, als Selbstbewußtsein überhaupt, auf das Ding auch negativ und hebt es auf“. (PhG, S. 133) Das ist dann doch überraschend, denn offenbar sind die Momente des Selbstbewusstseins nicht trennscharf zu separieren,
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wenn der Knecht in einer seiner Funktionen als „Selbstbewusstsein überhaupt“ agiert. Aber der hier gemeinte Vorgang lässt sich gar nicht anders umschreiben: Mit dem negativen Bezug auf den Gegenstand kann ja nur gemeint sein, dass er als Unterschied des Bewusstseins aufgehoben wird. Nun kann dieser Unterschied so aufgehoben werden, dass sich das Bewusstsein mit dem Gegenstand identifiziert. Dass dieser Weg scheitern muss, darüber klärt ja schon die wiederholt beschriebene lehrreichste Variante der Sinnlichen Gewissheit auf, nämlich diejenige, die vollständig auf den Verweis auf den Gegenstand verzichtet, sich aber dadurch als Wissen aufgibt, und deshalb schon den entscheidenden Hinweis gibt, dass das Bewusstsein kein affirmatives Aufgehen im Gegenstand bedeuten kann, sondern immer ein negatives, skeptisches Verhalten ist. Die Identifikation muss also in umgekehrter Richtung verlaufen, der Gegenstand muss im Bewusstsein identifiziert werden. Was Bewusstsein ist, dies erfährt es jedoch erst in einer Rückwendung auf sich, als Bewusstsein seiner selbst, als eines mit sich, nicht dem Gegenstand identischen. Der Gegenstand erhält so Dauer, auf ihn kann sich das Bewusstsein als Wissen beziehen. Insofern ist jedes Bewusstsein Selbstbewusstsein, und selbst als Knecht kann es nicht anders dargestellt werden als sich „negativ und aufhebend“ auf das Ding verhaltend. Die Einschränkung, die es zum knechtischen Selbstbewusstsein macht, folgt auf dem Fuße: Das Ding „ist zugleich selbständig für ihn, und er kann darum durch sein Negieren nicht bis zur Vernichtung mit ihm fertig werden, oder er b e a r b e i t e t es nur.“ (PhG, S. 133) Unselbständig ist das Ding nur für das reine Fürsichsein. Für das Bewusstsein, den Knecht, ist es allerdings selbständig. Es befindet sich so in der Situation der Begierde. Da es jedoch nicht seine Identität durch die Vernichtung des Dinges begehren kann, die Identifizierungsleistung, wie oben beschrieben, sich nur über den Umweg der Gewissheit seiner selbst einstellen kann, „arbeitet“175
175
Den Terminus „Arbeit“ gebraucht Hegel in den Jenaer Systementwürfen I, um den Bezug des Subjektes auf das Objekt zu erklären. Auch dort äußert sich dieser Bezug darin, dass das Subjekt das Objekt aufheben müsse. Als empirisches Aufheben gelingt dies nicht im Sinne einer Identifizierung von Subjekt und Objekt, wohl aber als absolutes. Dazu bedarf es aber eines Dritten als „existierende Mitte“, als „Werk“ sowohl des Subjekts und des Objekts, dessen subjektive Seite als „einfaches Einssein“ Arbeit, dessen objektive Seite die gebundene Existenz, beispielsweise im Werkzeug, ist. Vgl. Schalhorn, Hegels Jenaer Be-
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es „für“ das Selbstbewusstsein. Wenn metaphorisch von einer Dienstbarkeit gesprochen werden kann, dann auf diese Weise. Die Frage, wieso sich das Bewusstsein überhaupt negierend auf den Gegenstand bezieht, da durch es ja nicht das Fürsichsein hergestellt werden muss, ihm also die interne Notwendigkeit dafür fehlt, ist oben nur teilweise beantwortet worden. Es fehlt die Seite, dass das Bewusstsein, um sich auf einen Gegenstand zu beziehen, den Identitätspunkt Selbstbewusstsein benötigt, der im Reflexionsausdruck „sich“ auftaucht. Dieser Identitätspunkt kann jedoch nur gewonnen werden, indem die bestimmten Unterschiede, welche das Bewusstsein gegen sich hat, negiert werden. Sie müssen negiert werden, um das Selbstbewusstsein zu ermöglichen, und sie müssen affirmiert werden, um das Bewusstsein zu ermöglichen, welches durch seine Negation das Selbstbewusstsein bewirkt. Diesen Zwiespalt der Negation und der Affirmation macht aus dem „Arbeiten“, der Negation „für“ das begehrende Fürsichsein ein „Bearbeiten“. Zu diesem Bearbeiten kann darüber hinaus erst einmal nichts weiter gesagt werden, als dass das Ding sich seiner Negation entzieht und sich wieder herstellt, also aus der Gleichheit mit dem Fürsichsein wieder der Bewusstseinsgegensatz wird, der seiner weiteren Negation harrt. Damit ist ein Moment des Zusammenschlusses für das Selbstbewusstsein vollzogen. Dem reinen Fürsichsein steht nun nicht mehr seine Negation entgegen, sondern diese wird ihm durch das Bewusstsein vermittelt, also wieder negiert und dem Fürsichsein angeglichen. Es liegt zwar nahe, beim Herrn an die oberste Apperzeptionseinheit Kants zu denken. Jedoch ähnelt diese Figur eher Elementen der Philosophie Fichtes. In der Differenzschrift wird er von Hegel wie folgt zitiert: „Mein Trieb als Naturwesen, meine Tendenz als reiner Geist, sind […] vom transzendentalen Gesichtspunkte aus ein und derselbe Urtrieb, der mein Wesen konstituiert, nur wird er angesehen von zwei verschiedenen Seiten“176 [Auslassungszeichen von Hegel]. Es ist diese Selbigkeit, die der in der PhG erreichten Einheit des Selbstbewusstseins entspricht, welche sich allerdings nicht als wahre Einheit zeigt, denn es zeigen sich, so Hegels Kommentar, beide als „verschieden, eins die Bedingung des anderen, eins herrschend über das andere. Die Natur
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griff des Selbstbewußtseins, S. 174. Schon hier zeigt sich der systematische Sinn dieses Begriffs, der nicht im Phänomen „Arbeit“ aufgeht. Hegel, Differenzschrift, S. 74.
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muß zwar gedacht werden als sich selbst durch sich selbst bestimmend, aber sie ist charakterisiert durch den Gegensatz der Freiheit.“177 Um trotzdem eine Einheit dieser gegensätzlichen Ich-Bausteine zu erreichen, rekonstruiere Fichte die Einheit aus der Entzweiung durch eine „Synthese des Beherrschens“, in welcher die Freiheit „von ihrer Reinheit“, die Natur „von ihrer Unreinheit“ aufgibt: Ich, als Intelligenz, der Unbestimmte, – und Ich, der ich getrieben bin, die Natur, der Bestimmte, werde dadurch derselbe, daß der Trieb zum Bewußtsein kommt; insofern nun steht er in m e i n e r G e w a l t , e r wirkt in dieser Region gar nicht, sondern i c h wirke oder wirke nicht zufolge desselben. – Das Reflektierende ist h ö h e r als das Reflektierte; der Trieb des Reflektierenden, des Subjekts des Bewußtseins, heißt der höhere Trieb; der niedrigere, die Natur, muß in die Botmäßigkeit des höheren, der Reflexion, gesetzt werden.178
Zwar ist auch in dieser Konstruktion nicht ganz klar, inwiefern man von einer Wirkung des höheren auf den niederen Trieb sprechen kann, wie also das ursprüngliche Substantialitätsverhältnis der Subjekt-Objekt-Struktur des Ich=Ich insofern in ein Kausalitätsverhältnis umgewandelt ist, dass von einer Wirkung des höheren auf den niederen Trieb geredet werden kann. Es ist nur einsichtig, dass das reine Ich nicht von seiner Forderung abrücken kann, sich in seiner Reinheit wieder herzustellen – eine perennierende Forderung, wie sie bereits aus der Begierde-Struktur des Selbstbewusstseins bekannt ist. Dass Hegel den Schluss der Selbstbewusstseinsmomente teilweise schon als vollzogen betrachtet, davon zeugt die Ersetzung der Bezeichnung „Begierde“ durch „Genuss“, welcher allerdings nur dem „Herrn“ vorbehalten bleibt: „[W]as der Begierde nicht gelang, gelingt ihm, damit fertig zu werden, und im Genusse sich zu befriedigen.“ (PhG, S. 133) Dasjenige, womit der Herr fertig wird, ist das Ding; indem er die Arbeit der Begierde als von einem unwesentlichen Anhängsel seiner vollbracht sieht, wird der „Schluss des Herrn“ allerdings zu einem Trugschluss. Dies zeigt sich zunächst in einer merkwürdigen Verlagerung der Sollensproblematik, wie sie vor allem aus der Kantischen Moralphilosophie geläufig ist. Alles, was der Heteronomie zuzurechnen 177 178
Ebd. Ebd., S. 74f.
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ist – wozu auch hypothetische praktische Vorschriften zählen –, haben vor der Rigorosität des Herrn, als beispielsweise der leeren Allgemeinheit des Sittengesetzes, keinen Bestand, sie werden nicht als ihm gleichwertig anerkannt. Umgekehrt aber anerkennt der Knecht sehr wohl den Herrn, indem er ihm, beispielsweise als Gewissen, der Äußerung des allgemeinen praktischen Gesetzes, folgt, und zwar genusslos, aus Pflicht, nicht aus Neigung – welcher Aspekt der Kantischen Moralphilosophie schon früh Kritiker gefunden hat. Diese Anmerkungen zu Kant sollen jedoch nur der Verdeutlichung dienen, die Komplexität der Kantischen Moralphilosophie wird mit der Herr-Knecht-Situation genauso unzureichend beschrieben wie die Figur der Begierde der Fichteschen; aber beide lassen sich jeweils als elaborierterer Fall dieses Typus beschreiben.179 Wichtig ist: Bei der Herr-Knecht-Situation handelt es sich 179
Gleichwohl fallen Umschreibungen für Herrschaft und Knechtschaft beim frühen Hegel häufig, wenn es um die Darstellung der praktischen Philosophie Kants und Fichtes geht. Neben dem schon angeführten, Fichte betreffenden Zitat aus der Differenzschrift sollten noch Erörterungen Hegels zu Kant aus der Frühschrift Der Geist des Christentums und sein Schicksal (1798-1800), in: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Frühe Schriften (= Werke 1), S. 274-418 genannt werden. Hier wird Kant erwähnt, im Zusammenhang mit dem Judentum, dessen „Wurzel“ das „Objektive, d.h. der Dienst, die Knechtschaft eines Fremden“ (S. 298) sei, welche nicht als Tyrannei betrachtet werden dürfe, denn der Tyrann sei „ein Wirkliches“, Jehova jedoch ein „Unsichtbares“ (vgl. S. 303). Die von Hegel hier skizzierte Charakterisierung von Kants praktischer Philosophie hat schon bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit der Herr-Knecht-Gestalt. Die praktische Vernunft Kants sei das „Vermögen der Allgemeinheit, d.h. das Vermögen auszuschließen“ (S. 301), also etwas, das wie der Herr durch Negation reine Allgemeinheit ist, die „Triebfeder Achtung“ unterjoche „dies Ausgeschlossene in Furcht“ (ebd.), also dasjenige, was negiert wird, gilt, wie die Bestimmtheiten gelten, von denen der Knecht sich nicht losreißen konnte, als Minderwertiges und der Allgemeinheit zu Subordinierendes. Dies Ausgeschlossene sei nicht aufgehoben, „sondern ein Getrenntes noch Bestehendes“ (ebd.), wobei das „noch“ an die Misslichkeit erinnert, die sich im Bild des Kampfes äußerte, der nicht mit dem Tod des Anderen enden dürfe, da nämlich das Seiende nicht gänzlich negiert werden darf, obwohl eigentlich um der Reinheit des Herrn willen die Tendenz dazu da ist. So sei schließlich dies Gesetz in der Kantischen Philosophie „zwar subjektiv“, aber „ein Gesetz, das anderen im Menschen Vorhandenen“ widerspreche, „ein Gesetz, das herrscht“ (ebd.). Schon hier wird also „herrschen“ für das praktische Verhältnis des Allgemeinen zum Bestimmten verwendet, in dem dies Bestimmte im Allgemeinen nicht als aufgehoben gedacht wird und so sich als Widerspruch geltend machen muss. – Den Bezug des Abschnitts über Herrschaft und Knechtschaft zu Kant stellt auch Scheier, Analytischer Kommentar zu Hegels Phänomenologie des Geistes, S. 114 Fn., fest: „Ich ist frei nur, indem Ich handelt, sich zur Erschei-
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um eine, in der die Ausbreitung der erfahrbaren Welt strikt der Identität des Selbstbewusstseins untergeordnet wird, aber so, dass das Bewusstsein ebenfalls zum Unwesentlichen gezählt wird. Das Bewusstsein als jener Teil des Selbstbewusstseins, der in das Bestimmtsein durch anderes gerissen wird, wird vom eigentlichen Selbstbewusstsein radikal geschieden, und das kann nur dadurch geschehen, dass die Wiedergewinnung des Selbst in der Andersheit nur dem reinen Selbstbewusstsein zugerechnet wird. Das Ich versteht sich also trotz all seiner mannigfaltiger Bestimmtheit lediglich als das mit sich identische Ich, eine Leistung, welche ihm das Bewusstsein abnimmt, es sieht sich nicht selbst in all seinen mannigfaltigen Bestimmtheiten. Der Unterschied zur Begierdesituation ist zwar der, dass diese seine Identität bruchlos sich fortsetzt, nicht durch den sich immer wieder herstellenden Gegensatz des Seins gefährdet ist, aber um den Preis, dass sich ein Moment seiner immer noch in der Situation der Begierde befindet, auch wenn durch dessen Apostrophierung als „unwesentlich“ die Identität des Selbstbewusstseins unbedroht bleibt. Am Ende des Kapitels „Kraft und Verstand“ gab es diese Situation schon einmal: Das jenseitige ruhige Reich der Gesetze als radikal geschieden von der Welt der Erscheinungen, welche so nur noch als „verkehrte“, d.h. ohne erkennbare Gesetze sich verwandelnd, da diese als „ruhige“ nur dem Jenseits vorbehalten blieben, gedacht werden konnte. Da nun erkannt ist, dass sich dies in Wahrheit alles in der Immanenz der Subjektivität abspielt, gilt der Herr als das innersubjektive Jenseits, aus der Welt der unwesentlichen Erscheinungen in der verkehrten Welt wird die unwesentliche Bearbeitung des selbständigen, jenseitigen Seins mittels des Knechts.
nung bringt, sich vergegenständlicht, darin aber sich als Erscheinung, Naturding, negiert, oder nicht aus Neigung, als Bewußtsein, sondern aus Pflicht, als Selbstbewußtsein, handelt.“ Diese Deutung unterschlägt jedoch den kritischen Ansatz Hegels, der ja nicht unbedacht den pejorativen Titel „Herrschaft und Knechtschaft“ für diese Gestalt des Bewusstseins wählte. „Frei“ ist diese Figur nur im Anspruch von Kants praktischer Philosophie, denn in der bloßen Negation der doch nötigen Erscheinung wird die Einheit des Selbstbewusstseins nicht erreicht, nur durch die Aufhebung der Erscheinung.
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3.6 Die Unangemessenheit der Herrschafts-KnechtschaftsGestalt zum Begriff der Anerkennung Zu dieser speziellen Abwertung nicht nur des Seins, sondern auch des theoretischen und praktischen Vollzugs des Seins kommt es, weil der Knecht sich selbst „als Unwesentliches“ setzt: „einmal in der Bearbeitung des Dings, das anderemal in der Abhängigkeit von einem bestimmten Dasein; in beiden kann es nicht über das Sein Meister werden und zur absoluten Negation gelangen“. (PhG, S. 133) Bearbeitung und Abhängigkeit: In diesen beiden Beschreibungen ist schon angedeutet, dass dem Knecht die wesentlichen Momente des Selbstbewusstseins zufallen. In der Abhängigkeit erlebt er sich als Passiven, der sich bestimmen und in dieser Bestimmtheit von weiteren Bestimmtheiten bestimmen lassen muss. In der Bearbeitung hingegen steckt schon das Moment der Zueignung, des Verinnerlichens, sie macht, dass aus dem Ding ein Begriffenes und somit mit dem Selbstbewusstsein Identisches wird. An diesen Umstand knüpft Hegel jedoch nicht den weiteren Gang des Bewusstseins: Es ist die Unangemessenheit zum Begriff der Anerkennung, welche das Ungenügen des Schlusses des Herrn aufzeigt. In der Entäußerung durch das Andere des Bewusstseins und dessen Wiederbemächtigung als des Anderen des rein-identischen Selbstbewusstseins missversteht sich der Knecht als Bewusstseinsstrom, als Vergängliches, welcher sich an Vergänglichem abarbeitet, da er die Seite der Identität dem Herrn zuschlägt. Indem er sich nur die Seite des Ephemeren zurechnet, macht er sich, wie beschrieben, zu etwas Unwesentlichem, der sein Wesen in dem im Strom der Vergänglichkeit Bleibendem hat, dem reinen Selbstbewusstsein. Dadurch aber ist die Anerkennung noch eine asymmetrische: Das „andere Bewusstsein“ – das Bewusstsein vom Beginn des Kampfes auf Leben und Tod, nicht der Knecht! – hat sich als Fürsichsein aufgehoben, es hat sich des Selbstseins begeben, ist somit voll den Bestimmtheiten preisgegeben, in denen es sich verliert, und kann diese sich somit nicht mehr selbst zuschreiben. Diese Preisgabe ist zugleich eigentlich Tun des Herrn, denn sie ist das Ergebnis des Kampfes, an dem beide selbstbewusste Bestimmtheiten beteiligt waren. Durch den Herrn wird das Sein und der Knecht also zu etwas Unwesentlichem, nicht, wie noch einige Zeilen weiter oben vermeintlich konstatiert, durch den
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Knecht. Damit ist aber der Begriff der Anerkennung noch nicht erschöpft, wie Hegel selbst noch einmal betont: Aber zum eigentlichen Anerkennen fehlt das Moment, daß, was der Herr gegen den andern tut, er auch gegen sich selbst, und was der Knecht gegen sich, er auch gegen den andern tue. Es ist dadurch ein einseitiges und ungleiches Anerkennen entstanden. (PhG, S. 133)
Es könnte auch gesagt werden: Die herausgehobene Stellung des Herrn ist eine usurpierte. Dies verdeutlicht Hegel zunächst von der Warte des Herrn aus. Er muss überprüfen, ob seine Wahrheit dem Anspruch, den er an sie hat, gerecht wird. Dieser Anspruch leitet sich ab aus dem Ergebnis dessen, was als Wahrheit der Gewissheit seiner selbst erkannt wurde. Diese Erkenntnis wurde in die Formel „Es ist ein Selbstbewusstsein für ein Selbstbewusstsein“ gebracht. Schon daran ist abzusehen, dass die Gestalt der Herrschaft und Knechtschaft diesem Anspruch nicht standhält. Denn der Knecht ist in seiner Unwesentlichkeit nicht nur kein vollwertiges oder ebenbürtiges Selbstbewusstsein, er ist überhaupt keines mehr. Mit dem Begriff der Anerkennung, in welchem die Bedingungen gewonnen wurden, wie aus dieser Formel die durch sie geforderte Einheit des Selbstbewusstseins hervorgehen könne, ist es jedoch möglich, genauer zu überprüfen, woran es dem Zusammenschluss des Selbstbewusstseins zur Herr-und-Knecht-Einheit gebricht. Im Zitat wird eine Asymmetrie deutlich. Was hat das erste Selbstbewusstsein nicht gegen sich selbst, und was hat das zweite nicht gegen das erste getan? Welches Unterlassen führte zu der Un-Figur Herr und Knecht? Es geht ganz eindeutig um das Selbstsein. Das erste Selbstbewusstsein hat dem zweiten dessen Identität genommen, und das zweite Selbstbewusstsein hat sich seine Identität nehmen lassen. Insofern ist das Tun des einen mit dem Tun des anderen identisch gewesen. Aber um im Kampfe dem Begriff des Selbstbewusstseins gerecht zu werden, hätte das zweite Selbstbewusstsein ebenso dem ersten dessen Identität nehmen wie das erste sich hätte diese Identität nehmen lassen müssen. Denn nur dies kann gemeint sein mit dem Fehlen dessen „daß, was der Herr tut, er auch gegen sich selbst, und was der Knecht gegen sich, er auch gegen den anderen tue.“ Jedoch scheint zunächst fraglich, wie dann der Begriff der Anerkennung noch funktionieren soll. Denn wenn der Kampf der Identität des Anderen in dessen Bestimmtheit galt, und es nicht
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hinreicht, wenn nur einer von beiden seine Identität verliert, dann ist der einzige Ausweg, dass beide, das erste wie das zweite Selbstbewusstsein, ihre Identität preisgeben müssen, und zwar indem sie diese jeweils dem anderen nehmen wie sie sich vom anderen nehmen lassen. Denn dieser Weg wurde ja bereits als Sackgasse ausgewiesen, denn er ist der Weg in den Tod, da ja offensichtlich beide ihre Identität und somit ihre Bestimmtheit verlieren müssen, um den Begriff der Anerkennung zu erfüllen. Das zweite Fragwürdige betrifft die Wortwahl. Denn im Zitat werden der Herr und der Knecht als diejenigen Akteure benannt, welche in ihrem Tun die Anerkennung unzureichend erfüllen, es wird also nicht gesagt, dass das Individuum und das andere Individuum als Herr und Knecht den Anerkennungsbegriff verfehlen, sondern dies wird an die beiden Gestalten adressiert, die als Herr und Knecht gar nicht anders können. Ganz offensichtlich sind die Adressaten wohlerwogen, denn es zeigt sich, wie der Begriff der Anerkennung auch noch auf einem anderen Weg beschritten werden kann als dem, der aus den beiden Selbstbewusstseinsgestalten im zum Ende geführten Kampf auf Leben und Tod bloße Seiende macht. Dass ausdrücklich der Herr und der Knecht angesprochen werden als die, welche den Begriff der Anerkennung verfehlen, und nicht die einfach fürsichseienden Wesen als die, die dies selbstbewusste Verhältnis der Unterordnung erst vorbereiten, weist darauf hin, dass die Figuren des Herrn und des Knechtes notwendige Gestalten sind, um zum dem Begriff der Anerkennung angemessenen Phänomen hinzuleiten. Der formale Grund wurde schon darin kennengelernt, dass dieses Phänomen durch eine doppelte Schlussbewegung zustande kommt, und zwar durch die medii termini des Seins, durch welches der Knecht an das Sein gebunden ist, und des Knechts, welcher den Herrn und das Sein zusammenschließt auf Kosten des Knechts und auf Kosten des Anerkennungsbegriffes. Dem Anerkennungsbegriff unangemessen zu sein, kann jedoch nicht als die Erfahrung des Bewusstseins antreibendes Argument gelten, denn dieser ist schließlich nur Konstruktion der Wissenschaft und dem beobachteten Bewusstsein selbst unbekannt. Das Ungenügen im Wissen seiner selbst muss der Herr als der wesentliche Teil des Bewusstseins einsehen. Er tut dies, indem er sich fragt, was denn nun der Gegenstand ist, in dem er sich selbst weiß; wie denn das Selbstbewusstsein, welches für das Selbstbewusst-
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sein ist, beschaffen ist. Der enttäuschende Befund: Es ist das von beiden Seiten, dem Herrn und dem Knecht, als unwesentlich befundene Bewusstsein, welches den Ausdruck „ein Selbstbewusstsein für ein Selbstbewusstsein“ als „Wahrheit der Gewissheit seiner selbst“ erfüllen soll. Aber darin „erhellt, daß dieser Gegenstand seinem Begriffe nicht entspricht, sondern daß darin, worin der Herr sich vollbracht hat, ihm vielmehr ganz etwas anderes geworden, als ein selbständiges Bewußtsein.“ (PhG, S. 133f.) Auch hier taucht also die Figur der „Umkehrung“ wieder auf. Das Ergebnis kann auch nicht verwundern, zu offenkundig war der Konstruktionsfehler dieser Figur schon vom Anfang an, und zwar von dem Moment, als das zweite Selbstbewusstsein, seines Selbstseins entkleidet, zu einem bloßen Bewusstsein herabsank, welches per definitionem kein Selbstbewusstsein mehr war. „Die W a h r h e i t des selbständigen Bewußtseins ist demnach das k n e c h t i s c h e B e w u ß t s e i n .“ (PhG, S. 134)180 Dieser Übergang ist deshalb möglich, da sich, trotz des Nicht-Entsprechens von Gegenstand und Begriff, sachlich nichts geändert hat. Das, was nun aber fällt, ist die unveränderte Dauer und reine Identität-mit-sich als Kriterium der Wahrheit, wie es seit der Sinnlichen Gewissheit gebraucht wurde, in der Variante des gleichbleibenden Diesen, des ungeachtet seiner unterschiedlichen Eigenschaften mit sich identischen Dings, und des ruhigen Reichs der Gesetze. All diese Modelle konnten das Prinzip der Identität mit dem der mannigfaltigen Bestimmtheit nicht vereinigen und retteten sich jeweils in eine neue Gestalt, welche diese Aufgabe bewältigen konnte. Das ist jetzt nicht mehr möglich, weshalb klar ausgesprochen wird, 180
Damit ist das Thema der Herrschaft im Zusammenhang des Kapitels „Selbstbewusstsein“ erledigt. Für Tom Rockmore stellt sich der Text indes anders dar (Cognition. An Introduction to Hegel’s Phenomenology of Spirit, Berkeley/Los Angeles/London 1997, S. 66): „Hegel’s surprising point is that in inherently unstable relations of social inequality, the master is not self-sufficient but dependent on the slave. When such a relationship has finished evolving, the unexpected result is that the slave is the master of the master and the master is the slave of the slave.“ Diese Aussage ist schlicht falsch – selbst wenn es sich um soziale ungleiche Verhältnisse handelte, was es nicht tut, endet der Abschnitt mit der Befreiung des Knechts, nicht damit, dass sich die Verhältnisse umkehrten. Zu dieser Annahme kann es nur kommen, wenn übersehen wird, dass es sich beim Abschnitt „Herrschaft und Knechtschaft“ nicht um eine dialektische, sondern um eine Schlussbewegung handelt, welche „uns“ die Vereinigung der Extreme des Selbstbewusstseins vor Augen führen soll, nicht deren tatsächliche Umkehrung.
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dass die Wahrheit des mit sich Identischen in der Gestalt des selbständigen Bewusstseins die vermittelte Mannigfaltigkeit des knechtischen Bewusstseins und somit das knechtische Bewusstsein selbst ist. Das kühle Understatement, mit welchem Hegel diesen Übergang konstatiert, überdeckt jedoch, wie so oft bei ihm, dessen Bedeutung.
3.7 Das Tun des Knechts Das bedeutet jedoch nicht, dass das Prinzip der Identität verabschiedet wäre. Die Aufgabe, die nun ansteht, ist, im Mannigfaltigen das Identische, im Knecht den Herrn aufzufinden. Der Knecht erscheint zwar zunächst außer sich und nicht als die Wahrheit des Selbstbewußtseins. Aber wie die Herrschaft zeigte, daß ihr Wesen das Verkehrte dessen ist, was sie sein will, so wird auch wohl die Knechtschaft vielmehr in ihrer Vollbringung zum Gegenteile dessen werden, was sie unmittelbar ist; sie wird als in sich z u r ü c k g e d r ä n g t e s Bewußtsein in sich gehen, und zur wahren Selbständigkeit sich umkehren. (PhG, S. 134)
Es wird also eine weitere Inversion angekündigt, die sich nicht anders äußern kann als darin, dass das knechtische Bewusstsein mit der Qualifizierung seiner als „unwesentlich“ ebenfalls ins Unrecht gesetzt wird. Interessant ist jedoch die Sprache dieses Absatzes: es ist die aus „Kraft und Verstand“. Dadurch ergibt sich eine Parallele zum Begriff der Anerkennung, bei dessen Auseinanderlegung Hegel auch auf dieses Kapitel, konkret: auf das Spiel der Kräfte, Bezug nahm. Hier erschöpfen sich die Anspielungen jedoch nicht nur darauf: in der Wortschöpfung des „zurückgedrängten Bewusstseins“, in der Bezugnahme auf die „Erscheinung“ (das „knechtische Bewusstsein“ „erscheint“), die „verkehrte Welt“ (im „umkehren“, im „das Verkehrte“ und im „Gegenteil“) und das „Innere“ (im „in sich gehenden Bewusstsein“) finden sich weitere Verweise. Damit ist auch sprachlich eine Abkehr vom sozialphilosophischen Kontext erkennbar und ein Hinweis, die Ausführungen aus dem dritten Kapitel als Interpretationshilfe dessen zu nutzen, wie das knechtische Bewusstsein als das Wesen erkannt werden kann. Durch das „Vollbringen“ wird schon ein Hinweis gegeben: Durch die „Vollbringung der Knechtschaft“ soll die Umkehr zur
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wahren Selbständigkeit erreicht werden und sich der Knecht von der unwahren Selbständigkeit des Herrn als emanzipiert zeigen. Es ist also das Vollbringen, welches für die Umkehr des knechtischen Selbstbewusstseins steht, oder das sie zum Resultat hat – ob als Endresultat dieses Vollbringens oder im Prozess des Vollbringens selbst, bleibt zunächst offen. Die drei Absätze, in welchen dieser Prozess beschrieben wird, sind mit Sicherheit die kryptischsten des ohnehin dunklen Kapitels „Selbstbewusstsein“, da die Verweise und Anspielungen das argumentative Gerüst fast völlig verdecken. Der erste dieser Absätze wird mit dem Resultat des Schlusses des Herrn eingeleitet, welches lautete, dass das unwesentliche die Wahrheit des wesentlichen Selbstbewusstseins ist. Offensichtlich ist, was so endet, die Erfahrung des Selbstbewusstseins in der Gestalt des Herrn. Die Erfahrung des Selbstbewusstseins in der Gestalt der Knechtschaft hebt damit an, dass „zunächst“ für sie „der Herr das Wesen“ ist, „das s e l b s t ä n d i g e f ü r s i c h s e i e n d e B e w u ß t s e i n ist ihr die Wahrheit, die jedoch FÜR SIE noch nicht a n i h r ist.“ (PhG, S. 134) Das ist die Segregation der Leistungen des Selbstbewusstseins als Für-sich-sein und Sein-für-Anderes aus der Sicht des Knechts; er sieht die Identität, welche er ihr verschafft, aber rechnet diese Leistung nicht sich selbst zu; er konstituiert die Identität des Selbstbewusstseins, indem er die vielfältigen Bestimmtheiten des Selbstbewusstseins miteinander verbindet. Er ermöglicht sie somit erst, indem er sie in einem mit sich identischen Medium vermittelt, aber er erkennt diese Tätigkeit nicht als Wesen, sondern nur das um diese Tätigkeiten bereinigte und somit leere Resultat. Das reine Fürsichsein ist deswegen mit sich identisch, weil es unbestimmt ist. Bestimmt sein kann nur das, was Hegel mit „Seinfür-Anderes“ bezeichnet. Diese Unbestimmtheit des reinen Fürsichseins ist somit als reine Abstraktion zu denken. Jedoch ist eine reine Abstraktion nichts, das völlig unberührt über der Welt der Erscheinungen schwebte. Denn eine Abstraktion ist immer abhängig davon, wovon sie abstrahiert. Das liegt daran, dass es sich bei dieser Abstraktion um eine seiende handelt. Es wird von ihr ausgesagt, dass sie als reines Fürsichsein existiert. Existieren kann aber nur etwas Bestimmtes. Bestimmtheiten können aber nur als sich gegenseitig negierende gewusst werden, eine Eigenheit, die in der Figur der Erscheinung begriffen ist. Ein Abstraktum
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kann daher nur gewusst werden als die Negation dieser als Erscheinungen begriffenen Bestimmtheiten. Können Erscheinungen daher in Anlehnung an die Beispiele des Kapitels „Sinnliche Gewissheit“ mit der Formel beschrieben werden: Dies ist nicht die Bestimmtheit A, sondern die Bestimmtheit B, die nicht die Bestimmtheit B ist, sondern die Bestimmtheit C usw., so fehlt dem reinen Fürsichsein jene Affirmation, die durch das „sondern“ ausgedrückt ist. Das reine Fürsichsein wird somit bestimmt als die Abwesenheit von A, B, C usw. Damit ist es aber wesentlich Teil eines Prozesses: Es ist das unendliche Sich-Bestimmen als Fürsichsein. Damit ist allerdings das Sein für Anderes, die Knechtschaft, konstitutiv für das Fürsichsein, den Herrn: Allein sie hat diese Wahrheit der reinen Negativität und des F ü r s i c h s e i n s i n d e r T a t a n i h r s e l b s t ; denn sie hat dieses Wesen an ihr e r f a h r e n . Dies Bewußtsein hat nämlich nicht um dieses oder jenes, noch für diesen oder jenen Augenblick Angst gehabt, sondern um sein ganzes Wesen; denn es hat die Furcht des Todes, des absoluten Herrn, empfunden. Es ist darin innerlich aufgelöst worden, hat durchaus in sich selbst erzittert, und alles Fixe hat in ihm gebebt. Diese reine allgemeine Bewegung, das absolute Flüssigwerden alles Bestehens ist aber das einfache Wesen des Selbstbewußtseins, die absolute Negativität, das r e i n e F ü r s i c h s e i n , das hiermit an diesem Bewußtsein ist. (PhG, S. 134)
Auch hier verbirgt eine assoziationsreiche Sprache den argumentativen Aufbau, jedoch ist es nach der Vorerinnerung recht einfach, diesen freizulegen. Der erste Satz ist eine Vorwegnahme des Ergebnisses dieser Erfahrung: Das knechtische Bewusstsein erfahre ihr Wesen, das reine Fürsichsein, den Herrn, an ihr selbst. Der Rest des zitierten Absatzes dient offenbar der Begründung dieser Aussage, wie durch das Wörtchen „nämlich“ angedeutet. Zentral für die Begründung ist das, was sich hinter dem Empfinden der Angst, der Furcht des Todes, dem Erzittern der Knechtschaft und dem Erbeben alles Fixen in ihm befindet. Der Tod nun wurde schon im Naturrechtsaufsatz als Erscheinung des negativ Absoluten, der reinen Freiheit, gedeutet.181 Das reine Fürsichsein indes lässt sich nicht so ohne weiteres mit diesem negativ Absoluten vermitteln, da es sich hier um durch das Bewusstsein vermitteltes Fürsichsein handelt; es ist also nicht rein, sondern in einem Prozess dauernder 181
Vgl. ebd., S. 478
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Bereinigung; es ist nicht unbestimmt, sondern seine Unbestimmtheit wird im steten Prozess aus der Bestimmtheit wiederhergestellt. Der absolute Herr, der ansonsten weder bisher aufgetaucht ist noch in diesem Kapitel wieder auftaucht, steht also über dem reinen Fürsichsein, dessen verselbständigtes, also um die Vermittlung durch die Knechtschaft gebrachtes Moment er ist, welches in seiner Verwirklichung als Tod allerdings die des Begriffs der Anerkennung und damit des Selbstbewusstseins verhindert. Das wird ausgedrückt darin, dass der Knecht „um sein ganzes Wesen“ Angst gehabt habe. Es wird durch den Tod nämlich nicht nur die Bestimmtheit des Selbstbewusstseins verhindert, sondern auch das Fürsichsein jedes dieser Bestimmtheiten und damit das Fürsichsein überhaupt. Das bestimmte Selbstbewusstsein, welches zum bestimmten Bewusstsein des Knechts herabgesunken ist, tat dies also nicht aus Angst um seine jeweilige Bestimmtheit, sondern aus Angst um sein „ganzes Wesen“. In der Metaphorik Hegels gesprochen geschah die Unterwerfung des Knechts also um des Herrn willen und war somit Unterwerfung unter den Herrn. Das zum Knechtsein entschlossene Selbstbewusstsein, indem dieses es nicht bis zum Äußersten hat kommen lassen wollen, erhält also nicht nur sich selbst im Sein, sondern auch durch sein Opfer das reine Fürsichsein, welches nur ist durch unendliche Vermittlung des Seins durch den Knecht, welcher es ihm gleichmacht, damit der Herr seine Identität „rein genießen“ kann. Zum Verständnis dieser komplizierten Entwicklung darf, bei aller Vorsicht, diese Gestalt des Bewusstseins nicht als Auseinandersetzung mit in der Philosophiegeschichte auftretenden Positionen misszuverstehen, Kants Moralphilosophie herangezogen werden. In der Metaphysik der Sitten wird als „wenn gleich nicht vornehmste, doch erste Pflicht des Menschen gegen sich selbst“ die der „Selbsterhaltung in seiner animalischen Natur“182 genannt. Der phänomenale Leib wird so zum bloßen Adressaten und Vollzugsorgan des allgemeinen Sittengesetzes, wie Kant in seiner Zurückweisung der Möglichkeit der Selbstentleibung deutlich macht: Das Subjekt der Sittlichkeit in seiner eigenen Person zernichten, ist eben so viel, als die Sittlichkeit selbst ihrer Existenz nach, so viel an ihm ist, aus der Welt vertilgen, welche doch Zweck an sich selbst ist; mithin über sich als bloßes Mittel zu ihm beliebigen Zweck zu 182
Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten (= Kant. Werke, Bd. 8), Frankfurt am Main 2005, S. 553.
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disponieren, heißt die Menschheit in seiner Person (homo noumenon) abwürdigen, der doch der Mensch (homo phaenomenon) zur Erhaltung anvertrauet war.183
Diese Ausführung, obschon noch in der Sprache der Knechtschaft gesprochen, zeigen eins deutlich: Ohne den Knecht wäre der Herr ein Nichts. Der homo noumenon muss sich einem homo phaenomenon überantworten. Der Knecht ist das Dasein des Herrn. Freilich muss davor gewarnt werden, dasjenige, was Hegel unter der Knechtschaft versteht, mit der Leiblichkeit zu identifizieren. Leiblichkeit ist ein Sonderfall des viel abstrakteren Sein für Anderes, welches das Dasein des Selbstbewusstseins, die mit der selbstbewussten Substanz unmittelbar mitgesetzte seiende Individualität ihrer selbst bedeutet. Diese Unterwerfung umwillen des Herrn wird nun nicht, wie es bei dieser Metaphorik vielleicht zu vermuten wäre, geäußert, sondern sie zeigt sich. Sie zeigt sich in etwas, was dem Leser schon vertraut ist: in der Verlebendigung des Seins, oder, nüchterner gesprochen, in der Verwandlung des dem Subjekt entgegenstehenden Seins in dessen Eigentum, in Wissen; in der Subjektivierung des Seins. Es ist das Wissen, um welches die Knechtschaft Angst gehabt hat. Die bedrängte Sinnliche Gewissheit, die sich unartikuliert mit dem von ihr gemeinten Gegenstand zusammenschloss, riskierte und verlor damit nur ihren Wissensanspruch, blieb aber als vermeinendes Subjekt unangetastet. Ein Selbstbewusstsein hingegen, welches auf Vermittlungsleistungen verzichtet, setzt sich selbst aufs Spiel. Der Verzicht auf Wissen, wie er im Risiko des Todes ausgedrückt ist, bedeutet Selbstvernichtung: nicht nur die Vernichtung dessen, was als „dieser oder jener Augenblick“ das Selbstbewusstsein inhaltlich ausmacht, sondern auch dessen, worin diese Inhalte identifiziert werden, das Wesen der Knechtschaft, das Fürsichsein, und damit des ganzen Selbstbewusstseins. In der Furcht des Verlustes dessen ist die Knechtschaft „innerlich aufgelöst“ geworden. Die Metapher der Verflüssigung und die Konsequenz des mit ihr Gemeinten, dass nämlich das reine Fürsichsein „an diesem Bewusstsein“ ist, ist ein deutlicher Verweis auf den Begriff des Lebens, welcher in seinem Gattungscharakter auf das Andere seiner, das Selbstbewusstsein, verweist. Der 183
Ebd., S. 555.
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Knecht, dessen Fixheiten erbebt sind, kann als die Fortbestimmung des Lebensbegriffes gelesen werden. Denn eine Frage war bei der Analyse des Lebens nicht zur völligen Klarheit gelangt: Wenn als ausgemacht gelten kann, dass das, was im Leben beschrieben ist, der Entwicklung der Gestalten des Bewusstseins bis zum Selbstbewusstsein entspricht; dass der Unterschied des reinen Fürsichseins als Leben gedacht werden muss, und dieses Leben das repräsentiert, was Wissen ist; wenn als ausgemacht gelten kann, dass dies Wissen weiter, wie am Schicksal der einzelnen Gestalten des Bewusstseins abgelesen werden kann, nichts Statisches ist, dass also die Sinnliche Gewissheit sich in ihren Widersprüchen selbst auflöst und in der Wahrnehmung wieder verfestigt, dass diese selbst wieder untergeht und sich in das Gesetzesdenken wandelt, dass dieses schließlich das Denken seiner selbst notwendig macht; dieses aber das unmittelbare Sein als Unterschied seiner benötigt, wodurch sich das Wissen des Selbstbewusstseins im Modus des Lebens zu einem Kreis rundet; wenn also so viel schon klar ist, dass das Wissen des Selbstbewusstseins ein in seinen einzelnen Gestalten einseitiges und so prozesshaftes Wissen ist, so blieb bislang die Frage unbeantwortet, was diesen Prozess eigentlich in Gang bringt oder wodurch alles Bestehende verflüssigt wird. Die Antwort auf diese Frage ist freilich schon aufgetaucht, ist sie doch in den jeweiligen Argumenten zu suchen, mit denen das Scheitern einer Bewusstseinsgestalt und ihr Übergang in die nächste begründet wurde. Diese Argumente, um es zusammenzufassen, operierten mit der jeweiligen Unangemessenheit, in welcher jede dieser Gestalten die Momente der Identität und der Andersheit versöhnt zu haben glaubten. Diese Unangemessenheit rechnet sich zwar die jeweilige Gestalt nicht zu, aber, um es paradox zu formulieren, ist es genau diese Ignoranz ihrer Unangemessenheit, welche die jeweiligen Gestalten ihrem Begriff unangemessen werden lässt. Diese Deutung geht konform mit der Äußerung in der Vorrede, wonach die „Ungleichheit, die im Bewusstsein zwischen dem Ich und der Substanz, die sein Gegenstand ist, stattfindet, […] ihr Unterschied, das N e g a t i v e überhaupt [ist]. Es kann als der M a n g e l beider angesehen werden, ist aber ihre Seele oder das Bewegende derselben“. (PhG, S. 28) Das Wissen des Selbstbewusstseins ist so nur als unvollkommenes möglich. Unvollkommen ist es, weil es jeweils an seine Grenzen stößt und somit auf eine andere Gestalt verweist. Diese haben
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zwar bis zur Gestalt des Selbstbewusstseins immer komplexere Gestalt, aber indem das Fürsichsein unmittelbares Sein von sich unterscheiden muss, verweist es in dieser Gestalt wieder auf das ursprüngliche Auftreten des Bewusstseins und rundet so das mögliche Wissen des Bewusstseins. In diesem Verweisen erweist sich das „fixe“ Wissen in Wahrheit als Prozess. Das Selbstbewusstsein muss also sein Vermeinen über dessen Natur grundlegend ändern, und wie diese Natur aussieht, ist an der Tätigkeit des Knechtes abzulesen, welche irgend etwas mit der „Furcht des Todes“ zu tun haben muss. Diese ist schon vorher aufgetaucht, das muss sie, sonst ergibt das Leben, zu welchem der Knecht das Sein umschafft, als Inbegriff dieses Prozesshaften Wissens keinen Sinn. Das kann aber nur bedeuten, dass diese Furcht von Anfang an die treibende Kraft hinter der Entwicklung der Bewusstseinsgestalten gewesen ist – die eben erwähnte Sondergestalt der Sinnlichen Gewissheit also nicht wusste, was auf dem Spiel stand. Das Tun des Knechtes muss also aufgefasst werden als ein Sichbehaupten gegen den „Tod, den absoluten Herrn“.184 Dasjenige aber, was von Anfang an bedroht gewesen ist, waren die Wissensansprüche des Bewusstseins. Dasjenige, was sie bedroht, ist der dem Bewusstsein selbst inhärente Skeptizismus. Der Skeptizismus resultiert aus der Natur des Bewusstseins, aus dem Unterscheiden und dem Sich-Beziehen auf diesen Unterschied. Indem er sich auf Unterschiedenes bezieht, muss er in der Sphäre des Unterschiedes das Bleibende sein. Es bezieht sich als Bleibendes auf Wechselndes (auch wenn im Kapitel Bewusstsein das Moment des Bleibens probeweise dem Gegenstand unterschoben wird) und ist durch diese ihm innewohnende 184
Wolfgang Janke, Herrschaft und Knechtschaft und der absolute Herr, legt eine, wenngleich nur psychologisch, überzeugende Deutung der Todesfurcht vor. Die „phänomenologischen Dialektik der Furcht“ entdecke „das Sein zum Tode als dasjenige Element, in welchem die an die Dinge verknechtete Existenz zu freiem Leben kommt. Die Furcht macht alles Bestehen flüssig und erlöst von der Erstarrung einer abgestumpften Existenz, deren eigentliches Selbst im alltäglichen Dienst an den Dingen und im besorgenden Vorstellen der gegenständlichen Welt abgestorben ist.“ (S. 218) Zur Stützung dieser Interpretation zieht er Hegels Aussage im §151 der Rechtsphilosophie heran, nach der der Mensch „auch aus Gewohnheit“ sterbe. Jedoch muss auch hier eingewandt werden, dass nur das Moment am Phänomen „Todesfurcht“ zum Tragen kommen kann, welches genetisch abgeleitet worden ist. Da es um das Wissen in selbstbewusster Gestalt geht, kann nur die Präsupposition, als einzelnes keinen Bestand zu haben, mit dieser Furcht gemeint sein.
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Unangemessenheit treibende Kraft der Entwicklung des Bewusstseins. Als Bewusstsein kann es allerdings Bleibendes nur sein, wenn es vom sich Verändernden abstrahiert. Bestimmtheiten kann es nur identifizieren, indem es eine mit der anderen identifiziert und so von ihren Besonderheiten absieht. Es kann diese Bestimmtheiten jedoch nur so identifizieren, dass es selbst ihr Identisches ist. Insofern kann gesagt werden, dass an ihm, an der Knechtschaft das reine Fürsichsein ist. Die Furcht des Todes ist also der Begierde sehr ähnlich, welche ja auch durch eine Unangemessenheit ausgelöst wurde, nämlich der des dem Fürsichsein widerstreitenden Seins. Das Fürsichsein ist also an der Knechtschaft: „Dies Moment des reinen Fürsichseins ist auch f ü r e s , denn im Herrn ist es ihm sein Gegenstand.“ (PhG, S. 134) Diese Begründung wirkt zunächst wie eine Erschleichung, denn der Gegenstand des knechtischen Bewusstseins ist das Sein. Dadurch, dass es ihm entgegensteht, ist er ja befangen und Knecht, während dem Herrn eigentlich nichts entgegensteht, da seine Beziehung auf den Gegenstand die der „reinen Negation desselben“ ist. Das Fürsichsein ist aber zumindest sequentiell tatsächlich „am Knecht“, nämlich immer dann, wenn es ihm gelungen ist, ihn zu seinem Inneren und ihm so dem Herrn gleichzumachen. Das Fürsichsein ist genau dann Gegenstand des Bewusstseins, wenn es ihn zu seinem Gegenstand gemacht hat. Es hat ihn dann zu seinem Gegenstand gemacht, wenn er als das Vergängliche, das Bewusstsein aber als das Bleibende in diesem Tun zurückbleibt. Das Bleibende ist aber das Fürsichsein, der Herr. Der Knecht hat also an sich die Herrschaft und ist synthetisiert mit dem Sein und so terminus medius dieser beiden Extreme. Dies ist in Ansätzen auch immer das Thema gewesen. Das Bewusstsein als Sinnliche Gewissheit meinte stets das mit sich identische Diese, welches durch seine mit ihm nicht identischen Inhalte in seiner Identität fraglich wurde. Ebenso bezog es sich als wahrnehmendes Bewusstsein auf den mit sich identischen und somit leeren Gegenstand, der an der Vielzahl seiner Eigenschaften zugrundeging, und als Verstand auf die Gesetze, die es als ruhiges Reich von der Erscheinungswelt separierte. In all diesen Momenten war es eigentlich das Fürsichsein des Selbstbewusstseins, welches bedroht war, und das knechtische Bewusstsein, welches sich mit seinen deiktischen Behauptungen, seinen Konstruktionen des
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Auch, des Insofern und der nichtigen Erscheinung für den Herrn, das Fürsichsein, in die Bresche warf. Das Fürsichsein ist an der Knechtschaft: Diese Formulierung ist insofern wichtig, als der Prozess der Anerkennung nun auch nicht das Resultat haben kann, dass der Knecht in Wahrheit der Herr ist. Der Herr als reines Fürsichsein, oder, wie Hegel es auch nennt, als „allgemeine Auflösung“ – denn das reine Fürsichsein war es zunächst, in welches die vorherigen Gestalten des Bewusstseins aufgehoben waren –, ist etwas anderes, als das Bewusstsein als Knecht in seiner Tätigkeit: „Es ist ferner nicht nur diese allgemeine Auflösung überhaupt, sondern im Dienen vollbringt es sie w i r k l i c h ; es hebt darin in allen e i n z e l n e n Momenten seine Anhänglichkeit an natürliches Dasein auf, und arbeitet dasselbe hinweg.“ (PhG, S. 134) Die „Anhänglichkeit an natürliches Dasein“ ist die Bestimmtheit, in welcher das Selbstbewusstsein auftreten, die sich aber mit anderen Bestimmtheiten vermitteln muss. Diese Notwendigkeit hatte zu dem geführt, was Hegel mit „Kampf“ bezeichnet, welcher aber als „abstrakte Negation“ nicht die Vermittlung dieser in einer Sphäre der Bestimmtheiten geführt hatte. Dies leistet jetzt die Dienstbarkeit als das Schaffen eines Mediums, in welchem den Bestimmtheiten ihr Recht wird, ohne dass das Fürsichsein darunter litte. Die „einzelnen Momente“, in denen der Knecht seine Anhänglichkeit an natürliches Dasein aufhebt, sind somit identisch mit den einzelnen bestimmten Gestalten, welche von dieser Anhänglichkeit nicht lassen wollten und somit das Dasein der anderen, welche ihrerseits von ihrer Einzelheit nicht lassen wollten, zu vernichten trachteten. Hiermit ist schon der Weg geebnet, auf welchem der Knecht erkennen könnte, das Fürsichsein schon nicht mehr nur „an sich“ zu haben: Das Gefühl der absoluten Macht aber überhaupt, und im einzelnen des Dienstes ist nur die Auflösung a n s i c h , und ob zwar die Furcht des Herrn der Anfang der Weisheit ist, so ist das Bewußtsein darin für es selbst, nicht das F ü r s i c h s e i n . Durch die Arbeit kömmt es aber zu sich selbst. (PhG, S. 134f.)
Zentral steht hier das Bibelzitat vom Anfang der Weisheit (Sir 1,16).185 Um sich als mit sich identisches Selbstbewusstsein zu 185
Auf die religionsphilosophischen Bezüge dieses Zitats in Hegels früheren Schriften macht Reinhard Sonnenschmidt, Herrschaft und Knechtschaft. Hegels politische Philosophie und ihre theoretischen Implikationen für eine Sozi-
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retten, ist es gezwungen, tätig zu werden. Diese Furcht zeigt die Notwendigkeit einer Tätigkeit, einer spontanen Leistung, die seiende Unmittelbarkeit zu durchdringen und zu einer lebendigen, dem Bewusstsein adäquaten umzuschaffen. Es wurde schon gezeigt, dass es sowohl das Fürsichsein wie das nunmehr gewusste Sein sind, die durch diesen Akt erst möglich werden. Es kann vorwegnehmend also nicht überraschen, dass der Posten des Herrn eigentlich entbehrlich ist und das vollendete Selbstbewusstsein sich „für uns“ aus dem Knecht entwickelt, wurde es ja schon als Einsicht des Herrn formuliert. Wie aber ist es durch die Arbeit als selbständiges Selbstbewusstsein zu erkennen? Der Antwort kann sich angenähert werden durch eine genaue Betrachtung des Genusses des Herrn, der nun endlich erfüllten Begierde, welcher Genus in Wahrheit ja nur aus der Abwesenheit des Widerspruchs im Sein besteht. Er ist rein negativ-abwehrend und besteht nur im Verschwinden des Gegensatzes. Anders ausgeologie der Herrschaft, Bochum 1990, aufmerksam, besonders auf die Hegelsche Betonung der Rolle des Christentums gegen die in der jüdischen Gottesfurcht begründete „Geistesknechtschaft“ (vgl. S. 10). Diese ursprüngliche Gottesfurcht habe jedoch das Positive darin gehabt, als sie lehrte, aus einem Gefühl der Abhängigkeit vom Zufälligen abzulassen und somit in der erzwungenen Aufgabe der Abhängigkeit vom Endlichen das Gefühl der Abhängigkeit überhaupt aufzugeben. In diesem Zusammenhang darf ein Hinweis auf Hegels Philosophiegeschichte nicht fehlen. Dort wird das Bibelzitat wörtlich wiederholt, um zu illustrieren, dass der Mensch damit angefangen haben muss, „die endlichen Zwecke in der Bestimmung des Negativen gewußt zu haben.“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie I [= Werke, Bd. 18], Frankfurt am Main 1986, S. 118). Geschichtlich verortet er diesen Anfang im orientalischen Despotismus und beschreibt darin die Furcht als die Kategorie der Sklaverei (vgl. ebd.). Diese Parallelen im Werk Hegels dürfen aber nicht dazu verleiten, der PhG eine geschichtsphilosophische Beweisabsicht zu unterstellen, wie es jedoch Sergio Dellavalle, Freiheit und Intersubjektivität. Zur historischen Entwicklung von Hegels geschichtsphilosophischen und politischen Auffassungen, Berlin 1998, S. 135-147, tut, u.a. durch einen Verweis auf Sergio Landucci, Hegel: la coscienza e la storia. Approssimazione alla „Fenomenologia dello spirito“, Firenze 1976, welcher sich auf jene eben zitierte Stelle der Philosophiegeschichte beruft. Dellavalle erstellt ein Entsprechungsschema zwischen der PhG und der Berliner Geschichtsphilosophie Hegels, welches er mit dem reinen Selbstbewusstsein beginnen lässt, das er dem Naturzustand zuordnet, und mit der absoluten Freiheit abschließt, der die französische Revolution entspreche. Eine solche Interpretation der PhG ist jedoch nur bei selektiver Lektüre möglich, welches die komplizierten Beweisgänge, welche in vorliegender Arbeit vorgestellt wurden und die eine ganz andere Beweisabsicht haben, ausblendet, wie freilich auch die ersten drei Kapitel der PhG.
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drückt: Aus der leeren Tautologie des Ich=Ich ist ein ebenso leerer Prozess des Ichnicht Ich geworden. Das Ich des Herrn als „unwesentliches Tun“ des Knechts hat sich nicht selbst zum Gegenstand, da die Arbeit des Knechts eine rein zerstörende ist – wenn die Konstellation Herr-Knecht aufrechterhalten wird. Das Ich muss sich vergegenständlichen: Diese Aufgabe stellt sich also erneut, nachdem sie zunächst dadurch gelöst schien, dass zunächst um der Notwendigkeit willen, dem Selbstbewusstsein Bewusstsein wiederherzustellen, das Nicht-Ich als Sein hervorging, welches sich dann aber wieder über den Umweg über das lebendige Selbstbewusstsein und dessen Wandlung in den Knecht als unselbständiges Sein und somit dem Herrn nicht entgegenstehend erwiesen hat: In dem Momente, welches der Begierde im Bewußtsein des Herrn entspricht, schien dem dienenden Bewußtsein zwar die Seite der unwesentlichen Beziehung auf das Ding zugefallen zu sein, indem das Ding darin seine Selbständigkeit behält. Die Begierde hat sich das reine Negieren des Gegenstandes, und dadurch das unvermischte Selbstgefühl vorbehalten. Diese Befriedigung ist aber deswegen selbst nur ein Verschwinden, denn es fehlt ihr die g e g e n s t ä n d l i c h e Seite oder das B e s t e h e n . (PhG, S. 135)
Nun scheint eine verzweifelte Lage eingetreten zu sein, denn dieses Verschwinden steht für die Wahrheit des selbständigen Bewusstseins, die sich somit nicht gegenständlich wird. Das so konstruierte Selbstbewusstsein bestünde so aus einer inhaltsleeren Selbständigkeit und einem verschwindendem Inhalt. Um dieses Gebilde anschaulich zu machen, genügt die Vorstellung eines Menschen, dem jede Anmutung neu ist, ihm aber immer wieder verschwindet und einer anderen Platz macht, welcher sich deshalb auch nie als Subjekt dieser Zustandsveränderungen begreifen kann. Die Frage, was diesem Menschen fehlt, wäre leicht zu beantworten: Erinnerungsvermögen. Nun ist ein solches Beispiel nicht ohne weiteres übertragbar, aber es erleichtert das Verständnis in die Aufgabe, welche gelöst werden muss, um den Prozess der Anerkennung zu einem seinem Begriff angemessenen Ende zu bringen: Der Prozess, in welcher der Knecht verwickelt ist, muss als gegenständlicher begriffen werden, aber so, dass in ihm gleichermaßen das Verschwinden der Bestimmtheiten ineinander begreiflich wird. Hegel beschreibt diesen Prozess nun als Gegensatz
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gegen dessen falsches Verständnis als Begierde, indem er deren Begriff neu fasst: Die Arbeit hingegen ist gehemmte Begierde, aufgehaltenes Verschwinden, oder sie bildet. Die negative Beziehung auf den Gegenstand wird zur Form desselben, und zu einem Bleibenden; weil eben dem Arbeitenden der Gegenstand Selbständigkeit hat. Diese negative Mitte oder das formierende Tun ist zugleich die Einzelnheit oder das reine Fürsichsein des Bewußtseins, welches nun in der Arbeit außer es in das Moment des Bleibens tritt; das arbeitende Bewußtsein kommt also hiedurch zur Anschauung des selbständigen Seins, als seiner selbst. (PhG, S. 135)186
Die Interpretation des Textabschnittes muss angemessen abstrakt ausfallen, will sie dem hohen Anspruch an Folgerichtigkeit, immer unterstellt, Hegel habe diesen an dieser Stelle seines Werks nicht 186
Auch hier könnten die von Hegel verwendeten Termini zur Konstruktion einer Philosophie der Arbeit verwendet werden, wie Kojève es getan hat. (Vgl. Kojève, Hegel, S. 67ff.) „Arbeit“ wäre demnach das durch einen Zweck vermittelte Einwirken auf die natürliche Umgebung, wofür die unmittelbaren Bedürfnisse unterdrückt werden müssen, um die Bildung von Artefakten zu ermöglichen und so die Triebbefriedigung beständiger zu machen, die in unmittelbarer Begierde nur prekär, „verschwindend“, möglich ist. Das gelingt der Arbeit, indem sie den natürlichen Gegenstand in seinem So-Sein negiert und ihm eine neue Form gibt. Diese Theorie der Arbeit könnte noch etwas anspruchsvoller ausfallen, wenn das von Hegel verwendete „Bilden“ in seiner doppelten Bedeutung genommen wird: in der Umbildung der Natur und der damit einhergehenden Selbst-Bildung des Arbeiters. Um die Interpretation dieses Abschnittes noch um die Antwort auf die Frage anzureichern, was das alles für das Verhältnis von Herr und Knecht bedeutet, böte sich die Annahme der Implikation an, der Knecht emanzipiere sich durch diese Bildung seiner selbst vom ungebildeten Herrn. Somit wäre mit dieser in den Hegelschen Text hineininterpretierten Theorie der Arbeit zugleich eine Geschichtstheorie, darüber hinaus, da Bildung ja ein Prozess ist, eine Theorie der menschlichen Zeit gewonnen: „Diese schöpferische Erziehung des Menschen durch die Arbeit (die Bildung) schafft die Geschichte, d.h. die menschliche Zeit.“ (Ebd., S. 71) Aber all das setzt zu viel davon voraus, was in der PhG eben noch nicht entwickelt worden ist. Das zeigt sich schon daran, dass die Idee, durch die Arbeit werde der Knecht zu einem emanzipierten, also selbständigen Menschen, alles andere als überzeugend ist, denn es sind ebenso überzeugende Konkurrenztheorien denkbar – wie z.B. Schillers ästhetische Erziehung. Es fehlt zu einer solch konkreten Theorie sowohl ein genau gefasster Begriff von Arbeit – und die Formulierungen Hegels sind alles andere als ein genau gefasster Begriff ; es fehlt die Antwort auf die Frage, ob und wie Arbeit den Menschen bildet; es fehlt ein genau gefasster Begriff von Bildung. Ganz und gar fehlt, angesichts des theoretischen Aufwands, welchen Marx für seine ähnlich gelagerte Theorie betrieben hat, ein Aufweis des Zusammenhangs von Arbeit und Geschichte, welche im Hegelschen Text mit keinem Wort erwähnt wird.
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schon aufgegeben, gerecht werden. Gleichwohl muss auch dabei die Arbeit und das Bilden in den Fokus rücken. „Gehemmte Begierde“ und „aufgehaltenes Verschwinden“ suggerieren eine Widerständigkeit gegen die bloß negative Tendenz der Begierde, aber keine siegreiche: Das Verschwinden wird bloß aufgehalten, die Begierde nur gehemmt, der negativen Beziehung auf den Gegenstand also nicht Abbruch getan. Dies scheint der zweite Satz jedoch schon zurückzunehmen, indem dort von einem Bleibenden geredet wird. Zwar muss damit kein dauerhaft Bleibendes gemeint sein, dies wird jedoch durch die Verwendung des Ausdrucks „Form“ zumindest suggeriert. Als Grund für diesen noch nicht ansatzweise begreiflichen Sachverhalt wird die Selbständigkeit des Gegenstandes genannt, also der Grund, aus dem das Bewusstsein mit der Metapher des Knechtes bedacht werden kann. Im nächsten Satz wird dann das „negative Tun“ der Arbeit mit der neuen Kennzeichnung der „negativen Mitte“ bedacht. Da es hier um eine Schlussbewegung geht, kann schon probeweise angenommen werden, dass dieses Tun der medius terminus ist, in welchem sich schließlich die Momente, welche mit Herr und Knecht umschrieben worden sind, zu einer neuen Gestalt des Selbstbewusstseins zusammenschließen werden. Diese negative Mitte also ist zugleich die „Einzelnheit“. Die Einzelnheit wird näher definiert als „reines Fürsichsein des Bewusstseins“. Es ist äußerst wichtig, diese Genitivkonstruktion nicht zu überlesen, denn reines Fürsichsein „überhaupt“ kommt nur der absoluten, unvollständigen Struktur des Geistes zu, welche deshalb unwirklich ist, weil sie sich nicht vereinzelt; oder welche nicht einzeln ist, weil sie sich nicht verwirklicht hat. Was nun ist mit der Einzelnheit als reinem Fürsichsein des Bewusstseins gemeint? Die Antwort auf diese Frage kann leicht an der bisherigen Erfahrung des Bewusstseins abgelesen werden, genau gesagt schon vom Anfang der PhG: Es ist die Notwendigkeit des Wissens, sich zu bestimmen zu einem Gewussten, mithin zu einem einzelnen Gewussten. Dies Wissen, indem es sich anmaßt, Wissen des Seins zu sein, macht allerdings die Erfahrung, dass es in dieser Vereinzelung auf andere einzelne Wissensinhalte verwiesen ist, denn jedes ist einzelnes Dieses. Nun hat sich diese frühe Gestalt des Bewusstseins weiterentwickelt, und die Darstellung muss dem Rechnung tragen. Erfährt die naive Position der Sinnlichen Gewissheit ihre Vereinzelung in
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einzelne Bestimmtheit, welche instantan der Negation preisgegeben ist, die so mehrere Bestimmtheiten generiert, noch als äußere und behält diese Auffassung bis zum Konzept der Erscheinung als äußere Entfaltungen des Reichs der Gesetze bei, so hat sich die Situation für das Bewusstsein, welches im Dienst des reinen Fürsichseins operiert, dergestalt gewandelt, dass es erkennt, dass seine Arbeit in der „Vereinzelung“ des Seins besteht. Das „Dieses“, in welcher Form sich dem Bewusstsein sein Wissen noch in der „Sinnlichen Gewissheit“ offenbarte, ist also mitnichten eine äußere Form des Seins, in welcher es in all seinen Bestimmungen erkannt werden kann; es ist das Bewusstsein selbst, welches dieses Dieses, oder um dem neuen Sprachgebrauch gerecht zu werden, die Vereinzelung dem Sein aufprägt. Nicht das Sein gliedert sich in Kategorien der Identität, das Bewusstsein ist es, welches dem Sein diese Kategorien aufzwingt. Da das Bewusstsein mit dieser Arbeit das Sein überhaupt erst ermöglicht – denn ein unmittelbares Sein ohne Vermittlung ist ein Unding –, wird es eine Sache los, nämlich seine eigene Unselbständigkeit in Bezug auf die Selbständigkeit des Seins. Der Knecht ist das selbständige Sein, und zwar durch seine kategorisierende Tätigkeit. Damit ist auch klar, dass diese nun erreichte Gestalt über das Kantische Erkenntnismodell hinaus ist, welches eine durch die Anschauungsformen vermittelte Realität übrigbehält, welcher dann auch ein problematisches Ding an sich eingeschrieben werden kann – ein, wie Hegel mehrfach kritisiert187, gänzlich Bestimmungsloses. Das Sein aber, wovon hier jedoch die Rede ist, befindet sich vollständig in der Immanenz des Selbstbewusstseins. Aber der Knecht ist nicht nur das selbständige Sein, er ist auch der Herr. Denn die identitifizierenden Kategorien, welche der Knecht dem Sein einarbeitet, sind ja in diesem Tun „die Einzelnheit oder das reine Fürsichsein des Bewusstseins“. Dies bedeutet nichts anderes, als dass der Knecht eben sein eigenes Fürsichsein entdecken könnte, das, dessen er scheinbar entbehrte und weswegen er einem fremden Fürsichsein, dem Herrn, zuarbeitete. Um verständlich zu machen, was das zu bedeuten hat, ist es 187
Er kritisiert es als völlig Leeres, da von allem Abstrahierendes (vgl. Hegel, Enzyklopädie, §44); als Unbestimmtes, Form- und Inhaltsloses (vgl. ebd., §87); als leeres objektives Pendant zum ebenso leeren „Ich denke“ (vgl. ders., Glauben und Wissen, S. 310); als „Jenseits des Denkens“ (vgl. Seinslogik, S. 27); als bloßes Produkt des abstrahierenden Denkens (vgl. ebd., S. 49).
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vielleicht hilfreich, daran zu erinnern, was ursprünglich die Doppelung des Selbstbewusstseins bewirkte. Zunächst gab es ein Selbstbewusstsein und das ihm entgegenstehende Sein, oder, ein Ich und ein Nicht-Ich, welches die Integrität des Ich bedrohte und dennoch nötig war, um aus dem leeren Ich ein bewusstes Ich zu machen. Diese Integrität versuchte bekanntlich das Ich begehrend herzustellen, indem es das Nicht-Ich negierte und so zur Identität mit sich zurückfand. Dies hatte die gewünschte Folge der Negation des fremden Seins, aber diese war nur möglich deshalb, da sich dies Nicht-Ich mit dem Ich identifizieren ließ, also selbst ein Ich wurde. Oder, in anderen Worten: Das Bewusstsein erfasst zwar verschiedene Anmutungen und macht sie so zum Besitz des Ich, also des Herrn. Aber so gefasst, gerät aus dem Blick, dass es mit dem Erfassen der Anmutungen sowohl seine Gegenstände als auch seine Identität mit sich gesetzt hat. Es gibt also kein abstraktes Ich, welche mit dem Wissen der Gegenstände immer als dies Wissen begleitend gedacht werden müsste. Das Ich zeigt sich in nichts anderen als den Gegenständen, welche eben als Gegenstände unzutreffend benannt sind und in Wahrheit besser das Selbstbewusstsein in unterschiedlichen Objektivationen genannt werden müssten. Diese Interpretation, so absonderlich sie auch scheint, ist konform mit der oben entdeckten Schlüssigkeit des Übergangs vom Gegenstandsbewusstsein zum Selbstbewusstsein, welcher in den letzten Abschnitten des Kapitels „Kraft und Verstand“ und den ersten des Kapitels „Selbstbewusstsein“ erfolgte. Dieser Übergang war keiner von Objektarten (das Selbstbewusstsein hat das Gegenstandsbewusstsein nicht abgelöst), denn das Bewusstsein in der PhG wendet sich keinen Gegenständen der einen Art ab, um sich solchen anderer Art zuzuwenden. Stattdessen ist das Gegenstandsbewusstsein im Selbstbewusstsein aufgehoben, indem es sich als notwendig erwies, die Gegenstände als selbstbewusste zu denken, worunter kein Animismus zu verstehen ist, sondern die schlichte Tatsache, dass ein Gegenstand nur als gewusster möglich ist, was die Trennung von Gegenstand und Wissen vom Gegenstand als falsch ausweist. Denn würde an dieser Trennung festgehalten, so müsste es doch möglich sein, anzugeben, wie denn der Gegenstand außerhalb des Wissens zu wissen sei, und das ist schon als Aufgabe absurd.
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3.8 Der Knecht als an sich freies Selbstbewusstsein Mehr praktischer Art scheint eine zweite Implikation dieses Zusammenschlusses von Herr, Knecht und Sein zu sein, eine Implikation, welche nun berechtigt, dass aus dieser Gestalt des Selbstbewusstseins eine neue, freie hervorgehen muss, ohne dass freilich sie selbst diese Konsequenz zieht. Diese Konsequenz betrifft das, was Hegel unter dem Begriff der Furcht angesprochen hat. Er beschreibt auch sie in der von diesem Kapitel gewohnten stark assoziativen Sprache: Denn in dem Bilden des Dinges wird Ihm die eigene Negativität, sein Fürsichsein, nur dadurch zum Gegenstande, daß es die entgegengesetzte seiende F o r m aufhebt. Aber dies gegenständliche N e g a t i v e ist gerade das fremde Wesen, vor welchem es gezittert hat. Nun aber zerstört es dies fremde Negative, setzt s i c h als ein solches in das Element des Bleibens und wird hierdurch f ü r s i c h s e l b s t ein F ü r s i c h s e i e n d e s . Im Herrn ist ihm das Fürsichsein e i n a n d e r e s oder nur f ü r e s , in der Furcht ist das Fürsichsein a n i h m s e l b s t , in dem Bilden wird das Fürsichsein als s e i n e i g e n e s für es, und es kommt zum Bewußtsein, daß es selbst an und für sich ist. Die Form wird dadurch, daß sie h i n a u s g e s e t z t wird, ihm nicht ein Anderes als es; denn eben sie ist sein reines Fürsichsein, das ihm darin zur Wahrheit wird. Es wird also durch dies Wiederfinden seiner durch sich selbst e i g e n e r S i n n , gerade in der Arbeit, worin es nur f r e m d e r S i n n zu sein schien. (PhG, S. 135)
Auch dieser, für sich genommen völlig unverständliche Text lässt sich durch das, was im bisherigen Gang des Bewusstseins zur Kenntnis kam, nunmehr leicht entschlüsseln. Die größte Schwierigkeit bereitet noch der erste Satz: Hieß es oben noch, dass die „negative Beziehung auf den Gegenstand“ zur „Form desselben werde“, hebt nun der Knecht nicht den Gegenstand, sondern „die entgegengesetzte seiende Form“ auf, also etwas, was durch das Tun des Knechtes überhaupt erst entstanden ist, nämlich aus dem Gegenstand. Wird aber daran erinnert, dass der Gegenstand gar nicht als unmittelbares Sein dem Bewusstsein gegenübertreten kann, sondern schon immer eine dem Bewusstsein gemäße Form mitbringen muss, verliert sich diese Schwierigkeit. Schließlich wurde das sinnlich gewisse Bewusstsein nicht darin widerlegt, über unmittelbares Wissen zu verfügen, sondern in einem konkreten Wissensanspruch, welchen es in der Form des „Diesen“, bzw.
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des „Hier“, des „Itzt“ und des „Ich“ vorzutragen keine andere Wahl hatte. Der Widerspruch kam schon in dieser frühen Gestalt des Bewusstseins dadurch zustande, dass die „entgegengesetzte seiende Form“ aufgehoben wurde – aus dem Baum-Diesen wurde das Haus-Diese –, und so sich widersprechend konnten die so geformten Bestimmtheiten dann im Kapitel „Wahrnehmung“ eine Welt sinnlicher Vielfalt ausgestalten. Anstelle dieser Formen, in welchem das Bewusstsein das Sein als etwas ihm äußeres zu denken versucht hat, hat es sich nun selbst als diese Form zu denken. Aus diesem Grund, was oben bereits angesprochen wurde, stand auch nicht nur der Gegenstand des Bewusstseins in Frage. Das sinnliche Bewusstsein war von der Wahrheit oder Falschheit seiner Aussagen bzgl. des Gegenstandes nicht unmittelbar betroffen, was sich aber mit dem Selbstbewusstsein ändert, welches, selbst der Prüfung ausgesetzt, mit der Metapher der Todesangst bedacht werden kann. Woher diese Todesangst kam, wurde oben schon als Angst um den eigenen Wissensanspruch, welcher ineins Angst um sich selbst ist, flüchtig skizziert. Allerdings war diese Angst eine „Angst um“, was unmissverständlich aus der Rede um das Nichtabstrahierenkönnen von bestimmtem Sein herauszulesen war. Jetzt wird daraus aber eine „Angst vor“, ein „Zittern“ vor einem „fremden Wesen“. Was dieses fremde Wesen sei, ist dem Text zu entnehmen: Es ist das Fürsichsein, das, was übrigbleibt, wenn alle Bestimmtheit weggenommen wird. Es ist das leere Diese, der leere Gegenstand, das ruhige Reich der Gesetze: Sie alle sind das Negative jedes bestimmten Inhalts, mit welchem sie sich doch füllen müssen. Diese Ohnmacht dieser Wesenheiten wird hier beschrieben; es ist die Ohnmacht des Herrn, welcher sich als seiende Form wiederfindet und welcher auf sich nehmen muss, sich in die Sphäre der wechselnden Erscheinungen hineinreißen zu lassen. Insofern ist es auch nicht die Form selbst, welche zerstört wird, sondern das „fremde Negative“, also die Andersheit dieser Form: Die Form verändert sich, wird sich selbst negativ und fremd, aber bleibt doch als Form erhalten. Der Knecht erlebt sich also selbst als Macht der Negation. Er ist aber keine abstrakte, jenseitige Macht, sondern eine diesseitige. In dieser Bewegung tritt deutlich Hegels Konzept des Selbstbewusstseins zutage – welches allerdings, wie alle Gestalten der PhG, sich als dennoch ungenügend herausstellen wird. Es ist nicht als ein gleichbleibendes Ich zu denken, welches völlig unbestimmt
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auch ein „Ich an sich“ genannt werden könnte. Es ist das Band, welches alle Wissensinhalte miteinander verknüpft und gleichzeitig voneinander besondert. Hegels Ich ermöglicht also so erst die Gegenstandswelt, wie diese jenes ermöglicht. Das fremde Wesen, vor welchem der Knecht ursprünglich gezittert hat, war eine unwirkliche Abstraktion, die leere Hülle des Ich, hinter welcher ein Herr vermutet wurde. Dieses Ich ist aber nur als Bewusstsein möglich, welches das unmittelbare Sein als ein ihm zunächst fremdes gestaltet bzw. in irgendeine dem Wissen angemessene Form umgestaltet. So betrachtet, entpuppt sich der Herr als Werk des Knechtes, als eine gestaltete Wirklichkeit, nicht als gestaltlose Unwirklichkeit. Dass die Asymmetrie des Selbstbewusstseins in Gestalt von „Herrschaft und Knechtschaft“ mit ihren beiden Extremen nun hinfällig wird, ist einleuchtend. Dabei darf aber nicht die darin liegende Implikation übersehen werden: Mit der nun, wenn auch nur für die „Wissenschaft“, gewonnenen Einheit des Selbstbewusstseins ist die Philosophie des unerfüllbaren Sollens, welche dessen Entwicklung vom Beginn des Kapitels begleitet hat, überwunden. Zwar gibt es Formen der Seinsabwertung auch weiterhin, sogar direkt im Anschluss an den Textabschnitt zur „Freiheit des Selbstbewusstseins“. Jedoch haben diese nicht mehr jene ins Positive gekehrte krass kontradiktorische Form des Seins, das doch nicht sein soll, jedoch zugleich notwendig ist. Dies hat die praktische Bedeutung, dass das gestaltete Sein nicht nur die Wirklichkeit des Selbstbewusstseins ausmacht und die ihm einzig gemäße Form ist, es weist die gestaltete Wirklichkeit zugleich als Verwirklichung des Selbstbewusstseins aus.188 Das Sein ist, so 188
Den emanzipatorischen Sinn des „Formierens“ hat auch Gadamer, Hegels Dialektik des Selbstbewußtseins, erkannt, allerdings in einer zu konkreten und darum angreifbaren Weise. Dies zeigt sich schon darin, dass Gadamer die Hegelsche Formulierung, der Knecht komme „zur Anschauung des selbständigen Seins als seiner selbst“ (PhG, S. 135) erstens auf den Gegenstand bezieht, welcher der Knecht bearbeite – im Text bezieht Hegel diese Aussage aber auf die „negative Mitte oder das formierende Tun“, „zugleich die Einzelnheit oder das reine Fürsichsein des Bewußtseins“, die in der Arbeit in das „Moment des Bleibens“ trete, also Formulierungen, welche ganz offensichtlich sich mit „Gegenstand“ nicht adäquat abkürzen lassen –, zweitens aber glaubt, in ein „Selbstbewußtsein des Könnens“ (Gadamer, Hegels Dialektik des Selbstbewußtseins, S. 236) umformulieren zu können. Aus dem Text Aussagen herauszulesen über Fähigkeiten, Naturgegenstände in Artefakte umzuwandeln, scheint recht kühn, zumal es impliziert, einen formlosen Stoff eine Form zu geben, obgleich Hegel ebd. ausdrücklich von der Aufhebung der „entgegengesetzt seienden Form“ spricht, das Formieren also zugleich ein Deformieren ist. Dessen
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betrachtet, nicht mehr „Kette“, worin das Bewusstsein befangen ist, es ist das Medium der Freiheit, welche somit kein unwirkliches Ideal mehr ist, das angestrebt werden muss, welchem aber die Wirklichkeit nie genügen kann. Die Analyse des Selbstbewusstseins zeitigt also eine Bild von ihm, welches jenem ursprünglichen überhaupt nicht mehr gleicht und so eine neue Gestalt des Selbstbewusstseins als Untersuchungsgegenstand hervorbringt. Die Analyse des Bewusstseins, welche im Ergebnis rechtfertigt, von einem Bewusstsein zu sprechen, welchem die Form zur Wahrheit wird und das nun so vollständig in sich widersprüchlich geworden ist, dass nun eine neue Gestalt des Bewusstseins von der Wissenschaft vorbereitet und in ihrer Erfahrung betrachtet werden muss, wird im Text in drei Stufen unterteilt, welche durch den Begriff des Herrn, den der Furcht und den des Bildens gekennzeichnet sind. Obwohl über den Sinn dieser Stufung nur gemutmaßt werden kann, spricht doch einiges dafür, sie als die drei Etappen des Schlusses zu sehen, welches die Momente des Selbstbewusstseins vereinigt und welche nur die Gestalt der „Herrschaft und Knechtschaft“ noch als getrennt ansieht: In der ersten sind die Momente des Selbstbewusstseins als Extreme auseinandergetreten, das Fürsichsein für den Knecht „ein anderes“, die Funktionen Bewusstsein, Fürsichsein und Sein noch getrennt. In der zweiten hingegen, der der Furcht, ist das Fürsichsein bereits „am“ Bewusstsein, die Übergängigkeit der Momente des Selbstbewusstseins schon deutlicher, die in der dritten Etappe, der des Bildens, als Übergang ein und derselben Struktur in seinen Momenten hervortritt, welche mithin als ein Selbstbewusstsein begriffen wird. In diesem ist Fürsichsein, Bewusstsein und Sein ungetrennt; das Sein ist nicht anders zu begreifen als eine Form des Bewusstseins, das Bewusstsein nicht anders als eine Entität, welche in all ihren Forungeachtet beschreibt Gadamer diese Anschauung des Selbstbewusstseins im selbständigen Sein als Vermittlung des Bewusstseins des eigenen Könnens (vgl. S. 238), mithin als Begründung des „wahren“ Selbstbewusstseins und ein Schritt in der Geschichte der Freiheit. Jedoch kann diesem Bewußtsein des Könnens, in welchem der Knecht „eigenen Sinn“ verwirklicht, unmittelbar die Marxsche Theorie der entfremdeten Arbeit gegenübergestellt werden, die an dieser Stelle insofern einsichtiger wäre, als in der Arbeit der Wille des Herrn verwirklicht wird, das Können des Knechts im Gegenstand jedoch sekundär ist. Gadamer scheint das zu bemerken, da er S. 239 darauf hinweist, Hegel beschreibe „in seiner Dialektik der Knechtschaft nicht den Lohnarbeiter, sondern weit eher den leibeigenen Bauern und Handwerker“. Einen Textbeleg muss er freilich schuldig bleiben.
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men dieselbe bleibt, also Selbstbewusstsein ist. Dieses neue Selbstbewusstsein, welches jedoch erst im Abschnitt „Freiheit des Selbstbewusstseins“ zu seinem Recht kommt, ist nun nicht mehr autonom nur nach außen, durch eine der Integrität des Selbst inferiore Vermittlungsleistung, sie kennt nun auch keine Binnenhierarchie mehr, ist also auch innerlich befreit; das Bewusstsein nicht mehr eine der Identität des Ichs anhängende Funktion, sondern diese Identität selber.
3.9 „Herrschaft und Knechtschaft“ als statische Zwischengestalt des Selbstbewusstseins Hegel nennt diese Weg (PhG, S. 136) dann auch konsequent eine Reflexion; eine Wortwahl, welche durch die der „Anschauung des selbständigen Seins“ schon vorbereitet wurde. „Reflexion“ ist schon mehrfach aufgetaucht, sowohl im Wahrnehmungs- als auch im Verstandeskapitel, und zwar nicht nur mit dem eher negativen Beiklang, welchen diesem Begriff noch als Kennzeichnung jener „Reflexionsphilosophie“ anhaftete, die nach der Differenzschrift als wahrhafte Einheit abstrakt trennende zu überwinden sei. Vielmehr tauchten sie dort schon im Sinne der späteren Wesenslogik auf, als ein Haben einer entgegengesetzten Wahrheit an ihm selbst (vgl. PhG, S. 86f), also als Negationsbestimmung, welche nicht abgrenzt, sondern sich gegen sich selbst richtet,189 also affirmiert, und diese Position zugleich wieder negiert. Die entgegengesetzte Wahrheit, welche hier Reflexion genannt wird, ist die, dass das Bewusstsein im geformten Gegenstand seiner selbst habhaft wird – wenngleich dies das knechtische Bewusstsein noch nicht erkennt, welches die Identität von Form und Selbstsein nicht sieht. Es ist leicht zu übersehen, dass im Abschnitt „Herrschaft und Knechtschaft“ etwas behandelt wird, welches mit „Dialektik“ zu bezeichnen vielleicht nicht gänzlich falsch, wohl aber irreführend ist, wenn nämlich Dialektik als ein Prozess verstanden wird, in welchem eine vermeintliche Wahrheit in ihr Gegenteil umschlägt. Der von Hegel verwendete Begriff der Reflexion scheint indes insofern genauer, als es sich auch in diesem Abschnitt, wie in all den Kapiteln davor, um eine Analyse einer an sich statischen Ge189
Vgl. Wesenslogik, S. 13f.
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stalt handelt. Die Dynamiken, welche die durch diese Analyse entdeckten Momente mit- und gegeneinander entfalten, zeigen keine tatsächliche Entwicklung, sondern legen die logogenetische Vorgeschichte dieser Gestalt frei. Die Erfahrung, welche jede der Gestalten des Bewusstseins macht, ist somit auch nicht als eine Erfahrung in der Zeit zu lesen, sondern als die Erfahrung der sich entfaltenden Widersprüche bei der Auseinanderlegung des für gewiss gehaltenen Wahrheitsanspruchs dieser Gestalt. Diese Erinnerung ist bei den vorherigen Gestalten des Bewusstseins nicht nötig gewesen, weil die Vorstellung, es könne sich dabei um zeitliche Erfahrungen handeln, aufgrund ihrer offenkundigen Widersinnigkeit gar nicht erst aufgekommen wäre. Hier ist sie jedoch aufgrund der Geschichtlichkeit assoziierenden Hegelschen Termini angebracht und nötig. So scheint die Abfolge Begierde – Kampf auf Leben und Tod – Herrschaft und Knechtschaft – das „Wiederfinden seiner“ in der Arbeit einen geschichtlichen Prozess zu bezeichnen, welcher mit dem Naturzustand beginnt, zur gewaltsamen Staatsgründung führt, dann zum despotischen Staat, welcher wieder in einen Staat übergeht, in welchem die Individuen allgemein anerkannt sind. Abgesehen von der bereits angesprochenen Undurchführbarkeit einer auf Soziales verengten Interpretation muss darauf hingewiesen werden, dass die Eigenständigkeit der Durchführung des Programms der PhG verbietet, jene Stationen als Durchgangsstationen einer zeitlichen Sukzession zu lesen. Ist es in der Wissenschaft der Logik die Dürftigkeit und Einseitigkeit einer Kategorie oder in der Enzyklopädie die Einseitigkeit einer metaphysischen oder ontologischen Gestalt, welche sie in eine andere hinübergehen lässt, so hat die PhG insofern eine andere, im Schaffen Hegels einzigartige Form, als hier der Standpunkt der Wissenschaft die Übergänge moderiert. Die Gestalten des Bewusstseins sind für sich dieser logogenetischen Entwicklung unfähig, sie verharren in ihrer Brüchigkeit, was Hegel bisher am Ende jedes Kapitels kurz kommentierte. Es wäre also falsch, von einer Befreiungsbewegung, ja sogar nur von einer Befreiung des Knechts in der PhG zu sprechen. Auch hier dient die „Erfahrung des Bewusstseins“ genannte Selbstanalyse der Figur zu nichts anderem, als diese sich bis hin zu ihrer absoluten Widersprüchlichkeit darstellen zu lassen. Es werden dazu Merkmale aufgedeckt, welche jene Gestalt aufweisen muss, um ihrem Wissensanspruch gerecht zu werden. Diese Merkmale
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können sich in der weiteren Analyse als insuffizient erweisen und müssen folglich verworfen werden, haben dann allerdings das Positive, den gangbaren Weg aufzuzeigen, der beschritten werden muss, um die Analyse der Gestalt entsprechend ihrem Selbstverständnis zu ermöglichen, bis ein Punkt erreicht ist, wo dies Selbstverständnis beim besten Willen nicht mehr eingelöst werden kann. Das Selbstbewusstsein ist demnach angemessener als eine Wissensstruktur zu beschreiben, welche, da sie in erster Analyse nicht als einfache Reflexion auf sich selbst zustande kommen kann, von sich ein Sein unterscheiden muss, das dann im Lauf der weiteren Untersuchung sich als zweite selbstbewusste Struktur entpuppt. Dementsprechend darf aber der Kampf um Anerkennung nicht als zeitliches Geschehen mit einem bestimmten Ziel betrachtet werden. Er muss so gefasst werden, dass das Selbstbewusstsein sich nicht anders denken lasse, als ursprünglich aus miteinander konfligierenden Momenten gestaltet, die so zusammengedacht werden müssen, dass sie sich nicht gegenseitig zerstören, also als Hierarchie ungleichwertiger Momente. Diese Hierarchie ungleichwertiger Momente kann nun aber nur so gedacht werden, das zeigt die weitere Analyse, dass das hierarchisch höherstehende Moment in Abhängigkeit zum niederen gerät, was es, in dieser abstrahierenden Denkweise, funktionslos macht; das untergeordnete Moment, das Bewusstsein, kann nur insofern als Bewusstsein gedacht werden, als es seinen Gegenstand der Form eines Bewusstseins gemäß macht. In dieser Beschreibung wird deutlich, dass der Anfang des Kapitels „Selbstbewusstsein“ ohne Rückgriff auf Zeitbestimmungen möglich ist; dass er gar nicht anders beschrieben werden darf, machen Bemerkungen Hegels deutlich, die er in der Einleitung zum Abschnitt „Freiheit des Selbstbewusstseins“ macht, also einer neuen Gestalt des Selbstbewusstseins, und aus denen hervorgeht, dass der Knecht nicht frei wird.
3.10 Die Freiheit des Selbstbewusstseins als dessen neue Gestalt Zunächst rekapituliert Hegel in diesem neuen Abschnitt B., warum der Herr, also das Fürsichsein, die reine Abstraktion des Ich minus Gegenstandsbewusstsein, sich nicht als der setzen kann, der er
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doch seinem Verständnis nach ist. „Einesteils“ sei ihm „die reine Abstraktion des I c h sein Wesen“, „und andersteils, indem sie sich ausbildet und sich Unterschiede gibt, wird dies Unterscheiden ihm nicht zum gegenständlichen ansichseienden Wesen“. (PhG, S. 136) Der hohe Abstraktionsgrad dieser Aussage macht noch einmal die Ferne zu allen sozialen Bezügen deutlich, denn es wird nichts weiter gesagt als: Das Ich, als das allen Bewusstseinswechsel überdauernde, ist deshalb wesentlich. Dieselbe Abstraktion („indem sie sich ausbildet“), die sich in sich unterscheidet, wird, da sie nun scheinbar etwas anderes ist, als andere Abstraktion, als vom Selbstsein differentes Bewusstsein vom Selbstsein geschieden, daher hat es an diesem Selbstsein nicht mehr als des Wesens teil, weshalb das gegenständliche Sein, das Bewusstsein, sich nicht mit ihm ausfüllen kann, also des Selbstseins entbehrt. Das ist die Sollbruchstelle der Figur vom Abschnitt A aus der Perspektive des Herrn. Es folgt, in gedrängter Form, dieselbe Sollbruchstelle noch einmal, diesmal aus der Perspektive des Knechts: Das in sich zurückgedrängte Bewußtsein hingegen wird sich im Formieren als Form der gebildeten Dinge zum Gegenstande, und an dem Herrn schaut es das Fürsichsein zugleich als Bewußtsein an. Aber dem dienenden Bewußtsein als solchem fallen diese beiden Momente – s e i n e r s e l b s t als selbständigen Gegenstandes und dieses Gegenstandes als eines Bewußtseins und hiermit seines eigenen Wesens – auseinander. (PhG, S. 137)
Hegel unterscheidet hier zwischen einem „in sich zurückgedrängten“ und einem „dienenden“ Bewusstsein. Am deutlichsten wird im Kapitel „Kraft und Verstand“ das Zurückgedrängtsein mit dem Fürsichsein in Zusammenhang gebracht, (vgl. PhG, S. 99), worin das Zurückgeworfensein-auf-sich des Bewusstseins der Sinnlichen Gewissheit, welches angesichts der Flüchtigkeit der Gegenstände auf sich reflektierte als Hort des Wahren, oder des Bewusstseins der Wahrnehmung, welches auf sich als Hort des Unwahren reflektierte (vgl. PhG, S. 84f.). Aber diese Identifizierung des zurückgedrängten Bewusstseins mit dem Fürsichsein erfolgt hier nicht, denn wenn das zurückgedrängte Bewusstsein zu diesem Schluss fähig wäre, könnte es sich selbst aus dem Stand der Unfreiheit erheben und zur Einheit des Selbstbewusstseins finden. Das Interessante an der Beschreibung im ersten zitierten Satz ist, dass dort eigentlich ein Fall von Selbstbewusstsein vorzuliegen scheint, und zwar, im Gegensatz zum reinen Ich=Ich, ein gelingen-
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der, nämlich ein Bewusstsein, welches sich zum Gegenstande wird. Aber durch den zweiten Teilsatz wird zugleich klar, dass dem doch nicht so ist, denn es „schaut das Fürsichsein zugleich als Bewusstsein an“. Das Missverständnis könnte nun darin liegen, dass das zurückgedrängte Bewusstsein sich selbst als Bewusstsein aufgibt, indem es sich vergegenständlicht, und dem Herrn nun die Rolle des Bewusstseins aufweist. Es ist jedoch evident, dass dies nicht gemeint sein kann, nicht nur wegen der Unsinnigkeit einer solchen Selbstbewusstseinskonstruktion, sondern auch, da durch den Gebrauch des Reflexionswortes „sich“ im „wird sich zum Gegenstand“ deutlich ist, dass das Bewusstsein dabei erhalten bleibt. Die einzig mögliche Deutungsvariante wäre demnach die, dass das Bewusstsein im Herrn ein reines, in sich ein unreines Bewusstsein anschaut, eben eines, welches ständig ins Gegenständliche herabgezogen wird. Es hat zwar den Herrn „an sich“, wird durch „die Arbeit“ rein, aber nur, um darauf wieder zum Gegenstand zu werden. Oder, um sich vom Sprachspiel zu lösen: Es kategorisiert seinen Gegenstand, und ist in diesem Kategorisieren „bei sich“, also Selbstbewusstsein; es kann diese Kategorien aber nie rein anschauen, sondern als bestimmte Kategorien. Das knechtische Selbstbewusstsein erkennt einen Widerspruch zwischen Selbstidentität und Bestimmtheit und vermag nicht zu erkennen, dass jene Identität nur als bestimmte, diese Bestimmtheit nur als die eines Selbst zu haben ist. Hätte es das erkannt, dann wäre ihm aufgegangen, dass die ursprüngliche Gewissheit seiner selbst als knechtisches Bewusstsein sich so radikal in Widersprüche verfangen hat, dass es in eine neue Gestalt übergehen müsste. Das ist aber nicht die Methode der PhG, und so ist es wieder die Wissenschaft, der sich eine neue Gestalt darbietet, das freie oder das denkende Selbstbewusstsein, oder das Denken: Denn nicht als a b s t r a k t e s I c h , sondern als Ich, welches zugleich die Bedeutung des A n s i c h s e i n s hat, sich Gegenstand sein oder zum gegenständlichen Wesen sich so verhalten, daß es die Bedeutung des F ü r s i c h s e i n s des Bewußtseins hat, für welches es ist, heißt d e n k e n . (PhG, S. 137)
Das Selbstbewusstsein ist also in Wahrheit Denken. Denken ist somit sowohl die Fähigkeit der Abstraktion als die des Sichbestimmens. Das knechtische Selbstbewusstsein schlug die erste dieser Fähigkeiten einer übergeordneten Substanz zu, die aber
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leer und der ihre Entfaltung versagt blieb, und entriet der Abstraktion vom Sein, war also in dessen Notwendigkeit verflochten und so ohne Selbstidentität, die nur im Ausschließen von Bestimmtheiten bestehen kann. Dies alles ist jedoch nur scheinbar der Fall: Weder ist eine selbstbewusste Instanz denkbar, die als abstrakte, leere Selbstidentität überlebensfähig wäre, noch ein Bewusstsein, welches angesichts seiner Gegenstände nicht zugleich ein Bewusstsein seiner selbst sein kann – beide Funktionen müssen vereinigt werden. Ihre Vereinigung gelingt jedoch nicht, wenn auch in ihr noch eine abstrakte Trennung dieser Funktionen aufrechterhalten wird, denn in einer Wertehierarchie bleiben diese Funktionen getrennt, denn es wird in ihr eben unterschlagen, dass das Fürsichsein vermittelte Bestimmtheit oder Arbeit und die Bestimmtheit vermitteltes Fürsichsein oder Formieren ist. In dieser ersten schiefen Gestalt eines einheitlichen Selbstbewusstseins, wie es die von „Herrschaft und Knechtschaft“ ist, gerät so noch das Bewusstsein zum Gegenstand, also dem Selbstbewusstsein Äußerlichem. Wird hingegen das Bewusstsein als notwendig zum Fürsichsein zugehörige Bestimmtheit des Selbstbewusstseins verstanden, so ist das Selbstbewusstsein im Modus dessen zu fassen, was in der PhG S. 114 die Unendlichkeit genannt wurde: Ein SichBestimmen eines Unbestimmten, und darin eine Vielfältigkeit dieser Bestimmungen, welche aber nur „innerer Unterschied“ gegeneinander sind; es ist somit „ein Bewußtsein, welches sich als die Unendlichkeit, oder reine Bewegung des Bewußtseins das Wesen ist“. (PhG, S. 137) Es steht so auch nicht über der Zeit, wie der entrückte Herr, sondern es ist vollumfänglich zum Prozess gemacht. Die einfache Unendlichkeit, welche noch im dritten Kapitel abseits der Thematik des Selbstbewusstseins auftauchte, ist nun, im Selbstbewusstsein, zu einer konkreteren Einheit geworden, und der absolute Begriff, welcher in der PhG S. 115 mit der Unendlichkeit ineins gesetzt wurde, ist jetzt zu einem Begriffe vollziehenden Subjekt geworden. Gegenstände des Selbstbewusstseins sind al-so nun nicht mehr „Vorgestellte, Gestaltete, Seiende“ (PhG, S. 137), sondern Begriffe, und ein Begriff ist „unterschiedene[s] Ansichsein, welches unmittelbar für das Bewußtsein kein unter-schiedenes von ihm ist“. (PhG, S. 137) Somit ist natürlich diese neue Gestalt erst frei, die überwundene war nur ein Verbund aus Unfreiheit und leerer Freiheit, also doppelt unfrei, nämlich gebunden und ohne Selbstwirksamkeit. Diese
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neue Gestalt, so wird gleich versichert, ist aber nur „d e n k e n d e s Bewußtsein ü b e r h a u p t “ (PhG, S. 138), also eine Gestalt wieder erst in ihrer Unmittelbarkeit, die sich diesmal zu gedanklichen Fixierungen entwickeln wird. Somit ist zwar das „Individuum“ zur „gedachten und denkenden Substanz“ gediehen, hat aber nun die gedanklichen Fixierungen in sich aufzulösen. (Vgl. PhG, S. 27) Die weiteren Vermittlungsbewegungen dieser neuen Gestalt liegen nicht mehr im Fokus dieser Arbeit und können daher nicht weiter verfolgt werden. Der analytische Kommentar des Zustandekommens einer sich unmittelbar aus dem unmittelbaren Wissen ergebenden Bewusstseinsdualität zu einer Selbstbewusstseinseinheit ist zu seinem Ziel gelangt.
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4. Fazit Das scheinbar so unmittelbar für jedermann verfügbare Phänomen „Selbstbewusstsein“ ist in der PhG das Ergebnis einer komplizierten, schwer überschaubaren Vermittlungsbewegung. Obwohl es nur eine Station im Verlauf der Entwicklung der Bewusstseinsformen ist, ist es deshalb von großer Bedeutung, weil hier zum ersten Mal eine Umkehrung des Bewusstseins selbst erfolgt und das Bewusstsein sich selbst grundlegend gewandelt hat. Scheiterte das Bewusstsein an immer neu modifizierten Varianten eines äußerlich Gegebenen, muss nun eine Reihe von Bewusstseinsgestalten beginnen, welche sich in ihrem Verhältnis zu sich selbst auffassen. Die Unterscheidungen, die das Bewusstsein dabei vornimmt, sind nunmehr notwendig interne. Die erste dieser Selbstunterscheidungen wurde im Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft vorgestellt und im denkenden Selbstbewusstsein vorläufig aufgehoben. Hegel erzählt die Vermittlungsbewegung als Geschichte eines Scheiterns, als „Weg der Verzweiflung“. Jedoch darf diese Perspektive auf die Aufgabe der PhG nicht als die einzige erscheinen. Was Hegel positiv leistet, ist zu zeigen, was Wissen ist. Dies nämlich tut er nicht erst am Ende der PhG mit dem Verweis auf die große Logik. Dass das Wissen „in Wahrheit“ als reines Denken zu fassen ist, welches dann einer gesonderten Untersuchung bedarf, ist selbstverständlich ein wesentlicher Aspekt. Er wäre der einzige, gäbe es nicht die irritierende Bemerkung Hegels von der Notwendigkeit der Wissenschaft, „der Form des reinen Begriffs“, in welchem der Geist den „Äther seines Lebens“ (PhG, S. 528) gefunden habe, „sich zu entäußern“, dass sie also „den Übergang des Begriffes ins B e w u ß t s e i n “ enthalte, in welchem sich die Elemente, die im Denken als einfach vermittelt sind, „nach dem inneren Gegensatz“ „auseinanderschlagen“. (PhG, S. 529) Da diese Bemerkung am Ende des letzten Kapitels steht, liegt die Vermutung nahe, der Übergang der PhG zur Logik wäre nicht der einzige. Denn offenbar rechtfertigt Hegel diesen Übergang ins Bewusstsein damit, dass die höchste Gestalt des Bewusstseins die der „Gewissheit des Unmittelbaren“ ist. Das aber ist die Definition der „Sinnlichen Gewissheit“. Wenn die höchste Gestalt der PhG aber zugleich die ursprüngliche ist, so wäre demnach die PhG als eine Kreisbewegung zu charakterisieren, und zwar eine Kreisbewegung, die so-
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wohl in sich beschlossen ist, als über sich hinausführt. Bevor die Möglichkeit dieser Struktur erörtert wird, ist aber der Hinweis darauf wichtig, dass mit ihr die Frage, die in der Einleitung zu dieser Untersuchung vorgestellt wurden, beantwortbar wird. Es handelt sich um die Frage nach der Möglichkeit eines unmittelbaren Wissens, vor allem die nach der Möglichkeit einer Entwicklung dieses Wissens, welche ja eine Vermittlung impliziert. Liegt die Möglichkeit dieser Vermittlung nicht im unmittelbaren Wissen selbst, so wäre sie eine externe und damit Hegels Anspruch des „bloßen Zuschauens“ der Entwicklung der Sache selbst unmöglich. Indem jedoch durch diese Bemerkung die Sinnliche Gewissheit als zugleich unmittelbare und vermittelte Figur durchsichtig gemacht wird, ist diese Frage beantwortet. Die Sinnliche Gewissheit ist nicht das Wort, das am Anfang war, es ist eine Durchgangsgestalt eines Prozesses, als dessen Beschreibung die PhG zu lesen ist. Nur so ist es zulässig, die zur Vermittlung der Ausgangsgestalt mit sich selbst notwendigen Ableitungsregeln vorauszusetzen. Sie sind vorauszusetzen als immer schon entwickelt. Die Sinnliche Gewissheit ist also schon von Anfang an mit allen anderen Gestalten des Bewusstseins fest verzahnt, als Teil eines ganzen, unauflöslichen Prozesses; der Anfang kann somit Anfang nur insofern genannt werden, als es die einzige Gestalt des Bewusstseins ist, welche dem Leser einen Einstieg in diesen Prozess ermöglicht. Schon mit dem Ding der Wahrnehmung wäre dies nicht erfüllt, da er sie als Produkt der Sinnlichen Gewissheit erkennen muss. Als einen Anfang der Entwicklung kann diese Gestalt nicht betrachtet werden, denn sie ist schon der ganze Prozess, so wie jede andere Gestalt des Bewusstseins auch. Diese Kreisbewegung des endlichen Wissens macht aus dem Gang der PhG eine Analyse des unmittelbaren Wissens und eine Synthese von Wissensgestalten zugleich. Die Frage nach dem Gelten logischer Bestimmungen, welche der Unmittelbarkeitsforderung Hegels zu widersprechen schien, ist ohne diese paradox anmutende Lösung, dass das Ende der PhG zugleich ihr Anfang ist, nicht zu beantworten. In dem einleitenden Text „Womit muss der Anfang der Wissenschaft gemacht werden?“ der Wissenschaft der Logik geht Hegel auf diese Lösung ein, die er ausdrücklich auch auf die PhG bezieht: Man muß zugeben, daß es eine wesentliche Betrachtung ist – die sich innerhalb der Logik selbst näher ergeben wird –, daß das Vor-
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wärtsgehen ein Rückgang in den Grund, zu dem Ursprünglichen und Wahrhaften ist, von dem das, womit der Anfang gemacht wurde, abhängt und in der Tat hervorgebracht wird. – So wird das Bewußtsein auf seinem Wege von der Unmittelbarkeit aus, mit der es anfängt, zum absoluten Wissen als seiner innersten Wahrheit zurückgeführt. Dies Letzte, der Grund, ist denn auch dasjenige, aus welchem das Erste hervorgeht, das zuerst als Unmittelbares auftrat.190
Diese Eliminierung des Problems, dass auf unbezweifelbaren Grundsätzen nicht auf redlichem Wege ein wissenschaftliches System gebaut werden kann, weil diese Unbezweifelbarkeit nicht zu legitimieren ist, kann auch in die einfachen Worte gefasst werden, dass nicht nur Folgen aus Grundsätzen begründet werden müssen, sondern diese Grundsätze selbst. 191 Jedoch: Wenn das erscheinende Wissen nur insofern den Einstieg in das reine Denken ermöglicht, weil es diesem den „Äther seines Lebens bereitstellt“, ansonsten aber ein sich selbst tragender Kreislauf ist, so ist das erscheinende Wissen mehr als bloß in seiner Falsifizierung Voraussetzung des reinen Begriffs. Das Werden des Geistes, so ist zu vermuten, ist als das Korrelat zur Darstellung der Begriffsbewegungen in der Logik zu denken. Dies Werden wäre, ist diese Interpretation richtig, als teleologisch zwar in dem Sinn zu betrachten, dass erst die vollständige Vermittlung des unmittelbaren Wissens zum absoluten Wissen den Äther verfügbar macht, in welchem die reinen Begriffsbewegungen darstellbar wären. Die PhG zeigt jedoch keine abgeschlossene Bewegung der 190 191
Hegel, Seinslogik, S. 59f. Klaus Düsing, Hegels „Phänomenologie“ und die idealistische Geschichte des Selbstbewußtseins, in: Hegelstudien 28, S. 103-126 (S. 124), glaubt jedoch, Hegel einen Zirkel unterstellen zu können: „Hegel leitet in der Phänomenologie nicht die Bestimmungen der Logik aus ursprünglichen Handlungen des Ich wissenschaftlich her, was unmittelbar die Voraussetzung der Gültigkeit jener logischen Bestimmungen verlangte; vielmehr weist er die Gültigkeit seiner Logik über die vollständige Reihe der vorläufigen Weisen des Fürwahrhaltens epagogisch auf. Als Grundlagenbestimmungen können hierbei Kategorien nur proleptisch und operativ verwendet werden, deren eigene Bedeutung und Geltung erst die nicht formale, sondern spekulative Logik darlegt.“ Zu einer solchen Einschätzung kann nur gelangt werden, wenn der Einleitungscharakter der PhG überbetont und nicht gesehen wird, dass sie mit der Gewinnung des reinen Mediums, in welchem die Gestalten der spekulativen Logik entwickelt werden können, eben nicht obsolet geworden ist. Die Kategorien, die in der PhG entwickelt werden, werden nicht vorgreifend verwendet, sie sind voll in Geltung, da es ebendieselben spekulativen Kategorien der Wissenschaft der Logik sind, nur hier erscheinenden Gestalten inhärierend.
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Gestalten des Bewusstseins und ist in diesem Sinne nicht teleologisch. Sie zeigt ein in sich geschlossenes Werden dieser Gestalten, indem das Ende zugleich den Anfang einleitet. So betrachtet, wäre die PhG ein negatives Geschäft lediglich gegen die Starrheit der Gestalten des Bewusstseins, ihren Anspruch, selbständig und von anderen Bewusstseinsgestalten unabhängig Wissen darstellen zu können. Aber die Gestalten des Bewusstseins haben ein Bestehen in der Realität; die Wissensformen, die in der PhG dargestellt wurden, sind ideale Typisierungen historischer, wissenschafts- und philosophiegeschichtlicher, sozialer und künstlerischer Ausdrucksformen des Geistes. Mögen sich viele von ihnen überlebt haben, so wird der Geist jedoch immer des Bewusstseinsmediums bedürfen, die „einfache Vermittlung des Denkens“ zwar das Wesen dessen sein, was sich „nach dem inneren Gegensatze“ darstellt, aber es braucht diese Darstellung nach dem inneren Gegensatz. Damit ist die Sache jedoch um keinen Deut klarer geworden. Denn es kann umgekehrt gefragt werden: Wenn sich Kategorien der Logik in realen Geistesgestalten ausfindig machen lassen, wozu bedarf es dann noch einer Logik, einer reinen Darstellung dieser Kategorien? Im Leben, wie es in vorliegender Arbeit innerhalb des Selbstbewusstseinskapitels interpretiert wurde, ist eine Struktur vorhanden, die ähnlich genug ist, um das Verhältnis der PhG zur Logik begreiflich zu machen. Im Bewusstsein seiner selbst war ein unmittelbares Wissen erreicht worden, welches jedoch aufgrund seiner Reinheit nur ein Selbstverhältnis, kein Wissen seiner selbst war. Gleichzeitig war im Selbstbewusstsein die Gestalt des Bewusstseins zu ihrem Ende gekommen. Aber die Gestalten des Bewusstseins waren nicht nur, negativ, erledigt, sie wurden als im Bewusstsein seiner selbst aufgehoben erkannt. Dazu musste das Selbstverhältnis des Ich=Ich aber ein bewusstes Selbstverhältnis werden. Aus diesem Grund wurde die Unterscheidung des Bewusstseins seiner selbst und des Lebens notwendig. Das Leben wurde ausdrücklich als Kreislauf beschrieben, aber dass es der Kreislauf der Bewusstseinsgestalten war, musste aus dem Kontext erschlossen werden, da Hegel für die Momente jenes Kreislaufes eine andere Terminologie verwendete als im Kapitel „Bewusstsein“. Wird es jedoch nicht in diesem Sinne gedeutet, muss erstens die Frage offenbleiben, wie und wo Hegel diese Figur ableitet,
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zweitens, wie das Selbstbewusstsein der Form „ein Selbstbewusstsein für ein Selbstbewusstsein“ gewonnen wird, und drittens muss ungeklärt bleiben, wo die Inhalte herkommen, die das Selbstbewusstsein als denkendes Selbstbewusstsein denkt, wenn diese nicht die in Fluss gebrachten Gestalten des Bewusstseins sind. Dass die in Fluss gebrachten Gestalten sich verfestigen müssen und dieses Verfestigen im Widerspruch zur ganzen Einheit des Lebens steht, wurde von Hegel als „Verleugnen“ der Kontinuität mit dieser Einheit beschrieben, als „Absonderung“ (vgl. PhG S. 123f.). Dies ist nichts weiter als die Negation seiner Negation. Was damit gemeint ist, hat Hegel am Ende der ersten drei Kapitel verdeutlicht. Durch das Verleugnen definieren sich die Gestalten des Bewusstseins. Die Sinnliche Gewissheit macht zwar eine Erfahrung, die ihrem Selbstverständnis widerstreitet, aber sie „vergisst“ (vgl. PhG, S. 76) diese. Dieses Vergessen bedeutet den Verzicht darauf, auf Seiendes in einer Weise hinzudeuten, die über sein unmittelbares Erfasstwerden hinausreicht. Sie verzichtet damit auf das, was die nachfolgende Gestalt auszeichnet. Diese meint nämlich mit dem Ding über ein Substrat zu verfügen, dem sie das wie auch immer Rezipierte so einschreiben kann, dass wahre Aussagen möglich werden. Das tun sie aber nicht, weshalb auch diese Gestalt sich absondert, und zwar aus dem Kreislauf, welcher sie sonst in die nächste Gestalt getrieben hätte. Das, was bei der Sinnlichen Gewissheit das Vergessen leistet, leistet hier das „Auch“ und das „Insofern“. Im Insofern ist das Auch, im Auch ist das Insofern vergessen, welche eigentlich, nach der Erfahrung des wahrnehmenden Bewusstseins, unmittelbar zusammenhängen. Dies Auch und Insofern ist somit die Negation der Negation des wahrnehmenden Bewusstseins durch die Gestalt des „unbedingt Allgemeinen“, in der dieser Zusammenhang des Entgegengesetzt vollzogen wird, und aus welchem sich, in der verschlungensten Darstellung der in dieser Arbeit untersuchten Texte, die Kräfte, die Gesetze, das Gesetz der Kraft, die verkehrte Welt und die Verkehrung dieser verkehrten Welt entwickeln. Der die letztere erklärende Verstand hat im „Erklären“ seine „Absonderung“ und die Negation dessen, was eigentlich oder „an sich“ die Erfahrung des Verstandes gebietet, nämlich die Konsequenz daraus zu ziehen, dass der Verstand Unterschiede setzt, wo keine Unterschiede sind. Dasjenige aufzufinden, was der Verstand damit negiert, war in der nachvollziehenden Interpretation mühselig, weil Hegel das
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Argument, welches vom Unterschied, der keiner ist, zum Selbstbewusstsein führt, nicht nennt. Es wurde rekonstruiert aus dem Umstand, dass, wo Differenzierungen erkannt werden als das, was nicht in Wahrheit, sondern lediglich verschwindende Erscheinung ist, jeglicher Wahrheitsanspruch in Bezug auf äußerlich Gegebenes aufgegeben wird. Da aber der Wahrheitsanspruch an sich selbst aufrechterhalten wird – denn es ist wahr, dass die Unterschiede keine sind –, bleibt nur die Unterschiedslosigkeit übrig. Das Bewusstsein richtet sich also auf sich in seiner Unmittelbarkeit. Das kann trivialer auch so ausgedrückt werden: Die äußeren Erscheinungen sind nur als differente verfügbar. Sie sind jedoch als differente eines allgemeinen Mediums erkannt worden, nämlich des Gesetzes. Dies Gesetz selbst liegt in der Erscheinung nicht vor, denn es ist kein Differentes, sondern ein Allgemeines, in welchem die Unterschiede negiert werden. Da es in der äußeren Erscheinung nicht vorliegt, muss es im Inneren des Bewusstseins verortet werden. Das Bewusstsein ist so zunächst Indifferenzpunkt möglicher Bestimmtheiten. Um diese Indifferenz nicht zu gefährden, wird das Hineingerissensein in die Differenz, das Bestimmtwerden des Bewusstseins, außerhalb des Bewusstseins selbst gelegt. Es entsteht somit ein reines Selbstbewusstsein und ein in sich differentes Bewusstsein, welches schwer an der Bürde zu tragen hat, dass es etwas verkörpert, was in Wahrheit nicht ist, nämlich den Unterschied. Alle diese Gestalten des Bewusstseins nun haben eines gemein: In ihnen wird endliches Wissen affirmiert. Dieses Affirmieren wurde in dieser Arbeit mit dem Besondern der Glieder des Lebens identifiziert. Im Leben ist eine Struktur vorhanden, die sowohl verfehlt wird, wenn sie als bloße Flüssigkeit, als auch, wenn sie als abgesonderte Gestalt verstanden wird. Denn durch das Moment der Absonderung der Gestalt ist die Seite der Realität betont, durch das der Flüssigkeit die dieser Realität innewohnende Selbstnegation, ihre mit ihrer Endlichkeit mitgesetzte Negation. Argumentativ einigermaßen gestützt werden konnte in dieser Arbeit zwar nur, dass die Gestalten des Abschnittes „Bewusstsein“ als darin aufgehobene Aufnahme in die Figur des Lebens gefunden haben. Oben wurde jedoch gezeigt, dass die Anfangsgestalt des Selbstbewusstseins ähnliche Merkmale aufweist wie die metaphorisch von Hegel im Lebensbegriff eingefangenen Bewusstseinsgestalten. Auch diese wird in ihrer Erfahrung vorgestellt als bloß
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affirmativ, also ihre Endlichkeit nicht realisierend. Auch von ihr kann gesagt werden, dass sie sich von einem auflösenden Fluss absondere und ihren Zusammenhang mit diesem verleugne. Es darf also vermutet werden, dass dieses Gebaren für die Gestalten des Bewusstseins in der PhG überhaupt zutrifft. Dies müsste jedoch im Einzelnen genau untersucht werden, ebenso die sich daran anschließende Vermutung, dass sich die Wissenschaft der Logik auf das Prozesshafte des Wissens, also auf das Denken, als aus sich selbst Denkformen generierende und sich somit selbst zersetzende Wissensform konzentriert, dass sich also die Logik zur PhG analog verhält wie das Selbstbewusstsein zum Bewusstsein, das im lebendigen Selbstbewusstsein dasjenige aufgehoben enthält, das sich im Bewusstsein als bloß verfestigt, nicht als übergängig darstellt. Hegel zeigt in seiner Behandlung des Selbstbewusstseins idealtypisch dessen Probleme, und die Entwicklung zum denkenden Selbstbewusstsein als die Überwindung dieser Probleme. Das erste Problem, was explizit vorkommt, ist das der Undenkbarkeit des Sachverhalts Selbstbewusstsein. Hegel nennt jedoch nur dessen Leerheit als Grund des Problems, es als Gestalt überhaupt darzustellen, indem also die Gewissheit als Gegenstand der Gewissheit gesetzt ist, beides miteinander identifiziert und so der zum Objektbewusstsein nötige Bewusstseinsgegensatz verfehlt wird. Es fehlt der direkte Hinweis auf das Problem der Selbstbezüglichkeit dieser Gestalt, also darauf, dass es, ist es Objekt seiner selbst, sich als Subjekt verfehlt, und es fehlt der direkte Hinweis auf das Problem der Zirkularität dieser Figur, indem auf die Frage, worauf denn Bezug genommen wird, das Selbstbewusstsein schon in Anspruch genommen werden muss, das doch eigentlich erklärt werden soll. Dass Hegel dennoch diese Probleme löst, indem er nahelegt, dass nur die abstraktive Trennung von Selbstbewusstsein und Gegenstandsbewusstsein zu diesen Problemen führt, und eine Selbstbewusstseinskonzeption vorlegt, welche beide Formen von Bewusstsein als unmittelbare Einheit begreift, macht es wahrscheinlich, dass das Problembewusstsein dennoch vorhanden war. Zudem zeigt sich das unmittelbare Selbstbewusstsein des Ich=Ich als anschlussfähige Figur, mit deren Überwindung das andere Problem ohnehin en passant verschwindet. Denn nur vom „reinen Selbstbewusstsein“ her ist die Figur der Herrschaft und Knechtschaft mit der sich um die unsinnigen Konsequenzen nicht bekümmernden Ansicht der Suprematie dieses in seiner Reinheit ja leeren Selbst-
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bewusstseins abzuleiten möglich, mit deren Überwindung schließlich der Gegensatz von Selbst und Bewusstsein verschwindet und im „denkenden Selbstbewusstsein“ aufgehoben ist.
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LITERATUR
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HERRSCHAFT UND KNECHTSCHAFT
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HERRSCHAFT UND KNECHTSCHAFT
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HERRSCHAFT UND KNECHTSCHAFT
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Stekeler-Weithofer, Pirmin, Wer ist der Herr, wer ist der Knecht? Der Kampf zwischen Denken und Handeln als Grundform des Selbstbewußtseins, in: Wolfgang Welsch, Klaus Vieweg (Hrsg.), Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein kooperativer Kommentar zu einem Schlüsselwerk der Moderne, Frankfurt am Main 2008, S. 205-238 Stolzenberg, Jürgen, „Geschichte des Selbstbewußtseins“. Reinhold – Fichte – Schelling, in: Internationales Jahrbuch des Deutschen Idealismus 1 (2003), S. 93-113 Testa, Italo, Selbstbewußtsein und zweite Natur, in: Wolfgang Welsch, Klaus Vieweg (Hrsg.), Hegels Phänomenologie des Geistes. Ein kooperativer Kommentar zu einem Schlüsselwerk der Moderne, Frankfurt am Main 2008, S. 286-307 Ulmer, Karl, Die zweifache Dialektik in der Entwicklung zur Freiheit bei Hegel, in: Ugo Guzzoni/Bernhard Rang/Ludwig Siep (Hrsg.), Der Idealismus und seine Gegenwart. Festschrift für Werner Marx, Hamburg 1976 Vieweg, Klaus, Die ‚Umkehrung des Bewußtseins selbst‘, in: Jindrich Karásek/Jan Kunes/Ivan Landa (Hrsg.), Hegels Einleitung in die Phänomenologie des Geistes, Würzburg 2006, S. 193-208 Welsch, Wolfgang, Hegel und die analytische Philosophie. Über einige Kongruenzen in Grundfragen der Philosophie. Antrittsvorlesung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, 08. Juni 1999, in: http://www2.unijena.de/welsch/Hegel%20Analytik.pdf Westphal, Kenneth R., Hegels Kritik des unmittelbaren Wissens: eine Übersicht (unveröffentlichtes Manuskript) Westphal, Merold, Hegels Phänomenologie der Wahrnehmung, in: Hans Friedrich Fulda/Dieter Henrich (Hrsg.), Materialien zu Hegels „Phänomenologie des Geistes“, Frankfurt am Main 1973, S. 83-105 Wieland, Wolfgang, Hegels Dialektik der sinnlichen Gewißheit, in: Materialien zu Hegels Phänomenologie des Geistes, hg. v. Hans Friedrich Fulda u. Dieter Henrich, Frankfurt am Main 1973, S. 67-82 Zander, Folko, Vorüberlegungen zu einer Logik der Anerkennung, in: Freiheit und Bildung bei Hegel, hrsg. v. Andreas Braune, JiĜí Chotaš, Klaus Vieweg, Folko Zander, Würzburg 2013
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