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German Pages 312 [311] Year 1994
HE G E L- STU DIEN In Verbindung mit der Hegel-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von FRIEDHELM NICOLIN und OTTO PÖGGELER
Band 29
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
Inhaltlich unveränderter Print-on-Demand-Nachdruck der Originalausgabe von 1994, erschienen im Verlag H. Bouvier und Co., Bonn.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-1493-5 ISBN eBook: 978-3-7873-3071-3 ISSN 0073-1578
© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2016. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de/hegel-studien
INHALT
TEXTE UND DOKUMENTE Texte zu Hegels Nürnberger Phänomenologie Herausgegeben und erläutert von UDO RAMEIL, München
9
ABHANDLUNGEN NATHAN ROTENSTREICH (+)
Sublation and reflection
63
Bochum Die „Idee des Guten" in Hegels „Wissenschaft der Logik"
79
Lu DE VOS, Löwen Gott oder die absolute Idee. Zum Thema der Hegelschen Religionsphilosophie
103
FRIEDRICH HOGEMANN,
München „Stammelnde Natursprache" und „Lallendes Wörterbuch". Anfänge von Sprache in Hegels Anthropologie
PAUL ZICHE,
117
LITERATURBERICHTE UND KRITIK Neue Hegelforschungen in Rußland
(NIKOLAJ PLOTNIKOW,
Geschichte, Zeit und versöhnende Ewigkeit bei Hegel (STEPHAN BAEKERS, Den Haag)
Moskau/Bochum)
147
158
G.
Plan ty-Bonjour: Le Projet Hegelien
L. Bignami: Concetto e compito della filosofia in Hegel (SERGIO DELLAVALLE, Berlin/Turin)
178
V. Verra: Letture hegeliane
180
(PASQUALINO MASCIARELLI,
Pisa)
H. F. Fulda, H. H. Holz, D. Pätzold: Perspektiven auf Hegel; D. Pätzold (Hrsg.): Hegels Transformationen der Metaphysik (THOMAS GRüNING, KLAUS VIEWEG, Jena)
185
F. Li Vigni: La dialettica delTetico
189
(MARCO DE ANGELIS,
Bochum)
J. Vis: Ervaringen van het Absolute (Lu DE VOS, Löwen) F.
(DIETMAR Kö
191
-P. Hansen: Ontologie und Geschichtsphilosophi „Lehre vom Wesen" der „Wissenschaft der Logik" (GABRIELLA BAPTIST, Roma) 192
A. Schaefer: Der Nihilismus in Hegels Logik
(GABRIELLA BAPTIST,
Roma)
195
G. W. F. Hegel: Filosofie als wetenschap (Lu DE VOS, Löwen)
197
Hegel und die Naturwissenschaften. Hrsg. v. M. J. Petry (STEFAN BüTTNER, Heidelberg)
198
P. Schaber: Recht als Sittlichkeit
Debrecen)
203
Hegel and Legal Theory. Ed. by D. Cornell, M. Rosenfeld, D. G. Carlson (BRUNO COPPIETERS, Brussel)
204
I. Primoratz: Justifying Legal Punishment; M. Tunick: Punishment; M. Tunick: HegeTs Political Philosophy (ALLEN SPEIGHT, Boston) . .
209
G. Bonacina: Hegel, il mondo romano e la storiografia (MARCELLO MONALDI, Triest)
211
K. Hast: Hegels ästhetische Reflexion des freien Subjekts (ANDREAS GROSSMANN, Bochum)
212
(ERZSEBET RöZSA,
R. Trienes: Das Problem der Dialektik in Platons Parmenides . . . (ANNETTE SELL, Bochum)
213
La question de Dieu selon Aristote et Hegel (MYRIAM BIENENSTOCK, Grenoble)
216
D. Schoeller: Gottesgeburt und Selbstbewußtsein (KATHARINA COMOTH,
Köln)
L. Armour: Being and idea
219
(PEGGY COSMANN,
C. Senigaglia: II gioco delle assonanze
Berlin)
221
(FIORINDA LI VIGNI,
Roma)
....
224
L. Pompa: Human Nature and Historical Knowledge (STEPHEN HOULGATE, Chicago)
227
Rousseau, die Revolution und der junge Hegel. Hrsg. v. H. F. Fulda, R. P. Horstmann (CHRISTOPH JAMME, Jena)
232
R. R. Williams; Recognition
234
(PIERLUIGI VALENZA,
Th. S. Hoffmann: Die absolute Form Th. Buchheim: Eins von Allem
Roma)
(PETRA BRAITLING,
(MARTIN BONDELI,
Tübingen) ....
Bern)
238 241
Auf der Suche nach einer Vermittlung zwischen Hegel und Schopenhauer (JöRG SALAQUARDA,
Wien)
M. Espagne; Federstriche
246
(NORBERT WASZEK,
T. Pulkkinen: Valti ja vapaus
Paris)
(MARCUS WAHLBERG,
253 Helsinki)
256
Whitehead und der deutsche Idealismus. Hrsg. v. G. R. Lucas, A. Braeckmann (MICHAEL HAMPE, Heidelberg)
259
Lacan avec les philosophes. Hrsg. v. M. Deguy (NORBERT WASZEK, Paris)
263
C. Jamme: Einführung in die Philosophie des Mythos (CLEMENS MENZE, Köln)
265
Logica e Storia. Hrsg. v. F. Bianco, L. Sichirollo (MARCO DE ANGELIS, Bochum)
267
H. Althaus: Hegel
269
(ANDREAS GROSSMANN,
Bochum)
Kurze Anzeigen
über T. Rockmore, D. Souche-Dague, G. Bolte, G. Duso, K. Derevjanko, Th. Miller
273
BIBLIOGRAPHIE Abhandlungen zur Hegel-Forschung 1991 — 1992. Zusammenstellung und Redaktion: ANDREAS GROSSMANN, Bochum
277
TEXTE ZU HEGELS NÜRNBERGER PHÄNOMENOLOGIE Herausgegeben und erläutert von Udo Rameil (München)
Hegel hat den Teil seiner Philosophie, dem er den Titel ,Phänomenologie des Geistes' gab, bekanntlich in zwei inhaltlich und systematisch unterschiedlichen Versionen veröffentlicht: Zum einen als das umfangreiche Werk von 1807, das im „System der Wissenschaft" den „Ersten Theil''^ bilden und in das wissenschaftliche System einführen soll, zum anderen als den mittleren Teil der Philosophie des subjektiven Geistes innerhalb der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse in den drei Auflagen von 1817, 1827 und 1830. Die enzyklopädische Phänomenologie sfellt gegenüber dem Werk von 1807 in doppelter Weise eine Kurzform dar: Nichf nur ist die Darstellung — wegen der „gedrängten Kürze, welche ein Grundriß nöthig macht"2 — stark gerafft; darüber hinaus reicht das Programm der enzyklopädischen Phänomenologie nur bis zum Beginn des Vernunft-Kapitels der Phänomenologie von 1807. Hegel hat dieses erstmals 1817 publizierte Kurzprogramm der Phänomenologie innerhalb der Philosophie des subjektiven Geistes bereits kurz nach dem Erscheinen der Phänomenologie von 1807 entwickelt, und zwar in seinen Lehrvorträgen im Rahmen der Philosophischen Propädeutik am Gymnasium in Nürnberg.^ Hegel trug dort die Phänomenologie im Mittelklassenkursus zur Geisteslehre oder Psychologie (bestehend aus der Lehre vom Bewußtsein oder Phänomenologie und der 1 S, das Titelblatt des Werks von 1807; GW Bd 9: Phänomenologie des Geistes. Hrsg, von W. Bonsiepen und R. Heede. Hamburg 1980. 3. — ln den Anmerkungen zur Voredition und zu den Erläuterungen werden folgende Abkürzungen verwendet: GW — G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke. Ros. — G. W. F. Hegel: Philosophische Propädeutik — Zweiter Cursus, Erste Abtheilung: Phänomenologie des Geistes, oder Wissenschaft des Bewußtseins. In: Werke Bd 18, 79 —90. Werke Bd 18 — G. W. F. Hegels Werke. Bd 18: Philosophische Propädeutik. Hrsg, von K. Rosen-
kranz. Berlin 1840. Hegels Ms. von 1808/09 zur Geisteslehre als Einleitung in die Philosophie (aus der Harvard-Universitäts-Bibliothek). Hoffm. — J. Hoffmeisters Edition von Harv. in den N. Sehr. 11—50. N. Sehr. - G. W. F. Hegel: Nürnberger Schriften 1808—1816. Hrsg, von J. Hoffmeister. Leipzig 1938 2 GW Bd 20: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). Unter Mitarbeit von U. Rameil hrsg. von W. Bonsiepen und H.-C. Lucas. Hamburg 1992. 5. 3 S. dazu vom Verf.: Die Phänomenologie des Geistes in Hegels Nürnberger Propädeutik. In: HeHarv. —
gels Theorie des subjektiven Geistes in der ,Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse'. Hrsg, von L. Eley. Stuttgart-Bad Cannstatt 1990. 84—130.
10
UDO RAMEIL
Lehre vom Geist oder Psychologie) vor; dieses Kursthema war — abgesehen vom ersten Schuljahr 1808/09, in dem Hegel die Geisteslehre in der besonderen Form einer „Einleitung in die Philosophie" mit anschließender Logik abhandelte — seit 1809/10 im Wechsel mit der Logik, also in jedem zweiten Jahr Gegenstand in der Mittelklasse.In den Diktaten des alljährlichen Oberklassenkurses zur Philosophischen Enzyklopädie oder zum System der besonderen Wissenschaften widmete Hegel der Phänomenologie dann nur einen einzigen Paragraphen, dem er mündlich — zur Erinnerung und als Wiederholung des bereits in der Mittelklasse ausführlich Vorgetragenen — einige erläuternde Anmerkungen beigab. Die folgende Voredition zu Hegels Nürnberger Phänomenologie stellt bisher noch nicht edierte Texte aus Hegels Mittelklassenkursen von 1808/09, 1809/10 und 1811/12 vor. Diese Texte werden in modernisierten Transkriptionen^ in synoptischer Anordnung präsentiert, um Hegels inhaltliche Entwicklung nachvollziehbar zu machen, und mit der Textversion konfrontiert, die KARL ROSENKRANZ 1840 in seiner Edition der Schriften zu Hegels Philosophischer Propädeutik als Mittelklassenkurs zur Phänomenologie veröffentlicht hat.^
Zur Edition 1. Spalte: Das erste wichtige Dokument zu Hegels Nürnberger Phänomenologie ist Hegels eigenes Ms., das ihm als Diktatvorlage für den Mittelklassenkurs von 1808/09 zur Geisteslehre als Einleitung in die Philosophie diente. Dieses Ms. ist 1938 von JOHANNES HOFFMEISTER in seiner Ausgabe der Nürnberger Schriften Hegels ediert worden^ und wird in der folgenden Edition nicht erneut abgedruckt. Statt dessen wird in der ersten Spalte eine in Hegels Nachlaß erhaltene, anonyme Schülernachschrift der Diktate Hegels von 1808/09 vorgestellt. Ein Vergleich dieser Diktatnachschrift mit Hegels Diktatvorlage zeigt das hohe Maß an Authentizität der Nachschrift. Die insgesamt recht wenigen Varianten der Nachschrift gegenüber Hegels Ms. können sowohl in Ungenauigkeiten oder Fehlern des Schü4 S. dazu Hegels Berichte über seine Unterrichtsgegenstände (N. Sehr. 3—10, bes. 5 f). 5 Auf die Mitteilung von Streichungen in den Mss. wurde in dieser Voredition verzichtet. Die Transkriptionen stammen von Verf. auf der Grundlage der originalen Mss. (1808/09 und 1809/10) bzw. von Fotokopien der Originalmanuskripte (1811/12). Verf. dankt Herrn H. Schneider für die Bereitstellung der im Hegel-Archiv Bochum aufbewahrten Fotokopien. 6 Werke Bd 18. 79-90. ^ N. Sehr. 11—50. — Zuerst veröffentlicht von /. Löwenberg: Entwürfe zur Enzyklopädie und Propädeutik nach den Handschriften der Harvard-Universität. In: Hegel-Archiv I, 1. Leipzig 1912. * Zu diesem Ms. s. E. Ziesche: Unbekannte Manuskripte aus der Jenaer und Nürnberger Zeit im Berliner Hegel-Nachlaß. In: Zeitschrift für philosophische Forschung. 29 (1975), 430—444, bes. 438 f. — Verf. dankt der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin für die Möglichkeit zur Einsicht in das Ms. und für die Genehmigung der Edition eines Teils dieses Ms. aus dem Hegel-Nachlaß.
Texte zu Hegels Nürnberger Phänomenologie
11
lers, als auch in Abweichungen Hegels von seiner Vorlage während seines Diktats begründet sein, ln einem Apparat zum Text der Nachschrift in der ersten Spalte sind die inhaltlichen Abweichungen von Hegels Ms. verzeichnet; außerdem werden von Hegels Ms. abweichende Lesearten in HOFFMEISTERS Edition mitgeteilt. 2. Spalte: Die in der ersten Spalte edierte Schülernachschrift der Diktate von 1808/09 hatte Hegel sich anfertigen lassen, um für den Mittelklassenkurs des folgenden Jahres eine Revision des Diktattextes vornehmen zu können. Zu diesem Zweck verändert er die Diktate von 1808/09 durch zahlreiche Notizen am Rand und im Text der Schülernachschrift. In der Kombination von z. T. unverändert gelassenen, z. T. stark überarbeiteten oder völlig neu konzipierten Textteilen entsteht so Hegels neue Diktatvorlage für die Phänomenologie als den ersten Teil des Psychologiekurses von 1809/10. Da aus diesem Kursus keine Diktatnachschrift erhalten ist, bildet Hegels Überarbeitung der Diktate von 1808/09 die einzige Quelle für den inhaltlich stark erweiterten Vortrag zur Phänomenologie von 1809/ 10. Der aus den gültig gebliebenen Textpartien von 1808/09 und aus Hegels Überarbeitungsnotizen für den Kursus von 1809/10 rekonstruierte Gesamttext der Diktate zur Phänomenologie von 1809/10 ist in der zweiten Spalte abgedruckt; durch die synoptische Darstellung ist leicht zu erkennen, welche Textpartien Hegel aus dem Kurs des Vorjahres übernimmt und welche er neu konzipiert. 3. Spalte: Für Hegels nächsten Psychologiekurs für die Mittelklasse von 1811/12 steht wiederum eine Schülernachschrift zur Verfügung, allerdings nicht — wie für 1808/09 — aus Hegels eigenem Besitz. Da Hegels Diktatvorlage für diesen erneut inhaltlich erweiterten Lehrvortrag nicht überliefert ist, bildet die erhaltene Nachschrift durch den Schüler MEINEL^ die Hauptquelle für diesen Kursus von 1811/12, ihr Text wird in der dritten Spalte mitgeteilt. Die von Hegel im Unterricht zu den Diktaten vorgetragenen erläuternden Kommentare hat MEINET im Anhang zu den Diktaten als Anmerkungen zu ihnen selbständig ausgearbeitet, Diese Anmerkungen — in MEINELS Ms. 71 Seiten — konnten in die folgende Voredition nicht aufgenommen werden; sie sind im Vergleich zur Diktatnachschrift von geringerer Authentizität. 4. Spalte: Ein besonderes Problem für jede Edition der Nürnberger Phänomenologie bildet die Textfassung, die ROSENKRANZ 1840 im Ausgang von den im Hegelnachlaß vorfindlichen Dokumenten hergestellt hat. In der folgenden Textsynopse wird deutlich, wie ROSENKRANZ Textteile aus den verschiedenen Jahrgängen kom® S. zu diesem Ms. F. W. Kantzenbach: Hegels Psychologie 1811/12 nach einer unbekannten Nachschrift. In: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte. 46 (1977), 272 f. — Verf. dankt dem Landeskirchlichen Archiv Nürnberg für die Genehmigung der Edition des ersten Teils dieses Ms. — Zum Psychologiekurs von 1811/12 s. auch vom Verf.: Bewußtseinsstruktur und Vernunft. Hegels propädeutischer Kursus über Geisteslehre von 1811/12. In: Psychologie und Anthropologie oder Philosophie des Geistes. Hrsg, von F. Hespe und B. Tuschling. Stuttgart-Bad Cannstatt 1991. 155-187. Zu Hegels Verfahren im Unterricht s. Hegel in Berichten seiner Zeitgenossen. Hrsg, von G. Nicolin. Hamburg 1970. 133.
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UDO RAMEIL
piliert hat; er muß demnach über Texte aus allen drei Jahrgängen verfügt haben. Er selbst gibt in seinem Vorwort als Quellen zwei ihm vorliegende Hefte an. Bei dem von ROSENKRANZ genannten „Heft von [1808/]1809"H kann es sich nur um die Schülernachschrift der Diktate von 1808/09 mit Hegels eigenhändigen Überarbeitungsnotizen für 1809/10 handeln; dies erklärt zugleich den Umstand, daß ROSENKRANZ auch Teile aus Hegels Texterweiterungen von 1809/10 verwenden konnte. Das von ihm angeführte zweite Heft enthält nach seinen eigenen Angaben außer der Phänomenologie auch die Psychologie. Wie die häufigen Übereinstimmungen des Textes von ROSENKRANZ mit MEINELS Nachschrift von 1811/12 zeigen, muß ROSENKRANZ' zweite Quelle eine Nachschrift der Diktate von 1811/12 sein. Da nicht davon ausgegangen werden kann und auch keine Anzeichen darauf hindeuten, daß ROSENKRANZ ausgerechnet MEINELS Nachschrift (die ihm ja völlig unbekannt und unzugänglich sein mußte) auswerten konnte, ist anzunehmen, daß ROSENKRANZ eine andere Nachschrift des Psychologiekurses von 1811/12 zur Verfügung gestanden hat, die sich allerdings nicht, zumindest nicht mehr, im Hegelnachlaß findet. Daß ROSENKRANZ über eine zu MEINELS Nachschrift parallele Quelle verfügt haben wird, kann auch die Abweichungen und Varianten erklären, die ROSENKRANZ' Textversion gegenüber den Diktaten in MEINELS Nachschrift dort aufweist, wo ROSENKRANZ erkennbar Hegels Diktattext von 1811/12 seiner Edition zugrunde legt. Hier ist die synoptische Anordnung der Texte das geeignete Mittel, um durchsichtig zu machen, auf welchen Jahrgang ROSENKRANZ in seiner Textherstellung jeweils zurückgreift und in welchen Fällen er gegenüber MEINELS Text von 1811/12 — möglicherweise aufgrund seiner eigenen Quelle — ein Eigengut aufweist. Auch ROSENKRANZ' Klammerzusätze (zu §§ 35, 36, 39) gehen vermutlich auf seine Quelle für den Kurs von 1811/12 zurück, sind aber in ihrer Authentizität schwer einschätzbar; sie werden in die folgende Edition nicht aufgenommen.
Vorbereitende Überlegungen zu Band 10 der Gesammelten Werke Die folgende Voredition in synoptischer Anordnung der Texte ermöglicht Beobachtungen, aus denen Vorüberlegungen für die historisch-kritische Edition der Nürnberger Texte Hegels in Band 10 der Gesammelten Werke gewonnen werden können. Was Hegels Philosophie des subjektiven Geistes betrifft, so müssen — um Hegels philosophische Entwicklung erkennbar werden zu lassen — jahrgangsweise vollständige Mittelklassenkurse ediert werden. Aufgrund des erhaltenen Materials handelt es sich um die Jahrgänge 1808/09, 1809/10 und 1811/12. (1) Für die Edition des ersten Jahrgangs 1808/09 bildet Hegels eigenes Ms. zur Geisteslehre als Einleitung in die Philosophie (mit anschließender Logik) die Grundlage. In einer eigenen Textstufe darunter sollten — evtl, in einem kleineren Schriftn Werke Bd 18. XV.
Texte zu Hegels Nürnberger Phänomenologie
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grad — die Diktate aus der erhaltenen Schülernachschrift von 1808/09 als sekundäre Quelle abgedruckt werden, um einen Vergleich der Diktatvorlage mit dem tatsächlich diktierten Text zu ermöglichen. Zudem gibt die Diktatnachschrift wichtige Entscheidungshilfen für die Ermiftlung der Abfolge von Textteilen in Hegels unübersichtlichem Ms. von 1808/09. (2) Für den Psychologiekursus von 1809/10 muß eine Textfassung der Bewußtseinslehre oder Phänomenologie des Geistes aus den von Hegel als weiterhin gültig ausgewiesenen Teilen der Diktate von 1808/09 und seinen Überarbeitungsund Erweiterungsnotizen im Schülerheft von 1808/09 rekonstruiert werden. (Daß eine solche Rekonstruktion möglich ist, zeigt die zweite Spalte der Voredition.) Da keine Nachschrift der Diktate von 1809/10 erhalten ist, stellt das von Hegel überarbeitete Schülerheft von 1808/09 das einzige Dokument für den Kursus von 1809/10 dar. Für den im Mittelklassenkurs von 1809/10 auf die Phänomenologie folgenden theoretischen Teil der Psychologie^^ ist somit keine Quelle überliefert. (3) Der Edition des Psychologiekurses von 1811/12 ist die Nachschrift der Diktate durch MEINEL als Hauptquelle zugrunde zu legen. Als mögliche zweite Quelle sind diejenigen Textpartien aus der Edition von ROSENKRANZ heranzuziehen, die dem Kursus von 1811/12 folgen; Sondergut aus diesen Textpartien sollte jeweils unter dem entsprechenden Diktattext von MEINER abgedruckt werden. (Für den zweiten Teil des Kursus von 1811/12, die eigentliche Psychologie, die von ROSENKRANZ innerhalb der Philosophischen Enzyklopädie für die Oberklasse wiedergegeben wirdi3, muß ein Vergleich zwischen MEINELS Nachschrift und ROSENKRANZ' Textfassung noch erstellf werden.) ln einem Anhang zu den Diktaten von 1811/12 sollte — in kleinerem Schriftgrad — MEINELS Ausarbeitung der Hegelschen Anmerkungen zu den Diktaten von 1811/12 ediert werden. (4) ROSENKüRANZ' Text zur Phänomenologie scheidet insgesamt aufgrund seines kompilatorischen Charakters als Quelle für die historisch-kritische Edition aus. Die Teile, die auf die Kurse von 1808/09 und 1809/10 zurückgehen, haben keinen eigenen Quellenwert, da das von ROSENKRANZ ausgewertete Material im Original erhalten ist. Lediglich das Sondergut innerhalb derjenigen Textpartien, die dem Kursus von 1811/12 zuzuordnen sind, ist editorisch zu berücksichtigen, da ihm möglicherweise eine sonst nicht erhaltene Quelle — parallel zu MEINELS Nachschrift von 1811/12 — zugrunde liegt.
S. Hegels Berichte über seine Unterrichtsgegenstände für 1809/10 (N. Sehr. 4). 13 S. Werke Bd 18. XV.
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UDO RAMETL
Diktate 1808/09
Überarbeitung 1809/10
Geisteslehre als Einleitung in die Philosophie §1
Eine Einleitung in die Philosophie hat vornehmlich die verschiedenen Beschaffenheiten und Tätigkeiten des Geistes zu betrachten, durch welche er hindurchgeht, um zur Wissenschaft zu gelangen. Indem diese geistigen Beschaffenheiten und Tätigkeiten in einem notwendigen Zusammenhänge stehen, macht' diese Selbsterkenntnis gleichfalls eine Wissenschaft aus.
§1
Eine Einleitung in die Philosophie hat vornehmlich die verschiedenen Beschaffenheiten und Tätigkeiten des Geistes zu betrachten, durch welche er hindurchgeht, um zur Wissenschaft zu gelangen. Indem diese geistigen Beschaffenheiten und Tätigkeiten in einem notwendigen Zusammenhänge stehen, macht diese Selbsterkenntnis gleichfalls eine Wissenschaft aus.
Texte zu Hegels Nürnberger Phänomenologie
Diktate 1811/12
Ed. Rosenkranz
Geisteslehre
Phänomenologie des Geistes
Einleitung
Einleitung
§1
§F
Unser gewöhnliches Wissen stellt sich die mannigfaltigen Bestimmungen der Gegenstände bloß gegenständlich und den Dingen selbst zukommend vor; es denkt dabei nicht an sich selbst, oder wenn es an sich denkt, stellt es sich als nur empfangen[d] vor und hat keinen Gedanken daran, daß diese Bestimmungen wesentlich in der Beziehung auf das Wissen Vorkommen. §2 ln der Philosophie dagegen werden diese Bestimmungen nicht einseitig nur als Bestimmungen der Dinge betrachtet, sondern zugleich mit dem Wissen, welchem sie wenigstens gemeinschaftlich mit den Dingen zukommen, oder sie werden genommen nicht bloß als objektive, sondern auch als subjektive Bestimmungen oder vielmehr als bestimmte Arten der Beziehung des Objekts und des Subjekts aufeinander. §3 Es ist die natürliche Vorstellung, daß die Dinge und ihre Bestimmungen an und für sich außer dem Bewußtsein sind und diesem schlechthin als ein Fremdes und Fertiges gegeben werden; indem sie aber wesentlich im Wissen sind, so ist auch die Vorstellung möglich, daß das Bewußtsein diese seine Welt sich
Unser gewöhnliches Wissen stellt sich nur den Gegenstand vor, den es weiß, nicht aber zugleich sich, nämlich das Wissen selbst. Das Ganze aber, was im Wissen vorhanden ist, ist nicht nur der Gegenstand, sondern auch Ich, der weiß, und die Beziehung meiner und des Gegenstandes aufeinander: das Bewußtsein.
§2 In der Philosophie werden die Bestimmungen des Wissens nicht einseitig nur als Bestimmungen der Dinge betrachtet, sondern zugleich mit dem Wissen, welchem sie wenigstens gemeinschaftlich mit den Dingen zukommen; oder sie werden genommen nicht bloß als objektive, sondern auch als subjektive Bestimmungen oder vielmehr als bestimmte Arten der Beziehung des Objekts und Subjekts aufeinander. §3 Indem im Wissen die Dinge und ihre Bestimmungen sind, ist einerseits die Vorstellung möglich, daß dieselben an und für sich außer dem Bewußtsein sind und diesem schlechthin als ein Fremdes und Fertiges gegeben werden; andererseits aber, indem das Bewußtsein dem Wissen ebenso wesentlich ist, wird auch die Vorstellung möglich, daß das Bewußtsein diese seine Welt sich
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UDO RAMEIL
Diktate 1808/09
Überarbeitung 1809/10
§2
§2
Jene Betrachtung kann die Lehre von dem Bewußtsein,
Die Geisteslehre betrachtet den Geist nach den verschiedenen Arten seines Bewußtseins und nach den verschiedenen Arten seiner Tätigkeit; den Geist in Beziehung auf anderes und den Geist an und für sich. Jene Betrachtung kann die Lehre von dem Bewußtsein,
diese die Seelenlehre genannt werden.
diese die Seelenlehre genannt werden.
Die Geisteslehre betrachtet den Geist nach den verschiedenen Arten seines Bewußtseins und nach den verschiedenen Arten seiner Tätigkeit.
§3 Das Bewußtsein ist überhaupt das Wissen von einem Gegenstand, er sei ein äußerer oder ein innerer, ohne Rücksicht darauf, ob er sich
§3 Das Bewußtsein ist überhaupt das Wissen von einem Gegenstand, er sei ein äußerer oder ein innerer, ohne Rücksicht darauf, ob er sich
Texte zu Hegels Nürnberger Phänomenologie Diktate 1811/12 selbst setze und die Bestimmungen derselben durch seine Tätigkeit im Verhalten ganz hervorbringe oder wenigstens zum Teil und das Empfangene wesentlich modifiziere. Die erstere Vorstellungsweise ist das System des Realismus, die andere das des Idealismus genannt worden. Die Untersuchung derselben gehört aber nicht hierher, sondern in die Metaphysik.
Ed. Rosenkranz selbst setzt und die Bestimmungen derselben durch sein Verhalten und seine Tätigkeit ganz oder zum Teil selbst hervorbringe oder modifiziere. Die ersfere Vorsfellungsweise ist der Realismus, die andere der Idealismus genannt worden. Hier sind die allgemeinen Bestimmungen der Dinge nur überhaupt als bestimmte Beziehung vom Objekt auf das Subjekf zu betrachten. §4
§4 Das Subjekt bestimmter gedacht ist der Geist; er ist erscheinend, insofern er ist als sich auf einen seienden Gegenstand wesentlich beziehend; insofern ist er Bewußtsein. Die Lehre vom Bewußtsein ist daher die Phänomenologie des Geistes und macht den ersten Teil der Lehre von ihm aus.
Das Subjekt, bestimmter gedacht, ist der Geist. Er ist erscheinend, als wesentlich auf einen seienden Gegenstand sich beziehend: insofern ist er Bewußtsein. Die Lehre vom Bewußtsein ist daher die Phänomenologie des Geistes.
§5 Der Geist aber wendet sich wesentlich von dem Objekte ab und erzeugt durch seine Selbsttätigkeit seine Unabhängigkeit davon; nach dieser Tätigkeit innerhalb seiner selbst oder in der Beziehung auf sich und als diese Beziehung hervorbringend wird er in der eigentlichen Geisteslehre betrachte!.
§5 Der Geist aber nach seiner Selbsttätigkeit innerhalb seiner selbst und in Beziehung auf sich, unabhängig von der Beziehung auf Anderes, wird in der eigentlichen Geisteslehre oder Psychologie betrachtet. §6
Das Bewußtsein ist überhaupt das Wissen von einem Gegenstände, es sei ein äußerer oder innerer, ohne Rücksicht darauf, ob er sich
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UDO RAMEIL
Überarbeitung 1809/10
Diktate 1808/09 ohne Zutun des Geistes ihm darbieteb oder aber durch diesen hervorgebracht sei. Nach seinen Tätigkeiten wird der Geist betrachtet, insofern die Bestimmungen seines Bewußtseins ihm selbst zugeschrieben werden.
ohne Zutun des Geistes ihm darbietet oder aber durch diesen hervorgebracht sei. Nach seinen Tätigkeiten wird der Geist betrachtet, insofern die Bestimmungen seines Bewußtseins ihm selbst zugeschrieben werden.
I. Teil Die Lehre von dem Bewußtsein
I. Teil Die Lehre von dem Bewußtsein
§4
§4
Da das Bewußtsein wesentlich in deh Beziehung auf einen Gegenstand besteht,
Da das Bewußtsein wesentlich in der Beziehung auf einen Gegenstand besteht,
ist es verschieden nach den verschiedenen Gegenständen, die es hat.
ist es verschieden nach den verschiedenen Gegenständen, die es hat.
§5 Zugleich aber ist der Gegenstand wesentlich durch das Verhältnis des Bewußtseins zu [ihm bestimmt]/ und er wird mit der Fortbildung des Bewußtseins verschieden.
Zugleich aber ist der Gegenstand wesentlich durch das Verhältnis des Bewußtseins zu ihm bestimmt, und er wird mit der Fortbildung des Bewußtseins verschieden.
§5
§6
Das Bewußtsein teilt sich
Das Bewußtsein hat im allgemeinen
in drei Hauptstufen.
folgende Stufen:
Texte zu Hegels Nürnberger Phänomenologie
Diktate 1811/12
Ed. Rosenkranz ohne Zutun des Geistes ihm darbiete oder ob er durch diesen hervorgebracht sei. Nach seinen Tätigkeiten wird der Geist betrachtet, insofern die Bestimmungen seines Bewußtseins ihm selbst zugeschrieben werden.
Erster Teil Die Lehre von dem Bewußtsein §6 Das Bewußtsein ist überhaupt die bestimmte Beziehung des Ich auf einen Gegenstand; insofern man von den Gegenständen ausgeht, kann gesagt werden, daß es verschieden ist nach der Verschiedenheit der Gegenstände, die es hat. §7 Zugleich aber ist der Gegenstand wesentlich in den Verhältnissen zum Bewußtsein bestimmt. Seine Verschiedenheit ist daher umgekehrt als abhängig von dem Bewußtsein und von dessen Fortbildung zu betrachten. Diese Gegenseitigkeit des Bestimmens gehört der erscheinenden Sphäre des Bewußtseins selbst an und läßt die § 3 erwähnte Frage unentschieden, welche Bewandtnis es an und für sich mit diesem Bestimmen habe. §8
Das Bewußtsein hat im allgemeinen nach der Verschiedenheit des Gegenstandes überhaupt drei Hauptstufen. Er ist nämlich entweder das dem Ich gegenüberstehende Objekt, oder er ist Ich selbst, oder
§7 Das Bewußtsein ist die bestimmte Beziehung des Ich auf einen Gegenstand. Insofern man von dem Gegenstände ausgeht, kann gesagt werden, daß es verschieden ist nach der Verschiedenheit der Gegenstände, die es hat. §8
Zugleich aber ist der Gegenstand wesentlich in dem Verhältnisse zum Bewußtsein bestimmt. Seine Verschiedenheit ist daher umgegekehrt als abhängig von der Fortbildung des Bewußtseins zu betrachten. Diese Gegenseitigkeit geht in der erscheinenden Sphäre des Bewußtseins selbst vor und läßt die oben (§ 3) erwähnte Frage unentschieden, welche Bewandtnis es an und für sich mit diesen Bestimmungen habe. §9 Das Bewußtsein hat im allgemeinen nach der Verschiedenheit des Gegenstandes überhaupt drei Stufen. Er ist nämlich entweder das dem Ich gegenüberstehende Objekt; oder er ist Ich selbst; oder
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UDO RAMEIL
Diktate 1808/09
1) Das Bewußtsein von abstrakten oder unvollständigen Gegenständen; 2) das Bewußtsein von der Welt des endlichen Geistes; 3) das Bewußtsein von dem absoluten Geiste.
A. Das Bewußtsein abstrakter Gegenstände
Überarbeitung 1809/10
a) Bewußtsein überhaupt oder äußerliches Bewußtsein; b) Selbstbewußtsein; c) Vernunft.
Texte zu Hegels Nürnberger Phänomenologie
Diktate 1811/12 er ist etwas Gegenständliches, das ebensosehr dem Ich angehört.
Das Bewußtsein ist also erstens Bewußtsein überhaupt oder das äußerliche Bewußtsein, zweitens das Selbstbewußtsein, drittens die Vernunft.
§9 Insofern das Bewußtsein einen Gegenstand in sich aufgenommen hat, ist es ein Wissen von ihm. Dies gegenständliche Wissen oder das bestimmte Bewußtsein ist zugleich das Bewußtsein überhaupt oder die Bestimmtheit des Ich; das in dasselbe aufgenommene Gegenständliche gehört dem Ich so sehr an als Ich überhaupt sich selbst. Das Bewußtsein hat insofern Gewißheit. §10 Insofern aber das Gegenständliche oder der Inhalt zugleich von dem Ich unterschieden ist, so ist die Gewißheit als solche nicht Wahrheit; denn das Subjektive ist auf diese Art dem Objektiven noch ungleich. - Wahrheit aber ist die Übereinstimmung des Subjektiven mit dem Objektiven.
Ed. Rosenkranz etwas Gegenständliches, das ebensosehr dem Ich angehört, der Gedanke. Diese Bestimmungen sind nicht empirisch von außen aufgenommen, sondern Momente des Bewußtseins selbst. Es ist also; 1) Bewußtsein überhaupt; 2) Selbstbewußtsein; 3) Vernunft.
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UDO RAMEIL
Diktate 1808/09
Überarbeitung 1809/10
I. Das Bewußtsein überhaupt’
I. Das Bewußtsein überhaupt
a. Das sinnliche Bewußtsein’
a. Das sinnliche Bewußtsein
§7
§[6]
Das einfache sinnliche Bewußtsein ist die unmittelbare Gewißheit von einem äußerlichen Gegenstände. Der Ausdruck für die Unmittelbarkeit eines solchen Gegenstandes ist, daß er Dieser ist. Jetzt der Zeit nach. Hier dem Raume nach; jedes durchaus von allen anderen verschieden’ und nicht vermittels eines anderen bestimmt;
Das einfache sinnliche Bewußtsein ist die unmittelbare Gewißheit von einem äußerlichen Gegenstände. Der Ausdruck für die Unmittelbarkeit eines solchen Gegenstandes ist, daß er Dieser ist. Jetzt der Zeit nach. Hier dem Raume nach; jedes durchaus von allen anderen verschieden und nicht vermittels eines anderen bestimmt. §[7]
aber sowohl dieses® Jetzt als dieses® Hier verschwindet und zeigt sich als ein anderes, welches ebenso verschwindendes ist.
Aber sowohl dieses Jetzt als dieses Hier verschwindet und zeigt sich als ein anderes, welches ein ebenso verschwindendes ist. Jetzt ist nicht mehr, indem es ist, und ein anderes Jetzt ist an seine Stelle getreten, welches aber ebenso
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Ed. Rosenkranz
§11 Das Ziel des Bewußtseins ist, seine Gewißheit der Wahrheit gleichzumachen, daß das Gegenständliche nicht von dem Wissen unterschieden wäre. Dies erreicht es als Vernunft, als in welcher das Bewußtsein sich selbst Gegenstand ist, eben dadurch aber nicht relatives, sondern absolutes Bewußtsein, reines Denken ist.
I. Bewußtsein überhaupt
Erste Stufe Das Bewußtsein überhaupt §10 Das Bewußtsein überhaupt ist 1) sinnliches; 2) wahrnehmendes; 3) verständiges.
1) Das sinnliche Bewußtsein
A. Das sinnliche Bewußtsein
§12
§11
Das einfache sinnliche Bewußtsein ist die unmittelbare Gewißheit von einem gegebenen Gegenstände. Der Ausdruck für die Unmittelbarkeit eines solchen Gegenstandes ist, daß er ist, und zwar Dieser, Jetzt der Zeit nach und Hier dem Raume nach, durchaus von allen anderen verschieden und vollständig an ihm selbst bestimmt. §13
Das einfache sinnliche Bewußtsein ist die unmittelbare Gewißheit von einem äußerlichen Gegenstände. Der Ausdruck für die Unmittelbarkeit eines solchen Gegenstandes ist, daß er ist, und zwar dieser, jetzt der Zeit und hier dem Raume nach, durchaus von allen anderen Gegenständen verschieden und vollständig an ihm selbst bestimmt. §12
Aber sowohl dieses Jetzt als dieses Hier verschwindet.
Sowohl dieses Jetzt als dieses Hier ist ein Verschwindendes.
Jetzt ist nicht mehr, indem es ist, und ein anderes Jetzt ist an seine Stelle getreten, das aber ebenso
Jetzt ist nicht mehr, indem es ist, und ein anderes Jetzt ist an seine Stelle getreten, das aber ebenso
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Überarbeitung 1809/10 unmittelbar verschwunden ist; Jetzt bleibt zugleich doch, aber dies bleibende Jetzt ist das Allgemeine, das sowohl dieses als jenes Jetzt ist, als auch keines derselben ist.
Dieses Hier, das ich meine und aufzeige, hat gleichfalls ein Rechts und Links, ein Oben und Unten, ein Hinten und Vorne; das einfache Hier, das ich meine, kann ich nicht aufzeigen, sondern das aufgezeigte ist selbst ein Inbegriff von vielen Momenten und ein Vielen Gemeinschaftliches. Was’ bleibt, ist nur das Allgemeine, welches die Beziehung auf anderes und die Vermittlung in sich enthält.
Was bleibt, ist also nur das Allgemeine, welches die Beziehung auf anderes und die Vermittlung in sich enthält.
b. Das Wahrnehmen
b. Das Wahrnehmen
§8
§8
Das Wahrnehmen hat zwar das Sinnliche, aber darin zugleich das Allgemeine zum Gegenstand; eine Vermischung von sinnlichen“ und Verstandesbestimmungen oder Kategorien".
Das Wahrnehmen hat zwar das Sinnliche, aber darin zugleich das Allgemeine zum Gegenstand; eine Vermischung von sinnlichen und Verstandesbestimmungen oder Kategorien.
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Diktate 1811/12 unmittelbar verschwunden ist; zugleich aber bleibt Jetzt. Dies bleibende Jetzt ist das Allgemeine, das sowohl dieses als jenes Jetzt ist, als auch keines von ihnen ist.
Ed. Rosenkranz unmittelbar verschwunden ist. Zugleich bleibt aber Jetzt. Dies bleibende Jetzt ist das Allgemeine, das sowohl dieses als jenes Jetzt ist, als auch keines von ihnen ist. -
§14 Dieses Hier, das ich meine und aufzeichne, hat ein Rechts und Links, ein Oben und Unten usw. Das ist, das Aufgezeichnete ist nicht ein vollkommen bestimmtes einfaches Hier, sondern ein Inbegriff von vielen; es ist
ein allgemeines, welches die Beziehung vieler aufeinander und damit die Vermittlung und Abstraktion in sich enthält.
Dieses Hier, das ich meine und aufzeige, hat ein Rechts und Links, ein Oben und Unten, ein Hinten und Vorne ins Unendliche, d. i. das aufgezeigte Hier ist nicht ein einfaches, also bestimmtes Hier, sondern ein Inbegriff von Vielem. Was also in Wahrheit vorhanden, ist nicht die abstrakte sinnliche Bestimmtheit, sondern das Allgemeine.
§15 Die unmittelbare Bestimmung des Gegenstandes, die er in der sinnlichen Gewißheit hat, hat sich somit verändert, also auch der Standpunkt und die Bestimmtheit des Bewußtseins. 2) Das Wahrnehmen
B. Das Wahrnehmen
§16
§13
Das Wahrnehmen hat das Sinnliche nicht mehr, insofern es Unmittelbares ist, sondern zugleich insofern es Allgemeines ist, zum Gegenstand, eine Vermischung von sinnlichen und Verstandesbestimmungen oder Kategorien.
Das Wahrnehmen hat nicht mehr das Sinnliche, insofern es unmittelbar, sondern insofern es zugleich als Allgemeines ist, zum Gegenstände. Es ist eine Vermischung von sinnlichen und von Reflexionsbestimmungen.
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§9
§9
Die sinnlichen Eigenschaften sind sowohl’^ unmittelbar in dem Gefühle, als auch” zugleich bestimmt durch Beziehung auf andere und vermittelt. Die allgemeinsten Verstandesbestimmungen sind die Einzelheit des Dinges, in welcher die Eigenschaften befaßt” sind, und die Allgemeinheit derselben, nach welcher sie über das einzelne Ding hinausgehen und auch” voneinander unabhängig sind.
§10 Es ist damit folgender Widerspruch gesetzt: Die Eigenschaften als frei für sich von der Einzelheit des Dinges und ungestört voneinander sind besondere, selbständige Materien und das Ding nur der allgemeine sie befassende Umfang. In der Einzelheit des Dinges, der sie ungetrennt angehören, ist dagegen ihre Selbständigkeit und ihr gleichgültiges Bestehen verneint, und nur das Ding ist” das für sich Bestehende.
Die sinnlichen Eigenschaften sind sowohl unmittelbar in dem Gefühle, als auch zugleich bestimmt durch Beziehung auf andere und vermittelt. Die allgemeinsten Verstandesbestimmungen sind die Einzelheit des Dinges, in welcher die Eigenschaften befaßt’ sind, und die Allgemeinheit derselben, nach welcher sie über das einzelne Ding hinausgehen und auch voneinander unabhängig sind.
§10 Es ist damit folgender Widerspruch gesetzt: Die Eigenschaften als frei für sich von der Einzelheit des Dinges und ungestört voneinander sind besondere, selbständige Materien und das Ding nur der allgemeine sie befassende Umfang, ln der Einzelheit des Dinges, der sie ungetrennt angehören, ist dagegen ihre Selbständigkeit und ihr gleichgültiges Bestehen verneint, und nur das Ding ist das für sich Bestehende.
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Diktate 1811/12 §17
Die sinnlichen Eigenschaften erstens für sich sind sowohl unmittelbar im Gefühl, als auch zugleich bestimmt durch die Beziehung aufeinander und vermittelt; zweitens gehören sie einem Dinge an und sind in dieser Rücksicht einerseits in der Einzelheit desselben befaßt, andererseits haben sie Allgemeinheit, nach welcher sie über das einzelne Ding hinausgehen und zugleich voneinander unabhängig sind. §18 Insofern die Eigenschaften wesentlich vermittelte sind und ihr Bestehen nicht in sich selbst, sondern in einem Anderen haben, verändern sie sich, sie sind nur Akzidenzen; die Dinge aber, da sie in ihren Eigenschaften bestehen, denn durch diese unterscheiden sie sich voneinander, lösen sich mit der Veränderung derselben auf und sind ein Wechsel des Entstehens und Vergehens. §19 In dieser Veränderung ist es nicht nur Etwas, das sich aufhebt und zu einem Anderen wird, sondern auch das Andere vergeht; aber das Andere des Anderen oder die Veränderung des Veränderlichen ist Werden des Bleibenden, an und für sich Bestehenden und Inneren.
Ed. Rosenkranz §14 Der Gegenstand dieses Bewußtseins ist daher das Ding mit seinen Eigenschaften. Die sinnlichen Eigenschaften sind a) für sich sowohl unmittelbar in dem Gefühl, als auch zugleich bestimmt durch die Beziehung auf andere und vermittelt; ß) gehören sie einem Dinge an und sind in dieser Rücksicht einerseits in der Einzelheit desselben befaßt, andererseits haben sie Allgemeinheit, nach welcher sie über dies einzelne Ding hinausgehen und zugleich voneinander unabhängig sind. §15 Insofern die Eigenschaften wesentlich vermittelte sind, haben sie ihr Bestehen in einem Anderen und verändern sich. Sie sind nur Akzidenzen. Die Dinge aber, da sie in ihren Eigenschaften bestehen, indem sie sich dadurch unterscheiden, lösen sich mit der Veränderung derselben auf und sind ein Wechsel des Entstehens und Vergehens. § 16 In dieser Veränderung ist es nicht nur Etwas, das sich aufhebt und zu einem Anderen wird, sondern auch das Andere vergeht. Aber das Andere des Anderen oder die Veränderung des Veränderlichen ist Werden des Bleibenden, an und für sich Bestehenden und Inneren.
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c. Verstand'^
c. Verstand
§11
§11
Da diese beiden Bestimmungen in demselben Gegenstände gleich wesentlich und zugleich sich entgegengesetzt sind, so ist keine die wahrhafte, sondern sie heben sich auf. §12
Da diese beiden Bestimmungen in demselben Gegenstände gleich wesentlich und zugleich sich entgegengesetzt sind, so ist keine die wahrhafte, sondern sie heben sich auf. §12
Sie haben daher nunmehr die Bestimmung für das Bewußtsein, nur'® als aufgehobene zu sein”.
Sie haben daher nunmehr die Bestimmung für das Bewußtsein, nur als aufgehobene zu sein.
So machen sie den Gegenstand des Verstandes aus, dem sie als Erscheinungen“ gelten und der das Innere der Dinge betrachtet.
So machen sie den Gegenstand des Verstandes aus, dem sie als Erscheinungen gelten und der das Innere der Dinge betrachtet.
§13
§13
Das Innere der Dinge ist das an ihnen, was einesteils“ von der Erscheinung frei ist;
Das Innere der Dinge ist das an ihnen, was einesteils^ von der Erscheinung frei ist;
andernteils aber“ durch seinen Begriff darauf bezogen ist. Es ist daher 1) die einfache Kraft, welche 2) in das Dasein übergeht, die Äußerung der Kraft.
andernteils aber durch seinen Begriff darauf bezogen ist. Es ist daher 1) die einfache Kraft, welche 2) in das Dasein übergeht, die Äußerung der Kraft.
§14 Im Inneren ist der an der Erscheinung vorhandene Gegensatz der Bestimmungen aufgehoben, das heißt; zugleich aufbewahrt. Die Kraft hat also den Unterschied an“ ihr selbst; aber nicht als sinnliche Mannigfaltigkeit, sondern als einen in-
§14 Im Inneren ist der an der Erscheinung vorhandene Gegensatz der Bestimmungen aufgehoben, das heißt: zugleich aufbewahrt. Die Kraft hat also den Unterschied an ihr selbst; aber nicht als sinnliche Mannigfaltigkeit, sondern als einen in-
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3) Der Verstand
C. Der Verstand
§20
§17
Der Gegenstand hat nunmehr die Bestimmung erstens; eine schlechthin akzidentelle Seite, zweitens aber auch Wesentlichkeit und ein Bleibendes zu haben. - Das Bewußtsein, indem der Gegenstand für dasselbe diese Bestimmungen hat, ist der Verstand, dem die Dinge der Wahrnehmung als Erscheinungen gelten und der das Innere derselben betrachtet. §21 Das Innere der Dinge ist das an ihnen', was einesteils von der Erscheinung befreit ist, nämlich von ihrer Mannigfaltigkeit, welche ein gegen sich selbst Äußerliches ist; andernteils aber enthält es^ dieselbe als einen" in-
Der Gegenstand hat nunmehr die Bestimmung, a) eine schlechthin akzidentelle Seite, aber ß) auch eine Wesentlichkeit und ein Bleibendes zu haben. Das Bewußtsein, indem der Gegenstand für dasselbe diese Bestimmung hat, ist der Verstand, dem die Dinge der Wahrnehmung nur als Erscheinungen gelten und der das Innere der Dinge betrachtet. § 18 Das Innere der Dinge ist das an ihnen, was einesteils von der Erscheinung frei ist, nämlich von ihrer Mannigfaltigkeit, die ein gegen sich selbst Äußerliches ausmacht; andernteils aber das, was durch seinen Begriff darauf bezogen ist. Es ist daher: 1) die einfache Kraft, welche in das Dasein, die Äußerung, übergeht.
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Diktate 1808/09
neren Unterschied, und dieseb’ ist zunächst das Gesetz der Kraft. §15 Das Gesetz der Kraft ist das ruhige, allgemeine Abbild [der] Erscheinung.
Es^^ spricht zwar eine notwendige Beziehung seiner beiden verschiedenen [Seiten]“ aus; aber enthält diese Notwendigkeit nicht, sondern im Gesetz sind die Seiten desselben noch gleichgültig gegeneinander, und der Unterschied ist auf diese Weise noch kein innerer.
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neren einfachen Unterschied, der in aller jener sinnlichen Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der nämliche bleibt, und dieser ist zunächst das Gesetz der Kraft. §15 Das Gesetz der Kraft ist das ruhige, allgemeine Abbild der Erscheinung; es enthält dasjenige, was an der Erscheinung bleibend und allgemein ist. Sein Inhalt besteht aus zwei Bestimmungen und derem Verhältnisse, welches immer dasselbe bleibt. Es spricht zwar eine notwendige Beziehung seiner beiden verschiedenen Seiten aus; aber enthält diese Notwendigkeit selbst nicht, sondern im Gesetz sind die Seiten desselben noch gleichgültig gegeneinander, und der Unterschied ist auf diese Weise noch kein innerer. § [16b Die Allgemeinheit und Beständigkeit dieses Verhältnisses führt zwar auf die Notwendigkeit desselben, aber enthält sie noch nicht; sondern die im Verhältnisse stehenden Bestimmungen erscheinen im Gesetze noch als gleichgültig gegeneinander, oder ihr Unterschied voneinander ist noch äußerlich. §[17] Zur Notwendigkeit zweier Bestimmungen füreinander gehört, daß die eine unmittelbar im Begriffe der
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Ed. Rosenkranz §19
neren* einfachen Unterschied, der in aller jener sinnlichen Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit derselbe^ bleibt, das Gesetz der Erscheinung,
2) Die Kraft bleibt mit diesem Unterschiede in aller sinnlichen Verschiedenheit der Erscheinung dieselbe.
§22 Das Gesetz der Erscheinung ist ihr ruhiges, allgemeines Abbild; es ist ein Verhältnis von allgemeinen bleibenden Bestimmungen.
Das Gesetz der Erscheinung ist ihr ruhiges, allgemeines Abbild. Es ist ein Verhältnis von allgemeinen bleibenden Bestimmungen,
deren Unterschied am Gesetze zunächst ein äußerlicher ist.
Insofern dies Verhältnis die Notwendigkeit an ihm selbst hat, muß die eine der Bestimmungen unmittelbar im Begriffe der anderen liegen.
Die Allgemeinheit und Beständigkeit dieses Verhältnisses führt zwar auf die Notwendigkeit desselben, aber ohne daß der Unterschied ein an sich selbst bestimmter oder innerer wäre, in welchem die eine der Bestimmungen unmittelbar im Begriffe der anderen liegt.
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Diktate 1808/09 §16 Der Unterschied als wahrhaft innerer und^' einfacher ist der Unterschied an ihm selbst; aber diese reine Abstraktion heißt nichts anderes als der Unterschied, der ebensosehr keiner ist, das Unterscheiden des Ununterschiedenen oder das Nichtunterschiedensein des Unterschiedenen, §17 Das Bewußtsein, das nur ein solches Unterschiedenes, welches keines ist, zum Gegenstände hat, hat damit die bisherige Art seiner Gegenstände überhaupt“ verlassen; denn diese waren ihm“ etwas von ihm Verschiedenes™, Fremdes. Indem es aber das Unterschiedene, das kein Unterschiedenes ist, zum Gegenstände hat, fällt sein Unterschied vom Gegenstände hinweg, oder es hat sich selbst zum Gegenstand.
Überarbeitung 1809/10 anderen liegt. Auf diese Weise ist ihr Unterschied ein wahrhaft innerer und einfacher, oder es ist der Unterschied an ihm selbst; aber diese reine Abstraktion heißt nichts anderes als der Unterschied, der ebensosehr keiner ist, das Unterscheiden des Ununterschiedenen oder das Nichtunterschiedensein des Unterschiedenen. §[18] Dieser Begriff auf das Bewußtsein selbst angewandt gibt eine andere Stufe desselben. Bisher war dasselbe eine Beziehung auf seinen Gegenstand als auf ein Anderes, gegen es Fremdes und Gleichgültiges. Indem nun der Unterschied überhaupt zu einem Unterschiede geworden ist, der ebensosehr keiner ist, so fällt zugleich die bisherige Art des Unterschiedes des Bewußtseins von seinem Gegenstände hinweg; es hat seinen Gegenstand, bezieht sich auf ein Anderes, das aber unmittelbar ebensosehr kein Anderes ist, oder es hat sich selbst zum Gegenstände.
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Auf diese Weise ist ihr Unterschied ein wahrhaft innerer und einfacher, oder es ist der Unterschied an ihm selbst; aber diese Abstraktion heißt nichts anderes als der Unterschied, der ebensowohl keiner ist, das Unterscheiden des Ununterschiedenen oder das Nichtunterschiedensein des Unterschiedenen. §23 Dieser Begriff auf das Bewußtsein selbst angewandt gibt eine andere Stufe desselben. Bisher war es in Beziehung auf seinen Gegenstand als auf ein Fremdes. Indem nun der Unterschied überhaupt zu einem Unterschied geworden ist, der ebensosehr keiner ist, so fällt die bisherige Art des Unterschiedes des Bewußtseins von seinem Gegenstände hinweg. Es hat einen Gegenstand, bezieht sich auf ein Anderes, das aber unmittelbar ebensosehr kein Anderes ist, oder es hat sich selbst zum Gegenstand. §24 Oder unmittelbar: das Innere der Dinge ist der Gedanke oder der Begriff desselben; indem das Bewußtsein das Innere zum Gegenstände hat, hat es also den Gedanken oder ebensosehr seine eigene Reflexion und Form, somit überhaupt sich zum Gegenstände.
§20 Dieser Begriff, auf das Bewußtsein selbst angewandt, gibt eine andere Stufe desselben. Bisher war es in Beziehung auf seinen Gegenstand als ein Fremdes und Gleichgültiges. Indem nun der Unterschied überhaupt zu einem Unterschiede geworden ist, der ebensosehr keiner ist, so fällt die bisherige Art des Unterschiedes des Bewußtseins von seinem Gegenstände hinweg. Es hat einen Gegenstand und bezieht sich auf ein Anderes, das aber unmittelbar ebensosehr kein Anderes ist, oder es hat sich selbst zum Gegenstände. §21 Oder unmittelbar: das Innere der Dinge ist der Gedanke oder Begriff derselben. Indem das Bewußtsein das Innere zum Gegenstände hat, hat es den Gedanken oder ebensosehr seine eigene Reflexion oder Form, somit überhaupt sich zum Gegenstände.
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II.” Selbstbewußtsein”
II. Selbstbewußtsein §[19] Als Selbstbewußtsein schaut Ich sich selbst an; der Ausdruck dessen in seiner Abstraktion oder Reinheit ist Ich = Ich. §[20]
Die Bewegung und Ausbildung des Selbstbewußtseins hat die gedoppelte Seite; a) als reines Selbstbewußtsein Ich = Ich ist es ohne allen Inhalt; denn in diesem identischen Satze ist kein Anderssein, somit keine Bestimmung; seine Fortbildung besteht demnach darin, seiner Anschauung einen Inhalt zu geben, durch welchen jedoch die Gleichheit des Selbstbewußtseins mit sich nicht aufgehoben wird.
a. Anerkennung des Selbstbewußtseins §[2I]
§18 Das Selbstbewußtsein ist zuerst sinnlich und konkret und sich und anderem” Selbstbewußtsein als sinnliches“ und konkretes Gegenstand.
ß[)] Das Selbstbewußtsein, insofern es sich noch nicht bewegt und gebildet hat, ist unmittelbares oder seiendes Selbstbewußtsein und somit ein sinnliches und konkretes; nach dieser Seite hat es sich von seiner Sinnlichkeit zu befreien und zum reinen Selbstbewußtsein zu werden.
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II. Selbstbewußtsein
Zweite Stufe Das Selbstbewußtsein
§25
§22
Als Selbstbewußtsein schaut Ich sich selbst an, und der Ausdruck desselben in seiner Abstraktion oder Reinheit ist Ich gleich Ich oder Ich bin Ich. §26 Dieser Satz des Selbstbewußtseins Ich = Ich ist ohne allen Inhalt und Dasein; der Trieb des Selbstbewußtseins besteht darin, seinen Begriff zu realisieren und in allem sich das Bewußtsein seiner zu geben. Das Selbstbewußtsein ist daher tätig, einerseits das Anderssein der Gegenstände aufzuheben und sie sich gleichzusetzen, andererseits sich selbst dadurch Gegenständlichkeit und Dasein zu geben. Beides ist aber eine und dieselbe Tätigkeit.
Als Selbstbewußtsein schaut Ich sich selbst an, und der Ausdruck desselben in seiner Reinheit ist Ich = Ich oder: Ich bin Ich. §23 Dieser Satz des Selbstbewußtseins ist ohne allen Inhalt. Der Trieb des Selbstbewußtseins besteht darin, seinen Begriff zu realisieren und in allem sich das Bewußtsein seiner zu geben. Es ist daher 1) tätig, das Anderssein der Gegenstände aufzuheben und sie sich gleichzusetzen; 2) sich seiner selbst zu entäußern und sich dadurch Gegenständlichkeit und Dasein zu geben. Beides ist ein und dieselbe Tätigkeit. Das Bestimmtwerden des Selbstbewußtseins ist zugleich ein sich Selbstbestimmen und umgekehrt. Es bringt sich selbst als Gegenstand hervor.
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Überarbeitung 1809/10 §[22]
Nach der ersten Seite betrachtet ist das Selbstbewußtsein nur erst an sich oder in seinem Begriffe und hat sich als Selbstbewußtsein zu erfassen und zu setzen, daß es sich Gegenstand werde und zur Anschauung als eines Selbstbewußtseins gelange. Nach der anderen Seite findet es sich in das Dasein versenkt und muß dasselbe für sich selbst aufheben und sich die Gleichheit mit sich selbst geben. §[23] Beide Seiten, die erste die setzende, die zweite die aufhebende, sind unmittelbar miteinander vereinigt. Das Selbstbewußtsein setzt sich durch Negation des Andersseins und ist praktisches Bewußtsein. §[24] Wenn also im eigentlichen Bewußtsein, das auch das theoretische genannt wird, die Bestimmungen desselben und des Gegenstandes sich an sich selbst veränderten, so geschieht dies jetzt durch die Tätigkeit des Bewußtseins selbst und für dasselbe; es ist sich bewußt, daß ihm diese aufhebende Tätigkeit zukommt. (Das Bewußtsein ist auf sich selbst gerichtet.!)] §[25] Das Selbstbewußtsein hat in seiner Bewegung die drei Stufen a) der Begierde, insofern es
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§27 Wenn nun im eigentlichen Bewußtsein die Bestimmungen des Gegenstandes sich an sich selbst veränderten und aufhoben und das Bewußtsein dadurch bestimmt wurde, so geschieht das hier durch die Tätigkeit des Bewußtseins selbst und für dasselbe. Es ist sich bewußt, daß ihm dieses Aufheben der Bestimmungen des Gegenstandes zukommt. §28 Das Selbstbewußtsein hat in seiner Bewegung die drei Stufen: Erstens der* Begierde, insofern es
§24 Das Selbstbewußtsein hat in seiner Bildung oder Bewegung die drei Stufen: 1) der Begierde, insofern es
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Diktate 1808/09
Überarbeitung 1809/10 auf andere Dinge, ß) der das Anerkennen hervorbringenden Tätigkeit, insofern es auf ein anderes Selbstbewußtsein gerichtet ist, y) des allgemeinen Selbstbewußtseins, das in anderen Selbstbewußtsein sich selbst erkennt. a) Begierde
§[26] Im Begriff des Selbstbewußtseins liegt die Bestimmung des noch nicht realisierten Unterschiedes. Insofern dieser Unterschied überhaupt in ihm sich hervortut, hat es das Gefühl eines Andersseins in ihm selbst, einer Negation seiner, oder das Gefühl eines Mangels, ein Bedürfnis.
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Diktate 1811/12 auf andere Dinge; zweitens der das Anerkennen hervorbringden Tätigkeit, insofern es auf ein anderes Selbstbewußtsein gerichtet ist; drittens des allgemeinen Selbstbewußtseins, das in anderen Selbstbewußtsein sich, und zwar ihnen gleich, so wie sie sich selbst gleich erkennt.
1)
Ed. Rosenkranz auf andere Dinge; 2) des Verhältnisses von Herrschaft und Knechtschaft, sofern es auf ein anderes, ihm ungleiches Selbstbewußtsein gerichtet ist; 3) des allgemeinen Selbstbewußtseins, das sich in anderen Selbstbewußtsein, und zwar ihnen gleich, so wie sie ihm selbst gleich erkennt.
Die Begierde A. Die Begierde §25
§29 Im Begriffe des Selbstbewußtseins liegt die Bestimmung des Unterschiedes; insofern sich dieser Unterschied überhaupt dem Selbstbewußtsein hervortut, hat es das Gefühl eines Andersseins in ihm, einer Negation sein[er], oder das Gefühl eines Mangels, ein Bedürfnis.
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Beide Seiten des Selbstbewußtseins, die setzende und die aufhebende, sind also unmittelbar miteinander vereinigt. Das Selbstbewußtsein setzt sich durch Negation des Andersseins und ist praktisches Bewußtsein.^ Wenn also im eigentlichen Bewußtsein, das auch das theoretische genannt wird, die Bestimmungen desselben und des Gegenstandes sich an sich selbst veränderten, so geschieht dies jetzt durch die Tätigkeit des Bewußtseins selbst und für dasselbe. Es ist sich bewußt, daß ihm diese aufhebende Tätigkeit zukommt.’ Im Begriff des Selbstbewußtseins liegt die Bestimmung des noch nicht realisierten Unterschiedes. Insofern dieser Unterschied überhaupt in ihm sich hervortut, hat es das Gefühl eines Andersseins in ihm selbst, einer Negation seiner selbst, oder das Gefühl eines Mangels, ein Bedürfnis.
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Überarbeitung 1809/10 §[27] Dies Gefühl seines Andersseins widerspricht seiner Gleichheit mit sich selbst; die gefühlte Notwendigkeit, diesen Gegensatz aufzuheben, ist der Trieb. §[28] Die Negation oder das Anderssein stellt sich ihm als Bewußtsein als ein äußerliches, von ihm verschiedenes Ding dar, das aber durch das Selbstbewußtsein bestimmt ist, 1) als ein dem Triebe gemäßes, 2) als ein an sich Negatives, dessen"* Trennung von dem Selbst aufzuheben und in die Gleichheit mit ihm zu setzen ist. §[29] Die Tätigkeit der (sinnlichen) Begierde
hebt also das Anderssein des Gegenstandes, dessen Bestehen überhaupt auf und vereinigt ihn mit dem Subjekt, wodurch die Begierde befriedigt ist. (Brot und Wein) §[30] Die Begierde ist sonach 1) bedingt durch einen äußeren, gegen sie gleichgültig bestehenden Gegenstand oder durch das Bewußtsein; 2) ihre Tätigkeit bringt die Befriedigung nur durch Aufheben des Gegenstandes hervor; das Selbstbe-
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§30
§26
Dieses Gefühl seines Andersseins oder seiner Negation widerspricht seiner Gleichheit mit sich selbst. Die gefühlte Notwendigkeit, diesen Gegensatz aufzuheben, ist der Trieb.
Dies Gefühl seines Andersseins widerspricht seiner Gleichheit mit sich selbst. Die gefühlte Notwendigkeit, diesen Gegensatz aufzuheben, ist der Trieb.
§31 Die Negation oder das Anderssein stellt sich ihm als dem Bewußtsein dar, somit als ein äußerliches, von ihm verschiedenes Ding dar, welches aber durch das Selbstbewußtsein bestimmt ist. Nach dieser Bestimmung ist es ein an sich Negatives, dessen Trennung von dem Selbstbewußtsein aufzuheben und in die Gleichheit zu setzen ist. §32 Die Tätigkeit der Begierde (denn der Trieb des unmittelbaren Selbstbewußtseins ist die Begierde) besteht nun darin, den Gegenstand im Dasein als das zu setzen, was er an sich ist. Sie hebt also das Anderssein desselben und sein Bestehen überhaupt auf und vereinigt ihn mit dem Subjekte, wodurch die Begierde befriedigt wird.
Die Negation oder das Anderssein stellt sich ihm als Bewußtsein, als ein äußerliches, von ihm verschiedenes Ding dar, das aber durch das Selbstbewußtsein bestimmt ist; 1) als ein dem Trieb gemäßes und 2) als ein an sich Negatives, dessen Bestehen von dem Selbst aufzuheben und in die Gleichheit mit ihm zu setzen ist. §27 Die Tätigkeit der Begierde
hebt also das Anderssein des Gegenstandes, dessen Bestehen überhaupt auf und vereinigt ihn mit dem Subjekt, wodurch die Begierde befriedigt ist.
Diese ist sonach bedingt: 1) durch einen äußeren, gegen sie gleichgültig bestehenden Gegenstand oder durch das Bewußtsein; 2) ihre Tätigkeit bringt die Befriedigung nur durch Aufheben des Gegenstandes hervor. Das Selbstbe-
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Überarbeitung 1809/10 wußtsein kommt daher nur zu seinem Selbstgefühl, nicht zur Anschauung seiner Objektivität,
aber es liegt in dem Resultate der Begriff des mit Objektivität verbundenen Subjekts. b) Das Anerkennen §[31] Der Begriff des Selbstbewußtseins als eines Subjektjs], das zugleich objektiv ist, gibt das Verhältnis, daß für das Selbstbewußtsein ein anderes Selbstbewußtsein ist. §19 Das Selbstbewußtsein hat sein^“' Dasein darin^/ daß es von einem anderen als^^ Selbstbewußtsein anerkannt ist. Indem es aber in dem* konkreten Stoff versenkt ist, ist es
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§33 ln der Begierde verhält sich das Selbstbewußtsein zu sich selbst als einzelnes, es bezieht sich auf einen selbstlosen Gegenstand und auf denselben negativ.
Die Begierde ist überhaupt zerstörend. Es kommt daher in der Befriedigung derselben nur zu dem Selbstgefühl seines Eürsichseins als einzelnen/ das Resultat oder die Befriedigung ist der unbestimmte Begriff des objektiv gewordenen oder des mit der Objektivität verbundenen Subjekts.
§28 ln der Begierde verhält sich das Selbstbewußtsein zu sich als einzelnes. Es bezieht sich auf einen selbstlosen Gegenstand, der an und für sich ein anderer als das Selbstbewußtsein. Dies erreicht sich daher in seiner Gleichheit mit sich selbst in Rücksicht auf den Gegenstand nur durch Aufhebung desselben. Die Begierde ist überhaupt: 1) zerstörend; 2) in der Befriedigung derselben kommt es deshalb nur zu dem Selbstgefühl des Eürsichseins des Subjekts als einzelnen, dem unbestimmten Begriff des mit der Objektivität verbundenen Subjekts.
2) Das Anerkennen
B. Herrschaß und Knechtschaft
§34
§29
Der Begriff des Selbstbewußtseins als eines Subjekts, das zugleich Objekt ist, und eines Objekts, das zugleich subjektiv ist, gibt das bestimmtere Verhältnis, daß für das Selbstbewußtsein ein anderes Selbstbewußtsein ist.
Der Begriff des Selbstbewußtseins als eines Subjekts, das zugleich objektiv ist, gibt das Verhältnis, daß für das Selbstbewußtsein ein anderes Selbstbewußtsein ist.
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nicht als Selbstbewußtsein anerkannt, denn sein Wesen ist, in seinem verschiedenen Dasein nicht von sich unterschieden oder als Gegenstand freies Ich zu sein. §[32]
§20
Die Anerkennung des Selbstbewußtsein[s] besteht darin, daß jedes dem anderen dasselbe ist, was es selbst, und” eben dies, für das andere zu sein, weiß, somit* in dem von ihm Verschiedenen sich selbst anschaut.
Ein Selbstbewußtsein, das für ein anderes ist, ist nicht als bloßes Objekt für dasselbe, sondern als sein anderes Selbst. Ich ist eine abstrakte Allgemeinheit, in der kein Unterschied oder Bestimmung ist; indem also Ich dem Ich Gegenstand ist, ist es ihm nach dieser Seite als dasselbe, was es ist, es schaut sich selbst an. §[33] Diese Selbstanschauung im Anderen ist das abstrakte Moment der Dieselbigkeit beider; außer diesem aber hat jedes der Selbstbewußtsein zunächst auch das Moment, Objekt oder ein Anderes [zu sein], und es erscheint unmittelbar als ein sinnliches und konkretes Dasein. Das Selbstbewußtsein hat also für das andere die beiden Bestimmungen, reines Ich und Objekt zu sein.
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§35
§30
Ein Selbstbewußtsein ist für das andere: Erstens Ich. Ich aber ist abstrakte Allgemeinheit, die als solche keine Bestimmung oder Unterschied an ihr hat. Indem also Ich dem Ich Gegenstand ist, ist es ihm nach dieser Seite als dasselbe, was es ist. Es schaut sich selbst an. §36
Zweitens, jedes hat auch die Bestimmung, ein Anderes oder ein Objekt für das Andere zu sein, und erscheint insofern als ein unmittelbares, ein sinnliches und konkretes Dasein; drittens ist jedes absolut für sich und einzeln gegen das Andere und fordert, auch als ein solches für das Andere zu sein und ihm dafür zu gelten, seine eigene Ereiheit als eines Eürsichseienden in dem Anderen anzuschauen oder von ihm anerkannt zu sein.
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Ein Selbstbewußtsein, das für ein anderes ist, ist nicht als bloßes Objekt für dasselbe, sondern als sein anderes Selbst. Ich ist eine"* abstrakte Allgemeinheit, in der als solcher kein Unterschied oder Bestimmung ist. Indem Ich also dem Ich Gegenstand ist, ist es ihm nach dieser Seite als dasselbe, was es ist. Es schaut im Anderen sich selbst an. §31 Diese Selbstanschauung des einen im anderen ist 1) das abstrakte Moment der Dieselbigkeit. 2) Jedes hat aber auch die Bestimmung, für das andere als ein äußerliches Objekt und insofern unmittelbares, sinnliches und konkretes Dasein zu erscheinen. 3) Jedes ist absolut für sich und einzeln gegen das andere und fordert, auch für das andere als ein solches zu sein und ihm dafür zu gelten, seine eigene Ereiheit als eines fürsichseienden in dem anderen anzuschauen oder von ihm anerkannt zu sein. §32 Um sich als freies geltend zu machen und anerkannt zu werden, muß das Selbstbewußtsein sich für ein anderes als frei vom natürlichen
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§[34]
§21 Die unmittelbare Erprobung und Anerkennung desselben geschieht durch den Kampf auf Leben und Tod, worin jedes sich als frei vom sinnlichen Dasein erweist und somit das Andere nicht als seiendes'" Ding, nicht" als ein Fremdes, sondern sich darin erkennt"’.
ln jener Selbstanschauung ist das Ich unmittelbar für das Andere ein Ich; Ich ist absolute Gleichheit mit sich selbst, aber wesentlich nicht eine unmittelbare, sondern eine solche, die sich durch Aufheben des Andersseins oder der Objektivität dazu macht oder die sich darstellt als frei von ihrem sinnlichen Dasein.
§[35] Diese Darstellung seiner Freiheit von dem unmittelbaren Dasein ist selbst ein Dasein, aber ein negatives, und ist das wahre Dasein des Selbstbewußtseins. Es gibt sich dadurch zu erkennen, und nur indem es in seinem Dasein das ist, was es in seinem Begriffe ist, wird es anerkannt. §22 Dieses natürliche Anerkennen und Anerkanntsein aber ist unmittelbar verschwindend, indem der Beweis, den sie sich von der Negativität des sinnlichen Daseins, welche“" das Seihst ist, geben, erst durch ihr Aufhören vollendet wird und Freiheit vom sinnlichen Dasein, nicht die Freiheit in demselben darstellt.®
§[36] Das natürliche und unmittelbare Anerkennen ist in dem Familienverhältnisse vorhanden; in dem Vertrauen und der Liebe ist dem Selbstbewußtsein das andere dasselbe, was es ist, und so, daß sie von ihrer ursprünglichen Einheit ausgehen. Jedes ist seiner selbst nur im anderen bewußt und tut auf seinen Besitz und Eigenheit für dasselbe Verzicht.
Texte zu Hegels Nürnberger Phänomenologie
Diktate 1811/12
Ed. Rosenkranz
§37 Nach dem ersten Momente ist das Ich als solches für das andere ein Ich; die absolute Gleichheit des Ichs mit sich selbst ist aber wesentlich nicht eine unmittelbare, sondern eine solche, die sich durch Aufheben der sinnlichen Unmittelbarkeit des zweiten Moments dazu macht und sich damit auch für ein Anderes als frei vom sinnlichen Dasein darstellt;
diese Darstellung seiner Freiheit von® dem unmittelbaren Dasein ist selbst ein Dasein. In diesem zweiten negativen Dasein zeigt es sich seinem Begriffe gemäß und wird erst insofern anerkannt.
Dasein darstellen. Dies Moment ist so notwendig als das der Freiheit des Selbstbewußtseins in sich. Die absolute Gleichheit des Ich mit sich selbst ist wesentlich nicht eine unmittelbare, sondern eine solche, die sich durch Aufheben der sinnlichen Unmittelbarkeit dazu macht und sich damit auch für ein anderes als frei und unabhängig vom Sinnlichen.
So zeigt es sich seinem Begriff gemäß und muß, weil es dem Ich Realität gibt, anerkannt werden.
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UDO RAMEIL
Diktate 1808/09
Überarbeitung 1809/10
§23“ Indem das sinnliche Dasein so wesentlich zum Anerkennen gehört als jene abstrakte Freiheit und indem*' die Ungleichheit ist, daß dem einen Selbstbewußtsein das reine Fürsichsein, dem anderen aber das sinnliche Dasein das Wesentliche ist, entsteht das Verhältnis der*“ Herrschaft und Knechtschaft.
§[37] Das Anerkennen, welches von dem absoluten Fürsichsein der Selbstbewußtsein ausgeht, ist in dem Verhältnis der Herrschaft und Knechtschaft enthalten.
b. Herrschaft und Knechtschaft*“
Indem von zwei einander gegenüberseienden Selbstbewußtsein jedes [sich] als ein absolutes Fürsichsein gegen und für das Andere zu beweisen und zu behaupten und ebensosehr das andere frei zu finden strebt, tritt dasjenige in das Verhältnis der Knechtschaft, welches das Leben der Freiheit vorzieht und somit zeigt, daß es nicht fähig ist, durch sich selbst von seinem sinnlichen Dasein für seine Unabhängigkeit zu abstrahieren.
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Diktate 1811/12
Ed. Rosenkranz
§38
§33
Die Selbständigkeit ist die Freiheit nicht sowohl vom unmittelbaren Dasein, als vielmehr in demselben; das eine Moment ist so notwendig als das andere, aber sie sind nicht von demselben Werte; indem die Ungleichheit eintritt, daß dem einen von zwei Selbstbewußtsein, die zum gegenseitigen Anerkennen erst kommen sollen, die Freiheit gegen das Leben, dem anderen aber das Leben gegen die Freiheit als das Wesentliche gilt, so tritt
das Verhältnis der Herrschaft und Knechtschaft zwischen ihnen ein, oder überhaupt des Dienstes und Gehorsams, insofern durch das unmittelbare Verhältnis der Natur diese Verschiedenheit der Selbständigkeit vorhanden ist.
Aber die Selbständigkeit ist die Freiheit nicht sowohl außer und von dem sinnlichen, unmittelbaren Dasein, als vielmehr in demselben. Das eine Moment ist so notwendig als das andere, aber sie sind nicht von demselben Werte. Indem die Ungleichheit eintritt, daß dem einen von zweien Selbstbewußtsein die Freiheit gegen das sinnliche Dasein, dem anderen aber dieses gegen die Freiheit als das Wesentliche gilt, so tritt mit dem gegenseitigen Anerkanntwerdensollen in der bestimmten Wirklichkeit das Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft zwischen ihnen ein; oder überhaupt des Dienstes und Gehorsams, insofern durch das unmittelbare Verhältnis der Natur diese Verschiedenheit der Selbständigkeit vorhanden ist. §34 Indem von zwei einander gegenüberseienden Selbstbewußtsein jedes sich als ein absolutes Fürsichsein gegen und für das andere zu beweisen und zu behaupten streben muß, tritt dasjenige in das Verhältnis der Knechtschaß, welches der Freiheit das Leben vorzieht und damit zeigt, daß es nicht fähig ist, durch sich selbst von seinem sinnlichen Dasein für seine Unabhängigkeit zu abstrahieren.
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UDO RAMEIL
Diktate 1808/09
Überarbeitung 1809/10 §[38] Diese rein negative Freiheit, die in der natürlichen Abstraktion von dem Dasein besteht, entspricht dem Begriff der Freiheit des Selbstbewußtseins nicht, denn diese ist die Sichselbstgleichheit im Anderssein, teils die Anschauung seiner selbst in einem anderen Selbst, teils die Freiheit nicht vom Dasein, sondern im Dasein selbst; eine Freiheit, die selbst Dasein hat. Die Erhaltung des Lebens ist daher selbst wesentlich, und es tritt zunächst das Verhältnis ein, daß dem einen Selbstbewußtsein die Freiheit, dem anderen aber das Leben als das Wesentliche gilt; jenes ist der Herr, dieses der Knecht. §[39]
§24 Der Herr oder“ das Selbstbewußtsein, das seine Freiheit vom sinnlichen Dasein nicht an sich, sondern nur im Verhältnisse zu anderen“ bewährt hat, bleibt ein besonderer, auf seinen sinnlichen Zweck“ beschränkter Wille. Er schaut sein Selbst in dem“ anderen an und ist von diesem anerkannt; aber er ist“ nicht anerkennend, es ist ein gemeinsamer, aber kein allgemeiner Wille zustande gekommen.
Der Knecht ist selbstlos und hat zu seinem Selbst ein anderes Selbst; er schaut sich im Herrn so an, daß er sich in dieser Anschauung entäußert ist, oder sein Ich ist sich ein anderes, so daß hier das Ich als das seinige nur ein aufgehobenes ist. Der Herr hingegen schaut im Knechte sein Selbst an, so daß hier das andere Ich als ein aufgehobenes ist. §[40] Im Verhältnis der Familie wie auch in dem der Herrschaft und Knechtschaft ist eine Gemeinsamkeit vorhanden, wodurch die Tätigkeit für die Befriedigung der Begierde aufhört.
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Diktate 1811/12
Ed. Rosenkranz §35 Diese rein negative Freiheit, die in der Abstraktion von dem natürlichen Dasein besteht, entspricht jedoch dem Begriff der Freiheit nicht, denn diese ist die Sichselbstgleichheit im Anderssein, teils der Anschauung seines Selbsts im*’ anderen Selbst, teils der Freiheit nicht vom Dasein, sondern im Dasein überhaupt, eine Freiheit, die selbst Dasein hat.
§39 Der Dienende ist selbstlos und hat zu seinem Selbst ein anderes Selbst, so daß er im Herrn sich als einzelnes Ich entäußert und aufgehoben und sein wesentliches Selbst in ihm, aber als ein Anderes, anschaut. Der Herr hingegen schaut den Dienenden, das andere Ich, als ein aufgehobenes und seinen eigenen einzelnen Willen als erhalten an. §40 Außer diesem bestimmten Unterschiede des Herrn und des Dienenden ist überhaupt eine Gemeinsamkeit des Selbstbewußtseins vorhanden, durch welche die Tätigkeit für die Befriedigung der Begierde aufhört.
Der Dienende ist selbstlos und hat zu seinem Selbst ein anderes Selbst, so daß er im Herrn sich als einzelnes Ich entäußert und aufgehoben ist und sein wesentliches Selbst als ein anderes anschaut. Der Herr hingegen schaut im Dienenden das andere Ich als ein aufgehobenes und seinen einzelnen Willen als erhalten an.
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Diktate 1808/09
§25 Der Knecht hat ein fremdes Selbst in ihm und ist dessen äußerlicher Wille. Der Herr vermittelt sich durch diesen seinen äußerlichen Willen mit den Dingen®. Als der für sich seiende Wille verhält er sich gegen diese als verzehrende Begierden“; der Knecht aber als nicht für sich seiender Wille verhält sich in seiner Tätigkeit dagegen® als arbeitend und formierend. §26 Die Arbeit nach einem fremden Willen ist erstlich das Auflösen® der eigentlichen® Besonderheit desselben, zweitens eine Bearbeitung der Dinge oder eine solche negative Beziehung des Selbst auf sie, daß es zur“ Form der Dinge wird, die Gegenständlichkeit derselben erhält und sich selbst ein solches Dasein gibt.
Überarbeitung 1809/10 das bloß'’ Einzelne und Verzehrende zu sein; sie wird zur Arbeit, die für die gemeinsame Befriedigung sorgt und sich auf Erhaltung und Erwerb legt. §[41] Es ist nicht die Einheit seines und des anderen Willens, die der Herr im Knecht anschaut, sondern nur sein einzelner und Eigenwillen. Der Eigen[-1 oder Einzelwillen des Knechts hingegen löst sich überhaupt in der Furcht auf. Seine Arbeit zum Dienste eines Anderen ist eine Entäußerung seines tätigen Willens, auch zugleich als die Formierung der Außendinge durch die Arbeit, indem das Selbst dadurch seine Bestimmungen zur Form der Dinge macht und in seinem Werke sich als ein Gegenständliches anschaut.
§[42] Diese Entäußerung der Einzelheit des Selbsts ist eine höhere als die obige Entäußerung des bloßen sinnlichen Daseins; denn in derselben wird nicht die äußerliche, sondern die innerliche Unmittelbarkeit und Beschränkung aufgehoben; sie ist das Moment, wodurch das Selbstbewußtsein den Übergang dazu.
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Diktate 1811/12
Ed. Rosenkranz
das bloß Einzelne und Verzehrende zu sein. Die Tätigkeit des Dienenden wird zur Arbeit für die gemeinsame Befriedigung, und das Gebieten des Herrn wird zugleich zur Sorge für die Erhaltung und den Erwerb. §41
Der eigene und einzelne Willen des Dienenden, näher betrachtet, löst er sich überhaupt in der Eurcht des Herrn, dem inneren Gefühle seiner Negativität auf. Seine Arbeit für den Dienst eines Anderen ist eine Entäußerung seiner teils an sich als Willens; teils ist sie Formierung der Außendinge, indem das Selbst seine Bestimmungen zur Form der Dinge macht und in seinem Werke sich als ein Gegenständliches anschaut.
§42
§36
Der eigene und einzelne Willen des Dienenden, näher betrachtet, löst sich aber überhaupt in der Furcht des Herrn, dem inneren Gefühle seiner Negativität auf. Seine Arbeit für den Dienst eines Anderen ist eine Entäußerung seines Willens teils an sich, teils ist sie zugleich mit der Negation der eigenen Begierde die positive Formierung der Außendinge durch die Arbeit, indem durch sie das Selbst seine Bestimmungen zur Form der Dinge macht und in seinem Werk sich als ein gegenständliches anschaut. Die Entäußerung der unwesentlichen Willkür macht das Moment des wahren Gehorsams aus. §37
Diese Entäußerung der Einzelheit als selbstischen Bewußtseins ist
Diese Entäußerung der Einzelheit als Selbst ist
das Moment, wodurch das Selbstbewußtsein den Übergang dazu.
das Moment, wodurch das Selbstbewußtsein den Übergang dazu macht.
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UDO RAMEIL
Diktate 1808/09
Überarbeitung 1809/10 allgemeiner Willen zu sein, oder zur positiven Freiheit macht.
c. Allgemeines Selbstbewußtsein
Allgemeinheit des Selbstbewußtseins
§27^’
§[43]
Das Selbstbewußtsein geht von da zur Anschauung seiner selbst als eines“ an sich seienden und allgemeinen über und ist allgemeines oder denkendes Selbstbewußtsein.
Das allgemeine Selbstbewußtsein ist die Anschauung seiner als eines nicht besonderen, von anderen unterschiedenen, sondern des an sich seienden, allgemeinen Selbsts. Als ein solches anerkennt es sich selbst und die anderen Selbstbewußtsein und wird von ihnen anerkannt.
§28 Das allgemeine Selbstbewußtsein ist anerkannt und anerkennend, indem es“ seine Besonderheit aufgegeben hat und sich nur als an sich seiendes, somit als dem“ anderen Gleiches weiß; ebenso, indem es“ sich im“ Denken als das an sich Seiende erkennt, weiß es, daß seinem“ Gedanken als eines solchen“ das Wesen der Dinge gemäß ist. §[44] Als theoretisches ist das an sich seiende Selbstbewußtsein Denken, und sein Inhalt sind die allgemeinen und absoluten Bestimmungen und Gesetze der Dinge. §[45] Als praktisches ist das an sich seiende Selbstbewußtsein Gesetze gebend und“ im Wollen" und Han-
Texte zu Hegels Nürnberger Phänomenologie Diktate 1811/12 allgemeiner Wille zu sein, und zur positiven Freiheit macht.
Ed. Rosenkranz allgemeiner Wille zu sein, den Übergang zur positiven Freiheit.
3) Allgemeinheit des Selbstbeivußtseins
C. Allgemeinheit des Selbstbewußtseins
§43
§38
Das allgemeine Selbstbewußtsein ist die Anschauung seiner als eines nicht besonderen, von anderen unterschiedenen, sondern seiner als eines Selbsts, das an sich allgemein ist. So anerkennt es sich selbst und in sich die anderen Selbstbewußtsein und wird von ihnen anerkannt.
Das allgemeine Selbstbewußtsein ist die Anschauung seiner als eines nicht besonderen, von anderen unterschiedenen, sondern des an sich seienden, allgemeinen Selbsts. So anerkennt es sich selbst und die anderen Selbstbewußtsein in sich und wird von ihnen anerkannt.
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UDO RAMEIL
Diktate 1808/09
Überarbeitung 1809/10 dein nach seinen absoluten Gesetzen sich bestimmend.
III.“ Vernunft
III. Vernunft
§29
§[46]
Die Vernunft erkennt die Wahrheit, Die Vernunft ist die höchste Verindem die Wahrheit Übereinstimmung™ einigung des Bewußtseins und des des Begriffs mit dem Dasein ist, Selbstbewußtseins. die Bestimmungen der Vernunft ebensosehr unsere eigenen Gedanken™ sind als Bestimmungen des Wesens der Dinge. In der vernünftigen Betrachtung fällt daher der bisherige Unterschied des Bewußtseins und des Gegenstandes hinweg. In ihr
Sie ist die Gewißheit, daß ihre Bestimmungen ebensosehr gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge, als unsere eigenen Gedanken sind. In ihr fällt daher der bisherige Unterschied des Bewußtseins und eines Gegenstandes hinweg und
Texte zu Hegels Nürnberger Phänomenologie
Diktate 1811/12
Ed. Rosenkranz
§44
§39
Das Selbstbewußtsein ist sich nach dieser wesentlichen Allgemeinheit real, insofern es seinen Widerschein im Anderen anschaut und als einer geistigen Allgemeinheit, der Familien, Vaterland usf. angehörig, sich als Wesentliches selbst weiß.
Das Selbstbewußtsein ist sich nach dieser seiner wesentlichen Allgemeinheit nur real, insofern es seinen Widerschein in Anderen weiß (ich weiß, daß Andere mich als sich selbst wissen) und als reine geistige Allgemeinheit, der Familie, dem Vaterland usf. angehörig, sich als wesentliches Selbst weiß.
§45 Ein geistiges Gemeinwesen und allgemeine Gesetze überhaupt haben ein unmittelbares substantielles Dasein, welches nicht durch das einzelne Selbstbewußtsein gesetzt ist; sie sind insofern Gegenstand und Sein für das Bewußtsein, aber zugleich ein solches, worin es nur sein eigenes Wesen anschaut und weiß.
III, Die Vernunft
Dritte Stufe Die Vernunft
§46
§40
Die Vernunft ist die höchste Vereinigung des Bewußtseins und des Selbstbewußtseins oder des Wissens von einem Gegenstände und des Wissens von sich. Sie ist die Gewißheit, daß ihre Bestimmungen ebensosehr gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge, als unsere eigenen Gedanken sind. Sie
Die Vernunft ist die höchste Vereinigung des Bewußtseins und des Selbstbewußtseins oder des Wissens von einem Gegenstände und des Wissens von sich. Sie ist die Gewißheit, daß ihre Bestimmungen ebensosehr gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge, als unsere eigenen Gedanken sind. Sie
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Diktate 1808/09 ist ebensosehr'^ die Gewißheit meiner selbst als die Gegenständlichkeit enthalten.”
Überarbeitung 1809/10 ist ebensosehr die Gewißheit meiner selbst, Subjektivität, als das Sein oder die Objektivität enthalten. §[47] Oder was wir durch die Vernunft einsehen, ist 1) ein Inhalt, der nicht bloß in unseren bloßen Vorstellungen oder Gedanken besteht, die wir uns für uns machten, sondern der das an und für sich seiende Wesen der Gegenstände enthält und objektive Realität hat - und 2) der für das Ich kein Fremdes, kein Gegebenes (Autorität, Glauben!)] ist, sondern von demselben durchdrungen und sich angeeignet oder von ihm erzeugt ist. §[48] Das Wissen der Vernunft ist daher nicht bloße subjektive Gewißheit, sondern auch Wahrheit, weil die Wahrheit in der Übereinstimmung der Gewißheit und des Seins oder der Gegenständlichkeit besteht.
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Diktate 1811/12 enthält ebenso die Gewißheit seiner selbst, Subjektivität, und das Sein oder die Objektivität in einem und demselben Denken. §47 Oder was wir durch die Vernunft einsehen, ist erstens ein Inhalt, der nicht in unseren bloßen Vorstellungen oder Gedanken besteht, die wir uns für uns machen, sondern der das an und für sich seiende Wesen gegenständlich enthält und objektive Realität hat und zweitens der für das Ich kein Fremdes oder Gegebenes, sondern von ihm durchdrungen, sich angeeignet und darin ebensosehr von ihm erzeugt ist. §48 Das Wissen der Vernunft ist daher nicht die bloße subjektive Gewißheit, sondern auch Wahrheit; denn Wahrheit besteht in der Übereinstimmung oder vielmehr in der Einheit der Gewißheit und des Seins oder der Gegenständlichkeit.''
Ed. Rosenkranz ist ebensosehr die Gewißheit seiner selbst, Subjektivität, als das Sein oder die Objektivität in einem und demselben Denken. §41 Oder was wir durch die Vernunft einsehen, ist: 1) ein Inhalt, der nicht in unseren bloßen Vorstellungen oder Gedanken besteht, die wir uns für uns machten, sondern der das an und für sich seiende Wesen der Gegenstände enthält und objektive Realität hat und 2) der für das Ich kein Fremdes, kein Gegebenes, sondern von ihm durchdrungen, angeeignet und damit ebensosehr von ihm erzeugt ist. §42 Das Wissen der Vernunft ist daher nicht die bloße subjektive Gewißheit, sondern auch Wahrheit, weil Wahrheit in der Übereinstimmung oder vielmehr Einheit der Gewißheit und des Seins oder der Gegenständlichkeit besteht.'
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Textkritischer Apparat zur ersten Spalte (Diktate 1808/09) 1 Harv.: macht Hoffm.: [macht] 2 Harv.: darbiete 3 Harv.: in der Hoffm.: in 4 Ms.,’ zu folgt gestr. unleserliches Wort Harv.: zu ihm bestimmt 5 Harv.: I. Das Be-wußtsein überhaupt 6
7
Hoffm.: Harv.: a) Sinnliches Bewußtsein Harv.: unterschieden Harv.: das Harv.: anderes, und was
45 In Harv. folgt nicht gestr., nicht diktierter Text (Hoffm.: §§ [23-25]), 46 Diktatvorlage ist offenbar nicht der letzte, nicht gestr. Entwurf in Harv. (Hoffm.: § [26]), sondern der erste, gestr. Entwurf (N. Sehr. S. 22/22 n 4); darin lautet der Anfang: Indem
das sinnliche Dasein so wesentlich zum Anerkennen als das reine Fürsichsein gehört und die Ungleichheit ist 47 Ms.: in dem 48 Harv.: der Hoffm.: von (N. Sehr.
8 9 S. 21/22 n 4) 10 Ms..’Sinnlichen- Hflri;.,’sinnlichen 49 Harv.: b) Hoffm.: b) [Herrschaft und 2 2 Harv.: oder Kategorien Hoffm.: Knechtschaft] In Harv. folgt nicht gestr., 22 Harv.: sowohl Hoffm.: nicht diktierter Text (Hoffm.: § [27]). 23 Harv.: als auch Hoffm.: aber 50 Harv.: 24 Ms,; gefaßt Harv.: befaßt 51 Harv.: nur im Gegensätze gegen den 15 Harv.: Anderen 16 Harv.: 52 Harv.: seine sinnlichen Zwecke 27 Harv.: c. Der Verstand 53 Harv.: Es schaut denselben oder sein 18 Harv.: Bestimmung, nur Selbst im 29 Hoffm.: [zu sein] Harv.: 54 Harv.: aber ist Hoffm.: aber 20 Harv.: Erscheinung Hoffm.: Erscheinungen 55 Ms,.’ dem Ding 22 Ms.: einenteils Harv.: einesteils 56 Harv.: Begierde 22 Harv.: frei, aber andernteils 57 Harv.: verhält sich dagegen 23 Harv.: in 58 Harv.: Abtun 24 Harv.: Unterschied; dieser 59 Harv.: eigenen 25 Harv.: der Erscheinung, und es 60 Harv.: sie, welche zur 26 Harv.: unterschiedenen Seiten 61 Diktatvorlage ist nicht die in Harv. gestr. 27 Harv.: oder Fassung (Hoffm.: § [31]), sondern die von 28 Harv.: seiner Gegenstände überhaupt Hoffm. (N. Sehr. S. 27 n) abgedruckte Hoffm.: der Gegenstände „Variante". 29 Ms,.’ ein Harv.: ihm 62 Harv.: 30 Harv.: Unterschiedenes 63 In Harv. daneben eine nicht diktierte 32 Harv.: - Hoffm.: [B] Randnotiz, die Hoffm. in den Text des § [32] 32 Harv.: Selbstbewußtsein integriert: lebendiger Geist, Allgemeinheit, Hoffm.: [Selbstbewußtsein] die zugleich Individualität ist 33 Harv.: einem anderen 64 Harv.: den 34 Harv.: ein solches sinnliches 65 Harv.: 35 Harv.: - Hoffm.: ein 66 Harv.: im (?) Hoffm.: ein 36 Harv.: dadurch 67 Harv.: seinen (?) Hoffm.: seinem 37 Harv.: ~ 68 Harv.: als eines solchen Hoffm.: als [dem] 38 Harv.: den eines solchen 39 Harv.: 69 Harv.: III. Hoffm.: C. 40 Harv.: und somit 70 Harv.: die Übereinstimmung 42 Harv.: ein seiendes 72 Harv.: aber ebensosehr eigene Gedanken 42 Harv.: somit nicht 72 Harv.: hinweg; es ist darin ebensosehr 43 Harv.: anschaut 73 Im Ms. folgt der Übergang zur Logik (vgl. Hoffm.: § [34]), 44 Harv.: welches
Texte zu Hegels Nürnberger Phänomenologie
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Textkritischer Apparat zur zweiten Spalte (Überarbeitung 1809/10) 1 2 3 4
Ms.; gefaßt Ms.; einenteils Ms.; ist besteht § [16] soll wohl den zweiten Teil des § 15 ersetzen.
5 6 7 8 9
Ms,; und dessen Ms.; bloß bloße Ms,; auf für Ms.; und sich Ms.: Wollen zuvor gestr.: Wollen
Textkritischer Apparat zur dritten Spalte (Diktate 1811/12) 1 2 3 4 5
Ms.; ihm Ms.; sie Ms.; ein Ms.; ihnen Ms.; derselben (vgl. § 14 für 1809/10: der nämliche)
Ms.; die Ms.; einzelnes Ms.; mit Im Ms. folgt: Zweiter Teil / Die Lehre von dem Geiste
Textkritischer Apparat zur vierten Spalte (Ed. Rosenkranz) 1
vgl. N. Sehr. S. 122: Ein Blatt zur Geisteslehre § 1 2 Zu diesem ersten Absatz vgl. § [23] für 1809/10 3 Zu diesem zweiten Absatz vgl. § [24] für 1809/10 bzw. § 27 der Diktate von 1811/12 4 Ros.: keine (vermutlich Lesefehler; vgl. Überarbeitung 1809/10)
5 Ros.: Diesselbigkeit 6 Ros.: in Hoffm.: im (vgl. § [38] für 1809/10: in einem) 67 Ros. druckt die folgende Psychologie nur innerhalb des Enzyklopädie-Kurses ab (s. Werke Bd. 18 S. XV).
NATHAN ROTENSTREICH (t)
SUBLATION AND REFLECTION
Sublation is the generally accepted English translation of the original German Aufhebung.
I. Elegel himself pointed out the possibility of taking advantage of thaf which is inherent in every-day language and which can be a point of departure for a philosophical System. In established language the term sublation has a double connotation, namely, both negating and preserving.i Hegel calls the position of being sublated an ideal one and in this sense, it becomes one of the important philosophical concepts. That which is negated does not turn out to be a nothing. Only the immediate position, and that which is the nothing is essentially the immediate is negated. That to which it is sublated is the mediated. It is the result which Starts off from a being. It has the determination out of which it comes back in itself. Again, if that which is sublated is at the same time the conserved or preserved, it becomes clear that only immediacy is lost; but it is not annulled. The significant point is that Hegel, in describing this use of the term sublation and introducing the philosophical terms of immediacy and mediation, also speaks about the speculative spirit of language. This spirit goes beyond the distinction between either and or, and significantly enough, Hegel characterizes that distinction as belonging to underStanding, (verständig).^
1 Phänomenologie des Geistes. In: G. W. F. Hegel's Werke. Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten. Berlin 1832—1845. Vol. II. 86. — The references are to that edition (= Werke). 2 Encyklopädie, I. Werke. VI. 261.
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NATHAN ROTENSTREICH
II. Interpreted in a broader sense, it can be said that the advantage he takes of the expression Aufhebung epitomizes Hegel's understanding of language. Language is the existence of the spirit aware of itself.3 Since language is the work of thought, nothing can be said in it which is not general or universal.^ Hegel also uses a metaphorical expression, namely, that language is the body of thinking.s At the same time, he calls language a perfect expression of the spirit.^ Here and there he introduces additional components to language, like sensations, intuitions, representations, understanding. But these components — to use the term we are discussing — are meant to be sublated in the Position of language as the perfect expression of the spirit. There is a relationship between that position of language and the general or the universal expressed in language.
III. In terms of the chronological development of Hegel's System, let us point out that in his early theological writings he already speaks about infinite life as the spirit of the whole, and at the same time as a living being outside itself. When that infinite life puts itself outside its restricted seif in rising toward the living being and intimately uniting itself with it, then it worships God.^ The reference to the religious attitude is apparently grounded in that relation between the finite and the infinite, because human beings elevate themselves in worship, though they do not reach the level of God. Hegel considered mysticism as the highest manifestation of religion; mysticism is grounded in the Union between man and God from man's point of view. Indeed, in his interpretation of philosophy already present in his early writings, Hegel says that philosophy has to stop short of religion, because it is a process of thinking. As such, it implies an Opposition or polarity to non-thinking as well as the Opposition or polarity between the thinking mind and the object of thought. Philosophy should disclose the infiniteness in all finite 3 Phänomenologie des Geistes. Werke. II. 491. t Encyklopädie, I. Werke. VI. 36. 5 Ibid. Encyklopädie, Ul. Werke. VII,2. 240. 7 Ibid. 306.
Sublation and reflection
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things and require their Integration by means of reason. In religion, the elevation of the finite to the infinite is characterized as the elevation of finite life to infinite life.® Yet, in his developed System, Hegel no longer adhered to the distinction between religion and philosophy. He did not consider philosophy only as providing integration by means of reason, for he assumed the identity of reason and being. Religion is interprefed as a Step towards philosophy, implicitly presenting that which philosophy formulates conceptually. Thus we may put it as follows: In his developed System, Hegel tried to present philosophy as a conceptual integration of that which is integrated in religion, and thus, sublating religion to the posihon of philosophy, overcoming the representational aspect of religion and preserving the notion and the trend of identity inherent in it.
IV. We may go a step further in presenting the relation between the linguistic expression and the systematic philosophical one by considering some aspects of speculation. The principle of speculafion is the identity of the subject and object.^ To speculation, the finitudes are the radiations of the infinite focus. The focus is in the finitudes and they are posited in the focus. Hence, the Separation of the subject and the object is to be sublated.i*’ The speculation is the conception of the unity in the Opposition. It is the task of speculation to conceive of all objects of pure thought, of nature and of the spirit in the form of thought, and therefore as a unity of the distinctions.^i What is inherent in language and in the notion of sublation becomes a programmatic component of speculation as identical with philosophy. In his philosophy of the absolute spirit, Hegel did not present language as one of fhe sfages of the spirit, such as art, religion and eventually philosophy. Yet we could say that language must be understood as the external manifestation of the absolute spirit. Seen as the speculative or as the positive, it has a rational (vernünftig) meaning as the spiritual and in this sense the philosophical in the proper sense of thaf term.^2 yhig ig go because the 8 Ibid. 307. ^ Phänomenologie des Geistes. Werke. II. 26. 10 Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems. Werke. I. 196, 172, 176. 11 Vorlesungen über die Geschichte der Religion, I. Werke. XI. 12 Ueber den Vortrag der Philosophie auf Universitäten. Werke. XVII. 351.
66
NATHAN ROTENSTREICH
speculative is identical with the positive-rational approach. As such it conceives the unity of the determinations in their oppositions and, at the same time, also in their dissolution and thus in their transition from one to anotherd^ In this sense, speculative thinking contains in itself the objects and what Hegel describes as their developmentd^ Speculative phUosophy is the consciousness of the idea, that is to say that everything is conceived as idead^ This speculative element is identified with the speculative element inherent in religion, or with what is called the mystery of religiond^ Hegel sums up the essence of the speculative by saying that it places before itself the Opposition and its dissolutiond^ It goes without saying that two major concepts in Hegel's philosophy should be seen in that context, namely that of thought (Gedanke) and that of spirit (Geist). The truth of thought is not that it is concrete and in this sense posited as dual. The two aspects of the duality are determinations of thinking, and their unity should be conceived as the idea. In philosophy, thought is the universal as content, which is the whole being.i® Essentially, thought does not refer to something outside itself. At this juncture, Hegel refers to PLATO who conceived of thought as the essence of the universe.^^ Concurrently, the spirit is the real essence, carrying itself and thus it is absolute.What is characteristic of the spirit is unity and alienation (Entfremdung)^^ and indeed, the employment of the term alienation points to the development of the spirit itself which, positing something outside itself, is its own self-determination which eventually is to be sublated within itself. The spirit is the knowing of itself in its externalization.22 This view enables Hegel to bring into the context of the spirit the aspect of freedom, since freedom is that which is in itself by being in the other.23 At the same time, it belongs to the concept of the spirit to sublate the externality.24 To the essence of the spirit belongs the aspect of self-reflection which amounts to being for
Encyklopädie, I. Werke. VI. 156. Encyklopädie, III. Werke. VII,2. 9. 'S Vorlesungen über die Philosophie der Religion, I. Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Phänomenologie des Geistes. Werke. II. 329. 21 22
Ibid. 365. Ibid. 564.
23 Encyklopädie, I. Werke. VI. 14. 2“* Encyklopädie, III. Werke. VII,2. 18.
Werke. XI. 23. 16. I. Werke. XIII. 95. III. Werke. XV. 656. I. Werke. XIII. 110. II. Werke. XIV. 109.
Sublation and reflection
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itselps and thus not to ignoring reality but being identical with it. The spirit is both infinite and finite.Thus self-knowledge or reflection is inherent in that identity and is not beyond or above it. We shall consider now at least one systematic aspect of Hegel's philosophy: the sublation of the objective spirit in the absolute spirit. This is not the only aspect to be considered, but it seems to us that it may lead us to a critical analysis of Hegel's concepfion.
V. The characteristic quality of the spirit is the absolute real essence which carries itself.^7 In this context we should stress the aspect of being real, that is to say present as reality in its different realms and components. In this sense the externality eventually sublated is characteristical of the spirit as is its externality.As externality, the spirit carries with itself the aspect of finitude and that aspect again is to be sublated. The objective spirit is the absolute idea but only as being in itself. The objectivity which is attributed to one of the manifestations of the spirit Stands opposite to the concept.^i The realm of objective spirit comprises different manifestations which can be characterized as events or structures, that is to say, as history, law and state. History is the spirit externalizing itself in time.^^ In this sense, the process of hisfory is fhat of becoming. Hisfory is an intermediate stage towards self-knowledge. As the process of the spirit, it Starts off with the consciousness which is concealed in order to reach the standpoint of the free self-consciousness.33 The aspect of externality is present also in the domain of law, since law (Recht) is the relation of human beings fo each other in so far as they are absfract persons. The characteristic of the state is the society of human beings under lawful conditions.34 The state is the
25 25 22 28 29 30 31 32 33 3'*
Ibid. 30. Ibid. 39. Phänomenologie des Geistes. Werke. II. 329. Encyklopädie, Ul. Werke. VII,2. 18.
Ibid. 7. Ibid. Wissenschaft der Logik, II. Werke. V. 178. Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems. Werke. I. 41. Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, III. Werke. XV. 103. Philosophische Propädeutik. Werke. XVIII. 195 ff.
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reality of the ethical idea^S; in this context we should emphasize the component of reality as externality. The state is the world which the spirit has made itself. It is involved in the determinate and real process.^^ The state is the spiritual idea in the externality.^7 The emphasis laid on externality in the realm of objective spirit and its manifestations points to the architectonic aspect, that is to say, that we are concerned with that which is objective and not absolute. The essence of the absolute realm is the identity of identity and non-identity. Both Opposition and unity are characteristics of the absolute.One of the expressions of thaf identity is the unity of freedom and necessity.39 The explication of the absolute is its own deed and that which begins with it is also its end.'**’ It is the content of the absolute to manifest itself. Essentially, there is an identity of the absolute and the spirit and thus whatever is a manifestation is sublated in the absolute spirit as the self-conscious infinite Creative spirit.^2 Since the objechve spirit is also a partial manifestation, its sublation in the absolute spirit is the absorption of the manifestation accompanied by reflection. Thus, Hegel does not distinguish in the end between the manifestation and the reflection referring to it. The unity is that of knowledge and manifestation. Thus, unity has to be both ontological and cognitive. Manifestation as objective spirit is to be sublated in Cognition and therefore the objective spirit is only transitional, in order to be absorbed, i. e. sublated, in the absolute spirit.
VI. At this point, we must make some critical comments on Hegel's Position. To Hegel, reflection finds something which is immediate and goes beyond it.^^ Reflection is not the unity of opposite determinations of thinking.44 It is the activity of recognizing the oppositions without 35 Grundlinien der Philosophie des Rechts. Werke. VIII. 241. 36 Ibid. 353. 3^ Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. Werke. IX. 58. 33 Differenz des Fichteschen und Scheinngschen Systems. Werke. I. 252. 39 Ibid. 264. '*0 Wissenschaft der Logik, I. Werke. IV. 189. « Ibid. 193. « Encyklopädie, III. Werke. VII,2. 32. ^3 Wissenschaft der Logik, I. Werke. IV. 18. ** Vorlesungen über die Philosophie der Religion, I. Werke, XI. 23.
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attaining their penetrating unity.^s Since Hegel attempted to reach the level where both awareness qua reflection and unity of being are present, he eventually tried to sublate reflection in the absolute spirit. Hence, as the ideal ot cognition, he posited the ontological unity accompanied by reflection without assuming that reflection as such can he the adequate cognition ot that which is real. The direction towards Integration ot manitestations and cognition guides his view or, to put it ditterenfly, sublation must he both ontological and reflective. Thus, manitestations are only transitional, and the absolute position is meant to absorb into itselt both the ontological component and the cognitive one. We can be engaged in the cognition ot history as an ongoing process without assuming that it will reach its goal. The goal may be cognition ot that which exists, without assuming that that cognition reaches the absolute level ot the unity ot that which exists and that which knows existence. To put it ditterenfly, we see that Hegel's emphasis on unity as a comprehensive sphere that also comprises reflection leads him on the one hand to consider manitestations as transitional, and on the other, to be dissatisfied with cognition as a synoptic attitude or assertion which as such cannot be considered as sublated in the ontological realm. We must come back to the synoptic component ot a philosophical System which as such remains a synopsis, that is to say a comprehensive regard, without assuming the integration ot the regard in a sublated reality which is meant to be both a synopsis and a comprehensive reality. The very distinction or ditterentiation between manitestations and their synoptic recognition leads to an ultimate synthesis which is meant to be both reality and cognition. Still, we may distinguish between the two and thus not sublate manitestations in the absolute realm and not integrate reflection in the ultimate synthesis ot reality and synopsis. The very concept ot absoluteness can be questioned because as such it points to that which is outside the boundaries ot manitestations as such, reality as such and the philosophical comprehension ot the two. Even when we look at the manitestations as such, that is to say, pointing to the underlying spirit expressed or externalized in them, we are not bound to reach the conclusion that the ultimate realm is that ot sublating externalization. Externalization can be recognized without assuming that it is overcome.
« Ibid. 199.
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We conclude that reflection cannot replace sublation because the synoptic approach cannot be understood as sublating reality, but as recognizing it. One of the consequences of a critical approach to sublation is that history can go on as a process, that is to say, it is not bound to be integrated in the realm of absolute spirit. Reflection can refer to history, without absorbing it.
VII. Before going on to further aspects regarding the relation between spirit and its externalization, some additional comments on the very concept of sublation are in Order, ln a sense it could be said that sublation is a method designed to lead to a certain cognitive goal. But in Hegel's conception, there is no distinction between the method and the content.46 The method itself is a development of reason“*^ and in this sense is identical with content. There is no distincfion between the explication, which is the very position of externalization, and the subject matter.48 Sublation is the explication of fhe process characferisfic of the underlying integration of being and reason making that integration more and more explicit until it reaches the identity between being and reason in its formulated mode. Still, granting all these characterizations of sublafion as regards fhe identity of being and cognition inherent in speculation, we cannot disregard the corollary basic aspect, namely that in that process there is an affirmation of the state of affairs, including the state of affairs imbued with identity between being and reason. This identity is to be assessed. As such it calls for the presence of cognitive acts engaged in that assertion. Sublation as meant to lead to the explicit synthesis, implies in itself what can be called fhe superiority of cognition. As a matter of facf, the employment of the term speculation, though meant to express the identity between being and knowledge, makes that superiority explicit. Therefore, the synthesis is there, but so is its reflection. Considering the realm of objective spirit and its manifestations, it should be said that Hegel explicated the structural aspect of the Wissenschaft der Logik, I. Werke. III. 60. Differenz des Lichieschen und Schellingschen Systems. Werke. I. 200. '*8 Vorlesungen über die Philosophie der Religion, I. Werke. XI. 59.
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objective spirit and not the events inherent in it, let alone the relation between reflections of persons as individuals and the structure of the Orbit. Even when historical events are located in the comprehensive realm of objective spirit — and this applies also to events in the sphere of state or law — particular events exist. They have their own position, for instance, their position in time, and it makes a historical difference, i. e. whether an event occured in the fourteenth or in the eighteenth Century. The synthesis between time and meaning, characteristical of history, is present in every historical event. Therefore it is impossible to abstract from the particular events and to assess only the structure of the objective spirit. That structure may be of a continuous presence, but the events will go on within that structure and will not become obsolete or reach a pseudo ending. The constancy of the structure does not prevent the continuous aspect of the process and the occurrences in it as such. Therefore, even when sublation is assumed, it may apply to the structure of the objective spirit, but not to that which fills that structure as events in their particularity. In this sense, we do not have to decide whether only particularity is characteristic of the events, or whether the sphere has a structure. Still, the two aspects may be co-existent; the structure cannot overshadow the processual character of history. Events will go on even when we discern their structure. Again, sublation can be applicable to the structure but not to the content or contents present in that structure. Hence, reflection and even speculation have to take into consideration the components' duality and not be led astray by the component of structure that makes the events secondary and their characteristic synthesis of time and meaning, including locus. Because Hegel tried to establish the unity of being and reason, he apparently thought that becoming has to be sublated in being and thus in reason, without leaving room for reflection on becoming as a component not sublated in being. Becoming as a process is for him only a transitional stage to the high synthesis between being and reason. But if we conceive of reason as a comprehensive underlying attitude, its direction cannot be dictated, or put otherwise, if we take into consideration the synthesis in the total sense, the partial manifestations within the process as such cannot be disregarded. If totality is to be applied to the identity between reason and being, it cannot call for a subservient position of the partial syntheses exhibited in the events of the process. Even when, problematic as this may be, we grant the absolute position of philosophy, as Hegel understood it, we cannot follow his conception
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that that position leads to the Integration of events by making them secondary.
VIII. To be sure, the conception that philosophy, as Hegel metaphorically describes it, is to paint the grey in grey, or to resemble Minerva's owl, can be understood, though not textually, as presenting a grey perspective; however that perspective is not bound to have a corollary in the process as such. The detachment of reflection from its subject-matter does not call for the elevation or sublation of events to the level of philosophical reflection. There is bound to be a kind of Separation between the course of events as such and philosophical reflection. That reflection can assume that events will go on even when they are separated from the outlook referring to them. What we find in all these aspects is the ontologization of reflection, that is to say, that reflection has to be imbued with the rhythm of that which belongs to being, though in a sense it is always in the air, referring to objects and not identical with them; and pari passu, the objects are not identical with reflection. For Hegel, the process is only an intermediate position. Yet if we take the process as part or an essential ingredient of reality, its rhythm must be asserted as such, as the structure of reflection has to be maintained as such. The difference is not between reason as identical with being as an ideal, or that identity as realized and accomplished; it is between positions and their inherent character on the one hand and the synopsis on the other.
IX. Before dealing with some aspects of the subjective spirit, let us make a comment on the shift, i. e. sublation from the subjective to the objective spirit. Within the structure of the objective spirit, consciousness of personal human beings relating to history, law and state is an essential factor. Even when there is a constant structure, objectified in the state and in the law, if there is no intentional relation of actual human beings to that structure, both the state and the law become archeological relics and do not guide human beings' actual behaviour and existence. There is the aspect of acknowledging the structure, of accepting if, even
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willy-nilly. There is the component of the referential attitude of concrete human beings and they cannot be sublated in the structure as such. Because of the effect of the notion of sublation, the corollary aspect in this sense, that of the attitude of concrete human beings, becomes apparently less than secondary because it is placed within the orbit of subjective spirit. The supposed integration comes down to the Separation between components of correlation, because correlation, being a structure in itself, cannot be integrated into another structure, in our case, that of the objective spirit. The distinction between spheres cannot be made secondary, even when the sublation is presented as both negating differences and preserving them. The basic issue is therefore whether preservation is possible when a fundamental aspect like the correlation between the consciousness of individuals and the structure to which that consciousness refers, is posited as secondary precisely by the method and process of sublation. Hegel seems to have thought that to elevate a structure is to acknowledge it. After all, preservation or Conservation are meant to maintain and not to abolish. We are bound to notice that there are limits to that elevation because structures outside the position of being lifted up, have to be preserved and not suppressed. Some comments on the position of subjective spirit which is the first stage in the process and thus calling, as it were, for sublation, will add to these points of criticism.
X. Sublation is the procedure and the process of making explicif that which is implicit in the phenomenon considered. Hegel connected this procedure of explication with the relation pertaining between that which is immediate and that which is mediated. Still some of his sfatements on that issue are perhaps ambiguous. He says that immediacy has a contradictory meaning because it is both the quietude in the consciousness of nature and the restless self-consciousness of fhe spirit.'*^ Concurrently the spirit is not immediate since only the natural things are immediate.™ Immediate is being in general, that is to say, the relation to itself, which is a simple one.^i As a matter of fact, there is no Phänomenologie des Geistes. Werke. II. 359. ■W Vorlesungen über die Philosophie der Religion, I. Werke. XI. 351. 51 Ibid. 158.
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immediacy in the phenomenon since immediacy is present only when we do not have the consciousness of mediation; but the immediate is essentially mediated.52 There are grades of mediation and reason is mediation with itself.^s This is so because there is no realm outside or beyond reason. Hence its relations are within itself. To express it another way, reason is related to the infinite and the infinite is that which is beyond all limits. Mediation is but the moving equality in itself. Thinking is the work of mediation, and that work is the observation of moving out of finitude.^^ Yet, Hegel did not remain content with this emphasis on mediation in thinking and knowledge, because of the additional aspect of sublation. That which is sublated is elevated to another orbit or realm. In this sense, it becomes obsolete or enclosed in itself, and this enclosure is overcome by the realm with which our original realm becomes integrated. This pertains to the relation between the objechve spirit and the absolute one, as we saw above. The Identification of the objective spirit does not leave it in its orbit but elevates it to the realm of the absolute spirit by integrating it. Thus the objective spirit exhausts itself as an expression or an externalization and reaches its end. As we have already observed, Hegel does not deal with the Position of language, which accompanies all the Statements expressing itself in them and thus remains a realm of expression which cannot be sublated. The distinction between langue and parole is relevant in this context. Langue is a sum total of conventions of a social character. It enables the activization of the faculty of language — speech — of individuals. In the course of the reformulation of this distinction, langue has been described as a Schema or norm. We could describe it as belonging to the scope of objective spirits. Parole is of an individual character because it is an activization of language or its realization. We notice that not only intentionality or reflection are characteristics of individuals but also an activity which implies realization. The issue here is the position of the subjective spirit and the disciplines referring to it, namely psychology and anthropology. The ontological position of the subjective spirit must be stressed in its particularity: here we encounter given phenomena imbued with a spiritual position even when we take the view that the natural phenomena express the underlying spirit. The immediate Ibid. 159. 53 Ibid. 157, 170. 54 Phänomenologie des Geistes. Werke. II. 17. 55 Vorlesungen über die Philosophie der Religion, I. Werke. XI. 235.
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relation between the given concrete subject and its position in terms of the psyche or in terms of reflection bas to be assessed as such. Hegel's criticism of KANT'S philosophy and its "enlargement of subjectivity" cannot make us oblivious to the position of subjectivity and its various attitudes which are inherent in the given Status of the subject. Hegel defines the spirit, and this is only one of his definitions, as the Cognition of itself in its externalization.s^ The empirical subject dealt with in psychology or anthropology does not know itself only in its externalization, but also as such within its own limits. In this sense, the individual subject is a realm in itself or a monad, if we may use the term. The spiritual essence of individual subjects or persons cannot be interpreted in the sense of the spirit as the sublation of externality or as ideality,57 because the individual subjects are there and they reflect on the various data but also on themselves. The individual subject is finite, but this still does not imply identity with that which is sublated.^® If it is said that spirit is the subjectivity to know oneself^^, then that self-referential or self-reflective aspect inheres in the empirical subject. Thus the empirical subject does not need sublation in Order to be characterized by spirit. Indeed, perhaps Hegel is again somewhat ambiguous about that Situation when he says that psychology deals with the soul as a complete subject. Within the realm of empirical subjects or persons there exist inter-personal relations which are not identical with the realm of objective spirit. Among those relations is, for instance, confidence, which is a reciprocal relation between individuals and not an immersion of individuals in the objective realm. What we now call intersubjectivity is not identical with the objective realm of state and law and not even with that of history. Hegel himself characterized self-consciousness related to the I as the content of relation and the relationship itself. Within the scope of the I there is the identity stressed by Hegel himself between the I and the object. Still, for Hegel, the progress of self-consciousness leading to another self-consciousness again attains its ultimate summation in absolute free reason.^i However, even when we assume that reason is the consummation of self-consciousness, it cannot 56 5^ 58 59 68 61
Phänomenologie des Geistes. Werke. II. 564. Encyklopädie, 111. Werke. VII,2. 18.
Ibid. 43. Vorlesungen über die Philosophie der Religion, 111. Werke. XIII. 123. Phänomenologie des Geistes. Werke. II. 132. Encyklopädie, 111. Werke. VII,2. 256.
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be interpreted in its position and direction as integrating in itself the individual self-consciousness. Again, if the spirit is being in itself as a self-consciousness it is perhaps an ultimate explication of self-consciousness on the individual level, but not its sublation. One can wonder whether it is correct that KANT conceived self-consciousness only as sensuous^^, though KANT too, faced the issue of the relation between the empirical subject and the transcendental ego. Yet he did not sublate the empirical subject in the transcendental ego, but attempted to discover the possible impact of the transcendental ego on the empirical subject. These aspects of the position of the given subject are explicated in reflecting or in reflection. Hegel says that the spirit has reflection, but the spirit is not bound to the immediate. Indeed, even when we make a conceptual distinction between immediacy and reflection, reflection is present in immediacy or in the immediate given subject. ln a sense, Hegel defines the essence of reflection when he says that reflection is the activity of assessing oppositions without penetrating to their conjunction by way of going on to unity.^^ Yet reflection is not confined to a single direction. By way of intentionality it can relate to different contents, objects, including contradictions and unity. Unity is assessed by reflection as contradictions are assessed by it. Precisely because reflection directs itself to contents, it is not limited to any directing and can refer to different contents assessing all of them. The ultimate unity between reflection and being cannot be achieved because there is a perennial superiority and primacy of reflection. The intentionality of reflection is open to any content. Moreover, reflection is essentially one of the ways to characterize consciousness and self-consciousness and these are of an individual or personal character. Even when reflection is elevated to the level of the absolute spirit, it is the reflection of an individual or individuals. The reflecting individuals may be PLATO, KANT or Hegel, but they are individuals. The absolute spirit can be interpreted as being comprehensive in terms of the contents integrated in it, but the awareness of the contents and their integration always remains the awareness of individuals. Contents can be elevated, but consciousness and reflection remain on the level of the given position of individuals. At this juncture the difference between reflection and the contents it relates
®
Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, III. Werke. Vorlesungen über die Philosophie der Religion, I. Werke. XI.
XV. 58. 199.
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to is permanent in Status, notwithstanding the direction of the philosophy of identity or sublation.
Professor Nathan Rotenstreich sollte das Erscheinen des vorstehenden Aufsatzes nicht mehr erleben; der Tod hat den fast Achtzigjährigen abberufen. Die Israel Academy of Sciences and Humanities gedenkt seiner im Dezember 1994 in einem internationalen Kolloquium, das Fragen der Ethik in den Vordergrund rückt. Die Hegel-Studien konnten verschiedene Aufsätze von Nathan Rotenstreich publizieren; sein Interesse, seine Engagiertheit und seine Freundlichkeit bildeten für das Hegel-Archiv die wichtigste Brücke nach Israel. Als Beiheft 24 der Hegel-Studien trat 1984 das Buch Legislation and Exposition. Critical Analysis of Differences between the Philosophy of Kant and Hegel neben andere große Bücher über Kant und Hegel. Nathan Rotenstreich wurde 1914 in Polen geboren; er wanderte 1932 nach Palästina aus und studierte dort an der Hebräischen Universität, dazu an der Universität Chicago. Er arbeitete für die Jugend Aliyah und erhielt als Professor der Philosophie hohe Ämter der Hebräischen Universität in Jerusalem. So war er von 1963—69 deren Rektor. Des öfteren nahm er Gastprofessuren an amerikanischen Universitäten wahr. Mit S. H. Bergman übersetzte er die drei Kritiken Kants ins Hebräische; sein Plan, parallel dazu Hegels Hauptwerke übersetzen zu lassen, bedarf noch der Realisierung. Nathan Rotenstreichs philosophisches Werk im ganzen bleibt ein großes Vermächtnis. Ein weiteres Buch wird in Kürze in der Reihe Spekulation und Erfahrung erscheinen und mag dann zu einer umfassenderen Würdigung führen. Otto Pöggeler
FRIEDRICH HOGEMANN (BOCHUM)
DIE „IDEE DES GUTEN" IN HEGELS „WISSENSCHAET DER LOGIK"
1. Einleitung In einem Brief vom 18. Dezember 1812, kurz nach Eertigstellung der Lehre vom Wesen, schreibt Hegel an VAN GHERT, der zweite und letzte Band der Logik solle „bis Ostern" erscheinen.^ Dieser Band, der die Lehre vom Begriff enthält, erschien aber erst im Herbst 1816. Im „Vorbericht" zur Lehre vom Begriff bemerkt Hegel, seine „Amts-Verhältnisse und andere persönliche Umstände" hätten ihm „nur eine zerstreute Arbeit in einer Wissenschaft" gestattet, „welche einer unzerstreuten und ungetheilten Anstrengung bedarf und würdig ist"^. Aber haben zu dieser Verzögerung nicht auch Schwierigkeiten beigetragen, die in der Sache selbst lagen und derer Hegel vielleicht nicht endgültig Herr geworden ist? Jedenfalls fehlt der Begriffslogik die Geschlossenheit, die andere TeUe der Logik auszeichnet. Gerade die hier interessierenden Texte sind von großer quantitativer Unausgewogenheit: der Idee des Wahren widmet Hegel dreißig, der Idee des Guten lediglich fünf Seiten (231—235). Berücksichtigen wir, daß die ersten Zeilen der Idee des Guten die vorangegangene Entwicklung rekapitulieren und die beiden letzten Seiten den Übergang zur absoluten Idee vollziehen, so bleiben für die Enffaltung der eigenflichen Thematik nur zweieinhalb Seiten. Ist es ein Zufall, wenn gerade die Begriffslogik von seifen derjenigen, die in der Nachfolge Hegels eigene Logikenfwürfe ausgearbeitet oder doch zumindest Hegels Text interpretiert haben, kritisiert, ja sogar abgelehnt worden ist? Dies gilt in besonderem Maße von der Idee des Guten. Werfen wir einen Blick auf bisherige Bekundungen und Interpretationen zur Idee des Guten.
' Briefe von und an Hegel. Bd 1. Hrsg, von J. Hoffmeister. Hamburg 1952. 425, 2 G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke. Bd 12: Wissenschaft der Logik. Zweiter Band. Die subjektive Logik (1816). Hrsg, von F. Hogemann und W. Jaeschke. Hamburg 1981. 6. — Werden im folgenden Seitenzahlen ohne zusätzliche Angaben genannt, so beziehen sie sich auf diesen Band. (GW 12.)
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FRIEDRICH HOGEMANN
1.1 Die „Idee des Guten“ in der bisherigen Literatur schließt aus seiner Logik^ den gesamten Abschnitt über die Objektivität sowie aus dem dritten Abschnitt: Die Idee, Das Leben aus; mithin entfällt bei ihm die Lehre von der Zweckmäßigkeit. Die Idee des Erkennens sowie Die absolute Idee gestaltet er in erheblichem Maße um, wobei er Die Idee des Guten eliminiert. Die Logik von KARL ROSENKRANZ^ geht vom Begriff durch den Schluß zur Idee über.^ „. . . Daher behaupteten wir, daß der Mechanismus, Chemismus und äußerliche Teleologismus dem Begriff der Metaphysik anheimfielen und von der eigentlichen Logik auszuschließen seien . . . Ich habe denselben [sc. den Zweckbegriff], ARISTOTELES folgend, zum Begriff des Seins hinzugenommen, für welches er die als Begriff thätige Ursache ausmacht. Die Idee des Guten erwähnt ROSENKRANZ nicht einmal mehr. GEORG WEISSENBORN spricht statt von der Idee des Guten von der Idee des Handelns und gibt schon damit zu erkennen, daß er dieses Lehrstück aus der spekulativen Logik herausnimmt und in einen ethischen Zusammenhang stellt: „Die Natur, in welcher der eigentlich sittliche Zweck ausgeführt wird, ist die menschliche Natur . . ."7 G. R. G. MURE steht in der Nähe dieser Auffassung; von der Idee des Guten hänge Hegels gesamte Ethik ab. Bei dieser Idee handele es sich um den KANTischen guten Willen, dessen wesentliches Moment der kategorische Imperativ sei.® Ob MURES kantianisierende Interpretation den Sinn des Hegelschen Textes trifft oder nicht, kann sich nur im Fortgang der Interpretation erweisen. Sobald diese abgeschlossen ist, werden wir einen Blick auf Hegels Entwürfe zur Rechtsphilosophie als die Texte werfen, in denen Hegel ethische Zusammenhänge abhandelt, und uns fragen, wie weit die Idee des Guten für sie maßgeblich gewesen sind. VLADIMIRO GIACCHE^ weist zu Recht auf die engen Beziehungen zwischen der Lehre vom Zweck und der Lehre vom Guten hin, die allerdings nichts als eine dürfhge Wiederholung der ersten sei, was ihn veranlaßt KARL PHILIPP FISCHER
3 Karl Philipp Fischer: Grundzüge des Systems der Philosophie oder Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften. Band 1: Die Grundzüge der Logik und der Philosophie der Natur. Erlangen 1848. ^ Karl Rosenkranz: Wissenschaft der logischen Idee. In zwei Bänden. Teil 2: Logik und Ideenlehre. Königsberg 1859. 5 Ebd. 197. 6 Ebd. Teil 1: Metaphysik. Königsberg 1858. 497 ff. ^ Georg Weißenborn: Logik und Metaphysik. Abt. 1: die Lehre vom Sein. Halle 1850. 361 bzw. 363. * G. R. G. Mure: A Study of Hegel's Logic. Oxford 1950. 283, 284 und 285. ^ Vladimiro Giacche: Finalitä e soggettivitä. Forme del finalismo nella Scienza della Logica di Hegel. Genova 1990. 188 ff.
Die „Idee des Guten" in Hegels Logik
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hat, gleich zur Rechtsphilosophie überzugehen, sobald er sich die Aufgabe stellt, die Begriffe der Freiheit und des Guten bei Hegel zu erläutern. Aber besteht wirklich eine thematische und strukturelle Gleichheit zwischen der Moralität der Grundlinien und der Idee des Guten, die einen solchen Schritt rechtfertigte? Schon gegen die Vorstufe der Idee des Guten in der Wissenschafl der Logik, Praktisches Ich in dem Fragment Logik, Metaphysik, Naturphilosophie^^ wendet KLAUS DüSING ein, das praktische Ich habe für Hegel nur die Funktion des Übergangs zum Absoluten; so werde bei Hegel eine Theorie des praktischen Subjekts nach eigenständigen Prinzipien verhindert. Gegen die Idee des Guten selbst gibt er zu bedenken, ob die mit dieser Idee verbundenen spezifisch praktischen Inhalte wirklich in eine spekulative Logik gehörten. ^ Ähnlich wie bei der Erwähnung der Arbeiten von WEISSENBORN und MURE gilt es die Frage zu stellen, welcher Sinn der Idee des Guten eigentlich zukommt. Handelt es sich um ein Stück praktischer Philosophie, das wie versehentlich in die spekulative Philosophie geraten ist? Unter den Hegelianern verbleibt JOHANN EDUARD ERDMANN in der Nähe des Hegelschen Konzepts; C. L. MICHELET gestaltet es aus; KUNO FISCHER stellt es knapp dar.12 In seinem Aufsatz über Das Gute in der Aristotelischen MetaphysiD^ kommt RüDIGER BUBNER ausblickshaft auf Die Idee des Guten in Hegels Wissenschaft der Logik zu sprecheni4. BUBNER macht auf eine Spannung im Konzept Hegels aufmerksam: Hegel berufe sich auf die „tieferen Ideen" der Alten, rücke sie aber bei der Durchführung seiner Untersuchungen in das grelle Licht der neuzeitlichen Trennung von Subjekt und Objekt. Darum teile sich Die Idee des Erkennens nur dual und nicht triadisch. — Die Aufsätze BUBNERS denken insgesamt der Erfahrung nach, daß wir uns von jeder geschichtsphilosophischen Konzeption, die eine kohärente Eortsetzung der antiken Philosophie in der neuzeitlichen annimmt, unwiederbringlich entfernt haben. Hegel vermochte noch zu sagen, ARISTOTELES sei das Prinzip der Lebendigkeit im Sinne der reinen Subjektivität eigentüm-
G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke. Bd 7: Jenaer Systementwürfe II. Hrsg, von R.-P. Horstmann und J. H, Trede. Hamburg 1971. 163 ff. (GW7.) Klaus Düsing: Das Problem der Subjektivität in Hegels Logik. Bonn 1976. 194 f bzw. 304. 1^ Johann Eduard Erdmann: Grundriß der Logik und Metaphysik. Vierte Aufl. Halle 1864. 180—182. — C. L. Michelet: Das System der Philosophie als exacter Wissenschaft. Teil 1, Berlin 1876. 284—290. — Kuno Fischer: Hegels Leben, Werke und Lehre. Teil 1. Heidelberg 1902. 565-568. n Rüdiger Bubner: Antike Themen und ihre moderne Verwandlung. Frankfurt a. M. 1992. Der erwähnte Aufsatz findet sich 164—187. H Ebd. 182 ff.
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lieh.püj- uj-is bedeutet ein Hineintragen neuzeitlicher Begrifflichkeit in antike Philosophie eine Entstellung des einen wie des anderen. — Im Rahmen ihrer Arbeit über den Begriff des Sollens bei Hegel haf BRIGITTE BITSCH auch eine Darstellung der Idee des Guten gegeben.FRANCESCA MENEGONI hat diesem Thema einen Aufsatz gewidmet.VITTORIO HöSLE hat unseren Text einer kritischen Diskussion unterzogen.Wer immer sich mit diesem Text ernsthaft auseinandersetzen will, kommt nicht umhin, zu seinen Argumenten Stellung zu nehmen. 1.2 Der Ausgangspunkt der Untersuchung Schon jetzt zeichnen sich die Schwierigkeiten ab, vor die uns Hegels Text stellt. Offenkundig bestehen in seinem Konzept systematische Spannungen. Und gehört der Text überhaupt in die Logik? Wenn ja, welcher Sinn kommt ihm zu? Nehmen wir ihn zur Hand und lesen die beiden ersten Sätze: „Indem der Begriff, welcher Gegenstand seiner selbst ist, an und für sich bestimmt ist, ist das Subject sich als Einzelnes bestimmt. Er hat als subjectives wieder die Voraussetzung eines an sich-seyenden Andersseyns; er ist der Trieb sich zu realisieren, der Zweck, der sich durch sich selbst in der objectiven Welt Objectivität geben und sich ausführen will." (231) In diesen Zeilen ist das Ergebnis einer vorangegangenen langen begrifflichen Entwicklung komprimiert zusammengefaßt. Am ehesten verständlich ist uns noch dasjenige, was Hegel über den Zweck und den Trieb sagt. Damit sind wir auf das letzte Kapitel des Abschnitts Objektivität: Teleologie, zurückverwiesen (154 ff). Offenkundig ist unsere Thematik mit der Teleologie aufs engste verknüpft. Weder der Begriff der Zweckmäßigkeit noch der des Guten haben von Anfang an zu der Begrifflichkeit gehört, in der sich Hegels Denken artikuliert. Die terminologische Verwendung des Zweckbegriffs ist zum ersten Mal in den Jenaer Systementwürfen III (1805/06)1^ nachweisbar. Seine Einführung ist nach der radikalen Kritik, die in der Philosophie der Neu15 G. W. F. Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II. Auf der Grundlage der Werke von 1832—1845 neu edierte Ausgabe. Red. E. Moldenhauer und K. M. Michel. Frankfurt a. M. 1986. 153. (Hegel: Vorlesungen I—III.) 15 Brigitte Bitsch: Sollensbegriff und Moralitätskritik hei G. W. F. Hegel. Bonn 1977. 1^ Francesca Menegoni: L'idea del bene nella „Scienza della logica" hegeliana. In: Tradizione e attualitä della filosofia pratica. A cura di Enrico Berti. Genova 1988. 201—209. 1® Vittorio Hösle: Hegels System. Der Idealismus der Subjektivität und das Problem der Intersubjektivität. Bd 1: Systementwicklung und Logik. Hamburg 1987. 1^ G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke. Bd 8: Jenaer Systementwürfe III. Unter Mitarbeit von J. H. Trede hrsg. von R.-P. Horstmann. Hamburg 1976. (GW 8.)
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zeit an ihm geübt worden ist, alles andere als selbstverständlich. Steht sie im Zusammenhang mit den ARiSTOXELES-Studien, die Hegel zu dieser Zeit wiederaufgenommen hatte? Nun besteht zwischen dem griechischen Ausdruck xekog und dem deutschen Zweckmäßigkeit ein Bedeutungsunterschied. Tekog bedeutet Ende im Sinne der Voll-endung, womit ein semantischer Verweis auf das Gute hin gegeben ist, der dem Ausdruck Zweck fehlt. Diese genaue Unterscheidung trifft Hegel, der die Lehre des ARISTOTELES von der „Zweckmäßigkeit" weit über die moderne Teleologie stellt, jedoch nicht. „Des ARISTOTELES Begriff von der Natur ist vortrefflicher, als der gegenwärtige; denn die Hauptsache ist bei ihm die Bestimmung des Zwecks, als die innere Bestimmtheit des natürlichen Dinges selbst. Daß die neueste Zeit darüber wieder das Vernünftige hergestellt, ist nichts anderes als eine Wiedererweckung, Rechtfertigung der ARiSTOTELischen Idee."20 Auf diese wenigen Bemerkungen zum Begriff der Zweckmäßigkeit beim frühen Hegel muß ich mich hier beschränken. In der Gliederung der Metaphysik der Subjektivität von Logik, Metaphysik, Naturphilosophie: Theoretisches Ich . . . — Praktisches Ich — Der absolute Geisfi^ läßf sich eine Vorzeichnung des zweiten und dritten Kapitels der Idee in der Wissenschaft der Logik unschwer erkennen.22 Jedoch macht Hegel im Praktischen Ich ebensowenig wie vom Begriff der Zweckmäßigkeif von dem des Guten Gebrauch. Erst in den Systementwürfen III spricht er in geistesphilosophischen Zusammenhängen vom Guten; bei diesen handelt es sich um den menschlichen Charakter23, um Recht und Staat24, um Religion und (unter Anspielung auf 1. Mose 3,5 und 21) um Philosophie25. In der Phänomenologie des Geistes^^ berührt er Gut und Böse bzw. Gut und Schlecht in Die Tugend und der Weltlaup^, einem Text, auf den er sich in der Wissenschaft der Logik beziehen wird, allgemein in ethischen und religionsphUosophischen Zusammenhängen. Dem Begriff des Gufen bei Hegel sind also aus unterschiedlichen Überlieferungen Bedeutungen zugewachsen. Sie stimmen darin überein, daß sie sich auf real20 Hegel: Vorlesungen II (wie Anm. 15). 173. Siehe auch Hegel: Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Heidelberg 1817. § 154 Anm. (Enz 1817.) 21 GW7. 154 ff. 22 Siehe hierzu Düsing (wie Anm. 11). 290 f, Fußnote 7.
23 24 25 25 pen 22
GW8. 208. Ebd. 223, 245. Ebd. 282, 286. G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke. Bd 9: Phänomenologie des Geistes. Hrsg, von W. Bonsieund R. Heede. Hamburg 1980. (GW9.) Ebd. 208 ff.
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philosophische Zusammenhänge beziehen. Wie aber steht es mit der logischen Form des Guten? Die Prägung der Kategorie des Guten erfolgt in den Nürnberger Propädeutiken. Dies ist noch nicht der Fall in der Philosophischen Enzyklopädie für die Oberklasse (1808/09), in der Hegel allein von Erkenntnis spricht. Allerdings kann der einleitende Text dieses Kapitels so interpretiert werden, daß er die Unterscheidung, die die Wissenschaft der Logik zwischen der Idee des Wahren und der Idee des Guten trifft, bereits im Keime enthält. Ausgeführt wird im folgenden dann nur das Thema Erkenntnis.Dagegen unterscheidet die Subjective Logik (1809/10) ausdrücklich zwischen der Idee der Erkenntnis und des Guten.Die Logik für die Mittelklasse (1810/11) spricht von der „Idee der Erkenntnis und des Handelns"30. In den beiden Logiken mißt Hegel also beiden Themen gleiches Gewicht bei. Anders verfährt die Wissenschaft der Logik: unter dem gemeinsamen Titel Die Idee des Erkennens handelt sie das Wahre und das Gute ab. In den genannten Texten nimmt Hegel bereits die Grundunterscheidung des Erkennens in der Wissenschaft der Logik vorweg: während beim Wahren die Realität als das erste zugrundeliegt und der Begriff sich ihr anmessen soll, liege dem Handeln der Begriff als das Wesen zugrunde und mache sich die Wirklichkeit angemessen, damit das Gute zustandekomme. Auffällig bleibt die Mannigfalhgkeit der Benennung der Lehre vom Guten, die sich auch im Text der Wissenschaft der Logik fortsetzt: „praktische Idee", „Handeln", „Idee des Guten", „Willens-Idee" (230 ff).
28 Der Text der Philosophischen Enzyklopädie ist u. a. veröffentlicht in: G, W, F. Hegel: Nürnberger und Heidelberger Schriften 1808-1817. (Theorie-Werkausgabe. Bd 4.) Frankfurt a. M. 1970. 9—69. Da die bisherigen Fassungen den hier interessierenden Text nicht in der ursprünglichen Form wiedergeben, beziehe ich mich direkt auf die Schülernachschrift. Siehe hierzu Eva Ziesche: Unbekannte Manuskripte aus der Jenaer und Nürnberger Zeit im Berliner Hegel-Nachlaß. In: Zeitschrift für philosophische Forschung. 29 (1975), 430-444. Hier: 440. — Zur Entwicklungsgeschichte der Begriffslogik siehe vom Verfasser: Einleitung zu G. W. F. Hegel: Die Lehre vom Begriff (1816). Hrsg, von H.-J. Gawoll. Hamburg 1993. 2® Dieser Text ist bisher unter dem Titel Begriffslehre für die Oberklasse herausgegeben worden; vgl. Nürnberger . . . Schriften. 139 ff, bes. 158. Seine bisherigen Editionen sind völlig unbefriedigend, und dies um so mehr, als er für die Entwicklungsgeschichte der Begriffslogik in besonderem Maße aufschlußreich ist. Siehe hierzu ebenfalls Ziesche (wie Anm. 28). 442. 20 Hegel: Nürnberger . . . Schriften. 202 f.
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2. Teleologie in der „Wissenschaft der Logik". Hegels Auseinandersetzung mit Kant um den Begriff der Zweckmäßigkeit Der nächste Schritt unserer Untersuchung ist uns bereits vorgezeichnet: bei der engen Verklammerung von Teleologie und Idee des Guten ist eine Aneignung der Teleologie der Wissenschaft der Logik unumgänglich. Aber wozu bedarf es überhaupt der Ausarbeitung einer Logik? Hegel teilt ihr die Aufgabe zu, die Denkbestimmungen nicht im Kontext einer regionalen Ontologie, sondern als solche zu untersuchen.Diese Untersuchung versäumt zu haben, wirft Hegel der „vormaligen Metaphysik" (154) und auch KANT vor. KANT habe die Anhnomie der reinen Vernunft „nicht in den Begriffen selbst, sondern in der schon concreten Form kosmologischer Bestimmungen aufgefaßt"; das sinnliche Substrat habe aber beim Antinomischen überhaupt keinen Einfluß.^2 Es gelte aber, die Denkbestimmungen an und für sich selbst zu betrachten. ^3 Hierfür ein Beispiel, das unsere Thematik betrifft: die philosophische Tradition stellte Mechanismus und Zweckmäßigkeit einander entgegen. Bei dieser Entgegensetzung kann die Logik aber nicht stehenbleiben. Ihre Aufgabe ist erst mit dem Nachweis gelöst, daß die „Zweckbeziehung . . . die Wahrheit des Mechanismus" ist, wobei Mechanismus und Chemismus als eine Gestalt des Wissens zu betrachten sind (vgl. 154 f, 157, 159). EreUich muß „Zweckmäßigkeit" in der rechten Weise begriffen werden; diese Eorderung ist dringlich, weil sich die Teleologie dadurch kompromittiert hatte, daß sie den Zweckbegriff als etwas Eormelles nahm, dem die Mannigfaltigkeit der Welt äußerlich blieb, wodurch sie sich von der Naturforschung entfernt und sich den Vorwurf des Läppischen zugezogen hatte. Hegel stellt es als eines der großen Verdienste KANTS um die Philosophie „Denkbestimmung" fasse ich in einem so weiten Sinne, daß darunter die Inhalte sowohl der objektiven als auch der subjektiven Logik zusammengefaßt werden. Auf die Verlegenheit, die sich hinter dieser Festlegung verbirgt, möchte ich aufmerksam machen: anders als die objektive Logik, die Kategorien deduziert, entfaltet die subjektive Logik Formen des Zusammenhangs von Begriffen (Urteil, Schluß; späterhin Definition, Einteilung und Lehrsatz), schließlich sogar mit Mechanismus, Chemismus und Teleologie die Leitfäden neuzeitlicher Welterschließung. Für die Formen der subjektiven Logik hat sich bisher keine passende Benennung eingebürgert. 32 G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke. Bd 21: Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Die objektive Logik. Erster Band. Die Lehre vom Sein (1832). Hrsg, von F. Hogemann und W. Jaeschke. Hamburg 1985. 180 bzw. 181. (GW 21.) 33 G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke. Bd 11: Wissenschaft der Logik. Erster Band. Die objektive Logik (1812/1813). Hrsg, von F. Hogemann und W. Jaeschke. Hamburg 1978. 32. (GWH.) — GW12. 154. — Hegel: Gesammelte Werke. Bd20: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). Unter Mitarbeit von U. Rameil hrsg. von W. Bonsiepen und H. Ch. Lucas. Hamburg 1992. § 28 Anm. (GW20.)
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heraus, daß er zwischen äußerer und innerer Zweckmäßigkeit unterschieden und in dieser „den Begriff des Lebens, die Idee, aufgeschlossen" habe, denn damit habe er sie „positiv über die Reflexionsbestimmungen und die relative Welt der Metaphysik erhoben"; freilich sei dies der Kritik der reinen Vernunft „nur unvollkommen" gelungen (157). — Wenn Hegel den Begriff des Lebens mit der „Idee" unmittelbar verbindet und anschließend behauptet, KANT habe mit seiner Teleologie die Philosophie positiv über das Endliche erhoben, so bedürfen diesen Aussagen, die aus der Sichtweise KANTS unverständlich sind, da KANT der Zweckmäßigkeit nur eine regulative Funktion bei der Betrachtung des Lebendigen zuerkannt hat, einer Erläuterung. Den Ausgangspunkt bilde der Anfang des Teleologiekapitels. „Wo Zweckmäßigkeit wahrgenommen wird, wird ein Verstand als Urheber derselben angenommen, für den Zweck also die eigene, freye Existenz des Begriffes gefordert." (154) Mit diesem ersten Satz des Teleologie-Kapitels nimmt Hegel eine Lehre der vorkritischen Metaphysik auf. So heißt es beispielsweise bei CHRISTIAN WOLFF: „Quoniam causa efficiens agit propter finem, seu ideo, ut finis existat. . .; finem praecognoscere debet, consequenter finis praesupponit agens intelligens".34 Das agens intelligens muß immateriell sein, und zwar von der Art des Lebens.Dieses immaterielle Lebensprinzip bezieht KANT in vielen Reflexionen auf das Organische; es dürfte jedoch ursprünglich auf den „lebendigen Gott" bezogen worden sein.^^ Gleichermaßen gehört es zum Lehrbestand metaphysischer Überlieferung, daß der Verstand das Vermögen der Begriffe sei: in freier Handlung (sua sponte) bringt er die Begriffe hervor. Die vom Verstand hervorgebrachte Zweckmäßigkeit ist also einmal begrifflicher Natur. Zum anderen wird für den Zweck (den Begriff) die freie Existenz gefordert. Aber geht aus der Freiheit des Erzeugers die Freiheit des Erzeugten notwendig hervor? Die Frage geht von der irrigen Voraussetzung aus, das Verhältnis von Begriff und Verstand könne so gedacht werden, als rücke der Verstand von seinem Erzeugten ab und werde ihm fremd. Vielmehr wird der Verstand als freies Vermögen nur in seinen Begriffen manifest: ihm und den Begriffen eignet ein und dieselbe 34 Christian Wolff: Philosophia prima sive ontologia. Reprint Hildesheim 1962. § 936. 35 Vgl. hierzu bis zum Ende des Abschnitts Heinz Heimsoeth: Zum kosmotheologischen Ursprung der kantischen Freiheitsantinomie. In: Kant-Studien. 57 (1966), 215 f. 35 Vgl. Kant: Gesammelte Schriften. Bd 17. Berlin, Leipzig 1926. 727 (Nr. 4786): „Alles Leben ist abgeleitet und bedingt. Es giebt nur ein ursprüngliches und unbedingtes Leben . . . frey handelnde intelligentz"; 420 (Nr. 4113): „Erey handelnde Urwesen. Das Leben kan allein den ersten Anfang machen. Der erste Beweger . . . Der Oberste Geist. Lebendiger Gott."
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Freiheit. — Schon jetzt zeichnet sich im Umriß ab, daß Hegel Freiheit und die damit zusammenhängenden Begriffe an ersfer Stelle, d. h. in seiner ersten Philosophie, der spekulativen Logik, nicht als Freiheit des menschlichen Willens, sondern in einem metaphysischen Gesamtentwurf als Freiheit des Absoluten abhandelt. Das mag den modernen Leser befremden; um aber der uns verfrauten Freiheitskonzeption ihre Selbstverständlichkeit zu nehmen, sei daran erinnert, daß auch KANT in der Kritik der reinen Vernunft das Freiheitsproblem nicht innerhalb einer ethischen, sondern einer kosmologischen Fragestellung abhandelt.^7 Weiterhin haben wir gesehen, daß Hegel die Teleologie dem Mechanismus entgegenstellt, und zwar mit der Begründung, daß sich am Objekt des Mechanischen keine Selbstbestimmung äußere (154). Müßte Hegel durch diese Festlegung nicht zu einer Auseinandersetzung mit KANTS Kritik der praktischen Vernunft geführt werden, die die Freiheit des Willens in seiner Autonomie erkennt?^^ Hegel geht diesen Weg jedoch nicht, offenkundig deshalb nichf, weil er den Begriff der Selbstbestimmung auf einen Boden gesfellt hat, der für KANT ungangbar wäre. Dagegen bezieht er sich aber auf die Freiheitsantinomie der Kritik der reinen Vernunft und die Antinomie der Urteilskraft, und zwar so, daß er beide in ein und denselben Zusammenhang stellt: „Die Antinomie des Fatalismus mit dem Determinismus, und der Freyheit betrifft ebenfalls den Gegensatz des Mechanismus und der Teleologie; . . .“3^, „Dem Wesen nach" kehre die Freiheitsantinomie „in der Kritik der teleologischen Urtheilskraft. . . wieder" (158). Diese Zusammenstellung mag den auf historisch-kritische KANT-Exegese verpflichteten heutigen Leser wiederum verwundern. Darum werde ich versuchen, das Motiv aufzudecken, das Hegel zu seinem Schritt veranlaß! hat, und ihm so möglicherweise seine Befremdlichkeit nehmen. Hegel berührt die Freiheitsantinomie der Kritik der reinen Vernunft nur kurz, weil er „die Art und Weise der Kantischen Antinomieen anderwärts ausführlicher beleuchte!" habe.^o Das Wesenfliche der dort geführten Auseinandersetzung faßt er hier zusammen: KANT hätte sich den ganzen Umweg des Beweises ersparen können, da dieses in nichts andeSiehe hierzu Heimsoeth (wie Anm. 35), 206 f. 3* Kant: Kritik der praktischen Vernunft. Z. B. § 8. Lehrsatz IV. Vgl. Gesammelte Schriften. Bd 5. Berhn 1913. 33. — Hegels spekulative Freiheitslehre ist aber nicht nur der Neuzeit, sondern auch der Antike, insbesondere dem Neuplatonismus verpflichtet. Plotin denkt das Gute als das Freie. Siehe unten 98. GW 12. 154. — „Fatalismus" besagt bei Kant nichts anderes als das erst im 19. Jahrhundert aufkommende Wort Determinismus; siehe Heimsoeth (wie Anm. 35), 207. GW 12. 157. Siehe auch GW 11. 114—120 sowie 147—150.
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rem als der assertorischen Behauptung der beiden gegenüberstehenden Sätze bestehe. Aber warum geht Hegel mit keinem Wort auf die Auflösung der kosmologischen Dialektik ein, die für seine Fragestellung: Determinismus oder Freiheit? doch von höchstem Interesse hätte sein müssen? KANT schreibt dort: „Es sind demnach die Gegenstände der Erfahrung niemals an sich selbst, sondern nur in der Erfahrung gegeben . . Jedoch genau diese Entgegensetzung vermag Hegel nicht als ein Letztgegebenes anzuerkennen. Mit ihr habe sich KANT in einen Widerspruch verwickelt: einerseits lehre er, der Gegenstand sei in seiner Unmittelbarkeit nur Erscheinung und Zufälligkeit und erst im Begriff in seiner Wahrheit erkannt; andererseits, wir könnten die Dinge doch nicht erkennen, wie sie an und für sich seien (24). Daß Hegel diesen Widerspruch dadurch auflöst, daß er dessen erstes Glied akzeptiert und das zweite verwirft, ist offenkundig. Im Zusammenhang damit wird für ihn KANTS Lehre vom noumenalen Charakter der Ereiheit unannehmbar. p)ag heißt im Umkehrschluß: für ihn hat Freiheit Gestalt gewonnen; sie will von uns erkannt und ergriffen sein. Damit steht er aber vor der Aufgabe, einen neuen Weg zur Grundlegung seiner Freiheitslehre zu suchen. Er findet ihn, indem er die Zweckmäßigkeit als den Begriff in seiner Existenz entfaltet, der nichts anderes als „das Ereye" ist. Damit ist er auf KANTS Antinomie der teleologischen Urteilskraft verwiesen. KANT selbst ist die Verbindung, die Hegel zwischen den beiden Antinomien herstellt, fremd. Nach der Maxime einer reflektierenden Urteilskraft sind wir aufgefordert, „bei einigen Naturformen . . . nach einem Prinzip zu spüren und über sie zu reflektieren, welches von der Erklärung nach dem Mechanism der Natur ganz verschieden ist, nämlich dem Prinzip der Endursachen".^3 Jn der Kritik der Urteilskraft kommt er im Rahmen seiner Teleologie erst dann auf Freiheit zu sprechen, wenn er sich dem „Endzwecke des Daseins einer Welt" zuwendet. „Das Wesen dieser Art ist der Mensch, aber als Noumenon betrachtet. . ."^4 Auch die Antinomie der teleologischen Urteilskraft handelt Hegel in aller Kürze ab; KANT habe dasjenige nicht untersucht, was allein das philosophische Interesse erfordert hätte, nämlich, welches der beiden Prinzipien an und für sich Wahrheit habe (158). So ungenügend KANTS ErörKant: Kritik der reinen Vernunft. A492/B521. (Der transzendentale Idealismus als der Schlüssel zu Auflösung der kosmologischen Dialektik.) (KrV.). Vgl. Kant: Kritik der Urteilskraft. § 84. 398. (KdU.) Die Kritik der reinen Vernunft nennt die Freiheit eine „reine transzendentale Idee"; vgl. A 533/B 516. « KdU. § 70. 316. Ebd. § 84. 398.
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terung des teleologischen Prinzips auch sei, — bemerkenswert sei die Stellung, die KANT ihm gebe: indem er es einer reflektierenden Urteilskraft zuschreibe, mache er es „zu einem verbindenden Mittelgliede zwischen dem Allgemeinen der Vernunft und dem Einzelnen der Anschauung“ (159). — Damit knüpft Hegel an die KANT-Kritik an, die er bereits in Glauben und Wissen formuliert hat: KANT habe in der reflektierenden Urteilskraft ein Mittelglied zwischen Naturbegriff und Freiheitsbegriff entdecktes^ habe sich aber dennoch „schlechthin für die Erscheinung entschlossen"e6. Diese Idee eines urbildlichen Verstandes sei „im Grunde durchaus nichts anders als" die „Idee der transzendentalen Einbildungskraft . . . "47 Indem Hegel reflektierende Urteilskraft und transzendentale Einbildungskraft in einer KANT umdeutenden Kritik identifiziert, gibt er zu erkennen, daß die reflektierende Urteilskraft für ihn nicht ein regulatives wie für KANT, sondern ein konstitutives Prinzip ist. „. . . sie ist das an und für sich seyende Wahre, das objectiv urtheilt..." (159) Hieraus erklärt es sich, weshalb Hegel den Begriff des ARISTOTELES vom Leben „unendlich weit über den Begriff der modernen Teleologie" stellU^. KANT selbst liegt es fern, ein solches verbindendes Mittelglied zwischen Naturund Freiheitsbegriff anzunehmen; mit kritischer Vorsicht fordert er, die Welt der Freiheit solle auf die der Natur einen Einfluß haben; der Grund der Einheit beider als ein übersinnliches Substrat bleibe gänzlich unbestimmt. 49 Worin liegt nach Hegel das Ungenügen von KANTS Konzept der Zweckmäßigkeit? Darin, daß die Zweckmäßigkeit als das Allgemeine einer reflektierenden Urteilskraft ein Abstraktum ist, das erst an seinem Anderen, dem Besonderen, seine Konkretisierung fände. Dagegen ist die Zweckmäßigkeit als Begriff das konkrete Allgemeine, das sein Anderes, die Äußerlichkeit, in sich aufgenommen hat. Wie der Identitätsbegriff des Deufschen Idealismus überhaupt, so beinhaltet auch der hier gewonnene nicht Einerleiheit, sondern Unterschied in der Einheit, eine Spannung innerhalb ihrer, die dadurch ausgetragen wird, daß der Zweck „Streben", „Trieb" ist. — Den Begriff des konkreten Allgemeinen führt Hegel bereits zu Beginn des ersten Abschnitts der Begriffslogik in Der allgemeine Begriff ein (vgl. 33 ff). Stellt dieser Abschnitt den Begriff ^5 Vgl. G. W. F. Hegel: Gesammelte Werke. Bd 4: Jenaer kritische Schriften. Hrsg, von H. Büchner und O. Pöggeler. Hamburg 1968. 339. 46 Ebd. 341. 47 Ebd. 48 Siehe oben S. 4. 49 Vgl. KdU. XIX.
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aber erst in seiner formellen Weise dar, so gewinnt er seine Konkretion in gesteigertem Maße im Durchgang durch die Objektivität. Gerade an ihm wird der Unterschied zwischen Hegels dialektischer Logik und der formalen Logik sichtbar, die anders als Hegel die Reziprozität von Inhalt und Umfang des Begriffs lehrt; hieran hat auch KANT unter anderem bei seiner Konzeption der Zweckmäßigkeit festgehalten. — Hegel stellt die gewonnene Struktur als ein „objektives Urtheil", eine „ursprüngliche Theilung" dar, deren eine Bestimmung das Subjekt, der durch sich selbst bestimmte freie Begriff, deren andere das Prädikat ist, das aber nicht mehr wie im ersten Abschnitt der Begriffslogik, der „Subjektivität", eine bloß formelle, sondern eine objektive Bestimmung ist, da der Begriff im Durchgang durch Mechanismus und Chemismus Konkretion gewonnen hat. Genauer betrachtet bilden die Elemente des konkreten Allgemeinen einen Schluß. — Der Schluß wird von Hegel im dritten Teil der „Subjektivität" expliziert. Alle anschließenden Deduktionen der Wissenschaft der Logik nehmen ihn zum Leitfaden. „Alles Vernünftige ist ein Schluß." (90) Auch die Teleologie entfaltet Hegel in einer Folge dialektischer Schlüsse. Hierauf zumindest kurz einzugehen, ist unumgänglich, da die Realisierung des Guten genau dem Schluß der äußerlichen Zweckmäßigkeit entspreche; nur der Inhalt mache den Unterschied aus (232). — Aber hatte Hegel es zuvor^o nicht als „ungeschikt" erklärt, die Logik so aufzufassen, als lehre sie nur die Regeln des Denkens und ließe sich auf die Beschaffenheit des Gedachten nicht ein? Hier statuiert er dennoch die Möglichkeit der Ablösung einer Form von ihrem Inhalt und ihre Übertragbarkeit auf einen anderen, höheren. — Betrachten wir den Anfang und das Ende der Exposition der Zweckmäßigkeit, wobei die Struktur des konkreten Allgemeinen den Ausgangspunkt bildet. Demnach ist der Zweck zunächst das Allgemeine als enthaltend die sich von sich abstoßende Negativität, — Tätigkeit, die zunächst noch unbestimmt ist. Diese ist aber negative Beziehung auf sich selbst, bestimmt sich auf diese Weise und gibt sich so das Moment der Besonderheit, einen Inhalt als die in sich reflektierte Totalität der Form, der zu der Form in Gegensatz tritt. Durch ihre Beziehung auf sich ist die Negativität aber ebenso unmittelbar Reflexion der Form in sich und damit Einzelheit (vgl. 160 f). Da in der äußerlichen Zweckmäßigkeit der Zweck unmittelbar mit dem Objekt verbunden ist, darum auch der Zweck einseitig-subjektiv, mithin selbst ein Objekt ist, sind ihre Objekte immer nur Mittel, niemals objektive 50 GW 11. 16.
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Zwecke, weshalb der Schluß der äußerlichen Zweckmäßigkeit ein bloß „formaler" (168) bleibt. Der beschränkte Inhalt, der sich somit ergibt, ist aber der Unendlichkeit des Begriffs nicht angemessen; als Wahrheit der äußerlichen Zweckmäßigkeit erweist sich die innere (vgl. 169). Erst damit ist die Voraussetzung gegeben, daß die Prämissen des Schlusses der Zweckmäßigkeit ihre Vermittlung finden, wobei jedes seiner Momente der ganze Schluß ist. Das letzte Resultat der äußerlichen Zweckbeziehung ergibt sich im dritten Schluß der Zweckmäßigkeit, der sich von den beiden vorherigen dadurch unterscheidet, „daß er erstens die subjective Zweckthätigkeit der vorhergehenden Schlüsse, aber auch die Aufhebung der äusserlichen Objectivität, und damit der Aeusserlichkeit überhaupt, durch sich selbst, hiemit die Totalität in ihrem Gesetztseyn ist" (171 f). So hat sich der Begriff zur Idee fortbestimmt, die nunmehr nicht nur den allgemeinen Sinn des wahrhaften Seins hat: Einheit von Begriff und Realität, sondern vielmehr: Einheit von subjektivem Begriff und Objektivität (vgl. 176): Subjekt-Objekt, An-und-für-sich-sein. Ich erwähnte bereits, daß ROSENKRANZ und andere zwar die Logizität des Zweckbegriffs anerkennen, es aber für sachangemessener halten, ihn in der Seinslogik abzuhandeln. Hegel selbst hat die Anwendung seins- und wesenslogischer Kategorien auf die Struktur der Zweckmäßigkeit abgelehnt (vgl. 160), ich finde, zu Recht, da sich die Struktur der Zweckmäßigkeit geradezu als paradigmatisch für die Logik des Begriffs erweist. Man vergleiche nur mit dem soeben Dargestellten die Logik des (formellen) Begriffs im ersten Teil der „Subjektivität" (32 ff).
3. Von der Teleologie zur „Idee des Guten" In ihrer ersten Gestalt manifestiert sich die Idee in ihrer Unmittelbarkeit: als Leben. So hat sie die Einzelheit zur Form ihrer Existenz. In dieser Gestalt hat sie sich noch nicht zum Begriff befreit. — Lediglich die Gelenkstellen des systematischen Fortgangs bis hin zur Idee des Guten können hier hervorgehoben werden. Das Leben zerstreut sich in eine Mannigfaltigkeit von Einzelheiten: lebendigen Individualitäten. Deren Tod ist das Fürsichwerden der Gattung, das Hervorgehen des Geistes, — der Idee, die sich als Idee zu sich selbst verhält, mithin Erkennen ist (vgl. 191). Aber auch im Erkennen ist sie erst Idee in ihrer Erscheinung, und zwar unmittelbar theoretische Idee. Als solche hat sie Allgemeinheit und Besonderheit bei sich, während sie die Einzelheit, die bestimmte Bestimmtheit, von außen erhält
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(vgl. 199). Das Prinzip der Philosophie ist aber „der unendliche freye Begriff": als freier steht er im Widerspruch zur theoretischen Idee, die es nur zur Notwendigkeit des Beweisens innerhalb eines endlichen Systems von Bedingtheiten bringen kann, damit lediglich Anundfürsichsein in der Form des Ansichseins ist. Mit diesem Widerspruch hat die logische Deduktion eine Konstellation erreicht, wie sie sich auch am Ende der Wesenslogik ergeben hat, nämlich beim Übergang von der Substanz zum Begriff.51 Hieran werde ich unten wiederanknüpfen. — Hegel selbst hat sich die Frage gestellt, ob nicht mit der Aufnahme eines so konkreten Gegenstandes wie des Lebens in die Logik deren Grenzen überschritten würden (vgl. 179). Dieser Einwand erhebt sich gleichermaßen gegen die Lehrstücke „Mechanismus", „Chemismus" und „Geist". LASSALLE und MICHELET haben versucht, die Logizität der genannten Lehrstücke zu verteidigen, was ihnen den Spott von ROSENKRANZ eingetragen hat.52 Was die Lehre vom Geist betrifft, stellt sich gerade in bezug auf den uns interessierenden Zusammenhang die Frage, ob die Logizität der Idee des Guten, der „praktischen Idee" gesichert werden kann, was ja von einigen Kritikern Hegels verneint worden ist. Hat nicht Hegel eine „Kategorienverdopplung" vollzogen, da diese Themen ein weiteres Mal in der Realphilosophie abgehandelt werden53, und wird nicht damit sein spekulativer Ansatz auf eine schlechte Weise „aufgehoben"? Das Problem läßt sich nicht leugnen. Jedoch bleibt zu fragen, ob hier nicht in gewandelter Gestalt Frag-würdiges wiederauftritt, das auch metaphysische Entwürfe vor Hegel belastet hat. So etwa bei DESCARTES, der Wahrheit und Gewißheit jeglichen Wissens von der einen Erkenntnis des wahren Gottes abhängen läßt.54 Genau an diesen „erhabensten Gedanken des DESKARTES" knüpft Hegel zu Beginn des Objektivitätskapitels an; wenn sich der Begriff zur Objektivität bestimme, sei dies „dasselbe", was in der Metaphysik der Schluß vom Begriff Gottes auf sein Dasein gewesen sei (127). Worin liegen die Wurzeln dieses Problems? An dieser Stelle sei die Frage lediglich gestellt. Uns interessiert hier al51 Vgl. GW 11. 409. 52 K. Rosenkranz: Epilegomena zu meiner Wissenschaft der logischen Idee. Als Replik gegen die Kritik der Herren Michelet und Lassalle. Königsberg 1862. 55 Der Terminus Kategorienverdopplung findet sich bei Hösle (wie Anm. 18), 247. Er wäre irreführend, sollte mit ihm zum Ausdruck gebracht werden, daß die reinen Denkbestimmungen der Wissenschaft der Logik ausreichten, um die Realphilosophien zu konstituieren. Hierzu sind außer diesen Denkbestimmungen Grundbegriffe erforderlich, für die die Wissenschaft der Logik nicht aufkommen kann. 54 Vgl. Meditatio V. Schluß.
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lein die Idee des Geistes, welcher logischer Gegenstand ist (vgl. 198). Welche Themen handelt Hegel unter diesem Titel ab? Haben wir so etwas wie die Entwicklung genuin geisteswissenschaftlicher Kategorien — dies in nachhegelschem Sinne gemeint — zu erwarten? Damit tragen wir eine Fragestellung in die Hegelsche Logik hinein, die dieser fremd ist. Hegel würde gegen den Versuch einwenden, daß die Wissenschaft der Logik als ganze eine Grundlegung des gesamten Systems vollziehe, nicht aber Teile der Logik eine Grundlegung bestimmter Teile des Systems. Hegel erinnert daran, daß Mechanisches auch zum Geistigen gehört, in dem er von einem „geistigen Mechanismus" spricht (133); „Mitteilung" sei die Form des Allgemeinen zwischen Objekten, aber auch die geistige Beziehung von Person zu Person (vgl. 137 f); im Körperlichen habe das Wasser die Funktion des Mediums, im Geistigen die Sprache (vgl. 150). In der Idee des Wahren berücksichtigt Hegel vorzüglich Arithmetik und Geometrie, Hinweise auf geistesphilosophische Zusammenhänge gibt er nur spärlich und zudem gemeinsam mit solchen auf Gegenstände der Natur (vgl. 212—215). Er macht darauf aufmerksam, daß es bei diesen konkreten Gegenständen darauf ankomme, welche ihrer vielen Eigenschaften ihnen als Gattung, welche als Art zukomme, sowie welche ihnen wesentlich sei usw. Dafür könne aber nur ihr Dasein als Kriterium gelten (vgl. 212). — Hegels Logik bleibt den traditionellen Weisen des Erkennens (vor allem Logik, Mathematik und Naturwissenschaft) verhaftet. Allerdings könnte Hegel darauf hinweisen, daß die Wissenschaft der Logik zum Erfassen von Themen wie „Leben, Ich, Geist, absoluter Begriff" (36) den Begriff des konkreten Allgemeinen bereitstellt (vgl. 33 ff). Die Frage, ob nicht die Philosophie des Geistes, ja sogar Hegels eigene, andere Kategorien erfordert hätte, als sie die Wissenschaft der Logik bereithält, stellt sich auf deren Boden nicht. Diese Logik wäre also mißverstanden, wollte man sie als eine Art Hermeneutik betrachten. Diese These findet noch von einer anderen Seite Bestätigung. Auf die Tatsache, daß der Aufbau des dritten Abschnitts der Begriffslogik, insbesondere aber sein zweites Kapitel, nicht dem üblichen triadischen Schema folgt, hier vielmehr der Gegensatz der beiden Grundbegriffe der neuzeitlichen Philosophie: Subjekt-Objekt, formgebend wird, ist bereits in der Literatur hingewiesen worden. Bemerkenswert ist ferner, daß Hegel die „praktische Idee" unter dem Titel Die Idee des Erkennens abhandelt. Damit nimmt er eine Position ein, die auf PLATO zurückgeht und die auch ARISTOTELES nicht infrage gestellt hat. Insofern bleibt auch Hegel
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„Sokratiker"55. Eine Grundlegung der Geisteswissenschaften hätte aber die Brechung der Vorherrschaft des traditionellen Theoriebegriffs, insbesondere des Ansatzes bei der Subjektivität, zur Voraussetzung.
4. Die „Idee des Guten" 4.1 Zusammenfassung Den Widerspruch zwischen Notwendigkeit des Erkennens und Freiheit des Begriffs hatte ich oben bereits formuliert. Wie löst er sich auf? Es ergibt sich hier ein Übergang, wie er sich auch vom Wesen zum Begriff vollzogen hatte^^, indem sich nämlich die Notwendigkeit als die Realität oder Gegenständlichkeit des Begriffs erweist und so in die Freiheit des Begriffs übergeht, der damit für sich der an und für sich bestimmte ist. Freilich ist dieses Übergehen zunächst nur an sich oder für uns; nur das Resultaf isf für ihn. Die Idee in dieser Gestalt ist die praktische Idee, das Handeln (vgl. 230; zum Folgenden vgl. 231 ff). „Indem der Begriff, welcher Gegenstand seiner selbst ist, an und für sich bestimmt ist, ist das Subject sich als Einzelnes bestimmt." (231) — Subjektivität ist das Thema der gesamten Logik des Begriffs, der subjektiven Logik. In deren erstem Abschnitt erscheint er als bloß formeller. In der Teleologie ist er „der an der Objectivität zu sich selbst gekommene Begriff" (161). Die Idee ist nichts anders als seine Steigerung zum Anundfürsichsein. Aber auch mit der jetzt erreichten Stufe ist die absolute Idee als das schlechthinige Anundfürsichsein noch nicht erreicht; ihr eignet ein Moment der Subjektivität, die hier noch ein Endliches, in diesem Sinne Einzelnes ist, dem mithin ein Endliches entgegensteht. In dem Worten Hegels: Der Begriff als subjektiver hat „die Voraussetzung eines an sich-seyenden Andersseyns". Als lebendige, spannungsvolle Einheit ist er der Zweck, der sich in der objektiven Welt Realität gibt. Hegel hebt die gewonnene Position gegen die vorherige, die theoretische Idee, ab. In der theoretischen Idee ist der Begriff das Allgemeine, das seine Bestimmung von außen, von der objektiven Welt erhält. In der praktischen Idee hingegen hat er alle Objektivität in sich versammelt und ist sich dieser seiner Wirklichkeit bewußt; was eben noch objektive Welt hieß, ist nunmehr nur noch das ünwirkli55 Zu der Bedeutung, in der ich diesen Ausdruck hier gebrauche, vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt und kommentiert von Franz Dirlmeier. Darmstadt 1983. 320 (Anmerkungen). 55 GW 11. 409.
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che, und zwar nicht nur in seiner Allgemeinheit, sondern in seinen Einzelheiten mitsamt ihren Bestimmungen. Jetzt sagt uns Hegel, was das Gute ist: es ist Bestimmtheit (Hervorhebung F. H.), die in dem Begriff enthalten ist. Weil dieser aber Trieb zu seiner Realisierung ist, schließt die Bestimmtheit „die Forderung der einzelnen äußerlichen Wirklichkeit in sich". Hatte die theoretische Idee die Einzelheit von außen erhalten, so hat sich bei der praktischen Idee dieses Verhältnis genau umgekehrt. Das Gute tritt mit der Würde auf, absolut zu sein, und zwar zu Recht, da es die Einheit des Objektiven und des freien Begriffs, des Subjektiven, ist. Da es nicht nur die Würde des Allgemeinen, sondern auch die des Wirklichen hat, steht es höher als die Idee des Erkennens. Allerdings ist dieses Absolute noch mit einer Einseitigkeit, dem Fürsichsein, behaftet, und darum der Trieb, sich zu realisieren. In diesem Prozeß will es sich aber keine Objektivität geben, — denn alle Objektivität hat es schon bei sich; es kann ihm nur noch darum gehen, die Bestimmungen der objektiven Welt aufzuheben und sich in ihr die Form äußerlicher Wirklichkeit zu geben. Die „Willens-Idee" als das Allgemeine, das alle Realität bei sich hat, ist als solche selbstbestimmend, d. h. sie hat „ßir sich den Inhalt in sich selbst" (ebd.). Dieser ist aber ein bestimmter Inhalt, ein Besonderes, da der Wille in sich reflekhert ist und als negative Einheit ein Anderes von sich ausschließt und voraussetzt. Jedoch ist dieser Inhalt durch die Form des Begriffs unendlich, als die negative Identität mit sich selbst unendliche Einzelheit. In dieser Struktur der Idee des Guten liegt es begründet, daß sie einerseits an und für sich gilt, andererseits jedoch ein besonderer, endlicher Zweck ist, der der Ausführung bedarf. Wie schon erwähnt^^, stellt die Realisierung des Guten einen Schluß dar, der dem Schluß der äußerlichen Zweckmäßigkeit entspricht. Der Unterschied zwischen beiden liegt allerdings darin, daß die Verwirklichung äußerlicher Zweckmäßigkeit immer nur ein Mittel hervorbringt, da sie nicht als an und für sich seiende bestimmt wurde. Aber auch dem Guten haftet ein Moment der Endlichkeit an, und darum entgeht es dem Schicksal der Endlichkeit nicht, das es in mehreren Formen einholt. Wegen der Äußerlichkeit, die es in seiner Ausführung erhält, ist es ein zufälliges, zerstörbares Dasein, das seiner Idee nicht zu entsprechen vermag. Als endliches ist es auch ein beschränktes; darum ist es nicht nur der Zerstörung durch den Zufall und das Böse ausgesetzt, sondern tritt auch in die Kasuistik des Widerstreits miteinander. Als endliches hatte Siehe oben 90.
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es auch ein Anderes, eine objektive Welt, zur Voraussetzung. Diese kann seiner Realisierung Hindernisse in den Weg legen oder sie gar unmöglich machen. So bleibt es ein Sollen^^: ein Sein, das als letzte, abstrakte Unmittelbarkeit auch als Nichtsein bestimmt ist. Es ist absolutes Postulat, aber auch nicht mehr als ein Postulat, also mit der Bestimmtheit endlicher Subjektivität behaftet. „Es sind noch die zwey Welten im Gegensätze, die eine ein Reich der Subjectivität in den reinen Räumen des durchsichtigen Gedankens, die andere ein Reich der Objectivität in dem Elemente einer äusserlich mannichfaltigen Wirklichkeit, die ein unaufgeschlossenes Reich der Finsterniß ist." (233) Die Zuspitzung dieses Widerspruchs hat Hegel in der Phänomenologie des Geistes dargestellt, auf die er an dieser Stelle verweist.^^ Weiter nimmt er die Phänomenologie an dieser Stelle nicht in Anspruch. Wir hatten gesehen, daß der praktischen Idee die Welt der Objekte als ein an und für sich Nichtiges gegenübersteht, als ein solches, das „entweder das Böse oder Gleichgültige, nur Bestimmbare [ist], welches seinen Werth nicht in sich selbst hat" (234). Was der praktischen Idee noch fehlt, ist das, was der theoretischen zu eigen war: die objektive Welt als ein wahrhaft Seiendes. Darum bedarf sie der Ergänzung durch die theoretische Idee. Aber steht sich bei deren Gewinnung die praktische Idee nicht selbst im Wege, seit sie sich vom Erkennen trennte und sich auf ihr Fürsichsein stellte? Sie hat also lediglich ihre eigene Ansicht von sich zu ändern, was sie dadurch vollbringt, daß sie zwei Prämissen zusammenbringt. Die erste beinhaltet „die unmittelbare Beziehung des guten Zweckes auf die Wirklichkeit", deren sie sich bemächtigt „und in der zweyten Prämisse als äusserliches Mittel gegen die äusserliche Wirklichkeit richtet" (233 f). Der Vollzug dieses Schlusses sei hier nicht mehr im einzelnen dargestellt. 4.2 Philosophiegeschichtliche Reminiszenzen in der „Idee des Guten" Wenn ich im folgenden versuche, die Idee des Guten auf philosophiegeschichtliche Anklänge abzuhorchen, so geschieht dies, um der Bestimmung ihres Sinnes näherzukommen. Diesen Weg hat schon HöSLE ein® Auf die Komplexität der Kategorie des Sollens in Hegels Logik weist Hösle (wie Anm. 18), 255, hin. Wie alle übrigen ist auch die Kategorie des Sollens auf universale Anwendbarkeit hin konzipiert. Jedoch kann die Differenz von Sollen und Sein keine universale Anwendbarkeit finden. „Jede Pflanze ist ganz, was sie seyn soll . . F. W. J. Schelling: System des transzendentalen Idealismus, ln: Schriften von 1799—1801. Darmstadt 1982. 327 ff; hier: 608. 59 GW9. 210 ff.
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geschlagen.60 Er hat erkannt, daß Hegel versucht, „mit der Integration des Guten in den fundamentalphilosophischen Entwurf der Wissenschaft der Logik eines der entscheidenden Motive, das der Entwicklung des deutschen Idealismus den Anstoß gab, die Einsicht in die Autonomie der praktischen Vernunft, auf den Begriff zu bringen". Dagegen scheint es mir fraglich, ob die Kategorie des Guten einer bestimmten phüosophiegeschichtlichen Position, nach HOSLE der praktischen Philosophie KANTS, zugeordnet werden kann. Wir werden im folgenden sehen, daß eine solch eindeutige Zuordnung vielleicht gar nicht möglich ist. Zu der verwickelten Haltung Hegels zu KANT habe ich oben^i bei der Darstellung der Hegelschen Kritik an KANTS Teleologiebegriff Stellung genommen. Klingt nicht auch an der einzigen Stelle unseres Textes, die auf KANTS Ethik bezogen werden kann, an derjenigen nämlich, wo Hegel den Postulatcharakter des Guten herausstellt, Kritik und nicht Zustimmung zu KANTS Ethik an? Überzeugend scheint mir dagegen HöSLES Hinweis zu sein, daß die Form von Theorie und Praxis als zweier Formen der Subjekt-Objekt-Relation auf FICHTES Wissenschaftslehre zurückgehe62, sofern man nur berücksichtigt, daß die Wissenschaftslehre nach Hegel den Standpunkt der Endlichkeit nicht zu verlassen vermag. Auch das Subjekt in der Idee des Guten, das sich alle Objektivität vindiziert hat (Hegel sagt gleichbedeutend: alle Realität, alle Wirklichkeit), steht dem Ich der Wissenschaftslehre nahe: „Aller Realität Quelle ist das Ich. "63 „Aber in das Ich ist Realität gesezt. Mithin muß das Ich als absolute Totalität . . . der Realität gesezt seyn; . . ."64 Auch die Feststellung HöSLES, mit der Idee des Guten zolle Hegel der Tradihon des Platonismus seinen Tribut, trifft zu. HöSLE verweist auf den Dialog Gharmides. Zu erwähnen wäre ebenfalls der Philebos. „,Der teleologische Begriff des Guten' ist der fundamentale Begriff der platonischen Ontologie. Gutsein und Bestimmtsein besagt im Grund dasselbe. "65 Noch näher als PLATO selbst steht unser Text jedoch dem, was Hegel in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie zu PLOTIN ausführt66. PLOTIN spreche vom Prinzip der materiellen Welt als dem Nichtseienden (oüx öv); das Böse sei das geishg Negative. Die Materie sei „zu® Hösle (wie Anm. 18). 250 ff. « Siehe 88. Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794). Zweiter und dritter Teil. In: J. G. Fichte-Gesamtausgabe. Reihe I, Bd 2. Stuttgart—Bad Cannstatt 1965. 283 bzw. 385 f. “ Ebd. 293. M Ebd. 296. Hans-Georg Gadamer: Platos dialektische Ethik. Hamburg 1983. 111. ^ Zum Folgenden siehe Hegel: Vorlesungen 11 (wie Anm. 15), 454—461.
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rückgelassen als ein schwaches und düsteres (trübes) Bild". „,Das Sinnliche in Beziehung auf das Maß' — 0Q05, voüg — ,ist das Maßlose, das Unendliche', Grenzenlose ,in Beziehung auf das Begrenzte (itegag), das Unbestimmte . . So erweist sich die Materie als die „Gegenlage" gegen das Gute. „,Nichts verhindert, daß allem von der Natur des Guten mitgeteilt werde.„Das Gute ist das, wovon alles abhängt, was alles bezeichnet, was ist, das sich selbst genügt. Maß, Prinzip und Grenze von allem, was Seele und Leben gibt..." Jedoch vermerkt Hegel auch den Unterschied, der seine Idee des Guten vom dYaüöv PLOTINS trennt: „Wenn aber schon das Gute das absolut Freie^^, so ist es doch ohne Entschluß und Willen; ..." Dagegen nennt Hegel, wie wir gesehen haben, das Gute die „WiUens-ldee". Mir scheint, die Frage, welcher philosophiegeschichtlichen Position die Idee des Guten nun zuzuordnen ist, läßt sich gar nicht beantworten, ln sie hat Hegel wichtige Gedanken des Platonismus, insbesondere aber PLOTINS, eingehen lassen. Wenn Hegel auf so hoher Stufe, direkt vor der absoluten Idee, den Neuplatonismus zu Worte kommen läßt, so bekundet er damit, welch hohen Rang er ihm beigemessen hat. Damit erhalten wir zugleich einen Einblick in das Wesen der Hegelschen Logik als ganzer. Mit diesen Feststellungen soll aber der Einfluß der neuzeitlichen Theorien nicht verkleinert werden; er bekundet sich in Begriffen wie Wüle, Zweck, Subjekt, Objekt und anderen mehr. Freilich liegt es mir fern, die Idee des Guten als ein Sammelbecken von „Einflüssen" darstellen zu wollen, — sie ist eine Synthese, die Hegels eigene Schöpfung ist. Sind wir gezwungen, den Begriff des Guten aus der Logik zu verbannen? Wir haben gesehen, daß einige Interpreten Hegels diesen Schritt vollzogen haben. Die Entscheidung dieser Frage muß davon abhängen, ob dem Begriff des Guten Logizität zukommt oder nicht. Aber was ist unter Logizität im Sinne der Hegelschen Logik zu verstehen? Die objektive Logik, schreibt Hegel, trete an die Stelle der vormaligen Metaphysik, unmittelbar an die Stelle der alten Ontologie. Darüber hinaus begreife sie „auch die übrige Metaphysik in sich, insofern als diese die reinen Denkformen auf besondere, zunächst aus der Vorstellung genommene Substrate, die Seele, die Welt, Gott, angewendet enthielt, und diese Bestimmungen des Denkens das Wesentliche der metaphysischen Betrachtungsweise ausmachten". Die subjektive Logik wiederum sei die Logik Hegel zitiert Ennead. I, 8, c. 9. 68 Ebd. IV, 9, c. 6. 69 Ebd. VI, 8, c. 7.
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des Begriffs als des freien selbständigen Subjekts.^*’ Daß das dyaflöv PLATos und PLOTINS ein Grundbegriff der „vormaligen Metaphysik" sei, ist unbestreitbar; folglich steht ihm in der Logik Bürgerrecht zu; da Hegel den Begriff des Guten als Subjekt denkt, ist es in der subjektiven und nicht in der objektiven Logik anzusiedeln. 4.3 Fragen zur „Idee des Guten“ Wir haben gesehen, daß für Hegel die gesamte subjektive Logik Theorie der Freiheit ist. Die Herausforderung, die der Hegelsche Text für den heutigen Leser darstellt, liegt darin, daß Hegel diese Theorie als eine ontotheologische und nicht als eine Theorie der menschlichen Freiheit konzipiert hat. „. . . die Abhängigkeit von Gott ist aber nach dessen Wesen Freiheit in Gott, so wie Sein außer Gott Sein außer der Freiheit ist. . ln der inneren Zweckmäßigkeit wird Freiheit objektiv. Hegel gibt sich also nicht damit zufrieden, die Freiheit als übersinnliches Vermögen^^ denken. Diese Problematik kann ich hier nicht weiter verfolgen. Frei in weit höherem Sinne als der Mensch ist die praktische Idee. Aber auch die „Willens-Idee" stellt nicht die höchste Weise des Freiseins dar; sie wird darin durch die absolute Idee überboten. Hegel wäre es nicht möglich, der These SCHELLINGS zuzustimmen. Wollen sei Ursein^^ (jje absolute Idee genügt dem Kriterium der Freiheit, das SCHELLING formuliert hat und dem Hegel vorbehaltlos zustimmen könnte: frei sei, was den Gesetzen seines eigenen Wesens gemäß handele^^. Gerade dies trifft für das Gute nicht in vollem Sinne zu, da es ja durch die Seite seiner Endlichkeit äußeren Einflüssen ausgesetzt ist. Hegel nennt das Gute die „praktische Idee" und entspricht damit KANTS Definition des Praktischen: „Praktisch ist alles, was durch Preiheit möglich ist."75 Nach EICHTE ist das Gebiet der Philosophie mit der Einteilung in theoretische und praktische Philosophie vollständig ausgemessen, was dann und nur dann zutrifft, wenn Subjekt und Objekt die beiden Grundbegriffe der Philosophie sind. Wir haben gesehen, daß Hegel 70 GW 11. 32. 71 G. W. F. Hegel: [Rezension von] Carl Friedrich Glöschell: Aphorismen über Nichtwissen und absolutes Wissen im Verhältnis zur christlichen Glaubenserkenntnis. Berliner Schriften 1818—1831. Hamburg 1956. 328. 72 KdU. § 84 (398). 73 F. W. /. Schelling: Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände. In; Schriften von 1806—1813. Darmstadt 1983. 294. 74 Ebd. 328. 75 KrV. A 800/B 828.
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mit der Idee des Erkennens diese Unterscheidung aufnimmt. Aber trägt denn die praktische Idee bei ihm ihren Namen zu Recht? Oder handelt es sich bei dem, was er unter diesem Titel darstellt, nicht vielmehr um Poiesis?7^ Dem Deutschen Idealismus ist eine Unterscheidung verlorengegangen, die ARISTOTELES getroffen hat, der bekanntlich die Philosophie in theorehsche, praktische und poietische ein teilt. Die Dimension des Praktischen ist nicht dadurch wiederzugewinnen, daß man, wie HöSLE vorschlägt, Poiesis als eine vom Subjekt ausgehende Einwirkung auf ein Objekt, Praxis als eine vom Subjekt ausgehende Einwirkung auf ein . . . Subjekt bestimmt®. Damit wäre allenfalls die Grundlegung einer Sozialtechnologie zu gewinnen und die Gefährdung des Praktischen durch technokratische Denkansätze nicht beseitigt, sondern verschärft. Ferner: haben nicht das Praktische und auch das Poietische (worum es sich ja bei der „prakhschen Idee" in Wirklichkeit handeln mag) gegenüber dem Theoretischen nicht jeweils ihre eigene Weise des „Wahrheitens"? „Der gebrauchend-hantierende Umgang ist aber nicht blind, er hat seine eigene Sichtart, die das Hantieren führt und ihm seine spezifische Dinghaftigkeit verleiht. Vermag der Wille nicht doch von sich her die Form des Wahrhaftseienden zu erreichen, d. h. ohne daß er der Ergänzung durch „das Wahre" bedarf? (vgl. 233). Einmal mehr erhalten wir einen Fingerzeig darauf, daß sich bei Hegel der Vorrang des Theoretischen vor dem Praktischen durchhält.
5. Ausblick auf die Bedeutung der „Idee des Guten" für Hegels Konzeptionen der Rechtsphilosophie nach 1816 Zu Beginn^o hatten wir Hegels frühe Entwürfe daraufhin durchgesehen, in welchen Zusammenhängen Hegel die Begriffe einführt, die dann im Mittelpunkt unserer Untersuchung gestanden haben. Wir sind Hegels Weisung gefolgt, nach der Wahrheit der Begriffe ohne Rücksicht auf ihr Vorliegen in der Erfahrung zu fragen (vgl. 154). Fragen wir nun, nachdem der Begriff des Guten logisch durchgeklärt ist, welche Folgen diese Durchklärung für die Realphilosophie gehabt hat, mit anderen Worten, ob und gegebenenfalls wie der Begriff des Guten als „innerer Büdner" ^ 78 79 80
Vgl. bis hierher Hösle (wie Anm. 18), 256 ff. Siehe z. B. Eth. Nie. VI, 2, 1059 a 27 ff. Vgl. Hösle, 258. Martin Heidegger: Sein und Zeit. 7. Aufl. Tübingen 1957. 69. Siehe oben 82.
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tätig geworden ist. Begrenzen wir unsere Frage auf die Rechtsphilosophie; wünschenswert wäre es auch gewesen, die Philosophie der Religion in sie einzubeziehen. Der Begriffslogik zeitlich am nächsten steht die Rechtsphilosophiefassung der Enzyklopädie von 1817, deren Vorwort „May 1817" datiert ist®i. Textstellen, die deutlich auf die Idee des Guten in der Wissenschaft der Logik finden sich in Die Moralität (§§ 416—429). § 416 spricht von dem an und für sich seienden Willen, der seine Wirklichkeit durch die Subjektivität habe, insofern sie durch Aufgeben ihrer Unmittelbarkeit „die Gesinnung, Einsicht und Absicht des Guten hat". § 417: „Der moralische Standpunkt ist dadurch das Reflexions-Urtheil der Freyheit, oder das Verhältniß, worin die persönliche Subjectivität sich absolut selbstständig setzt, und daher die Momente des Willens zu selbstständigen Extremen abstößt, — dem allgemeinen vernünftigen Willen, und einer äusserlichen selbstständigen Welt." Auch das Handeln des moralischen Subjekts wird in einem Schluß dargestellt (§ 418). Die Handlung sei „die absolute Bestimmung der gegen das freye Subject selbstlosen Objectivität durch seinen Zweck" (§419). Im selben Paragraphen spricht Hegel davon, daß sich „die Handlung des Individuums verkehren und Anderes zum Vorschein bringen [könne], als in dieser gelegen hat". Dies entspricht nicht dem Wortlaut des Logik-Textes, könnte ihm aber sinngemäß integriert werden. Wenn Hegel dagegen im nächsten Paragraphen von der Aufhebung der äußeren Realität spricht, so steht diese Aussage der Logik sehr nahe. Ebenso steht es mit den folgenden: „. . . das Gute enthält in seinem Begriff, als Allgemeines des Willens, das Moment der Realität. . ." (§ 421); „Das Gute ist zunächst als abstract-allgemeines; es ist aber als Wesentliches des Willens in sich negatives und daher ein besonderes. Es giebt deswegen mancherley Gutes und vielerley Pflichten, deren Verschiedenheit dialektisch gegen einander ist, und sie in Collision bringt." (§ 422) Die folgenden Paragraphen berühren die Themen des Sollens und des Bösen. Mir scheint es offenkundig, daß die Texte der Logik und der Rechtsphilosophie in enger Beziehung stehen. Dieser Eindruck verstärkt sich noch dadurch, daß in dem anschließenden Abschnitt Die Sittlichkeit vom Guten nicht mehr die Rede ist. Eine strikte Entsprechung beider Texte zu fordern, ginge an der Sache vorbei, da es gar nicht die Absicht einer verweisen®^^
81 Enz 1817. X. 82 Der Text des „Guten" in Enz 1817 ist eine Paraphrase des Textes der Wissenschaft der Logik.
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Realphilosophie sein kann, den Gedanken in seiner Reinheit darzustellen. Wenig später, im Wintersemester 1817/18, hielt Hegel eine Vorlesung über „Naturrecht und Staatswissenschaft". Daß er dort das Konzept der Enzyklopädie von 1817 verlassen hat, bekundet sich am augenfälligsten darin, daß er jetzt die Sittlichkeit als das absolut Gute wie auch Wahre anspricht®3. Diese Entscheidung bekräftigt er in den Grundlinien der Philosophie des Rechts^. Auf diese Zusammenhänge näher einzugehen, würde den Rahmen unserer Thematik aber überschreiten.
G. W. f. Hegel: Vorlesungen über Naturrecht und Staatswissenschaft. Nachgeschrieben von P. Wannenmann. Hamburg 1983. (Vorlesungen. Bd 1.) G. W. f. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. Hrsg, von J. Hoffmeister. Hamburg 1967. § 141 f (140 ff).
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GOTT ODER DIE ABSOLUTE IDEE Zum Thema der Hegelschen Religionsphilosophie^
Die meisten Untersuchungen über Hegels Religionsphilosophie sind theologisch inspiriert, so behauptet W. JAESCHKE in verschiedenen Aufsätzen und Büchern. Seine Arbeit Die Vernunft in der Religion^ ist demgegenüber de facto rein philosophisch, da sie die Hauptzüge der Hegelschen Religionsphüosophie als integralen Bestandteil der Philosophie selbst untersucht. Gegen JAESCHKES These aber der Resumption^ des Geistes und die in dieser These implizierte Auffassung eines abstrakt-formalen Charakters der Hegelschen Logik möchte dieser Beitrag Folgendes argumentieren: Vom Standpunkt der logischen Bewegung der spekulativen Begriffe aus gedacht, ist nicht die absolute Idee ein Moment Gottes, sondern Gott muß der logischen Idee entsprechend gedacht werden, damit er überhaupt sinnvoll sei, woraus folgen muß, daß nicht Gott, sondern die absolute Idee das All-Umfassende ist. Gegen die traditionelle Annahme des allumfassenden Status des Geistes möchte dieser Beitrag Hegels eigene Doppeldeutigkeit bezüglich des spekulativen Status des Geistes darstellen und die problematische Identifikahon der ewigen und reinen Idee in seiner Religionsphilosophie betonen. Dieser Beitrag möchte erstens kurz Hegels absolute Idee darstellen, zweitens die religiösen Themen der Wissenschaft der Logik darlegen und drittens die spekulativen Probleme der Vorlesungen über Religionsphilosophie kurz hervorheben.
1 Verfasser war während der Abfassung dieses Beitrags Bevoegdverklaard navorser des Belgischen Nationaal Fonds voor Wetenschappelijk Onderzoek. 2 Walter Jaeschke: Die Vernunft in der Religion. Stuttgart-Bad Cannstatt 1986. 3 ,Resumption' ist ein bei Hegel nur in die lenaer Zeit gehörender Begriff: vgl. GW6. 270. Zitate werden wie folgt angegeben: Mit Band und Seite die Bände der Gesammelten Werke (GW). Hamburg 1968 ff. Mit V(orlesungen) Band und Seite die Bände der Vorlesungen. Hamburg 1983 ff.
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1. Die absolute Idee Nach Hegels Selbstverständnis ist die absolute Idee, die von der logischen Bewegung des reinen Denkens hervorgebracht worden und aus ihr hervorgegangen ist, die Wahrheit und alle Wahrheit (GW 12. 236). Ist diese absolute Idee nur dialektisch und damit bloß eine absolute Methode oder bietet sie mehr? Die Methode ist zwar die absolute Idee, aber nur insofern die absolute Idee sich nur als für sich faßf. Auf diese Weise entwickelt sie den Anfang, das dialektisch Negative und das spekulative Resultat. Als reine Entsprechung des Begriffs und dessen eigener Realität ist die Methode nur in ihrer Vollendung und in ihrem Vollzug das Absolute (ebd. 241). Oder das spekulative Resultat ist das wirkliche Absolute, das Absolute wie es in Wahrheit ist als Aktualität oder Aktuosität, nicht als Resultat ohne Bewegung. So ist das spekulative Resultat (als Aktivität) „Subjekt, Person oder freies Sein“ (ebd. 246) aus der Bewegung der negativen Beziehung heraus. Dies Subjekt oder die Person, dieses Resultat der Methode, ist die Aktivität des Negierens der Negation. So ist es ein wahrhaftes Allgemeines, das Allgemeine, das die Aktivität des Aufnehmens aller Momente in seinen eigenen Schluß ist. Das abstrakte Resultat, nur für sich alles zu sein, ist das Identische in Form einer Unmittelbarkeit, ln dieser Form als nur für sich Identisches werden verschiedene Formen hervorgebracht oder gegeben. Diese sind die Gegenstände der Methode, die in dieser Hinsicht, in ihrer Betrachtung, nur formal scheint. Die Formen können selbst als Bestimmtheiten im Gegensatz zur Methode betrachtet werden. So aber wäre nicht berücksichtigt, daß sie die Methode selbst hervorbringen. Sie sind nur verschiedene Inhalte, insofern sie aufgehobene Form sind. Auf diese Weise folgt der Inhalt des absoluten Erkennens aus der absoluten Methode, die Hegel deduziert und herleitet (ebd. 249). Und dieser Inhalt der Methode wird in Besonderheiten wie Sein, Wesen und Begriff unterschieden (ebd. 249), deren Unterschiede gerade aus der Differenzierung der Methode folgen. Diese Besonderheiten sind als verschiedene Begriffe keine Inhalte im Gegensatz zu einer andern, äußern, eindimensionalen Form. ^ In diesem Selbstverständnis ist die Wissenschaft der Logik weder eine kategoriale Bestimmung dessen, was ist, noch eine Theorie der Subjektivität, die auf ein, für dieses Subjekt gegebenes Objekt in Wahrheit bezogen wäre. Der reine Begriff oder genauer die absolute Idee allein ist die Singularität par excellence, das Unikum oder das Singulare tantum, das in Wahrheit oder begrifflich ist und von welchem alles in Beziehung auf seine Wahrheit abhängt. Die Kohärenz der logischen Bewegung bis zur absoluten Idee wird hier als Hegels Selbstverständnis angenommen.
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Alle inhaltlichen Formen (vgl. ebd. 250) bilden als wiederhergestellte das System der Totalität oder bringen das System der Logik hervor. Der Begriff „erhält" (ebd. 250) sich in allen Bestimmungen. So bildet er eine Bereicherung seiner, eine „Erweiterung" (ebd. 251), die von der Notwendigkeit des Begriffes selbsf produziert wird. Die höchste Form ist hierbei die letzte Form, die reine Persönlichkeit, „die, allein durch die absolute Dialektik die ihre Natur ist, ebensosehr Alles in sich befaßt und hält, weil sie sich zum Freisten macht, — zur Einfachheit, welche die erste Unmittelbarkeit und Allgemeinheit ist" (ebd. 251). Diese reine Persönlichkeit ist das Einzelne selbst als das Konkreteste. Sie ist das Unikum und damit in Einem das Abstrakteste und das Reichste. Ihr Wesen ist die Dialektik selbst, die Methode oder die absolute Idee nur für sich selbst, die auf reiner Negativitäf beruht. ln Beziehung auf religiöse und überhaupt auf realphilosophische Probleme stellen sich dabei zwei Fragen. Ist diese reine Persönlichkeit nur ein vorläufiges Moment des Geistes? Und wenn nicht, welche Funktion haben dann alle Äußerungen Hegels in dem Text der Logik, die Natur und Geist abhandeln? Die reine Persönlichkeit als solche ist das Reicheste, denn sie erhält sich in dem Abstraktesten. Es gibt nirgendwo Abstraktere als ,Sein' und ,Nichts' oder als das Anfängen selbst. Denn selbst die abstraktesten Vorstellungen der Natur und des Geistes setzen qualitative und quantitative Bestimmungen voraus, so daß sie auf jeden Fall konkretere sind. Und zugleich gäbe es noch Konkretere als die konkreten, logischen Bestimmungen des Begriffs, wenn sinnliche Vorstellungen einen eigenen Wert aufweisen könnten. Aber dies Letztere ist nach Hegels KANT-Kritik unmöglich, in der beansprucht wird, die ganze Wahrheit durch das Denken zu erkennen (vgl. ebd. 23 und 174—175). Also kann und muß die reine Persönlichkeit betrachtet werden als die Wahrheit und als dasjenige, das in Wahrheit ist. Aber mit dieser Darstellung bleibt dann das Problem der Beziehung aller Gegebenheiten, die nicht rein sind. ln einer ersten Annäherung möchten wir dieses Verhältnis nicht aus dem Text der Logik und mit den logischen Bestimmungen selbst erläutern, sondern mit Anmerkungen aus der Logik. Betrachten wir also, wie Hegel Gegenstände wie Geist, Religion, Gott und Ewigkeit dort bestimmt.
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2. Geist, Religion, Gott und Ewigkeit in Hegels Wissenschaft der Logik In einer Art Erweiterung des Textes der absoluten Idee skizziert Hegel sein ganzes System. Dort gibt er eine Definition des Geistes. Der Geist ist eine Weise der Darstellung des Daseins der absoluten Idee (ebd. 236). Dabei muß man eine Distinktion zwischen Geist und Wissenschaft des Geistes machen, wie sie nur aus dem freien Entlassen gefaßt werden kann (ebd. 253). Die Wissenschaft des Geistes ist die Befreiung zum höchsten Begriff, der der reine Begriff der Logik selbst ist (ebd. 253). Diese Wissenschaft des Geistes ist nicht innerhalb der logischen Wissenschaft zu betrachten (ebd. 20).^ Aber die logischen Momente selbst sind die innere Gliederung der Eormen des Geistes. Wenn dann ,inner' eine Restriktion bedeutete, schiene es, als ob das Umfassendste der hervortretende (reale) Geist wäre. Denn der „wahrhaft absolute Begriff [ist] als Idee des unendlichen Geistes zu fassen . . ., dessen Gesetztsein die unendliche, durchsichtige Realität ist, worin er seine Schöpfung, und in ihr sich selbst anschaut" (ebd. 36).^ Diese Reduktion der Logik zum einfachen Wesen des Geistes steht aber im Gegensatz zur logischen Unabhängigkeit. Denn wenn Logik nur ein, selbst grundlegender, Teil des Geistes wäre, dann wäre sie von der Eorm und Gliederung der Philosophie (des Geistes) abhängig und bekäme damit eine Eorm, die sie sich selbst doch nur allein im Hervorbringen geben kann. Logische Eormen des Begriffs sind ja unabhängig von allen anderen Eormen und Eiguren. Diese andere Eiguren sind angeschaute. Sie können ,konkreter' genannt werden, ,sinnlich-konkreter'. Aber sie haben nicht die wahrhafte Konkretheit der Wahrheit. Die angeschaute Unmittelbarkeit ist nur eine zufällige Abbildung, denn sie ist frei oder willkürlich. Für sich selbst hat sie nur die abstrakte Seite der Nichtigkeit (ebd. 39).^ Die Wahrheit aller geistigen Formen kann also nur die Idee selbst sein. Nur in seiner Entsprechung zur Idee ist selbst der Geist mehr als Nichtigkeit. Der Geist, der nicht Idee wäre, wäre ein toter, geistloser Geist (ebd. 175). 5 Weiter angedeutet innerhalb des Textes der Wissenschaft der Logik sind das Leben des Geistes, wie es sich zeigt als Leib und Ideal (GW 12. 180—181) und die Gliederung des subjektiven Geistes, insofern ihm eine Theorie der Seele, des Bewußtseins und des Geistes in Beziehung auf die Idee des Erkennens entspricht (ebd. 191). * Dieses Argument wiederholt eines aus der Jenaer Zeit (GW 7. 176—177) und scheint ebenso in der Religionsphilosophie verwendet worden zu sein. (Vgl. auch Enzyklopädie. § 244). Siehe auch GW 11. 35 und GW21. 57, wo Hegel den Begriff ,Geist' verwendet, während nach dem logischen Argument gerade dort ,absolute Idee' gelesen werden sollte. ^ Gerade diese Seite der willkürlichen Nichtigkeit macht die begrifflichen Unterscheidungen an Gestalten der ganzen Realphilosophie zu Vermischungen (GW 12. 83).
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Wenn der Geist das Dasein der absoluten Idee darstellt, dann ist die Religion eine Weise, wie sie sich erfaßt und sich ein adäquates Dasein gibt (ebd. 236). Die Philosophie, deren Allgemeinheit die Logik darstellt, hat dabei den gleichen Inhalt und das gleiche Ziel als Kunst und Religion; die höchste Weise, die einzige adäquate zudem, ist aber Philosophie. Die Religion hat dabei die gleiche Voraussetzung wie Logik oder Philosophie: das Verlassen des Standpunktes, für welchen das Material der Anschauung und der Realität in Gegensatz zum Denken betrachtet wird; das Hintersichlassen des Standpunktes, daß die Erscheinung der Welt der sinnlichen Besonderheiten die Wahrheit wäre (ebd. 21). Mehr noch, die Logik selbst kann in religiösen Termini bestimmt werden, wie es gerade ein berühmtes Zitat verdeutlicht: Der Inhalt der Logik ist „die Darstellung Gottes . . ., wie er in seinem ewigen Wesen, vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes ist" (GW 11. 21). Aber das Hauptproblem bei dieser Eormel ist, was dabei gedacht werden muß. Denn allein das Ganze der Logik kann eine solche Aussage bestimmen und deren Gedankenfülle ausschöpfen. Wenigstens bedeutet sie dies: Das Wesen der Logik ist wie das religiöse ein Verstehen Gottes. Es ist Wahrheit, neben welcher es keine weitere oder höhere Wahrheit gibt, selbst wenn es scheinen könnte, daß die Logik in Verhältnis zum religiösen Gott nur abstrakt wäre. Aber was ist die Bedeutung und die Wahrheit Gottes? Gott als Idealität, die nicht das gleiche wie Reinheit bedeutet (ebd. 89), ist eine Einheit mit sich selbst und eine unendliche Beziehung auf sich selbst. So ist er nur abstrakt. Gottes Unendlichkeit ist für sich, sofern er diese Unendlichkeit ist, die für ihn ist (ebd. 89—90). Außer einer solchen Existenz, stellt seine Existenz ein Problem für die endliche Vernunft dar. Denn es wurde gerade gesagt, Gottes Wesen ist ein Abgrund für die endliche Vernunft, aber er ist ein derartiger Abgrund, der zugleich die Emergenz des einfachen, affirmativen Seins ist (ebd. 326), das weiter entwickelt werden kann in der Auslegung des ,Absoluten'. In der Ausarbeitung dieses affirmativen Seins werden die traditionellen Beweise des Daseins Gottes nicht nur überholt, sondern auch aufgehoben. Sie haben einen Beweis versucht für jenen absoluten Begriff, der mit dem Begriff Gottes identifiziert werden muß (ebd. 325).® * Außer diesen in dem Text selbst sich befindenden Hinweisen geben auch einige Anmerkungen weitere Auskunft. In GWH. 264 wird so die absolute Wahrheit des tautologischen Satzes ,Gott sei Gott' als Nichts behauptet; ebd. 310 wird Gottes Bestimmtheit als Grund der Natur als unzureichend und abstrakt disqualifiziert; nach ebd. 367 f bestimmt Hegel Gottes Begriff als Natur, Geist, Denken und absoluten Geist, ähnlich wie an bestimmten Stellen der
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Der logische Ort des ontologischen Beweises ist der Übergang des subjektiven Begriffs zur Objektivität (GW 12. 128 ff). Der bestimmte Inhalt ,Gott' erhält aber keine zusätzliche Bestimmung bei diesem Übergang. Der Beweis ist nur eine Anwendung der Logik des Konzepts, und Gott als Name bekommt seine Bedeutung durch das und von dem (logischen) Prädikat. Solche Realisierung in einem Urteil und in einem Beweis bleibt aber unvollständig. Der Begriff wird nicht vollständig in einem ürteil realisiert; der Gegenstand ist nicht vollständig in seiner Bestimmung durch Prädikate. Zudem bleibt diese letzte Bestimmung eine nur subjektive. Denn Gott als lebendiger Gott und genauer als absoluter Geist ist nicht nur subjektiv. Er kann allein in seiner Wirksamkeit erkannt werden. Die höchste Wirklichkeit aber ist die Selbstbestimmung des reinen Begriffs, so daß die Darstellung des Begriffs Gottes die Darstellung der (absoluten) Idee ist. Logisch gesprochen ist die Objektivität nicht die göttliche Existenz. Diese göttliche Existenz ist die Realität, produziert von oder scheinend innerhalb der Idee. Eine gleiche Anspielung auf eine kreative Explikation, auf eine Aktivität, wird am Ende des Textes zur absoluten Idee vorgebracht, damit ein Übergang zur Natur und zum Geist einerseits und zum göttlichen Erkennens beider andererseits hergestellt werden kann. Mit der Logik als der Wissenschaft des göttlichen Begriffs, und nur des Begriffs, scheint eine neue Opposition zur Realität dieses Begriffs entstanden zu sein. Zudem wird dieser nur begriffliche Begriff das ewige Wesen Gottes genannt. Ewig heißen Begriffe, die zur Allgemeinheit des Verstands gehören oder eine Abstraktion anzeigen. So gibt es ewige Wahrheiten, Bestimmungen und Wesenheiten (GW 11. 297, 395). Gemeinsam ist ihnen, daß sie nicht sinnlich sind und vom Verstand gefaßt werden können (GW 12. 41, 90). Insofern das Spekulative selbst eben nicht-sinnlich ist, können spekulative Bestimmungen, wie der Begriff oder die Idee, ebenso ewig genannt werden (ebd. 177, 194—195). Aber dann sind spekulative Bestimmungen, als ewig gefaßt, nur in der Form des (metaphysischen) Verstandes. Ist es sinnvoll zu sagen, daß Gottes Ewigkeit oder die Ewigkeit der Darstellung des nur göttlichen Begriffs allein eine Entgegensetzung anReligionsphilosophie — ob aber das hier angezeigte, erste Denken etwas anders sei als das auch in der objektiven Logik kritisierte, metaphysische Denken, ist ebensowenig auszumachen, wie die Beantwortung der Frage, ob der erwähnte, absolute Geist noch etwas anders als der Begriff oder die absolute Idee sei —; GW 11. 379 weist nur auf die Funktion Gottes als Quelle der Leibnizschen Monaden hin.
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zeigt, die der (religiösen) Abstraktion geläufig ist? Wenigstens, vor solchen Abstraktionen wird gewarnt: Reale Bestimmungen „Leben, Geist, Gott, — so wie der reine Begriff" sind jenseits der Abstraktion (ebd. 49). Aber dann bleibt doch die offen gebliebene Frage, „was es in allen jenen Gegenständen ist, um dessen willen sie vernünftig sind" (ebd. 91)? Gerade die Vernünftigkeit aller Bestimmungen zu zeigen, wird von der spekulativen Logik beansprucht. Mit dem Begriff, der seine eigene Objektivität im Leben hat, und speziell mit der Idee, die ihrer eigenen Entwicklung als Idee entspricht, ist eine einfache Entgegensetzung von Realität und Begriff unmöglich auf dem Standpunkt der Hegelschen Theorie der reinen Persönlichkeit, deren Wesen das Dialektische oder die Negativität als solche ist. In Übereinstimmung mit dieser spekulativen Theorie setzt das ,freie Entlassen' ohne religiöse, abstrakte Konnotationen eine doppelte Negation der reinen Logik. Die Logik selbst enthält oder ist diese doppelte, absolute Negation. Das Anderssein (gegen die logische Idee) kann nur Sein und Wesen haben, kann nur dem Begriff oder der Idee entsprechen durch eine (erste, abstrakte) Negation. Dies Anderssein ist nur für die Vorstellung; es ist Anschauung und Vorstellung: sinnliche Natur und Geist. Aber die Negation dieser Vorstellung zur (Wieder)Gewinnung der Logik ist keine Abstraktion aus dem sogenannten Wirklichen der Vorstellung hinaus, sondern sie ist die negative Wirklichkeit oder Aktivität (zweite Negation), durch die gerade die (wahre) Wirklichkeit auf negative Weise konstituiert wird und durch die sie reine Gliederungen erfaßt und Wahrheit ist. Dann aber bleibt eine wichtige Frage in bezug auf Hegels Religionsphilosophie. Folgt Hegel hier seiner spekulativen Philosophie oder verfällt er selbst seinen vorstellungsmäßigen Suggestionen?
3. Hegels Religionsphilosophie Der weitere Teil der Untersuchung über Hegels ReligionsphUosophie müßte Hegels Philosophie des absoluten Geistes insgesamt betrachten. Denn um entscheidende Resultate zu erhalten, wäre Hegels ganze Philosophie des Geistes zu betrachten, da die Religion eine Religion des Geistes ist; ebenso wären alle Vorlesungen zu berücksichtigen. Hier wird aber nur die Religionsphilosophie weiter in Betracht gezogen.
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a. Die Logik als Methodologie? In jeder Vorlesung über Religionsphilosophie betont Hegel die Wissenschaftlichkeit seiner Realphilosophie. Diese Wissenschaftlichkeit gründet auf der logisch-spekulativen Methode. Diese ist die Garantie der wissenschaftlichen Notwendigkeit der Entwicklung. Nur aufgrund dieser Entwicklung wird der Begriff der Religion seine Idee. Dabei kann aber die methodologische Anwendung nicht strikt bestimmt werden. Logische (oder metaphysische) Entwicklungen können nämlich bei jeder Abhandlung von empirischen Momenten des Begriffs vorausgesetzt werden: Die innere Verknüpfung einzelner Gliederungen scheint eine Aufgabe der Logik zu sein. Aber es ist ganz deutlich, selbst bei einer ersten Annäherung, daß es keine einheitliche, spekulative Gliederung gibt weder des Begriffs der Religion, noch der bestimmten Religion, noch der christlichen oder geoffenbarten Religion. An dem Mangel einer formalen, strikten Entwicklung der Religionsphilosophie zeigt sich ganz deutlich das Problem, zu wissen, was dieses Zuhilfenehmen einer grundlegenden Methode genau leistet. Ob dieses entlehnende Zuhilfenehmen einer methodologischen Abhandlung des Gegenstands eine Reinterpretation der Logik als nur formaler, die keine eigenen Inhalte hat, nach sich zieht, kann nur aus weiterer Betrachtung der Vorlesungen ausgemacht werden. b. Der spekulative Charakter der Hegelschen Religionsphilosophie In diesen Vorlesungen kann man eine Änderung und Entwicklung der Bedeutung des spekulativen Charakters der Religionsphilosophie feststellen. In seinem Versuch, eine spekulative Religionskonzeption zu entwickeln, die der inhaltlichen Bestimmung seiner Spekulation adäquat ist, bildet Hegel 1821 eine Vorlesung aus, die vielleicht die systematische Einheit seiner Philosophie vernichtet. 1824 bietet er eine philosophische Ausarbeitung mit strikter Betonung der logischen Terminologie, die aber als nur formal beibehalten wird. Die letzte, zur Zeit belegte Konzeption von 1827 stellt eine systematische Philosophie vor, in der die religiöse Konzeption Gottes spekulativ nicht vollständig auf der reinen Persönlichkeit gründet, wobei diese Persönlichkeit auch nicht auf argumentative Weise in die Konzeption Gottes integriert worden ist. Zur genaueren Charakterisierung dieser Entwicklung sollen nun die unterschiedlichen Vorlesungen kurz betrachtet werden.
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1. Hegels Manuskript von 1821 In dieser ersten Vorlesungsreihe gibt es zwei entgegengesetzte Tendenzen. Die erste bedeutet Hegels Versuch, eine vollständige religiöse Philosophie aufzubauen. Diese, obwohl methodologisch auf der Logik basierend, die die Notwendigkeit durch den Begriff ergibt, integriert dann alle anderen Momente der Philosophie. Diese Ganzheit scheint erreichbar zu sein durch die Wiederholung des ganzen vorhergehenden Systems sowohl im Begriff der Religion wie in der christlichen Religion. So bildet die Religion die Wahrheit aller endlichen Erscheinungen. Sie hat einen Gegenstand, nämlich Gott, der sowohl das Objekt der natürlichen Theologie, der Geist in der Religion überhaupt ist. Selbst die Wahrheit von allem seiend, übersteigt sie alle logischen Momente und integriert diese, die nur die Momente der Welt sind und in Beziehung auf sie der Methode der Wissenschaft folgen (V 3. 140). Die gleichen, logischen Momente gliedern die bestimmte Religion entsprechend der ganzen Logik, die die innere Methode bildet und hier Beispiel für die Objektivierung des abstrakten Religionsbegriffs in der Vorstellung ist. Die Identifizierung des Geistes und der absoluten Idee in der christlichen, vollendeten Religion impliziert, daß die Einheit des Begriffs und der Realität auf solche Weise gegeben ist, daß nicht nur der Begriff eine Totalität darstellt, sondern auch die Realität selbst im Selbstbewußtsein stattfindet. Auf abstrakte Weise wird diese Idee im ontologischen Beweis ausgedrückt. Konkreter betrachtet handelt es sich um die Vorstellung Gottes als Idee des Geistes. Der Geist allein ist der Widerspruch der inneren Momente, die als verschiedene Gegebenheiten und Situahonen vorgestellt werden. Also ist die Entwicklung der Vorstellung eine Geschichte, oder die Idee des Geistes wird zur Vorstellung gebracht und da erschöpft: In einem Selbstbewußtsein wird der Geist als wirklich gesehen. Nachdem der Geist im Tod das höchste Moment der Entäußerung der göttlichen, ewigen Idee erfaßt hat, ist er wirklich im Kultus. Hierin ist der Geist das höchste, reine Bewußtsein der absoluten Idee, der absoluten Wahrheit; er ist das Selbstbewußtsein der Wahrheit oder selbst absolute Idee (V 5. 76). Die Philosophie der Religion ist dann die höchste Darstellung dieses Kultus. Sie ist die Versöhnung der entzweienden Aktivität des abstrakten Denkens (der natürlichen Theologie und der Aufklärung) einerseits und des Inhalts der Religion andererseits. Die zweite Tendenz versucht die Entwicklung der Religion entsprechend der logischen Spekulation darzustellen. Die Religion kann so allein wahr sein, insofern sie der absoluten Idee entspricht. Gott ist dann
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allein wahr als absolute Idee 3. 96). Gott entspricht dieser Idee nur, wenn er Gott ist in der Realität seiner vollendeten Religion. Aber dies kann nicht bedeuten, daß er schon die höchste Form derjenigen Idee wäre. Denn die Religion hat ihr spekulatives Objekt nur in der Form der Setzung des Bewußtseins. Das religiöse, denkende Selbstbewußtsein ist nicht die reine Bewegung des Denkens (wie in der Logik). Dies religiöse Denken ist nicht die Selbstbewegung der Denkbestimmungen, sondern das Denken eines Subjekts, das sein Denken (oder seine An-dacht) zum absoluten Denken, das selbst noch im Gegensatz zum endlichen Denken bleibt, erhebt. Diese Erhebung ist und bleibt die einseitige Form eines subjektiven Ichs. Nur insofern dies Ich selbst sowohl Denken als auch Gedachtes ist, wird eine spekulative Bestimmung der Religion gegeben (ebd. 115 ff). Dann ist es, wie Gott in der vollendeten Religion, der Begriff. Er ist der wahre Übergang zu seiner Objektivität; oder er ist in seiner Wahrheit die Dialektik {V 5. 16), so daß Gott nur ein Beispiel oder das absolute Beispiel des logischen Begriffs ist. Gott ist dann nicht, wie in der ersten Tendenz ausgemacht wurde, die Wahrheit des Begriffs, noch weniger die Wahrheit der absoluten Idee, sondern Gottes eigener Prozeß ist die beispielhafte Entwicklung der reinen Idee. 2. Vorlesungen 1824 Die letzte Konsequenz, daß Gott nur die absolute Idee sei, negiert Hegel in den Vorlesungen von 1824. Der Begriff Gottes, der in seinem logischen Wesen das Absolute oder die Idee ist, wird in der Religion in seiner konkreten Bedeutung genommen. Mehr noch, die Religionsphilosophie nimmt die logische Idee in ihrer Erscheinung als Geist. Gott ist also Resultat, das eine mit seinem Wesen identische Erscheinung haÜ. Religion als Selbstbewußtsein des absoluten Geistes ist wesentlich die höchste Bestimmung der absoluten Idee selbst {V 3. 222). Die Notwendigkeit eines solchen absoluten Geistes wird aus der Entwicklung entweder von dem logischen Anfang, wie er in der Systemskizze gegeben ist, oder von der Natur aus deduziert (ebd. 222, 225). In dem Resultat ist das als Abstraktes oder Endliches Gesetzte nur als durch das Resultat gesetzt. M. a. W.: das Resultat ist als Erstes gesetzt. Oder die Entwicklung und Setzung sind die Aktivitäten Gottes in sich selbst, nicht als ein Abstrak5 Logisch gesprochen, ist weder das Absolute noch die Idee, deren Bestimmtheit diejenige Gottes sein soll, der absoluten Idee gleich. Und die gegebene, scheinbare Definition Gottes ist nur ein logisches ,Absolutes' oder ,Wechselwirkung'; mit einer solchen Definition wäre auch für die Logik dieser ,Gott' nur eine mefaphysische, wesentliche Abstrakhon.
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tum, sondern als Geist zu sein. Da der Geist die Konkretheit der Logik selbst ist, wird die Logik zur einfachen Substanz des Geistes und zur auswendigen Form desselben reduziert. So, in dieser Form, muß die logische Form in der Religionsphilosophie genommen werden als die innerste Bestimmung und als einfache, substantielle Form. Als solche können diese Formen sowohl vorausgesetzt wie abgehandelt werden, da sie der Gegenstand der intellektuellen Wissenschaft von Gott sind. Die Beweise dieser Wissenschaft sind die Anzeige der Vermittlung Gottes, wie sie in der Entwicklung der bestimmten Religion vorgestellt wird (V 4. 155 ff). Der expliziten Aufmerksamkeit für logische Verhältnisse entsprechend, wird die vollendete Religion definiert in Beziehung auf die absolute Idee, aber nicht ihr entsprechend. Der Inhalt dieser absoluten Religion ist die absolute Wahrheit als Subjektivität. Auf diese Weise ist die absolute Idee oder der bloße Begriff des Geistes selbst zum Geist für den Geist geworden (V 5. 100). Dieser Geist ist der Geist einer Gemeinde, deren Begriff (und nicht deren Realität) die (abstrakte) absolute Idee ist. Nur als Resultat der ganzen Philosophie und nicht allein der Logik kann die absolute Idee Wahrheit ausmachen (ebd. 107). Das abstrakte Denken dieses Geistes, das identisch mit der (abstrakten!) absoluten Idee ist, wird im ontologischen Beweis vorausgesetzt. Gott als (abstrakte) absolute Idee ist die Übereinstimmung der (reinen) Wirklichkeit mit seinem Begriff, nicht die natürliche Realität oder reale Bestimmungen Gottes (ebd. 119). Solche Realität ist die konkrete Vorstellung, die der metaphysische Begriff hervorbringt. Diese Vorstellung hat drei Elemente: erstens das Denken der ewigen Idee, wo Gott als Manifestation (= die Wesensbewegung des Absoluten), aber nicht als Erscheinung betrachtet wird; das Subjekt eines solchen Denkens hat die selige Anschauung der Wahrheit. Diese Wahrheit ist nur Allgemeinheit, die absolute Idee als Objektivität. Das zweite Element ist die konkrete Anschauung dieser Wahrheit als Voraussetzung für den Geist, der selbst als drittes Element ebenso und konkreterweise das Erste ist. Durch die Negation der Negation, die man im Tod anschaut und in der Auferstehung glaubt, wird Gott vorgestellt als Geist. Dieser Glaube, mit Allgemeinheit verbunden, wird Denken. Dann bekommt die ewige Geschichte Form, nicht als reines Denken, sondern als andächtiger Genuß des göttlichen Geheimnisses. Die Notwendigkeit eines solchen religiösen Inhalts ist aber nur von der weltlichen Denkform hervorgebracht worden, insofern das Denken als konkretes und freies seine Unterschiede entläßt und den Inhalt als objektiv anerkennt: Gott als Wahrheit und die Religion als vernünftig (ebd. 174—175).
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3. Vorlesungen 1827 In diesen Vorlesungen gibt Hegel keine Aufmerksamkeit mehr auf die logische Entwicklung, obwohl diese Vorlesungen aufgrund Studentennotizen aus dem Jahr 1824 vorgetragen worden sind. Systematisch wichtig ist die Annahme, daß die Religionsphilosophie mit einem Lemma anfängt, so daß dieser Teil der Philosophie selbst in das System integriert worden ist.^^ Dieses Lemma ist: Gott ist die Wahrheit Aller, und das religiöse Bewußtsein ist das einzige wahre Wissen, insofern das Lemma das Resultat der ganzen vorhergehenden Philosophie ist. Gott ist dann die absolute Subsistenz.^ Als Geist bleibt er das Prinzip durch alle Besonderheiten. Aber als allgemeiner Begriff entäußerf er sich in ein Urteil, in eine Diremption {V 3. 278), wodurch die theoretische Seite der Religion zustandekommt. ^2 Die Beweise des Daseins Gottes sind das denkende Moment der theoretischen Seite. Sie sind keine rein theoretischen Schlüsse, sondern sie zeigen die Erhebung zu Gott. Aber nicht nur die klassischen Beweise müssen betrachtet werden. Jede Stufe der Logik kann als ein Beweis des Daseins Gottes angesehen werden (ebd. 318). Am wichtigsten aber ist der ontologische Beweis, der dem subjektiven Begriff Gottes eine objektive Realität gibt; zudem hat dieser Begriff einen speziellen Status: nur für ihn entspricht der Inhalt selbst seinem Begriff. Daß der Beweis dieser Entsprechung ebenso in seiner eigenen Logik gegeben worden ist, wird von Hegel nicht erwähnt, obwohl er die eigene Aufgabe der Logik als Erfassen der Bewegung des Begriffs als Aktivitäf bestimmt (ebd. 327). Der Begriff, der für sich Objekt ist, wird so in der vollendeten Religion verwirklicht. Diese Verwirklichung aber ist nicht für alle Menschen in einer philosophischen Art und Weise (als Entwicklung des Begriffs zur Idee) da. Aber die Notwendigkeit des Geistes, der selbst die Aufhebung der Abstraktion des Religionsbegriffs ist, ist auf diese Weise erwiesen. Der Übergang vom Endlichen zum Unendlichen ist also deutlich. Denn der Weg des Übergangs ist das Begreifen des Geistes. Das Resultat dieVgl. Jaeschke: Die Vernunft in der Religion (wie Anm. 2). 258. 11 Subsistenz ist kein Wesensmerkmal der absoluten Idee, sondern eine Bestimmung des ,Absoluten' (GW 11. 373) und wird auch als Standpunkt des Bewußtseins bestimmt {V 3. 186). 12 Die Diremption eines Begriffes in ein Urteil muß aus der Logik vorausgesetzt werden. Der Übergang von Gott zur Religion gründet also auf der Logik. Aber welche Art Logik möchte diese spekulative Logik sein, die der Philosophie erlaubt von dem Begriff Gottes zur Realität der Religion überzugehen? Ein gleiches Problem entsteht bei der in sich objektiven Subjektivität {V 3. 82).
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ses Hervorbringens ist die absolute Idee {V 5. 195). Die Entwicklung der vollendeten Religion zeigt, wie Gott in dem Hervorbringen der Unterschiede der allgemeinen Ewigkeit, der Besonderheit und Einzelheit die absolute Idee ist. — Insofern Gott die absolute Idee werden muß, ist es nur durch diese Entwicklung, daß Gott die Wahrheit wird, nämlich durch seine Entsprechung mit den spekulativen Voraussetzungen. Gott in dem ersten Element, als ewige Idee, ist die abstrakte Idee des Denkens, der Prozeß des Geistes als Idee nur an sich. Diese Idee braucht einen Übergang, der als metaphysischer, ontologischer Beweis betrachtet wird. Gott als ewige Idee ist die spekulative Idee, insofern sie vernünftig in der Eorm des Verstandes gedacht wird und insofern die Wahrheit für alle Menschen isf. So isf Goff als Triplizität oder Trinifäf. Aber das Ziel des Erkennens ist; die Idee ist als Wahrheit; die Bestimmungen sind die Bewegung der Selbstdarstellung der Logik (ebd. 215). Das zweite Element zeigt nicht allein die Wahrheit für die Menschen, sondern auch für die Gewißheit. Dies ist das freie Entlassen der absoluten Idee in das Urteil der Erscheinung (ebd. 217). Auf diese Weise wird die spekulative Form in einer unmittelbaren sinnlichen Form hervorgebracht. Die ewige Idee ist für die unmittelbare Gewißheit, aber die höchste Idee ist Geist als Vernichtung der natürlichen Menschlichkeit und Wiederkehr zu sich. Dieser Geist ist das reine Selbstbewußtsein der ideellen Wahrheit, das die Wirklichkeit der ewigen Versöhnung in eine Entwicklung allen Inhalts aus dem Denken heraus vollendet. Damit ist das Denken die Rechtfertigung des Inhalts, die wirkliche Religion und so Philosophie.
Resüme Auch in der letzten Vorlesungsreihe zeigt Hegels Religionsphilosophie das Mißlingen ihrer Entwicklung als spekulative Philosophie. Denn die Philosophie, die wahre Religion, kann nur mit und von logischen Bestimmungen her aufgebaut werden, für die es in der (oder besser für die) Philosophie der Religion keinen beshmmfen Ort und keine bestimmte Bedeutung mehr gibt. Daraus folgt eine doppelte Konklusion. Entweder Hegels Religionsphilosophie ist gültig; dann ist die Logik nur eine subjektive Fassung der subjektiven, abstrakten Denkbestimmungen. Dann zeigt die Logik selbst ihren Mangel und die Bedürftigkeit einer Ergänzung, so daß die formale und notwendige Wahrheit der Logik eine reale Wahrheit werden kann: Dann muß eine zufällige Natur, ein
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endlicher Geist und ebenso eine theologische Botschaft , gegeben' und ,angenommen' werden. Weder die Logik noch eine Philosophie, die auf der spekulativen Logik gründet, wäre eine autonome Akhvität. Die Logik wäre nur eine abstrakte Theorie der Kategorien oder Begriffsbestimmungen, die nicht für die Ausarbeitung der Wahrheit ausreichte. Hegels eigene wichtigste Aufgabe, eine neue Metaphysik ohne Substrate aufzubauen, wäre dann eine völlige Illusion: Hegel wäre nur ein Kantianer, ein Fichteaner! Oder Hegels Logik ist kohärent und autonom und die Selbstdarstellung der Wahrheit. Dann enthält Hegels Religionsphilosophie nicht den höchsten Gegenstand und muß konsequenterweise mit Einer Tendenz in ihr ausgearbeitet werden, so daß sowohl die Religion wie das Erkennen Gottes der absoluten, inhaltlichen Idee, der reinen Persönlichkeit entsprechen. Die Punktion der Religionsphilosophie wäre dann zu reduzieren: Sie könnte nur eine Vorbereitung sein für die einzige Weise der Philosophie, die (Hegels Meinung nach) der Entwicklung wert wäre, die spekulative Philosophie selbst, eine Philosophie, die nicht ,ewig' wäre, sondern die Ausarbeitung der Wahrheit als die Bewegung des Denkens des Denkens selbst.
PAUL ZICHE (MÜNCHEN)
„STAMMELNDE NATURSPRACHE" UND LALLENDES WÖRTERBUCH" - ANFÄNGE VON SPRACHE IN HEGELS ANTHROPOLOGIE“^
1. Das Erwachen. Anthropologische Konstanten im Übergang vom Tier zum Menschen Der englische ,metaphysical poet' JOHN DONNE wendet sich in seinem Gedicht The Good-Morrow mit den Worten „And now good morrow to our waking soules" an die Seelen zweier Liebenderd Die Seele wird hier durch die Macht der Liebe geweckt, die zugleich eine neue, nur den Liebenden zugehörige Welt eröffnet. Das Bild vom Schlafen und Erwachen der Seele kann aber auch ganz nüchtern erkenntnisphilosophisch das Verhältnis von bloßem Vorhandensein von Geist und aktivem Gebrauch desselben illustrieren; in diesem Sinne verwendet Hegel das Erwachen in seiner Philosophie des Geistes immer wieder als eine Metapher für einen methodischen Fortschritt, der nicht mehr einen Übergang in Anderes meint, sondern ein Bewußtwerden desjenigen, das in anderer Form — im Bild: als Traum — bereits für den Geist vorgebildet war.2 Die Metapher des Erwachens markiert so den Übergang von niederen zu höheren Stufen in der geishgen Entwicklung, auch den von der Natur zum Geist und damit zum Menschen. Ein solcher Gebrauch war im 18. Jahrhundert verbreitet: HERDER beispielsweise beschreibt durch den Schlaf die Beschränktheit der Lebensäußerungen der Pflanzen im Ver-
* Vortrag, gehalten am 1.11. 1991 auf der Tagung des „Arbeitskreises zur Hegelschen Naturphilosophie" in Lübeck. — Für vielfältige Anregungen danke ich Dr. Matthew BeU, London. ' In: H. Gardner (Hrsg.): The Metaphysical Poets. London 1972. 58. 2 Das Bild des Erwachens wird z. B. verwendet in § 384 Zus., 30; § 387, 40; § 390 Zus., 56; § 399, 113 f; § 407, 108; § 412, 247; § 450, 321. § 398 behandelt den Schlaf, nun allerdings nicht mehr als Büd. — Hegels Werke werden, soweit möglich, nach der Akademie-Ausgabe, Hamburg 1968 ff zitiert (GW), sonst nach der Freundeskreis-Ausgabe, Berlin 1832 ff (W). Auf die Encyclopädie von 1830 (mit den Zusätzen) wird nach W unter Angabe von Paragraph und Seite verwiesen.
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gleich zu höheren Formen von Leben.^ HERDERS Pointe besteht darin, die Metapher wörtlich zu nehmen: der Schlaf als einzig mögliche Regung der Pflanze dient ausschließlich dem Zweck, ihre Fortpflanzungsorgane in der Blüte nachts durch Zusammenschließen der Blütenblätter zu schützen; wie die Blüte die Krone der Pflanze ist, ist die Fortpflanzung ihr höchstes Prinzip, dem alle ihre Tätigkeiten dienen. HERDER baut dieses Bild zu einem Vergleich zwischen Pflanze, Tier und Mensch aus und führt dabei ein weiteres zentrales Motiv der anthropologischen Debatte des 18. Jahrhunderts ein: die Auszeichnung bestimmter Organe bzw. ihrer Funktionen durch ihre Stellung im Körperbau. Die gegenüber den Pflanzen höhere Organisationsform der Tiere äußert sich in dieser Perspektive darin, daß mit dem Kopf ein Wahrnehmungsorgan, nicht mehr nur ein Fortpflanzungsorgan ausgezeichnet ist; die Krone der Natur ist der aufrechtgehende Mensch, bei dem das Organ des Geistes den höchsten Punkt einnimmt. Der Zusammenhang von Erwachen und Geschlechtlichkeit zeigt sich in Hegels Anthropologie mit einer Akzentverschiebung vom Schlaf, der Fortpflanzung schützt, hin zum Erwachen der Seele aus dem Geschlechtsverhältnis (§ 398 Zus., 106); der aufrechte Gang bleibt auch bei Hegel Charakteristikum des Menschen. In diesem Kontext wird der Vergleich mit denjenigen Lebewesen wichtig, die dem Menschen anatomisch am nächsten stehen: den Menschenaffen. Auch dieser Vergleich gehört zu den Konstanten anthropologischer Literatur des 18. Jahrhunderts, die in großem Umfang Informationen aus Reiseschüderungen heranzog.Zu den Rätseln, die der Orang-Utang den Reiseschriftstellern und den Wissenschaftlern aus Physiologie und Anatomie aufgab, gehörte — neben Kuriosa wie dem offensichtlichen Genuß von Lagerfeuerromantik, dem Raub von Negermädchen und der vielbestaunten Monatsblutung der OrangUtang-Weibchen — vor allem die Frage, warum Affen nicht sprechen. ^ ]. G. Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Teil 1. In: Herder: Sämtliche Werke. Hrsg. v. B. Suphan. Bd 13. Berlin 1897. 74. t Zum Vergleich von Mensch und Affe bei Herder vgl. ebd. 115. — Hegel setzt seine Anthropologie scharf von der nur empirischen Menschenkenntnis ab, wie sie aus Reiseschilderungen zu gewinnen ist (§ 377 Zus., 5). Trotzdem zitiert er einige Reiseschilderungen ausdrücklich: Stauntons Bericht über Macartneys Chinareise als Quelle über die chinesische Sprache (§ 459, 139 f); Petry zieht auch die Reiseberichte von Spix/Martius und Maximilian von Neuwied heran (Hegel's Philosophy of Subjective Spirit. Ed. by M. J. Petry. Dordrecht, Boston 1979. Bd 1. C). Vgl. auch die Anmerkung Hegels zu §71, die religions-anthropologisches Material aus Berichten über Eskimos (Ross, Parry) anführt sowie überhaupt Hegels Aussagen über fremde Religionen. — Der Mensch-Tier-Vergleich wurde im 18. Jahrhundert auch durch Berichte über Wolfs- und Bärenkinder nahegelegt; einen Überblick gibt E. Behler: Die Geschichte des Selbstbewußtseins. In: Hegel-Studien. 7 (1972), 169 —216, hier 191.
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obwohl sie, wie TYSON nachwies, dem Menschen völlig analoge Sprechorgane besitzen.5 Dieser Befund führte zu unterschiedlichen Reaktionen. Die extremste bestand darin, eine Tiersprache anzunehmen, die völlig unserer Sprache entspricht; WENZEL legte sogar ein systematisches Wörterbuch der Tiersprache an.^ Differenzierter geht HERDER vor, wenn er bei Tieren, die anscheinend ein gewisses Verständnis von menschlicher Sprache besitzen, die Perspektiven von Äußern und Verstehen trennt: Affen können menschliche Sprache dem Inhalt nach erfassen, aber deshalb noch nicht sprechen; Hunde verstehen menschliche Sprache in defizitärer Weise nur als leeres Zeichen, nicht als Sprache mit rational erfaßbarem Inhalt.^ Eine andere Reaktion bestand in der fortgesetzten Suche nach einer spezifischen anatomischen Differenz: HERDER glaubte eine solche Differenz im aufrechten Gang gefunden zu haben, der die Organe so modifiziert, daß beim Affen weder die körperlichen noch die geistigen Voraussetzungen für Sprache gegeben sind; beide Differenzen gehören zusammen: bei HERDER blickt der Affe auf die Vernunft des Menschen, betrübt über seine traurige Gestalt und aufgrund seiner Anlage zur Bildbarkeit sich dumpf bewußt, daß ihm die Erweckung fehlt, die beim Menschen die schlafende Vernunft durch das Geschenk der Sprache erfuhr.® HERDERS Ziel war es in der Folge, die Einzigarhgkeit des Menschen als Sprachwesen im Gesamfzusammenhang der Nafur zu begründen.^ 5 Das Fehlen einer präzisen — auch terminologischen — Unterscheidung von Affen und Pygmäen begünstigte die Legendenbildung in Berichten über Affen. Das Problem ihrer Sprache wird aber gerade in anatomischen Traktaten wichtig, in denen Legenden und Verwechslungen auszuschließen sind; vgl. v. a. E. Tyson: Orang-Outang, sive Homo Sylvestris. Or, The Anatomy of a Pygmie Compared with that of a Monkey, an Ape, and a Man. London 1699. Die zweite Auflage von 1751 behandelt mit den gleichen anatomischen Methoden die Klapperschlange, die Bisamratte und mehrere Wurmarten - auch das eine Stellungnahme in Sachen Eigenständigkeit des Menschen. — Vgl. auch Herder (s. Anm. 3). 133; /. Burnett (Lord Monboddo): Of the Origin and Progress of Language. Edinburgh 1773 f. Bd 1. 171 ff; Ch. Bonnet: Betrachtung über die Natur. Leipzig 1783. Bd 1. 138 ff, 527 ff. 6 G. I. Wenzel: Neue auf Vernunft und Erfahrung gegründete Entdeckungen über die Sprache der Thiere. Wien 1800; Wenzel: Vollständiger Lehrbegriff der gesammten Philosophie, dem Bedürfnisse der Zeit gemäß eingerichtet. 2 Bde. Linz, Leipzig 1803 f. Wenzel verwendet die Tiersprache als Argument gegen Descartes' Dualismus (Bd 2. § 86 ff). ^ /. G. Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. In: Herder: Werke. Bd 5. Berlin 1891. 46; Herder (s. Anm. 3). 117. 8 Herder (s. Anm. 3). 117, 138. Herder stützt sich auf Campers anatomische Arbeiten, die auch Hegel kannte (vgl. § 370 Zus., 658). 9 Herder formuliert seine Position im Vergleich zu CondiUac und Rousseau: „Und da die Menschen für uns die Einzigen Sprachgeschöpfe sind, die wir kennen, und sich eben durch Sprache von allen Thieren unterscheiden . . . CondiUac und Roußeau mußten über den Sprachursprung irren, weil sie sich über diesen Unterschied so bekannt und verschieden irrten: da jener die Thiere zu Menschen und dieser die Menschen zu Thieren machte." {Herder [s. Anm. 7]. 21 f). Dieses Zitat erlangte eine gewisse Popularität; zitiert wird es von Jacobi in
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Hartnäckige Materialisten wie LA METTRIE betonten hingegen die gehirnphysiologische und anatomische Verwandtschaft zwischen Mensch und Menschenaffe und zogen den umgekehrten Schluß: wenn man nur die Affen in geeigneter Weise unterrichtete, nämlich durch Taubstummenlehrer, würden sie eine Sprache erlernen können; ihre mangelnde Sprechfähigkeit müsse ja, bei ihrer weitgehenden (gehirn)physiologischen Ähnlichkeit mit dem Menschen, letztlich doch in den Sprechorganen begründet liegen. Sowohl die Thematik des Verhältnisses von Tier und Mensch, die HERDER und Hegel mit der Metaphorik des Erwachens behandeln, wie das Problem der Sprachentwicklung stehen im Zentrum außlärerischen Denkens.^ Das Interesse der Aufklärung am Ursprung von Sprache kann sowohl aus der Suche nach einer neuartigen Methode zur Auffindung von ersten Prinzipien des Denkens erklärt werden, die nicht mehr die der traditionellen Metaphysik sein sollen, als auch als Ausdruck einer Beunruhigung hinsichtlich der Stellung des Menschen im Kosmos, die durch Reiseberichte und medizinische Forschung ausgelöst wurde. Die Bandbreite möglicher Lösungen des Sprachproblems wurde bereits deutlich. Als gemeinsame Merkmale der verschiedenen Denkrichtungen der Aufklärung kann man zumindest einen sensualistischen Grundansatz und die Verwendung genetischer Erklärungen festhalten. Im folgenden soll versucht werden, Hegels Anthropologie unter dem Leitfaden ihrer Aussagen zur Sprachentwicklung zu verstehen und Hegels spekulativ-dialektische Entwicklung von Sprache als Auseinanderseiner Betrachtung über die von Herrn Herder in seiner Abhandlung vom Ursprung der Sprache vorgelegte genetische Erklärung der thierischen Kunstfertigkeiten und Kunsttriebe als Hauptmaxime des Herderschen Textes (f. H. facobi: Werke. Hrsg. v. F. Roth u. F. Koppen. Bd 6. Leipzig 1825. 245). 10 /. O. de La Mettrie: Der Mensch als Maschine. Übers, v. B. A. Laska. Nürnberg 1985. 35 ff. — La Mettrie klassifiziert konsequenterweise Tiere hinsichtlich ihrer Ähnlichkeit zum Menschen nach den Kriterien von Gehirnphysiologie und Verhalten (32). Seine Einteilung stimmt dennoch weitgehend mit derjenigen des klassischen deutschen Werkes über den Bildungstrieb der Tiere überein, der Tiere nach diesem Trieb einteilt und in radikalem Gegensatz zu La Mettrie einen göttlichen Ursprung des Bildungstriebs annimmt: H. S. Reimarus: Allgemeine Betrachtungen über die Triebe der Thiere, hauptsächlich über ihre Kunsttriebe: Zum Erkenntniß des Zusammenhanges der Welt, des Schöpfers und unser selbst. 2. Aufl. Hamburg 1762.
Vorrede. 11 Vgl. allgemein zu den Sprachentstehungstheorien des 18. Jahrhunderts: Theorien vom Ursprung der Sprache. Hrsg. v. J. Gessinger u. W. v. Rahden. 2 Bde. Berlin, New York 1989; H. Aarsleff: An Outline of Language-Origins Theory since the Renaissance. In: Origins and Evolution of Language and Speech. Hrsg. v. S. R. Harnard u. a. New York 1976. 4—17; ferner Aarsleff: The Tradition of Condillac: The Problem of the Origin of Language in the Eighteenth Century and the Debate in the Berlin Academy before Herder. In: Studies in the History of Linguistics. Hrsg. v.
Dell Hymes. Bloomington, London 1974. 93—156.
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Setzung mit der Aufklärung und ihren Sprachentwicklungstheorien zu deuten. Die Stich werte meines Titels, beide HERDER entnommen, markieren den Anfang von Sprachlichkeit im Lallen und Stammeln, wie er sich in den ersten Äußerungen des Kindes manifestiert. 12 Der hier verfolgte Ansatz richtet sich nicht auf die Problematik von Hegels spekulativem Gebrauch von Sprache; allenfalls könnte man die Arbeitshypothese aufstellen, am Anfang der Logik und damit der Philosophie müsse Hegel notwendigerweise ins Stammeln verfallen und könne keine grammatisch korrekten Sätze hervorbringen.Hegels Verhältnis zu Theorien der Aufklärung und das Spezifische eines dialektischen Übergangs vom Tier zum Menschen im Gegensatz zu naturalistischen Entwicklungskonzeptionen sollen durch die Untersuchung von Hegels Behandlung der Entwicklung von Sprache in der Anthropologie rekonstruiert werden, ohne dabei die Theorien der Aufklärung im einzelnen zu bewerten. Systematisch wichtig wird diese historische Auseinandersetzung an der Schnittstelle zur Naturphilosophie: die Generierung von Geist aus der Natur muß klären, wie Tier und Mensch bzw. Leib und Geist Zusammenhängen. Gerade die Untersuchung früher Stufen von Sprache unter der Perspektive des Vergleichs mit dem Tier ist bereits der Aufklärung in der Frage nach der Eigenart menschlicher Sprache wichtig und kann eine präzise Einordnung der Anthropologie zwischen Natur und Geist ermöglichen. Hegel kannte das Denken der Aufklärung gut^^ aufklärerische Positionen immer wieder — etwa in der Phänomenologie, in Glauben und Herder (s. Anm. 7). 56; Herder: Gott. Einige Gespräche. In; Herder: Werke. Bd 16. Berlin 1887. 551. — Vgl. auch W. T. Krug: Allgemeines Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften. Leipzig 1833. Artikel „Sprache". Bd 3. 842: die erste Sprache des Kindes kann nur ein „Lallen und Stammeln" sein. Vgl. jeweils den ersten Satz der Abschnitte „A. Sein" und „B. Nichts" der Wissenschaft der Logik. Vgl. Rosenkranz' Diktum: „Hegel's Bildung war von Seiten des Princips eine durchaus der Aufklärung, von Seiten des Studiums eine durchaus dem classischen Alterthum angehörige." (K. Rosenkranz: Hegel's Leben. Berlin 1844. 10). Hinzuzufügen ist, daß Hegels Bildung nicht nur unter aufklärerischen Prinzipien stand, sondern daß Hegel auch in größerem Umfang Werke der Aufklärung rezipierte; vgl. die Angaben bei Petry (s. Anm. 4). Bd 1, XLVII ff, XCIX ff. Unmittelbar deutlich ist der Rückgriff auf Mauchardt (Hegels Brief an Schelling vom 24. 12. 94 in; Briefe von und an Hegel. Hrsg. v. J. Hoffmeister. Bd 1. 13) und Platt (Hegel verwertete Platts Vorlesung in seinem Manuskript zur Psychologie und Transzendentalphilosophie; vgl. GW 1. 167 ff). In seiner Jugend ist auch der Einfluß Garves nachzuweisen (vgl. Hoffmeisters Anmerkungen in Dokumente zu Hegels Entwicklung. Hrsg. v. J. Hoffmeister. Stuttgart 1936. 408 ff, 417, 421. Vgl. v. a. Hegels Exzerpt aus Garves Versuch über die Prüfung der Fähigkeiten. GW3. 126 ff). — Von besonderem Interesse für Hegels Kenntnis der Aufklärung ist der Unterricht am Stuttgarter Gymnasium; vgl. hierzu R. Pozzo: Hegel: ,Introductio in philoso12
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Wissen und den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie — kritisiert. In der Differenz-Schriit zieht er als Beispiel eines typischen, durch Spekulation aufzulösenden Gegensatzes die Dualität von Materialismus und Idealismus heran und illustriert die materialistische Position — wie noch in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie — durch einen Text der französischen Aufklärung: HOLBACHS Systeme de la natureP^ Welche Rolle HERDER für Hegel spielte, ist schwer nachzuweisen; jedenfalls wurde HERDER unter theologischem Aspekt am Stift gelesen. Auch Hegels — verschollene - Rezension von HERDERS Gott dürfte in diesen Kontext gehören. Interessanterweise wurde 1788 von C. L. NEUFFER am Stift ein Specimen über die Poesie der Hebräer verfaßt, das eindeutig die Präsenz der HERDERschen Gedanken über Sprache in Tübingen beweist. Eine Untersuchung, die sich auf die Anthropologie als Teil von Hegels Geistesphilosophie beschränkt, muß sich bewußt sein, nur eine Vorstufe von Sprache zu erfassen. Sprache findet ihren endgültigen Ort in Hegels System in der Psychologie. Die Anthropologie hat lediglich den lexikalischen Aspekt von Sprache zu entwickeln, während die Grammatik dem Verstand angehört (§ 459); das HERDERsche Stammeln und Lallen von grammatisch unzusammenhängenden Wörtern kann also als Charakterisierung der Form von Sprache dienen, die Hegel in der Anthropologie behandelt. Dennoch sind Sprache und Zeichen für die Philosophie des Geistes insgesamt wichtig: der Geist steht bei Hegel unter der Bestimmung der Selbstoffenbarung bzw. der Manifestation (§ 383 f), also unter zei-
phiam'. Dagli studi ginnasiali alla prima logica (1782—1801). Florenz 1989. 1—46; I. Felscher: Hegels Lehre vom Menschen. Stuttgart-Bad Cannstatt 1970. 19 f. Hegel: GW4. 80; W15. 519 f. In der Differenz-Schrift kritisiert Hegel Reinholds Unterschätzung des Materialismus (GW4. 80); die Auseinandersetzung mit dem Materialismus verknüpft also Hegels Lesart der Aufklärung mif den Themen der Differenz-Schrift und von Glauben und Wissen. Zu Hegels Beurteilung von Realismus und Idealismus im Bück auf Sprach- und Geistesphilosophie vgl. M. Bienenstock: Zu Hegels erstem Begriff des Geistes (1803/ 04): Herdersche Einflüsse oder Aristotelisches Erbe? In: Hegel-Studien. 24 (1989), 27—54. Die ausführlichste Analyse der Hegelschen Auseinandersetzung mit der Aufklärung gibt L. P. Hinchman: Hegels Critique of the Enlightenment. Tampa, Gainesville 1984. Zu den konkreten erkenntnisphilosophischen Fragen im Kontext einer Kritik der empirischen Psychologie vgl. 73 ff. Vgl. W. G. Jacobs: Zwischen Revolution und Orthodoxie? Schelling und seine Freunde im Stift und an der Universität Tübingen. Stuttgart-Bad Cannstatt 1989. 87 f; Neuffers Specimen ebd., 175—197. Einen Einfluß Herders auf Schelling konstatiert W. G. Jacobs: Gottesbegriff und Geschichtsphilosophie in der Sicht Schellings. Stuttgart-Bad Cannstatt 1993. 88—121. — Glauben und Wissen behandelt Herder als nur „geringe Modification" Jacobis (GW4. 362). Bienenstock (s. Anm. 15). 29, nimmt einen direkten Einfluß Herders als „höchstwahrscheinlich" an.
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chenhaften Strukturen.Schon in Hegels Berner Entwurf zu einer Philosophie des Geistes sollte die zentrale Struktur der Selbstdarstellung mit den Mitteln des Zeichens transparent gemacht werden.„Äußerung" hat in der Geistesphilosophie die Rolle eines Gegenbegriffs zur Entäußerung der Idee in die Natur in dem Sinn, daß geistige Äußerung kein Entlassen mehr bedeutet, sondern den Gegensatz zur Äußerlichkeit umfassen muß. Der Geist ist genauer dadurch bestimmt, daß in seiner Manifestation immer schon Eorm und Inhalt in Einheit sind (§ 383 und Zus.). Systematisch erfolgt durch den Manifestationsbegriff mit den Mitteln der Begriffslogik eine Äbsetzung gegen das seinslogische Übergehen in Änderes oder die wesenslogische Reflexion, zeichenphilosophisch ist so immer schon der Aspekt des Äußerns, des Realwerdens von Geist als Geist impliziert. Die frühen Stufen der Geistesphilosophie können und müssen vom entwickelten Geist her gedeutet werden, der sich in ihnen äußert. In methodischer Hinsicht hat das zur Eolge, daß Begriffe, die erst in späteren Partien vollständig entwickelt werden, antizipiert werden müssen. Dem entspricht, daß die Reflexion auf das Für-uns, die geistige Deutung, nicht mehr dazu dient, Kategorien aus ihrem fixierten An-sichSein in Momente innerhalb einer höheren Einheit aufzuheben, da jede Stufe immer schon im Geistbegriff aufgehoben ist: „Die Bestimmungen und Stufen des Geistes . . . sind wesentlich nur als Momente, Zustände, Bestimmungen an den höheren Entwicklungsstufen" (§ 380, 13). Die Äußerung ist zugleich Methode des Eortschreitens in der Geistesphüosophie: die Seele wird dadurch charakterisiert, daß „die Äußerung dessen, was sie ist, im Begriffe dasselbe fiir sie setzt, wodurch sie eine höhere Bestimmung gewonnen hat" (§ 387, 41). Deshalb ist es legitim, schon die frühesten und nur vorläufigen Formen von Äußerung, auch sprachlicher Äußerung, als Änalyseinstrument für Hegels Verständnis von Geist zu verwenden und als Epochen spekulativer Generierung von Sprache zu interpretieren. Es sei bemerkt, daß auch im weiteren Fortgang der Geistesphilosophie von Hegel Zeichen- und sprachtheoretische
n P. Reisinger (in Idealismus als Bildtheorie. Stuttgart 1979) versucht, einen zeichentheoretischen Zugang zu Hegels Dialektik zu gewinnen, der Dialektik aus der semantischen Interpretation von Bildstrukturen versteht (175). Vgl. Hegel: Ein Manuskript zur Psychologie und Transzendentalphilosophie. GWl. 184—186. Vgl. z. B. § 380, 13 und § 401 Zus., 141 — Die Notwendigkeit der Antizipationen betont T. Airaksinen: Problems in Hegel's Dialectic of Feeling. In: Philosophy and Phenomenological Research. 41 (1980/81), 1—25, hier 23. Fetscher (s. Anm. 14. 30 f) sieht die Antizipationen der Anthropologie hingegen als „bedenkliches Zeichen".
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Begriffe verwendet werden: Bild (§ 452), Sprache und Schrift (§ 457—459), Wort und Name (§ 461—464). In der Auffassung vom Geist als Selbstmanifestation ist die Überwindung einer Substanzmetaphysik angelegt, die Geist als Seelensubstanz bestimmt. Die zeichentheorebsche Problemabk des Äußerns erlaubt andererseits ein antireduktives Argument, das im voraus im Rahmen einer Hegelschen Minimalantwort gegen die Materialisten skizziert sei: die Äußerung von Empfindungen als Vorgang in der Materie ist in einer materialistischen Sicht (z. B. bei LA METTRIE) möglich, da Empfindungen gerade nichts anderes als materielle Ereignisse sind^O; hierin kann eine Überwindung des CARTEsischen Dualismus' gesehen werden. Die konträre Erklärung von Materie und Natur aus dem Geist würde allerdings unter entgegengesetzten Grundannahmen dieselbe antidualistische Tendenz verfolgen, so daß die beiden Erklärungen als Inversionen in einem Gegensatz stehen, der es unmöglich macht, eine von ihnen als wahr auszuzeichnen.21 Die Auffassung der geistigen Phänomene als Ausdrucks- oder Zeichenverhältnisse impliziert hingegen eine Durchdringung von Leib und Seele und krihsiert jedes Kausalitätsverhältnis in der Konstitution von Wissen aus Intelligenz und Natur. Beispiele für eine kausale, in den Dogmatismus zurückfallende Vermengung bilden die „Fiberntheorie des Bewußtseins" einerseits und teleologische Erklärungen andererseits.22 Hegel verwendet schon in der Differenz-Schritt das Konzept der Selbstdarstellung der Vernunft, die in den höheren geistigen Äußerungen mit den Mitteln der Bildung die naturhafte, auch klimatische23 Determination überwinden kann, als Überwindung solcher Kausalitätsverhältnisse und als Alternative zu Materialismus und Sensualismus. 24 Vgl. die Darstellung in Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. W15. 524. Die Inversion der gegnerischen Argumente ist eine häufig zu beobachtende Strategie Hegels. Dieses Argumentationsmuster wird auch konstatiert von M. Woljf: Das Körper-Seele-Problem. Kommentar zu Hegel, Enzyklopädie (1830), § 389. Frankfurt a. M. 1992. 108. ^ Hegel: GW4. 68; vgl. auch GW9. 192. - Einen knappen historischen Abriß der „Fiberntheorie" gibt schon /. C. Reil: Ueber Nervenkraft und ihre Wirkungsart. ln: Archiv für die Physiologie. Hrsg. V. Dems. Bd 1, Heft 2. Halle 1796. 3 — 20. Die Fiberntheorie wird auch von /. C. Lossius in seinen Physischen Ursachen des Wahren, Gotha 1775, als Grundlage von Erkenntnis abgehandelt. — Vgl. auch unten 133. 23 Zur Selbstdarstellung der Idee vgl. Hegel: GW4. 30 f; zur klimatischen Bedingtheit ebd. 14; vgl. auch § 392 und Zus., 58, 67 f. — Die Bedingtheit von Sprache und Denken durch klimatische Ereignisse war auch Thema der Aufklärung; vgl. z. B. G. Hassler: Spmchtheorien der Aufklärung. Zur Rolle der Sprache im Erkenntnisprozeß. Berlin 1984. 53 ff; La Mettrie (s. Anm. 10). 31. 24 Zu Hegels Auseinandersetzung mit der Auffassung des Geistes als Substanz vgl. Wolff (s. Anm. 21). Wolff behandelt hier auch das Problem des Reduktionismus aus der Sicht der
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Ein Problem hinsichtlich des Verhältnisses von Sprache und Anthropologie kann vorweggenommen werden: Hegel betont, in der Sprache sei ein reicher Schatz an anthropologischer Erfahrung aufbewahrt (§ 401 Zus., 134—136); er teilt also nicht die z. B. von C. C. E. SCHMID geäußerte Skepsis, die Sprache tue sich schwer, psychologische Sachverhalte auszudrücken. 25
2. Sprachentwicklung in Hegels Anthropologie ln der Anthropologie Hegels lassen sich drei Stufen des Spracherwerbs feststellen: am Anfang steht der Schrei des Kindes (§ 396 Zus.); dann wird über die nur symbolische Äußerung von Empfindungen (§ 401) fortgeschritten zu einer freien und freiwilligen Verleiblichung von Innerem (§411). Die beiden letzten Stufen markieren den Übergang von der natürlichen zur fühlenden bzw. von der fühlenden zur wirklichen Seele und damit in die Phänomenologie. Erst hier kann von Sprache als einer haltbaren Vermittlung von Außen und Innen, von Allgemeinem und Besonderem gesprochen werden. Hegel sieht es als Aufgabe der Seele an, eine Äußerlichkeit, wenn auch zunächst nur die nächstliegende des eigenen Leibes, als Zeichen für Seelisches zu setzen und damit Bewußtsein zu erzeugen: der Kampf der Seele mit der Natürlichkeit hat die „Herabsetzung und das Herabgesetztseyn dieser Leiblichkeit zu einem Zeichen, zur Darstellung der Seele" (§ 387 Zus., 43 und § 411, 239) zum Resultat. Bewußtsein setzt also für Hegel eine protosprachliche Zeichenstruktur voraus, ebenso wie die Psychologie in analoger Weise der voll entwickelten Sprache als Bedingung für Denken bedarf (vgl. § 459). Die Passagen der Anthropologie, die diese Struktur generieren, stellen eine Erweiterung des Systems im Vergleich mit den Jenenser Entwürfen dar; im Systementwurf 1805/06 erwacht der Geist nach einem nur träumerischen Umgang mit Bildern unmittelbar in das Reich der Namen hinein. 26 Sowohl in der Verknüpfung von Änthropologie und Zeichengenese als auch im Schema einer Entwicklungstheorie, die beim Kleinkind einHegelschen Geistesphilosophie und betont, Hegel wende sich gleicherweise gegen materialistische und mentalistische Positionen (154). Vgl. auch 189 ff zu Hegels Kritik an kausalen Beziehungen zwischen Leib und Seele. 25 C. C. E. Schmid: Empirische Psychologie. Jena 1791. 109. Hegel kannte diesen Text und fertigte einen Auszug aus der Rezension dieses Buches (GW3. 209 f). 26 Hegel: GW 8. 190.
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setzt und im weiteren Fortgang Sprache durch eine Transformation des Materials erklärt, das die Empfindungen („sensations" bei LOCKE oder CoNDiLLAc) liefern, kann man einen Bezug auf Gedanken der Aufklärung sehen. Umso dringlicher ist es, die genauen Differenzen der Hegelschen Position zu diesen Theorien herauszustellen. 2.1. Natursprache Der Ansatz bei den ersten Schreien des Kindes, mit denen es „das Gefühl seiner Bedürfnisse" (§ 396 Zus., 93) unartikuliert und unwillkürlich zum Ausdruck bringt,27 ordnet sich in die Sprachentstehungstheorien des 18. Jahrhunderts ein; in der Sicht dieser Theorien kann anhand der Schreie des Kleinkindes noch kein Unterschied zwischen Mensch und Tier etabliert werden (auch bei Hegel wird gelegentlich dem Tier eine entsprechende Ausdrucksfähigkeit zugeschrieben, z. B. §401 Zus.). Der unartikulierte Bedürfnisausdruck ist die Form von Sprache, die nach HERDER der Mensch schon als Tier besitzt; bei CONDILLAC entspricht dem die präreflexive Zeichenform der „signes naturels, ou les cris", die von der Natur dem Lebewesen als Zeichen für Lust- oder Schmerzgefühle beigegeben werden.28 Hier wird bereits ein Unterschied zu Hegel deutlich: in Hegels Sicht äußert das schreiende Kind gerade keine bestimmten Bedürfnisse oder Empfindungen, sondern nur ein unbestimmtes Gefühl von Bedürftigkeit; die Schreie des Kindes stehen nicht in einer definierten Relation zu etwas, das sie ausdrücken.29 Vergleicht man Hegels Äußerungen zu dieser Eorm von Sprache in der Anthropologie mit den Ausführungen zur Tiersprache in der Natur27 Diese primitivste Form von sprachlicher Äußerung wird in Th. Bodammer: Hegels Deutung der Sprache, Hamburg 1969, nicht erwähnt. — Sprache und das Erlernen des Sprechens spielen im Zusatz zu § 396 auch weiter eine Rolle. Ziel des Spracherwerbs ist das Aussprechen des „Ich", systematisch bei Hegel also der Übergang zum Selbstbewußtsein. — Die Entwicklung des Kindes ist wichtiges Thema in Chr. Garve: Versuch über die Prüfung der Fähigkeiten; Hegel exzerpiert die entsprechenden Passagen (GW3. 126 ff). 28 Vgl. Herder (s. Anm. 7). 5, £. B. de Condillac: Essai sur l'origine des connoissances humaines. Hrsg. V. Ch. Porset. Auvers-sur-Oise 1973. 128. — Petry (s. Anm. 4), Bd 2, 473, zieht einen Auszug Hegels aus Reil heran: „Den Menschen zeichnet es (nach Herder) vor den Tieren aus, daß er gleich nach der Geburt schreit" {Hegel: Berliner Schriften. Hrsg. v. J. Hoffmeister. Hamburg 1956. 692). 2^ Wolff {s. Anm. 21). 142 f, betont ebenfalls, die natürliche Seele habe noch keine propositionale Struktur, „ihre Inhalte repräsentieren auch noch nichts". Hingegen verfüge schon die wirkliche Seele bei Hegel über „Fähigkeiten nicht-grammatischen Sprechens" (181). Wolff sieht hierin einen Hinweis auf das Vorliegen rudimentärer Formen des Denkens. Hiergegen kann man einwenden, daß die Ausdrucksmöglichkeiten des nicht-grammatischen Sprechens schon bestimmten geistigen Fähigkeiten angemessen sind und nicht nur unter der Perspektive des entwickelten Denkens stehen.
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Philosophie (§351, 552; § 351 Zus., 554 f; § 365 Zus., 639), so wird deutlich, daß dieser primitive Beginn von menschlicher Äußerung bereits über die Natur hinausweist und daß trotz der scheinbaren Nähe zum Tier eine geistige Deutung solcher Äußerungen möglich ist. Hegel führt die Äußerungsfähigkeit des Kleinkindes mit einem Vergleich zum Tier ein, der bereits die Überlegenheit des Menschen betont: „Zunächst erscheint indeß das Kind in einer weit größeren Äbhängigkeit und Bedürftigkeit, als die Thiere. Doch offenbart sich seine höhere Natur auch bereits hierbei. . . . das Kind [äußert] das Gefühl seiner Bedürfnisse durch Schreien. Durch diese ideelle Thätigkeit zeigt sich das Kind sogleich von der Gewißheit durchdrungen, daß es von der Außenwelt die Befriedigung seiner Bedürfnisse zu fordern ein Recht habe, — daß die Selbstständigkeit der Äußenwelt gegen den Menschen eine nichtige sey" (§ 396 Zus., 93). Die „höhere Natur" des Kindes läßt sich durch die Beziehung von äußerndem Individuum und Äußenwelt darstellen; in der stimmlichen Äußerung des Tieres geht es darum, die gegenüber der Pflanze gewonnene Subjektivität in die Luft hineinzurufen, die Luft „erzittern" zu machen (§ 351 und Zus., 552, 554 f).^o Diese Äußerung ist wie beim Kind nicht Äusdruck einer Begierde oder eines bestimmten Gefühls, es wird kein höheres Ziel als der Äusdruck des eigenen Selbsts angestrebt. Hierin bleibt eine egozentrische Fixierung auf dieses Selbst bestehen (vgl. §365 Zus., 639: „unmittelbare[r] Genuß seiner selbst"); die Stimme des Tieres dient nicht der Äußerung, sondern erschöpft sich im Hervorbringen von Bewegung (§ 351 und Zus., 551 f, 555). Ädressaten einer solchen Äußerung sind die materielle Luft bzw. das Tierindividuum selbst; die Bewegungsform des Erzitterns dient Hegel immer wieder zur Charakterisierung der physikalischen Äspekte von Tönen. Hingegen schreit das Kleinkind, um die Außenwelt zur Bedürfnisbefriedigung aufzufordern. Das ist nur sinnvoll, wenn von vornherein die Distanz zur Außenwelt eine überbrückbare ist, wie Hegel betont; die „Selbstständigkeit der Außenwelt gegen den Menschen" ist eine nichtige.^i Hegel schreibt im selben Paragraphen der Sprache die Funktion zu, den Menschen zum „Bewußtseyn seiner eigenen Allgemeinheit" zu bringen und Hiermit ist eine Absage an alle Theorien impliziert, die menschliche Sprache aus dem Verhältnis zur umgebenden Luft herleiten wollen, wie es etwa H. Steffens in seiner Anthropologie (1822). Stuttgart 1922. 239 tut. Hegel kritisiert Steffens' Anthropologie generell als unwissenschaftliches Gemenge von Empirie und Abstraktion {Hegel: GW 15. 216 f). 31 Kant interpretiert das Schreien des Kindes als Unmutsäußerung über seine eingeschränkte Beweglichkeit und als laute Ankündigung seiner Existenz. Die evolutionäre Unzweckmäßigkeit dieses Verlautbarens erfordert die häusliche Kultur des Menschen als Bedingung für ein Überleben des Kindes {Anthropologie. B 324 f Anm.).
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es dem Kind zu ermöglichen, „aus seinem Versenktseyn in die Außenwelt sich in sich zu reflectiren" (§396 Zus., 94 f). Die Anfänge von menschlicher Sprache weisen also nicht auf das Tier zurück, sondern besitzen bereits eine Struktur, die sie als Anfänge von Sozialität im Sinne einer geistigen Vermittlung von in sich reflektiertem Ich und Außenwelt kennzeichnen. Hegel greift damit ein populäres Element der Debatte des 18. Jahrhunderts auf (die Rolle der Sozialisation für die Sprachbildung spielt z. B. bei LOCKE, CONDILLAC und HERDER eine Rolle), betont aber zugleich, daß diese ersten Äußerungen inhaltsleer seien und notwendig eine Fortbildung forderten (vgl. § 396 Zus., 95).^2 Sozialität heißt hier also noch nicht, daß gegenseitige Verständigung möglich wäre. Noch ist das Verhalten des Kindes ganz einseitig und nicht als Produktion von Zeichen verstehbar, die für andere geäußert werden; solche Zeichen können nach Hegel nur willkürlich hervorgebracht werden, also noch nicht in der anthropologischen Natürlichkeit. Hegel unterliegt mit dieser Minimalkonzeption von sozialem Verhalten nicht HERDERS Vorwurf gegen CONDILLAC, daß sich in dessen Modell zweier isolierter Kinder, die sich in der Wüste begegnen und zusammen Kommunikation aufbauen, die Kinder sofort „im Commerz" befänden, ohne die Bedingungen für solche Verständigung erlernt zu haben.^3 Ein Prinzip der Absetzung der Geistesphilosophie von der Philosophie der Natur wird hier schon deutlich: der Mensch ist ganz Gegenstand der Geistesphilosophie; alles, was dem Menschen angehört, wird von Hegel von Anfang an konsequent unter den Geist subsumiert (vgl. auch die Hervorhebung des Bezugs auf den Menschen in § 377).34 Analoge Phänomene im Tierreich sind keiner Weiterbildung zu Geist fähig, sondern werden nur rückwirkend vom Geist aus als Analogien zu geistigen Phänomenen gedeutet.33 Es gibt für Hegel keine Natursprache, selbst wenn 32 Den Bildungsaspekt betont Rousseau als die Gabe, die den Menschen vom Tier unterscheide (/.-/. Rousseau: Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen. In: Rousseau: Sozialphilosophische und Politische Schriften. Zürich 1989. 71). Das Thema der Perfektibilität verfolgt E. Behler: Unendliche Perfektibilität. Europäische Romantik und Französische Revolution. Paderborn u. a. 1989. 33 Vgl. Herder (s. Anm. 7). 18. 34 Dies wird auch betont in R. Wiehl: Das psychische System der Empfindung in Hegels „Anthropologie". In: Hegels philosophische Psychologie. Hrsg. v. D. Henrich Bonn 1979. (Hegel-Studien. Beiheft 19.) 81 — 139. 104: „Die ,Anthropologie' fällt ganz und ungeteilt in den Bereich der .Philosophie des Geistes', also auch nicht teilweise in den Bereich der Naturphilosophie." 33 Der Analogiebegriff war im 18. Jahrhundert Gemeinplatz, wenn es um den Vergleich der mentalen Fähigkeiten von Tier und Mensch ging; vgl. z. B. Reimarus (s. Anm. 10). 22 ff; Kant: Kritik der Urteilskraft. B 449 f.
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im Tierreich sprachanaloge Phänomene auftreten. Durch das Verständnis des Geistes als selbstinterpretierende Instanz kann Hegel die Vorstellung vom kontinuierlichen Hervorgehen des Geistes aus der Natur bzw. dem Tierreich oder die scheinbare Kontamination von Geist mit Natur in der Anthropologie abweisen. Der Bezug der Schreie des Kindes auf Sozialität bedeutet nicht — wie bei CONDILLAC —, daß sich natursprachliche Elemente unter dem Druck und Ansporn der Gesellschaft in menschliche Sprache umbilden, sondern daß der Unterschied zum Tier immer schon vorhanden ist; wenn der Besitz von Sprache Mensch und Tier unterscheidet, so muß auch die primitivste Form von Äußerung als humantypisch interpretierbar sein. Hegels zitierte Beschreibung der Überlegenheit schon des Kindes über das Tier hat die Gestalt eines Kompensationsarguments, wie es in der Aufklärung oft verwendet wurde: was man als Mangel deuten könnte, die scheinbar größere Abhängigkeit und Bedürftigkeit des Kindes, wird unter dem Aspekt der Äußerbarkeit als Hinweis auf die höhere Nafur des Menschen gedeutet. HERDER hatte ein ähnliches Argument zur Ehrenrettung des in den Sinnesorganen dem Tier unterlegenen Menschen entwickelt. 36 Dieses Argument ist zunächst ein quantitatives: die Anlagen jedes Lebewesens stehen in genauem Verhältnis zur Größe seiner Sphäre, der von ihm belebten Umwelt. Da Tiere nur in einer relativ engen Umweltnische lebensfähig sind, sind beispielsweise ihre Sinnesorgane dem geringen Spielraum entsprechend sozusagen komprimiert und damit sehr scharf ausgeprägt. So erklärt sich die scheinbare Überlegenheit der Tiere gegenüber dem Mängelwesen Mensch, der eine sehr viel umfassendere Sphäre bewohnt. HERDER setzt die Charakteristika des Menschen mit der Größe seiner Umwelt in Beziehung; die Mechanismen, die dem Menschen ein Überleben in der universalen Sphäre ermöglichen, müssen also sogar einer durch Einschränkung unendlich gesteigerten Sinnlichkeit überlegen sein. Für HERDER gehören dazu der aufrechte Gang, Sprache und BesonnenheiÜ^, für Hegel läßt sich das Menschliche in die einzigartige Fähigkeit zusammenfassen, die Distanz zu einer als Umwelt gesetzten Äußerlichkeit aufzuheben. Dabei ist wich3 Herder (s. Anm. 7). 22 f. 37 Auch Carus übernimmt dieses Argument für die Sprache, wobei zumindest in der Charakterisierung des Tieres eine Parallele zu Hegels Auffassung von tierischer Äußerung aufscheint: während der Mensch die ganze Natur wiederklingt, will das Tier nur sich vernehmen (C. G. Carus: Vorlesungen über Psychologie. Leipzig 1831. 121). Hegel kennt diesen Text, zitiert Carus aber nur ablehnend: Hegel kritisiert Carus' Psychologie als „so langweilig, unerbauHch, leblos, geistlos, daß es gar nicht auszuhalten ist" (W17. 337).
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tig, daß bei Hegel der Mensch qua Leiblichkeit auch physiologisch gesehen kein Mängelwesen darstellt; „Selbst das vollendetste Thier vermag nicht, diesen fein organisierten, unendlich bildsamen Körper aufzuzeigen, den wir schon an dem eben geborenen Kinde erblicken" (§ 396 Zus., 93; vgl. auch §371 Zus., 647 f). Die Überlegenheit des Menschen kann also nicht durch eine graduelle Verfeinerung der Organe und des Körperbaus erklärt werden, der den Stellenwert der geistigen Vermögen festschreibt, wie es z. B. von HELVETIUS^® versucht wurde. 2.2. Symbole für Empfindungen Die zweite Form von Sprache, die Hegel in der Anthropologie behandelt, geht über die natürliche Unmittelbarkeit und Inhaltsleere des kindlichen Schreiens hinaus. Sie behandelt die Möglichkeit, Empfindungen auszudrücken, wobei nun „das Innere des Empfindenden kein durchaus Leeres, kein vollkommen Unbestimmtes, sondern vielmehr ein an und für sich Bestimmtes ist" (§401 Zus., 131). Hegel bestimmt das Verhältnis von empfindender Seele und natürlicher Leiblichkeit als ein Mitleben, das nun auch für sich (§ 399 Zus., IIS)^^ schon als geistig einsichtig ist: „Das Empfinden überhaupt ist das gesunde Mitleben des individuellen Geistes in seiner Leiblichkeit" (§ 401, 121). Die Organizität von Leben fordert in dieser Metaphorik dazu auf, die Beziehung von Geist und Leib als Wechselverhältnis, nicht nur als passives Geformtwerden oder einseitige Inklusion zu denken. Im Mitleben wird der schlecht unendliche Gegensatz von Schlafen und Wachen in einer Struktur aufgehoben, die zugleich die träumerische Ununterschiedenheit der Seele von sich und ihre wache Getrenntheit von sich enthält (§ 399 und Zus.). „Mitleben" meint also sowohl das Aufnehmen von Eindrücken durch die Sinnesorgane, indem die äußerliche Empfindung auf das geistige Innere bezogen wird, wie auch das umgekehrte Herausbilden des Inneren in die Leib-
3® C.-A. Helvetius: Vom Geist. Berlin, Weimar 1973. 102: „Kombiniert man aUe diese Unterschiede in der Körperbeschaffenheit von Mensch und Tier so kann man erklären, warum das Empfindungsvermögen und das Gedächtnis — gemeinsame Fähigkeiten der Menschen und der Tiere — bei den letzteren sozusagen nur unfruchtbare Fähigkeiten sind." — ln den Nachschriften der Hegelschen Anthropologievorlesungen wird mehrfach betont, der Unterschied zwischen Mensch und Tier könne nicht in anatomischen Einzelheiten gesucht werden; vgl. Wolff (s. Anm. 21). 164. L. Fley in seinem Vorwort zu Hegels Theorie des subjektiven Geistes in der „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse". Hrsg. v. L. Fley. Stuttgart-Bad Cannstatt 1990, betont dahingegen das Verbleiben der Anthropologie im An-sich (8).
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lichkeit, die VerleiblichungA^ Beide Perspektiven sind untrennbar verbunden: Empfindungen, sowohl äußere wie innere, können nur präsent sein, wenn sie im Leib als Organ der Seele wahrgenommen werden. Beispiele für Verleiblichung von Empfindungen sind Lachen und Weinen, Äußerungen von Scham und Zorn, unwillkürliche Gebärden sowie stimmliche Äußerungen. Hegel verwendet diese Gleichheit der Verleiblichungsform äußerer und innerer Empfindungen zur Auszeichnung des Menschen: auch Tiere haben äußere Empfindungen, aber nur der Mensch kann geistige Inhalte verleiblichen und empfinden (§400 und Zus.). Hegel minimiert in diesem Zusammenhang den traditionellen Unterschied zwischen Empfindung und Gefühl (§ 402). Auf der Ebene von Empfindungsäußerungen kann — wie auch im Schreien des Kindes — noch keine Trennung zwischen Zeichen und Bezeichnetem vorgenommen werden; die Zuweisung von Bedeutungen erfolgt in diesen Ausdrucksformen immer noch unmittelbar (§401 Zus., 129). Die Zeichentheorie der Assoziationspsychologie des 18. Jahrhunderts, die den Mechanismus der Verbindung von Zeichen und Sache untersucht, greift nicht. Empfindungsäußerung kann keine Re-Präsentation sein, sondern vollzieht sich immer in Präsenz; es ist noch keine Subjekt/Objekt-Trennung möglich, weil die Beziehung einer Empfindung aufs Innere bewußtlos (§ 401 Zus.) erfolgt und noch keine Unterscheidung zu einem als äußerlich fixierten Gegenstand ermöglicht; ebenso sind auf dieser Basis keine Differenzierungen zwischen Objekten etabliert (§ 400). Der Bezug auf das geistige Innere ermöglicht es, die bereits in der Naturphilosophie eingeführten Sinne in einer ,,psychische[n] Physiologie" zu behandeln (§ 401, 121).Diese nimmt die Sinne aus der Naturphilosophie auf, wo sie als „System der specificirten Körperlichkeit" entwickelt wurden; der „Mittelpunkt der empfindenden Individualität" erlaubt aber in der Geistesphilosophie eine leichtere Ordnung der Sinne, ® Ein wichtiger Vorläufer dieser Theorie findet sich im Physiognomik-Kapitel der Phänomenologie des Geistes, das ausführlich auf Lichtenberg eingeht. Hegel betont hier, daß in der Sprache das Innere nicht nur im Sinne eines Ausdrucks, sondern unmittelbar selbst gegenwärtig sei (GW9. 173). — Hegel hatte in § 392 Zus., 58, von einem Mitleben der Seele im allgemeinen Naturleben gesprochen, dort aber betont, dieses Mitleben könnte nicht höchster Gegenstand der Geistesphilosophie werden. Eine ähnliche Disziplin behandelt Schiller im § 22, „Physiognomik der Empfindungen", seiner Schrift Über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen. In: F. Schiller: Sämtliche Werke. Bd 5. München 1984, 289 —324. Steht diese Physiognomik noch unter dem Aspekt, daß geistige Bewegungen sich durch körperliche Phänomene verraten, findet sich § 20 die Umkehrung: „Die Stimmungen des Geistes folgen den Stimmungen des Körpers."
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als sie in der Naturphilosophie möglich war.42 Greifbar wird diese Neuordnung, die nicht nur Umstellung, sondern radikale Re-Interpretation meint, im terminologischen Umschwung vom Begriff des Körpers zum Leib als dem beseelten Körper, der Organ der Verleiblichung ist.43 Die Körperwelt ist dieser Unterscheidung zufolge der Gültigkeitsbereich der Naturgesetze, wie sie in der Naturphilosophie entwickelt werden; der Körper des Tieres als höchste Stufe der Natur wird von Hegel üblicherweise als „Organismus" bzw. „Gestalt" benannt. Der Leib als Thema der Geistesphilosophie ist also nicht eine identische Wiederholung der Kategorie der Gestalt oder des Körpers, wie sie in der Naturphilosophie verortet ist.44 Die Leib/Körper-Unterscheidung ist notwendige Folge aus der Manifestationsstruktur des Geistes, die selbst elementare Vorgänge wie die Verdauung einer geistigen Deutung zugänglich macht (§ 401 und Zus., 122, 134). Für Hegel können Äußerungen von Empfindungen zwar zu Zeichen werden, müssen es aber nicht notwendig; insbesondere ist der Wille des Äußernden zu dieser Fortbildung nötig (§401 Zus., 134). Ohne daß sie u Herder (s. Anm. 3). 136 gibt eine fast wörtlich identische Formulierung unter dem Ordnungsaspekt des aufrechten Ganges. Diese Unterscheidung ist auch in zeitgenössischen Lexika nachweisbar; vgl. z. B. Krug (s. Anm. 12). Artikel „Leib". Bd 2. 706; /. G. Walch: Philosophisches Lexicon. Bd 1. Leipzig 1775. Sp. 2234 f. (Daß die Differenzierung zwischen Körper und Leib jeweils unter den theoretischen Vorannahmen der Autoren, beispielsweise hinsichtlich der Existenz von Tierseelen vorgenommen wird, bedeutet keine Nivellierung des Unterschiedes Körper-Leib.) Hegels Terminologie ist nicht ganz einheitlich; so kann auch in der Naturphilosophie (allerdings nur in Zusätzen) vom Leib die Rede sein (vgl. z. B. § 350 Zus., 550; § 365 Zus., 620). ln der Geistesphilosophie stabilisiert sich der Gebrauch von „Leib" als Gegenbegriff zum Körper erst ab § 401; vorher steht auch das Problem eines Unterschieds von Äußerung und Organ der Äußerung noch nicht an. ** Der Vorwurf der Wiederholung von Naturkategorien in der Geistesphilosophie wird z. B, erhoben in V. Höste; Hegels System. Hamburg 1987. Bd 2. 347. Die Inhalte der einzelnen Äbschnitte des subjektiven Geistes erscheinen Hösle durch die „subjektive Intention" nicht hinreichend differenziert; der Grund für diese Behauptung dürfte in seiner These der mangelnden Naturalisierung des Geistes in Hegels enzyklopädischer Geistesphilosophie zu suchen sein. Dem ist zu entgegnen, daß die Naturalisierung des Geistes in der Äußerung gerade darin besteht, die Natürlichkeit zu vergeistigen, ohne daß hiermit der Geist Natur im Sinne der Naturphilosophie wird. Nur wenn man, wie Hösle (343) annimmt, die Äußerung des Geistes vollzöge sich in ein äußerliches Medium hinein, muß man die Äußerung des Geistes als Verlust adäquater Geistigkeit verstehen. Auch D. Wandschneider/V. Hösle: Die Entäußerung der Idee zur Natur und ihre zeitliche Entfaltung als Geist bei Hegel. In: Hegel-Studien. 18 (1983), 173—199, bes. 189 f, fassen die Natürlichkeit der Anthropologie im Sinne der Naturphilosophie auf. — Beispiele für eine fehlende Unterscheidung zwischen Leib und Körper finden sich auch bei L. Siep: Leiblichkeit, Selbstgefühl und Personalität in Hegels Philosophie des Geistes. In; Eley (s. Anm. 39). 203—226, bes. 205; /. van der Meulen: Hegels Lehre von Leib, Seele und Geist. In: Hegel-Studien. 2 (1963), 251—274. — Auch Wolff (s. Anm. 21). 132, sieht die natürliche Seele als gemeinsames Charakteristikum von Tier und Mensch.
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einen selbständigen Inhalt haben müßte, erfüllt die Verleiblichung von Empfindungen eine Ausdrucksfunktion, indem sie ein begrifflich Unbestimmtes in uns hervorruft, so daß Hegel hier den Begriff des Symbols einführen kann. Hegel betont den antizipierenden Charakter dieser Übernahme eines eigentlich inhaltsbezogenen Zeichens (§401 Zus., 130), doch kann dieser Schritt aus Hegels Symboltheorie in der Ästhetik motiviert werden: Symbole sind dort nicht willkürlich gewählt, sie sind Zeichen, die in ihrer Äußerlichkeit zugleich den Inhalt der bezeichneten Vorstellung andeuten können, da sie zumindest in einer Eigenschaft mit ihrem Inhalt Übereinkommen.'*5 Hegel verwendet den Begriff der „Sfimmung", um das Verhältnis von Empfundenem und Empfindung im Empfindungsakt zu beschreiben. Es ist festzuhalten, daß der Empfindungsbegriff traditionellerweise sowohl den Gegenstand als auch den Akt der Empfindung umfaßf. „Stimmung" bedeutet hier affektives Ergriffensein, „das bewußtlose Bezogenwerden der äußeren Empfindung auf das geistige Innere" (§ 401 Zus., 129), wie es etwa durch Töne oder Farben ausgelöst werden kann.^^ Auf der Ebene sprachlicher Äußerungen ist es die Stimme, die eine Verleiblichung von Empfindungen leisfet. „Stimme" ist deutlich von der „Sprache" im eigentlichen Sinn zu unterscheiden'^^. Sie trägt die Konnotation der technisch-körperlichen und damit der Anthropologie zugehörigen Seite von Lautproduktion: „Eine solche entäußernde Verleiblichung des Inneren zeigt sich . . . überhaupt in der Stimme, schon noch ehe diese articulirt ist, noch ehe sie zur Sprache wird" (§401 Zus., 137). Die Stimme ist gegenüber dem Lachen und Weinen eine „vollkommenere Verleiblichung", weil sie eine „ideelle, eine — so zu sagen — unkörperliche Leiblichkeit" erzeugt (§ 401 Zus., 140). Am Beispiel dessen, was wir durch „Stimme" (im Gegensatz zu Sprache) verlautbaren können. Hegel: W 10,1. 393. — Rosenkranz faßt später in seiner Psychologie oder die Wissenschaß vom subjediven Geist. Königsberg 1837 (dieser Text entstand als systematische Exegese der Hegelschen Geistesphilosophie aus den Bemühungen um die Edition der Hegelschen Vorlesungen), das Symbol als das möglichst adäquate Zeichen (278), beseitigt also die von Hegel betonte Unangemessenheit des Symbols an seinen Inhalt. Es ist wichtig zu betonen, daß für Hegel Empfindungen selbst noch nicht nach dem Grad ihrer Angenehmheit oder Unangenehmheit klassifiziert werden können; dazu wäre ein Vergleichen von fixierten Empfindungen nötig (§401 Zus., 129). Hierin ist eine Ablehnung einer Handlungstheorie impliziert, die nur Lust- und Schmerzgefühle als Motive anerkennt (prominenter Vertreter: Helvetius. Hegel behandelt genau diese Seite von Helvetius' Denken in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. W15. 525 f). Dieser Unterschied ist auch in den zeitgenössischen Lexika nachzuweisen; vgl. die angegebenen Lexika von Krug (s. Anm. 12). Artikel „Stimme". Bd 4. 64; Walch (s. Anm. 43). Artikel „Stimme". Bd 2. Sp. 1000.
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wird die Stellung dieser unfreiwilligen, unbewußten Symbolisierungen bei Hegel deutlich; was hier ausgedrückt wird, wird mit den musikalisch-stimmtechnischen Mitteln von Klang-Harmonie und -Disharmonie ausgedrückt und läßt Rückschlüsse nur auf die Schönheif der Seele bzw. ein „rohes Gefühl" zu (§401 Zus., 131), isf also noch nichf artikuliert und trägt keine rational erfaßbare Bedeufung, keinen Inhalf.Auch höhere Ausdrucksformen können unter diesem stimmlichen Aspekt betrachtet werden; aber der Mensch hat die Möglichkeit, die Ausdrucksmöglichkeiten der Stimme zugunsten höherer Formen, insbesondere der Wortsprache, zu überwinden (vgl. z. B. § 401 Zus., 138 f über die Umbildung des Lachens zur Gebärde des Lächelns). Die Betonung der fehlenden Artikulierfheif anfänglicher Stufen des Spracherwerbs feilt Hegel mit vielen Sprachentwicklungstheorien des 18. Jahrhunderts; am ausführlichsten ist die Artifizialität von Artikulation wohl bei MONBODDO behandelt. MONBODDO betont, der Mensch spreche nicht bei der Geburt, also im eigentlich natürlichen Zustand. Sprache und Artikulation müssen mühsam erlernt werden, und es falle schwer, ungewohnte Laute fremder Sprachen zu artikulieren. Auch seien ganze Völker ohne Sprache gefunden worden — er meint hiermit die Orang-Utangs.“*^ Umgekehrt ist klar, daß Artikulation allein noch kein hinreichendes Merkmal für menschliche Sprache ist; als Gegenbeispiel dient der Papagei, bei dem offensichtlich Artikulations- und Ausdrucksfähigkeit divergieren. Hegel will die Möglichkeit einer solchen Divergenz für den menschlichen Geisf und den Leib als sein Organ ausschließen, ohne den Unterschied Mensch-Tier zu nivellieren. HERDER faßt die komplexe Interpretationsleistung des Geistes, die auch die unmittelbarste leibliche Funktion als Akt des Geistes verstehbar macht, so auf, daß er eine Gleichstufigkeit der Instanzen von Äußerung und Verstehen annimmt: ein Schrei sei naturgegebener Ausdruck von Gefühlen und wirke deshalb auch wieder nur auf das Gefühl; Äußerungen von Gefühlen sollen nicht verstanden werden, sondern nur zu einem „Gemälde" beitragen, das außerhalb seines natürlichen Kontextes zur bloßen „Ziffer", zum reinen ausdrucksfreien Symbol wird.^^ Die Fortbildung der Natursprache zur menschlichen Sprache muß dann al-
48 Interessant ist in diesem Zusammenhang die Rolle, die Musikalität und Prosodie gerade der sich entwickelnden, noch unvollendeten Sprache etwa bei Rousseau und Condillac spielen. 49 Monboddo (s. Anm. 5). Bd 1. 171 ff. 50 Herder (s. Anm. 7). 8.
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lerdings bei HERDER auf neue Vermögen zurückgreifen, die in der Empfindungsäußerung noch nicht am Werk sind. Der Symbolisierung der äußeren Empfindungen entspricht bei Hegel ein nicht-rationaler, nicht auf Inhaltsvermittlung abgestellter Zweck der unartikulierten Äußerung von inneren Empfindungen: die Ent-Äußerung, das Sich-Befreien von Gefühlen, beispielsweise die Erleichterung im Weinen (§ 401 Zus., 132).5i Als direkter Bezugspunkt bietet sich die pLATTsche Psychologievorlesung an, die Hegel in Tübingen hörte und in seinem ersten Entwurf zu einer Geistesphilosophie verwertete. PLATT fragt, warum traurige Musik selbst Trauer hervorbringe, ^2 und setzt dem Standpunkt der Assoziationspsychologie, der hier ein spezielles Assoziationsgesetz von Musik und Trauer fordert (Beispiel PLATTS für diese Position: HISSMANN), eine auf den ersten Blick wesentlich ökonomischere Zeichentheorie entgegen: Traurigkeit drücke sich — wie alles Innere — durch Zeichen aus; ein solches — und zwar arbiträres, also durch Lernen zu erwerbendes — Zeichen sei die Trauermusik. Das Vernehmen des Zeichens rufe dann nur die damit assoziierte Vorstellung, die hier emotiver Art ist, hervor.53 Hegels Kritik wird offenkundig in der Divergenz zu PLATTS Auffassung von Zeichen54: für PLATT ist ein Zeichen im weitesten Sinne jede Idee, durch die eine andere (unbewußt) erweckt wird. Dies ist genau dann notwendig der Pall, wenn die beiden Ideen durch Assoziation verbunden sind. An dieser Stelle, als Erklärung des gegenseitigen Aufrufens von Ideen, wird die Assoziationsvorstellung wieder in die Zeichentheorie eingebaut; PLATT nennt als Bildungsmechanismen von Zeichen die Nachahmung oder das Ausnutzen von Ähnlichkeit. Hegels Beschreibung des Wirkmechanismus von Trauergesängen hingegen kann noch keine konstituierte Vorstellung von Trauer voraussetzen, die mit einem Zeichen assoziiert werden könnte: die vom Subjekt empfundene Trauer wird im Trauergesang oder im Weinen erst real, indem sie der flüchtigen, temporal verfaßten Welt der Töne anvertraut wird. Die kathartische Wirkung dieser Realisierung beruht darauf, daß Trauer nicht unabhängig von ihrer Realisierung existiert, also in eins mit Vgl. auch Fetscher (s. Anm. 14). 63. 52 Vgl. Hegel. GWl. 589. 55 Die rein assoziative Verbindung von Musik und evozierten Gefühlen wird von /. /. Kausch in seiner Psychologischeln] Abhandlung über den Einfluß der Töne und ins besondere der Musik auf die Seele . . . Breslau 1782, als Argument gegen mechanistische (Kausal-)Auffassungen der Wirkung von Musik verwendet. Kausch führt das am Beispiel von Trauermusik aus, die trotz kompositioneller Fröhlichkeit durch Assoziation Trauergefühle auslösen kann (61). 54 Vgl. Hegel GWl. 607.
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dem Ton verschwunden ist. Die Traueräußerung ist eodem actu das Fühlbarwerden, die Verleiblichung der Trauer. Entscheidend ist dabei das Äußern der Empfindung, nicht, wie bei FLATT, das Verstehen. Diese Katharsis kann im Rahmen von FLATTS Theorie nicht behandelt werden; der spezifische Bezug zur Empfindung wird hier zugunsten einer abstrakten Zeichen- und Assoziationstheorie gestrichen. „Entäußerung" hat also in der Geistesphilosophie eine ganz andere Bedeutung als die Entäußerung der logischen Idee in die Natur: der Leib als Organ der Verleiblichung ist nicht mehr ein Anderes gegen die Empfindung. Eine Pointe dieser unmittelbaren Vereinigung von Form und Inhalt besteht darin, daß man nicht sagen kann, der Geist erlange erst die Herrschaft über vorher ungeistig vorhandene Dispositionen. Vielmehr können umgekehrt Inhalte, die geistig sind, durch Verleiblichung ausgedrückt und empfunden werden. Die Symbolisierung von Empfindungen kann in der wechselseitigen Angemessenheit von Inhalt und Ausdruck, die sich anthropologisch in der Untrennbarkeit von Ausdruck und innerem Gegenstand darstellt, schon als geistige Tätigkeit gedeutet werden. Das kritische Potential von Hegels dialektischer Hierarchisierung geistiger Entwicklungsstufen kann gerade in seiner Auffassung von der Rolle der Empfindungen in der Entwicklung höherer geistiger Fähigkeiten untersucht werden. Dabei wendet er sich scharf gegen sensualistische und empiristische Erkenntnistheorien, also solche, die geistige Verrichtungen aus einem Manipulieren durch Empfindung gegebener Daten deduzieren. Hegel erwähnt als Vertreter zumindest LOCKE, CONDiLLAC, LA METTRIE, ROBINET, HOLBACH und HELVETIUS. Als Beispiel können GONDILLACS Identifikation von „sensations" mit den „premieres pensees" des Kindes oder HELVETIUS' Gleichsetzung von Urteil und Empfindung stehen.So eindeutig Hegel die hiermit intendierte Überwindung des GARTEsischen Dualismus auch anerkennt, so fällt sein Urteil über die reduktive Tendenz dieser Versuche doch vernichtend aus („besonders flach"57). HELVETIUS' Argument kann als Beispiel dienen: alle unsere Vor55 Vgl. hierzu auch Wolff (s. Anm. 21). 166 f; Wollt deutet Verleiblichung so, daß ein Nicht-I.eibliches vom Leib Besitz ergreift. Die Ausdrucksstrukturen der Anthropologie behandeln aber gerade Äußerungen, in denen diese Trennung nicht möglich ist; tür den Ausdruck höherer Funktionen lietert die Anthropologie nur die Form. Vgl. auch 189: Wollt laßt das schamvolle Erröten so aut, daß hier der Grund der Scham nur angezeigt, nicht begritflich genannt werde. Als bloße Empfindung geht die Scham aber im Erröten vollständig aut, sonst wäre keine Katharsis im Äußern möglich. 5*’ Condillac (s. Anm. 28). 107. — Helvetius (s. Anm. 38). 82 t. 57 Hegel: W15. 524.
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Stellungen sind auf sinnliche Wahrnehmung zurückzuführen. Empfindungen bewirken eine gewisse Ordnungsstruktur in unseren Organen (Sinnesorgane und Gehirn), deren identische Repetition, das Gedächtnis, wegen der materialen Identität der Prozesse wieder nur Empfindung isf. Schließlich bestehen alle geistigen Verrichtungen in einem Vergleichen verschiedener Gegenstände, aber genau dieser Vergleich vollzieht sich im Empfindungsvermögen als dem Vermögen, verschiedene Gegenstände aufzunehmen. Das Urteil, als Ausdruck dieses Vergleichs, wird also wieder durch Empfindungen geleistet. Hegels Kritik wird deutlich, wenn man die Mechanismen betrachtet, die zwischen diesen geistigen Tätigkeiten vermitteln sollen. CONDILLACS Darstellung geht hier über HELVETIUS hinaus; er führt zunächst den sozialen Ansporn an, auf Regelmäßigkeit in der Vergesellschaftung von Gegenstand und Zeichen zu achten und solche Regelmäßigkeiten dann nach dem Modell von unwillkürlichen und naturhaft gebildeten Zeichen selbst aufzustellen; dazu wird nichts weiter erfordert als Übung und Verfeinerung der ursprünglichen Eähigkeiten.^s Für Hegel sfellt sich das Problem, trotz struktureller Ähnlichkeiten im Vorgehen, vor allem im Ausgang von Empfindungen (vgl. §400, 117) und der Betonung der Notwendigkeit von Zeichen für höhere geistige Operationen, das sensualistische Erklärungsmuster zu widerlegen. Es war schon deutlich geworden, daß Hegels Opposition gegen die Theorien der Aufklärung genau die kritisierten Elemente, allerdings in radikaler Umdeutung, enthält: auch bei Hegel vollzieht sich der Übergang in die wirkliche Seele mit der Eähigkeit zur freien Verleiblichung durch die Kategorie der Gewohnheit, die zudem noch eine abstrahierende Tendenz besitzt, indem sie von Einzelheiten absieht. Sein Widerspruch konzentriert sich auf den Charakter der Abstraktheit derjenigen Allgemeinheit, die auf diese Weise erzielt werden kann,^^ so daß die Verallgemeinerung durch Gewohnheit sofort dem freien Willen unterstellt werden muß.
58 Condillac (s. Anm. 28). 200, 194, 196. 5'^ In Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. W15. 424, wird dieser Vorwurf explizit gegen Locke gewandt: zwar sei der Ansatz bei der Erfahrung ganz richtig, werde aber nur in einer Dialektik legitim, die nicht das Allgemeine aus dem empirisch Einzelnen, sondern umgekehrt die Besonderung der allgemeinen Kategorien des Geistes untersucht. Der Geist könne also nicht durch Einzelnes erklärt werden; Wahrheit sei nur im umgekehrten Gang erreichbar.
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2.3. Bewußte Verleiblichung Für Hegel kann der Begriff des Zeichens durch diese Struktur der Verallgemeinerung und der freien Setzung definiert werden. Das Zeichen setzt für Hegel, anders als das Symbol, die Möglichkeit der willkürlichen Bedeutungszuweisung und Verwendung voraus. Diese Willkürlichkeit muß für Hegel dialektisch gewonnen werden, ist also nicht die lineare Fortsetzung der unwillkürlichen Äußerung, nicht — wie bei CONDILLAC — nach ihrem Modell geformt. Hegel leitet die Struktur des Zeichens in den § 410 und § 411 ab, die mit dem Begriff der Gewohnheit (Gegenbegriff beim Tier: Instinkt, vgl. § 410, 238) den Übergang in die „wirkliche Seele" leisten. Hegels Diskussion der Gewohnheit in § 410 vereinigt dabei den Aspekt des ganz richtigen genetischen Vorgehens vom Einzelnen zum Allgemeinen mit der dialektisch einzig interessanten umgekehrten Frage nach der Konkretisierung des Allgemeinen: unter der Perspektive der Genese erscheint das Sicheinbilden des Besonderen in die Seele als Wiederholung (§ 410, 230), die die Form der Allgemeinheit erzeugt (§ 410 Zus., 235); die Durchdringung von Körper und Leib erscheint dieser Genese allerdings als „magisch" (§ 410 Zus., 238) und verweist damit auf frühere Stufen zurück (vgl. § 405, 153, § 406 und Zus., 168). Die Doppelseitigkeit dieses Verfahrens ist im Formbegriff komprimiert: die Form der Durchdringung ist bereits die der wirklichen Seele und des Geistes, allerdings auf der Inhaltsebene generiert durch eine nur abstrakte Allgemeinheit (§410 Zus., 235). Auf den bisher besprochenen Stufen von Sprachentwicklung gab es keine Unterscheidung von Form und Inhalt. Nur durch Negation, wie sie hier die Gewohnheit leistet, wird das Zeichen disponibel, wenn auch als Zeichen zunächst nur der eigene Leib zur Verfügung steht, nicht beliebige äußere Dinge wie in § 459. ln der Gewohnheit wird es erst möglich, über die anfangs widerstandslose Durchdringung von Seele und Leib (§ 401 Zus., 132; vgl. auch § 410 Zus., 237) hinauszugehen und den Leib gegen seinen Widerstand zum Ausdruck von Geist zu machen. Zeichen können nun Zeichen für etwas und Zeichen für andere werden; in beiden Fällen ist dazu ein Differentsetzen mit anschließender Überwindung der Differenz erforderlich. Das methodische Grundmuster dieser Trennung entwickelt sich im Durchgang durch die Formen der Verrücktheit als Trennung des Geistes
^ Hinchman (s. Anm. 15). 81, beschreibt Hegels Kritik an der Aufklärung als Argument gegen das bloß lineare Iterieren einer Ausgangssituation.
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von Sichel und die anschließende Überwindung dieser Trennung, also die Verbindung von Geist und von sich separiertem Geist. In der Sprache von Äußerungen: hiermit ist die Struktur einer Darstellung im Medium der Äußerlichkeit (die Trennung) entwickelt, die zugleich nur Darstellung des Geistes als Geist ist (die Überwindung der Trennung). Das impliziert eine Negation der Leiblichkeit, ein Verschwinden in eine geistig zu verstehende Latenz, die nun nur noch Geist darstellt; diese Negation ist aber nicht destruktiv, der Körper wird nicht unwesentlich.^2 Hegels Beispiel ist wieder der aufrechte Gang als „absolute Gebehrde" (§411 Zus., 248) des Menschen, nun aber nicht mehr — wie bei HERDER — als das große Geschenk an den Menschen, sondern als selbstproduziert. Diese Produktion vollzieht sich auf zwei Ebenen: in seinem leiblichen Aspekt setzt der aufrechte Gang Gewohnheit voraus, wird dann aber in einem weiteren Schritt dem freien Willen verfügbar: wir stehen nur, so lange wir wollen. Hiermit wird die abstrakte Ällgemeinheit der Übung in eine freie Äußerung aufgehoben und der aufrechte Gang als Inhalt des freien Geistes gesetzt; Gewohnheit kann nur die Form dieser Äußerung erzeugen.Durch diese absolute Gebärde erscheint der Mensch dem Tier als das „Höchste" (§411, 240) — bei HERDER gar als Gott.^ Hegel schließt den Vergleich mit dem Orang-Ütang an: dieser ist nur mit Hilfe eines Stocks zum aufrechten Stehen fähig (§ 411 Zus., 242).65 Was bedeuten dann Freiheit und Willkürlichkeit von Äußerungen auf sprachlicher Ebene, wenn solche Äußerungen sich derselben formalen Grundlagen bedienen, wie sie unfreie Äusdrucksformen aufweisen? Eine unmittelbare Konsequenz der neugewonnenen Freiheit des Geistes über den Leib besteht in der Kontrollierbarkeit der Mittel, auch in der Schon hier wird klar, daß Hegel nicht eine allgemeine Darstellung der notwendigen Entwicklung jedes einzelnen Menschen gibt. 62 Im Gegensatz beispielsweise zur Auffassung von Sicp (s. Anm. 44). 207. 63 Diese Interpretation der Gewohnheit deckt sich nicht mit derjenigen von Wolff (s. Anm. 21). Für Wolff ist das „durch Gewohnheit erworbene Verhaltensrepertoire . . . eigentlich das, was Hegel die ,freie Gestalt' der Seele nennt". Diese Auffassung ist m. E. unvereinbar mit dem abstrakten Charakter der gewohnheitsmäßigen Allgemeinheit. Zwar ist die Aufhebung von Einzelnem in Allgemeines, wie es in der Gewohnheit geschieht, als Form für spätere Entwicklungen des Geistes relevant, dennoch muß diese Allgemeinheit sofort vom freien Willen übernommen und als freie gesetzt werden, Wolff nennt zwar den negierenden Charakter der Gewohnheit (182), sieht hierin aber nicht die Notwendigkeit, Gewohnheit zu überwinden. — Zu Hegels Gewohnheitsbegriff in der Anthropologie vgl. auch B. Merker: Uber Gewohnheit. In: Eley (s. Anm. 39). 227—243. 64 Herder (s. Anm. 3). 114. 66 Hegel greift hier auf eine verbreitete bildliche Darstellung seiner Zeit zurück; vgl. Petry (s. Anm. 4). Bd 2. 628 f.
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Einschränkung von Gebärden zugunsten der Sprache, wie sie unter gebildeten Menschen üblich ist. Wieder ersetzt vollzogene Bildung die potentielle Bildbarkeit. Wie vorher der Körper zum Leib, so wird nun die Stimme zur Sprache (§411 Zus., 245), die es vermag, „alle Modifikationen der Vorstellung unmittelbar aufzunehmen und wiederzugeben" (§ 411 Zus., 244). Die Freiheit der Sprache geht so weit, daß sie „so gut zur Verhüllung wie zur Offenbarung der menschlichen Gedanken . . . dienen" kann (§ 411 Zus., 246). Auf der formalen Ebene der Physiologie wird — in der Struktur parallel zum aufrechten Gang — erst durch Willkürlichkeit Artikulation möglich, d. h. die Verwendung des extrem komplizierten Stimmapparats. Diese Kompliziertheit war für CONDILLAC nur Ursache einer Verzögerung des Fortschritts des Spracherwerbs, die durch Übung überwindbar ist, ohne daß die gewohnheitsmäßig erreichte Verfügbarkeit noch einmal der Freiheit unterworfen werden müßte. Ein gradueller Komplexitätszuwachs kann für Hegel aber die neue semiotische Struktur einer Trennung von Zeichen und Bezeichnetem nicht erklären. Hegel beschreibt die Notwendigkeit, eine solche Trennung herzuleiten, mit dem Ungenügen der „unmittelbaren Harmonie meiner Seele und meines Leibes": „Die Form der Unmittelbarkeit jener Harmonie widerspricht dem Begriff der Seele" (§ 410 Zus., 237). Hierin ist eine Kritik an allen Versuchen impliziert, das Verhältnis von Seele, Leib und Körper mit dem Begriff der Harmonie zu charakterisieren. Das Erklärungsmodell harmonischer Schwingungen war gerade als mechanistisches Modell für die Funktion des Gehirns populär. Andererseits ist der Versuch, eine Lösung des Leib/Seele-Problems mit dem Harmoniebegriff in Analogie zum musikalischen Harmonieren etwa von Saiten zu bestimmen, so alt, daß sich schon PLATON im Phaidon zu kritischer Auseinandersetzung veranlaßt sah.^^ Die HARTLEYsche Grundlegung der Assoziationspsychologie in schwingungsmechanischen Modellen konnte Hegel durch ABEL kennengelernt haben, der sowohl Lehrer SCHILLERS an der Karlsschule als auch ab 1790 Professor in Tübingen war.^® ** Systematisch ausgebaut wurde dieses Modell von D. Hartley in seinen Betrachtungen über den Menschen, seine Natur, seine Pflicht und Erwartungen von 1749, in deutscher Übersetzung in zwei Bänden Rostock und Leipzig 1772 f erschienen. Zur Rezeption vgl. z. B. La Mettrie (s. Anm. 10). 41. Verwendet wird dieses Modell z. B. auch von Herder (s. Anm. 7). 6 £. ^ Vgl. Fetscher (s. Anm. 14). 20. - Hegel war mit Abel schon als Schüler bekannt; vgl. Hegels Tagebuch (GlVl. 10). Auch in Platts Psychologievorlesung wird Abel im Zusammenhang mit der Assoziationspsychologie und ihrem Vertreter Hissmann erwähnt; Platt behandelt auch das Schwingungsmodell; vgl. GWl. 582. Abel beschreibt in Ueber die Quellen der
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Der Schritt zur bewußten Verleiblichung betont für Hegel die Fähigkeit des Geistes, über den Leib hinauszugehen. Beschrieben wird das allerdings unter Beibehaltung einer Metapher, die mit dem Harmoniebegriff zusammenhängt: es ist ein ,,geistige[r] Ton" über die Gestalt des Menschen ausgegossen (§ 411, 240); diese Bedeutung von „Ton" im Kontext des musikalisch konnotierten Harmoniegedankens findet sich z. B. auch bei MENDELSSOHN.Die Geistigkeit des Leibes als aktive und wirkliche geistige Deutung des Körpers, nicht mehr nur auf die Potenfialität von Bildung oder Deutung bezogen, macht den entscheidenden Gegensatz zum Tier aus, der nun nicht mehr als gradueller Übergang verstanden werden kann. Hegel formuliert das in einem weitverbreiteten Argumentationsmuster, in dem er die Überlegenheit des menschlichen Leibes über den tierischen festhält, die schon beim Kind angedeutet worden war: „Nach seiner rein leiblichen Seite ist der Mensch nicht sehr vom Affen unterschieden; aber durch das geistdurchdrungene Ansehen seines Leibes unterscheidet er sich von jenem Thiere dermaaßen, daß zwischen dessen Erscheinung und der eines Vogels eine geringere Verschiedenheit herrscht als zwischen dem Leibe des Menschen und dem des Affen" (§ 411 Zus., 242). Meisf wurde ein solcher Analogievergleich verwendet, um die Mittelstellung des Menschen im Konhnuum der Schöpfung zu beschreiben oder um die herausragende Sfellung menschlicher Genies darzusfellen; in diesen Funktionen findet er sich z. B. bei POPE, KANT und HERDER. 70 Hegel hingegen will die inkommensurable Überlegenheit des Menschen über das Tier ausdrücken, die nicht nur auf einzelne Menschen beschränkt ist (insbesondere impliziert er im angeführten Zitat nicht, daß auch der Affe einen geisfdurchdrungenen Leib besifzf).
menschlichen Vorstellungen, Stuttgart 1786, den Körper zwar als Werkzeug der Seele, beschränkt seine Funktion in Anlehnung an Hartley aber darauf, Empfindungen durch Bewegung zur Seele zu tragen (48); auch die Seelenstimmung als Totalverfassung der Seele und körperliche Stimmungen können auf diese Weise Eindrücke erregen (250 ff). Mendelssohn benennt die „harmonische Spannung" des Nervensystems als „Ton", mit einem Ausdruck, den er von den „Kunstverständigen" entlehnt: vgl. M. Mendelssohn: Über die Empfindungen. In: Mendelssohn: Ästhetische Schriften in Auswahl. Hrsg, von O. F. Best. Darmstadt 1986. 64. — Petry (s. Anm. 4). Bd 2, 627, gibt medizinische Quellen für dieses Konzept an. Vgl. auch Abels gerade angeführten Begriff der „Seelenstimmung". Vgl. A. Pope: Essay on Man. Epistle II. V. 31—34; Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. A 188; Herder (s. Anm. 3). 147. Vgl. hierzu auch A. O. Lovejoy: Die große Kette der Wesen. Frankfurt a. M. 1985. 237.
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3. Zusammenfassung: Spekulative und natürliche Entwicklung Hegel beschreibt eine Entwicklung von Geist, die naheliegenderweise als Bildung des Individuums aufgefaßt werden könnte. Die individualhistorische Dimension wurde durch den Hinweis auf die Rolle der Verrücktheit schon ausgeschlossen (die Entwicklung des Individuums wird Thema nur am Anfang der Anthropologie, als „natürliche Veränderung"). Es kann ebenfalls keine welthistorische sein; weltgeschichtlich ist die Entwicklung von Sprache (zumindest in formeller Hinsicht) ja als voreilig zu charakterisieren, wie Hegel aus den sprachvergleichenden Bemühungen seiner Zeit (vgl. seine Anmerkung zu HUMBOLDT, § 459, 341) anführt. Die Grammatik einer Sprache unterliegt keinem stetigen Fortschritt; oft haben die Wilden eine ausgefeiltere Grammatik als die Kulturvölker.Was ihnen fehlt, ist ein Geistesleben, das ihre Sprache als Ausdruck von Geist interpretierbar macht. Anthropologie bedeutet nicht Analyse von Grammatiken, sondern spekulative Geistesgeschichte. Hegel gibt zwei Begründungen für die Notwendigkeit einer spekulativen Betrachtung der Sprachgenese, die er gleicherweise gegen CONDILLAC und gegen LOCKE richtet und auch pauschal gegen jede rationelle und empirische Psychologie wendet: die fehlende Unterscheidung von Entstehung und Wahrheit einerseits und andererseits das Aufgehobensein der Ursachen in den Wirkungen.Beide Argumente haben dasselbe Ziel: zu zeigen, daß der Ausgang von den Empfindungen nicht zu wahrhaftiger Erkenntnis höherer geistiger Funktionen führt. Die rein serielle Genese höherer Stufen, die einfach einen Gedanken wieder Gegenstand des nächsten Gedankens werden läßt,^^ fällt in einen unfruchtbaren Progreß (bzw. in der entwicklungshistorischen Perspektive in einen Regreß). Hegels Gegenstand-Werden niedrigerer Stufen auf höherer Ebene ist hingegen keine Iteration, sondern bringt einen Fortschritt durch die Hegel: W9. 77 f. 72 Hegel: §379 Zus., 11, §442, 294 £; vgl. auch seine Kritik an der „Ideen-Association", § 398, 105; W15, 424—429; vgl. auch GW 12. 21 f. — Wolff (s. Anm. 21) unterscheidet eine von Hegel abgelehnte erkenntnistheoretische Seite des Sensualismus (144 f), gegen die sich der erwähnte Vorwurf richte, von der genetischen Entwicklungsthese Condillacs, der Hegels Genealogie „eng verwandt" sei (175). Wolff begründet diese Verwandtschaft mit der Rolle von Empfindungen und Gewohnheit bei Hegel. Die Verwandtschaft zu Condillac kann aber nur behauptet werden, wenn die Rolle der Negation in Hegels Entwicklung des Geistes nicht radikal genug aufgefaßt wird; bei Wolff steht die Betonung dieser Negation unvermittelt neben der Behauptung der Nähe Hegels zu Condillac. — Fetscher (s. Anm. 14). 29, unterscheidet scharf zwischen spekulativ-wissenschaftlicher und entwicklungspsychologischer Sichtweise. 73 Condillac (s. Anm. 28). 107.
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Bewußtwerdung auf höherer Ebene hervor; die Schlaf-Metapher macht klar, daß das Erwachen bzw. Bewußtwerden kein graduelles Phänomen ist, sondern das Setzen eines unmittelbar vorhandenen Inhalts als negativ erfordert. Diese Setzung führt nach Hegel von der Seele als dem Organ unmittelbaren Kontakts mit unmittelbar empfundenen Inhalten hin zum Ich bzw. zum Bewußtsein (§ 402 Zus., 144—149). Hegels Insistieren auf der inkommensurablen Überlegenheit des Menschen im Analogievergleich zum Tier zeigt ein weiteres Ziel seiner philosophiehistorischen Kritik: das analogisierende, von durchgängiger Kontinuität ausgehende Verfahren romantischer (Natur-)Philosophie. Er erwähnt für die empirische Psychologie STEFFENS und ESCHENMAYER. Hegels Entwicklungsmodell des Geistes trifft also alle Positionen, die den Geist innerhalb eines Kontinuums, in einer „großen Kette" geistiger und natürlicher Erscheinungen anordnen. Insbesondere richtet sich Hegels Modell sowohl gegen physikalistische bzw. sensualistische (vgl. z. B. die Kontinuität, die LA METTRIE zwischen Mensch und Pflanze aufstellt; auch CoNDiLLAC sieht einen kontinuierlichen Übergang zwischen Mensch und Tier in anatomischer und geistiger Hinsicht) als auch gegen bestimmte romantische Auffassungen von Geist. Hegels eigenes Verfahren der Entwicklung als Selbstoffenbarung kann im Rückblick auf seine Ausführungen zur Sprachentwicklung präzisiert werden. Die systematisch relevanten Momente, die sich aus der Betrachtung der Entwicklung von Sprache ergeben, können so zusammengefaßt werden: entscheidend ist, daß die Anthropologie sich immer schon im Medium des Geistes bewegt, d. h. in einer Sicht auf die Naturphänomene des Seelischen, die diese als geistig oder genauer als Ausdruck für Geistiges versteht. Diese Eormulierung schließt den Antizipationscharakter der Anthropologie in größtmöglicher Allgemeinheit ein. Was hier antizipativ generiert wird, sind — vom freien Geist als dem notwendigen Ende der Entwicklung her gesehen — reine Ausdrucksformen, die nicht zugleich einen separaten Inhalt besitzen. Dem widerspricht die Übereinstimmung von Ausdrucksform und enfäußertem Inhalt, etwa in der Empfindungsäußerung, nicht; eine sich im Trauern entäußernde Empfindung von Trauer stellf ja gerade keinen Inhalt im Sinne einer fixierten Bestimmtheit dar. Für solche Inhalte werden passende Ausdrucksformen erst später in der entwickelten Sprache oder auch im künstlerischen Ausdruck zur Verfügung gestellt. Vgl. Hegel: GW 15. 216 f. 75 Vgl. hierzu auch Wolff (s. Anm. 21). 154.
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Ein weiteres Problem der Sprachurspmngsdebatten des 18. Jahrhunderts, auf das Hegels Entwicklung von Sprache in der Anthropologie eine Antwort geben kann, muß genannt werden; der Zirkelvorwurf, dem alle Theorien über das Verhältnis von Sprache und geistigen Tätigkeiten unterliegen, sofern sie Sprache und Denken in ein Bedingungsverhältnis setzen. Er läßt sich so formulieren: wenn Sprache für Denken nötig ist und umgekehrt erst geishge Tätigkeiten erfordert werden, um Zeichen zu bilden, kann weder Sprache noch Denken ein Primat erhalten. Seine wirkungsmächtigste Darstellung erhielt dieser Zirkel in SüSSMILCHS These des göttlichen Sprachursprungs, die er eben aus der Unauflöslichkeit des erwähnten Zirkels begründete.Diese These setzte die Debatte an der Berliner Akademie (die durch MAUPERTUIS schon für das Thema sensibilisiert war) in Gang, in deren Verlauf auch HERDER seine Sprachursprungsschrift verfaßte. Es ist offenkundig, daß Hegels These der Untrennbarkeit von Empfindung und Ausdruck sowie seine fundamentale Lösung des Anfangsdilemmas in der Philosophie des Geistes, nämlich die Anthropologie vom Geist her zu deuten, auch als Argument gegen eine perniziöse Zirkularität der Entstehung von Sprache und geistigen Fähigkeiten gesehen werden kann. Sein Vorwurf gegen LOCKE und die Aufklärung, Entstehung mit Wahrheit zu verwechseln und deshalb die explikativen Abhängigkeiten von Allgemeinem und Besonderem zu vertauschen, ist die Kurzfassung seiner Lösung. Sprache und Denken können nicht unabhängig voneinander entwickelt werden, da sie als Form und Inhalt des Geistes Zusammenhängen. Hegel wendet dieses Argument in § 442 gegen CONDILLAC, der von HERDER genau wegen der Zirkularität seiner Theorie kritisiert wurde. Es sei bemerkt, daß das Sprachproblem, das sich am Anfang der Phänomenologie des Geistes bei dem Versuch stellt. Einzelnes adäquat auszusprechen, strukturelle Entsprechungen zu Hegels Sprachentwicklung in der Anthropologie aufweist. In der Phänomenologie ist die verwendete Subjekt-Prädikat-Struktur wegen ihrer Allgemeinheit nicht fähig, die an Raum und Zeit gebundene Individualität von Ostensionen festzuhalten. Diese Einzelheit ist irreduzibel, da ostendierendes Ich und Gegenstand in ihrem Verhältnis gleichberechtigt sind.^^ Die Unmittelbarkeit des bloß hinweisenden Bezugs muß ebenso überwunden werden wie die Unmittelbarkeit der Äußerungsformen der Anthropologie. Der Geistesphiloso/. P. Süßmilch: Versuch eines Beweises, daß die erste Sprache ihren Ursprung nicht vom Menschen, sondern allein vom Schöpfer erhalten habe .... Berlin 1766. ^ Hegel: GW9. 79, 67.
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phie liegt die Gleichrangigkeit von Innerlichkeit und Äußerem nicht als Versuch der gegenseitigen Vermittlung zweier fester Positionen zugrunde, sondern als Selbstmanifestation des geistigen Inneren, also als selbsttätige Besonderung des geistigen Allgemeinen (§ 383, 27). Diese Durchdringung wird in der freien Verleiblichung vorbereitet; vollendet ist sie erst im freien Verfügen über Zeichen, das die immer nur unmittelbare Vermittlerrolle des eigenen Leibes aufhebt. Dieser Übergang vollzieht sich in der Genese des Ichs der Phänomenologie als Teil des Systems der Encyclopädie. Das Aussprechen dieses geistigen Ichs unterliegt zunächst derselben Dialektik von Allgemeinheit und Einzelheit wie die Ostensionen der Phänomenologie: „Wenn wir Ich sagen, meinen wir wohl ein Einzelnes; da aber Jeder Ich ist, sagen wir damit nur etwas ganz Allgemeines" (§ 381 Zus., 19), doch zeigt gerade die Anthropologie die Bedingungen für eine haltbare Vermittlung von Allgemeinheit und Einzelheit, Außen und Innen in der Sprache auf. Zum ersten ist Äußerung in der Geistesphilosophie stets als geistige Äußerung verstehbar; zweitens werden benennbare Inhalte erst unter Voraussetzung einer aufgehobenen Differenz von Bei-sich-Sein und Außer-sich-sein möglich, wie sie im Zeichen präfiguriert ist. Das Ich als Internalisierung dieser Struktur besitzt damit die Eorm, solche Inhalte haben zu können, ohne in sensualistischer Manier aus einzelnen Inhalten erzeugt zu sein. Ein analoger Strukturwandel gilt für den späteren Übergang von der Sprache zum Denken. Die einzelnen Empfindungen finden sich so in die Allgemeinheit des Ichs aufgehoben, das damit zugleich die Mittel zur eigenen Manifestation, zur Konkretisierung seiner Allgemeinheit erhält.^® Im Ich wird die Philosophie der schlechten Allgemeinheit, als die Hegel in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie die französische Aufklärung kritisiert, endgültig überwunden.
^8 Das allgemeine Ordnungsschema der Geistesphilosophie ist konsequenterweise ein begriffslogisches. Die Relevanz der begriffslogischen Methode für die Geistesphilosophie wird betont in K. Düsing: Endliche und absolute Subjektivität. In: Eley (s. Anm. 39). 33—58, hier 50. — Zum Verhältnis von Subjektivität und Anthropologie bei Hegel vgl. K. Düsing: Hegels Begriff der Subjektivität in der Logik und in der Philosophie des subjektiven Geistes. In: Hegels philosophische Psychologie. Hrsg. v. D. Henrich, Bonn 1979. 201-214. K. Gramer: Bewußtsein und Selbstbewußtsein. Vorschläge zur Rekonstruktion der systematischen Bedeutung einer Behauptung Hegels im § 424 der Berliner Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften. Ebd. 215-225.
LITERATURBERICHTE UND KRITIK
Neue Hegel-Forschungen in Rußland
V. V. LAZAREV, I. A. RAH: GEGEU I FILOSOFSKIE DISKUSSII EGO VREMENI [Hegel und philosophische Diskussionen seiner Zeit], Moskau: Nauka 1991. 160 S. N. V. MOTROSiLOVA: SOCIAL'NO-ISTORICESKIE KORNI NEMEGKOJ KLASSIÖESKOf FILOSOFII [Sozial-geschichtliche Wurzeln der deutschen
klassischen Philosophie]. Moskau: Nauka 1990. 205 S. M. F. BYKOVA: GEGELEVSKOE PONIMANIE MYSLENIJA [Hegels Verständnis des Denkens]. Moskau: Nauka 1990. 126 S. A. M. KARIMSKIJ (f): FILOSOFIJA ISTORII GEGELJA [Hegels Geschichtsphilosophie]. Moskau: Universitätsverlag 1988. 270 S. Man darf wohl ohne Übertreibung sagen, daß Hegel in Rußland immer präsent war. BORIS JAKOWENKO legte in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts sein epochales Buch über den Hegelianismus in Rußland vor, von dem der erste Band allein mehr als 600 Seiten umfaßte und lediglich die Hegel-Rezeption bis 1860 darstellte. Die Rezeptionsgeschichte zeichnet dann in seinem Buch Hegel in Rußland D. TSCHIZEVSKij bis in die 20er Jahren dieses Jahrhunderts nach, aber er beschränkt sich nur auf einen skizzenhaften Aufriß. Sieht man insgesamt auf die russische Hegel-Rezeption, dann gilt weiterhin das Wort JAKOWENKOS: „Hegel ist derjenige Philosoph, der auf die russische Philosophie, ja, auf das russische Denken überhaupt bestimmt einen größeren Einfluß als irgendein anderer nichtrussischer Philosoph oder Denker ausgeübt hat." Hierbei ist es allerdings auffallend, daß — von wenigen Ausnahmen abgesehen — weder im 19. noch im 20. Jahrhundert eine Hegel-Forschung entstanden ist. Oft glich die Beschäftigung mit Hegel eher der Befragung eines delphischen Orakels. In diesem Sinne der Suche nach einem spekulativen Geheimwissen bei Hegel schrieb z. B. DOSTOJEVSKIJ 1854 aus Verbannung in Sibirien an seinen Bruder: „Wenn Du irgendwie dazu imstande bist, es auf inoffizielle Weise zu tun, so schicke mir unbedingt Hegel, insbesondere die Hegelsche Geschichte der Philosophie. Damit ist meine ganze Zukunft verknüpft." Es ist unbekannt, ob DOSTOJEVSKIJ tatsächlich Hegel gelesen hat, aber seine späteren Äußerungen über Hegel
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zeugen von einer Enttäuschung, die eschatologischen Hoffnungen nicht eingelöst zu finden. Stets blieb die Zuwendung zu Hegel in Rußland ein Werk von Einzelnen. Die wenigen Versuche von Universitätsprofessoren (wie z. B. TSCHITSCHERIN oder I. A. ILJIN), sich ernsthaft mit Hegel auseinanderzusetzen und seine Philosophie inhaltlich zu analysieren, erreichten trotz ihrer hervorragenden Ergebnisse jenen Kreis der Intellektuellen nicht, die von Hegel „alles oder nichts" forderten. Als LENIN Hegel gelesen hatte und seine fragmentarischen Notizen zum Hauptwerk der Philosophie kanonisiert wurden, schien die Beschäftigung mit Hegel ein Königsweg in die Philosophie zu sein. Dabei unterlag die freie Forschung, die auch früher unter der Last des totalitären Anspruchs der Weltanschauungen litt, endgültig der ideologischen Kontrolle der Partei. Als Hauptausleger Hegels galt seitdem das Zentralkomitee. Alles, was die Grenzen der kanonischen Deutung überschritt, wurde sofort vernichtet, indem man z. B. aus älteren Editionen der Werke Hegels die Einführungen kurzerhand herausriß, die von nonkonformen Interpreten stammten. „Materialistische Interpretation Hegels" wurde um größerer Plausibilität willen mit Waffengewalt, die bis zu Erschießung führte, durchgesetzt. Überraschenderweise nahm in dieser Zeit die Hegel-Literatur stark zu. Dies geschah besonders nach dem Erscheinen von STALINS Werk Vom dialektischen und historischen Materialismus, das eine alles umfassende und letztverbindliche Welterklärung zu geben beanspruchte. Im Gefolge STALINS versuchten sowjetische „Dienstphilosophen" die Gesetze und Züge der Dialektik bei Hegel auszumachen, die MARX von ihrer idealistischen Schale befreit hatte. Plötzlich und unerwartet erklärte dann der Chefideologe A. A. 2DANOV im Jahre 1947, daß die Frage nach Hegel längst gelöst sei und eine weitere Beschäftigung mit Hegel nicht mehr im Interesse der KPdSU sei. ln den 50er Jahren jedoch, als der ideologische Druck abnahm, begann sich die Auseinandersetzung mit Hegel wieder zu beleben. Jüngere Philosophen, die sich den Regeln der Parteivorschriften entzogen, bemühten sich selbständig darum, die Gedankenentwicklung von Hegel zu MARX ZU erforschen. Ihre Forschungen verfolgten das Ziel, die Richtigkeit des Marxismus und die Beschränktheit der Hegelschen Dialektik nachzuweisen. Eine solche konkrete Bestimmung des Forschungshorizontes beeinflußte demzufolge die Auswahl der Themen, bei denen man sich überwiegend auf Die Wissenschaft der Logik und auf die Rechts- und GeschichtsphUosophie konzentrierte. Unabhängiger gestalteten sich die Untersuchungen der Hegelschen Kunstphilosophie, für die aber die maßgeblichen Interpretationen von GEORG LUKACS und MICHAEL LIFSIC vorgeprägt waren. Die Untersuchungen zur Phänomenologie des Geistes sowie zu den frühen Schriften von MARX galten dagegen als Provokationen, die der philosophischen Öffentlichkeit verdächtig erschienen. Sowohl über den jungen Hegel wie über seine Religionsphilosophie entstand kein einziges Buch. Man kann zwar nicht sagen, daß alle die restriktiven Forschungen zu Hegel ohne fruchtbare Ergebnisse blieben. Jedoch war es kaum möglich, die Ansätze produktiv zu entwickeln, sei es der ideologischen Kontrolle, sei es der persönli-
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chen Überzeugungen wegen, die den Marxismus als den höchsten Punkt der Geistesgeschichte ansahen. Diejenigen, die sich dennoch von dem marxistischen Philosophieren lossagten, glaubten sich auch von Hegel verabschieden zu müssen, der überall im Ruf stand, der „Johannes der Täufer" des Marxismus zu sein. Sie wandten sich KANT, JASPERS, WITTGENSTEIN und anderen vornehmlich aus dem Verlangen zu, sich aus den Netzen des spekulativen hegelianisch-marxistischen Philosophieren zu befreien. Innerhalb der offiziellen Philosophie entstand ein einseitiges Hegel-Bild, das sich aus Gegensätzen formte: Zwar sei Hegel ein Dialektiker, aber dennoch Idealist; zwar der Erfinder der Idee der konkreten Wahrheit, aber Panlogist; zwar der Anhänger der Französischen Revolution, aber faktisch Reaktionär usw. Vor diesem Hintergrund wird die heutige Situation der Hegelrezeption in Rußland dadurch erschwert, daß man nicht nur ein größtenteils erstarrtes Bild von Hegel hat, sondern auch von einer philosophischen Sprache, die weit davon entfernt ist, Hegel selbst zu Wort kommen zu lassen und einer kanonisierten Deutung mit ihrem „Übergang der Quantität in Qualität" und der „Einheit und der Kampf der Gegensätze" entstammt. Für die sich entwickelnde Hegel-Forschung hat eine solche Sprache, in der auf alle Fragen die Antworten bereits vorliegen, fatale Konsequenzen gehabt. Schon der Gebrauch des Wortes „Dialektik", das als eine Art der Beschwörung die ganze Literatur durchzieht, zeigt, wie wenig die hegelianisierende Sprache mit Hegel zu tun haben kann. In dieser ideologisch normierten Sprache, auf die man in der Schule und an der üniversität konditioniert wurde, werden die Probleme nur „dialektisch", d. h. überhaupt nicht gelöst. Die aktuellen Versuche der Auseinandersetzung mit Hegel bemühten sich aus diesem Grund oftmals darum, Auswege aus der Sprache eines zu Versatzstücken verkommenen Hegelianismus zu finden. Diese in sich zwiespältige Situation dokumentieren repräsentativ die Bücher, die im folgenden eingehender besprochen werden sollen, weü sie das Spektrum der modernen Hegel-Forschung in Rußland abdecken. Das Buch Hegel und philosophische Diskussionen seiner Zeit vereinigt zwei Arbeiten, die nicht nur verschiedenen Themen gewidmet sind, sondern auch in einem konzeptuellen Gegensatz zueinander stehen. Der erste von V. V. LAZAREV verfaßte Aufsatz behandelt das Thema Hegel und die Romantik. LAZAREV versucht, sich von dem traditionellen Interpretationsschema dadurch zu befreien, daß er die , Rechtfertigung' des romantischen Bewußtseins durchführt, um die ünzulänglichkeit der Hegelschen Kritik an der Romantik zu zeigen. Im Mittelpunkt steht eine Analyse der Kategorie der Aufhebung, deren Wirksamkeit Hegel anläßlich der Kritik „an einer Reihe von Grundstellungen des Weltgefühls der deutschen Romantik untersucht" (7). ünter ,Romantik' versteht LAZAREV hier sowohl die Jenaer Romantik (Gebrüder SCHLEGEL, NOVALIS, TIECK), als auch SCHLEIERMACHER, VON ARNIM und HöLDERLIN. Der Schwierigkeit, so verschiedene Ansätze unter einem Titel zusammenzufassen, begegnet LAZAREV dadurch, daß er die Vielfalt der der ,roman-
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tischen' Konzeptionen auf eine Grundgestalt zurückführt. Zu diesem Zweck bedient er sich der Phänomenologie des Geistes, wo Hegel das „genetische Wesen" der Romantik im unglücklichen Bewußtsein rekonstruiert. Nach LAZAREV findet damit die ,Aufhebung' des romantischen Standpunktes schon in der Überwindung des unglücklichen Bewußtseins statt, für das eine Spaltung zwischen dem Allgemeinen und dem Einzelnen, dem Subjektiven und Objektiven konstitutiv ist. Hierzu ist allerdings kritisch zu bemerken, daß Hegel das romantische Bewußtsein im Kapitel über das Gewissen analysiert, wie EMMANUEL HIRSCH und OTTO PöGGELER überzeugend gezeigt haben. Zudem ist die Spaltung oder die Verdoppelung der Beweggrund für die Bewußtseinsentwicklung überhaupt und erscheint deshalb nicht nur in Gestalt des unglücklichen Bewußtseins. Ein genereller Mangel der Arbeit von LAZAREV besteht darin, daß bei ihm der Bezug auf die Hegel-Literatur und Romantik-Forschung fehlt. Außer der Erwähnung von R. HAYM, K. FISCHER und J. WAHL zum Thema Hegel und Romantik gibt es keinen einzigen Hinweis auf neue Forschungen, so daß der Eindruck entsteht, als ob es keine Interpretationsgeschichte gäbe. Da sein Aufsatz konzeptuell um die Kategorie der Aufhebung strukturiert ist, soll deren Deutung jetzt genauer betrachtet werden. Die Analyse des stoischen und skeptischen Bewußtseins bei Hegel führt LAZAREV ZU dem Schluß, daß Hegel die Aufhebung beider Gestalten nicht erreicht, d. h. daß es ihm nicht wirklich gelingt ,negare' und ,elevare' durchzuführen. „Hegel überwindet die beiden nur von außen her, d. h. streng gesagt, er verdrängt sie" (11). Statt den immanenten Übergang zu zeigen, postuliert Hegel das „spekulative Sollen" (10) und beschreibt bloß die Vorteile eines höheren Standpunktes. Auf die Frage, wie die jeweilige Bewußtseinsgestalt aus der vorherigen entsteht, gibt die Phänomenologie keine Antwort. Ihr liegt die Absicht zugrunde, zu zeigen, „wie die Phänomene des Bewußtseins erscheinen und nicht, wo sie herkommen" (11). Letztlich leugnet LAZAREV mit seiner Analyse die wesentlich teleologischen Motive der Phänomenologie und trägt eine fremde Aufgabe an sie heran, die dann zu der Kritik führt, daß „die Aufhebung dem betrachteten Gegenstand nicht immanent ist" (ebd.). Die Unzulänglichkeit der theoretischen Operation des Aufhebens zeigt der Verfasser ausführlich an Hegels Auseinandersetzung mit der Romantik. Die romantische Subjektivität kehrt sich von der Wirklichkeit ab und entdeckt mit der Hilfe der Ironie die Nichtigkeit des Wirklichen. Der Hauptzweck des romantischen Subjekts besteht darin, sein Ich vor der ,Macht des Objektiven' zu erhalten. Freilich erfüllt die Ironie nicht nur eine Funktion der Zerstörung, sondern in ihr kommt auch das Streben nach einer höheren (ästhetischen) Harmonie des Subjekts und der Welt zum Ausdruck. Und es ist eben diese Unruhe der romantischen Seele, ihr Stieben nach einer anderen besseren Welt, die Hegel kritisiert. Hier weist LAZAREV zum wiederholten Mal darauf hin, daß der Hegelsche Standpunkt nicht immanent aus dem Romantischen erwächst, sondern vielmehr von außen herangetragen wird (22). Daher trifft er nicht das Wesentliche in der Romantik. „Das romantische Bewußtsein wird von Hegel nur auf objektivierte For-
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men zurückgeführt" (24), die aber gerade in der Romantik unwichtig sind. LAZAREv wirft zudem Hegel vor, daß er die verschiedenen Entwicklungsstadien des romantischen Ideals vermischt. Die späte Romantik, die sich nach dem Verfall des Jenaer Kreises der Religion zuwendet und auf die Verwirldichung des Ideals verzichtet, wird von Hegel als ein konsequentes Scheitern der Subjektivität betrachtet, die überzogene Ansprüche stellte. Dadurch aber verkennt Hegel die Frühromantik, „in der alle positiven Züge des romantischen Ideals zu Erscheinung gekommen sind, und geriet daher eher auf den Hinterhof der Romantik als in deren Zentrum" (28). Dieser Vorwurf scheint uns aufgrund dessen zu entstehen, daß der Verfasser die entwicklungsgeschichtlichen Phasen der Auseinandersetzung Hegels mit der Romantik nicht in Betracht zieht. Er übersieht Hegels nicht nur negative Rezeption des ScHLEGELschen Prinzips der Ironie in Jena und stellt willkürlich die Ausführungen der Jenaer Phänomenologie und der Berliner Ästhetik zur Romantik zusammen. Darüber hinaus erwähnt LAZAREV mit keinem Wort das sog. älteste Systemprogramm, in dem Hegel sich auf seine eigene Weise mit denjenigen Problemen auseinandersetzt, die die Jenaer Romantiker ebenfalls beschäftigten. Hegels Kritik der Romantik stellt vordergründig, so LAZAREV, das Problem der Beziehung der Vernunft und Sinnlichkeit dar. Es ist Hegel jedoch nicht gelungen, die Sinnlichkeit im Denken aufzuheben. Hegel erklärt sie für nichtig und ,läßt sie bloß hinter sich'. Dadurch aber entsteht innerhalb der Vernunft wieder das Moment des Sinnlichen. Zudem setzt LAZAREV voraus, „daß die romantische Sinnlichkeit auf ihre Weise der innere Mechanismus, die geheime Triebfeder, die auf die Entwicklung des Inhalts der Hegelschen Philosophie wirkte", ist (38). Am Schluß der Operation des Aufhebens, die ihr Ziel nicht erreicht, entsteht der Doppelsinn dieses Hegelschen Konzeptes: Einerseits rationalisiert Hegel die Romantik dadurch, daß er sie für überwunden im Element des Denkens erklärt; andererseits wird das Sinnliche auf das Gebiet der Vernunft übertragen und verleiht ihr damit das Antlitz des Romantischen. „Hegel also überwand Romantik in ihren Grenzen und hat sie nur dadurch überwunden, daß er sie konzeptuell gestaltet hat" (78). Mag man auch die Absicht LAZAREVS, bei der Interpretation von Hegels Auseinandersetzung mit der Romantik die geschichtliche Darstellung mit der systematischen Analyse zu vereinigen, im Prinzip für sinnvoll halten, so wird sein Vorhaben, indem er weder die realen Hintergründe von Hegels Polemik berücksichtigt, noch die logischen Voraussetzungen der Aufhebung klärt, zunichte gemacht. Der zweite Teil des Buches — Die jungehegelianische Kritik an Hegel — ist, wie gesagt, in einem völlig anderen Geist geschrieben. JOHANN RAU analysiert hier ausführlich die Hauptideen der Hegelschen Linken (E. GANS, D. F. STRAUE. B. BAUER, A. RüGE, M. STIRNER). Im Unterschied zu LAZAREV wendet sich RAU der faktischen Geschichte der Hegelschen Linken zu, die er unter drei Aspekten behandelt: „als gesellschaftliche Bewegung (die ihrem Wesen nach kleinbürgerlich ist); als philosophische Strömung (die subjektiv-idealistisch im Verständnis der gesellschaftUchen Bewegungskräfte ist, bei dem die eklektizistischen Momente ständig zuneh-
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men); als politischer Bund (jedoch keine politische Partei) der Gleichgesinnten, die mit theoretischen Mitteln zuerst um eine konstitutionelle Monarchie, dann um eine demokratische Republik kämpften" (148). Was die Tatsachen, die konkrete Geschichte der junghegelianischen Bewegung angeht, so sind sie weitestgehend bekannt, obwohl in Rußland ein solch skizzierter Überblick bis heute eine Seltenheit darstellt. Die Deutung aber, die RAU vorschlägt, stützt sich ausnahmslos auf die frühen Werke von MARX und ENGELS (SO z. B. auf die Heilige Familie). Eine kritische Überprüfung dieser klassischen, aber zu einer kanonisch-sfereotyp geronnenen Interpretation findet bei RAU nicht statt. Er unternimmt keinen Versuch, die MARXsche Auseinandersetzung mit der Hegelschen Linken in Frage zu stellen oder mindestens ihren geistesgeschichtlichen Ort zu bestimmen. „Die Wahrheit, wie MARX und ENGELS später gezeigt haben, besteht darin, daß ..." (120), ist ein ständiger Refrain der Untersuchung von RAU, SO daß durch die Wiederholung fertiger Formeln leider auch die richtigen Beobachtungen des Verfassers wie etwa über die außerphilosophische Wirkung der Linkshegehaner untergehen. Die drei weiteren Bücher bewegen sich ihren konzeptuellen Einstellungen nach zwischen den Extremen des Verzichts auf die marxistische Deutung Hegels und ihrer unkritischen Übernahme. Hier erweist sich die wissenschaftliche Fragestellung wichtiger als jegliche Ideologisierung. Damit erhält die Anknüpfung der Verfasser an Marxismus die Züge eines wissenssoziologischen Ansatzes. N. V. MOTROSILOVA behandelt das Methodenproblem bei der Erforschung der deutschen klassischen Philosophie. „Die deutsche Klassik im Kontext der Gesellschaftsentwicklung, in Bezug auf die Dialektik der Geschichte zu verstehen, heißt, sich der Aufklärung der allgemeineren Mechanismen der aktiven Wirkung der Philosophie auf das zeitgenössische Zeitalter und die Geschichte im ganzen zuzuwenden" (5). Es geht also um die methodologische Erschließung des Zusammenhangs zwischen der Philosophie und dem gesellschaftlichen Leben. Dementsprechend werden die Begriffe und Methoden erarbeitet, mit deren Hilfe die Untersuchung der Beziehungen der Philosophie zur Gesellschaft und zur Geschichte erfolgt. MOTROSILOVA unterscheidet drei Ebenen solcher Beziehung; die Ebene der Zivilisation, der Epoche und der Situation. ,Zivilisation' umfaßt den ganzen Zeitraum der geschichtlichen Menschheitsentwicklung nach der ,Barbarei' (ENGELS). ,Epoche' meint hier die Einheit dreier Momente: nämlich die Einheit ,,a) der wesentlichsten und perspektivreichen sprunghaften Zivilisationsänderungen; b) der radikalen Formationsumwandlungen; c) der Änderungen, die von einzelnen Ereignissen bestimmt sind, die auf das Zeitalter eine tiefgreifende revolutionisierende Wirkung ausgeübt haben" (52). Unter eine solche Definition der Epoche fällt sowohl die Neuzeit, als auch das Zeitalter der Französischen Revolution. Der Begriff der , Situation' soll die lokalen Ereignisse der Gesellschaftsentwicklung beschreiben. In Bezug auf diese Einteilung stellt MOTROSILOVA eine Hierarchie von Problemen auf, nach der sich die Philosophie strukturiert. Zur Ebene der Zivilisation
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gehören die Lehren des Deutschen Idealismus über das Wesen des Menschen, über den Übergang von der Natur zur Kultur, über die Bestimmung des Menschen. An verschiedenen Beispielen aus der klassischen deutschen Philosophie KANTS, FICHTES und Hegels erörtert MOTROSILOVA die Fragen nach allgemein menschlichen Werten, wie sie z. B. die Lehre KANTS von der Achtung vor der Menschheit als Ganzem, Hegels Naturrechtslehre und FICHTES Bestimmung des Wesens der menschlichen Freiheit enthalten. Das Interesse MOTROSILOVAS gilt vor allem Hegels Theorie des Allgemeinen, von der sie den Vorwurf der Abstraktheit fernhält. Wenn man hingegen das richtige Niveau der Analyse findet, versteht man, daß es Hegel um die Tendenzen der Weltgeschichte und um die allgemeine Bedeutung der menschlichen ZivUisationsentwicklung geht. Im Kapitel „Deutsche klassische Philosophie im Kontext der geschichtlichen Epoche" werden drei Zeiträume und die Beziehung der Philosophie zu ihnen hervorgehoben. Die Neuzeit bringt in die gesellschaftliche Evolution wesentliche Veränderungen, die bald der Gegenstand der philosophischen Reflexion werden. Das zunehmende Tempo und die beschleunigende Dynamik der Geschichte zeichnen die neue Epoche vor der alten aus. Neue Prinzipien und Orientierungen bilden sich in dieser Zeit und drängen nach einer Umgestaltung des ganzen Gebäudes menschlichen Wissens. Davon geht sowohl die kritische Haltung des Deutschen Idealismus aus als auch sein Projekt, ein neues Fundament für die menschliche Kultur zu finden. Dieses Zeitalter bringt eine veränderte Art der menschUchen Beziehungen hervor, deren Struktur Hegel unter dem Namen ,bürgerliche Gesellschaft' faßt. Die Entwicklungstendenzen und die inneren Widersprüche, durch die die moderne Wirklichkeit gekennzeichnet ist, machen das Problemfeld aus, auf dem Hegel das Prinzip der gesellschaftlichen Differenzierung und die Rechtsgrundlage der sozialen Beziehungen analysiert. Der zweite, konkretere Zeitraum umschließt den Prozeß der antifeudalen Umwandlungen in Deutschland. MOTROSILOVA betont in ihrer Analyse eine Reihe von ,relevanten' Problemen des Gesellschaftslebens, mit denen sich der Deutsche Idealismus auseinandergesetzt hat. Es handelt sich dabei um die damahge Zersplitterung Deutschlands und das Bedürfnis nach Vereinigung in einem einheitlichen Staat (84). In ihrer Betrachtung verbindet MOTROSILOVA die Analyse der Positionen der gesellschaftlichen Klassen und Gruppen in Deutschland mit der der Stellungnahme der Philosophen zu den Beziehungen zwischen diesen Klassen und Gruppen, so z. B. der Konzeption der Stände in Hegels Rechtsphilosophie. In diesem Kontext ist es wichtig, auf die Erörterung der Struktur der intellektuellen Öffentlichkeit in Deutschland hinzuweisen, die MOTROSILOVA in ihrem Buch durchführt. Da es hier unmittelbar um den gesellschaftlich bestimmten Ort der deutschen Philosophen geht, verdient ihre Diskussion der Struktur des geistigen Lebens eine nähere Betrachtung. MOTROSILOVA schlägt vor, in Bezug auf diese zwei Arten von intellektuellen Zirkeln zu unterscheiden: ,,a) die offizielle und nichtoffizielle philosophische Gemeinschaft und b) Gruppen innerhalb der nichtoffiziellen Gemeinschaft. , Offiziell' nenne ich diejenige Gemeinschaft, deren Vertreter es im Gebiet der Kultur, darunter besonders der Philosophie, für ihre Aufgabe halten . . ., die vor-
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handene gesellschaftliche Ordnung, deren staatliche Institutionen zusammen mit den alten sozialkulturellen Institutionen, ihren Formen und Ergebnisse zu bewahren" (104). Dieser Definition entsprechend erscheint die deutsche klassische Philosophie entweder als , offensichtlich oppositionell' oder als , geheim nichtoffiziell' (105). Daß MOTROSILOVA keinen Vertreter der klassischen deutschen Philosophie in die Reihe der offiziellen Philosophen stellt, erklärt sich aus der Absicht, den Deutschen Idealismus vor dem Vorwurf zu retten, ,er sei reaktionär'. Sicherlich läßt sich ein gewißes Moment des ,Dissidententums' im frühen Idealismus nicht leugnen. Aber wiederholt dann nicht die Unterscheidung offiziell/nichtoffiziell die alte abstrakte Entgegensetzung progressiv/reaktionär und verdeckt dadurch die realen sachhaltigen Gründe für die oftmals polemisch geführten Diskussionen der damaligen Zeit? Am Schluß dieses Kapitels behandelt MOTROSILOVA die Auseinandersetzung der deutschen Idealisten mit der Französischen Revolution, wobei sie den Charakter dessen aufzuklären versucht, was die Ereignisse der Revolution in der ,Gedankenform' ausdrücken. Hierbei parallelisiert sie, wie vorher HEINE, den Kampf um ,die reine Vernunft', die dem Denken eine Orientierung geben soll, mit dem Kampf um das revolutionäre Ideal der Freiheit. Das letzte Kapitel ist der Entwicklung der deutschen klassischen Philosophie im Zusammenhang mit den wichtigsten geschichtlichen Situationen und Ereignissen gewidmet. Die Analyse stützt sich sowohl auf reiches Material der Sozialgeschichte Deutschlands als auch auf eine ausgezeichnete Kenntnis der modernen deutschen Idealismusforschung. Der Hintergrund für die deutsche klassische Philosophie ergibt sich nach MOTROSILOVA aus geschichtlichen Rahmenbedingungen, die sie nach soziologischen Prinzipien bestimmt: 1) von den 40er Jahren des 18. Jahrhunderts bis zur Französischen Revolution; 2) von der Revolution bis zur Invasion NAPOLEONS (1789—1806); 3) die Zeit der Eroberung Deutschlands (1806—1815); 4) der Sturz NAPOLEONS und die europäische Reaktion (1815—1830); 5) der neue Aufstieg der Revolution in Europa (30er—50er Jahren des 19. Jahrhunderts) (127). Eine solche Einteilung der Geschichte, wie begründet sie auch sein mag, läßt es jedoch kaum zu, eine Übereinstimmung mit der philosophischen Konstellation der Zeit herzustellen. Statt eines Sachproblems nimmt MOTROSILOVA einen philosophie-externen Standpunkt ein, der aus der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte stammt. Allerdings bleibt es fraglich, ob ein soziologischer Ansatz genügt, um die geschichtliche Dimension der Philosophie zu bestimmen. Darüber hinaus sollte man danach fragen, wie der Zusammenhang von Philosophie und Geschichte in der Philosophie selbst zum Ausdruck kommt und wie die Philosophie sich mit den Problemen der Zeit auseinanderzusetzen vermag. Wenn so gefragt wird, dann wird es sich sicherlich gegen MOTROSILOVAS Interpretation erweisen, daß die aus den Zeitkonstellationen erwachsenen Vorschläge des Deutschen Idealismus nicht universal auf die gesamte Entwicklung der Menschheitszivilisation anwendbar sind. M. BYKOVA gibt eine systematische Auseinandersetzung mit Hegels Philosophie des Geistes, wobei sie ihren Schwerpunkt auf die Hauptbedeutungen des Hegel-
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sehen Begriffs des ,Denkens' konzentriert. Aufgrund einer genauen Textanalyse zeichnet BYKOVA nicht nur die Entwicklungsgeschichte der Terminologie Hegels nach, die für die Beschreibung des Phänomens des Denkens in der Geistesphüosophie relevant ist, sondern zudem erforscht sie die logisch-methodologischen und philosophisch-anthropologischen Probleme, die Hegel im dritten Teil der Enzyklopädie diskutiert hat. Hegel konzipiert in seiner Philosophie, so BYKOVA, einen prinzipiell neuen Ansatz dadurch, daß er den Horizont der KANiischen Deutung des Denkens überwindet. Der Kern der letzteren liegt darin, daß „das Denken bloß als ,bewußtes Denken', das von einem isolierten Individuum mit sich allein vollzogen wird, verstanden ist" (24). Hegel dagegen orientiert sich am „außerindividuellen Prozeß" (26) des Denkens, und zwar so, daß er ihm nicht nur die objektive Gültigkeit, sondern auch objektive Existenz zuschreibt, obwohl er zugleich die Bedeutung des Denkens als eines individuelles Vermögens erhält. BYKOVA läßt sich in ihrer Arbeit von einem allgemeinen Strukturschema leiten, das das Grundlegende im Verständnis des Denkens bei Hegel umfaßt (121) und die verschiedenen, manchmal einander widersprechenden Bedeutungen in eine einheitliche Konzeption fügt. Vermöge dieses Schemas sollen die Beziehungen der Hauptkategorien der Hegelschen Philosophie wie ,Geist', ,Vernunft', ,logische Idee' in bezug auf das Denken aufgeklärt werden. Diese komplexen Zusammenhänge erscheinen jeweils unter drei verschiedenen Aspekten, die zugleich die Hauptbedeutungen des Denkens in der Enzyklopädie und in der Wissenschaß der Logik bestimmen. Den Ausgangspunkt bildet bei Hegel das Denken in seiner substantiell-allgemeinen Bedeutung, so daß es die Grundlage des Vernünftigen und Geistigen darstellt und „in einem bestimmten Sinn sogar über der logischen Idee steht" (122). Ein weiterer Aspekt des Denkens, den Hegel in der Philosophie des Geistes hervorgehoben hat, kommt an der Verwirklichung des Denkens in der Natur und Kultur zum Ausdruck. Dem Hegelschen Verständnis der Substanz entsprechend bedeutet das ,Denken' den Ursprung derjenigen Tätigkeit, die den Prozeß der geschichtlichen Entwicklung in Gang bringt. Schon auf dieser Stufe erhält das Denken eine geschichtliche Dimension. Das Denken als Tätigkeit ist nicht mehr das ,unpersönliche', sondern das subjektive Moment, das der gesellschaftlichen Welt zugrundeliegt. „Das Denken im zweiten Aspekt spielt im Begriffssystem eine Rolle des ,Motors', des Mittels, dank dessen die freie und gesetzmäßige Selbstverwirklichung des Geistigen nicht nur geschieht, sondern sich reell dem Gebiet der Kultur zuwendet" (31). Nach Hegels Auffassung verwirklicht sich die Denktätigkeit in der ,Selbsterkenntnis' als Weg zum Wissen des Geistes von sich. Dieser Weg der Selbsterkenntnis und der Selbstoffenbarung des Geistes enthält ebenso das individuelle Erkennen (Denken als menschliches Vermögen) wie auch das Erkennen im allgemeinen (die Substanz des Erkennens). Das ist der dritte Aspekt des Denkens, der die ersten beiden konkretisiert. BYKOVAS Arbeit über die unterschiedlichen Aspekte des Denkens bei Hegel gipfelt schließlich in der Behauptung, daß es sich um eine „logizistische Ausprägung
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des objektiven Idealismus" (122) handelt. Dadurch reiht BYKOVA Hegel in die Tradition des klassischen Rationalismus als dessen Vollendung ein. Ob es allerdings hier einen Sinn hat, die Philosophie Hegels unter überholte Begriffe wie ,Logizismus' zu subsumieren, muß problematisch bleiben, zumal konkrete Analysen der enzyklopädischen Geistesphilosophie, die BYKOVA durchführt, eine solche Charakterisierung in Frage stellen. Die Arbeit von A. KARIMSKIJ gibt ein ausgezeichnetes Beispiel für eine universitäre Hegel-Forschung; sie basiert auf Vorlesungen, die an der Moskauer Universität gehalten wurden. KARIMSKIJ bemüht sich — in der Tradition der vormaligen sowjetischen Hegel-Forschung — um Hegels Berliner Vorlesungen zur Philosophie der Weltgeschichte, deren unterschiedliche Editionen er zunächst einmal philologisch aufarbeitet. Anschließend versucht er zu zeigen, was an dem Geschichtsdenken Hegels heute noch lebendig sein kann. Hegel wird der Tradition aufklärerischer Geschichtsphilosophie zugeordnet (31), wodurch a priori solche Deutungen abgelehnt werden, wie sie KIERKEGAARD oder HEIDEGGER gegeben haben. Der Vorteil Hegels gegenüber einem irrationalistischen Geschichtsverständnis zeigt sich schon in der Unterscheidung von ,Geschichte' und ,Historie', die das geschichthche Ereignis mit der Möglichkeit verbindet, es rational zu erkennen. Diese Verbindung wird von KARIMSKIJ am Beispiel der Typen der Geschichtsschreibung genauer analysiert, die er mit den drei Stellungen des Gedankens zur Objektivität parallelisiert und somit als durch Hegels Logik-Konzeption der Enzyklopädie als begründet betrachtet. Vor allem widmet sich KARIMSKIJ der These Hegels, daß sich die Vernunft in der Geschichte verwirklicht. Er hebt zwei Grundbedeutungen dieses Modells hervor: „die erste und die wichtigste ist die Anerkennung der objektiven Gesetzmäßigkeit. Vernünftigkeit und Gesetzmäßigkeit sind in den meisten Fällen identisch ..." (86); die zweite Bedeutung der Geschichtsvernünftigkeit besteht darin, daß „die Welt nicht der Zufälligkeit ausgeliefert, sondern zweckmäßig, teleologisch ist" (87). Im Horizont dieser Deutung wird auch die Idee der Geschichte als Theodizee ausgelegt, was den säkularisierten Charakter der Hegelschen Reflexionen zusätzlich betont. Hier entsteht jedoch ein Zweifel, ob man die Begriffe von Vernunft und Gesetz so eng miteinander verbinden darf, wie es in KARIMSKIJS Interpretation der Geschichtsphilosophie Hegels geschieht (vgl. dazu 145). Zwar ist es richtig, daß Vernunft ursprünglich die Bedeutung von Gesetz imphziert, was aber bei Hegel nicht alle Stufen der Vernünftigkeit umfaßt. Ihrem logischen Sinn nach ist die Kategorie des Gesetzes bei Hegel auf die Erfassung des Wesens beschränkt; erst MARX und ENGELS haben diesen Begriff später zur Geschichtsgesetzmäßigkeit erweitert und damit einer Rückübertragung auf Hegels ,Vernunft in der Geschichte' einen Vorschub geleistet. Wenn KARIMSKIJ MARxens Deutung folgt, zielt er auf den rationalen Sinn der Hegelschen Geschichtsphilosophie, um sie von dem Vorwurf des Anthropomorphismus zu befreien. In diesem Sinn sieht KARIMSKIJ in der ,List der Vernunft' eher eine Metapher, in die Hegel die theoretische Erklärung der Verwirklichung
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der geschichtlichen Notwendigkeit und ihren Zusammenhang mit der Freiheit kleidet. Gegenüber den traditionellen Vorwürfen des Fatalismus und Determinismus betont KARIMSKIJ die wichtige Rolle, die die Individualität in der Geschichtsphilosophie spielt. Hierbei hat er nicht bloß das weltgeschichtliche Individuum in Blick, sondern auch die Funktion der Persönlichkeit in den sich geschichtlich entwickelnden Sphären von Moral und Religion. Jedoch trägt KARIMSKIJ nicht dazu bei, die Spannung zwischen der Geschichte der politischen Institutionen und den Individuen, die Hegels Geschichtsphilosophie durchzieht, genauer aufzuklären. Er weicht auf die Vorstellung von der Ironie der Geschichte (MARX und ENGELS), der Tragödie und der Farce in der Geschichte aus, die, obwohl sie sich in den Hegelschen Texten nicht findet, nach KARIMSKIJ die Vorstellung historisch bedeutsamer Wiederholbarkeit zu verstehen erlauben. Neben dem Reichtum an Betrachtungen, die sich mit dem mannigfaltigen Stoff in Hegels Vorlesungen beschäftigen und ihn mit den modernen Geschichtswissenschaft in Bezug setzen, vermißt man jedoch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Problem, ob sich Hegels Geschichtslogik im Bereich des faktisch Geschichtlichen durchführen läßt. Um diese Frage zu klären, wäre es sicherlich nützlich gewesen, die Zeitauffassung und ihr Verhältnis zur Geschichte aus der Phänomenologie des Geistes heranzuziehen — eine Betrachtungsweise, die man in BCARIMSKIJS Schrift weitgehend vermißt. Blickt man auf die gegenwärtige Hegel-Forschung in Rußland, dann ist auch sie Teil des allgemeinen Prozeses einer Lösung von ideologischen Fesseln und Illusionen. Obwohl es noch nicht immer gelingt, versucht man anhand der Philosophie Hegels, die ein wichtiger und trotz aller Verengungen nicht zu leugnender Teil des russischen Geisteslebens war, neue Fragestellungen zu eröffnen. So läßt sich nur hoffen, daß man in der Auseinandersetzung mit Hegel wieder an der aktuellen Selbstbesinnung auf die Situation der Zeit teilnimmt und ebenso jenes entdeckt, was das russische Denken an Eigenständigen dazu beizutragen vermag. Nikolaj Plotnikow (Moskau/Bochum)
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Geschichte, Zeit und versöhnende Ewigkeit bei Hegel f. W. Burbidge: Hegel on Logic and Religion. The Reasonableness of Christianity. Albany, N. Y.: The State University of New York Press 1992. X, 184 S. (SUNY Series in Hegelian Studies.) IV. Desmond: Beyond Hegel and Dialectic. Speculation, Cult and Comedy. Albany, N. Y.: The State University of New York Press 1992. XII, 365 S. (SUNY Series in Hegelian Studies.) S. Majetschak: Die Logik des Absoluten. Spekulation und Zeitlichkeit in der Philosophie Hegels. Berlin: Akademie Verlag 1992. IX, 358 S. Das Buch von BURBIDGE enthält Aufsätze, von denen einige schon früher (zwischen 1978 und 1990) veröffentlicht worden sind. Als Einführung in die drei Teile des Buches dient eine Betrachtung über den sogenannten , Graben' bei LESSING (Lessing's Ditch), wodurch kontingente und notwendige Wahrheiten voneinander getrennt werden. Im darauffolgenden ersten Teil gibt es u. a. eine Analyse einiger Kapitel aus Hegels Wissenschaft der Logik. Der zweite Teü behandelt die Anwendung der Hegelschen Logik und enthält einen wichtigen Vergleich zwischen Hegels spekulativer Dialektik und der späteren Philosophie SCHELLINGS. Im Rahmen der angewendeten Logik wird ebenfalls das Verhältnis von Begriff und Zeit erörtert. Der dritte Teil schließlich bildet das Herz des Buches, das die Absicht des Verfassers am deutlichsten hervortreten läßt. Nicht so sehr ein philologisches oder historisch-philosophisches Interesse, sondern ein Verlangen nach produktiver Aktualisierung leitet BURBIDGES thematische Frage nach dem Verhältnis zwischen Hegels Denken und dem Christentum. Er beabsichtigt dabei (wie es J. RITTER zuvor versucht hat) eine Lanze für die von Hegel gebotene Möglichkeit zur Sicherung des Fortbestehens der (christlichen) Tradition zu brechen. Wichtig in diesem Zusammenhang sind BURBIDGES Analyse des Verhältnisses von Gott, Mensch und Tod, das in der Phänomenologie des Geistes eine Schlüsselstellung einnimmt, und die abschließende Betrachtung, in welcher nach Hegels Glauben in der Zukunft (Kontinuierung) des Christentums gefragt wird. Hat die Geschichte mit Hinterlassung des religiösen Erbes ihre (schon von A. KOJ6VE und in seiner Spur zuletzt von F. FUKUYAMA hervorgehobene) säkularisierte Bestimmung bereits erreicht? Die allenthalben herrschende Unsicherheit über das Gelingen eines universal-humanistischen Programms, das immer wieder von Ausbrüchen der Barbarei durchkreuzt wird, macht diese Frage umso dringlicher. Wir in unserer Zeit aber sind nicht die Einzigen, die Bedrängnis und Not erfahren. Die überlieferte Hoffnung früherer Generationen kann deshalb noch immer Bedeutung für unsere Zukunft haben, die, wie BURBIDGE im Gegensatz zu KOJSVE unterstreicht, nicht abgeschlossen, sondern offen ist. Mit seiner spekulativen Dialektik hat Hegel versucht, dem traditionellen, religiösen Inhalt eine für das moderne (säkularisierte) Denken akzeptable Form zu geben. Die in der Religion symbolisch vorgestellte Heilsgeschichte wird so in phi-
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losophischen Begriffen wiederholf. Was als das Andere im Glauben auf sich beruhf, wird durch das Denken von seinem Anderssein losgelöst (als das Andere negiert) und damit als das Eigene des Denkens eingeführt (vermittelt). Gott gilt dem Menschen dann, wie BURBIDGE nachdrücklich betont, nicht länger als der total Andere (wholly other, 130). Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach der Heilung der Gebrochenheit des endlichen, menschlichen Daseins. Mit an HEIDEGGER erinnernden Worten hebt BURBIDGE hervor, daß der Mensch in die konkrete, zeit-räumliche Welt geworfen ist (thrown into existence, 125). Die mit dieser ,Geworfenheit' verknüpfte Unsicherheit gibt Anlaß zum (vor allem in der modernen Wissenschaft und Technik offenkundigen) Streben nach rationeller Beherrschung der bedrohlichen Welt. Trotzdem bleibt der Mensch konfrontiert mit seiner ungeheilten Gebrochenheit, weil ihm (im sozial-politischen Bereich) absolute Freiheit und (im wissenschaftlichen Bereich) ein umfassender Begriff offensichtlich nicht gegeben sind. Eine unzweideutige Anerkennung und zugleich positive Wertschätzung der Endlichkeit des Menschen (Gott gegenüber) beinhaltet nach BURBIDGE die christliche Religion. Dies erläutert er an Hand der drei Phasen, welche die Vollendung der christlichen Heilsgeschichte markieren. Die erste Phase bildet die Selbstbeschränkung Gottes in der Inkarnation, die Jesus zur zeit-räumlichen Individualität prägt. Sodann hebt der Kreuzestod als Möglichkeit der Auferstehung die Endlichkeit von Jesus wiederum auf. Und schließlich macht die Auferstehung die Individualität von Christus verfügbar für das Heil der Welt, das heißt: bleibend und universell anwesend für die Zukunft. Diese zukünftige Fruchtbarkeit des geschichtlich Gegebenen (Endlichen) tritt als verschwiegene Voraussetzung schon aus der Absicht der ersten überlieferten , Wegbeschreibung' des deutschen Idealismus hervor. Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus setzt gleichfalls die Verfügbarkeil des Früheren für die zukünftige Transformation (im Sinne einer Ästhetisierung) der Religion an erste Stelle. Später wird der Verlauf der Phänomenologie des Geistes durch eine ähnliche Beziehung zwischen Früherem und Zukünftigem in der durch Negativifät fortgefriebenen Geschichte charakterisiert. Die von KOJ6VE gegebene Deutung betont (offenkundig unter dem Einfluß HEIDEGGERS) ebenfalls die Endlichkeit (das Sein zum Tode) des Menschen. Dieser Bruch im menschlichen Dasein hat bei KojfiVE eine eigenständige (nicht durch religiöse Hoffnung auf Erlösung aufhebbare) Bedeufung als conditio humana, welche zugleich die säkulare Geschichfe der Freiheif bedingt. KojfiVE entnimmt einem einzigen Kapitel in der Phänomenologie, nämlich dem über Herrschaft und Knechtschaft, die Gründe seiner Interpretation. Dabei vernachlässigt er aber, wie BURBIDGE ZU Recht bemerkt, die religiöse Absicht von Hegels Darlegung zugunsten einer (von MAI« inspirierten) politisch-materialistischen Perspektive. In diesem Zusammenhang betont BURBIDGE, daß die Herr-Knecht-Analyse (im Gegensatz zu KojfeVES Deutung) keineswegs eine Entfernung, sondern gerade eine Versöhnung mit der religiösen Dimension (Gott) in Aussicht stellt. Das trete noch deutlicher hervor, wenn man dieses Kapitel nicht, wie KOJ6VE es tue, isoliert lese, sondern im Zusammenhang mit späteren Kapiteln in der Phänomenologie und mit
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anderen relevanten Texten aus Hegels Vorlesungen über Geschichte und Religion. Hinsichtlich der Gliederung der Phänomenologie hat C. A. SCHREIER die Auffassung einer sich wiederholenden Struktur oder durchgebildeten Architektonik verteidigt, innerhalb welcher auf unterschiedenen Ebenen der Reflexion eine Parallele der Entwicklungsphasen des Geistes sich zeigt. Demgemäß verdeutlichen die späteren Kapitel: Das unglückliche Bewußtsein, Die absolute Freiheit und der Schrecken, und Die offenbare Religion, wie BURBIDGE richtig bemerkt (119), daß dieselbe Problematik, die vorher im Kapitel über Herrschaft und Knechtschaft erörtert wurde, auf einer anderen Ebene zurückkehrt. Die Erage, in wiefern das Andere sich in das Denken fügen läßt, bildet auch den Mittelpunkt der Konfrontation zwischen Hegels spekulativer Dialektik und ScHELLiNGs spezifischer Auffassung der Vernunft. Hegels Übergang vom Geist zur Natur deutet SCHELLING als eine metabasis eis allo genos. (W. DESMOND wirft Hegel ebenfalls, wie wir sehen werden, eine ähnliche Identifikation von Eigenem und Anderem vor). Die Realität des Anderen ist, so SCHELLING, nicht produzierbar durch reine Vernunft. Dem Denken ist als eigenständigem Bereich nicht die Wirklichkeit, sondern nur die Möglichkeit Vorbehalten. SCHELLINGS positive Philosophie richtet sich nun gerade auf die Realität des Anderen durch eine Überschreitung der Negativität des Denkens. Dabei wird nicht die Vernunft, sondern der Wille als ,Grund' der Wirklichkeit angesehen. Durch die Überschreitung der vernünftigen Möglichkeit stößt der Wille auf das Andere der Vernunft, das nur ekstatisch (das heißt: außerhalb der Vernunft) zu erreichen ist. Dies impliziert aber keineswegs eine gänzliche Zurückweisung (oder sogar ,Ausradierung') der Vernunft oder der Philosophie. Mit seinem Entwurf einer positiven Philosophie beabsichtigt SCHELLING gerade eine Verteidigung der Vernunft gegenüber der negativen Philosophie. Diese läßt sonst das Andere der Vernunft, wie es nach SCHELLING das transzendentale Denken KANTS und Hegels Panlogismus zeigen, für die Vernunft nicht zu. Die ekstatische Bewegung des Willens transzendiert den Bereich der denkbaren Möglichkeit und erreicht so die Realität des Anderen. Oder, wie BURBIDGE es formuliert: „reason opens itself to that which is its absolute other" (64). Das Andere aber bleibt deshalb noch immer auf das Denken (als positive Philosophie) bezogen. Wille und Denken sind ja, wie BURBIDGE hervorhebt, als ,disjunctive contraries' im selben Subjekt gegründet. Sie bilden deshalb nicht zwei verschiedene genera, sondern komplementäre Momente einer , single reflective discipHne' (68). Die Frage aber bleibt, ob die menschliche Totalität sich auf die Dualität von Willen und Denken zurückführen läßt unter Vernachlässigung der konkreten, zeit-räumlichen Wirklichkeit von Welt und Geschichte. Hegel wenigstens entgeht dieser Abstraktion des Menschen (auf ähnliche Weise wie HEIDEGGER) dadurch, daß er menschliches Dasein in die Kontingenz einer geschichtlichen Welt stellt. Das Problem der Kontingenz (in Beziehung zur Notwendigkeit) taucht bei Hegel ebenfalls im Rahmen seiner Konzeption von Zeit und Ewigkeit auf. Auch hier opponiert BURBIDGE wieder gegen die in seinen Augen einseitige Interpretation KOJEVES, der Zeit und Begriff vereinfachend miteinander identifiziert.
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Verzeitlichung der Ewigkeit und Verewigung der Zeit beinhaltet bei Hegel eine strukturelle Durchdringung von Zeit und Ewigkeit, ln der sogenannten ,begriffenen Geschichte', von welcher am Ende der Phänomenologie die Rede ist, findet diese strukturelle Durchdringung (Einheit) eine wichtige Antizipation. Die Identität von Zeit und Ewigkeit (ohne Vernachlässigung ihrer Differenz) analysierf BURBiDGE zwar eingehend an Hand von relevanten Textstellen aus der Phänomenologie und Enzyklopädie. Hinsichtlich des von Hegel gemachten Unterschieds zwischen natürlicher Zeit und Geschichte als Zeit des zum Selbstbegriff (Freiheif) kommenden Geisfes, greift er aber fehl. BURBIDGE übersieht dabei nämlich, daß die natürliche Zeit (vollkommen in Übereinstimmung mit dem Verlauf der Logik) gerade das Jetzt (als Sein) zum Ausgangspunkt hat und nicht, wie er fälschlicherweise annimmt (84), die Vergangenheit (als Nicht-sein). Die natürliche Zeit bei Hegel zersplittert die ursprüngliche Einheit in isolierte Momente. BURBIDGE bemerkt zutreffend, daß der Geist schließlich die zersplitterte Zeit wieder aufzuheben vermag, wodurch die einheitliche Ewigkeit wiederum eintritt. Sowohl die Veräußerlichung wie die Verinnerlichung (Erinnerung) des Geistes ist ein in der Zeit verlaufender Prozeß, der laut der Phänomenologie mit der , sinnlichen Gewißheit' anfängt und in die ,begriffene Geschichfe' mündef. Den Weg von der sinnlichen Erscheinung zum Begriff sieht BURBIDGE vorgezeichnet (86) im religiösen Bild vom Sündenfall (als Bruch mit der paradiesischen Ewigkeit) und der Erlösung (als Wiederherstellung der ewigen Einheit). Nach Hegel aber bleibt die Wiederherstellung der Einheit, welche durch die natürliche Zeit gebrochen worden ist, ausschließlich der Philosophie Vorbehalten. Es scheint denn auch nicht richtig, mit BURBIDGE anzunehmen, daß die Gläubigen schon die Einheit der Zeit begrifflich einsehen (recognize concepfually). Im Gegensatz zur absoluten Gegenwart der begriffenen Geschichte ist die Ferne der Vergangenheit und Zukunft, so Hegel, der Zeitraum, in welchen die religiöse Vorstellung die Einheit der Ewigkeit projiziert. In dem Band von DESMOND ist eine Anzahl schon früher (zwischen 1979 und 1989) veröffentlichler Arfikel zusammengefaßt worden. Gemäß der Andeutung im Titel beabsichtigt DESMOND die Beschränkung, die seiner Meinung nach Hegels Denken kennzeichnet, zu überschreiten. Das unternimmt er mit Hilfe seiner sogenannfen ,mefaxologischen Spekulation'. Dabei befürwortet DESMOND (wie in früheren Arbeifen, etwa Philosophy and its Others, Desire, Dialectic and Otherness) ,das Andere', für welches es in Hegels Panlogismus keinen Plafz geben soll. Die dialektische Rede Hegels beansprucht, durch Vermittlung alles in sich aufnehmen zu können. Im Gegensatz dazu steht bei DESMOND eine Vernunft (logos), die sich zwischen (metaxu) dem Eigenen und dem Anderen des Denkens bewegt, ohne beides aufeinander zurückführen zu wollen. Sofort aber drängt sich hier die Frage auf, ob die dialektische Vermittlung bei Hegel nicht sosehr eine Reduktion, als vielmehr eine Versöhnung beabsichtigt. Diesbezüglich ist es erhellend, daß in der Phänomenologie das Prinzip der wechselseitigen Anerkennung nicht eine Herleitung, sondern eine Versöhnung, die den Barriere zwischen Herr und Knecht
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schlichtet, in Aussicht stellt. Nach Erörterung seines metaxologischen Standpunktes in einem einführenden Kapitel behandelt DESMOND in sechs weiteren Kapiteln (die sich wie selbständige Aufsätze lesen lassen) wichtige Themen wie Zeit und Ewigkeit, Spekulation und Religion, Dialektik und das Böse und abschließend den relativierenden Humor und die Prätention des absoluten Denkens. Wie bei BURBIDGE steht bei DESMOND das Verhältnis zwischen Philosophie und Religion im Brennpunkt seines Interesses für Hegel. Aber anders als BURBIDGE kann DESMOND der Philosophie Hegels nur wenig enfnehmen, was sich für die Religion fruchlbar machen ließe. Hegel wird mehr oder weniger als ein Afheist an den Pranger gestellt und DESMOND zeigt sich dabei ein Gläubiger, der philosophiert, um die Mängel der Philosophie bezüglich der Religion hervorzuheben. Das Andere (Gott) bleibt für ihn (der sich in diesem Punkt nicht von opponierenden Zeitgenossen Hegels wie SCHLEIERMACHER und SCHELLING unterscheidet) das für das Denken grundsäfzlich Unzugängliche. Positiv zu werten ist, daß DESMOND (wie BURBIDGE) Hegel nicht auf museale Weise gebrauchf, sondern ihn zu einem Stein des Anstoßes für die heutige Philosophie machen will. Das spekulative Denken führt er dabei als eine kritische Waffe gegen allzu modische und unverbindliche Enfwicklungen an, die sich seiner Meinung nach vor allem innerhalb des postmodernen Dekonstruktivismus abzeichnen. Nicht ohne Grund bemerkt DESMOND in diesem Zusammenhang, daß die skeptische Distanz des Postmodernismus hinsichtlich der Tradition eigentlich nur auf eine einfache Vermeidung der großen und widerspenstigen Vergangenheit hinausläuft. Die kritische Haltung des Dekonstruktivisten ließe sich ebensogut auf die eigene Vorurteile statt auf das frühere Denken anwenden (56). Historische Gelehrsamkeit aber kann, so DESMOND, ebenfalls keine ausschlaggebende Rolle bei der Einschätzung der Tradition spielen. Ähnlich wie NIETZSCHE in seiner unzeitgemäßen Kritik an der historisch-musealen Objektivierung der Vergangenheit zieht DESMOND eine sich besinnende Auseinandersetzung mit der Tradition dem Sammeln von Daten zum Behuf hisforischer Informafion vor. Beinhalfet die historiographische Tatsachenspeicherung eine überflüssige Belastung für das Gedächtnis, so führt die postmoderne Abrechnung mit der Vergangenheit eher zu einer gänzlichen Inaktivierung des Erinnerungsvermögens. Weder die antiquarische noch die dekonstruktive Haltung ist nach DESMOND, fruchtbar für einen besonnenen Umgang mit der Geschichte. Deshalb befürwortet er einen Mittelweg zwischen „excessive memory and excessive forgetfulness" (58). Vor allem kritisiert DESMOND dasjenige Denken, das das transzendente Ewige (Andere) auf eine Zeit, in der die Geschichte sich abspielt, zurückführen will. Außer Hegel rechnet er auch MARX und HEIDEGGER ZU den wichtigsten Vertretern dieses ,Historismus'. Obwohl MARX, wie DESMOND erwähnt, die Philosophie einem sozial-wirtschaftlichen Umsturz dienstbar macht und deshalb zu den von HEIDEGGER kritisierten ,technoIogists' zählt, leiden MARX und HEIDEGGER gleichermaßen an ,historicist hybris' (51, 73). Behauptet Plato einen Dualismus zwischen Zeit und Ewigkeit, dann reduzieren Historizisten wie MARX und HEIDEGGER (gemäß Hegels Versuch einer Verschmelzung von PLATONischer Idee und modernem
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Subjektdenken) fehlerhaft die Ewigkeit zur Zeit, welcher folglich die Funktion einer ,Ersatz-Ewigkeit' zugemessen wird (50, 62, 80—81). Dabei verkennt DESMOND aber, daß bei HEIDEGGER durch den Unterschied zwischen uneigentlicher (vulgärer) Zeit und eigentlicher (Daseins-) Zeit sowohl die Ewigkeit wie die Zeit in einer ganz anderen Perspektive betrachtet werden. Ob die Ewigkeit sich, wie DESMOND offenbar meint (77), zureichend deuten läßt mit dem Begriff des ,nunc stans' der platonisch-christlichen Tradition oder ob die Struktur der eigentlichen Zeit HEIDEGGERS eine bessere Alternative (in der Form einer ,Augenblicks-Ewigkeit') bietet, bleibt deshalb eine unbeantwortete (weil nicht erörterte) Frage. Ein ebenfalls von DESMOND angeprangerter Mangel des Historizismus wäre seine Neigung zu Legitimierung verwerflicher politischen Zustände. Auch hier muß HEIDEGGER bei DESMOND als Beleg dieses Vorwurfs herhalten. Es versteht sich, daß HEIDEGGERS Verbundenheit mit dem Nazismus sich keineswegs neutralisieren läßt. Aber die Meinung, daß Heidegger sein, wie DESMOND es formuliert, „historicist neck" vor der brutalen Gewalt des politischen Status quo gebogen haben soll, verkennt den Abstand, den es bestimmt zwischen HEIDEGGERS philosophischem Standpunkt und dem Nazismus gab. Die landläufige Partei-Ideologie des Nationalsozialismus war (im Gegensatz zu den mehr anpassungsfähigen Parteiphilosophen) immerhin nicht das Fahrwasser HEIDEGGERS. Wie groß der Abstand zwischen HEIDEGGERS philosophischer Posihon und der damaligen politischen Gedankenlosigkeit war, läßt sich deutlich ablesen aus den Vorlesungen über HöLDERLIN und NIETZSCHE, die HEIDEGGER während des Krieges hielt. Trotzdem hat DESMOND nicht Unrecht (54), wenn er das politische Bewußtsein des Denkers Heidegger weniger schätzt als das des Komikers CHAPLIN, der mit seinem FUm The Great Dictator die Verwerflichkeit der totalitären Gewalt ironisch vor Augen führt. Damit wird an einen Punkt gerührt, der im weiteren Plädoyer für das Andere gegenüber einer allzu herrschsüchtigen Vernunft eine wichtige Rolle spielt. Neben der Religion sieht DESMOND den Humor, der den Ernst des absoluten Denkens aufs Korn nimmt, als eine Stütze für seinen metaxologischen Standpunkt an. Hegels ,logos' wird das Vermögen zu einem befreienden Lachen geradezu abgesprochen (337). Daß Ironie und Humor das Verlangen nach dem Absoluten innerhalb der Schranken des menschlichen Maßes halten sollen, wurde in Hegels Zeit von Romantikern wie den Brüdern FR. und A. W. SCHLEGEL schon vorgebracht. Im Rahmen der Romantik hat K. SOLGER zudem versucht, die Ironie als wesentlichen Bestandteil der romantischen Kunst für die Philosophie fruchtbar zu machen. Aber wie wirksam Ironie als Heilmittel gegen das allzu ernsthafte Streben nach Unendlichkeit auch sein mag, ohne Ernst kann die Verteidigung derselben Ironie doch nicht auskommen. ln seiner Solger-Rezension bemerkt Hegel (nicht ganz ohne Ironie), daß SOLGERS eigene Argumentation zur Hervorhebung der Wichtigkeit der Ironie keineswegs ironisch oder humoristisch, sondern ernsthaft geartet ist. Dasselbe trifft mutatis mutandis auch für DESMONDS Verteidigung des Humors zu. Leichtherzigkeit und Scherz gehen offenkundig besser mit der Untergrabung als mit der Verteidigung eines Standpunktes zusammen. Auch
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der Humor selbst läßt sich ohne Ernst (und manchmal Gewichtigkeit) nicht als Gegengewicht gegen das Absolute anführen. DESMONDS metaxologische Absicht ist es, den Menschen in seiner historischen Endlichkeit und Gebrochenheit zu trennen vom Anderen, das in Ewigkeit und Bewegungslosigkeit auf sich beruht und keine zeitliche Entwicklung (historische Vollendung) braucht (78). Dies im Gegensatz zu Hegel, der, wie bekannt, behauptet, das Absolute sei immer schon bei uns und nicht von uns zu trennen. Am Schluß der Phänomenologie, Logik und Enzyklopädie wird die Freiheit mit Nachdruck als Grundlage des Prozesses von Entfernung und Versöhnung gekennzeichnet, in welchem Unendlichkeit und Endlichkeit dialektisch aufeinander bezogen (das heißt, einander entfremdet, aber keineswegs von einander getrennt) sind. Wäre die Geschichte nun, wie DESMOND sagt (81), eine nie sich vollendende, sukzessive Offenheit, dann würde das in Hegels Worten nicht auf Freiheif, sondern auf eine ,schlechfe Unendlichkeit' deuten. Laut DESMOND (71) beinhaltet die Geschichte nicht sosehr eine Überwindung der Ewigkeit (des Anderen), als vielmehr den Weg, auf dem die Ewigkeit zu sich selbst zurückkehrt. Diese Auffassung paßt mit der Vorrangstellung des Absoluten zusammen, das als Identität von Identität und Nicht-Identität bei Hegel das Endliche umfaßt, ln diesem Sinn kann Hegel tatsächlich als ein ,aeternalist' hinsichtlich der Idee bezeichnet werden (77). Die Geschichte impliziert dann aber mit anderen Worten (74), eine säkularisierte Veräußerlichung, die den Weg des Absoluten (oder der Heilsgeschichte in religiösem Sinn) darstellt. Als freie Mitteilung oder Gabe seiner Selbst an die Welt und Geschichte bleibt das Absolute nicht für sich bestehen. Richtig ist dabei zwar die Rede von einer „generosity of Creation" (81), gemäß welcher der Schöpfer aber, anders als DESMOND behauptet, nicht auf Distanz bleibt, sondern sich mit dem Geschaffenen verbindet. Dieser Bund zwischen Schöpfer und Geschöpf, der im Alten und Neuen Testament bekräftigt wird, bietet Aussicht auf die Wiederherstellung der Gebrochenheit und die Versöhnung von Mensch und Gott. Das Buch MAJETSCHAKS ist eine bearbeitete Fassung seiner Dissertation von 1989/ 1990. Der Untertitel verdeutlicht die Sicht, aus welcher das Absolute vom Verfasser betrachtet wird. Dabei nimmt die Zeit eine zentrale Stelle ein, der im dritten und zugleich abschließenden Teil des Buches (Zeit des Absoluten) in reichem Maße Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die zwei vorhergehenden Teile erörtern das Problem der Darstellung und der Wirklichkeit des Absoluten. Wichtig ist dabei, daß die Problemlage in einer historisch-genetischen Perspektive erscheint, die auf die von KANT in der Kritik der Urteilskraft entwickelte Ästhetik und auf den bei SPINOZA vorgezeichneten Begriff der Kondezendenz zurückgreift. Die Frage nach der Wirklichkeit des Absoluten wird abgeschlossen mit einer Analyse der sogenannten Logik der Macht, die in die Freiheit mündet. Die für Hegel wesentliche Einheit (Übereinstimmung) von Objektivität und Begriff wird im ersten Teil der Studie in Zusammenhang mit der Problematik des ,anschauenden' Verstandes bei KANT erörtert (30—34). An Hand des von KANT in
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der Kritik der Urteilskraft dargelegten Begriffs der Schönheit erläutert Hegel, daß es sich hier nicht um eine nur gedachte (in der transzendentalen Struktur der Erkenntnis gegründete) Einheit, sondern um objektive Wahrheit (oder Realität) handelt. Weiter gibt der erste Teil im Rahmen des Darstellungsproblems eine Betrachtung des Verhältnisses zwischen Spekulation und Konstruktion. MAJETSCHAK deutet dabei die der Logik Hegels zu Grunde liegende Begriffsbildung im Lichte der von H-F. FULDA und M. THEUNISSEN ausgearbeiteten Interpretation. Diesbezüglich heißt es, für eine kritische Analyse des logischen Satzes müsse im Auge behalten werden, daß die Unendlichkeit als Totalität logischer Beziehungen sich ausreichend ausdrücken läßt in einer endlichen Wiedergabe, die aus einer Anzahl unterschiedener Prädikate besteht (66—75). Hinsichtlich der Wirklichkeit des Absoluten wird der schon bei SPINOZA erwähnte Abstieg (Kondezendenz) vom Allgemeinen (als Substanz) zum Individuellen als historische Erklärungsperspektive angeführt (135—144). Die weitere Explikation der Wirklichkeit bewegt sich im Rahmen einer Logik der Macht, die im historischen Prozeß der wechselseitigen Anerkennung (vom Herr-Knecht-Verhältnis an bis zu rechtsphilosophischer Personskonstituierung) sich vollendet. MAJETSCHAK folgt der (in der neueren Forschung von L. SIEP vertretenen) These, der Philosophie der Anerkennung gebühre (im Lichte der Entwicklung von den Jenaer Systementwürfen zur Rechtsphilosophie) eine große Bedeutung (193). Grundlegend für die Interpretation der logischen Funktion des Anerkennungsbegriffs im System ist die Analyse der Relation von Herr und Knecht in der Phänomenologie des Geistes. Daß diese Relation nur im Rahmen des Selbstbewußtseins erörtert wird, schränkt ihre weittragende, systematische Bedeutung keineswegs ein. Hinsichtlich der ungenügenden Situierung der Herr-Knecht-Relation hat O. PöGGELER eine, auch von MAJETSCHAK (214) geteilte Erklärung in einer konzeptionellen Abänderung gesucht, die sich während der Niederschrift der Phänomenologie vollzog. Seit MARX ist die bedeutende, soziale Tragweite der Herr-Knecht-Analyse (welche in unserem Jahrhundert der Interpretation KOJEVES zugrunde liegt) stark hervorgehoben worden. Unter dem Einfluß dieser sozialen Perspektive wird vor allem der interpersonale Aspekt, welcher auch für MAJETSCHAKS Deutung maßgebend bleibt, einseitig betont auf Kosten der (von BURBIDGE, wie wir sahen, zu Recht hervorgehobenen) religiösen Absicht der HerrKnecht-Analyse. Deshalb sieht MAJETSCHAK die Anerkennung verwirklicht in der Konstitution der Person im Rahmen des Rechts. Damit verkennt er aber, wie KOJEVE, den Aspekt der Versöhnung, welcher am Schluß der Phänomenologie sowie in der Philosophie der Religion als Wiederherstellung der Einheit von Gott und Mensch ans Licht tritt. Zwar läßt sich der Fortgang von der anfänglichen Ungleichheit zwischen Herr und Knecht zur wechselseitigen Anerkennung der legalen Vertragsparteien als ein historischer Progreß betrachten, der eher an eine fortschrittliche als an eine konservative Politik appelliert (243). Aber wenn auch an der christlichen Heilsgeschichte diese sozial-emanzipierende Seite fehlen sollte, konnte das Recht (wie MAJETSCHAK betont) nicht destoweniger für , etwas Heiliges
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überhaupt' gelten, das die soziale Einheit wiederherzustellen vermag. Damit ist für MAJETSCHAK zugleich die Brücke geschlagen, welche die Ewigkeit des Absoluten und die Zeit (Geschichte) als Bereich der säkularen Verwirklichung miteinander verbindet. Der letzte Teil dieser Studie gibt eine ausführliche und bemerkenswerte Analyse der Zeitproblematik bei Hegel. Wichtig und notwendig ist eine detaillierte Interpretation dieses Problems, weil die Hegelforschung bis heute eine relativ geringe Aufmerksamkeit der wesentlichen Bedeutung gewidmet hat, die, wie Hegel es selbst sagt, einer ,Metaphysik der Zeit' gebührt. Mit Recht sieht MAJETSCHAK (245) in der Zeitkonzephon die Mitte der spekulativen Philosophie, obwohl Hegel in seinen veröffentlichten Werken und Vorlesungen nur sporadisch und zudem auf eine wenig zugängliche Weise die Zeit gedeutet hat (275; 292). Die Esoterik der Hegelschen Deutung geht aber zum größten Teil auf eine mangelhafte Verweisung und folglich einen unbeleuchteten Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ebenen zurück, auf welchen die zeitliche Entwicklung stattfindet. Das Verdienst von MAJETSCHAKS Analyse liegt mit in der umfassenden Optik, innerhalb derer der Zusammenhang der auf verschiedenen Ebenen auftretenden Zeitformen sichtbar wird. Etwas zu kurz greift aber seine Erörterung, wenn es um die Stellung von Hegels Zeitbegriff in der historischen Entwicklung der Philosophie der Zeit geht. Mit einer Situierung des Hegelschen Konzepts hinsichtlich der geschichtlich maßgebenden Zeitanalysen von ARISTOTELES und HEIDEGGER heße sich die erwähnte Unzugänglichkeit und der Doppelsinn von Hegels Deutung weiter auflösen. ARISTOTELES und HEIDEGGER markieren mit ihren diametral entgegengesetzten Zeitauffassungen die Geschichte des Denkens über die Zeit. In Physik IV, 10 legt ARISTOTELES seine Definition der Zeit als Zahl der Bewegung dar. Die dabei betrachteten Aspekte wurden bestimmend für den Zeitbegriff einer bis HEIDEGGER reichenden, philosophischen Tradition. Als konstituierendes Moment der Zeit gilt in dieser Tradition das Jetzt, das sich in einer unumkehrbaren, linearen Aufeinanderfolge fortbewegt. ARISTOTELES richtet seinen Blick auf das formell-quantitative Wesen des Jetzt, das als Grenze die Momente der Zeit nicht nur verbindet, sondern auch unterscheidet. In diesem formell-quantitativen Sinn bedeutet das Jetzt bei ARISTOTELES eine numerische Unterscheidung (Zahl), womit die Bewegung sich messen läßt. Wichtig ist diese Definition, insoweit sie der Chronometrie vermittels des Uhrengebrauchs zugrunde liegt, vor allem für die modernen Naturwissenschaften. In Sein und Zeit hat HEIDEGGER diese, durch die ARiSTOTELische Definition fundierte Uhrzeit als eine uneigentliche, landläufige (vulgäre) Art der Zeit gekennzeichnet, der die eigentliche (existentiale) Zeit des menschlichen Daseins vorausgehe. Anders als in der ARiSTOTELischen Auffassung bevorzugt HEIDEGGER nicht mehr das sich linear fortbewegende Jetzt, sondern legt eine Konzeption dar, der gemäß Gewesenes und Zukünftiges aufeinander bezogen sind und mit dieser wechselseitigen Beziehung den heutigen Augenblick erst ermöglichen. Diese, von HEIDEGGER als ,vorläufend-zurückkehrende' angedeutete Bewegungsstruktur der existentialen Zeit ersetzt die in der Tradition bevorzugte Iso-
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liertheit des Jetzt (als Präsenz) durch eine Einheit (Gemeinschaft), welche die Zeitdimensionen als gleichwertige miteinander verbindet. Zudem ist in diesem Zusammenhang wichtig, daß die Zeit bei HEIDEGGER nicht mehr ein ontologisches Thema (eine Kategorie) im traditionell ÄRiSTOTELischen Sinn bildet, sondern daß umgekehrt die traditionelle Ontologie erst durch die existentiale Zeitlichkeit als Möglichkeit gegeben ist. Hegel befindet sich mit seiner Zeitkonzeption in einer Übergangslage, in der die traditionell-ontologische (von ARISTOTELES thematisierte) Bedeutung der Zeit als numerische Bedingung (Zahl) der Messung überschritten wird zugunsten einer neuen Bedeutung. Die leere Formalität (welche sich auch noch in KANTS Auffassung der Zeit als Bedingung der Arithmetik zeigt) weicht bei Hegel dieser neuen Bedeutung, die den Inhalt des geschichtlichen Daseins und die dazu gehörende, wechselseitige Durchdringung der Zeitdimensionen in den Vordergrund treten läßt. Die von MAJETSCHAK erwähnte Unzugänglichkeit und die damit zusammenhängende Zweideutigkeit der Hegelschen Zeitkonzeption gehen auf eine Umbruchsituation zurück, in welcher das Überlieferte nicht länger gilt, ein neuer Maßstab aber in statu nascendi verkehrt. Erst HEIDEGGER wird in Sein und Zeit eine Ausarbeitung dieses, von Hegel antizipierten anderen Zeitbegriffs aufnehmen. Bemerkenswert ist dabei, daß HEIDEGGER selbst die Bedeutung der Übergangsposition Hegels für die Entwicklung einer nicht einseitig quantitativ orientierten Zeitauffassung übersehen hat und nur die Analyse der natürlichen Zeit, welche bei Hegel mit der ARiSTOTELischen Zeitdefinition übereinstimmt, abweisend ins Auge faßt. Diese, von MAJETSCHAK (in der Nachfolge von H. TRIVERs) mit Recht kritisierte Beschränktheit von HEIDEGGERS Betrachtung ist umso erstaunlicher, weil K. JASPERS m. E. die Gelegenheit hatte, HEIDEGGERS Fehler frühzeitig zu korrigieren, wie sich aus Notizen anläßlich eines 1928 an der Universität von Heidelberg gegebenen Seminars über Hegels Philosophie der Geschichte zeigt. (Vgl. K. Jaspers: Notizen zu Martin Heidegger. München, Zürich 1978. 28.) Daß die lineare (natürliche) Zeit, in der das Jetzt eine bevorzugte Rolle spielt, nicht die einzige und zudem keineswegs die eigentliche Zeit bei Hegel sei, wird von MAJETSCHAK (in Übereinstimmung mit der Interpretation von H. KOBLIGK) hervorgehoben (296). Diese natürliche Zeit, mit welcher die eingehende Analyse von D. WANDSCHNEIDER in Zusammenhang mit der sogenannten vektoriellen Zeit sich ausschließlich befaßt hat, muß von einer anderen Zeitform unterschieden werden, die als Kreislauf eine Einheit ihrer Dimensionen bildet (245; 268; 281). Wie MAJETSCHAK betont (291, 303, 314, 334), gibt es bei Hegel diesen Doppelsinn der Zeit seit des Systementwurfes in Jena bis hin zu den Berliner Vorlesungen. Von der linearen Zeit mit ihrem unumkehrbaren (zur schlechten ünendlichkeit führenden) Fortgang des Jetzt unterscheidet Hegel eine in sich zurückläufende (zirkuläre) Zeit als Bereich des sich historisch entwicklenden Geistes, der in jedem einzelnen Moment die Totalität (sowohl den früheren wie den zukünftigen Inhalt) der Geschichte (als wahre Unendlichkeit) bildet. Diese letztere, eigentliche Zeit ermöglicht (gemäß ihres existentiellen Sinns bei Hegel) eine Versöhnung
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zwischen der Zerrissenheit des isolierten Individuums und der ursprünglichen Einheit, von der es entfremdet wurde. In der Phänomenologie des Geistes gab Hegel zum erstenmal dem Spiel des Voraus- und Zurückverweisens als Konstitutivum der Geschichte eine architektonische Form. Jede frühere Epoche der Geschichte antizipiert dabei die Zukunft, und das Spätere greift umgekehrt zurück auf das Vorhergehende, das nicht erstarrt hinterlassen, sondern transformiert ,mitgenommen' (aufgehoben) wird. Die Veränderung der Vergangenheif als Durchbrechung ihrer drohenden Ersfarrung bedeufef für Hegel zugleich die Verinnerlichung der äußerlichen, natürlichen Zeit. Am Schluß der Phänomenologie vollendet dieser Prozeß der Verinnerlichung (Er-innerung) sich in der sogenannten ,begriffenen Geschichte'. Namentlich J. HYPPOLITE hat mit seiner wichtigen Studie über die Phänomenologie der, bei MAJETSCHAK wohl implizierten, aber unterbeleuchteten, existentiellen Bedeutung der Geschichte als Überwindung der natürlichen Zeit und Wiederherstellung der Einheit den ihr gebührenden Raum eröffnet. Mit HYPPOLITE folgt auch BURBIDGE der Spur des existentiellen Anliegens, das Hegels spekulativer Philosophie als Säkularisierung der Heilsgeschichte — im Sinne der Beziehung von Zeit und Ewigkeit — eigen ist. (Weitere Belege für die existenfielle Bedeufung des Zeifproblems bei Hegel findet man in: O. D. BRAUER: Dialektik der Zeit. Untersuchungen zu Hegels Metaphysik der Weltgeschichte. Stuttgart 1982; M. MURRAY: Time in Hegel's Phenomenology of Spirit. In: The Review of Metaphysics. 14 [1981], 682—705; G. WOHLFAHRT: Über Zeit und Ewigkeit in der Philosophie Hegels. In: Wiener Jahrbuch für Philosophie. 12 [1980], 141-165.) Wechselseitige Durchdringung von Zeit und Ewigkeit bildet die Mitte des Kreislaufs, der Anfang und Resultat im Denken Hegels miteinander verbindet. MAJETSCHAK betont mit Recht diese Verewigung der Zeit und Verzeitlichung der Ewigkeit, wenn er die unterschiedlichen Ebenen, auf welchen Hegels Zeitanalyse sich bewegt, von der umfaßenden Perspektive einer ,Tilgung der Zeit' aus betrachtet, die Aussicht auf Freiheif und philosophische Heimkehr zur Ewigkeit bietet. Von der Analyse der natürlichen Zeit (die, wie erwähnt, mit der ARISTOTELischen Definition übereinstimmt) an, über die Ebenen des Organischen und des Psychologischen führt Hegels Zeitanalyse, wie MAJETSCHAK ausführlich darlegt (281, 290, 303, 314, 328—29), zum Bereich der Freiheit des Geistes, die in den Vorlesungen über Ästhetik, Religion, Philosophie und Geschichte zum Thema wird. Die einheitstiftende Kraft, die die Zeitdimensionen zusammenfügt, wird auf den verschiedenen hintereinander geschalteten Ebenen von MAJETSCHAKS Betrachtung (die mechanische Bewegung, der Organismus, das mit sich identische Subjekt, das Metrum und der Rhythmus in der Musik) antizipiert und findet in der Fähigkeit der freien Vorsfellung oder Einbildungskraff eine erste Möglichkeit, Herr über die natürliche Zeit zu werden (293). Aufhebung der zerreissenden Wirkung der Zeif wird, wie MAJETSCHAK darlegt, erst durch die Einbildungskraft ermöglicht, welche die Epochen als historische Möglichkeiten quasi rhythmisch aufeinander bezieht und somit zusammenfügt. Als letzte geschichtliche Möglichkeit taucht der philosophische Begriff der Einheit aller historischen Epochen auf.
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demgemäß jede einzelne Epoche die Totalität (das Absolute) als Zusammentreffen von Vergangenheit und Zukunft in die Gegenwart spiegelt. Anfang und Resultat gehen deshalb jeweilig zusammen im Kreislauf der eigentlichen Zeit, die als absolute Gegenwart oder begriffene Geschichte, ebensowenig wie die Ewigkeit, bei Hegel nicht teleologisch gedeutet wird (311, 321), weil, um ein späteres Wort NIETZSCHES ZU gebrauchen, ,die Welt in jedem Augenblicke fertig ist'. Stephan Baekers (Den Haag)
Guy Planty-Bonjour: Le Projet Hegdien. Paris: Librairie Philosophique J. Vrin 1993. 239 S. (Bibliotheque d'histoire de la philosophie. Nouvelle Serie.) Wie bereits der Titel dieser letzten Arbeit PLANTY-BONJOURS anzeigt, geht es dem Verfasser nichf um philosophiegeschichfliche und philologische Einzelunfersuchungen, sondern um die Darstellung des Hegelschen ,Projekts' im Sinne einer einheitlichen philosophischen Konzeption. Gefragt wird nach der Kohärenz des Hegelschen ,Systems', welche jedoch nicht durch einen chronologischen Abriß seiner Philosophie demonstriert werden soll, sondern vielmehr durch den Aufweis der inneren Zusammengehörigkeif der Leifmotive Hegelschen Philosophierens. So werden unterschiedliche „Facetten" der Philosophie Hegels beleuchtet, welche in ihrem Zusammenspiel den systematischen Kern derselben markieren. Die Untersuchungen der vier tragenden Komponenten des Hegelschen ,Projekts', der Phänomenologie des Geistes, der Wissenschaft der Logik sowie der Vorlesungen zur Philosophie des Rechts und zur Philosophie der Religion verlaufen nicht streng gleichartig, sondern lassen eine recht unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Momente erkennen. Auch die Methode paßt sich dem spezifischen Gehalf der einzelnen Kapitel an: Zunächst werden drei verschiedene Interpretationen der Phänomenologie des Geistes gegeneinandergestellt, während im Folgenden die Kapitel über die Hegelsche Rechts- und Religionsphilosophie ausschließlich nach inhaltlichen Gesichtspunkten unterteilt sind. In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß das geplante Kapitel II über „Die Wissenschaft der Logik als dialektischer Widerspruch" von PLANTY-BONJOUR nicht mehr ausgearbeitet werden konnte, da der Autor während der Niederschrift dieses Buches verstorben ist. Das von Y.-M. PLANTY-BONJOUR und J.-M. LARDIC erst postum veröffentlichte Buch wird somit Fragmentcharakter behalten, da weder PLANTY-BONJOURS methodischer Ansatz hinsichtlich des Kapitels II noch dessen Rolle bezüglich der Gesamtkonzeption der Untersuchung endgültig zu klären sein werden.
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Hegels Phänomenologie des Geistes läßt sich zwar sowohl in chronologischer wie in systematischer Hinsicht nicht ohne weiteres in die spätere philosophische Gesamtkonzeption einfügen, doch hat das Werk insbesondere durch die Vorlesungen ALEXANDRE KOJEVES im Frankreich des 20. Jahrhunderts eine herausragende Wirkung entfaltet. Ungeachtet des weitreichenden Einflusses der Phänomenologie-Deutung KOJEVES im Sinne einer Anthropologie, ist diese bislang kaum einer wissenschaftlich fundierten Analyse unterzogen worden. KOJEVE faßt die Methode der Phänomenologie als eine kontemplative, d. h. phänomenologische im Sinne HUSSERLS bzw. existentialistische im Sinne HEIDEGGERS auf: Die dialektischen Strukturen der Wirklichkeit, welche sich nach KOJEVE in dem Dualismus von Natur und Mensch widerspiegeln, werden in der philosophischen Kontemplation erfaßt. Demnach gibt es in der Phänomenologie keine dialektische Methode im eigentlichen Sinne, sondern nur Beschreibungen der Dialektik des Realen. Zu dieser gehört neben der Entgegensetzung von Natur und Mensch das für KOJEVES „genetische Anthropologie" zentrale dialektische Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft. Nach KOJEVES Hegel-Auslegung, welche sich sowohl auf HEIDEGGERS „phänomenologische Anthropologie" wie auf MARX' Arbeitstheorie stützt, begründet der Kampf um Leben und Tod die — hier allein in ihrer „anthropogenen" Bedeutung untersuchte — Arbeit, die ihrerseits das Herrschafts-Knechtschafts-Verhältnis fundiert. An diese spezifische Auslegung der Arbeit kann auch die Verknüpfung des Zeitbegriffs der Phänomenologie mit der Begierde anschließen, die Begierde aber negiert das gegebene Gegenwärtige, so daß aus der Zeit eine „Zernichtung" der Welt wird. Sofern aber schließlich auch der Geistbegriff mit der Zeit identifiziert bzw. dieser unterworfen wird, ist auch jener endlich, indem er sich auf den menschlichen Geist gründet; aus der Phänomenologie des Geistes wird unter KOJEVES Händen eine „atheistische Anthropologie". Nicht nur die einseitige Interpretation der Arbeit, sondern KOJEVES gesamte Phänomenologie-Deutung läuft nach PLANTY-BONJOUR in ihrer höchsten Potenz dem Grundtenor des Hegelschen Textes zuwider. Nur die versuchte Rechtfertigung des Atheismus erklärt die willkürliche Überbetonung der Endlichkeit, die Eliminierung des Gottesbegriffs mit dem daraus resultierenden ontologischen Dualismus von Natur und Geist, die Reduktion des spekulativen Geistbegriffs auf den menschlichen Geist etc. PLANTY-BONJOURS grundlegende Kritik trifft wesentlich KOJEVES ,anthropologisierende' Auslegung der Phänomenologie selbst; ihre Wurzeln, zumal ihre „existentialistische Komponente" in der Berufung auf die vermeintliche „phänomenologische Anthropologie" HEIDEGGERS in Sein und Zeit werden dagegen nicht eigens zum Problem gemacht. Einen weitaus bedeutenderen interpretatorischen Rang mißt PLANTY-BONJOUR HEIDEGGERS Interpretahon der Phänomenologie als einer Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins, wie sie sich insbesondere in dem Aufsatz Hegels Begriff der Erfahrung darstellt, bei. HEIDEGGERS „spekulative" Interpretation der Phänomenologie ist geleitet von der ,ontologischen Differenz'; Das natürliche Bewußtsein bezieht sich auf das unmittelbar gegebene Sein eines Seienden, es ist ,vorontologi-
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sches Seinsverständnis'; das wirkliche Wissen hingegen richtet sich als ,ontologisches Seinsverständnis' auf die Seinsverfassung dieses Seienden. Der Übergang vom natürlichen Bewußtsein zum wirklichen Wissen ist konstitutiv für das Verhältnis der Phänomenologie zum System der Wissenschaft, wobei HEIDEGGER die Wissenschaft selbst als Erfahrung begreiff. Die Bezogenheit auf ein Objekt kennzeichnet das ,relative Wissen', während das ,absolute Wissen', zu dem die Phänomenologie hinführen soll, keinen anderen Gegenstand als sich selbst haben kann. Jedoch bleibt nach HEIDEGGER auch dieses Wissen selbstreflexiv und insofern hinsichtlich der notwendigen Entsprechung von Wissen und Gewußtem relativ; die Hegelsche Spekulation mündet bei HEIDEGGER in eine „Ontologie der absoluten Subjektivität". Zwar steht am Ende des Erfahrungsprozesses der Phänomenologie durchaus die Erscheinung des Absoluten, jedoch eine solche, die sich im Innern des Bewußtseins abspielt. Schon wegen dieser Limitation kann die Phänomenologie auch nach HEIDEGGER nicht den ersten Teil des ,Systems' darstellen. Indem Hegel die ousia als parusia faßt, gelingt ihm eine wichtige Annäherung an das Wesen des Phänomens, doch verbleibt auch die Phänomenologie nach HEIDEGGER auf dem Boden der traditionellen Ontologie und ist als Phänomenologie der Wahrnehmung ungeeignet, die „Phänomenalität" angemessen zu begreifen. Wiewohl PLANTY-BONJOUR die Verdienste der HEiDEGGERschen Hegel-Interpretation, welche sich größtenteils auf die Einleitung der Phänomenologie des Geistes konzentriert, würdigt, muß jene doch die leitende Intention des Werkes verfehlen: HEIDEGGER favorisier! unablässig die Subjektivität des Subjekts und das Fürsichsein gegenüber der Substanz und dem Ansichsein. Dagegen macht PLANTY-BONJOUR mit EUGEN FINK geltend, daß nur die Dialektik beider das „Sein an und für sich", das Absolute im Sinne Hegels ausmachen könne. Gegenüber den Hegel-Interpretationen KOJ6VES und HEIDEGGERS, welche durch die je spezifischen philosophischen Ansäfze bereits in eindeutiger Weise präformiert sind, unternimmt PLANTY-BONJOUR den Versuch, die Phänomenologie allein aus dem historischen Kontext — insbesondere der Jenaer Schriften Hegels — auszulegen. So steht weder eine „genetische Anthropologie" noch die von HEIDEGGER unterstellte „absolute Subjektivität" im Zentrum der Bemühungen Hegels, sondern gerade die dialektische Vermittlung der Substanz mit dem Subjekt, des Ansich-Seins mit dem Für-sich-Sein. In einem ersten Teil untersucht PLANTY-BONJOUR den Aufbau des Werkes sowie seine Stellung zum späteren Hegelschen „System", wobei er insbesondere die heftig umstrittene Frage nach der Einheitlichkeit oder Uneinheitlichkeit der Phänomenologie diskutiert. Im Ergebnis kann nach PLANTY-BONJOUR kein Zweifel darüber bestehen, daß die Phänomenologie einem gründlich ausgearbeiteten Plan folgt, der jedoch durch den Doppelcharakter des Werkes als ,Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins' und ,Phänomenologie des Geistes' sowie durch die ungeheure Menge des bearbeiteten Materials überdeckt wird. Gemäß ihres spezifischen Ansatzes kann die Phänomenologie weder — wie von Hegel noch anfänglich unterstellt — als Einleitung noch als erster Teil des Systems der Wissenschaft angesehen werden, sondern als ein Werk sui generis.
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Eine Beurteilung der philosophischen Bedeutung dieses Werkes muß sich demzufolge auf den Text selbst und dessen näheren ,Umkreis' richten; insbesondere muß die Frage beantwortet werden, welcher „Logik" die Phänomenologie folgt. In diesem Zusammenhang folgt PLANTY-BONJOUR der These OTTO PöGGELERS, daß die Gliederung der Phänomenologie dem Logikentwurf in Hegels Realphilosophie von 1805/06 entspreche. Jedoch ist dieser Entwurf nie zur Ausführung gelangt, so daß Hegel zur Zeit der Niederschrift der Phänomenologie dem Werk nicht eine ausgearbeitete spekulative Logik zugrunde legen und mit dieser den Dualismus von Metaphysik und Logik überwinden konnte. Alle Schwierigkeiten, vor die der Interpret der Phänomenologie sich gestellt sieht, beruhen letztlich auf dem Fehlen einer spekulativen Logik, so daß PLANTY-BONJOUR — entgegen der gerade in Frankreich vorherrschenden Einschätzung der Phänomenologie als des Hauptwerks von Hegel ~ die Phänomenologie als eine „Entdeckungsreise Hegels" auf dem Weg zum vollendeten System, wie es sich dann in der Wissenschaft der Logik darstellt, betrachtet. Es erhebt sich angesichts dieser These PLANTY-BONJOURS die Frage, ob allein das spätere ausgearbeitete „System" als geeigneter Maßstab fungieren kann, um den spezifischen Leistungssinn der Phänomenologie zu erfassen. Gerade die Unabgeschlossenheit dieses Textes könnte auch im Sinne einer fruchtbaren Offenheit aufgenommen werden, von der aus unterschiedliche Thematiken zu entfalten wären, welche sich dann jedoch nicht in derselben Weise zu einer einheitlichen Gesamtkonzeption zusammenfügen, wie PLANTY-BONJOUR sie etwa in der Enzyklopädie gegeben sieht. Bereits in PLANTY-BONJOURS Behandlung der Phänomenologie drängt sich mehrfach der Vergleich zum gereiften System der Wissenschaft der Logik auf, welche im zweiten Kapitel gesondert untersucht werden sollte. Da dieses — für den Gesamtentwurf der Arbeit zweifellos zentrale — Kapitel nicht mehr ausgeführt werden konnte, erlauben nur die Verweise in den anderen Kapiteln einige Rückschlüsse auf die Funktion dieses Kapitels im Rahmen einer versuchten Rekonstruktion des Hegelschen „Projekts". Das dritte Kapitel widmet sich zentralen Thematiken der Hegelschen Rechtsphilosophie, welche zum Teil schon in früheren Aufsätzen PLANTY-BONJOURS behandelt worden sind. Entgegen der schroffen und gelegentlich ungerechten Kritik an Hegels Rechtsphilosophie, die etwa mit KARL POPPER Hegel als Vorläufer des Faschismus und Totalitarismus brandmarkt, sieht PLANTY-BONJOUR bei Hegel den Versuch einer einzigartigen Vermittlung der Interessen von Individuum, Gesellschaft und Staat. Im Unterschied zu den ersten Kapiteln des Buches stellt PLANTY-BONJOUR in diesem Abschnitt nicht kontroverse Deutungen der Hegelschen Rechtsphilosophie einander gegenüber, sondern versucht eine knappe Gesamtdarstellung der Konzeption Hegels. Die kritische Würdigung der Sekundärliteratur verfolgt vor allem das Ziel, Mißdeutungen offenzulegen sowie die textimmanenfe Interpretation des Hegelschen Ansatzes zu stützen. Während der äußerliche strukturelle Aufbau der Grundlinien der Philosophie des Rechts mit der Dreiteilung: abstraktes Recht, Moralität, Sittlichkeit von der
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KANTischen Unterscheidung zwischen Moralität und Legalität, der ARISTOTELISchen Entgegensetzung von Poiesis und Praxis sowie vor allem der Opposition zwischen dem politischen Recht der Alten und der Modernen geprägt ist, läßt sich nach PLANTY-BONJOUR zudem eine Abfolge von vier „Instanzen" nachweisen, denen jeweils spezifische Bestimmungen des Menschen entsprechen; dem ,Rechtszustand' der Mensch als freie Person, der ,Moral' der Mensch als Subjekt, der ,bürgerlichen Gesellschaft' der ,Bourgeois'. Schließlich in der höchsten Instanz des objektiven Geistes, im Staat, tritt der Mensch als ,Citoyen' hervor. Sofern dieser strukturelle Aufriß mit der von Hegel in der Vorrede der Grundlinien proklamierten — und von PLANTY-BONJOUR durchaus normativ aufgefaßten — geschichtlichen Realisierung des Vernünftigen verknüpft wird, ergibt sich eine komplizierte Vermittlung des Naturrechts mit dem positiven Recht wie auch des Partikularwillens mit dem Allgemeinwillen. Die Koexistenz vom kontradiktorischen Momenten in der geschichtlichen geistigen Welt macht auch nach Hegel Konflikte unvermeidlich, die die Frage nach der Legitimierung von Gewalt aufwerfen. Ähnlich wie bei HOBBES kann nur der Staat im Naturzustand einen Krieg aller gegen alle verhindern und so die Entfaltung der Rechte des Individuums garantieren. Die aus der Begierde erwachsene Arbeit wie das Phänomen der Anerkennung führen schließlich zur Ausbildung der Gesellschaft wie des Staates, wobei die äußerlichen Zwangsmechanismen im Zuge der geschichtlichen Entwicklung vom Heroenzeitalter bis zum modernen ,Vernunftstaat' immer weiter zurücktreten müssen, da die unvermeidliche sichtbare Gewalt niemals das substantielle Prinzip eines Staates ausmachen kann. Jedoch verbleiben auch die modernen Staaten als souveräne Individuen untereinander quasi im Naturzustand; nur eine abstrakte moralische Verpflichtung zum zwischenstaatlichen Ausgleich und nur ein freiwilliges Einverständnis zu einem Staatenbund sind möglich, so daß in dieser labilen Konstellation jeder Konfliktfall eine kriegerische Auseinandersetzung nach sich ziehen kann. Der Krieg ist somit nach Hegel einerseits nahezu unvermeidlich und andererseits in gewisser Weise für die „Gesundheit" eines Staatswesens auch notwendig, da die Bürger gezwungen werden, von ihren materiellen und privaten Interessen abzusehen und den Staat zu verteidigen. Doch auch innerhalb des Rechtsstaates besteht das Problem der Gewalt, da jede Straftat ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Folgen zugleich das Recht als solches bedroht, der Kriminelle insofern dem Anarchisten gleichzusetzen ist. Erst mit der Strafe wird der kriminelle Akt gesühnt und dadurch aufgehoben (negiert), wodurch auch Würde und Freiheit der kriminellen Person im abstrakten Recht wiederhergestellt werden. Jedoch ist es die Freiheit der Person selbst verbunden mit dem absoluten Recht auf Eigentum, aus der in der bürgerlichen Gesellschaft die Gewalt sowie die sozialen und ökonomischen Mißverhältnisse entspringen. Einer Zerstörung des ,Systems der Bedürfnisse' muß also durch die „Polizei", d. h. durch die Verwaltung, den Beamtenapparat und die Polizei im engeren Sinne unter Wahrung einer möglichst maximalen Freiheit der Person entgegengewirkt werden.
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Auf der staatlichen Ebene schließlich manifestiert sich die Gewalt als Revolution. Wie MACHIAVELLI sieht Hegel zunächst die Notwendigkeit eines jeden Staatswesens, sich gegen gewaltsame Umsturzversuche zu verteidigen, die „Staatsraison" durchzusetzen. Sofern jedoch ein ,bornierter' Staat sich nicht den grundlegenden, im Verborgenen gewachsenen geistigen und gesellschaftlichen Veränderungen anpaßt, kann eine Revolution unvermeidlich werden. Diese muß sich dann auch der Gewalt bedienen, allerdings keinesfalls wie im ,Terreur' der Französischen Revolution, welcher für Hegel nur Ausdruck der selbstzerstörerischen absoluten Freiheit war. Hegels Konzeption des , Vernunftstaates' vermeidet bornierte Erstarrung ebenso wie den Gegensatz zwischen dem „substanziellen Willen" und den Partikularwillen der Individuen; als absoluter Selbstzweck steht er über der Freiheit der Individuen sowie den Interessen der bürgerlichen Gesellschaft und doch negiert er die individuelle Freiheit nicht. Getragen wird der Vernunftstaat durch die sich gegenseitig bedingenden Momente: Verfassung, Gewaltenteilung und fürstliche Gewalt. Die Verfassung als Ausdruck des vernünftigen Willens der staatlichen Macht, welcher keineswegs als Summe aller Individualwillen im Sinne eines ,contrat social' aufzufassen ist, limitiert zugleich die Macht des Fürsten wie das Freiheitsverlangen der Bürger. Zwar kann die Verfassung gemäß den geschichtlichen Wandlungen durch die legislative Gewalt im Einzelnen modifiziert werden, die mit dem Vernunftstaat selbst gleichbedeutende Gesamtheit der Verfassung ist jedoch invariabel, sie „gibt sich selbst". Anknüpfend an MONTESQIEU sieht auch Hegel für den Verfassungsstaat eine Aufteilung der Staatsgewalt in Legislative, Regierungsmacht und fürstliche Gewalt vor. Das Verhältnis der Gewalten zueinander beschreibt Hegel in Analogie zum Syllogismus; Die Legislative entspricht dem Moment des Allgemeinen, weshalb ihr in der Hierarchie der Gewalten eine gewisse Führungsposition zukommt; der Regierungsgewalt kommt das Moment des Besonderen und der fürstlichen Gewalt das des Einzelnen zu. Eine wichtige Mittlerfunktion zwischen den spezifischen ökonomischen Interessen der bürgerlichen Gesellschaft und dem auf das Gemeinwohl verpflichteten Staat übernehmen die Ständevertretungen; eine direkte Demokratie dagegen schließt Hegel aus. Zwar betont Hegel hinsichtlich der Ausführung der Gesetze die Bedeutung des Beamtenapparates, doch dieser übernimmt ausschließlich Ordnungs- und Subsumtionsfunktionen und wird seinerseits von den anderen Gewalten kontrolliert. Ein „preußischer Polizeistaat" ist mit dieser Konzeption durchaus nicht vorweggenommen. Das , einigende Band' einer staatlichen Gemeinschaft wird durch die Erbmonarchie gestiftet, welche Hegel gegenüber der Wahlmonarchie favorisiert, da in einer konstitutionellen Monarchie die Person des Monarchen recht bedeutungslos ist und nur in einem schlecht organisierten Staat zum Problem werden könne. Die Entscheidung des Monarchen ist in praktischer Hinsicht „grundlos", d. h. keinerlei äußeren Einflüssen unterworfen, obgleich für den Inhalt einer solchen Entscheidung nur die Berater des Fürsten — nicht dieser selbst — verantwortlich sind.
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PLANTY-BONJOURS Analysen der Rechtsphilosophie wie auch der Phänomenologie des Geistes werden hinsichtlich ihres Umfanges deutlich von der Erörterung der Religionsproblematik bei Hegel übertroffen, worin man einen Indikator für den außerordentlichen systematischen Stellenwert, den die Religionsthematik in PLANTY-BONJOURS Hegel-Deutung einnimmt, erkennen kann. So sind etwa die Divergenzen zwischen „Rechts-" und „Linkshegelianismus" weit weniger in unterschiedlichen Auslegungen der Hegelschen Rechtsphilosophie als vielmehr der Religionsphilosophie manifestiert. In einem ersten Schritt zeichnet PLANTY-BONJOUR die Entwicklung von der am Ideal einer „Volksreligion" orientierten „theologischen Phase" des jungen Hegel über die Kritik an der Positivität der Religion in Bern sowie der positiven Aufnahme der , natürlichen Religion' bis hin zur Zuwendung zu einer geoffenbarten Religion in Jena nach. Der Begriff der Offenbarung ist kennzeichnend für die absolute, d. h. christliche Religion. Die Produktion der Natur macht eine erste Form der Offenbarung aus, doch erweist sich die Offenbarung wesentlich als eine „Gabe Gottes an den Geist des Menschen". Eine Annäherung zu einem spekulativ gefaßten Gottesbegriff gewinnt Hegel mit der „Dialektisierung" der überlieferten Beweise der Existenz Gottes. Da der wahre Gott nur sich selbst offenbart, handelt es sich keineswegs um Beweise im eigentlichen Sinne, doch können der kosmologische und der teleologische Beweis den Übergang des Endlichen zum Unendlichen in Form einer ,Erhebung' aufweisen, wobei beide Beweise bestimmten religionsgeschichtlichen Epochen zugewiesen werden. Der im Wesen des Christentums wurzelnde ontologische Beweis unterscheidet sich qualitativ von den ersteren, da er nicht vom endlichen Seienden, sondern von der Natur Gottes selbst ausgeht. Zwar faßt Hegel gegen KANT Sein als reales Prädikat auf, doch bedeutet dies angesichts des Gottesbegriffs doch nur ein „esse in idea", nicht ein „esse in re". So stellt auch der ontologische Gottesbeweis nicht einen Beweis im Sinne der klassischen Logik dar, sondern er dient eher einer theologischen Explikation des Gottesbegriffs, nach welcher die dialektische Selbstdifferenzierung Gottes zu dem vom Gottesbegriff noch differenten Sein führt und Gottes „Aktuosität" manifestiert. Gegen JACOBI auf der einen und KANT auf der anderen Seite plädiert Hegel für die Möglichkeit einer spekulativen Gotteserkenntnis. Diese muß jedoch, um den Anthropomorphismus zu vermeiden, Gott seiner „inneren Natur nach" explizieren; sie darf dem Gottesbegriff keine dem bloß menschlichen Verstand gemäßen Prädikate beilegen, sondern muß die irreduziblen Gegensätze der Bestimmungen Gottes als kontradiktorisch gestaltete Wahrheit aufnehmen. Einen Zugang zum Wesen Gottes gewinnt daher nicht die Vernunftreligion; allein die christliche Trinitätslehre begreift die in der Offenbarung gegebene „Selbstdarstellung" Gottes; Gott als das Moment des Allgemeinen ist Herr der Welt, in welche das Moment der Besonderheit durch den Sohn und die Inkarnation tritt; der Heilige Geist, das Moment des Einzelnen führt schließlich die Glaubenden in das Reich des Vaters. Zwar verbindet auch Hegel den Gottesbegriff mit dem der Personalität, doch kann diese wie in der Wissenschaft der Logik das Absolute die Gegensätze in voll-
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endeter Form bewahren. Der eine, an- und für-sich-seiende persönliche Gott führt wie im Judentum und Islam zu einer Religion der Knechtschaft und Unfreiheit. Der von HEIDEGGER erhobene Vorwurf, Hegels Philosophie bewege sich wegen des Ausgangs beim Sein und der Vernachlässigung der „ontologischen Differenz" auf dem Boden der traditionellen „Onto-theo-logie", wird von PLANTY-BONJOUR mit dem Hinweis abgewiesen, daß gerade die Hegelsche Kritik an der Abstraktheit des ,ens realissimum' einen radikalen Bruch mit der Tradition anzeige. Die „Logisation" des traditionellen Seinsbegriffs in der Wissenschaft der Logik zielt nach PLANTY-BONJOUR gerade darauf, eine „Ontologisation" des realen Seins unmöglich zu machen. Hinsichtlich der Geschaffenheit der Welt nähert sich Hegel in gewisser Weise dem Pantheismus, von dem er sich jedoch zugleich abzusetzen sucht. Die Welt entsteht durch eine „ursprüngliche Teilung", in welcher Gott „sich bestimmt", indem er sich endlich macht. Die Notwendigkeit der an sich kontingenten Welt rührt also nur von Gott her, der sich in dem freien Schöpfungsakt entläßt, um sich mitzuteilen und die freie Intentionalität des Menschen auf sich zu ermöglichen. Einerseits muß die Sphäre der Religion als des absoluten Geistes gegenüber dem Staat als eine grundlegendere aufgefaßt werden, doch andererseits können Kunst, Religion und Philosophie sich nur in ihrer Beziehung auf den objektiven Geist vollenden. Eine unmittelbare, positive Einheit von Staat und Religion ist allerdings nur in dem von dem jungen Hegel mit HöLDERLIN geteilten Ideal einer ,Volksreligion' der (idealisierten) liberalen attischen Polis gegeben. Wegen der von Hegel insbesondere für das Deutsche Reich nach der Reformation konstatierten wechselseitigen Korrumption von Staat und positiver Religion plädiert Hegel schon ab 1785 für eine eindeutige Trennung beider Sphären. Hinsichtlich der protestantischen Religion wird diese Trennung insoweit abgemildert, daß der Staat sich nicht in die , inneren Angelegenheiten' der Kirche einmischen soll, deren Herrschaftsanspruch aber eingrenzen, z. B. eine von der Kirche unabhängige Erziehung garantieren muß. Im „protestantischen Staat" wird so ein Zusammenbestehen von Staat und Religion möglich, in welchem jener der Religion Wirklichkeit verleiht, diese aber dem Staat die , Gesinnung', so daß eine Spaltung zwischen religiöser und staatsbürgerlicher Gesinnung im Individuum vermieden werden kann. Da nach Hegel das Absolute sich in der Kunst in der Form der unmittelbaren Anschauung, in der Religion als Vorstellung und in der Philosophie als begriffliches Denken manifestiert, ergibt sich ein außerordentlich enger Zusammenhang zwischen Kunst und Religion, welcher besonders im Übergangsstadium zwischen der Naturreligion und der geoffenbarten Religion an der „Kunstreligion" erfahrbar wird. Diese konnte sich allein im antiken Griechenland als Verkörperung der ethischen Substanz der Polis in einer perfekten Entsprechung von Form und Inhalt etablieren. Mit dem Auftreten der geoffenbarten christlichen Religion tritt die Bedeutung der Kunst, welche jederzeit an die Sinnlichkeit gebunden bleibt und somit nur in beschränkter Weise das Absolute ausdrücken kann, zu-
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rück. Die Rede vom „Ende der Kunst" meint aber nur den Verlust ihrer „höchsten Möglichkeit", nicht das Ende künstlerischer Tätigkeit. Mit diesem Wechsel der Rangfolge geht zugleich eine wachsende Selbständigkeit der Kunst einher, wenngleich auch in der Moderne der Gegenstand der Kunst kein beliebiger wird. Gemäß der reziproken Verbindung von Philosophie und Religion spricht die Philosophie die religiöse Wahrheit „in Wahrheit", d. h. in Form der begrifflichen Erkenntnis des Absoluten, aus, welche damit aus ihrer — im Rahmen der Religion unaufhebbaren — „Hülle" der sinnlichen Vorstellung befreit wird. Auch wenn sich der Inhalt der Philosophie der Religion entlehnt, handelt es sich nicht exakt um denselben Inhalt, da die Philosophie neben der Religion als eigene Domänen auch die Kosmologie und die Psychologie umfaßt. Die Möglichkeit einer universellen und vernünftigen religiösen Vorstellung wie auch der begrifflichen Erfassung des Absoluten durch die philosophische Spekulation liegt nach PLANTY-BONjouRS Hegel-Deutung darin begründet, daß die göttliche Offenbarung sich im Bereich des Gedankens abspielt und somit eine Gleichheit zwischen menschlicher und göttlicher Vernunft hergestellt ist. — Wenn PLANTY-BONJOUR allerdings am Ende seiner Untersuchung gegen die vermeintliche Aufhebung der chrisflichen Religion in der Philosophie bei Hegel aufgrund seiner Nähe zum Protestantismus die umgekehrte Aufhebung der Philosophie in der chrisflichen Religion geltend macht und Hegel in diesem Zusammenhang eine „Unterschätzung der menschlichen Vernunft" vorwirft, erhebt sich doch die Frage, ob eine solche Auslegung nicht die religiöse Dimension in Hegels Werk in problematischer Weise überakzentuiert. PLANTY-BONJOURS Arbeit ist geprägt von der Absicht, Hegels „Projekt" als ein Ganzes darzustellen; es versteht sich daher nahezu von selbst, daß seine Untersuchungen im Einzelnen nicht neue Forschungsergebnisse zutage fördern. Auch die Aufarbeifung der Forschungsliterafur beschränkt sich auf relativ wenige, in den von PLANTY-BONJOUR berührten Diskussionszusammenhängen unbedingt zu berücksichtigende Arbeiten. Eine solche quasi „Hegel-immanente" Interpretation hat den Vorzug, die entscheidenden philosophischen Thematiken nicht im Zuge der Behandlung der kaum noch abschätzbaren Sekundärliteratur zu verschütten. Ebenso erscheint es durchaus sinnvoll, den immer mehr ins Detail gehenden Forschungsansätzen den Versuch einer Gesamtdeutung gegenüberzustellen. Eine derartige Gesamtdarstellung muß sich naturgemäß auf wenige jedoch zentrale Problembereiche beschränken; auch dies kann PLANTY-BONJOURS Arbeit für sich beanspruchen. Fraglich bleibt allerdings, ob es überhaupt möglich ist, das „Projekt" Hegels als eine einheitliche philosophische Konzeption darzustellen. In diesem Zusammenhang müßte auch die geschichtliche Entwicklung im Denken Hegels noch stärker berücksichtigt werden, als dies bei PLANTY-BONJOUR der Fall ist, so daß man vielleicht eher von einem „Denkweg" als von einem „Projekt" sprechen sollte. Hinsichtlich der von PLANTY-BONJOUR herausgestellten leitenden Motive im Denken Hegels erscheint doch die Überbetonung der religiösen Thematik problematisch;
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auch in dieser Hinsicht würde eine entwicklungsgeschichtliche Differenzierung sich als fruchtbar erweisen. Die einzelnen Kapitel in PLANTY-BONJOURS Untersuchung bleiben zudem mit ihren je spezifischen Themenkreisen recht unvermittelt nebeneinander stehen; es scheint, als würde Hegels Werk von jeweils unterschiedlichen Perspektiven „beleuchtet". Allerdings hätte das leider nicht mehr ausgeführte Kapitel „Die Wissenschaft der Logik als dialektischer Widerspruch" möglicherweise als ,einigendes Band' fungieren können, zumal der dialektischen Methode Hegels in jedem der anderen Kapitel eine entscheidende Bedeutung zugemessen wird. — GUY PLANTY-BONJOUR hat sich bereits seit Ende der 60er Jahre in zahlreichen Veröffentlichungen insbesondere den Themen der Hegelschen Rechtsphilosophie sowie den Problemen ihrer politischen Relevanz und Aktualität angenommen. Sein besonderes Interesse galt dabei den philosophischen und politischen Entwicklungen auf dem Gebiet der damaligen U. d. S. S. R., was u. a. durch seine 1974 erschienene umfangreiche Abhandlung Hegel et la pensee philosophique en Russie 1830—1917 belegt wird. Daneben hat PLANTY-BONJOUR als Übersetzer wichtige Arbeiten aus Hegels Jenaer Periode der Eorschung in Frankreich zugänglich gemacht. Als Direktor des 1970 gegründeten Centre de Recherche et de Documentation sur Hegel et MARX in Poitiers ermöglichte er die Durchführung zahlreicher Tagungen über nahezu das gesamte Spektrum der Hegelschen Philosophie, deren Ergebnisse unter seiner Leitung zusammengefaßt und in Sammelbänden der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Der wissenschaftliche Austausch zwischen dem Centre de Recherche in Poitiers und dem Hegel-Archiv der Ruhr-Universität Bochum konnte mit der Durchführung gemeinsamer Tagungen 1984 in Bochum und 1986 in Poitiers bedeutend vertieft werden. Aus diesen Tagungen sind der Sammelband Hegels Rechtsphilosophie im Zusammenhang der europäischen Verfassungsgeschichte (1986) sowie der Band Logik und Geschichte in Hegels System (1989), bei welchem PLANTY-BONJOUR als Mitherausgeber fungierte, hervorgegangen. Mit GUY PLANTY-BONJOUR verlor nicht nur das Hegel-Archiv einen wichtigen Dialogpartner, sondern auch die kritische Hegel-Forschung einen ihrer bedeutenden Förderer. Dietmar Köhler (Bochum)
Livia Bignami: Concetto e compito della filosofia in Hegel. Trento: Pubblicazi-
oni di Verifiche 1990. 221 S. Da Hegel seit den späten Jenaer Jahren der Philosophie die höchste Stufe in seinem System zuschreibt, ist es um so erstaunlicher, daß der Begriff der Philosophie in seinen Jugendschriften kaum erwähnt wird, es sei denn, um kritisiert zu
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werden. Aus dieser zunächst merkwürdigen Tatsache ergeben sich drei Fragen: a) nach den Begriffen, welche die später der Philosophie vorbehaltene Funktion in der ersten Phase von Hegels Denken übernehmen; b) nach den konzeptuellen Eigenschaften, die den Begriff der Philosophie kennzeichnen; c) nach den Gründen, die Hegel zu dieser gravierenden Umformung seiner ersten Systementwürfe veranlaßten. Mit den ersten beiden Fragen befaßt sich LIVIA BIGNAMI in ihrer interessanten Untersuchung über Begriff und Aufgabe der Philosophie bei Hegel. Ausgehend von einer sorgfältigen Analyse von Hegels Texten und einer umfangreichen Kenntnis der Sekundärliteratur (insbesondere in deutscher und italienischer Sprache), rekonstruiert die Autorin zunächst den konzeptuellen Gehalt der Begriffe, denen in den Schriften aus den Berner und Frankfurter Jahren die Aufgabe zukommt, die für die moderne Denkweise typische „Spaltung" von Individuum und Gesellschaft, Natur und Verstand, Gott und Welt usw. aufzuheben, um dadurch jene „Vereinigung" wiederherzustellen, die durch den Zerfall der antiken Sittlichkeit verlorengegangen war (23 ff). Unter den Bezeichnungen „Liebe", „Religion", „Glaube" und „Schönheit" verbergen sich daher Hegels erste Versuche, das Absolute und seine Erscheinungen begrifflich zusammenzuführen. Durch die Formulierung dieser Konzepte arbeitet er jedoch auch bereits Elemente seiner späteren „spekulativen" Philosophieauffassung heraus. Trotz inhaltlicher Vorgriffe wird die Aufgabe der „Vereinigung" dennoch erst seit der Jenaer Zeit mit dem Philosophiebegriff gleichgesetzt, wobei die „Aufgaben der Philosophie" von einem Systementwurf zum nächsten immer deutlicher skizziert werden. Dennoch glaubt die Autorin, einen Bruch in dieser Entwicklung entdecken zu können: Erst in der Phänomenologie des Geistes und in der späteren Wissenschaft der Logik werde die Philosophie als „Wissenschaft" dargestellt, nämlich als konzeptuelles Verständnis der Wirklichkeit, dessen spezifische Methode die Dialektik sei (109 ff). Aufgrund dieser nunmehr soliden begrifflichen Voraussetzungen könne Hegel endlich ein philosophisches System des Wissens ausarbeiten, in dessen „Kreis von Kreisen" die Philosophie nicht nur den Gipfel, sondern gar das Wesen der gesamten konzeptuellen Entfaltung darstelle (147 ff). Während BIGNAMI umfangreiches Material zum besseren Verständnis sowohl der Frage nach dem Hegelschen Philosophiebegriff als auch derjenigen nach dessen nicht direkt philosophischen Antizipationen liefert, bleibt die dritte der oben gestellten Fragen — nämlich jene nach den Gründen dieses Übergangs — aus der Untersuchung leider ausgeschlossen. Infolge ihrer Bemühung, jegliches heteronome, d. h. nicht-philosophische Deutungsmuster in ihrer Interpretation zu vermeiden, läuft die Autorin jedoch Gefahr, ins andere Extrem zu fallen: Der philosophische Diskurs neigt nämlich dazu, sich ausschließlich auf sich selbst zu beziehen, indem er jegliches Verhältnis zur sozio-politischen Wirklichkeit abweist. Möglich wird jedoch die Einsicht in die Gründe dafür, daß die Philosophie später eine zentrale Stellung einnimmt, erst aufgrund einer sorgfältigen Untersuchung von Hegels Versuchen, eine auch durch die sozio-politische Dimension bereicherte „Vereinigung" zu entwerfen, bzw. von deren wenigstens partiellem Scheitern. Diesbezüglich könnten — und sollten wahrscheinhch — mehrere Texte (bei-
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spielsweise einige Berner und Frankfurter Fragmente sowie das System der Sittlichkeit) nicht so sehr als Vorwegnahme der späteren Entwicklung, sondern vielmehr als Fiinweis auf einen weiteren, alternativen Weg zur „Vereinigung" verstanden werden, welcher jedoch später aus Gründen, die im Mittelpunkt einer angemessenen Untersuchung zu diskutieren wären, von Hegel aufgegeben wurde. Die methodische Einschränkung BIGNAMIS führt sie somit an mehreren Stellen zu einer tendenziellen interpretatorischen Einseitigkeit oder gar Unvollständigkeit (besonders deutlich 49 ff und 98). Nichtsdestotrotz ist ihre Untersuchung schon aufgrund der Sorgfalt der Analyse und der klaren konzeptuellen Interpretationslinie als ein durchaus origineller Beitrag zur Hegel-Forschung zu bewerten, der von allen, auch den nicht-italienischen Wissenschaftlern, die sich mit der Rolle der Philosophie in Hegels systematischem Entwurf befassen, zur Kenntnis genommen werden sollte. Sergio Dellavalle (Berlin/Turin)
Valerio Verra: Letture hegeliane. Idea, natura e storia. Bologna: II Mulino
1992. 226 S. legt mit diesem Band in gesammelter Form fast alle seine Aufsätze zu Hegel vor, die bisher nur verstreut zugänglich waren. Obwohl diese Aufsätze verschiedenen Inhalts sind und zu verschiedenen Zeiten (von 1970 bis 1990) verfaßt wurden, läßt ein aufmerksames Lesen deutlich erkennen, daß sie viele Annäherungen zu einigen Leitgedanken und Hauptproblemen darstellen, von denen sich der Verfasser in seinen Untersuchungen offensichtlich immer wieder führen läßt. Im ersten Beitrag über die Erinnerung setzt sich VERRA zwar anfangs mit H. MARCUSE (Hegels Ontologie und die Theorie der Geschichtlichkeit) und E. BLOCH (Hegel und die Anamnesis; contra Bann der Anamnesis) auseinander, bevorzugt aber die Analyse einiger Hegelscher Texte, von Jena bis zur letzten Auflage der Enzyklopädie aus einem geschichtlich-genetischen Standpunkt: Das Ergebnis ist ein Abriß der Hegelschen Theorie der Seele. Wahrscheinlich in bezug auf BLOCHS Aufsatz betont VERRA, daß die Hegelsche Rede über die Erinnerung in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie zwar in Kontinuität zu PLATONS Anamnesislehre steht, aber auch kritische Bemerkungen enthält in bezug auf die Vermischung zwischen dem reinen Denken und der Vorstellung (besonders in der Auffassung der Erinnerung als Gedächtnis eines vorherigen Lebens), die es nach Hegel zu vermeiden gilt. Hegel selbst führt den Unterschied zwischen „Gedächtnis" und „Erinnerung" erst in den Entwürfen 1805—1806 ein, und nicht vorher: er trifft die Wahl bewußt, um eine Vermischung zwischen reinen und psychologischen EieVALERIO VERRA
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menten zu vermeiden. In den Fußnoten bemerkt VERRA dazu, daß eine ähnliche Kritik an PLATON auch F. SCHLEGEL ausgearbeitet hatte (31—32). Für Hegel entfaltet die „Nacht" der Erinnerung ihren Wert im Bestehen des Ichs als „Aneignung" des Objekts, das schon durch eine unmittelbare Anschauung in dem Ich enthalten ist. In dieser Bewußtseinstätigkeit des „Ergreifens" wird zugleich das Selbst begründet und verstanden. Im Rahmen dieser zwei Tätigkeiten geschieht auf unbewußte Weise die „Synthese des Ichs und seines Inhalts" (18). Um diese Synthese nach außen zu kehren, bezieht Hegel sich auf die Sprache, die das wahre „Sein" des Geistes ist. Die Sprache wird auf das Gedächtnis festgelegt und so aus einer willkürlichen Konvention herausgelöst. Diese Bewegung ist schon die „Verallgemeinerung und Aufhebung der Anschauung", entspricht also dem „Reich von Bildern" (vgl. GW 8. 190) und einer endgültigen Begründung des Geistes (20). Auf den letzten Seiten setzt VERRA bei der Verbindung zwischen Erinnerung und Bildung an: Die Erinnerung und die Bildung holen wieder das in den Geist, was in der Natur schon aufgefunden worden isf (36—40). In dem vorliegenden Band wird Hegel stefs in die Debatte seiner Zeit eingebunden. Der Verfasser zögert nicht, wo es notwendig ist, geschichtliche Hinweise und Aufklärung zu geben. Zum Beispiel beginnt der Aufsatz über Mathematik und Philosophie bei Hegel mit einer kurzen Darstellung der Debatte über die mathematische Methode in Deutschland vor KANT (43—46). VERRA verzeichnet eine erweiterte geschichtlich-kritische Betrachtung des PYTHAGORismus in der zweiten Auflage der Wissenschaft der Logik und betont, daß die PYTHAGORäer im Vergleich zur ersten Auflage die reinen Begriffe der Zahlen mit qualitativen Kategorien überwunden haben (46—48). Der Vorwurf von Hegel trifft nicht nur die Identifizierung zwischen Philosophie und Mathematik bzw. die Reduzierung der Philosophie auf calculemus, sondern auch die Verwendung einer mathemafischen Methode in der Philosophie. In diese Auseinandersetzung schließt er neben LEIBNIZ und der WoLFFschen Schule auch SPINOZA, KANT und SCHELLING ein. Auch der Beweis ist für Hegel, wie bei JACOBI, keine angemessene Mefhode, um zur Idee zu gelangen (48—50). Aber die Mathematik in sich selbst, ohne Anwendung auf die Philosophie, hat Ergebnisse in dem Feld der Unendlichkeit erreicht. Diese Ergebnisse sind außerdem wichtiger als die, welche die moderne Philosophie in diesem Bereich erlangt hat. Die Hauptrolle, die die Infinitesimalrechnung spielt, ist dennoch im Exkurs der Wissenschaft der Logik nicht abgegrenzt. Sie erweitert ihre Wirkungen in der Formulierung sowohl des Problems des qualitativen Unterschieds zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit, als auch der KANTischen Frage nach dem intensiven Bewußtsein. Nach VERRA muß man die ganze Erörterung zur Mathematik als Kritik der quantitativen Unendlichkeit und des Progresses ad libitum der modernen Philosophie auffassen. Nur SPINOZA, durch die Unterscheidung der Unendlichkeit von Verstandes und Einbildungskraft, und die Infinitesimalrechnung haben eine richtige Stellung zur qualitativen Unendlichkeit qua inneres Verhältnis gefunden. VERRA beschäffigf sich mif der Unendlichkeit und der Mathematik ebenfalls in einem anderen Aufsatz (Das Unendliche in der Vernunft). Hier skizziert er ei-
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ne Rekonstruktion der romantischen Herkunft des Problems der Unendlichkeit der Vernunft und seines Ursprungs bei KANT (113 ff). Noch einmal geht er auf die geschichtliche Abhängigkeit des Unendlichkeitsproblems bei Hegel ein, aber nicht von kosmologischen Anwendungen her, sondern von den Ergebnissen der neuzeitlichen Philosophie. Während für KANT das Problem der Unendlichkeit noch die kosmologischen Größen betrifft, hat die Unendlichkeit bei Hegel einen rein logischen Wert (118). Die Problematik der Unendlichkeit taucht allerdings auch im Aufsatz „Eins und Vieles" in Hegels Denken auf, da sie in dem Verhältnis zwischen Einheit und Mannigfaltigkeit vorliegt. Durch die Gründung der Einheit kann Hegel von einer Unendlichkeit als Negation des Daseins zu einer solchen als Wiederholung des bestimmten Quantums übergehen: Die Einheit als solche stellt natürlich das Problem einer Mannigfaltigkeit im Rahmen des unmittelbaren Seins dar und begründet die Notwendigkeit zur quantitativen Betrachtung des Seins selbst. Die eigentliche Einheit ist eine Idealisierung durch ein ,Für sich sein'; sie kommt nicht von der Unmittelbarkeit der Erfahrung des Seins selbst, sondern wird von dem antiken Atomismus (158—159; vgl. auch 122) vertreten. Das Eins erfordert, um ideell zu sein, den Gebrauch der Kräfte der Attraktion und Repulsion. Dieser Gebrauch wirft nicht nur geschichtliche Probleme (die Kritik zur KANTischen Auffassung der Materie und der Kräfte und die Auseinandersetzung mit der Theorie SCHELLINGS) auf, sondern auch das Problem der Verwendung der BCräfte selbst, die eine andere und höhere systematische Stellung — die Kategorien der Reflexion — haben. Ein solcher Gebrauch ist von vielen Seiten kritisiert worden (z. B. von K. FISCHER, aber auch von A. VERA), ln der Beschreibung der Gliederung der Einheit in der Wissenschaft der Logik erarbeitet Hegel oberflächlich nur die Begriffe des antiken Atomismus, tiefergehender aber die Begriffe des Parmenides von PLATON. Dies wird besonders deutlich an den entsprechenden Stellen der Jenaer Vorlesungen: Er macht, auch um den Lehren des Parmenides entgegenzutreten, noch einen Unterschied zwischen negativem (oder numerischem) und posihvem Eins. Kurze Hinweise gibt VERRA auch zur Rolle des Zufalls im Atomismus. In diesem Aufsatz, wie bereits in anderen, nimmt die „Gräcophilie" von Hegel (42—43) eine besondere Stellung ein, worauf VERRA mehrmals zurückkommt: in einem anderen Beitrag (Hegel und der antike Skeptizismus: die Rolle der Tropen) ist die Frage des Skeptizismus Gegenstand der Analyse; dies ist für Hegel ein klares Beispiel der Art und Weise, mit der eine Richtung der griechischen Philosophie als ein Moment der Vernunft überhaupt (in diesem Fall als Zerstörung des natürlichen Bewußtseins) betrachtet wird. VERRA erörtert die unterschiedlichen Einschätzungen der Tropen in dem 1802 geschriebenen Skeptizismus-Auisatz und in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Während Hegel in seinem Skeptizismus-Aufsatz die ersten zehn Tropen als eine gegen den Verstand gerichtete Kritik beurteilt, gibt er in seiner Beurteilung in den Berliner Vorlesungen den letzten fünf Tropen den Vorzug (73 ff). Die Überlegungen von VERRA verfolgen den Zweck, die Spannung zwischen den „phänomenologischen" und „logischen"
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Kriterien in der Bestimmung des Skeptizismusproblems (73, 79) herauszustellen. Trotz seiner relativen Selbständigkeit gehört in diesen Problembereich auch der Beitrag über Die Reflexionsbestimmungen in Hegels „Wissenschaft der Logik“. Die Abhandlung muß als eine Aufhellung der Hegelschen Lehre von zwei Begriffen oder „Superkategorien" (129) gedeutet werden: Identität und Differenz. Diese Begriffe werden von der zeitgenössischen Philosophie oft verwendet, jedoch nicht immer korrekt in einem Hegelschen Sinn. Der Ausdruck der Identität in einer Satzform zeigt selbstverständlich, daß diese Identität nicht der Identität des Seins und des Nichts entspricht, sondern eine „relative Identität" der Reflexion in der Sprache von Hegel selbst ist. Eine solche Identität kann sich nicht aus sich selbst heraus begründen, um sich selbst zu bestätigen: sie braucht die Differenz. In diesem Rahmen kann man auch das Verhältnis zwischen Satzform und Tautologie erklären (vgl. 140). Am Ende seiner Textanalyse bemerkt VERRA, daß das Hegelsche Verfahren in der Kritik der Sätze des Denkens nicht seinem gewöhnlichen entspricht, das die spekulativen Gesetze festlegt, und aus denen er die Sätze des Verstandes als negative Seite gewinnt. Hier ist die spekulative Vervollständigung des Verstandes in den Formen des Verstandes selbst durch Sätze, und deshalb ihre Aufhebung, einbezogen (145). Der Band enthält einige Aufsätze, die auf unterschiedliche Weise den Naturbegriff betreffen. Ein Beitrag über die „zweite Natur" (Geschichte und zweite Natur bei Hegel) bezieht sich auf eine Beschreibung der Rolle der Natur in der Geschichte, d. h. generell des Verhältnisses zwischen Natur und Geist. In diesem Zusammenhang weisen die Ausführungen Hegels viele Aspekte auf. Man könnte — wie VERRA es macht — bestimmte Kriterien festlegen: Zwischen Natur und Geschichte gibt es kein einseitiges Kausalverhältnis, sondern eine Korrespondenz. Während die Natur, die dem Wesen entspricht, sich ohne Hindernisse in der Geschichte auf ein „Hervorgehen" der Äußerlichkeit aus der Innerlichkeit stützt, muß der Geist durch harte Arbeit den vollen Ausdruck des Inneren erreichen (85—89). Trotz dieses Unterschieds darf der Geist nicht außerhalb der Bedingungen der Natur stehen und ihnen deswegen nicht zuwiderhandeln. Es gibt zwar eine erste Natur, aus der der Geist befreit ist, aber der Geist muß nach einer letzten Versöhnung mit der Natur streben, nämlich nach einem Wurzelschlagen in der Natur. Das ist eigentlich die zweite Natur, die ihren Ursprung in dem ARisTOTELischen e'xis und in dem Begriff habitudo hat. Diese Natur geht nicht aus Gott hervor, sondern stammt vom Menschen. Sie ist der Unmittelbarkeitsmoment der Geschichte selbst. Überhaupt ist die Natur notwendig für den Geist, weil die Realisierung des Geistes als Begriff nur mit der Entgegensetzung der Natur als Wesen geleistet wird. Aber die Bedeutung der Natur ist auch doppelsinnig; an einer bekannten Stelle der Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie bemerkt Hegel selbst, daß die menschliche ,Natur' zwar auf die Geistigkeit, aber auch auf den Naturzustand verweist (96). Schließlich betont VERRA die Rolle der Leidenschaften und der Unvorsätzlichkeit bei der Gründung der zweiten Natur (96-98).
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Um einer Vertiefung des Naturbegriffs nachzugehen, muß man auf den Aufsatz Dialektik contra Metamorphose zurückgreifen. Hier wendet sich VERRA gegen eine Beurteilung von L. MICHELET, der eine wesentliche Übereinstimmung zwischen GOETHE und Hegel in bezug auf die Naturphilosophie gesehen hat. VERRA führt einige Gründe für eine Entgegensetzung der GoETHESchen Konzeption einer Metamorphose in der Natur gegen die Hegelsche Dialektik an. GOETHE und Hegel sind von unterschiedlichen Interessen für die Natur ausgegangen. Jener wollte die „Reichheit" der Natur rechtfertigen; dieser hingegen ergreift in der Natur den begrifflichen Kern (108). Für Hegel ist die Lehre von der Metamorphose — nach der die verschiedenen natürlichen Gestalten als Veränderung eines einzigen Organismus aufgefaßt werden — eine „einseitige und oberflächliche Auffassung" (104—105) der Natur. Hegel erkennt das Verdienst von GOETHES Beschreibung der Pflanzen an, aber er behauptet auch, daß die Metamorphose nur eine Seite des Prozesses der Pflanzen sei. Diese kann nicht für alle Phänomene, die die Natur betreffen, Erklärungen Vorbringen (z. B. kann sie die Geschlechtlichkeit der Pflanzen nicht ganz erklären). Der wesentliche Unterschied zwischen GOETHE und Hegel besteht auf jeden Fall in dessen spekulativen Begriff der Teleologie. Bei Hegel kann man nicht von einer Vollkommenheit des Lebendigen in sich selbst sprechen (wie in der Lehre der Metamorphose), sondern von einer Selbstzweckmäßigkeit, die in einem Schluß eingeschlossen ist. Das bedeutet, wie VERRA schreibt, daß „nichts in der Natur . . . ein absoluter Zweck ist, sondern ihre Wahrheit dialektisch auf einer höheren begrifflichen Stufe . . . bestimmt wird" (111). Das Thema der Teleologie wird in einer separaten Abhandlung entwickelt (Die Vernünftigkeit der Teleologie bei Hegel), und auch hier handelt es sich um den Gegensatz zur romantischen Naturphilosophie, nach der die Natur als unfähig betrachtet wird, „jenseits der lediglich quantitativen Verhältnisse zu gehen" (208). Nach einem Hinweis auf den Diskussionsstand über Teleologie in Deutschland zur Zeit Hegels und unmittelbar davor nimmt VERRA einige Texte von Hegel aus der Phänomenologie des Geistes über die ,Beobachtung des Organischen' wieder auf. Er betont die Notwendigkeit eines Übergangs von einer mechanischen zu einer teleologischen Erklärung des Lebendigen bei Hegel. Diese Erklärung interpretiert das Bewußtsein durch das „nichtauffassende" und feste Verfahren, das Innere im Äußeren auszudrücken (195). Hegel faßt nicht die Teleologie in dem überlieferten Modell des Kausalverhältnisses auf, sondern als höchsten Moment der Objektivität, des Lebens. Die Objektivität folgt, wie bekannt ist, auf Mechanismus und Chemismus, weshalb sie nicht mehr ein formaler Schluß ist, dessen jeweiliger Moment selbst wieder ein Schluß ist (199—200). VERRA unterstreicht die Rolle des Mittels in der Teleologie, weil sich hier das Problem der „List der Vernunft" anschließt. Die Idee, sich selbst als Ewigkeit zu retten und ihre Zwecke zu verfolgen, führt zu einer Abnutzung der Leidenschaften und der Werkzeuge in der weltlichen Dimension und läßt sie ihren Tribut an die Vorläufigkeit entrichten (205; vgl. 97, 178). In diesem Zusammenhang wird aber beobachtet, daß der Trieb auch eine unbewußte te-
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leologische Tätigkeit ist. Die teleologische Tätigkeit kann nicht — wie Hegel in Enzyklopädie 1830 (§ 360) sagt — als „äußerliche" betrachtet werden, sonst würde der Zweck immer noch zum Mittel entfremdet und niemals erreicht. Diese Bemerkungen VERRAS deuten auf die Teleologie in der Philosophie der Geschichte hin (209—212). Einige Hinweise zum Verhältnis zwischen Teleologie und Idee werden im Aufsatz „Idee" in Hegels System weiter erörtert. Hier werden die Aspekte des teleologischen Problems behandelt, die mit dem Begriff des Lebens verknüpft sind: Das Leben, das als innere Zweckmäßigkeit erklärt wird, ist ein Kreis, der als unmittelbare Idee und als objektiver Begriff der entwickelten Idee vorliegt. Im Leben sind nur die Unterschiede der Idee und ihre Selbsterkenntnis möglich, was bedeutet, daß das Leben die Anschauung der Idee selbst als Unmittelbarkeit und zugleich ein analytisches Verfahren ist. Nur in der Idee erscheint der Charakter der Subjektivität des Lebens. Solche Aspekte werden durch die Erörterung zur Erinnerung ergänzt (vgl. 17—19): Man kann diese Aspekte unter der Formel des Verhältnisses zwischen Philosophie und Leben subsumieren. Was das System überhaupt betrifft, so beschreibt VERRA die verschiedenen Rollen und Bedeutungen der „absoluten Idee", der „logischen Idee", der „göttlichen Idee" und des „Ideals". Er gibt wertvolle Hinweise auf die Rolle der Idee, auch als reines Wort, in der Religion und in der Kunst. Der ganze Aufsatz zeichnet sich durch seine Eignung für die lexikalische Analyse aus. Was die Methode betrifft, so besteht ein zweifelloses Verdienst dieses Buches in der Praxis einer Analyse der Probleme durch die gesamte Hegelsche Produktion, so daß ein einseitiger Annäherungsversuch vermieden wird. In diesem Sinne verwendet der Verfasser die Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie eher auf illustrative und erklärende Weise, als daß er auf den theoretischen Inhalt abzielt. Es werden geschichtliche und terminologische Bemerkungen eingeführt, in denen VERRA sich seiner ganzen Sachkenntnis der deutschen Aufklärung bis zur „GoETHEzeit" bedient. Die Einheit der Methode und der inhaltliche Zusammenhang machen die Geschlossenheit des Bandes aus. Pasqualino Masciarelli (Pisa)
Hans-Friedrich Fulda, Hans Heinz Holz, Detlev Pätzold: Perspektiven auf Hegel. Köln: Dinter 1991. 94 S. (Dialectica minora. 1.) Hegels Transformationen der Metaphysik. Hrsg, von Detlev Pätzold und Arjo Vanderjagt. Köln: Dinter 1991. 129 S. (Dialectica minora. 2.) In den beiden kleinen Sammelbänden wird ein wichtiges Thema in der philosophischen Debatte des 20. Jahrhunderts erörtert — die Frage nach einem angemessenen Verständnis der Philosophie Hegels, insbesondere unter dem Aspekt von
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Sinn und Unsinn einer ,materialistischen Umstülpung'. Gerade für Hegel-Interessenten aus marxistischer Herkunft sollten hieraus wesentliche Aspekte einer notwendig tiefgreifenden Korrektur ihrer bisherigen Hegel-Interpretationen hervorgehen. Von besonderer Brisanz hierfür sind die Argumentationen der beiden Protagonisten des Disputs, HANS FRIEDRICH FULDA und HANS HEINZ HOLZ; dieser Widerstreit füllt, ergänzt von einem Aufsatz von D. PäTZOLD, das Heft Perspektiven auf Hegel. Unter dem Titel Hegels Transformationen der Metaphysik untermauern FULDA und HOLZ ihre Hegel-Interpretationen durch — äußerst unterschiedlich angelegte und daher sehr aufschlußreiche — Einordnungen von Hegels Philosophie in größere philosophiehistorische Zusammenhänge. Der Philosophie Hegels ist durch die weltpolitischen Konstellationen ein eigentümlicher Status zugewachsen. Sie avancierte in den Jahrzehnten des Ost-West-Konfliktes im Felde der Philosophie sowohl zu einem vorzüglichen Zankapfel wie auch zu einem seltsamen geistigen Bindeglied zwischen den Blökken. Das ,ja, aber' vieler Marxisten zu Hegel und das Darauf-Eingehen und Sich-damit-Auseinandersetzen von Hegel-Kennern aus dem westlichen Deutschland und aus dem westlichen Europa schuf einen sicher kleinen, aber nicht völlig zu vernachlässigenden Beitrag dafür, daß die kulturelle Einheit Europas nicht ganz zerriß. Dieses Moment allein wäre schon genug, um es als der Mühe wert zu befinden, jenem Phänomen der so beispiellos umstrittenen Rezeption der Hegelschen Philosophie auf den Grund zu gehen. Den Zugang zu einem der Springpunkte der Kontroverse gewähren die beiden, philosophiehistorische Zusammenhänge entwickelnden Aufsätze Spekulative Logik als die eigentliche Metaphysik — Zu Hegels Verwandlung des neuzeitlichen Metaphysikverständnisses (FULDA) und Hegels Konzeption der eigentlichen Metaphysik (HOLZ). Dabei reflektiert FULDA wesentlich das Verhältnis von Hegel und KANT, HOLZ wesentlich das Verhältnis von Hegels und SPINOZAS Philosophie. Einige bezeichnende Thesen FULDAS, die in ihrer Bedeutung über den Streit um die materialistische , Umkehrbarkeit' Hegels hinausreichen, seien kurz aufgeführt: — „Man verkehrt KANTS metaphysikgeschichtliche Position ins Gegenteil, wenn man sie als diejenige eines großen Infragestellers stilisiert . . . KANT hat vielmehr den Anstoß dazu gegeben, ganz neue, bis dahin unvorstellbar gewesene Hoffnungen in die Metaphysik zu setzen." (2.12). — „Aber auch KANT bleibt dieser unbefriedigenden Auffassung von Metaphysik verhaftet und dehnt sie sogar aus auf den gesamten rationalen Gehalt der praktischen Philosophie." (2.24) — Das Spekulative des Hegelschen Denkens ist „der rigorosesten Erkenntniskritik abgewonnen und insofern über jeden Zweifel erhaben". (2.68) — Hegels spekulative Logik ist „Metaphysik als letzte Philosophie, für welche — am Ende der Philosophie des Geistes — das Logische nicht mehr die Rolle eines bloßen Prädikats im Verhältnis zum Geist als einem dem Denken vorausgesetzten, absoluten Subjekt spielt". (2.20) Anders fällt die von HOLZ vorgenommene Einschätzung aus.
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— Hegel ging es darum, „das Offenbarwerden des Wesens einer Sache oder Substanz als ein Hervorbringen ihrer Wirkungen auf andere in einem sich selbst. . . bestimmenden Prozeß der Weltverhältnisse" zu begreifen; „die Seinsmetaphysik wird zu einer Prozeßmetaphysik, . . . die Logik der zeitlosen Identität des Seins zu einer Logik des Werdens." (2.34) — Nach den Erwägungen von HOLZ, die sich darin zusammenfassen lassen, daß „schließlich Hegel selbst die objektive Gegebenheit der materiellen Gegenstände in der Form des Andersseins der Idee in sein Dialektikkonzept aufgenommen hat", ist es HOLZ „posthegelianisch akzeptabel und nach (Hervorhebungen der Verf.) einer materialistischen Entscheidung der ,Grundfrage der Philosophie' geboten, den gesamten Bereich der gedanklichen, begrifflichen, ideellen Repräsentation als Widerspiegelungen der äußeren Wirklichkeit und schlechthin das Denken als Widerspiegelung des Seins zu verstehen". (1.43) — Es komme darauf an, den ,Begriffs-Fetischismus' zu durchschauen, „den Spiegel-Charakter der Philosophie zu erkennen, die Notwendigkeit des idealistischen Scheins zu durchschauen und das ideelle Ganze wieder in die reelle Bewegung der Wirklichkeit zu überführen". (1.45) Der von beiden Diskutanten benannte Kristallisationspunkt des Streites besteht also vor der Hand in der Frage; „konstruiert die ,Wissenschaft der Logik' die strukturelle Verfassung der Welt" (1.37), was für HOLZ als ausgemacht gilt, oder eben gerade nicht, was FULDA zeigt. Letzterer sieht in HOLZ' „kosmologischer Auffassung vom Gegenstand und Programm der Logik" (1.56) längst vor ihrer materialistischen Umkehrung „so etwas wie eine erste Umkehrung Hegels", „ohne welche die zweite, die materialistische, nicht möglich gewesen wäre". (1.56) FULDA macht geltend, daß HOLZ' Auffassung, in der er Hegel wesentlich mit Blick auf SPINOZA, als SPINOZA-Kritiker und SpiNOZA-Überwinder, liest, „nicht der Entschiedenheit Rechnung trägt, mit der Hegel die KANxische Destruktion der ,vormaligen Metaphysik' fortsetzt". (1.56) Ein angemessenes Verstehen der Hegelschen Philosophie scheint dann und nur dann möglich, wenn man willens ist, Hegel darin ernst zu nehmen, wie er sich selbst verstanden hat und wie sein — wohldokumentierter und nachvollziehbarer — geistiger Werdegang verlaufen ist — als ein Denken mit KANT über KANT hinaus. Anderenfalls ist es überhaupt nicht Hegel, über den reflektiert wird. Die Philosophie KANTS hat nicht zuletzt deswegen für Hegel so fundamentale Bedeutung, weil sie das Prinzip der Freiheit zugrunde legte — ,Das Prinzip der Freiheit ist aufgegangen und hat dem Menschen, der sich selbst als Unendliches faßte, diese unendliche Stärke gegeben. — Dieses gibt den Übergang zur KANTischen Philosophie.' ,Der Standpunkt der KANTischen Philosophie ist das Denken in sich selbst als absolut und konkret, als frei. Letztes zu fassen . . . Für seine Autorität ist nichts Äußeres Autorität.' (Hegel) Es gibt zur von KANT ausgehenden Begründung menschlicher Freiheit — und Freiheit gilt im Deutschen Idealismus als das ,A und O aller Philosophie' — wohl kaum eine radikalere Antipode als LENINS Lehre vom Widerspiegelungscharakter allen Denkens als totale Preisgabe der , KANTischen Autorität' des Geistes, einer Widerspiegelungsauffassung, unter de-
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ren Prämissen der Mensch zum ,PAWLOWschen Hund mit dem Freiheitsreflex' (SARTRE) herabsinken muß. Unbesehen dessen postuliert HOLZ nach wie vor; Es kommt „darauf an, den Spiegel-Charakter der Philosophie zu erkennen". (1.45) Aber genau dieser leninistisch-materialistische Anti-Kantianismus scheint es zu sein, womit er sich eine adäquate Hegel-Rezeption von vorne herein gänzlich verstellt. Gewiß kann HOLZ für seine kosmologisch-spinozianische Hegel-Lesart Hegels eigenen Satz in Anspruch nehmen: ,Entweder Spinozismus oder keine Philosophie'. Allein, es ist dies doch bloß der ,halbe' Hegel, den er damit in den Blick bekommt. Um Hegel zu begreifen, muß man wohl, wie FULDA dies instruktiv argumentierend vorführt, Hegel als Fortsetzer der KANTischen Destruktion der vormaligen Metaphysik auffassen. Es gesellt sich dann zum erwähnten Grundsatz ,Entweder Spinozismus oder keine Philosophie' ein zweiter und mindestens ebenso gewichtiger, der lauten könnte: ,Entweder KANT und FICHTE oder keine Philosophie der Freiheit'. Nur im Zusammendenken beider Gesichtspunkte scheint ein unvoreingenommener Blick auf Hegel möglich. Interessanterweise insishert HOLZ selbst darauf, daß das „Programm LENINS, Hegel materialistisch zu lesen" darauf angelegt sei, „den ganzen Hegel zu verarbeiten und sein Werk nicht nur als Steinbruch" zu behandeln. (1.31) Wie soll diese Ansicht aber mit LENINS eigenen Ausführungen in dessen Konspekt zu Hegels Wissenschaft der Logik vereinbar sein, wo es u. a. heißt: „Blödsinn über das Absolute . . . Ich bemühe mich . . ., Hegel materialistisch zu lesen . . . — d. h. ich lasse den lieben Gott, das Absolute, die reine Idee etc. größtenteils beiseite" — „Der Materialist erhöht das Wissen von der Materie, von der Natur, und wirft Gott und das ihn verteidigende Philosophenpack auf den Misthaufen". (W. I. Lenin: Philosophische Hefte. Berlin 1973. 94) — Soll mit dieser ,Lesart' etwa eine angemessene Hegel-Interpretation vorgenommen werden? Bezeichnenderweise verweist HOLZ auf die allbekannte dogmatische Formel von der vorherzugehenden ,materialistischen Entscheidung der Grundfrage der Philosophie' und nimmt dann in seiner Hegel-Deutung zu der These Zuflucht, daß „das Prinzip der Erzeugung des Hegelschen Systems Hegel selbst verborgen bliebe' (1.44) Die Wahrheit scheint doch eher zu sein, daß es die marxistische Denk-Schule war, welcher die von Hegel mit klarem Bewußtsein unternommene und tiefgründig erläuterte Fort-Denkung bzw. kritische Um-Denkung des KANTischen Denkens weitgehend verborgen blieb, speziell die Destruktion der vormaligen Metaphysik und die Neubegründung menschlicher Freiheit. HOLZ rechnet es nun der Widerspiegelungskonzeption, die er ausdrücklich nur in einem abgeleiteten Sinne „eine erkenntnistheoretische Konzeption" nennt und grundsätzlich als „eine ontologische Struktur oder Formbestimmtheit von Welt" (1.82) charakterisiert, zum Verdienst an, daß sie den KANTischen Dualismus, den „hiatus zwischen der Erfahrungswelt des natürlichen Bewußtseins und der ideellen Einheit strikt vermeide" (1.81). FULDAS Bedenken, daß dieses ,Widerspiegelungsprogramm' letztlich niemals über ein Oszillieren zwischen einem materialistischen Spinozismus und einem Subjekt-Objekt-Dualismus der natürlichen Be-
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wußtseinseinstellung hinauszukommen vermag (1.55), trifft den theoretischen Hauptmangel. Ein solches ,Programm' geht gerade an der eigentlichen philosophischen Leistung des Deutschen Idealismus, am philosophischen Gehalt der Hegelschen Philosophie völlig vorbei. Die vorliegende Kontroverse verdeutlicht in aufschlußreicher Weise die fundamentale Differenz zweier Begründungsversuche menschlicher Freiheit, den des Deutschen Idealismus und den des Marxismus. Gerade auch vor dem Hintergrund immer wieder auftretender Versuche, Hegel und MARX ,in einen Topf' zu werfen, ist dieses Offenkundigwerden einer prinzipiellen Divergenz beider Denkweisen von Gewicht. Nach J. LENSINK (Einige Bemerkungen zu Hegels Begriff des Absoluten) hat die materialistische Perspektive der Umkehrung der Hegelschen Philosophie „ihren Ausgangspunkt eben nicht im Gegenteil vom Geist — d. h. der Materie — sondern in der bewußt-materiellen Lebensaktivität." (2.128) Unter dem Titel Der systematische Ort von ,Natur' in Hegels Philosophie (vgl. 1) versucht D. PäTZOLD darzustellen, wie es Hegel gelingt, „unter strikter Beibehaltung des ,Monismus der Idee' ein Höchstmaß an Realismus zu verwirklichen, indem die realen Gestaltungen der konkreten Natur und des konkreten Geistes nicht als ,Abfall' von der Idee auftreten". (1.75) Eine materialistische Umstülpung riskiere, „die Hegelsche Intention zu verkürzen" (1.76). In seinem Beitrag Hegels Transformation des Substanzbegriffes in der Wissenschaft der Logik (vgl. 2) beschreibt PATZOLD Hegels Bemühen, die ARiSTOTELische Substanzauffassung mit der neuzeitlichen Subjektivitätstheorie zu vereinigen. Daß Hegel Wissenschaft der Logik keine Metaphysik im klassischen Sinne, sondern vielmehr eine ,Metalogik' (2.92) darstellt, ist die These des Beitrags Hegels Entwicklung der logischen Grundprinzipien in der Wissenschaft der Logik von L. FLEISCHHACKER. J. BARTELS (Der neue Subjektbegriff in der Phänomenologie des Geistes; vgl. 2) geht es besonders darum, wie Hegel die Substanz als ein historisches und zugleich als ein sich in sich selbst reflektierendes Subjekt denkt. Wie gründlich Hegel mit den Naturwissenschaften seiner Zeit vertraut war und daß sich seine Kritik häufig gegen die popularisierenden „NEWTONianer, denn gegen NEWTON selbst" (2.60) richtete, macht M. J. PETRY in seinem instruktiven Beitrag Hegels Kritik an Newton (vgl. 2) deutlich. Thomas Grüning/Klaus Vieweg (Jena)
Fiorinda Li Vigni: La dialettica dell'etico. Milano: Edizioni Angelo Guerini e
Associati 1992. 468 S. Dieser Band ist ein Lexikon von Hegels ethisch-politischer Philosophie der Jenaer Zeit. Insbesondere wird die Terminologie von folgenden Schriften unter die Lupe genommen: Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts; System der
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Sittlichkeit; Philosophie des Geistes von 1803/04 und 1805/06. Es werden die gängigen italienischen Übersetzungen benutzt, wobei auch die entsprechenden Stellen des deutschen Originals angegeben werden. Es werden die Textstellen für 52 Begriffe zusammengestellt, die nach sechs Klassen zusammengefaßt werden. Der Grund für die Wahl der 52 Begriffe liegt darin, daß sie nach der Meinung der Autorin den gesamten gedanklichen Komplex von Hegels Jenaer ethisch-politischer Philosophie abdecken. Die Klassen zusammen mit den dazugehörigen Begriffen bilden den Inhalt der folgenden sechs Sektionen des Bandes: I. Sprache (Rede, Bild, Sprache, Gedächtnis, Name, Zeichen); II. Arbeit (Bedürfnis, Begierde, Genuß, Betrug/List, Arbeit, Tausch, Werkzeug); III. Familie (Liebe, Charakter, Kontrakt, Familie, Kind); IV. Recht (Zwang, Vertrag, Verbrechen, Recht, Gesetz, Kampf, Strafe, Besitz, Anerkennung, Herrschaft/Knechtschaft, Naturzustand); V. Sittlichkeit (Konstitution, Verfassung, Sittlichkeit, Regierung, Krieg, Volk, Stand, Staat); VI. Einzelheit-Allgemeinheit (Entäußerung, Kunst, Bildung, Erziehung, Vertrauen, Philosophie, Moralität, Tod, Gehorsam, Furcht, Religion, Aufopferung, Wissen, Tugend, Wille). Während die Sektionen I—V Begriffe enthalten, die sich deutlich auf den Bereich der ethisch-politischen Philosophie beziehen, enthält die letzte Sektion dagegen Begriffe, die eine allgemeine Bedeutung besitzen und sich deshalb auch auf die Begriffe der anderen Sektionen beziehen. Jede Sektion teilt sich in zwei Abschnitte: in dem ersten Abschnitt wird von der Autorin eine kurze Einführung der Sektion vorangestellt, in der die systematische Geltung der dazugehörigen Begriffe in den vier obengenannten Schriften Hegels rekonstruiert wird; in dem zweiten Teil folgt dann das eigentliche Lexikon, also die Sammlung der verschiedenen Textstellen, wo die untersuchten Begriffe Vorkommen. Bei diesem Band handelt es sich zweifelsohne um ein sehr nützliches Arbeitsmittel zur Erforschung von Hegels ethisch-politischem Denken der Jenaer Zeit. Er ermöglicht einen schnellen Zugriff zu einigen der zentralen Themen von Hegels Denken in dieser wichHgen Phase seiner Gedankenentwicklung. Die Zusammenstellung von Textstellen aus vier chronologisch aufeinanderfolgenden Schriften macht außerdem auch eine chronologische Rekonstruktion der Entwicklung von Hegels Jenaer Terminologie und dadurch selbstverständlich auch von seinem damaligen ethisch-politischen Denken möglich. Die Angabe der entsprechenden Seiten in dem deutschen Originaltext macht dieses Werk nicht nur für den italienischen Leser, sondern für jeden Hegel-Forscher benutzbar. Aufgrund dieser gelungenen Zusammenstellung ist also nur zu wünschen, daß auch für die Jenaer Logik und Naturphilosophie eine solche Untersuchung durchgeführt wird. Marco de AngeUs (Bochum)
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Jemen Vis: Ervaringen van het Absolute. De kritiek van de religieuze ervaringen in Hegels Fenomenologie van de geest. Amsterdam: Thesis Publishers 1991. XIV, 320 S. Dieses Buch möchte durch die eingehende Betrachtung sowohl der Momente der religiösen Erfahrung wie der Religionskritik in Hegels Phänomenologie des Geistes die Grundlage einer Theorie der religiösen Begegnung des Absoluten schaffen. In einem kurzen ersten Teil bietet Vis die Entwicklung des Begriffs der Religion bei Hegel in Frankfurt einerseits und andererseits in Jena bis 1806, wobei der Begriff offensichtlich nur mit dem absoluten Sein und nicht mit der ganzen skizzenhaft vorliegenden logischen Gliederung (GW 8. 286) identifiziert wird (55). Der Haupttext paraphrasiert ausführlich die Einleitung des Religionskapitels der Phänomenologie des Geistes. Dabei deutet Vis die Gestalten des Geistes einer Welt schon als Gestalten der Religion oder der Religionskritik. Also werden diejenigen Gestalten, die das Bewußtsein des Geistes in seiner Welt bloß als Hinweis auf die Religion als solche thematisiert, zu solchen Figuren, die schon selbst zum Selbstbewußtsein des Geistes gehörten. Charakteristisch für diese Umdeutung ist eine schwankende Begrifflichkeit, womit Vis die Religion bei Hegel einmal als Bewußtsein des absoluten Wesens, das andere Mal als Selbstbewußtsein desselben bezeichnet. Die für Vis selbst wichtigste Gestalt ist das leere Jenseits der Erscheinung des Verstandes; in dieser Gestalt macht das Bewußtsein für Hegel die Erfahrung des Leeren der Erscheinung des Verstandes oder des dem Bewußtsein Transzendenten. — Für VIS selbst ist aber, wie aus dem Resultat erhellt, diese Leere oder dies Jenseits nicht konstituiert von der Erfahrungsweise des Verstandes, sondern diese Erfahrung ist die religiöse Erfahrung des Schweigens und Empfangens überhaupt (301-302). Nach der Betrachtung des Verstandes entwickelt Vis die Gestalt, die das Unwandelbare des unglücklichen Bewußtseins anzunehmen hat; dabei entgeht es ihm, daß diese Gestalt, entgegen ihren deutlich religiösen Konnotationen, nur der eigene, spontane oder freie Gedanke des Selbstbewußtseins ist, das die Gliederung des Objektivitätsgedankens anvisiert (vgl. GW 9. 124—125 und 130). Die Vernunft ist nach Hegel areligiös (GW9. 363): also entwickelt Vis die Religionskritik, die — versteckt — im Vernunftkapitel zu lesen sei. So entgehen ihm die Redeweisen ,himmlisch' (GW 9. 198—199 und 235—236) und ,göttlich' (GW 9. 203) nicht; ob dies hinreicht, um die areligiöse Vernunft als eine Religionskritik zu betrachten, sei dahingestellt. Im Teil über den Geist analysiert Vis das göttliche Gesetz der Unterwelt in der Sittlichkeit, den Glauben des Himmels der Aufklärung gegenüberstehend und die Religiösität der bloßen Moralität. Wo Hegel die Erfahrungen des Absoluten selbst für sich betrachtet, gerade dort, wo er die Religion selbst in deren verschiedenen Momenten, als Naturrehgion, Kunstreligion und absolute oder geoffenbarte Religion, vorführt, gibt Vis
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überhaupt keinen Kommentar. Hier begnügt er sich mit einer ganz summarischen Betrachtung der Endabsätze der Einleitung des Religionskapitels. Dennoch versucht Vis aus diesen unzureichenden Analysen die Bedeutung der Religion in Beziehung auf die Logizität des in der Phänomenologie sich darstellenden Subjekts zu erschließen (278). Daß die Religion die Mitte in der Phänomenologie ausmacht (284), ist deshalb bloß in dieser Bedeutung anzunehmen, daß sie die mittlere Stelle hält, nicht daß sie, wie Vis dort meint, die Vermittlung von Dasein und Begriff des Geistes durchführt. Inwiefern sie von der Vermittlung des Begriffs mit sich ein- oder ausgeschlossen wird, wäre aber nur aus einer genauen Analyse des absoluten Wissens zu lernen; ebenso, inwiefern die Phänomenologie insgesamt eine Religionskritik ausmacht, dazu wäre die Aufhebung der Religion ins absolute Wissen zu betrachten und nicht einfach auf die Dreiteilung des (enzyklopädischen) absoluten Geistes zu verweisen (284). Im Ganzen gehört diese Arbeit zu den Hegel-Studien, die noch immer sowohl die interne Logik der Phänomenologie wie die Hegelsche Logik aus Jena übergehen möchten. Leider werden so alle systematisch wichtigen Argumentationen entweder ganz ignoriert (vgl. das Fehlen der Arbeiten von DüSING, FULDA, WERNER MARX, CLAESGES) oder als selbstverständlich abgetan (vgl. die Frage des ,Wir', bzw. des ,Für uns' (82—83) und die gedankenlose Rede über die ,Negation' (68—69), wobei die ausführliche Literatur zu diesem Thema selbst nicht zur Kenntnis genommen worden ist). Damit wird Hegel als bloßer Zeitgenosse gelesen, nie als idealistischer Philosoph der nachkantischen Ara betrachtet und selbstverständlich nicht gewürdigt. Vielleicht scheitert somit endgültig, wenn es überhaupt von der Phänomenologie aus möglich wäre, der Versuch einer philosophischen Grundlegung der Erfahrung des Absoluten. L. De Vos (N. F. W. O., Löwen)
Frank-Peter Hansen: Ontologie und Geschichtsphilosophie in Hegels „Lehre vom INesen" der „Wissenschaft der Logik". München, Wien: Profil 1991. XI, 268 S. Nimmt schon der Titel programmatisch die Hauptthese des Autors vorweg, daß zwar die Lehre vom Wesen der Wissenschaft der Logik als eine geschichtsphilosophisch fundierte Ontologie zu deuten sei, so erklärt gleich die Einleitung (1—16), wogegen sich dieser erneute Rekurs auf eine als handlungstheoretisch begründete und daher als objektiv zu haltende Dialektik richten soll. Sieht HANSEN in HEIDEGGERS existential-ontologischer Geschichtstheorie und Zeitlichkeitsanalyse eine kantianisierende Transzendentalontologie, die erkenntnistheoretisch fundiert und daher als solipsistisch und fatalistisch anzusehen ist (1), so wird Hegels logisch-ontologische und geschichtsphilosophische Alternative zu KANT ZU einer
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Art Kritik ante Utteram an der „am weltanschaulichen Seinssinn der Daseinsganzheit orientierte[n] Ursprungsfrage" (2). Diese wird mit Hegels dialektisch konkretem Konzept von Geschichte kontrastiert, deren Zentrum die Widerspruchsbestimmungen in ihrer Objektivität und die Wesenheiten in ihrem aus der Prozessualität geschichtsphilosophisch-praktischer Wirksamkeit resultierenden Materialreichtum bilden (13). Im Mittelpunkt der Analyse stehen die Reflexionsbestimmungen, vornehmlich die der Identität und des Widerspruchs, der Grundbegriff, die Ausführungen über die absolute Beziehung und schließlich die Ausarbeitung der Modalitäten, welche „jene fundamentalen Schlußfolgerungen im Hinblick auf die geschichtsphilosophischen Implikationen einer kritisch gewordenen Ontologie nur deswegen zu ziehen erlauben, weil auch für sie die schon am Wesen erprobte Bedeutung des objektive Bewegung indizierenden Widerspruchs grundlegend bleibt" (14). Gemäß der später an NICOLAI HARTMANN geübten Kritik, nicht „auf dem Gebiete der Modalität" seien „die fundamentalen Entscheidungen der Metaphysik" gefallen, sondern vielmehr „in der Analyse des Wesens" (212), konzentriert sich HANSEN hauptsächlich auf den ersten Abschnitt der Wesenslogik. In einem ersten Teil (17—98), nach einem Exkurs über LUKäCS Theorie des Romans, die auf ihre geschichtstheoretische Tauglichkeit hin geprüft und als Verfalls- bzw. Heilslehre gedeutet wird (19—39), analysiert der Autor Hegels ARISTOTELESrezeption in der Wesens- und Modalargumentation (39—77), die die wahrhafte Geburtsstätte eines folgenschweren Bruches in der Entwicklungsgeschichte des deutschen Idealismus, besonders in bezug auf KANT, bedeutet (46). Anläßlich seiner ARiSTOTELEslektüre in Jena wurde Hegel nach HANSEN auf die geschichtsphilosophische Bedingtheit der Kategorienlehre und auf die notwendige Historizität der Kategorialableitung aufmerksam (40); daher hat Hegel die ARisTOTELische Ontologie „nicht zuletzt unter dem Aspekt der geschichtsphilosophischen Form-Zweck-WirkUchkeitsrelation rezipiert" und aufgrund der wesensanalytischen und modalen Abschnitte der Metaphysik gezeigt, „daß in ihnen vor allem eine den konkreten Wirklichkeitsaspekt der Betätigung akzentuierende Theorie der historischen Bewegung vorliegt" (47). Das zentrale Problem der Tätigkeit, die Betonung der Werkbestimmung und der Wirksamkeit seien schließlich die Zeichen einer Praxisorientierung, die bei Hegel sowie bei ARISTOTELES in einer Präferenz für die Wirklichkeit gegen dem Vorrang des Möglichen mündet, wobei im Grunde die kritisierten PLATO, PYTHAGORAS oder KANT in nuce für den zu kritisierenden HEIDEGGER stehen können. Das nächste Kapitel über Hegels Dialektik der Bewegung anhand von seiner Kritik an ZENONS und KANTS Bewegungsaporien (77—98) macht nochmals deutlich, wie im Rahmen der Diskussion über die Bewegung — bei ZENO unwahr und undenkbar, weil widersprüchlich, bei KANT von der Antithetik der Vernunft bedroht — wieder der zwar von HEIDEGGER indizierte, aber doch von ihm nicht adäquat begriffene „Bruch mif der Tradition des Transzendenfalismus" sich ankündigf, „der nie nach wirklicher, sondern immer nur nach der Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis fragte" (81). Das eigentliche Zentrum der Arbeit Hegt aber in dem zweiten Teil (99—212), der insbesondere die Hauptbestimmungen des ersten Abschnittes der Wesenslo-
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gik behandelt. Mit BLOCH wird die Logik des Wesens wiederum als Organon dialektisch begriffener Geschichte gedeutet (107), welche, mit MARCUSE, die Bewegtheit der Wirklichkeit aufweisen soll (112). Durch die Widerspruchskafegorie sei diese historisch fundierte Ontologie hauptsächlich eine ausgereifte Handlungstheorie (110—111), die die Praxisbestimmung konkreter Entäußerung zu ihrem Repertoire zählt (111) und wo sich das Wesen als tätig-lebendig erweist (ebd.). Wenn alle Reflexionsbestimmungen nach diesem Entwicklungsmodell maßgebend für das Verständnis von Praxis und Bewegung sind, bleibt allerdings die Dialektik des Widerspruchs grundlegend, weil sie erst „den geschichtsphilosophischen Aspekt der Hegelschen Ontologiebearbeitung freilegt" (120). Zwei weitere Kapitel über die Reflexionsbestimmung des Grundes (162—183) und über die absolute Beziehung (183—212) bestätigen die praktisch vermittelte Bewegtheit des Seins an der Tätigkeit des Grundes, wobei die zunächst entäußerungslose Abstraktheit einfacher, unmittelbarer Identität der Modalität des Möglichen entspricht, aber durch die sich aktuell vollziehende Vermittlung des sich entäußernden Fürsichseins eines realen Grundes in dem Modus der Wirklichkeit überführt wird (186). In der expliziten „Stellung gegen den bewußtseinslogischen Apriorismus der Form und dessen Komplement, eine der Bewegungslosigkeit per se verpflichtete, in sich abstrakt ungleichartige Objekt-Welt des unmittelbaren Daseins . . ., macht Hegel den Wirklichkeitsmodus der Bedingung geltend" (196). So spitzt HANSEN seine These noch einmal in der Weise zu, daß durch das dialektische Widerspruchsprinzip Hegels ontologische Logik „eben doch nichts weiter als eine durchgeführte Theorie der Geschichte" sei (205), aufgrund deren die „Frage nach der Bewegung des Seins . . ., wie sonst bei keinem Philosoph vor Hegel, ins Zentrum der philosophischen Wissenschaft" rücke (196). In dem dritten und letzten Teil, der ganz der Modalität der Wirklichkeit gewidmet ist (213—237), würde man trotz der schon oben widergegebenen Kritik an NICOLAI HARTMANNS Hochschätzung der Modalitätsproblematik doch eine ausführlichere Behandlung erwarten. Die kurze Analyse überrascht um so mehr, da HANSEN im Verlauf seiner Arbeit immer wieder auf die zenfrale Bedeutung des WirkUchkeits- und Wirksamkeitsmodus, sowie auf den strafegischen Wert des Werkmodelles hinweist; zudem versichert er im Kapitel selbst, die Modalkategorie der Wirklichkeit stehe „nicht allein im Zentrum der ontologischen Kategorienlehre . . ., sondern [sei] ebensosehr für den begreifenden Nachvollzug der Geschichfsschreibung obligatorisch" (218). Ein Exkurs über JüRGEN ROLLWAGE und NICOLAI HARTMANN, gegen die die Nichtreduzierbarkeit von Hegels Modaltheorie an einem megarischen Argumentationsmodell auch aufgrund Hegels positiver Aufnahme der Unmöglichkeit in seinem Dialektikkonzept festgehalten wird, dient einer Einführung in Hegels Behandlung des Möglichkeitsproblems. Das nur mit sich identische Mögliche ist schon per se das Unmögliche; dies gezeigt zu haben sei „Hegels erstes Verdienst" (221), das zweite bestehe „in dem Nachweis der tatsächlichen inneren Widersprüchlichkeit des Möglichen, zu sein sowohl wie nicht zu sein, und dadurch in den Prozeß der Verwirklichung hinauszutreten" (ebd.). Dieser Prozeß bilde jedenfalls den Focus des Argumentes, demzufol-
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ge das Wirkliche als tätige Entäußerung, Energeia, Produktionsprozeß, Prozeßtotalität thront: ein wahrhaftes Siegel der historischen „Bewegungslehre einer an konkreten Produktionsbestimmungen interessierten Wissenschaft" (226). Für eine eingehende Analyse des komplexen Kapitels der Wissenschaft der Logik über die formellen, realen und absolufen Modalifäten bleiben aber nur wenige Seiten (228—237). Zwar werden auch Verweise auf die Enzyklopädie angeführt, ohne aber die Verschiebungen in dem Argumentationsgang und in dem geänderten systematischen Zusammenhang (etwa die Streichung des Kapitels über das Absolute) zu problematisieren. Nochmals betont HANSEN lediglich die realontologische Bedeutung der Modalität der Wirklichkeit in ihrer sich produktiv manifestierenden Negativität (236) und innerhalb einer „Bewegungsauffassung, für die jegliches ,Gespensferdasein' des bloß Möglichen tilgender Realismus ebenso obligatorisch ist wie die in sich widersprüchliche Dynamik praktischer Entäußerung" (237). Jedoch scheint bei HANSEN das Modalitätsproblem mit der realen Wirklichkeit in der Wissenschaft der Logik bzw. mit der realen Möglichkeit in der Enzyklopädie schon abgeschlossen zu sein. Über das absolut Notwendige mit den Aporien seines Blindseins, über die Differenzen einer absoluten und hchtscheue Kontingenz, über das „Maal" der Endlichkeit und die „Spur" der Andersheit (GWH. 392, 391), wobei die Blindheit des Seins und der Entzug des Wesens zur Sprache kommen, bleibt nichts mehr zu sagen übrig. Aber gerade da wäre die Haltbarkeit der von HANSEN vorgeschlagenen Interpretation zu messen gewesen, insofern die hier ausgelassene Behandlung einer eigenflichen und absoluten Wirklichkeit als radikale Kontingenz und schicksalshafte Notwendigkeit von eminenter geschichtsphilosophischen Relevanz ist. Gabriella Baptist (Roma)
Alfred Schaefer: Der Nihilismus in Hegels Logik. Kommentar und Kritik zu Hegels Wissenschaft der Logik. Berlin: Berlin Verlag Arno Spitz 1992. 168 S. Nach mehreren Veröffentlichungen zu den verschiedensten Themen und Autoren (wie SPINOZA, HUME, SCHOPENHAUER, MARX, STIRNER, NIETZSCHE, LENIN, STALIN, ADORNO) und nach einigen Studien zu Hegels Rechtsphilosophie und über die Wesenslogik setzt sich der Autor mit der Wissenschaß der Logik in der Absicht auseinander, das Lebensband zwischen Philosophie und Nicht-Philosophie nicht durchzuschneiden, wie das ausgewählte Motto von RICCEUR erläutert (6). Im „Vorwort" wird das Unternehmen als ein „Versuch" präsentiert, das „Denken des Nichts", die „Leistung der Vernunft in allen ihren negierenden Modalitäten" durch „kritische Sonden in den Mammutleib der Wissenschaß der Logik" zu untersuchen (7—8). Die darauffolgenden Kapitel („I. Die Sprache des Geistes", 9—12,
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„II. Wahrheit ohne Wirklichkeit", 13—26, „III. Verwissenschaftlichung der Natur", 27—36) legen das interpretatorische Konzept von SCHAEFER dar: Die „Entwertung des Tatsächlichen" und die „Abkehr" von ihm münden bei Hegel in einen sowohl methodischen als auch metaphysischen Nihilismus, da die Dialektik „sich nur auf Begriffe" bezieht und die Wirklichkeit entsinnlicht (23—25, 31). Nach diesen Prämissen wird dann besonders die Wesenslogik als Bewegung ,vom Nichts zu Nichts' behandelt (vgl. „IV. Wesen und Wesenheiten", 37—68, „V. Der Grund", 69—100, „VI. Die Wirklichkeit", 101 — 122). Dabei erhellt, daß aber eigentlich die ganze Logik sich in der Formel „Nichts = Nichts als Prämisse und Schluß" resümieren läßt, indem sie eine Wahrheit ohne Wirklichkeit zustande bringt, da Hegel „das Nichts der realen Beziehungslosigkeit als absolute Reflexion [verehrt], statt über den Realitätsverlust der Spekulation zu erschrecken" (42, 48). Im „Jargon des Geistes" spielt sich die Sphäre des Wesens für SCHAEFER als „ein Kreisen im Nichts der Immaterialität" ab, mit ,,skurrile[n] Anstrengungen, die Selbstgegebenheit und Ursprünglichkeit der Materie aus dem Begriff abzuleiten" (77, 78). Hegels „Vorliebe für das ,Absolute'" (103) wird dann hauptsächlich anhand des Kapitels über die Wirklichkeit dargestellt, wobei aber die ganze Problematik oft zu kurz kommt, auch wegen der diskutablen Eingriffe in die Texte (etwa die unbedachte Parallelisierung von Wissenschaft der Logik und Enzyklopädie, vgl. 101 ff) oder aufgrund von zu schnell gefällten Urteilen (so z. B. apropos des angeblichen Pleonasmus einer ,realen Wirklichkeit', 115). Es ist vermutlich hingegen dadurch bedingt, daß der Autor sich mehrfach auf die Tradition des Marxismus bezieht (vgl. 15, 25, 49, 55, 57 f, 67, 81, 103, 129, 145, 149, 153), wenn es ihm gelingt, einen wenn auch nicht weiter erläuterten Zusammenhang zwischen den modaltheoretischen Bearbeitungen über Zufall und Notwendigkeit und deren geschichtsphilosophischen Hintergrund herzustellen (121), obwohl das aber im Grunde seiner Lektüre der Wesenslogik als methodischer und metaphysischer Nihilismus widerspricht. Der Verweis auf den zusammen mit dem Weltgeist und den Weltereignissen evozierten NAPOLEON wird allerdings im Rahmen von SCHAEFERS ,Klassenjargon' auch gleichzeitig bagatellisiert, indem die Logik selbst unter die Koordinaten eines geschichtlichen Materialismus fällt (vgl. etwa; „das Vorbild der logisch-materiellen Konstruktion [scheint] der sittlich autonome Bürger in seiner Funktion als Kapitalist und Staatsbürger zu sein", 93). Die letzten Kapitel („VII. Der Begriff", 123—140, „VIII. Die Idee", 141 — 152) und das „Nachwort" heben nochmals das Nihilistische an Hegels Logik im Sinne einer Entscheidung gegen das Wirkliche hervor (131 — 133): „Ihr Resultat ist die Wahrheit, aber nicht die Wirklichkeit" (147), die autarchische Wahrheit einer „maßlosen Hybris", „ein Gottesdienst seiner selbst", im Grunde ein wahrhafter „Autismus" (152)! Das Buch wird noch von einigen Zeichnungen abgerundet, deren Zusammenhang mit der Argumentation aber nicht erläutert wird und die deswegen als bloße ,Dekorationen' gelten sollen (vgl. 35, 66, 99, 135). Gabriella Baptist (Roma)
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G. W. F. Hegel: Filosofie als wetenschap. Encyclopedie der filosofische wetenschappen (Heidelberg 1817) §§1—37. Übersetzung und Kommentar von Ad Peperzak. Kampen-Kapellen: Kok Agora & DNB 1991. 167 S. bietet eine glänzende Übersetzung des Vorworts, der Einleitung und des Vorbegriffs der ersfen Version der Enzyklopädie. Nur Kleinigkeifen sind zu korrigieren: Ausgelassen worden ist in dem Ausdruck ,an und für sich' das ,für' (§20, 115), wie ebenso ,durchaus' (§ 5 A, 18); einige Eingriffe, obwohl kenntlich gemacht, scheinen doch nicht nötig (19, 37, 125). Und § 17 A wird ,für sich' als ,an sich' übersetzt (93), sowie §25 ,Satz' durch ,Urteil'. Der Kommentar wird in den Text nach jedem Paragraphen hineingeschachtelt. Dabei leistet PEPERZAK eine wichtige, erste Einführung in Hegels Denken. Gründlich wird herausgestellt, welche Funktion die Enzyklopädie Hegels als Grundriß und Ganzes der grundlegenden Begriffe und Argumentationsformen hat. Hervorragend ist die Analyse der vermutlichen Textgenesis, wie PEPERZAK sie 58 ff über die §§ 12—17 darbietet. Dennoch einiges Fragwürdige aufzuweisen, ist die Aufgabe einer Rezension. Rein historisch ist es unverständlich, wieso Das Seyn erst 1813 und nicht 1812 erschienen sein soll (89 und 96). Vielleicht wird mit,Vorstellung' nicht nur der Empirismus gemeint, sondern auch die Tatsachenphilosophie um 1800 (NICOLAI und PEPERZAK
FRIES).
Inhaltlich schon wichtiger ist das Herausfallen der Begriffsbestimmungen des Maßes und der Idee des Lebens bei der Übersicht der ganzen Logik (109). Im Kommentar zum § 11 wird die Gleichheit (Identität?) der Vernunft mit sich wiederholt, wo Hegel sie nicht in dieser Identitätsfassung herstellt (47). Vielmehr unterstreicht Hegel die Negation und das Anderswerden im Fürsichwerden. Dabei wird auch der Geist passiver als in Hegels Text: Er ist zu sich zurückgekehrt, wo Hegel die Aktivität des Rückkehrens als Wesen des Geistes bestimmt (47—48). Dies hängt vielleicht mit dem Herabsetzen der Philosophie als bloßer Theorie im Gegensatz zur ebenso einseitigen Praxis zusammen (51). PEPERZAK weist zu Recht darauf hin, daß dem Empirismus in dieser Fassung der Enzyklopädie wenig Bedeutung zuerkannt wird; dennoch bleibt er die erste, unmittelbare Negation der ganzen abstrakten Metaphysik. Dieser Empirismus ist zugleich die methodisch konsequente Ausführung der Mefaphysik, sofern diese unwissend, jener aber gezielt das Zufällige selbst als Quelle der Wahrheit faßt. Und gibt nicht gerade die Differenzierung Empirismus-ICANT die beispielhafte Darstellung einer Dialektik, für die jenes zweite Moment doppelt gegliedert ist? Diese Logik wird von PEPERZAK ZU Recht als die Idee bestimmt (66), im Kommentar aber wird sie als weniger gefaßt: Die Logik ist nur Idee, nur ideell (95). Deshalb wird sie vorerst als die alte Ontologie und teilweise die Theologie umfassend betrachtet (50) und nachher auch als Grundlage der Kosmologie und Psychologie (64 und 107) angesehen. Aber diese Logik als Grundlage und nicht als Grund zu interpretieren (61, wie auch in der Übersetzung § 20, 115)), macht eine
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solche Aussage einseitig. Als Grundlage bleibt die Logik bloß gleichgültig gegenüber ihrer eigenen formierenden Aktivität in der Realphilosophie: Indifferent steht sie dann der Zufälligkeit und Willkür gegenüber. Wenn sie als Grund interpretiert wird, kann die Realität der Natur und des Geistes als Begründetes erscheinen. Wichtig dabei ist dann, daß die Logik nicht nur rein und a priori ist (69), sondern ebenso die freie Spontaneität des Denkens darstellt, das zu seiner Bestimmung gerade der Konkretion als Idee bedarf. Mit den Hinweisen auf den schwierigen Status der logischen Idee wird aber der spezifisch Hegelianische Gedanke des spekulativen Begriffs als crux dieses Systems angedeutet. Lu De Vos (Löwen)
Hegel und die Naturwissenschaften. Hrsg, von Michael John Petry. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 1987. 562 S. (Spekulation und Erfahrung. Abt. 11, Bd 2.) Unsere Gegenwart ist durch globale Technisierung und damit durch immense Steigerung unserer Eingriffsmöglichkeiten in die Natur charakterisiert. Die sich daraus ergebende Gefahr einer Zerstörung der für den Menschen notwendigen Welt durch den Menschen selbst bestimmt ausdrücklich oder unausdrücklich das Bewußtsein der Gegenwart. Eine professionell-philosophische Reflexion auf diese Gefahr findet kaum statt. Erst eine solche Reflexion jedoch könnte den vielfach inadäquaten Kategoriengebrauch, der unseren technischen Umgang mit der Natur bestimmt, aufklären und eventuell aufheben. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist eine Auseinandersetzung mit Hegels ebenso reichhaltiger wie komplexer Naturphilosophie, die ein neues Denken der Naturwirklichkeit inauguriert, verdienstvoll. Das eigentliche Verdienst des von M. J. PETRY herausgegebenen Sammelbands Hegel und die Naturwissenschaften liegt indes darin, daß durch die dort vorgetragenen unterschiedlichen Forschungsansätze und -Schwerpunkte die Vielschichtigkeit der Hegelschen Naturphilosophie bekannt gemacht wird. Das Spektrum der angesprochenen Probleme reicht von der Frage nach der Möglichkeit und Realisierung einer apriorisch-spekulativen Naturphilosophie, über die Frage nach der Bedeutung naturwissenschaftlicher Theoriebildungen und Meßergebnisse für Hegels Naturphilosophie selbst, bis hin zur Frage nach der Art der Verarbeitung, die die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu Hegels Zeiten in dessen Naturphilosophie erfahren haben. Darüber hinaus werden Probleme wie diejenigen der Qualifizierung der Naturgesetze, der Methodik naturwissenschaftlicher Theoriebildung und der Stellung der Mathematik im Aufbau der Naturwissenschaften aufgeworfen; Probleme also, die in Hegels Naturphilosophie mindestens implizit behandelt sind.
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Die Einsicht, daß Hegels Naturphilosophie überhaupt weitergehende Antworten auf solche Fragen formuliert hat, ist aufgrund der veränderten Bewußtseinslage einerseits und der philosophie- und wissenschaftshistorischen Forschung der vergangenen dreißig Jahre andererseits gewachsen. Hegels Naturphilosophie beginnt (wieder) — entgegen ihrem innerhalb der Rezeptionsgeschichte notorisch schlechten Leumund — als konstitutiver Teil des Hegelschen Systems ernstgenommen zu werden. Ob allerdings diese vorallem philosophiehistorisch motivierte Neubewertung der Hegelschen Naturphilosophie schon die adäquate und hinreichende Basis für geltungstheorefisch orientierte Analysen der Hegelschen Naturphilosophie darstellt, bleibt eine Frage, die der weiteren Diskussion überlassen werden muß. Die unterschiedliche Aneignungsweise spekulativer Systeme bestimmt auch die Beantwortung der Frage, ob Hegels Naturphilosophie als eine philosophische Theorie der Naturwissenschaften oder als apriorische, spekulativ-genetische Naturphilosophie zu rekonstruieren sei. Der Herausgeber M. J. PETRY erklärt sich in seinem Vorwort dezidiert für die erstere Lesart; andere Beiträge, wie diejenigen von WANDSCHNEIDER und GIES, favorisieren die letztere. Die Beiträge des Sammelbandes sind in drei Gruppen angeordnet, die die Grundprobleme der Hegelschen Naturphilosophie, deren Verhältnis zu den Einzelwissenschaften und bibliographische Hinweise behandeln. Thematisch ist der Band allerdings mit vier Schwerpunkten befaßt: Der erste Themenschwerpunkt ist auf Hegels Naturphilosophie insgesamt konzentriert. Die Beiträge bestimmen den philosophiehistorischen Standort der Hegelschen Naturphilosophie im Verhältnis zur PLATONischen Philosophie (K. GAISER), deren Relation zu den übrigen Systemteilen, insbesondere zur Wissenschaft der Logik (D. WANDSCHNEIDER) und deren Beziehung zur naturwissenschaftlichen Theorienbildung (M. GIES). GAISER sucht auf vergleichbare Strukturen zwischen dem PLAXONischen und dem Hegelschen Naturkonzept einer an sich geordneten, vernünftigen Natur hinzuweisen; PLATON und Hegel stimmen — so GAISER — in der Überzeugung überein, daß die äußere Natur geistigen Ursprungs sei und zum Geist zurückstrebe (29). Der Beitrag von GIES zeichnet die Einleitung in die Naturphilosophie, die das Verhältnis von Naturwissenschaft und Naturphilosophie thematisiert, anhand der von ihm herausgegebenen Vorlesungsnachschrift der Hegelschen Naturphilosophie von 1819/20 nach. GIES behandelt dabei die Frage, in welcher Weise die naturphilosophische Spekulation als Einheit von Theorie und Praxis zu begreifen isf. Sein Hauptaugenmerk ist jedoch auf die Relevanz der Hegelschen Naturphilosophie für eine gegenwärtige Naturphilosophie gerichtet. Er vertritt die These, daß Hegels naturphilosophische Kategorien invariant seien gegenüber dem Stand der naturwissenschaftlichen Theoriebildung. Da Hegel selbst aber den Fortschritt der naturwissenschaftlichen Theoriebildung nicht genügend beachtet habe, habe er „sein System der Natur unter der Hand in ein System der zeitgenössischen Wissenschaft verwandelt" (78). Dem Begriffe nach ließen sich aber — so GIES — diese empirischen „Anmerkungen" von der immanenfen Logik des Begriffs der
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Natur abheben und durch Zuordnungen aus dem Bereich heutiger Theoriebildungen ersetzen. GAISER und GIES weisen auch auf die Bedeutung spekulativer Naturphilosophie für die Ökologiediskussion hin. Ob allerdings der GAiSERSche Rekurs (22) auf die sogenannte Normativität der „Physis“ eine Lösung sein kann, darf mit Gründen, die der KANTischen Rechts- und Tugendlehre entstammen, bezweifelt werden. WANDSCHNEIDER behandelt das Verhältnis der Naturphilosophie zur Wissenschaft der Logik einerseits und zur Geistphilosophie andererseits. Seine Begründung für die Notwendigkeit des Übergangs von der Wissenschaft der Logik zur Naturphilosophie lautet: Mit der Vollendung des Logischen muß ein Nicht-Logisches, das einen völlig anderen ontologischen Status besitzt als das Logische, gesetzt werden. Den Einwand einer Metabasis sieht WANDSCHNEIDER dabei gerade als Pointe seiner Lösung an. Den zweiten thematischen Schwerpunkt bilden Hegels Überlegungen zur Mathematik und die Bedeutung, die Hegels Denkmethode für eine Analyse des mathematischen Bewußtseins haben könnte. Dies ist an sich bemerkenswert, da innerhalb der Rezeptionsgeschichte der Hegelschen Naturphilosophie dieses Thema bisher — die Dissertation von L. FLEISCHHACKER ausgenommen — m. W. nicht untersucht wurde. Dessen Beitrag zu Quantität, Mathematik und Naturphilosophie stellt — in Fortführung seiner Dissertation — Hegels eigene Überlegungen zur Mathematik dar. Darüber hinaus weist FLEISCHHACKER — in geltungstheoretischer Absicht — auf die Intelligibilität der reinen Quantität als Bedingung der Mathematik hin, die Hegel als spezifische Seinsweise nicht adäquat zu denken vermöge (vgl. 196). I. TOTHS weitgespannter Essay faßt die Entdeckung der Nicht-Euklidischen Geometrien mit Hilfe Hegelscher Kategorien als (notwendige) Bewußtseinsentwicklung innerhalb des mathematischen Bewußtseins auf; die Entfaltung der Nicht-Euklidischen Geometrien sei das „Ergebnis phänomenologischer Selbstentfaltung des geometrischen Bewußtseins" (89). TOTH benutzt Hegels Phänomenologie des Geistes um diesen Bewußtwerdungsprozeß des Geometrie treibenden Bewußtseins in seinen einzelnen Stationen vom „unglücklichen (geometrischen) Bewußtsein" bis hin zu dessen Einsicht in seine „absolute Freiheit" (hinsichtlich seiner Axiomatik) nachzuzeichnen. P. VäRDY analysiert — im Ausgang von RUSSELL — die Antinomien der Mathematik und sieht in diesen Antinomien eine spezifische „Dialektik der Metamathematik". Als Resümee seiner Überlegungen äußert VäRDY die Vermutung, daß das Verbot der Selbstbezüglichkeit formelle Widerspruchsfreiheit nur garantieren kann, weil es sich selbst zugleich der mathematischen Objektivation entzieht; insofern sei dieses Verbot das dialektisch gefaßte Prinzip (arche) der Mathematik (238). Es wäre wünschenswert, wenn diese mathematisch orientierten Arbeiten, die u. a. das für die Philosophie des Deutschen Idealismus zentrale Prinzip der Selbstbezüglichkeit in interessanter Perspektive behandeln, Anlaß zu weiteren Überlegungen würden.
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In diesem Sachzusammenhang stehen auch die Überlegungen HöSLES zur Stellung der Mathematik im Hegelschen System. HöSLE bemängelt an Hegel, daß der spekulativlogische Ort, der der Mathematik zuzuordnen wäre, in dessen System nicht eindeutig sei. Entweder ordnet man — so HöSLE — die wissenschaftliche Disziplin Mathematik der logischen Formation der Quantität zu, so daß — systematisch unbefriedigend — ein einzelnes Logikkapitel eine Einzelwissenschaft begründen würde, oder man verortet die Mathematik in der Naturphilosophie, was ihrem ideellen Charakter nicht gerecht werde (254). Im Anschluß an Überlegungen von REISINGER (vgl. P. Reisinger/P. Ziehe: Der freie Fall. Die Generierung von mathematischen und naturlogischen Strukturen apriori durch Hegel. In: Der goldene Zirkel der Kritik. Festschrift für H. Radermacher. Hrsg. v. H. Holz) kann der Weg einer möglichen Problemlösung vielleicht dahingehend bestimmt werden, daß die ideellen Natur-Formen Raum und Zeit erst die Setzung isolierbarer Einheiten und insofern die Symbolisierbarkeit dessen ermöglichen können, was die Logik der Quantität operativ und strukturell — wie Zahl und Funktionstheorie — generiert. Der adäquate Ort der Mathematik wäre dann erst mit der Naturphilosophie (§§ 257, 258) erreicht. Der dritte Themenkomplex umfaßt Hegels Exposition der Natur-Formen Raum, Zeit, Bewegung (V. HöSLE), Materie und Licht (D. WANDSCHNEIDER); Hegels naturlogische Operationsform „Mechanik" also und deren Übergang in die Operationsform „Physik". HöSLE behandelt in seiner Interpretation u. a. die Frage, aus welchem Grund die Naturphilosophie — anders als die Wissenschaft der Logik — nicht mit der Kategorie der Qualität, sondern mit der Quantität beginne, ohne selbst eine hinreichende Antwort zu geben. Desweiteren erörtert er die Problematik einer spekulativen Begründungsmöglichkeit der Dreidimensionalität sowie die Hegelsche Natur-Form „Raum" im Blick auf die Nicht-Euklidischen Geometrien. Der Aufsatz von WANDSCHNEIDER zum Verhältnis von Materie und Licht ist geltungstheoretischer Art, insofern er das EiNSXEiNsche (spezielle) Relativitätsprinzip mit Hilfe Hegelscher Natur-Formen zu rekonstruieren beabsichtigt. WANDSCHNEIDER deutet dabei das Verhältnis von relativer und absoluter Bewegung als notwendig zusammengehörende Momente des Bewegungsbegriffs selbst; die Relativität der Körperbewegung fordere eine Nicht-Relativität der Bewegung, die in der absoluten Bewegung des nicht-körperhaften Lichtes erreicht sei. Dieser Ansatz verdient weitere Diskussion. (Vgl. dazu auch die kritischen, auf diesen Ansatz zielenden Anmerkungen von H. V. BöRZESZKOWSKI/R. WAHSNER in ihrem Buch Physikalischer Dualismus und Dialektischer Widerspruch. Darmstadt 1989) Vierter Themenbereich ist Hegels Begriff des Organismus. Einen Überblick zum Hegelschen Begriff des Lebendigen, generell zum Hegelschen Denken gibt ILTING, indem er die ARiSTOXELische Konzeption der Entelechie als Interpretament der Hegelschen Philosophie benutzt. Über diesen speziellen Punkt hinausgehend faßt er das Verhältnis von Naturphilosophie und Naturphänomen als eines der „Deutung"; mit dieser Rekonstruktion setzt er sich gegen die Vorstellung einer Deduktion der Erscheinungen ab.
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(Anfänge des Seelischen in der Natur) sucht die Hegelschen Kategorien durch Angabe systemtheoretischer Konzepte zu explizieren. Er führt zur Erläuterung organismischer Subjektivität die Begriffe des Funktions- und des Aktions-Selbst ein und rekonstruiert damit die Hegelsche Charakteristik des Tieres als „Selbst-Selbst", als einer Subjektivität, die an sich subjektiv ist. Dies macht deutlich, daß Hegels Philosophie mit Hilfe anderer Begrifflichkeit gedeutet werden muß, um an die moderne Diskussion, für die Hegel noch ein ungeahntes Potential birgt, anschlußfähig zu sein. (In einem weiteren Aufsatz zu diesem Thema behandelt HöSLE den Unterschied von Pflanze und Tier in spekulativer Perspektive.) D. V. ENGELHARDTS Beitrag zum Hegelschen Krankheitsbegriff rundet das Thema ab. ENGELHARDT betont, daß die Krankheit, die „Disproportion von Sein und Selbst" sich in drei allgemeinen Krankheitsformen zeigt; ebenso lassen sich die Therapiewege auf drei Formen zurückführen. Thematisch solitär steht der Beitrag des Herausgebers M. J. PETRY ZU Hegels naturphilosophischer Theorie der Farben und ihrem Verhältnis zur GoETHEschen Farbenlehre und zur NEWTONschen Theorie des Lichts. Diese isolierte Stellung weist auch auf eine Lücke in der Forschung hin: Der zweite Teil der Hegelschen Naturphilosophie, der u. a. die Themen Meteorologie, Akustik, Wärmelehre, Magnetismus, Elektrizitätslehre umfaßt, hat insgesamt gesehen noch keine hinreichende Interpretation erfahren. Hilfreich ist das von W. NEUSER publizierte Verzeichnis derjenigen naturwissenschaftlichen Titel, die in der Auktionsliste der nach Hegels Tod versteigerten Bücher aufgeführt sind. Eine Bibliographie der Sekundärliteratur zur Hegelschen Naturphilosophie, die den Zeitraum von 1802 bis 1985 umfaßt und ebenfalls von W. NEUSER angefertigt wurde, rundet den Band ab. Den einzelnen Vorträgen ist eine überarbeitete Fassung der ihnen folgenden Kolloquiumsdiskussionen beigegeben, die zum Teil interessante Anregungen und Weiterführungen der Vorträge enthalten, auch wenn der Kontext der einzelnen Diskussionsbeiträge für den Leser nicht immer ganz deutlich wird. Als Resümee dieses Sammelbandes ergeben sich die weiteren Forschungsaufgaben: Die Differenz zwischen naturlogischer Begriffsentwicklung und naturwissenschaftlicher Theoriebildung sollte präzisiert werden. Die naturlogische Begriffsgenese müßfe genauer und detaillierter entfaltet und die geltungstheoretisch orientierte Rekonstruktion naturwissenschaftlicher Theorien müßte durchgeführt werden. Insgesamt wäre die Hegelsche Naturphilosophie explizit auf ihre erkenntnisphilosophischen Voraussetzungen hin zu befragen. In Rücksicht auf diese Punkte kann der Sammelband erst als ein Anfang betrachtet werden, wenn auch in etlichen Hinsichten als ein vielversprechender. Stefan Büttner (Heidelberg) WANDSCHNEIDER
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Peter Schaber: Recht als Sittlichkeit. Eine Untersuchung zu den Grundbegriffen der Hegelschen Rechtsphilosophie. Würzburg: Könighausen & Neumann 1989. 155 S. (Epistemata. Reihe Philosophie. 67.) Die Hegelsche Rechtsphilosophie ist noch immer ein sehr attraktives, zu neuen Interpretationsabenteuern verführendes Werk, wie es die Thematik der die Werke von Hegel behandelnden Schriften der achtziger Jahre eindeutig zeigt. In der Hegel-Forschung ist es wohl bekannt, daß die kritische Ausgabe der Berliner Vorlesungen vorbereitet wird, und vermutlich wird ihr Erscheinen einen neuen Anstoß zu weiteren Auslegungen geben. Das Buch von PETER SCHABER ist einer dieser Interpretationsversuche am Ende der achtziger Jahre. Er hat das Recht als Sittlichkeit zu seinem Untersuchungsgegenstand gemacht. Vor allem untersucht er diese Frage, dieses Verhältnis aufgrund der Rechtsphilosophie von 1820. Ab und zu zitiert er auch die von ILTING und von HENRICH herausgegebenen Vorlesungen, aber er beschäftigt sich nicht mit einem Vergleich der Modifikationen der Konzeption ,Recht als Sittlichkeit' in den genannten Variationen. Seine Auslegung folgt dem Aufbau des Hegelschen Werks, in dem er jede Kategorie in ihrer Beziehung auf das Recht als Sittlichkeit sieht. So urteilt er über die Hegelsche Leistung: „Das Sittliche als Fundament und Wahrheit des Rechts anzusehen, macht das Spezifische der Hegelschen Rechtsphilosophie aus. Damit wird . . . ein von der neuzeitlichen Rechtstheorie zumindest vernachlässigter Aspekt des Rechts geltend gemacht: die Funktion des Rechts, soziale wie individuelle Identität zu ermöglichen." (7) Der Vergleich des Standpunkts Hegels mit anderen bleibt innerhalb des von Hegel gezogenen Kreises, bezieht also KANT, FICHTE, SCHELLING, ARISTOTELES, ROUSSEAU und MONTESQUIEU ein. Dabei ist das Thema des Buches die „Rückführung" der Subjektivitäf auf die Sittlichkeit. Die Kategorien bzw. Bestimmungen werden als gegeben und/oder als gesetzt sowie als Begriffe und als Gestalten betrachtet. Das Recht als Sittlichkeit wird aufgrund der Freiheit als Prinzip der modernen Zeit behandelt, das ein vernünftiges und freies Leben innerhalb seiner Grenzen ermöglicht. Hegel, gegen KANT polemisierend, versucht zu zeigen, daß es keinen strikt erfahrungsunabhängigen, apriori geltenden Begriff des Rechts als Sittlichkeit gibt. Vielmehr sind das Recht und die Sittlichkeit Bewußtsein und Denken des Lebens. Ferner bedeuten Recht und Sitthchkeit für Hegel nur das, was mit einem bestehenden System von Rechtsbestimmungen kompatibel ist. Bei Hegel ist dieses System der Volksgeist. Daraus ergeben sich zwei Dimensionen der Hegelschen Konzeption, was kurz zusammengefaßt lautet: „Die Rechtsphilosophie will die allgemeinen, grundlegenden Rechtsbestimmungen und deren systematischen Zusammenhang darstellen und insofern auch rechtfertigen." (143) Insgesamt teilt der Verfasser die Auffassung von RITTER und ILTING hinsichtlich dieses Fragenkomplexes, und aus dieser Interpretationsperspektive versucht er die Rechtsphilosophie vom Aspekt der Sittlichkeit aus zu überblicken. Dabei ist es seine Absicht, dem Text und dem Geist Hegels treu zu bleiben, was ihm, aufs Ganze gesehen, auch gelungen ist. Erzsebet Rözsa (Debrecen)
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Hegel and Legal Theory. Ed. by Drucilla Cornell, Michel Rosenfeld and David Gray Carlson. New-York, London: Routledge 1990. Im Vorwort zu seinem Buch Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats stellt JüRGEN HABERMAS die Aktualität Hegels in Zweifel. Die Hegelschen Maßstäbe entsprächen unserem historischen Horizont nicht. Realitätsnähe sei eher bei den Juristen zu suchen: „Wenn ich Hegels Namen kaum erwähne und mich stärker auf die KANxische Rechtslehre stütze, drückt sich darin auch die Scheu vor einem Modell aus, das für uns unerreichbare Maßstäbe gesetzt hat. Es ist ja kein Zufall, daß die Rechtsphilosophie dort, wo sie den Kontakt mit der gesellschaftlichen Realität noch sucht, in die Juristischen Fakultäten abgewandert ist." (9) Das Interesse für Hegels Rechtsphilosophie ist heute nicht notwendigerweise ein Zeichen philosophischer Hybris. Sogar unter Juristen, denen HABERMAS einen gewissen Realitätssinn bescheinigt, wird weiterhin Kontakt mit der Hegelschen Rechtsphilosophie gesucht. In ihrer Einleitung zu Beiträgen zu einem März 1988 mit der Hilfe der Benjamin N. Cardozo School of Law organisierten Colloquium weisen die Herausgeber auf die mögliche Bedeutung Hegels für die amerikanischen rechtstheoretischen Diskussionen hin. Im Gegensatz zu denjenigen Auffassungen des Rechts, die das Recht entweder bloß kritisch als Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse oder bloß affirmativ als ein Instrument der Maximalisierung des gesellschaftlichen Reichtums betrachten, hätte die Hegelsche Konzeption des abstrakten Rechts den Vorzug nicht reduktiv vorzugehen (XI f). Die Frage nach der Bedeutung Hegels für die gegenwärtige Rechtstheorie ist den Beiträgen des Sammelbandes gemeinsam. Die Autoren, die verschiedenen Disziplinen zugehören, bewerten den gegenwärtigen Diskussionstand in der Rechtstheorie auf unterschiedliche Weise. Als großer Vorzug dieses Buches gilt, daß sie sich im allgemeinen sowohl um eine ausführliche und systematische Darstellung der aus ihrer Sicht wesentlichen Differenzen zwischen den aktuellen rechtsphilosophischen Strömungen als auch um den hierzu möglichen Beitrag Hegels bemühen. Der Sammelband besteht aus drei Teilen. Der erste Teil (Being, Person, Community and the Ethical Foundation of Law) enthält Beiträge von Philosophen (MICHAEL THEUNISSEN, CHARLES TAYLOR und ROBERT BERNASCONI) und ist der Klärung von Konzepten wie der der Person und der Gemeinschaft sowie der Problematik einer ethischen Fundierung des Rechtes gewidmet. Im zweiten Teil (Abstract Right and Private Law) sind — mit Ausnahme eines Aufsatzes des Politologen PETER G. STILLMAN — ausschließlich Beiträge von Juristen (ARTHUR J. JACOBSON, ALAN BRUDNER, PETER BENSON, MICHEL ROSENFELD, ERNEST J. WEINRIB) aufgenommen, während die vier Aufsätze des dritten Teils (Law, Family, Civil Society and the State) von Vertretern unterschiedlicher Disziplinen geschrieben wurden; DAVID FARRELL KRELL (Philosoph), ANDREW ARATO (Soziologe), FRED DALLMAYR (Politologe) und BERNHARD SCHLINK (Verfassungsrechtler).
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Wichtiger als die professionelle Herkunft ist die Intention der Autoren. Ein erster Kreis von Autoren (TAYLOR, BERNASCONI, BRUDNER, BENSON, STILLMAN, ROSENFELD, FARRELL KRELL, DALLMAYR, SCHLINK) diskutiert oder kommentiert klassische topoi aus der Hegelschen Rechtsphilosophie. Eine zweite Gruppe (JACOBSON, WEINRIB) bemüht sich um eine Gegenüberstellung von Hegels Argumenten und dem aktuellen Diskussionsstand in der Rechtstheorie. Eine dritte Gruppe (THEUNissEN, ARATO) versucht durch eine Interpretation der Hegelschen Texte neue Sichtweisen auf traditionelle philosophische oder sozialtheoretische Grundfragen zu gewinnen. Der Beitrag von THEUNISSEN (The Repressed Intersubjectiviti/ in HegeTs Philosophy of Right) ist die Übersetzung eines Aufsatzes, der in dem von HENRICH und HORSTMANN 1982 in Stuttgart herausgegebenen Sammelband Hegels Philosophie des Rechts publiziert wurde (vgl. dazu Hegel-Studien. 19 (1984), 330—343; dort 333). ln einem unsorgfältig formulierten, aber inhaltlich interessanten Diskussionsbeitrag HegeTs Ambiguous Legacy for Modern Liberalism bespricht CHARLES TAYLOR die schwer zu bestimmende Haltung Hegels zum modernen Liberalismus. Hegels Kritik der Idee einer Gesellschaft, die sich unabhängig vom ethischen Gehalt individueller Motivationen als freiheitserhaltend erweise (70), stütze sich auf eine humanistisch inspirierte Konzeption des Bürgers, die TAYLOR als ,civic humanism' bezeichnet. Eine von den Bürgern gemeinsam geteilte Ansicht des Guten und des sinnvollen Lebens sei Hegel zufolge unerläßlich für den Erhalt der Gesellschaft. Eine solche Verbundenheit konstituiere sich nicht nur über historische Traditionen sondern auch über öffentliche Diskussionen zur eigentlichen politischen Identität. TAYLOR zufolge hat Hegel hierbei zusehr die Tatsache vernachlässigt, daß öffentliche Diskussionen notwendigerweise öffentlichen Dissenz beinhalten. Gerade das Forum, auf dem solche Gegensätze ausgesprochen werden könnten, stelle eine Gemeinsamkeit bei der Deutung des Guten her. Für ROBERT BERNASCONI bilden einzelne rechtsphilosophische Themen der Phänomenologie den Ausgangspunkt zur Erschließung breiterer philosophiegeschichtlicher, geschichtsphilosophischer und spekulativer Problemkreise. Der Titel des Aufsatzes Persons and Masks: The ,Phenomenology of Spirit' and its Laws weist auf Hegels Kritik des Personenbegriffes als Ausdruck abstrakter Gleichheit und Geistlosigkeit hin, die es mit HOBBES' Übersetzung des Lateinischen Personenbegriffes mit ,Maske' zu vergleichen gelte. Die bloß negative Konzeption der Rechtsperson in der Phänomenologie vernachlässige die Tatsache — Hegel habe dies in den Grundlinien zur Philosophie des Rechts korrigiert —, daß das Römische Recht einen grundlegenden Unterschied mache zwischen rechtstragenden Personen und rechtslosen Sklaven. BERNASCONI sieht einen Grund für eine solche Vernachlässigung in Hegels Versuch, den mit dem Personenbegriff verbundenen rechtlichen Status mit dem Stoizismus und Skeptizismus zu parallelisieren. Die Kritik dieser philosophischen Strömungen habe zu einer einseitigen Darstellung der Herausbildung des Personenbegriffes geführt. Die geistlose Selbständigkeit, die im Stoizismus als Verzicht auf die Wirklichkeit nur abstrakt gedacht war, bevor sie in die ,skeptische Verwirrung des Bewußtseins' überging, hat Hegel zufol-
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ge in der , persönlichen Selbständigkeit des Rechts' einen angemessenen Ausdruck erhalten. ARTHUR J. JACOBSON stellt fest, daß es keine Philosophie des common law gibt. Es wäre wünschenswert, daß es eine gäbe, und es wäre logisch, daß diese sich dann auf Hegel bezöge. JACOBSON erklärt die Abwesenheit einer philosophischen Konzeption des common law durch die traditionelle anti-intellektualistische Haltung der Englischen common law-Praktiker (98). Seinerseits hatte Hegel selber keinerlei Achtung für das common law. Zu Unrecht, meint JACOBSON, da er vom common law vieles hätte lernen können, genau wie die Praktiker des common law von dessen Rechtsphilosophie. JACOBSON leitet diese interessante These ab aus einer mit Hilfe des Begriffspaares Recht und Pflicht rekonstruierten Geschichte der Rechtstheorie. Die HOHFELDsche Auffassung, daß ein Recht stets mit einer Pflicht und eine Pflicht stets mit einem Recht korrelieren muß, betrachtet JACOBSON als ein gemeinsames Prinzip des Positivismus — nach dem die Gültigkeit von Rechtsregeln von der Gültigkeit der zu ihrer Implementierung erfolgten Vorgehensweisen abhängt — und des Naturalismus - nach dem die gültigen Regeln des gesellschaftlichen Lebens auf rationale Weise von einem Betrachter erfaßt werden können (103). Als Alternativen zu diesen beiden Varianten der HoHFELDschen Auffassung einer Korrelation von Recht und Pflicht unterscheidet JACOBSON drei Posihonen: eine Rechtswissenschaft, die den Primat des Rechtes über die Pflicht setzt, eine Rechtswissenschaft, die den Primat der Pflicht über das Recht setzt und schließlich die Tradition des common law. Hegel, der von dem Bestreben der Individuen nach gegenseitiger Anerkennung ihrer Rechte ausgeht, würde die erste und KANT die zweite Alternative zu der HoHFELDschen Auffassung verteidigen. In dieser gemeinsamen Opposition zu der HoHFELDschen Position sieht JACOBSON eine erste Affinität zwischen Hegel und der Tradition des common law. JACOBSON stellt eine zweite Gemeinsamkeit zwischen Hegel und dem common law fest: In den drei rechtstheoretischen Alternativen zu der HoHFELDschen Position wird die Quelle des Rechts bei den Rechtspersonen, d. h. innerhalb des Rechtssystems geortet. Nach der HoHFELDschen Konzeption einer Korrelation von Recht und Pflicht hingegen wird die Quelle des Rechts außerhalb des Rechtssystems gesetzt. Im Positivismus zum Beispiel ist die Quelle des Rechts der ,Souverän', den JACOBSON als eine „Hypostasierung der Prozedur" (103) bezeichnet. Die drei Alternativen zu der HoHFELDschen Konzeption betrachten drittens das Verhältnis zwischen Rechtsperson und rechtlichem Universum auf dynamische Weise: das Rechtssystem wird sozusagen von den Rechtspersonen durch ihre Interaktion ständig mit Gesetzen „gefüllt" (100—102). ln diesem Sinne wendet JACOBSON den Begriff des „legalen Plenums" im Titel seines Aufsatzes an (Hegel's Legal Plenum). JACOBSON sieht weiterhin Übereinkünfte zwischen Hegels Rechtsphilosophie und der Tradition des common law in u. a. dem Hegelschen Verständnis des Strebens nach rechtlicher Anerkennung als Ausdruck des Liebesbedürfnisses
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und der Soziabilität des Menschen (116). Im Gegensatz zum Positivismus und Naturalismus vertrete Hegel demzufolge keine Rechtstheorie, die primär die Ordnung, sondern eine Rechtstheorie, die die individuelle Emanzipation zum Ziel habe (122). Seine Position unterscheide sich von derjenigen KANTS, der sich, indem er die Priorität der Pflicht vor dem Recht behaupte, die Erlösung zum Ziel gesetzt habe. JACOBSON zufolge richtet sich das common law hingegen sowohl auf die Befreiung als auch auf die Erlösung des Menschen im Rahmen einer auf Reziprozität begründeten Ordnung. Indem das common law sowohl die Prinzipien der Ordnung als auch der Emanzipation und der Erlösung in einer Konzeption der Reziprozität entfaltet, hätte ihm Hegel mit einem größeren Interesse begegnen müssen, als er es getan hat. Auch die Praktiker des common law könnten vieles von Hegel lernen (123). Ihre weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmungen rechtfertigten es nicht, daß zwischen beiden Positionen weiterhin bloß Gleichgültigkeit und Opposition herrschten. ALAN BRUDNER (Hegel and the Crisis of Private Law) stellt eine Krise des Privatrechts fest. Das Privatrecht definiert er als eine Weise, wie die menschlichen Verhältnisse unabhängig von einem Begriff des gemeinsam Guten geordnet werden. BRUDNER spricht von einer Krise des Privatrechts, da diese Unabhängigkeit im Namen der Idee der Gemeinschaft stets heftiger in Frage gestellt wird. Hegels Argumente könnten in dieser Diskussion eine wichtige Rolle spielen. Hegel geht dem Standpunkt des Privatrechts nicht von einer externen Posibon nach, sondern wendet in Kritik und Darstellung eine immanente Argumentation an. Hegels Kritik des Vertrages zeigt zum Beispiel auf, daß der Vertrag, indem er die Seite der Willkür fixiert, gerade diejenige Idee einer freiheitlichen Persönlichkeit destruiert, die er verwirklichen soll (141). Neben seinem Versuch, die Autonomie des Privatrechts vom Standpunkt des Guten wiederherzustellen, gibt Hegel auch eine Antwort auf die Frage, ob entweder ein amoralischer Individualismus oder eine gemeinschaftliche Konzeption des Guten den Ausgangspunkt der Betrachtung bilden soll. Die Hegelsche Rechtsphilosophie zeigt in den Handlungen der nach gegenseitiger Anerkennung und Realisierung ihrer Rechte strebenden Personen die Bildung der ethischen Idee der Gemeinschaft auf. Das Privatrecht braucht hiermit keineswegs in die Idee der Gemeinschaft aufgelöst zu werden. PETER BENSON (The Priority of Abstract Right and Constructivism in Hegel's Legal Philosophy) will aufzeigen, in welchem Sinne Hegels Konzeption des Normativen, insbesondere seine Konzeption des freien Willens, konstruktivistisch ist und welche Stellenwert die Persönlichkeit und das abstrakte Recht hierin einnehmen. Den Begriff des „Konstruktivismus" übernimmt BENSON von JOHN RAWLS. Die Hegelsche Konzeption des Normativen sei konstruktivistisch, da sie — im Gegensatz zur Konzeption des Normativen als eines Apriori — das Normative als einen dem Subjekt immanenten Ausdruck des Handelns sehe. In PETER G. STILLMANS Aufsatz Property, Contract, and Ethical Life in Hegel's Philosophy of Right findet sich eine Gegenüberstellung der Eigentumsauffassung in der Vertragstheorie und in Hegels Rechtsphilosophie. In der Vertragstheorie wird das Eigentum als eine bloße Gegebenheit betrachtet, von der aus die Charakteri-
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stika des Staates abgeleitet werden, während bei Hegel das Eigentum als ein Produkt der Bildung zur Freiheit gesehen wird. MICHEL ROSENFELD (Hegel and the Dialectics of Contracts) formuliert die wesentlichen Fragen zur aktuellen Bedeutung des Kontraktes. Soll der Vertrag als eine historisch überholte Rechtsform gesehen werden oder im Gegenteil als eine Rechtsform, die auf eine stets umfassendere Weise eine Vielheit von sozialen Beziehungen einzubegreifen vermag? Dient der Vertrag hierbei primär individuellen oder gemeinschaftlichen Interessen? Auf diese letzte Frage würde Hegel antworten, daß der Vertrag sowohl eine intersubjektive Form gegenseitiger Anerkennung als auch ein Mittel zur Durchsetzung subjektiver Interessen bilde, das zugleich gemeinschaftliche Interessen zu realisieren vermöge. ERNEST J. WEINRIB stellt fest, daß Theorien über das Privatrecht entweder vom Prinzip des Rechtes oder von einer Berechnung der Vor- und Nachteile ausgehen. Die Auffassung, wonach das Privatrecht wirtschaftliche Vorteile zu maximieren und Nachteile zu minimalisieren habe, ist heute vorherrschend. Sogar die Gegner dieser Position eines Vorteile-Modells — d. h. diejenigen, die den Vorrang des Rechtsprinzips behaupten — stehen in dessen Griff. Dies zeigt WEINRIB an NOZICKS Theorie auf. Da die Konzepte des Rechts und der Vor- und Nachteile zu unterschiedlichen normativen Modelle gehören und nicht beide zugleich als Fundament einer Theorie gelten können, sollte Hegels radikalere Position eines Primats des Rechtes überdacht werden. Hegels Position sei radikal in dem Sinne, daß er das abstrakte Recht als eine Rechtsform verstanden habe, die von allen partikularen Interessen, Vor- und Nachteilen abstrahiere. Diese Auffassung haben die Theorien über das Privatrecht leider ignoriert. ANDREW ARATO (A Reconstruction of Hegel's Theory of Civil Society) interessiert sich für Hegels Analyse der sozialen Integration. Hegel habe die Tatsache übersehen, daß die Sittlichkeit durch einen Konflikt der normativen Konzeptionen der Politik charakterisiert sei, wobei ein identitätsbildender Konsensus nur auf der Ebene der Prozeduren zu erreichen sei. Positiv an Hegels Analyse sei, daß er — anders als in der naturrechtlichen Tradition — die souveräne Macht des Staates nicht als wichtigste Form sozialer Integration betrachte. FRED DALLMAYR (Rethinking the Hegelian State) bietet eine breite Übersicht von Hegelinterpretationen von MARX bis LYOTARD, wobei er den Begriff der Sittlichkeit neu zu überdenken versucht. BERNHARD SCHLINK (The Inherent Rationality of the State in Hegel's „Philosophy of Right") ist der einzige Autor, der auf andere Beiträge explizit eingeht. Ihm zufolge hält ANDREW ARATO Hegels Theorie für verbesserungsfähig, während FRED DALLMAYR bei Hegel nur Ruinen sieht. Selber hält SCHLINK von einem verfassungsrechtlichen Standpunkt aus Hegels Theorie einer inhärenten Rationalität des Staates für legitim. Die Antinomien, die sich bei Hegel vorfänden, seien reale Anhnomien der Gesellschaft. SCHLINK hält nur sekundäre Aspekte der Hegelschen Rechtsphilosophie für kritisierenswert. So kann er sich nicht mit Hegels Darstellung der Vorzüge der konstitutionellen Monarchie einverstanden erklären. Was daran von einem verfassungsrechtlichen Standpunkt aus falsch wäre, können wir
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leider aus dem Aufsatz nicht entnehmen. Als ob die — bestimmt notwendige — Kritik der konstitutionellen Monarchie heute eine Selbstverständlichkeit wäre. Bruno Coppieters (Brussel)
Igor Primoratz: Justifying Legal Punishment. New Jersey: Humanities Press 1989. Mark Tunick: Punishment. Theory and Practice. Berkeley: University of California Press 1992. Mark Tunick: Hegel's Political Philosophy. Interpreting the Practice of Legal Punishment. Princeton: Princeton University Press 1992. In their recent books on punishment, IGOR PRIMORATZ and MARK TUNICK both detend versions of the retributivist view of punishment propounded by Hegel. Their books are welcome additions to the growing list of essay- and chapter-length treatments of Hegel's theory of punishment (by DAVID COOPER, ALLEN WOOD, PETER STEINBERGER, DAVID HARE, PETER STILLMAN and LEW HINCHMAN, to mention a few) which have appeared in English in the last few years. In addressing the Contemporary debate between utilitarian and retributivist views of punishment, PRIMORATZ and WOOD make a case for the essentially retributivist character of the practice of punishment. On a strict retributivist view, punishment is not to be justified by a utilitarian search for larger societal goods (such as deterrence) which might be served by the practice, but is to be seen simply as a condemnatory response to the criminal act itself. Both PRIMORATZ and TUNICK follow Hegel in carefully distinguishing retributivism from the subjective desire for revenge and in insisting upon the essential claim of Hegelian retributivism: that the criminal by his deed wüls his own punishment and thus receives it as his own right. In his book, PRIMORATZ gives an overview of posiüons taken by utilitarians such as BENTHAM, retributivists such as Hegel and theorists such as HART and RAWLS who attempt to articulate what PRIMORATZ calls a "middle way". PRIMORATZ focuses especially on the most famous of retributivist arguments against utilitarianism: the possibility that the punishment of innocent persons could be justified when it would serve a greater social good. This problem haunts not only retributivism, PRIMORATZ Claims, but also most of the proponents of the "middle way" — all of whom, except for HART, have no place for justice as an "independent principle, irreducible to Utility". WhUe arguing for retributivism on this score, however, PRIMORATZ does not take his position to the extremes sometimes associated with it; the cry of "fiat iustitia, pereat mundus" or the insistence that a criminal must suffer just what he inflicted, even when he is guüty of a heinous crime such as torture. "Justice is
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one of the most important moral principles — perhaps the most important one — but it is not absolute" (168). The conflict of principles touched upon in these examples points to a broader theoretical difficulty inherent in PRIMORATZ' position. On the one hand, he answers utilitarian critics by saying that retributive justice need have no relation to a larger moral theory, but can stand on its own as a moral principle. Yet how then to negotiate the way in which this singulär yet non-absolute principle relates to other moral issues? It is precisely this problem which TUNICK addresses in a more theoretical way, by defending the essentially retributive character of punishment yet acknowledging that as a practice it contains conflicting principles immanent within it. TUNICK'S Theory and Practice offers thus an account of various Contemporary (mostly American) practices of punishment which are difficult to derive from a retributive ideal: plea-bargaining, pre-trial detention, the exclusionary rule. Such practices point TUNICK toward a "modified retributivism" on which the retributivist does not compromise with the utilitarian but rather accepts in a realistic fashion certain actual practices as necessary if anything like the retributive ideal is to be maintained generally. While the task of Theory and Practice is the articulation of this more conflictual view of punishment, TUNICK'S second book, Hegd's Political Philosophy: Interpreting the Practice of Legal Punishment, spells out more clearly the relation between HegeTs retributivist view of punishment and the rest of his Philosophy of Right. In so doing, TUNICK also provides English readers with important, as yet untranslated, source material from the lecture notes to HegeTs Rechtsphilosophie and gives a helpful overview of the issues surrounding its Status. TUNICK Claims that HegeTs political philosophy remains of a piece from the early "vision" Hegel had of it up through its explicit articulation in the Philosophy of Right. Punishment's role in this political philosophy is shown to depend upon the Hegelian notion of freedom as rooted in the various institutional commitments which the will gives itself. TUNICK'S account of HegeTs notion of freedom and commitment is illuminating and his presentation is enviably clear, although there are some systematic Connections between punishment and HegeTs political philosophy as a whole which are not made explicit (how exactly punishment serves as a transition between the realms of right and morality, for example). Further, TUNICK'S argument concerning the continuity between HegeTs earlier and later political views might have benefited from an Interpretation of the account of punishment and political power in HegeTs Frankfurt essay, which TUNICK does not discuss. Allen Speight (Boston)
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Giovanni Bonacina: Hegel, il mondo romano e la storiografia. Firenze: La Nuova Italia 1991. XX, 274 S. Das wesentliche Ziel dieser Arbeit geht nicht so sehr aus der genauen und sachkundigen Interpretation derjenigen Stellen hervor, die die Bedeutung Roms in Hegels Auffassung der Weltgeschichte betreffen, als vielmehr aus dem besonderen Gesichfspunkt, den BONACINA zum Leitfaden seiner Untersuchung gewählt hat. BONACINA vergleicht das Bild von Rom in Hegels Philosophie mit dem, das im letzten Jahrhundert bei deutschen Historikern wie NIEBUHR, RANKE, DROYSEN und BURCKHARDT ZU finden ist. Vor allem beruft er sich aber auf den italienischen Historiker A. MOMIGLIANO (1908—1987; vgl. bes. sein Buch Contributo alla storia degli studi classici e del mondo antico. Rom 1955), der den ständigen Orientierungspunkt für BONACINA abgibt. Die Resultate dieser Arbeit betreffen drei unterschiedliche Ebenen: Auf einer ersten, geschichtlichen Ebene handelt es sich darum zu zeigen, wie sich die „Originalität der reifen Hegelschen Beschreibung Roms" (XI) im Kontext der klassischen und romantischen Neubewertung der Antike auszeichnet. Diese Sonderstellung spricht der Historiker MOMIGLIANO dem Philosophen Hegel dadurch zu, daß er ihn mit anderen Historikern, vor allem NIEBUHR und dessen Werk über Römische Geschichte vergleicht. Auf der zweiten, eigentlich philosophischen Ebene versucht BONACINA die heuristische Rolle einiger, besonders rechtsphilosophischer Voraussetzungen der Hegelschen Geschichtsphilosophie an einem konkreten Beispiel deutlich zu machen. Exemplarisch ist die Weise, in der Hegel, der den Besitz nicht als „eine zum Eigentum alternative Institution" (66) anerkennt, dazu geführt wird, die Agrargesetze Roms als den Übergang vom Gemein- zum Privateigentum zu betrachten. Gerade diese rechtsphilosophischen Voraussetzungen ließen Hegel aber, so MOMIGLIANO und ihm folgend BONACINA, zuletzt eine durchdringendere Deutung der Agrargesetze gewinnen (69) als NIEBUHR, der seine geschichtliche Darstellung auf den von SAVIGNY im Römischen Recht behaupteten Unterschied „zwischen Besitz und Eigentum" (36) gründete. Auf der driften, wirkungsgeschichtlichen Ebene kann BONACINA anhand von MOMIGLIANO nicht nur die , Originalität' des Hegelschen Rom-BUdes unterstreichen, sondern auch den fortdauernden und untergründigen Einfluß zeigen, den die Kategorien von Hegels Weltgeschichte auf RANKE, DROYSEN und BURCKHARDT besaßen, obwohl sie sich als Historiker immer von deren Apriorismus zu distanzieren versuchten (XVII). Besonders wichtig ist hier die für MOMIGLIANO unumgängliche, historiographische Porderung nach einer Deutung des Christentums, die in ihm den Kulminationspunkt der gesamten antiken Geschichte sieht. Anhand eines genauen Textvergleiches (169—259) gelingt es BONACINA überzeugend zu zeigen, wie diese Forderung bei den oben genannten Historikern wirksam ist. Als Forschungsperspektive stellt er die Frage nach den spezifisch kulfurellen Gründen, „die diese Hegel objektiv so nahen Menschen veranlaßt haben, auf ihre
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Verschiedenheit und sogar Fremdheit ihm gegenüber immer wieder zurückzukommen" (261). Marcello Monaldi (Triest)
Klaus Hast: Hegels Ästhetische Reflexion des freien Subjekts. Der Satz vom Ende der Kunst im Lichte eines vernachlässigten Aspekts. Frankfurt a. M., Bern, New York, Paris: Peter Lang 1991. V, 181 S. Hegels Satz vom Ende der Kunst ist seit eh und je als Skandalen empfunden worden. Dennoch hat nicht zuletzt die in den letzten Jahren mit erneuter Vehemenz geführte Diskussion um die Hegelsche Ästhetik (vgl. u. a. die Arbeiten von R. BUBNER, A. GETHMANN-SIEFERT, D. HENRICH) gezeigt, daß die in Hegels These vom Vergangenheitscharakter der Kunst sich zuspitzende idealistische Ästhetik schlechterdings nicht umgangen werden kann — gerade auch im Blick auf eine heutige Begründung der Ästhetik. Die Arbeit HASTS, eine Marburger Dissertation aus dem Jahre 1987, sucht nun die Hegelsche These zu bestimmen, indem sie sie „im Lichte eines vernachlässigten Aspekts" diskutiert: Seine Arbeit beansprucht, „den Fortgang der ,Ästhetik' sowie ihren Fluchtpunkt in der Ende-These anhand der Gestaltungsentwicklung des freien Subjekts zu verfolgen und zu erklären" (111). Damit ist in der Tat der für den Gang der „Ästhetik" systematisch entscheidende Punkt anvisiert, steht doch Hegels spekulative Kunstkonzeption in innerem Zusammenhang mit der (in Jena vollzogenen) Ausbildung seiner Philosophie zu einer Theorie absoluter Subjektivität. Von diesem Standort aus kann Hegel nicht nur Kunst und Religion als mindere („vergangene") Weisen der Vermittlung des Absoluten einstufen; sie macht es ihm gleichfalls möglich, die ,Kunstgeschichte' im besonderen danach zu sichten, ob und wie in ihr das Prinzip der Subjektivität sich verwirklicht, ln dieser Hinsicht verdient die sog. „romantische Kunst" eigens thematisiert zu werden: Denn hier bricht sich eigentlich erst das moderne Prinzip der freien Subjektivität Bahn. Eben dies Prinzip ist für Hegel aber auch der Grund des Überganges der Kunst in die „wissenschaftliche" Philosophie der Kunst, die nun erst wahrhaft zu „begreifen" beansprucht, was an ideellem Gehalt in der Kunst „erschienen" ist. Daß HAST die Thematik der „romantischen Kunstform" in die Mifte seiner Arbeit stellt, geschieht insofern völlig zu Recht, ln „Exkursen" zu JEAN PAUL und FRIEDRICH SCHLEGEL (77—145), den Hauptadressaten mithin der Hegelschen Romantik-Kritik, werden die Grundzüge des romantischen Ansatzes (greifbar vor allem in der „romantischen Ironie" FRIEDRICH SCHLEGELS) sowie Recht und Unrecht der Hegelschen Kritik des ästhetischen Subjektivismus herausgearbeitet. So sieht Hegel in der Romantik zwar die abstrakte Verselbständigung der Künstlerfreiheit
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von der Wirklichkeit, unterstellt ihr aber fälschlich einen „bösen" Willen zum Unsittlichen, wie er überhaupt den Bedeutungsanspruch der romantischen Dichtung verkennt: nämlich auf das Unendliche (bzw. Absolufe) zu weisen, das zwar „höchster" Gegenstand der Philosophie ist, der Philosophie selbst aber als Unerkennbares sich entzieht. Die Konzentration auf die romanhsche Kunst verleitet HAST indes zu einer Interpretation der Vergangenheitsthese, die mindestens defizitär genannt werden muß. Kann man denn sagen, der , subjektive Humor' sei „der systematische Ort der Vergangenheitsthese" (172)? Am Humor JEAN PAULS zeigt Hegel freilich den Verfall der romantischen Kunstform und demonstriert insofern an ihm seine These. Systematisch begründet ist sie letztlich jedoch in dem hierarchischen Ansatz seines Systems, das — gegenüber Kunst wie Religion — die allein adäquate Wahrheitsvermittlung für die Philosophie reklamiert. Verkürzt erscheint die „Substanz der Vergangenheitsthese" ebenso, wenn sie auf den Wahrheifsverlust der Resultate der „freien künstlerischen Stellung zur Wirklichkeit" festgelegt wird (172). Denn Hegels These bezieht sich in ihrer spezifizierten Form ja gerade auf das Ideal der klassischen Kunstform und verneint damit für die Moderne ausdrücklich die Möglichkeit einer durch Schönheit gestifteten Freiheit und Gleichheit (wie sie Hegel selbst noch im sog. „Ältesten Systemprogramm" vorschwebte). Hegels These eignet so doch eine politisch bedeutsame Relevanz, die bei HAST leider nicht in den Blick kommt, obwohl eine Diskussion dieser Zusammenhänge angesichts des Themas seiner Untersuchung nahegelegen hätte. Stattdessen verfolgt er am Ende seiner Studie — als namhafte Beispiele einer Auseinandersetzung mit Hegels „Ästhetik" im 20. Jahrhundert — die Perspektiven der kritischen Theorie ADORNOS und, im Anschluß daran, der literarischen Hermeneutik und Dramentheorie PETER SZONDIS (151 ff). Hier gelingf es dem Verfasser, durchaus erhellende Linien von ADORNO zur Romantik zu ziehen, wie andererseits besonders die Hegel-Lektüre SZONDIS treffend zu problematisieren. So kann die vorliegende Arbeit insgesamt als ein instruktiver Diskussionsbeitrag angesprochen werden. Andreas Großmann (Bochum)
Rudie Trienes: Das Problem der Dialektik in Platons Parmenides unter Berücksichtigung von Hegels Interpretation. Frankfurt a. M., Bern, New York, Pa-
ris: Lang 1989. 266 S. (Europäische Hochschulschriften. Reihe 20: Philosophie. Bd 287.) hat in dem „Meer von Untersuchungen" (1) zum PLATONischen Parmenides einen neuen Aspekt dieses schwierigen Textes zur Diskussion gestellt und weist dabei zwei Formen von Dialektik auf. So ist sein Anliegen nicht, einen KommenTRIENES
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tar zum gesamten Dialog vorzulegen, sondern diese beiden Dialektikarten herauszuarbeiten, was ihn schließlich zu Hegels Auslegung, die sich im Laufe von Hegels eigener Entwicklung geändert hat, führt. In vier Argumentationsschritten verfolgt er dieses Vorhaben, wobei die Umfangverteilung der einzelnen Schritte bzw. Kapitel die Schwerpunkte der Darstellung zeigt. I. Die Dialektik als Argumentationskunst (31 S.), II. Die Dialektik als Metaphysik (24 S.), 111. Argumentative und metaphysische Dialektik im Parmenides (67 S.), IV. Hegels Interpretation des PLATONischen Parmenides (62 S.) Nun zum Inhalt und Aufbau der Kapitel im einzelnen. Sie sind alle symmetrisch in zwei Abschnitte (1./2.), die wiederum zwei Unterabschnitte haben (a/b), unterteilt. So ergibt sich eine klare Übersicht über die Argumentationsweise TRIENES', die im I. Teil die Position ZENONS (als Vertreter der eleatischen Philosophie) und GORGIAS (als Sophist) darstellt, um dann die argumentative Dialektik in PLATONS Frühdialogen (Lackes, Charmides, Thrasymachos, Euthyphron, ferner Lysis, Euthydemos, Menon) nachzuzeichnen. Hier ist noch nicht die Ideenlehre PLATONS entwickelt, und die Dialektik wurde im Sinne des Dialegesthai, des Miteinanderredens gefaßt. Ein weiterer Schritt hebt den Unterschied zur eristischen Argumentation der Sophisten, deren Ziel nicht das Erlangen von Wahrheit ist, hervor. TRIENES faßt die Charakteristika der argumentativen Dialektik der Frühdialoge zusammen, die nach einem objektiven, absoluten Maßstab suchen, ohne jedoch schon diesen ontologischen Hintergrund zu durchdenken. Der II. Teil bemüht sich ebenfalls um eine historische Rekonstruktion, jetzt wird die Dialektik in den mittleren Dialogen (Symposium, Phaidon, Phaedrus, Staat) aufgezeigt, in denen die metaphysische Dialektik und somit die Ideenlehre entwickelt wird. Dabei zeigt TRIENES, wie PLATON die Ideen in den jeweiligen Dialogen entfaltet, so etwa die Idee des Guten im Staat. Als Resultat dieser Analyse ergibt sich, daß die metaphysische Dialektik entgegen der argumentativen, die in Aporien führte, da ihr die Mittel für eine wahre Erkenntnis fehlte, zum wahrhaften Wissen und zur Erkenntnis der Idee gelangt. Sie wird so zur höchsten Wissenschaft. Im III. Teil werden die Ergebnisse von Teil 1 und II auf PLATONS Parmenides übertragen. Hier zeigt sich, die These von TRIENES, daß sich in der Zweiteilung dieses Dialoges im ersten Teil die argumentative Dialektik der Frühdialoge und im zweiten Teil die metaphysische Dialektik der mittleren Dialoge widerspiegelt. „Die Absicht des 1. Dialogteiles ist es, die parmenideische Frage nach der Einheit des in Wahrheit Seienden in den Bereich der von SOKRATES eröffneten Ideen zu übertragen, da erst im Ideenreich die Frage nach dem Sein zureichend gestellt werden kann." (61) Eine Diskussion über ontologische Probleme, d. h. über den Aspekt der Einheit der Ideen wird hier geführt. Dabei gerät sie in Aporien, da die Ideen als Ideen selbst noch nicht bestimmt sind und diese lediglich als sinnliche Gegenstände aufgefaßt werden. Die Dialektik im zweiten Dialogteil soll nun die Lösung der Aporien bezüglich der Methexis und des Chorismos erarbeiten. „Sie soll in einem vollständigen Durchgang durch das Bezugsganze, in welchem eine Idee erscheint, aufzeigen, daß eine jede Idee in sich selbst eine Mannigfaltigkeit von Hinsichten darstellt. Im Durchgang durch diese Vielheit von Hinsichten soll sich erweisen, daß
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die Idee sich als eine und dieselbe zu bewahren vermag, ohne daß die Erörterung sich in Antinomien auflöst." (81) Nun stellt TRIENES die Argumente in neun (und nicht in acht (!)) Hypothesen auf, wobei die erste Voraussetzung „Wenn Eines ist" und die zweite „Wenn Eines nicht ist" ist. Es zeigt sich, daß einer Idee zwar auch die entgegengesetzte Bestimmung zukommen kann, daß sie aber nicht in derselben Hinsicht ihr eigenes Gegenteil sein kann. Der Darstellung der neun Hypothesen liegt also eine nicht-antinomische, dialektische Struktur zugrunde. In diesem Teil des Dialoges gewinnt PLATON in der Auseinandersetzung mit dem Eleatismus seine eigene Ideendialektik. Das Kapitel IV beschäftigt sich mit Hegels Auslegung des PtATONischen Parmenides, die TRIENES in eine positive und eine negative gliedert. Im Abschnitt 1 stellt er Hegels positive Interpretation im Skeptizismus-Aufsatz, in der Logik von 1804/05 und in der Phänomenologie des Geistes und im Abschnitt 2 die negative Aufnahme des Parmenides in der Wissenschaft der Logik und in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie dar. So deutet Hegel im Skeptizismus-Aufsatz den Parmenides als echten Skeptizismus, was nach TRIENES, der dem Dialog sogar „spekulative Bedeutung" (135) zuschreibt, nicht zutreffend ist. Hegels Interpretation entspricht nicht dem, was wirklich von PLATON entwickelt wurde, doch hatte der Parmenides einen großen Einfluß auf Hegels zu dieser Zeit noch negativen Konzeption der Dialektik. In einem weiteren Schritt betrachtet TRIENES den Einfluß PLATONS auf Hegels Jenaer Logik von 1804/05. Dort hat sich Hegels Dialektikauffassung gewandelt. Er thematisiert nun das Verhältnis von Einem und Vielem, und die Dialektik dient ihm hier, um auf ,positive' Weise zur Erkenntnis des Absoluten zu gelangen, was ihn mit Platons positiver Erkenntnis der Wahrheit verbindet. Unterschiede zeigen sich in der Methode der Dialektik. (159 ff) In der Phänomenologie des Geistes stimmt die Dialektik Hegels zwar nicht mit der PLATONischen überein, doch ist sie auch hier von PLATON inspiriert. Nicht nur, daß der Parmenides als das „wohl größte Kunstwerk der alten Dialektik" gepriesen wird, auch die ersten beiden Kapitel (sinnliche Gewißheit, Wahrnehmung) entwickeln an PLATON orientiert das Verhältnis von Einem und Vielem. In der Wissenschaß der Logik wird die Dialektik des Parmenides als äußerliche Reflexion bezeichnet. Hier erfährt der Dialog also eine scharfe Kritik, was mit Hegels eigener Veränderung seiner Dialektikkonzeption zusammenhängt. TRIENES prüft nun, ob Hegels Kritik auch wirklich gerechtfertigt ist, und weist mehrere Punkte auf, die dieses dementieren, so daß er schließlich folgert: „Diese Einschmelzung von PLATONS Metaphysik in Hegels Logik geht jedoch mit dem Verlust jeder historischen Selbständigkeit der platonischen Gedanken zusammen." (185) Als letzten Text für Hegels negative Interpretation des Parmenides werden die Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie betrachtet, in welchen Hegel PLATONS Dialektik wiederum als „äußerliches Verfahren" (187) kritisiert, „da sie nicht Widersprüche in einem einzelnen Begriff immanent herausarbeitet, sondern einen einzelnen Begriff aus verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet." (189) Annette Seil (Bochum)
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La question de Dieu selon Aristote et Hegel. Publie sous la direction de Thomas de Konninck et Guy Planty-Bonjour (travaux du Centre de recherche et de documentation sur Hegel et sur Marx de TUniversite de Poitiers, en collaboration avec la faculte de philosophie de TUniversite Laval — Quebec). Paris: PUF 1991. 430 S. Le titre meme de ce recueil, constitue sur la base d'un colloque qui se tint ä Poitiers il y a quelques annees, semble inviter ä un exercice de comparaison erudite entre deux grands philosophes du passe, ARISTOTE et Hegel. Une lecture plus approfondie suscitera aussi, et peut-etre surtout, une reflexion sur ce que, dans sa propre contribution au colloque (intitulee Hegel et le droit de l'Absolu dans la pense'e de CLAUDE BRUAIRE), Tabbe ANDRE L6ONARD denomme la provocation chretienne: la raison peut-elle comprendre, et accepter, cette proclamation centrale du christianisme, selon laquelle Dieu se serait incarne dans le temps? Ou ne doit-elle pas plutot s'y opposer, si eile veut „defendre le droit de Dieu ä etre Dieu"? Peuton „unir la provocation chrettenne et Texigence de la pensee"? Selon Tabbe LEONARD, ce fut lä ce que chercha ä faire BRUAIRE, cet interprete franfais de Hegel que les lecteurs des Hegel-Studien connaissent essentiellement par son livre Logique et religion chretienne dans la philosophie de Hegel (Paris 1964). Ce fut lä aussi une question centrale, sinon la question centrale, de Hegel lui-meme. Mais ce ne fut pas, et ne pouvait pas etre, bien sür, la question d'ARISTOTE: rien d'etonnant, donc, ä ce que, ainsi que nous le rappellent dans ce volume nombre de savants commentateurs, Hegel ait ete si infidele ä ARISTOTE sur „la question de Dieu". Dans La question de l'ontotheologie chez ARISTOTE et Hegel, PIERRE AUBENQUE poursuit ici les grandes lignes d'une analyse dont il avait pose les bases des 1974 (cf. Hegel et ARISTOTE. Dans: Hegel et la pense'e grecque. Publie sous la dir. de JACQUES D'HONDT. Paris 1974. 97—120). Mais alors que, dans ce premier article, AUBENQUE analysait ce qu'affirme explicitement Hegel d'ARISTOTE dans ses Legons sur l'histoire de la philosophie, il examine plutot ici la structure meme du Systeme hegelien, teile qu'elle est exposee par Hegel dans la preface ä la premiere edition de la Science de la Logique et dans Tintroduction generale ä cette oeuvre; et il met en evidence les emprunts faits par Hegel ä la metaphysique scolaire en vigueur ä son epoque — ä cette metaphysique meme que, ä la suite de HEIDEGGER, AUBENQUE caracterise comme „onto-theologie". Selon AUBENQUE, ce sont de tels emprunts qui rendent compte des infidelites hegeliennes ä Taristotelisme — de ces infidelites memes, qu'U avait relevees et analysees avec tant d'acuite dans son premier article. Plusieurs autres contributions, d'autant plus convaincantes qu'elles viennent de specialistes d'ARISTOTE qui se disent tres ouvertement „innocents de Hegel" (pour reprendre Texpression de VIANNEY DECARIE dans Le divin dans l'ethique aristotelicienne), soulignent, eiles aussi, ä quel point il est difficUe, voire impossible, de comprendre ARISTOTE ä partir de problematiques philosophiques modernes, bien differentes de la sienne: peut-on vraiment esperer comprendre la signification de sa soi-disant „preuve" physico-theologique de Texistence de Dieu, demande par
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exemple HENRI-PAUL CUNNIGHAM (dans Täeologie, nature et esprit), lorsqu'on interprete cette „preuve" ä la fa^on de KANT OU de HUME? La reponse ä de telles questions ne peut qu'etre negative, et convie ä une reconstitution de „ce qui a pu rendre possible l'appropriation hegelienne de l'aristotelisme": teile est precisement la täche ä laquelle se consacre REMI BRAGUE dans un article de fond portant sur Le destin de la ,Pensee de la Pensee' des origines au debut du moyen äge: c'est toute „une Serie de coups de force hermeneutiques" qui, selon BRAGUE, preceda et rendit possible la lecture, par Hegel, du fameux passage de la Metaphysique (7, 1072 b, 18—30) par lequel se conclut VEncyclopedie. Mais le theme dont, ä en croire des generations plus tardives d'interpretes, traiterait ce passage — celui de la 'pensee de la pensee', con^ue comme „explicitation philosophique de Dieu" — „n'etait pas necessairement ce sur quoi ARISTOTE voulait faire porter l'accent": ce theme, ecrit BRAGUE, n'a pu „s'imposer en christianisme" qu'„une fois arrache ä son contexte aristotelicien (un dieu qui ignore le monde) et corrige par un autre modele, certes aristotelicien (celui de l'intellect qui coincide avec toutes choses) mais lui-meme combine avec l'idee de l'Un dont tout emane" (168 ss). Et une teile idee est manifestement plus neo-platonicienne qu'aristotelicienne. La formule d'un dieu qui, se pensant lui-meme, pense toutes choses, vient en realite de PLOTIN, qui l'applique cependant au noüs — et cette idee se deduit directement du principe, fondamental chez PLOTIN, de l'identite de r„esprit" avec les choses. Ce seront neanmoins d'autres auteurs encore — THEMISTIUS, en particulier — qui, transgressant la distinction faite par PLOTIN entre l'Un et l'Esprit, appliqueront l'idee ä Dieu lui-meme . . . Voici un exemple, le plus celebre, sans doute, des „coups de force" retrouves et minutieusement analyses par BRAGUE dans sa reconstitution erudite d'une tradition interpretative qui pendant longtemps, d'ailleurs, ainsi qu'il le souligne lui-meme fort ä propos, ne se voulut ni ne se pretendit nullement fidele ä ARISTOTE lui-meme. Qu'il soit impossible de comprendre comment Hegel interprete ARISTOTE sans faire intervenir d'autres chainons intermediaires, et en particulier PLOTIN, est un point que rappelle aussi THOMAS DE KöNINCK dans une contribution explicitement consacree, quant ä eile, ä La , Pensee de la Pensee' chez ARISTOTE lui-meme. Le lecteur begehen constatera avec interet que DE KöNINCK est pour sa part bien loin de condamner unilateralement Tinterpretation d'ARISTOTE proposee par Hegel: Hegel ne reconnut-il pas, contrairement ä la pratique de toute une lignee d'interpretes modernes et contemporains, toute Timportance du De Anima (111, 6, 430 a 25—b 30) sur la question de la noesis? C'est „un tort, s'agissant de la noesis noeseds, ecrit DE KöNINCK, de passer outre aux developpements relatifs ä la sustoichia des contraires, si fortement releves, en revanche, par Hegel; son genie semble en avoir parfaitement entrevu la portee, quoi qu'on decide de Tinterpretation ulterieure qu'il a pu en tirer" (147). Hegel, „quand meme ses propres lectures appellent des critiques, ne laisse pas de lire en philosophe" (72). Ainsi, serions-nous tentes d'ajouter, nous faut-il, nous aussi, le lire en philosophes, et ceci meme s'il nous faut reconnaitre ä quel point les questions qu'il pose, et le contexte ä partir duquel ü les pose, different des questions d'ARISTOTE lui-
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meme, et du contexte grec. Si, comme le dit AUBENQUE dans une perspective fort heideggerienne, il y a en Hegel „occultation" d'une question par une autre, cette occultation doit avoir ete suscitee par des raisons puissantes, voire meme etre inscrite dans „le destin de l'etre". Mais ceci ne veut-il pas dire qu'il faut depasser la reduction veneneuse, par SCHELLING, de toute la philosophie hegelienne ä un simple „episode" (une remarque que rappelle JEAN FRANCOIS COURTINE dans un article tres eclairant sur les relations de SCHELLING ä Hegel, intitule La critique schellingienne de Vontothe'ologie), pour tenter de darifier la nature propre, et la signification, de l'interrogation philosophique hegelienne? Et celle-ci ne se developpa-telle pas en grande partie en reponse ä la „provocation chretienne"? Car s'il est vrai que, comme le souligne AUBENQUE (279), le message chretien — ou peut-etre, serions-nous tentes de preciser, le message chretien en ses sources proprement juives — est centre sur la transcendance de Dieu, ce message fait aussi une place non moins essentielle au „mystere" de l'lncarnation: n'est-ce pas dans ce cadre, proprement chretien, qu'il convient de replacer l'interpretation, par Hegel, de la noesis noeseds? C'est bien dans ce cadre que se place BERNARD BOURGEOIS dans sa propre contribution Le dieu de Hegel: concept et creation: BOURGEOIS s'interroge ici sur „l'authenticite chretienne du Dieu hegelien" et, plus precisement, sur la fagon dont Hegel confoit la notion d'un Dieu cre'ateur: concevoir la creation, c'est pour Hegel en saisir la necessite. Mais une creation comprise comme necessaire est-elle encore creation, au sens judeo-chretien du terme? „Si le concept de creation implique l'affirmation d'une teile necessite originairement divine de l'acte createur et du monde cree sensible, ne supprime-t-il pas ce qu'il veut penser, ä savoir la liberte de Dieu ä l'egard de l'acte createur et du monde cree, qui, dejä pour la representation, distingue l'activite creatrice de toute autre activite, et, plus precisement comme activite d'un sujet, de l'activite simple productrice d'une substance?“ (296) Ainsi en vient-on ä reduire le hegelianisme ä un pantheisme, qui substantialiserait l'activite de l'absolu, pour la concevoir. Hegel, pourtant, nous le savons, rejette explicitement toute Interpretation pantheistique de la creation, pour neanmoins valoriser non pas „la creation proprement dite, affirmee dans le judai'sme", c'est-ä-dire „la „creation par le sujet, mais abstrait, de ce qui est alors son Autre, l'objet mondain, mais bien plutöt „la ,seconde creation du monde', la creation se depassant ellememe dans l'lncarnation, theme central de la religion accomplie du christianisme" (297). Mais comment faut-il donc comprendre la concephon hegelienne de l'„lncarnation" — cette „provocation"? La creation, ecrit Hegel dans la partie de ses Legons sur la philosophie de la religion qu'il consacre ä la „religion absolue" et, plus particulierement, au „regne du Fils", est acte de „laisser aller" (Entlassen) le cree hors du createur: „c'est 1'absolue liberte de l'idee que de laisser aller, en son activite de determiner, de juger, 1'Autre comme un etre libre autonome. Cet Autre, qu'on laisse aller comme un etre autonome, est le monde en general" (Lasson. 11, 2. 94). La creation, commente BOURGEOIS, c'est „la liberte qui pose une liberte"; et teile sera bien la raison pour laquelle la creation ne s'accomplit, selon Hegel, que lorsqu'elle est creation non plus
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d'un Autre — le monde — mais de soi-meme: „l'etre que Dieu cree, c'est luimeme, . . . cet etre n'a pas du tout la determinite d'un Autre, mais il est immediatement reconcilie, le Fils de Dieu, l'homme cree ä l'image de Dieu" (301. Cf. Lassen. 1, 1. 200) . . . JOSEF SIMON examinant ces memes passages de la Philosophie de la Religion dans Le concept logique de l'ide'e absolue et le probleme de l'existence de Dieu, insiste: „ ,le libre n'est present que pour le libre'; et pour que n'intervienne ici aucun malentendu, Hegel ajoute; ,ce n'est que pour l'homme libre qu'un autre aussi est comme libre". II s'agit dans cet ,esprit absolu' completement d'un esprit humain en lequel chacun est ainsi sür qu'il peut reconnaitre 1'autre comme ,aussi libre', c'est-ä-dire aussi comme libre face ä ce qui constitue l'homme selon sa propre representation. C'est dans cet esprit qu'il faut maintenant comprendre Dieu ..." (388). Sans doute, ajoute SIMON en conclusion de son article, pour Hegel l'„esprit" n'est pas seulement le rapport entre personnes . . . se reconnaissant mutuellement comme libres". 11 „doit etre un Tiers face ä ces deux autres personnes" (397 s.). N'est-ce pas pourtant dans le sens d'une Interpretation politique — peut-etre meme anthropologique — de la philosophie hegelienne de la religion qu'il s'engage ici: une interpretation que BOURGEOIS, sans doute, refuserait, puisqu'U souligne avec force, dans son propre article, le caractere premier et indepassable de la conscience religieuse selon Hegel; indepassable par une quelconque anthropologie, mais aussi par la philosophie elle-meme. Mais pourquoi donc, et en quel sens, Hegel insiste-t-il tant sur le caractere creationniste du concept? Le fait meme de poser la creation comme une activite „essentielle ä Vetre meme du Principe" ne va-t-il pas, comme BOURGEOIS le concede lui-meme, „ä Tencontre de la tradition judeo-chretienne" (319) — et en ce sens, d'une conscience religieuse? Ou ne serait-ce pas plutot la „provocation" chretienne, dirigee essentiellement contre la conscience religieuse juive, qui reste et ne peut que rester, de par sa nature meme, provocation? Myriam Bienenstock (Grenoble)
Donata Schoeller: Gottesgeburt und Selbstbewußtsein. Denken der Einheit bei Meister Eckhart und G. W. F. Hegel. Hildesheim: Bernward 1992. 142 S. (Philosophie und Religion. Bd4.) „Daß Gott seinen Sohn gezeugt — ein aus der natürlichen Lebendigkeit genommenes Verhältnis —, so werden wir uns in der Philosophie nicht ausdrücken", sagt Hegel in der Einleitung zu den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. „Indem die Philosophie ihren Gegenstand denkt, hat sie den Vorteil, daß, was in der Religion unterschiedenes Moment ist, in der Philosophie in Einheit ist": Denkendes Denken. Daraus ergibt sich die Frage, ob eine Einheit der unterschiedenen Momente von Denken und Vorstellung überhaupt möglich ist: Wo
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Denken an die Vorstellung oder Einbildung gebunden ist, gibt es nur diese. Es liegt für Hegel daher nahe, das Denken von der Vorstellung abzuscheiden und als die Idee selbst zu begreifen oder das logische Selbstverhältnis. Dieser absolut begriffliche Standpunkt der Philosophie wird in einer Notiz zu MEISTER ECKHART deutlich. Hegel berichtet (in den Vorlesungen über die Philosophie der Religion) aus drei mittelhochdeutschen Predigten Eckharts (die ich in Klammern nachweise) und entwickelt sie auf der Stelle in seine absolute Reflexionsform (von mir kursiv gesetzt): „Das Auge, mit dem mich Gott sieht, ist das Auge, mit dem ich ihn sehe; mein Auge und sein Auge ist eins. (Vgl. DWI, Pr. 12) In der Gerechtigkeit werde ich in Gott gewogen (richtig: geboren) und er in mir. (Vgl. DW 77, Pr. 39) Wenn Gott nicht wäre, wäre ich nicht; wenn ich nicht wäre, so wäre er nicht. Dies ist jedoch nicht not zu wissen (vgl. DW 77, Pr. 52), denn es sind Dinge, die leicht mißverstanden werden und die nur im Begriff erfaßt werden können." Das „Zitat", wie sie sagt, ist der Anlaß des Bändchens von DONATA SCHOELLER, die dem Zitat aus den Vorlesungen über die Philosophie der Religion aber die Hegelsche Spitze nimmt: „und die nur im Begriff erfaßt werden" wird von ihr überschlagen (67/68). Wie verhält sich denn der philosophische Begriff Hegels zu dem ,geiste' der (zuletzt genannten) EcKHARTschen Predigt nach Matth. 5,3 und dem Heiligen Geist aus der Vorstellung, in der er von Vater und Sohn ,gegeistet wirt' (DW77, Pr. 29)? Absolut. DONATA SCHOELLER weiß dies, hegt aber eine Absicht: „Das Zusammenspiel Hegels und ECKHARTS" (72 ff). ECKHARTS Ausdruck der Gottesgeburt ist kein „von ihm geprägter Begriff" (91), sondern geht auf den Inhalt des Christlichen Glaubens zurück, den ORIGENES beispielhaft auf das Selbst-Verhältnis im Dreieck des PLATONismus bezieht und sich also zugleich von diesem absetzt: ,ORIGENES der schribet gar ein edel wort, und sprseche ich ez, ez diuhte iuch unglouplich . . .' (Vgl. DWII, Pr. 41) Seit ORIGENES hat sich die Christliche Botschaft der Gottesgeburt die Struktur des logischen Selbst-Verhältnisses (vor allem aus Timaios und Politeia) zu eigen gemacht und gegen die Idee selbst polemisiert: ,Er wasre wol ein tore, der mit einem begriffe begrifen möhte . . .' (Vgl. DW777, Pr. 73). Es wundert also nicht, daß DONATA SCHOELLER sozusagen Strukturbeziehungen als solche zwischen MEISTER ECKHART und Hegel sucht, die sie „Gemeinsamkeiten" nennt: Bis Seite 107 werden „nur Gemeinsamkeiten zwischen den beiden hier verglichenen Denkern zur Sprache" gebracht. Um den Vergleich „abzurunden" (ebd.), sollen doch „noch jene Punkte Beachtung finden, die auf Differenzen zwischen Hegel und ECKHART aufmerksam machen", denn ECKHART sagt „verblüffend, aber unmißverständlich —: ,vater meinet gebürt und niht glichnisse'". (91 nach DWV: BgT) Aber: „einunge wil haben glichnisse." (Vgl. DWII, Pr. 44) Die „Vermittlung" bestünde nach DONATA SCHOELLER darin, daß die beiden Positionen vor(-)gestellter Geburt und logischer Gleichheit (des-gleichen) oder begrifflicher Identität (der Identität) einander nicht ausschließen, „sondern ineinandergefügt werden" (124), um als „Interpretationshilfe dienen" zu können (138), denn „das bei ECKHART häufig nur Postulierte gewinnt durch Hegel eine philosophische Fundierung, und das, was durch die
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strenge Konsequenz der logisch-dialektischen Darstellungsweise Hegels manchmal unterzugehen droht, wird von ECKHART frei ausgesprochen.“ (Ebd.) Wie Hegel im o. a. Zitat aus den Vorlesungen über die Philosophie der Religion zeigt, gönnt die Philosophie der Theologie ihren Begriff; die Philosophie verteidigt ihren eigenen. Katharina Comoth (Köln)
Leslie Armour: Being and idea. Developments of Some Themes in Spinoza and Hegel. Hildesheim, Zürich, New York: Olms 1992. 185 S. (Philosophische Texte und Studien. Bd 26.) Daß Hegel bei Lichte besehen den für seine spekulativen Zwecke utilisierten Autoren in vielem nicht interpretationsgerecht geworden war, zeigt sich auch deutlich an seinem philosophischen Unternehmen, SPINOZAS „starre" Substanz in eine trinitätsspekulative Einheit zu transformieren. Auch wenn Hegel letztlich seine Denkanstrengungen und terminologischen Neuschöpfungen gegen SPINOZAS Substanzmetaphysik aufbietet — für seine Frontstellung gegen die modernste Erscheinung der Philosophie aber utilisiert Hegel SPINOZAS Substanzmetaphysik als eine Projektionsfläche für seine eigenen spekulativen Ideen. Derart kann Hegel dann SPINOZAS Philosophie als den höheren philosophischen Standpunkt des Absoluten entschieden gegen die „Reflexionsphilosophie der Subjektivität" ausspielen. Mag nun auch im Gegenhalt zu Hegels philosophischen Nahgegnern SPINOZAS Philosophie der Einen Substanz der höhere Standpunkt des Absoluten sein — im Gegenhalt zu Hegels eigener Spekulation aber ist dies Absolute mitnichten auch schon der „Begriff seiner an sich selbst". Diesen „wahren" Begriff des Absoluten zu denken und damit gleichsam den „höchsten" philosophischen Standpunkt einzunehmen, behält sich Hegel selbst vor. Einzig als Vermittlungserfordernis für den „Begriff seiner an sich selbst" will Hegel die Eine Substanz SPINOZAS als „wahr" und somit auch „berechtigt" festgehalten wissen. An der Einen Substanz als der höchsten Weise des Absoluten festzuhalten, heißt für Hegel nichts anderes als Gott zu einem „relativen Absoluten" oder zu einer „schlechten Unendlichkeit" zu machen. Und dagegen nun spekuliert Hegel an. Die von Hegel hierfür supponierte Offenbarungsbedürftigkeit Gottes wird zur Spekulation über nichts weniger als die angeblich notwendige Selbstunterscheidung Gottes an sich selbst einerseits und andererseits für uns qua Weltgeist und seiner Geschichte. Diese an sich selbst unterschiedene und doch mit sich identische Einheit des Absoluten meint Hegel, wenn er von Gott als „Subjekt" spricht. Auch wenn sich die trinitätsspekulative Einheit - „Substanz als Subjekt" — mit der authentischen Substanzmetaphysik SPINOZAS kaum verträgt, so hat doch Hegels Denkanstrengung um diese gleichwohl deren Ungereimtheiten ins Licht ge-
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rückt. Beleuchtet haben diese Ungereimtheiten — wie etwa das Verhältnis von Substanz, Attribut und Modus — aber auch schon andere vor Hegel. Doch Hegel war davon überzeugt, daß seine „Aufhebung" der „starren" Substanz in die spekulative Selbstbewegung des Absoluten geleistet hatte, was den SpiNOZA-Kritikern vor ihm eben nicht gelungen sein soll — die Widersprüche in SPINOZAS System nämlich gelöst zu haben. Daß Hegels SPINOZA nicht durchweg Zustimmung fand, zeigt die — auch heute noch währende Auseinandersetzung mit Hegels SpiNOZA-Deutung. Und daß man nicht zwangsläufig zum unkritischen SPINOZA-Apologeten wird, sobald man von Hegels SPINOZA absteht, beweist einmal mehr die gerade erschienene Studie von LESLIE ARMOUR. ARMOUR distanziert sich entschieden von dem durch Hegels Brille gelesenen SPINOZA und ist bereit, sich von „den Hegelianern" deswegen den Vorwurf des Anti-Hegelianismus gefallen zu lassen. Es sind die gängigen Einwände, die auch ARMOUR gegen Hegels SPINOZA geltend macht. Doch Hegels SPINOZA-AOeignung noch einmal zu widerlegen, ist nicht das, worum es ARMOUR vordergründig und ausschließlich geht. Und den authentischen SPINOZA ZU konsultieren ist notwendig, wenn man, wie ARMOUR, davon ausgeht, daß SPINOZAS monistische Auffassung der Realität eine mögliche Alternative zur heutigen Erkenntnis-Zersplitterung („fragmentation of knowledge") wäre. An Hegel ist ARMOUR dann auch insofern interessiert, als Hegels monistische Realitätsauffassung ein konkurrierendes Modell zum Monismus SPINOZAS wäre und als solches also eine weitere Option einheitlicher Erkenntnis offenhält. Hegel sowohl als auch SPINOZA waren überzeugt von der Wahrheit ihres Systems. Bei ARMOUR allerdings liegt die Beweislast hierfür einseitig bei Hegel. Doch der Hegel bei ARMOUR überzeugt kaum. Das liegt daran, daß ein von seinen Spekulationen entblößter Hegel bemüht wird. Die Inapplikabilität Hegelscher Spekulationen auf die Erkenntnisprobleme der gegenwärtigen Wirklichkeit soll hier gar nicht bezweifelt werden. Nur, dem authentischen Hegel wird man bestimmt nicht interpretationsgerecht, wenn man ad libitum vom Inhalt Hegelscher Denkfiguren absieht und aus Hegels Form-Begriff etwa dann den unspekulativen Struktur-Begriff herauslesen zu können glaubt. ARMOURS aneignungshermeneutischer Zugriff auf Hegel mag prima facie plausibel sein — zumal damit das zwanghafte Aktualisierungsbedürfnis älteren Texten gegenüber wieder einmal aufs trefflichste bedient wird; und schließlich macht es heute immer Eindruck, einen Autor wie Hegel besser zu verstehen, als dieser sich selbst verstanden hatte. Ad fontes jedoch verwässert ARMOURS relevanz-aktuahsierender Zugriff auf Hegel dessen Spekulationsvokabular zu bedürfnisgerechten unspekulativen , Mentaleinheiten', die Hegel als bloße Verstandesbegriffe verabschiedet haben würde. Nicht der Rückgriff ARMOURS auf den authentischen SPINOZA gegen Hegels SPINOZA rechtfertigt den Vorwurf des Anti-Hegelianismus, sondern ARMOURS anti-spekulativer Habitus, der bei genauerer Beleuchtung der Studie auch deren Ductus bestimmt. Entkräftet wird dieser Vorwurf wohl kaum dadurch, daß ARMOUR dem Leser nahelegt, es handelt sich hier um eine „Spinozistic study". ARMOURS Vorbeilesen an Hegel ist durchaus konsequent — muß doch der unspekulative, aber nunmehr auch erst verständige Hegel
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den leidlichen Part des repoussoir übernehmen. Die Option Hegel oder SPINOZA ist nichts als eine Schein-Option, denn ARMOUR kann nun einmal SPINOZA besser für sich utilisieren als Hegel. Ein metaphysisches System gegen die „fragmentation of knowledge" zu konstruieren, ist das Ziel der Denkanstrengung ARMOURS. ARMOUR ist nämlich davon überzeugt, daß die Reposition einer monistischen Realitätsauffassung ein Ausweg aus der gegenwärtigen Erkenntnis-Zersplitterung wäre. Und Armour glaubt auch, daß sich für das zu inaugurierende metaphysische System aus einfachen Begriffen („simple concepts") zentrale Lehrstücke von SPINOZA utilisieren lassen. Diese gibt Armour denn auch dem Leser ausführlichst an die Hand — was für Leser, die mit Spinoza weniger vertraut sind, ohne Zweifel hilfreich sein dürfte. Und insofern hierzu auch die letzten SpiNOZA-lnterpretationen eingehend konsultiert werden, verschafft ARMOUR dem Leser einen ausgezeichneten Einblick in den aktuellen Forschungsstand — wenn auch nur in den angelsächsischen. Was aber sollen „einfache Begriffe" sein? Sind etwa SPINOZAS Begriffe, deren sich ARMOUR dann weitgehend bedienen wird, „einfache Begriffe"? Und wären im Gegenhalt dazu Hegels Begriffe dann „nicht-einfache" resp. „uneinfache Begriffe"? ARMOURS „simple concepts" lassen sich beim besten Willen nicht klar und deutlich erhellen. Hier wäre dann doch etwas mehr ,Arbeit am Begriff' erforderlich gewesen. Nicht weniger opak als die „simple concepts" ist die von ARMOUR perhorreszierte „fragmentation of knowledge". Doch auch hier gelingt es nicht von ARMOUR ZU erfahren, was eigentlich damit besagt sein soll. Klärungsbedürftig ist die, ja auch schon von anderen gesehene, Erkenntnis-Zersplitterung in einer Hinsicht allemal. Wenn nämlich mit der Erkenntnis-Zersplitterung der substanzlose Beliebigkeits-Pluralismus der sogenannten „Post-Moderne" gemeint sein soll, dann könnte dagegen auch etwa KANTS Modell des Prinzipien-Pluralismus aufgeboten werden. Der Rückgriff auf SPINOZAS Monismus jedenfalls wäre nicht zwingend. Und er läge genauso wenig zwingend nahe, wenn mit der Erkenntnis-Zersplitterung das sich selbst Reflexionsgrenzen setzende Tun der positiv betriebenen empirischen Wissenschaften gemeint wäre. Im Gegenteil. Weitaus näher läge hier der Rückgriff auf die spekulative Metaphysik, die von Hegel ehedem schon gegen die bloße Verstandesreflexion der empirischen Wissenschaften und deren vereinzeltes Tun aufgeboten worden war. Doch der Blick auf diesen Hegel muß ARMOUR ob des anti-spekulativen Habitus zwangsläufig verstellt bleiben. ARMOUR würde gut daran getan haben hier eindeutig zu sein, wenn denn die Anleihen bei SPINOZA mehr denn diskretionär sein sollen. Bei allen Vorbehalten gegen Armours eigenwillige Vereinnahmung von SPINOZA und gegen das, dem authentischen Hegel kaum interpretationsgerecht werdende Hegel-Bild — Aufmerksamkeit verdient ARMOURS gewiß nicht einfaches philosophisches Unternehmen schon darum, als es gegen die zur , Reflexionskultur' erhobene Seichtigkeit der pluralistischen Beliebigkeits-Gesinnung ernsthaft Front macht. Aber mehr noch darum, als das ,neo-spinozistisierte' metaphysische System ARMOURS eine neue Variante der Hegel-Widerlegung sein will. Des-
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halb sollte ARMOURS „SpiNOZA-Studie“ auch von „den Hegelianern" genau in den Blick genommen werden. Peggy Cosmann (Berlin)
Cristiana Senigaglia: II gioco delle assonanze. A proposito degli influssi hobbesiani sul pensiero filosofico-politico di Hegel. Firenze: La Nuova Italia 1992. 235 S. Das Buch von SENIGAGLIA ist eine umfangreiche, ausführliche und systematische Untersuchung, die Hegels Deutung der HoBBESschen Philosophie darstellt. Sie zieht sowohl Hegels gesammeltes Werk als auch die Nachschriften und die verschiedenen Editionen der Geschichte der Philosophie und Rechtsphilosophie in Betracht. Mit dem Ziel, den theoretischen Wert von Hegels Auseinandersetzung mit HOBBES hervorzuheben, werden die hauptsächlichen Themen beider Philosophen erörtert: die Notwendigkeit den Naturzustand zu verlassen, der Kampf und die Souveränitätsfrage. HOBBES' Moffo „exeundum est e statu naturae" wurde von Hegel vorbehaltlos übernommen. Er kehrt die naturrechtliche Theorie seiner Zeit radikal um und widerlegt die Meinung, nach der die im Naturzustand garantierte und gewährte Freiheit im Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft eingeschränkt würde. Hegel meint vielmehr, daß die Freiheit nur in der politisch organisierten Gesellschaft vorkomme. Es ist also nicht verwunderlich, wenn Hegel die Theorie HOBBES's als die geeignetste Auffassung des Naturzustandes ansieht. Sie ist nämlich in der Lage, die Vorstellung des Naturzustandes als eines rechtslosen und unfreien Zustandes zu bestätigen. Damit kann Hegel zugleich der gesellschaftlichen und staatlichen Sphäre einen neuen Wert verleihen (77). ln der Wiederaufnahme des Kampf-Bildes wird deutlich, wie Hegel sich die Hauptthemen des englischen Philosophen zu eigen macht, um sie in einen völlig neuen begrifflichen Zusammenhang einzufügen. Bei HOBBES hat der Kampf um Leben und Tod keine positive Bedeutung, da er nur auf den Willen zum Überleben und auf den Selbsterhaltungsfrieb verweist; Hegel führt dagegen ein radikal neues Element ein: den Begriff der Anerkennung, der die positive Bedeutung des Kampfes betonf. Das Ziel ist nicht mehr die bloße Erhaltung des Individuums, sondern es geht darum, die Würde seiner Rolle zu wahren. Das Ergebnis des Kampfes ist dann nicht, wie bei HOBBES, eine vollkommene Entäußerung der Rechte zugunsten einer formalen und abstrakten Substanz, die als eine absolute, transzendente und fremde Entität empfunden wird. Dank der Anerkennung — die bei Hegel Ziel des Kampfes geworden ist — hat das Individuum seine Chance nicht nur dem Anderen, sondern auch der Gesellschaft und dem Staat gegenüber; dadurch wird eine höhere Einheit gestiftet. Die echte Freiheit voll-
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zieht sich nur in einem allgemeinen und objektiven Institutionen- und Normensystem, in dem sich der Untertan in einen politisch tätigen Bürger verwandelt (97-98). Der Begriff der Anerkennung spielt dann eine Hauptrolle: damit trennt sich Hegel von dem anthropologischen Pessimismus bei HOBBES (128). ln dieser These liegt der Schlüssel der ganzen Deutung, die uns die Verfasserin anbietet: wie sie mit Recht sagt, ermöglicht der Anerkennungsbegriff die Aufhebung der absolutistischen, durch das pactum subjectionis bestimmten Perspektive und erleichtert damit den Übergang zu einer Staatstheorie, die die Sphäre des Privatlebens und die Tätigkeit des Individuums bewahren will. In diesem Sinne repräsentiert SENIGAGLiAs Auslegung einen nennenswerten Beitrag zu den aktuellsten Interpretationsrichtungen, die den Stellenwert des Individuums in der Hegelschen Staatstheorie erneut thematisieren. In diesem Zusammenhang — so die Autorin — erfährt der Anerkennungsbegriff seine Realisierung in der Hegelschen Auffassung der Stände (114). Sie werden nämlich bei Hegel nicht unbedingt durch äußere Umstände — wie Geburt und soziale Herkunft — beeinflußt, sondern vielmehr ihre „letzte und wesentliche Bestimmung liegt in der subjectiven Meinung und der besondern Willkür, die sich in dieser Sphäre ihr Recht, Verdienst und ihre Ehre gibt" (Grundlinien. § 206). Aber diese „subjektive" Seite des Anerkennungsbegriffs — d. h. die freiwillige Zustimmung des Individuums zu einem Stand — geht mit einem „objektiven", allgemeinen, mit dem Recht identifizierbaren Element zusammen, das die Verfasserin allerdings zu unterschätzen scheint. In der Jenenser Geistesphilosophie (1805—06), auf die die Verfasserin kurz hinweist, hat der Kampf eine positive Lösung: durch die gegenseitige Anerkennung wird nämlich der Bereich des Rechts als allgemeines Anerkanntsein begründet. Und es ist gerade dieses Universelle, das sich in dem Staat entfaltet, und zwar in dem allmählichen Allgemeinwerden des Willens im Gesetz. Gerade dies würde aber ermöglichen, Hegels Perspektive an jene Staatstheorie anzuschließen, die ROUSSEAUS volonte generale zur Basis hat. Indem die Autorin den Stand als Ort der Verwirklichung des Anerkennungsbegriffs betrachtet, vernachlässigt sie darüber hinaus, daß, was unserer Meinung nach nicht anders als ein ungenügender Zug in Hegels Staatsauffassung angesehen werden kann: der Anspruch auf Allgemeinheit, der durch Anerkennung die Individuen auf ein Gleichheitsniveau stellt, wird eben in der Zugehörigkeit zu einem der Stände gerade nicht erfüllt. Eigentlich findet das Verhältnis zwischen Allgemeinheit und Einzelheit in den Ständen keine Versöhnung: nach Hegel ist nämlich die Religion dazu bestimmt, jedem Einzelnen die Allgemeinheit wiederzugeben, die in der Identifizierung mit einem bestimmten Stand verloren ging. Um auf das Verhältnis Hegels zu HOBBES zurückzukommen, rekonstruiert die Verfasserin die kritische Einstellung Hegels zu HOBBES. In bezug auf den Unterschied des allgemeinen und besonderen Willens stellt sich nach Hegel ein Widerspruch in HOBBES'S Staatsauffassung heraus: einerseits münde sie in die Behauptung einer absoluten Gewalt, aus der Willkür und unbegrenzte Herrschaft entspringen; andererseits äußere und vollziehe sich diese Gewalt durch Gesetze, die
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für alle gültig sind (133). Dieser Widerspruch aber ist nicht HOBBES direkt zuzuschreiben. Wie die Autorin bemerkt, beanspruchte HOBBES nicht, daß die Souveränität die Vorschriften eines vermutlichen allgemeinen Willens äußerte. Es handelt sich vielmehr nach der Verfasserin um einen Hegelschen Anspruch, welcher zu der eigentlich historischen Analyse der HoBBESSchen Auffassung hinzukommt; trotzdem erfaßt Hegel damit gleichzeitig auch einen wichtigen Kernpunkt der Staatstheorie, der bei HOBBES noch latent war (145). Wie die Verfasserin hervorhebt, findet Hegel eine besondere Übereinstimmung mit dem politischen Denken HOBBES'. Bei Hegel verkörpert sich der allgemeine Wille in den Gesetzen: seine „Spitze" aber wird mit einem Souverän, mit einem Monarchen identifiziert, der alle andere Gewalten und die Regierung selbst überragt. In diesem Sinne findet Hegel in der HoBBESschen Theorie — wenn auch in einer sehr eingeschränkten Weise — den Hinweis auf ein generelles Prinzip, welches das Ziel hat, die Einheit des Staates zu schützen (153—154). Die Hegelsche Despotismuskritik wendet sich eher an die absolute Monarchie, die keine Konstitution, keinen repräsentativen, gesetzgebenden Apparat, keine artikulierte, moderne administrative und bürokratische Organisation hat (155—156). Diese Anschuldigungen fallen aber wiederum auf Hegel selbst zurück: er beschreibt in der Rechtsphilosophie die Monarchie in einer widersprüchlichen Weise, nämlich als Wiederaufnahme des Naturbegriffes als Stabilitäts- und Legitimationsprinzip der monarchischen Gewalt oder als absolute Willkür des Souveräns in bezug auf die Möglichkeit, die Minister zu berufen oder abzusetzen (162). Aufgrund der Analyse der verschiedenen Nachschriften der Rechtsphilosophie bemerkt die Verfasserin, daß die Kritik des Despotismus sich mit den veränderten politischen Umständen ab 1823—24 verschärft. Diese Texte beweisen eine wachsende Aufmerksamkeit für die Souveränitätsfrage, die mit dem Anspruch verbunden scheint, den konstitutionellen Charakter des Staates zu schützen. So verliert gewissermaßen die Monarchie ihr Gewicht zugunsten anderer Institutionen. Dank dieser Veränderung der Perspektive gewinnen die Einwände an HOBBES einen prinzipiellen Wert. Hegel ist nun davon überzeugt, daß eine Monarchie ohne Verfassung ein politisches Rechtssystem nicht garantieren kann, sondern notwendigerweise zu einer autoritären Regierung Anlaß gibt (204). Assonanzen und Dissonanzen, Übereinstimmungen und polemische Motiven bestätigen also nach der Autorin die Fruchtbarkeit des dialektischen Verfahrens und dessen Fähigkeit, Begriffe und Perspektive wieder auszulegen und ihnen eine erneute theoretische Würde zu gewähren. Fiorinda Li Vigni (Roma)
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Leon Pompa: Human Nature and Historical Knowledge. Hume, Hegel and Vico. Cambridge: Cambridge University Press 1990. VIII, 234 S. study of historical knowledge is concerned with one of the most important questions facing modern philosophers: that of the relation between historical knowledge and its presuppositions. The discipline of history is usually regarded as concerned with establishing what happened in the past and why it happened, and the method historians employ is usually taken to involve arguing back from the currently available evidence to what must have happened in earlier periods of time. However, POMPA points out that historical evidence by itself can give rise to various conflicting beliefs about the past; our beliefs about the past are, as he puts it, "underdetermined" by the data available to us (201, 206). This means that, though we obviously cannot dispense with historical evidence altogether, we must recognise that such evidence does not suffice by itself to distinguish those beliefs about the past which are to be regarded as factual from those which are merely chimerical. According to POMPA, in Order to be able to identify which of the beliefs supported by the evidence constitute genuine knowledge of the past, we need to presuppose a determinate understanding of the structure of human history in the Hght of which all the evidence and all our beliefs can be evaluated. If we did not have such an understanding, he Claims, we would not be able to judge which of the possible beliefs open to us accord with history as we understand it actually to have been. POMPA Claims that it is just such an understanding of the structure of human history that HUME, Hegel and Vico seek to supply with their theories of the constancy or inconstancy of human nature. These philosophers judge either that human beliefs, desires and intentions remain constant throughout time or that they develop in certain rationally determinable ways, and in so doing they lay down what they take to be the basic pattem of actual human activity in history. In so far as HUME, Hegel and Vico recognise — either in their practice or their expUcit Statements — the need for a determinate conception of human nature and history in light of which all historical evidence and beliefs have to be interpreted and evaluated, POMPA endorses and applauds their insight. However, he is highly critical of the fact that the conceptions of human nature and history with which they operate are, in his view, derived from ahistorical theories about the nature of the human mind or spirit as such, and so have no historical justification. The task which confronts us as philosophers of history is thus, according to POMPA, to explain how we can presuppose an understanding of human historical activity which serves as a framework for interpreting and evaluating historical evidence, but which is itself acquired historically, that is, which is not simply imposed upon the events of the past from some ahistorical point of view, but arises within our historical consciousness as we learn more and more about the past to which we are indebted. We have to provide such an explanation, POMPA teils US, because, if we are going to take seriously the historical character of human LEON POMPA'S
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beings, we have to acknowledge that the very framework in terms of which we evaluate historical evidence is itself historically conditioned; that is to say, we have to allow it to be a matter of historical contingency, rather than ahistorical necessity, whether human history as a whole is understood to rest on an unchanging or changing human nature. POMPA'S own account of historical knowledge is set out in chapter four of his book. In fhe three chapters prior fo this, he presents a dose examination of the thought of HUME, Hegel and Vico in order to explain, first of all, why historical knowledge must presuppose a theory of human nature at all, and, secondly, why such a theory cannot be an ahistorical one (of the kind presented by HUME, Hegel and VICO themselves) which sets limits in advance to what historians can discover about the past. Thus — in an appropriately historical manner — POMPA works towards his own solution to the philosophical problems he presents at the beginning of his study via an exploration of the thought of three significant thinkers of the past.
What is particularly impressive about POMPA'S book is that it is at one and the same time a lucid commentary on three important philosophers of history of the past and a thought-provoking contribution to Contemporary philosophy of history. It has to be said that POMPA'S style is at times a little dry; nevertheless, his book represents a considerable achievement and deserves to be read and studied closely by all who are concerned with the complex and endlessly problematic relation between philosophy and history. After setting out the specific philosophical problem which concerns him, POMPA furns his attention in chapter one to HUME. HUME, we are told, operates with the familiär empiricist conception which most people have of historical knowledge; namely, that historical knowledge involves making certain inferences about the past on the basis of evidence that is presently available to us. Such inferences are possible, according to HUME, because we assume that human beings acted in the past on the basis of their desires and intentions in the same way people do in the present, and indeed that they acted from the same kinds of desire and intention as we do. This means that, where the evidence indicates that a certain action was carried out in a certain Situation in the past, our present experience of the way people generally act in such situations and of the motives from which they act permits us to conclude that the action was indeed carried out in the past and was motivated by certain identifiable human interests. We can interpret what is available to us in the present as concrete evidence of specific pasf actions, therefore, because we assume that people in the past acted very much as they do now. The idea that historical explanation is only possible if we assume that human actions in all places and at all times can be understood on the basis of human beliefs, desires and intentions, is one that POMPA accepts. (If historians did not assume that human actions could always be explained by beliefs, desires and intentions, they would have no clear idea of what it means to act as a human being rather than as an animal; but, if this were the case, they would not be able
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to Interpret the evidence betöre them as evidence of recognisably human historical activity as opposed to the mere workings of nature [see 61].) However, POMPA rejects HUME'S stronger claim that human actions can always be explained on the basis of the same beliefs and intentions. The problem with this stronger claim, in POMPA'S view, is that it entaUs extrapolating from our present experience of human motivation and projecting our current beliefs and desires on to each and every past culture. Consequently, it rules out a priori the possibility that people's beliefs and desires might have changed from society to society as history has progressed. HUME thus sets definite limits to what historians can discover about past societies because of the ahistorical assumptions he makes about the constancy of human nature. POMPA agrees with HUME that, if we are to fully explain the actions of people in past ages, we must make some "substantial" assumptions about what people actually believed in the past. However, he insists that we should discover from hisfory itself what specific assumptions have to be made about the prevalent beliefs in specific societies, and that we should not rule out a priori (as HUME does) the very idea that human beliefs and desires might have changed over time. It should be noted that POMPA places rather more emphasis than other commentators (such as DUNCAN FORBES and DONALD LIVINGSTON) on HUME'S commitment to the constancy of human nafure, and so underemphasises what they see as HUME'S sensitivity to the differences between the beliefs and pracfices of various historical societies. Nevertheless, POMPA makes a good case for his own interpretation of HUME and offers some important criticisms of the HUME he identifies. Following his discussion of HUME POMPA turns to Hegel. Like HUME, Hegel also argues that we must presuppose a certain conception of human nafure if we are fo reach a proper understanding of human history. In HegeTs view, however, what must be presupposed is not that human nature is constant and unchanging but rather that the "substance" of history is "the self-development of spirit or mind" (69). POMPA shows in considerable defail thaf Hegel regards the development of spirit as constituting human history itself, and that for Hegel this development is mediated and carried forward by concrete human desires and by the rational activity of human beings in insfitutions such as the church and the state. Thus, it is only by writing a history of the world that charts the actual course of human activify that the phUosophical historian can show fully how spirit develops. Put like this, of course, it looks as if fhe Hegelian historian does what POMPA wants historians to do and discovers how spirit develops in the course of writing his history. However, POMPA makes it clear that this initial Impression is mistaken. Hegel may indeed need to write a history of fhe world fo work ouf fully how spirif develops, buf he also insisfs that "to consider the history of fhe world philosophically we must know, in advance, and in its full specification, the idea, i. e. the concrete idea" (117, my emphasis). Despite initial appearances, therefore, Hegel in fact approaches history, not in a spirit of historical openness.
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but from the perspective of a logical idea of spirit's rational self-development that is unambiguously a priori. In POMPA'S view, this means that Hegel's approach to history in fact prescribes to the historian what he will find there just as arbitrarily as HUME'S does. Indeed, although Hegel's theory has the advantage of acknowledging that human beings change in history, it creates the new problem of how to make sense of the logical structure of spiritual development prior to its concrete historical realisation, when it would appear that "development" can only be understood at all in historical terms (115). As far as POMPA is concerned, therefore, Hegel's theory of history is ultimately no more acceptable than HUME'S. In my judgement, POMPA is right to claim that Hegel approaches history in the light of a conception of rafional spiritual development that is a priori. However, it is not true that that idea of development is external to history or simply arbitrary from fhe point of view of the historical Situation we inhabit. After all, Hegel's conception of spirit is generafed by a freely self-determining philosophy whose very principle of free self-defermination — af leasf according to Hegel himself — is required by the self-critical spirit of the modern age and by the modern claim to political, aesthetic, religious and philosophical freedom. Hegel's a priori framework for approaching history is thus one that the modern age (and consequently, history itself) demands of us. POMPA'S account of Hegel is without doubt sophisticated and complex; but it would greatly have strengthened his argument had he dealt more fully with the objection that, far from being simply ahistorical, Hegel's conception of philosophy (and fhe a priori philosophical conception of history to which it gives rise) is called for by the concrete historical Situation in which he found himself. The best chapter in this book, in my judgement, is the one devoted to Vico. POMPA provides helpful insights into the similarities and differences between Hegel and Vico, and he offers a lucid and persuasive account of Vico's "ideal eternal history" as the process whereby "rationality can arise emergently, under the twin constraints of an increasingly socialised desire for self-preservation and an increasing insight into the false assumptions on which previous institutional arrangements have depended" (190; see 156-9). In contrast to HUME, Hegel and Vico both agree that human beliefs and desires have changed throughout history. The main difference between Hegel and Vico, POMPA maintains, is that whereas, for Hegel, human development is "grounded in the logic of the concept" (174) and so "determined transcendently, in virtue of fhe logical priority of the phases of the idea" (159), for VICO such development is generated completely within history itself as human beings become more and more able to understand what is required for their self-preservation (152, 174). Whereas Hegel interprets history in the light of a concepf of rational, spiritual self-development that is intelligible prior to the encounter with history itself, therefore, Vico undersfands rationality — in the sense of fhe human capacity to understand — to arise and become intelligible nowhere eise but in the course of history itself.
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Nevertheless, in spite of the fact that he finds Vico's theory "attractive" (189), PoMPA concludes that Vico cannot ultimately provide a satisfactory historical justification for his daim that the emergence of rationality follows the same necessary pattem within the history of all nations. In POMPA'S judgement, therefore, although Vico's explicitly stated approach to history is dearly different from that of Hegel, Vico in fact interprets history in terms of a conception of human development that is arbitrarily imposed on to history from without in much the same manner as Hegel's own theory of spirit. In the last chapter POMPA presents his own alternative to the conceptions of historical knowledge offered by HUME, Hegel and Vico. He maintains that we can explain how we can evaluate historical evidence in terms of a determinate conception of human nature and history which is itself historical, if we distinguish between historical beliefs that are inherited and those that are based on evidence. Inherited historical beliefs are beliefs for which there was evidence available at some time in the past, but which we acquire, not because there is any evidence to support them now, but because they are handed down to us by previous generations as the "indispensable condition" (209) of historical understanding. Such inherited beliefs constitute the basis of all our historical knowledge; they are "constitutive of our sense of place in history and, therefore, of our primary sense of the determinate structure of the past" (196). They are not utterly unrevisable, but they constitute the framework in terms of which all new evidence has to be interpreted and evaluated. Inherited belief thus provides the determinate conception of human nature and history which POMPA thinks we need if we are going to be able to determine which of the beliefs suggested by the evidence are compatible with the activity of human beings as we know them to have been in the past. However, such belief itself forms part of our growing historical understanding of the past and so is not derived from any ahistorical theory of human subjectivity. By claiming that our fundamental understanding of the structure of human history is provided by the beliefs which we acquire through inheritance as we become increasingly conscious of our historical Situation and indebtedness, POMPA thus avoids the difficulties which, according to him, inevitably beset the ahistorical conceptions of human nature and history put forward by HUME, Hegel and Vico. POMPA'S conception of historical knowledge is subtle and sophisticated; indeed, it merits being compared with the conception of historical understanding developed by GADAMER. However, HegeUan readers of POMPA'S book will miss any seiious engagement with Hegel's daim that the modern age itself calls for a rational Interpretation of history based on a freely self-determining logic. POMPA insists throughout his book that we have to take account of the fact that all our understanding, including the perspective from which we view history itself, is historically conditioned. This is why he is critical of the attempt to provide an a priori framework for interpreting historical evidence. But, why assume that history is the ulhmate or defining horizon of human life? What if Hegel is right to daim that human historicity and the events of history are themselves to be
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understood as "conditioned" by or generated by the self-determining rational character of being itself? And what if he is right that it is the modern age in particular that demands that we seek the ontological conditions of history? In this case, POMPA'S identification of historically inherited belief as the defining horizon of human understanding would restrict us — we would have to say, arbitrarily — to a perspective that is historically contingent rather than an absolute and ontological. Whether Hegel is right is, of course, something that POMPA doubts. I myself have rather more sympathy with Hegel on this question; but it is clearly the great merit of POMPA'S book that it forces us to think long and hard about just how "absolute" any historical understanding can really be. Stephen Houlgate (Chicago)
Rousseau, die Revolution und der junge Hegel. Hrsg. v. Hans Friedrich Fulda und Rolf-Peter Horstmann. Stuttgart: Klett-Cotta 1991. 333 S. (Veröffentlichungen der internationalen Hegel-Vereinigung. Bd 19.) Die Zahl der Studien zum jungen Hegel ist mittlerweile Legion. Gleichwohl sind entscheidende Fragen bisher ungelöst. Zum Beispiel ist offen, ob und wie der junge Student Hegel im Tübinger Stift JACOBI rezipiert hat (und in welcher Weise und wann die Idee der „Vermittlung" ihm sich gebildet hat). Bisher im Zusammenhang unerforscht ist auch die Rezeption (vor allem der theologischen Schriften) HERDERS durch den Berner und Frankfurter Hegel, die den Grund legt zu jener Bedeutung, die HERDER für Hegel dann in den Berliner Vorlesungen zur Ästhetik gewinnt. Unerforscht ist aber bisher auch und vor allem noch des jungen Hegels Verhältnis zu ROUSSEAU — trotz gelegentlicher Hinweise etwa bei ASPELIN oder in NICOLINS Anmerkungsapparat zum Band 1 der historisch-kritischen Ausgabe der Gesammelten Werke Hegels. Diese empfindliche Forschungslücke sucht der vorliegende Band, hervorgegangen aus einer Tagung der internationalen Hegel-Vereinigung in Poitiers 1990, wenigstens ansatzweise zu füllen. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei „die Bedeutung . . ., welche ROUSSEAU und die Französische Revolution für Hegels Bildung gehabt haben" (15). Dieses Thema wird in drei Schwerpunkten gegliedert abgehandelt: Wie verarbeitet Hegel die von ROUSSEAU aufgedeckte Dialektik der Aufklärung (23 ff), wie greift er das Thema der religion civile auf (113 ff), wie teilt der Tübinger und Berner Hegel ROUSSEAUS politik-theoretische Überlegungen (205 ff). Dieses breitgefächerte Programm wird allerdings von den Beiträgern des Bandes nur zu einem geringen Teil eingelöst. Nur einige der insgesamt 14 Aufsätze können hier Erwähnung finden. A. PHILONENKO sucht nach Spuren von ROUSSEAUS Denken bei Hegel von der Tübinger Zeit über die Phänomenologie des Geistes bis zur Rechtsphilosophie. H. F. FULDA weist unter Bezug auf LEUTWEINS Brief nach, „daß die Tübinger
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RoussEAu-Lektüre in Hegels Entwicklung einen tiefen Einschnitt markierte" (42). Mit ALICE MILLER spricht FULDA von Hegels Tübinger RoussEAU-Rezeption als von der „späte(n) Krisis im Drama eines hochbegabten Kindes" (43). Bei der „Suche nach RoussEAUSchen Problemen . . ., die sich im Denken des jungen Hegel feststellen lassen" (44), stößt FULDA vor allem auf die Tatsache, daß Hegel ROUSSEAU durch die Brille KANTS gelesen hat, was vor allem 1794 bei seiner Beschäftigung mit dem Programm einer religion civile relevant wird. Nach 1795, nach „Enttäuschung seiner kulturrevolutionären Naherwartung" (52), sieht FULDA die „Zusammenhänge mit RoussEAUschen Problemen" (54) immer undeutlicher werden, z. B. in Hegels Positivitätskritik. Zuzustimmen ist FULDA in seiner These, daß für Hegels Revision seines Kantianismus ab 1796 nicht nur die Wiederbegegnung mit HöLDERLIN in Frankfurt, sondern auch ROUSSEAU, vor allem dessen Nouvelle He'loise, von Bedeutung gewesen ist. Allerdings wird man für diese Korrektur von Hegels Begriff des Sittlichen neben ROUSSEAU auch FöRSTER nennen müssen, auf den — und nicht auf ROUSSEAU — etwa die Hegelsche These zurückgeht, Liebe könne nur unter Wesen herrschen, „die an Macht sich gleich sind". Eine stärkere Berücksichtigung hätten auch die Berner Zusätze zur Positivitäts-Schritt verdient, in denen es zu einer interessanten Amalgamierung RoussEAUscher und HsRDERscher Argumente kommt; der Hinweis auf eine hier stattfindende Auseinandersetzung mit dem Contrat social reicht nicht hin. R. LEGROS greift in seinem Beitrag die zuerst von ASPELIN gestellte Frage nach den spezifischen RoussEAUismen in Hegels sog. Tübinger Fragment neu auf. Stärker als FULDA sieht er im Jahre 1796 dann eine „rupture avec le rousseauisme", dokumentiert in dem Reisetagebuch durch die Berner Oberalpen. VINCENT A. MCCARTHY fahndet nach RoussEAUschen Einflüssen auf Hegels (frühe und späte) Religionsphilosophie und geht dabei von der These aus, bei ROUSSEAU gebe es „zwei Jesusse", einen im Glaubensbekenntnis des Savoyischen Vikars und den zweiten im Contrat social. Im Gefolge C. LACORTES hebt auch S. SEMPLICI die Bedeutung des Glaubensbekenntnisses des Savoyischen Vikars für den jungen Hegel hervor und macht dies nutzbar für eine Neubewertung des Kantianismus von Hegels Schrift über Das Leben ]esu. Die im Glaubensbekenntnis des Savoyischen Vikars grundgelegte Religiosität des Herzens ist ebenfalls für H. BUSCHE von großer Bedeutung für Hegels Positivitätskritik. TH. PETERSEN konzentriert sich ebenfalls auf die Frage, inwieweit Hegels Tübinger Volksreligions-Konzept die RoussEAUsche Idee einer religion civile weiterentwickelt. Überwiegend redundante Themen und Thesen in diesen Aufsätzen machen die Lektüre dieses (zweiten) Teils des Sammelbandes zu einem recht unersprießlichen Vergnügen. Einen neuen Aspekt steuert eigentlich nur R. BARNY bei, weil er die Französische Revolution und besonders ROBESPIERRE in seine Überlegungen miteinbezieht. Im abschließenden dritten Teil legt B. BOURGEOIS den Akzent auf den „Kontrast zwischen der im Tübinger Fragment beschriebenen Volksreligion und der im Contrat social gerechtfertigten bürgerlichen Religion" (237). Im Gegensatz zu ROUSSEAU behauptet Hegel, so BOURGEOIS' These, „den Primat der Politik vor der Moral, der politischen Moral vor der moralischen Politik" (238). G. Duso untersucht anhand der Berner Schriften den Freiheitsbegriff und Republikanismus des jun-
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gen Hegel und sein damaliges Konzept von Repräsentation, ln Aufnahme der früheren Forschungen HOCEVARS und PöGGELERS wird deutlich, „daß Hegel in der modernen Repräsentation eine Form der Unterdrückung und der Unterwerfung sieht" (267) und daß er zu jener Zeit noch über keine überzeugende Alternativkonzeption verfügte, ln diesem Zusammenhang geht Duso auch auf das Bild der Staatsmaschine im Systemprogramm ein. Wenigstens am Rande kommt hier das m. E. entscheidende Problem einer Kritik der ,Dialektik der Aufklärung' zur Sprache. Was die meisten der Beiträge des Bandes bei ihrer Konfrontation Hegels mit ROUSSEAU durchzieht, bringt abschließend D. LOSURDO auf den Begriff; Hegels Ziel es sei von Anfang an gewesen, „der Theoretiker der modernen Welt und der modernen Freiheit zu sein" (303). — Statt eines (nützlicheren) Personenregisters beschließt den Band leider nur ein bio-bibliographischer Abriß der Autoren. Christoph Jamme (Jena)
R. R. Williams: Recognition. Fichte and Hegel on the Other. Albany: State
University of New York Press 1992. 332 S. Dem Buch von WILLIAMS geht es um die Korrektur eines im angelsächsischen Sprachraum noch verbreiteten Vorurteils über die Philosophie Hegels, demzufolge man sie für einen solipsistischen Idealismus hält. Im Unterschied dazu vertritt WILLIAMS die These, daß diese Philosophie um den Begriff der Anerkennung zentriert ist. Aufgrund der Untersuchung dessen, was Anerkennung meint, könne man daher ein neues Bild der nachkantischen Entwicklung der deutschen Philosophie gewinnen. Zwar wird hauptsächlich Hegel behandelt, aber WILLIAMS geht auch auf FICHTE zurück, da er als erster das intersubjektive Verhältnis in den Mittelpunkt der Philosophie gestellt hat. FICHTE und Hegel „do raise and treat the topic of intersubjectivity, and begin a massive transformation of philosophy into social and historical modes of thought" (6). Bei FICHTE und Hegel wird die Vernunft geschichtlich und wirklich im Unterschied zum Transzendentalismus KANTS. Eine solche Wende in der Geschichte der Philosophie zielt auf eine Überwindung des Verlangens nach einer theoretischen Letztbegründung von Philosophie: dazu trägt die hypothetische, nach drei Prinzipien gegliederte Konstruktion der Wissenschaftslehre FICHTES von 1794 bei, die ausdrücklich das praktische Interesse und die Handlung als Begründungsinstanzen einführt (vgl. 37). Innerhalb dieser Rekonstruktion der Problemlage schreibt der Vf. vielleicht der KANTischen Deduktion zu viel zu, insofern sie keine begründende Rolle spielt. Darüber hinaus vernachläßigt er, daß die Konstruktion der Wissenschaftslehre von 1794 zwar hypothetisch, aber auch eng an die Debatte zwischen REINHOLD und AENESIDEMUS SCHULZE über eine Letztbegründung der Philosophie anschließt. Die Rückführung der Phi-
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losophie auf ein absolutes, jenseits der Tätigkeit des Bewußtseins gestelltes Ich entspricht gerade dem Anspruch, eine letzte und nicht empirische Begründung zu erreichen. Neben diesen Themen behandelt der Vf. bei der Philosophie FICHTEs besonders den Prozeß der Anerkennung, der mit der Sollizitation des alter ego seinen Anfangs- und Mittelpunkt hat. Der praktischen Philosophie und Naturrechtslehre räumt der Vf. eine Selbständigkeit im Vergleich zum theoretischen Teil ein, die zum Teil darin besteht, Themen und Probleme, die in der theoretischen Philosophie nicht in Betracht kommen, erörtern zu können. So gibt es auch für ihn bei FICHTE eine Trennung zwischen der idealen Ebene der theoretischen Erklärung und der Analyse der Phänomene im praktischen Bereich, wobei er mit LUDWIG SIEP (Anerkennung als Prinzip der praktischen Philosophie) der Auffassung ist, daß die FiCHTEschen Theorien des Rechts und des Staates kaum vom Prinzip der Anerkennung bedingt sind (vgl. 63—64). Der Fiauptteil des Buches ist der Philosophie Flegels gewidmet und beschäftigt sich zunächst mit dessen Jugendschriften. WILLIAMS behauptet zu Recht, daß Flegel schon hier unabhängig von FICHTE eine „Eidetik der Anerkennung" entwickelt hat, die erst später vollkommen zu Tage tritt. Bevor Hegel sich intensiv mit der praktischen Philosophie FICHTES auseinandersetzte, analysierte er verschiedene Strukturen der gesellschaftlichen Verhältnisse, die einerseits auf Angst, Herrschaft und Unterdrückung, andererseits auf Freiheit, Vergebung und Versöhnung beruhen. Mit seiner Analyse der Liebe betont Hegel die typische Bewegung der durch die Beziehung mit dem Anderen vermittelten Selbstbeziehung. Liebe als Prinzip ist aber nicht in der Lage, alle Probleme der praktischen Philosophie zu lösen, vor allem dann nicht, wenn sie das öffentliche Leben betreffen, wie z. B. die Bildung einer politischen Gemeinschaft und die Stellung des Einzelnen in ihr. In diesem Punkt teilt der Vf. die Ansicht SIEPS über die Rolle der Liebe in den Jugendschriften; das Prinzip der Liebe kollidiert mit dem Recht, so daß Hegel die FiCHTEsche Auffassung der politischen Gemeinschaft als Grenze der individuellen Freiheit ablehnen muß. Trotzdem besteht nach dem Vf. ein grundlegender Zusammenhang zwischen der praktischen Philosophie FICHTES und Hegels (vgl. 81), worauf auch in anderen Untersuchungen (z. B. A. WILDT: Autonomie und Anerkennung) hingewiesen worden ist. In der Phänomenologie des Geistes kommt Hegels Theorie der Anerkennung zur Reife. Themen wie der Kampf um die Anerkennung und die Tragödie im Sitthchen, die Hegel in den Jugendschriften antizipiert hatte, erhalten jetzt ihre ganze thematische Breite und Relevanz. Nach Vf. ist die Phänomenologie eine Kritik aller einseitigen Standpunkte und Dogmatismen in der Geschichte der abendländischen Kultur. Sie stellt einen sich vollendenden Skeptizismus dar, wo der Tropus der Gleichwertigkeit dasjenige Mittel ist, um einen ebenso radikalen Skeptizismus in Schwierigkeit zu bringen und zu einem triadischen Holismus zu führen. Resümierend stellt WILLIAMS fest: „HegeTs phenomenological project involves a consideration of aU the various Standpoints assumed by consciousness . . . that shows that they self-destruct and undermine themselves ,from within'. This is the most radical carrying out of the
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phenomenological reduction in phenomenological philosophy. Hegel intends to demonstrate that there is no alternative to holism. Recognition of the failure of all criteria is the negative side of an argument which leaves Hegel's dialectical holism as the positive side, the only alternative." (112). Der in der Phänomenologie dargestellte Holismus ist keine auf eine Identität zurückführbare Vermittlung. Nachdem der Vf. das skeptische Verfahren der Phänomenologie nachgezeichnet hat, das seiner Meinung nach eine Parallelisierung zur HussERLSchen Phänomenologie der Krisis der europäischen Wissenschaften erlaubt, die den Begriff der Lebenswelt zum Mittelpunkt hat, arbeitet er in den abschließenden Kapiteln heraus, daß die Anerkennung nicht nur Erklärungsmittel konkreter intersubjektiver Verhältnisse, sondern auch die Grundstruktur des Geistes selbst ist. Die „Eidetik der Anerkennung" und ihre Momente, d. h. die Verdoppelung des Bewußtseins, die Doppelsinnigkeit der Anerkennung und des Streites sowie die Überwindung durch Versöhnung analysiert ein ausführlicher Kommentar der ersten Absätze des Kapitels „Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins; Herrschaft und Knechtschaft". Diese Eidetik schließt auch die Liebe ein, obwohl der Streit um Anerkennung eine große Rolle spielt, wie das berühmte Verhältnis zwischen Herr und Knecht verdeutlicht. Gleichzeitig besitzt die Anerkennung einen tragischen Charakter, wodurch der Vf. die interpretatorische These ausschließt, Hegels Auffassung für oberflächlich optimistisch zu halten. Andererseits ist der Streit nicht das Wesen der Anerkennung, die KOJEVE einseitig auf das Verhältnis zwischen Herr und Knecht begrenzt und gegen den der Vf. wiederholt polemisiert. Das Wesen der Anerkennung besteht in der Überwindung des Anderseins des Anderen, wobei aber das Selbstbewußtsein den Anderen wieder frei entläßt. Der Prozeß der Anerkennung findet auch auf weiteren Stufen des Selbstbewußtseins statt, und zwar im Streit zwischen Aufklärung und Glauben, in der Trinität, in der Struktur des Systems, d. h. Logik, Natur und Geist. Das absolute Wissen kann anthropologisch-dialogisch gedeutet werden, so daß die Intersubjektivität einem reinen idealistischen Paradigma zugrundeliegt; „the concept of substance become subject is not to be interpreted solipsistically, but as social, as involving self-recognition in other. To interpret Geist as a solitary subject is to overlook Hegel's major contribution that Geist is an I that is a We, and a We that is an I. So understood, Geist cannot be collapsed into immediate self-transparency of the 1 = 1, but rather has a triadic social structure with threefold mediation." (256) Um Hegels Denken weiter interpretativ zu klären, stellt es der Vf. in eine enge Beziehung zur Phänomenologie HUSSERLS. Einerseits sind Themen und Absichten beider Philosophen ähnlich, andererseits gelingt es Hegel besser als HUSSERL, sich vom Solipsismus zu befreien. Wie schon erwähnt, wird die Ähnlichkeit zwischen Hegel und HUSSERL vor allem im Bezug auf die Krisis-Schrift vorgeführt; „Although they differ in vocabulary and in responses to certain issues, Hegelian and HussERLian phenomenologies nevertheless share common problems and concerns. Both diagnose a crisis in European culture, a crisis involving alienation in
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the realms of religion, ethics, and politics. Both raise questions concerning the cultural meaning and significance of the Sciences. This crisis affects philosophy itself, and involves the collapse of metaphysics. Both raise the problem of philosophizing in the absence of criteria. Finally, both redirect philosophy towards a phenomenology of the life world." (95) Während sich HUSSERL mit der Konzentration auf die Geschichte in der Kn's/s-Schrift dem vollbringenden Skeptizismus der Phänomenologie annähert, versucht er den Solipsismus vor allem in der fünften der Cartesianischen Meditationen zu überwinden. Allerdings ist das Verhältnis zwischen ego und alter ego bestenfalls asymmetrisch in dem Sinne, daß das alter ego vom ego abhängig bleibt (vgl. 286—290). Ebenso ist das Verhältnis Hegels zur Phänomenologie SARTRES ambivalent: SARTRE hat Hegels Theorie der Anerkennung für die Analyse konkreter Verhältnissen, etwa des intersubjektiven Charakters der Scham, fruchtbar gemacht; in L'etre et le neant aber vertritt SARTRE einen absoluten Dualismus, der die Anerkennung prinzipiell nicht gestattet. Noch wichtiger für die Stellung Hegels in der Geschichte der Metaphysik ist der Zusammenhang mit LEVINAS; „LEVINAS' Opposition to Hegel may turn out to be a restatement of both HegeTs critique of traditional metaphysics and HegeTs existential phenomenological ontology." (12). Am Ende seiner Untersuchung bekräftigt der Vf. seine Überzeugung, daß Hegel und LEVINAS in ihrer Polemik gleiche Ziele haben, wenn sie die Vernunft als intersubjektiv und sozial auffassen (vgl. 299 u. ff). Abschließend ist zu fragen, ob die hier vorgelegte Hegel-Interpretation überzeugen kann. Ihre offensichtlichste Grenze besteht wahrscheinlich darin, daß eine Deutung der ganzen Philosophie Hegels nur am Leitfaden der Phänomenologie erreicht wird. Die Verbreiterung der Struktur der Anerkennung auf das Verhältnis zwischen Logik, Natur und Geist verlangt die Behandlung anderer Fragen, die hier kaum erwähnt sind (vgl. 226 über den Übergang von der logischen Idee zur Natur). Aber auch die Rolle der Anerkennung in der reifen praktischen Philosophie ist fraglich, wie SIEP in seiner schon erwähnten Arbeit bemerkt (vgl. z. B. Anerkennung als Prinzip der praktischen Philosophie. 20—22). Außer diesem Verhältnis zwischen Phänomenologie und System müßte eine solche Ausweitung der Anerkennung auf die gesamte Philosophie Hegels auch dessen Jenaer Entwicklung berücksichtigen, in der sich entscheidende Wandlungen bei Hegel vollziehen, wie die neue Bestimmung des Verhältnisses zwischen Tragödie und Komödie am Ende dieser Periode zeigt (vgl. die Diskussion mit PöGGELER darüber 234 ff). Die Klärung der Rolle der Phänomenologie ist entscheidend für die Stellung Hegels in der Geschichte der Philosophie, aber auch die Parallelen zu Philosophen unserer Zeit hätten eingehender und sorgfältiger diskutiert werden müssen, damit diese Stellung überzeugend hervortritt. Das gilt besonders für die Verhältnisse zu HUSSERL und LEVINAS. Die Cartesianische Meditationen stellen nicht das letzte Wort HUSSERLS zum Problem der Intersubjektivität in seiner Philosophie dar, zumal WILLIAMS darüber hinaus nicht in die eigentlichen Beweggründe der späten Phänomenologie HUSSERLS eindringt, um sie überzeugend mit Hegel vergleichen zu können.
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Was die Kritik von LEVINAS an der abendländischen Ontologie und ihrer Nähe zu der Hegels betrifft, so darf doch die Ähnlichkeit nicht über die grundlegende Unterschiede hinwegtäuschen. Diese Zurückführung verkennt die Wurzeln von LEVINAS, der der Tradition jüdischer Spiritualität verpflichtet ist. Daher vermag WILLIAMS zum anderen den neuen Ansatz bei LEVINAS nicht zu würdigen, den Anderen als dialektisch aufhebaren Anderen sein zu lassen. Trotz ihrer Einseitigkeiten bietet diese Arbeit von ihrem Ende her eine sinnvolle Perspektive, im Ausgang von LEVINAS noch einmal Hegels praktische Philosophie der Anerkennung neu zu überdenken. Pierluigi Valenza (Rom)
Thomas Sören Hoffmann: Die absolute Form. Modalität, Individualität und das Prinzip der Philosophie nach Kant und Hegel. Berlin, New York: de Gruyter 1991. Die Dignität der ,individuellen-absoluten Macht des Sprechens' (41) aufzuweisen, so könnte das Motto vorliegender Arbeit lauten. Das argumentative Rüstzeug für einen derartigen Nachweis liefert die absolute Form, wie sie von Hegel in seiner Wissenschaft der Logik entwickelt wird. Denn als absolute Form wird sie nicht mit einem ihr fremden Inhalt konfrontiert, vielmehr zeigt sich hier der Inhalt an der Form selbst, und aus dieser logischen Konstruktion ergibt sich für die von HOFFMANN anvisierte ,individuelle-absolute Macht des Sprechens'; „Die absolute Form erreicht absolut ein Sein, das aus dem Sprechen kommt, statt bloß ,das Sein' zu besprechen." (11) Das Gegenstück zu jedweder spekulativen Synthese, in diesem Fall derjenigen von Inhalt und Form, ist für Hegel die ,äußere Reflexion', deren Mangelhaftigkeit sich gerade in der unspekulativen Trennung von Form und Inhalt ausdrückt. Und entsprechend dieser Argumentationsfigur rechtfertigt auch HOFFMANN sein Unternehmen. Bei einer solchen Trennung wird die Sprache nämlich zu einem bloß formalen Mittel degradiert (20), sie ,bespricht' somit lediglich ein ihr vorgängiges Sein ohne zu begreifen, damit ein „Schaffen einer als ungeschaffen gedachten Voraussetzung" (24) zu vollbringen, was freilich widersprüchlich ist. An dieser Stelle nimmt der Autor, ohne ausdrücklich darauf einzugehen, die allenthalben diskutierte Referenzproblematik der Sprache in den Blick, und er schlägt sich demzufolge auf die Seite derer, die für Referenzlosigkeit plädieren: Der Signifikant bezieht sich nicht auf ein ihm vorgängiges Signifikat, ist er doch nichts anderes als ein Erzeugnis des Signifikanten. Eingedenk dieser Sachlage wird im ersten Kapitel der Arbeit — überschrieben mit Kant und Flegel — das BCANiische, auf Gegenstandserkenntnis ausgerichtete Subjekt-Prädikat-Modell aus der Sicht des Bewußtseins- und Selbstbewußtseinskapitels aus Hegels Phänomenologie des Geistes kritisiert. Der Verstand erweist sich
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hier gerade nicht als Form gegenständlicher Intention, sondern; „Die Wahrheit der Darstellung des Verstandes ... ist seine Selbstdarstellung." (96) Die so verstandene Selbstdarstellung des Verstandes macht diesen zum Selbstbewußtsein, zum Individuum, zur absoluten Form; „Es ist die Form gedacht, die selbst zu ihrem Inhalt kommt." (105) Auch im zweiten Kapitel mit dem Titel Absolute Individualität hat KANT gegenüber Hegel zurückzutreten, denn KANT hat die Individualität im wesentlichen zu bloßem Schein herabgestuft, wohingegen Hegel diese, HOFFMANN zufolge, in Gestalt der absoluten Form adelt. Anhand einer umfänglichen und diffizilen Auseinandersetzung mit Hegel ist der Autor darum bemüht, die absolute Form im Sinne jener ,individuellen-absoluten Macht des Sprechens' grundlegend auszudeuten; „Was so wurde, war das freie Sprechen, das die unendlich-selbstbewußte Welt erkennt und ohne abstraktes Jenseits individualisiert ausspricht. Das Erkennen ist so als freies Sprechen zugleich aber auch Freiheit des Ausgesprochenen ... In durchgeführter Form ist diese Einsicht in der ,Wissenschaft der absoluten Form', wie Hegel seine Logik nennt, dargestellt. Eine so verstandene Logik will zugleich Erkenntnis und absolute Wirklichkeit der sprechenden Sprache sein." (145) Hegels absolute Form als Grundlegung einer Individualität, die sich, befreit von aller referenziellen Verankerung, sprachlich zur Darstellung bringt — das ist des Autors Botschaft. Das dritte und vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem modalen Aspekt bei KANT und Hegel und ist dementsprechend überschrieben mit Kants Modalbegriffe und Hegels Logos der Wirklichkeit. Unmittelbar will diese Verbindung von Individualität und Modalität freilich nicht einleuchten, was HOFFMANN bereits auch im Vorwort konzediert und daher sofort erläutert; „Der ,modale' Aspekt betrifft sodann die Bestimmung der tätigen Formierungsweisen des Objektiven, in denen die Rücknahme des allgemein und objektiv bestimmt Scheinenden in das sich individualisierende Sprechen vermittelt ist — eine Rücknahme, die ebenso das individualisierende Aussprechen des Objektiven ist." (V) Im Modalen also präsentiert sich uns in gleichsam gesteigerter Form jene ,Macht des individuellen Sprechens'. Was jedoch KANT anlangt, so ist dessen Verständnis von Modalität für einen diesbezüglichen Nachweis nur ansatzweise geeignet, denn; „KANTS Modalitäten eröffnen so einem bestimmten — unter Bedingungen stehenden — Sprechen die Sprache." (278) Allererst Hegels absolute Form, als Resultat eines im dialektischen Durchgang ermittelten Wirklichkeitsverständnisses, ist in der Lage aufzuzeigen, „daß aller Inhalt des Sprechens rein aus ihr (sc. der Sprache) zur Bestimmtheit bestimmte Sprache ist" (280). Nach HOFFMANN also steht Hegels absolute Form ein für ein quasi referenzloses sich Aussprechen von Sprache, wohingegen im KANTschen Ansatz noch ein Außen gegeben ist, ,worüber' gesprochen wird. Dieses Einziehen von Objektivität im Sinne reiner Sprachlichkeit zeichnet folglich auch an dieser Stelle Hegel gegenüber KANT aus. Wenn dies nun also ein Fazit vorliegender Arbeit ist, so stellt sich die Frage, weshalb HOFFMANN ausgerechnet auf einen Autor des beginnenden 19. Jahrhunderts zurückgreift, wo sich doch gerade für einen Zeitgenossen des ausgehenden
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20. Jahrhunderts mancherlei Theorieansätze böten, die in weitaus ausdrücklicherer Weise als diesbezügliche Gewährsmänner fungieren könnten. Die Antwort hierauf ergibt sich aus HOFFMANNS Ansinnen, das individuelle Moment in der ,absoluten Macht des Sprechens' herauszustellen. Während das sprachphilosophische Paradigma des 20. Jahrhunderts die Individualität im wesentlichen auszuschalten bemüht ist, geht es hier um eine Verbindung beider; „Der einfache sprachliche Ausdruck der absolut-wirklichen Sprachlichkeit oder Logizität ist die Kategorie Ich." (337) Doch der Autor verwehrt sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich gegen jene gängige Deutung der Hegelschen Kategorie von Ich, die ausschließlich deren reflexives Selbsfverhältnis im Auge hat. Die Reflexivität der absoluten Form ist HOFFMANN zufolge vielmehr eine sozusagen selbstbezügliche Sprachlichkeit, deren Spezifikum darin besteht, sich nicht länger auf ein ihr Äußeres zu beziehen, und das reflexive Selbstverhältnis von Ich hat dabei bloß sekundären Charakter. Die Betonung des individuellen Moments geschieht einzig aus dem Grund, die so gefaßte Autonomie von Sprache noch dergestalt zu steigern, daß auch innerhalb ihrer jedwede Verbindlichkeit zugunsten der ,individuellen-absoluten Macht des Sprechens' aufgegeben wird. Es ist ein legitimes philosophisches Anliegen, die Autonomie der individuellen sprachlichen Äußerung herauszuarbeiten. Fragwürdig wird dieses Unternehmen jedoch in dem Moment, wo hierfür philosophische Theorien bemüht werden, deren Äbsicht genau gegenteiliger Art ist. KANT können wir hier beiseite lassen, da dieser von HOFFMANN ohnehin vorwiegend kritisch behandelt wird, ln Hegels Ansatz vermeint er hingegen, das hierfür relevante Argumentationspotential vorzufinden. Doch erstens redet Hegel mit der ,Logik' keineswegs einer kategorialen Unverbindlichkeit das Wort, im Gegenteil; Die absolute Struktur am Ende der ,Logik' bleibt den sie generierenden Kategorien verpflichtet. Und zweitens identifiziert Hegel ein solchermaßen entwickeltes Absolutes überhaupt nicht mit Sprachlichkeit, sondern eben mit genau jenem reflexiven Selbsfverständnis, wie es wesentlich dem Subjekt zukommt. Freilich wäre es wünschenswert, den subjektorientierten Ansatz Hegels sprachlich zu erweitern, ist es doch gerade der dem Deutschen Idealismus eignende Subjektivismus, der diesen gegenwärtig diskreditiert. Zu diesem Zweck müßte man jedoch hegelimmanent argumentieren und innerhalb Hegels absoluter Struktur Ungereimtheiten nachweisen und Erweiterungspotenhal im Hinblick auf Sprache aufdecken. HOFFMANNS gewissermaßen von außen herangetragene Gleichsetzung von absoluter Form und Sprache bleibt demgegenüber bloße Versicherung. Dies ist schade und unverständlich zugleich, denn HOFFMANN stellt in dieser Arbeit sein philosophisch argumentatives Vermögen beständig unter Beweis. Eine wirklich argumentative Brücke zwischen Hegels Ansatz und seiner eigenen philosophischen Absicht vermag er indes nicht zu schlagen. Petra Braitling (Tübingen)
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Thomas Buchheim: Eins von Allem. Die Selbstbescheidung des Idealismus in Schellings Spätphilosophie. Hamburg: Meiner 1992. 221 S.
Mit der Spätphilosophie SCHELLINGS wurde gemeinhin die Vorstellung von einer Wende der rationalen Systemphilosophie des deutschen Idealismus zu einer irrationalen, mythologisierenden „positiven" Philosophie assoziiert. Erst in jüngerer Zeit hat man sich von dieser Vorstellung zu lösen begonnen. Man hat entdeckt, daß SCHELLINGS spätes Denken sich durchaus auch als eine — Denkfiguren des Linkshegelianismus antizipierende — materialistische oder existenzphilosophische Korrektur des Idealismus Hegelschen Typs begreifen läßt. Nach genauerer Analyse der Denkentwicklung SCHELLINGS ist man zudem mehr und mehr zum Schluß gelangt, daß seine späte Aufteilung in eine „negative" oder „reinrationale" Lehre einerseits und eine „positive", an der Frage des grundlegenden Seins des rational Seienden orientierte Lehre andererseits weniger Indiz einer Wende zu einer irrationalen Philosophie denn Resultat eines kontinuierlichen Herauspräparierens und Neuakzentuierens bestimmter Problemstellungen innerhalb der rationalen Philosophie ist. Die positive Philosophie ist weder systematisch noch werkgeschichtlich ein von außen hergeholter Zusatz zur negativen, werden mit ihr doch Fragestellungen in besonderer Weise exponiert und beantwortet, die ihre Wurzeln eindeutig schon beim frühen SCHELLING haben. Ebensowenig kann man davon ausgehen, daß SCHELLING die negative Philosophie durch die positive zu substituieren beabsichtigt hat. Der Autor der vorliegenden Studie zu SCHELLINGS Spätphilosophie bewegt sich innerhalb dieser letzten, in den vergangenen Jahrzehnten besonders durch die ScHELLiNG-Gesamtdarstellungen von SCHULZ, TILLIETTE, MARQUET und VETO konkretisierten, Interpretationssicht. Dabei ist es erklärtermaßen nicht sein Ziel, diese Arbeiten durch eine die Gesamtthematik umspannende und die früheren Entwicklungsphasen einbegreifende Neudarstellung der ScHELLiNGschen Spätphilosophie zu überbieten. Der Autor beschränkt sich auf eine systematisch und historisch angelegte Herausfiltrierung eines bestimmten thematischen Problemstranges von SCHELLINGS rationaler Spätphilosophie, nämhch auf den akribischen Versuch, das Eine oder Identische, welches zugleich Vielheit bzw. Alles sein soll, sowohl als ein wahrhaft Existierendes als auch als ein im begrifflichen Verhältnis von Potentialität und Wirklichkeit stehendes Seiendes verstehbar zu machen. In pointierter Abhebung von den genannten Interpretationen favorisiert er darüber hinaus eine begriffsklärende Interpretationsmethodik sowie eine „anatomische" Lektüre ausgewählter ScHELLiNG-Texte. Die Studie ist dreiteilig. Die zwei ersten Teile führen an die genannte Problemstellung der Spätphilosophie heran, indem anhand von früheren Schriften SCHELLINGS zunächst der Begriff der Potentialität geklärt und sodann verschiedene Elemente der „negativen" und „positiven Denkweise" SCHELLINGS herausgearbeitet werden. Im dritten Teil zeichnet der Autor die Grundlegung von SCHELLINGS spä-
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ter rationaler Philosophie am Beispiel der Darstellung des Naturprocesses von 1843/ 44 nach. ScHELLiNGs Begriff der „Potenz" (bzw. „Möglichkeit") ist ein für seine negative Philosophie grundlegender, aber auch notorisch mehrdeutiger Begriff. Im ersten Teil unterscheidet der Autor drei relevante Bedeutungsfelder („logische Möglichkeit", „materielle Möglichkeit", „reelle Möglichkeit") und zeigt auf, inwieweit ScHELLiNG unter Beiziehung urteilslogischer Überlegungen selbst auf die verschiedenen Bedeutungen reflektiert hat (27—41). Als punctum saliens der ganzen Analyse erweist sich die im Anschluß daran entfaltete These, wonach SCHELLING die Potenz nicht — wie von den Interpreten in der Regel angenommen — als eine der FiCHTEschen „Tätigkeit" affine Aktivität gefaßt habe (41—47). Wie der Autor minutiös darlegt, hat SCHELLING den Potenz-Begriff zwar zum Teil mit einer aktivistischen Metaphorik belegt, jedoch seinem esoterischen Konzept nach gerade nicht als Trieb, Wille, aktive Potenz u. ä. verstanden wissen wollen. Untermauert wird die These insbesondere mit dem Nachweis, demzufolge SCHELLING sich vornehmlich an der grammatischen Auffassung eines transitiven Könnens orientiert und mithin die Potenz als ein „Übergehen" des Subjekts in das wirkliche „Objekt" und nicht als ein dem wirklichen Subjekt zugeschriebenes Vermögen aufgefaßt hat (44 ff). Auf diesem Hintergrund schlägt der Autor auch vor, den umstrittenen ScHELLiNGschen Begriff der „potentia activa" nicht im Sinne einer „sich erwirkenden Möglichkeit" oder einer „aktiven Möglichkeit" auszulegen, sondern im Sinne einer „Möglichkeit von etwas", das, sofern es überhaupt stattfinde, gleichsam durch sich selbst „Aktus" sei — dies in Abgrenzung von der „potentia passiva", die zur Aktualität von etwas noch der Wirklichkeit eines anderen bedarf. (43 f) Des weiteren wird expliziert, daß SCHELLING mit der Vorstellung einer aktiven Möglichkeit auch insofern bricht, als er die Potenz an das Tempus der Vergangenheit bindet und als „Gewesenheit" auslegt (50, 63). Dieser Sicht zufolge erschließt sich die Möglichkeit aus einer Rückwendung aus der gegenwärtigen Wirklichkeit auf die Vergangenheit. Wir wissen aus der jetzigen Wirklichkeit, was möglich gewesen ist. Und desgleichen erfahren auch über die gegenwärtige Wirklichkeit nur dann mehr als wir anfänglich wissen, wenn wir zur Möglichkeit in die Vergangenheit zurückschxeiten. Zweifelsohne gelingt es dem Autor in überzeugender Weise seine These einer nicht-aktivistischen Potenz durchzufechten. SCHELLINGS Potenz-Begriff darf keineswegs mit irgendwelchen Mythologemen einer weltschöpferischen Potenz zusammengeworfen werden. Leider geht der Autor, der sich hier hauptsächlich um eine adäquate Wiedergabe der ScHELLiNGschen Position bemüht, zuwenig darauf ein, daß SCHELLINGS Position nebenbei gesehen auch nicht ganz unproblematisch ist. So drängt sich etwa die Frage auf, ob SCHELLING auch eine in der Gegenwart plazierte Möglichkeit, eine Möglichkeit beispielsweise, die der Vorstellung von einem versuchenden Entwerfen oder Konstruieren aus der gegenwärtigen Wirklichkeit entspringt, zu integrieren vermag. Der Darstellung des Autors gemäß scheint Schelling den Begriff der Potenz in seiner historischen Erfahrungsdimension auf ein uneinsehbares Übergehen zur und nachträgliches „diagnostisches"
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Reflektieren der jeweils neu eintretenden Wirklichkeit zu restringieren (18, 23). Jene Möglichkeit, die sich als ein tentatives therapeutisches Konstruktionsmoment im Übergang zu neuer Wirklichkeit namhaft machen läßt, fällt weg. Der Kontrast zwischen der angedeuteten Auffassung von Wirklichkeit als einer begegnenden, eintretenden Ereigniswirklichkeit einerseits und dem von der Relation von Begriff und Gegenstand geprägten Wirklichkeitsverständnis andererseits ist fundamental für SCHELLINGS Unterscheidung zwischen „positiver" und „negativer Denkweise", welcher der Autor im zweiten Teil nachgeht. Obschon sich mit der Denkfigur des „unvordenklichen Seins" bereits in SCHELLINGS frühen Schriften eine Neigung zur erstgenannten Wirklichkeitsauffassung dingfest machen läßt, bleibt SCHELLING der Weg dazu aufgrund seiner gleichzeitigen Annahme einer ersten begrifflich entworfenen „Identität" lange Zeit versperrt. Das aus FICHTES frühem Denkansatz hinterlassene, Mitte der 90er Jahre von HöLDERLIN nachhaltig aufgeworfene Problem, wie das Verhälfnis von Identischsein und Sein schlechthin gedacht werden soll, spiegelt sich in modifizierter Form in SCHELLINGS Systemansatz nach 1800, insbesondere in der stark SpiNOZAnisch und LEiBNizisch gefärbten Darstellung meines Systems von 1801. SCHELLING faßt in dieser Schrift das höchste Prinzip der einen Philosophie als Indifferenz von Subjektivität und Objektivität auf und deutet es in seiner Streitschrift gegen REINHOLD mit dem — die Vorstellung einer quantitativen Differenz einschließenden — LEiBNizschen principium identitatis indiscernibilium. Dieser Vorschlag trägt dem Verfasser der Darstellung meines Systems nichf nur den REiNHOLDschen (und später auch Hegelschen) Vorwurf eines reduktionistischen Monismus ein, sondern führt, wie der Autor eingehend erörtert, auch in SCHELLINGS eigenem Denken zu erheblichen Folgeproblemen und schließlich zu Umbildungen in der Konzeptualisierung des höchsten Prinzips (72—89). SCHELLINGS an LEIBNIZ angelehntes Identitätsprinzip bleibt aporetisch. Aus ihm wird die positive Vorstellung von dem Einen bzw. Einzigen, welches Alles ist, gefordert, was sich als unmöglich erweist, weil das Identitätsprinzip in seiner Vernunftform auf einen negativen oder leeren Begriff fixiert ist und somit immer nur von der positiv zu bestimmenden Vorstellung abstrahiert. In der Schrift Philosophie und Religion von 1804 hat SCHELLING diesen Ansatz denn auch aufgegeben und das Problem der Darstellung des positiven Einen mithilfe eines erweiterten Begriffs der intellektuellen Anschauung zu bewältigen versucht; und zwei Jahre später, in der gegen FICHTE gerichteten Schrift Darlegung des wahren Verhältnisses, geht SCHELLING dazu über, sich vollends von der Konnotation von Identität und Indifferenz zu lösen und das Identischsein zur Bedeutung einer Seinsoffenbarung zu transformieren, welche in ihrer ursprünglichen Struktur als „lebendiges Band" von „Einem" und „Anderem" verstanden werden soll. Dieser für den Übergang zu SCHELLINGS positiver Denkweise entscheidende Schritt wird vom Autor in der Folge auch als Wende von einer „hypothetisch gebildeten", am Ideal der Identitätsaussage gemessenen Identität zu einer sich auf die Satz-Copula ausrichtenden „geschichtlich disponierten" Identität thematisiert und anhand späterer ScHELLiNG-Xexte exemplifiziert (90 ff). Unter spezieller Berücksichtigung der Tatsache, daß SCHELLING die Wirklichkeit als Prozeß mit „ekstatischen".
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die Vernunft „umstürzenden" Wirklichkeitsbegegnungen begreift, wird die geschichtliche Identität schließlich auch als „vokative", d. h. durch den „Namen" zugängliche Identität umschrieben (101 ff). Die Ausführungen des Autors zu SCHELLINGS sich verändernder Identitätsauffassung werfen nicht zuletzt ein neues Licht auf den Vergleich der Jenaer Entwicklung SCHELLINGS und Hegels. Es wird ersichtlich, daß sich nicht nur Hegel, sondern auch SCHELLING von dem gemeinsam vertretenen, frühen Identitätssystem umgehend in einer Weise distanziert, die sowohl gegen das Anfangskonzept einer ursprünglichen begrifflichen Identität als auch gegen jenes einer intellektuellen Anschauung gerichtet ist. Übers Ziel hinaus schießt der Autor dabei freilich mit der Behauptung, SCHELLINGS Anfangskonzept von 1806 könne als „Ausstieg" aus dem „Idealismus Hegels" betrachtet werden (88). Dies gilt sicherlich nicht, was die Herausarbeitung der geschichtlichen Identität und die Entfaltung der Struktur von Einem und Anderem anbelangt. Mit diesen Denkfiguren operiert Hegel eindeutig früher als SCHELLING (spätestens ab 1803), so daß man weit eher einen Einstieg SCHELLINGS in eine Hegelsche Anfangsproblematik in Erwägung ziehen müßte. Daß SCHELLINGS positive Denkweise sich nicht im Anfangskonzept, sondern in der spezifischen Eragerichtung nach einem Denken zur Wirklichkeit von Hegels philosophischem Ideal abhebt, erhellt aus dem im dritten Teil entfalteten Argumentationsaufbau der Schrift Darstellung des Naturprocesses. Wie der Autor verdeutlicht, geht SCHELLING nun ohne Umschweife zur Sache der positiven Philosophie und hebt mit der Erage an: Was ist das Existierende, und wie ist es zu denken? (109 ff) Entsprechend der Unterscheidung von negativer und positiver Denkweise ist diese Frage doppelbödig. Gefragt wird nach dem Existierenden schlechthin und zugleich nach dem davon unterschiedenen, auf das Existierende hinzuführenden Seienden, welches den Anfang des Denkens im Denken zu machen hat und somit für das „primum cogitabile" steht. Die ScHELLiNGsche Struktur eines Anfangs im Denken, die der Autor sehr eindrücklich herausarbeitet (116 ff), erinnert in vielem an die Anfangsstruktur der Hegelschen Wissenschaft der Logik. So wie Hegel die Darstellung des Systems der Logik mit dem „Sein" anfangen läßt, welches als ein vor allem bestimmten Sein liegendes „leeres Wort" verstanden werden soll, sodann dieses anfängliche Sein sich als scheinhaft oder aporetisch ausweisen und in einen neuen, verbesserten Anfang übergehen läßt — jenen mit dem „Werden", welches Sein und Nichts als Momente in sich schließt und dadurch zur Bestimmbarkeit des Seins fortschreitet —, so favorisiert auch SCHELLING die Idee, der Anfang im Denken sei ein „Faktum" des Denkens, ein „Sein", das aller Denkbestimmung vorausliege und lediglich durch verschiedene Strukturmomente die Richtung auf Bestimmung anzeige. In concreto zeichnet sich die Anfangsstruktur durch eine Markanz aus, die von SCHELLING im selben Atemzug als Beraubung (steresis) gedacht wird. Diese Charakterisierung der Erstheit, welche, wie der Autor anmerkt, einen ScHELLiNGschen Rückgriff auf ARISTOTELES nahelegt, wird von ihm noch genauer als „Abwesenheit" thematisiert. Interessant ist, daß SCHELLING das erste Moment ebenfalls zu-
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gleich in der Form eines ersten Zustandes faßt, der umgehend über sich zu einer — wie der Autor es nennt — „Revision" und zu einem neuen Anfang hinausdrängt (121). Der zweite Anfang soll sodann, dem Wortlaut des Autors zufolge, in einer mittels „Entscheidung" erfolgten „Abhaltung des Seins" (bzw. einer Entscheidung zum „Nichtsein") bestehen (121 f). Aus ihm erst wird das Denken der reinen Bestimmbarkeit, der Mehrstelligkeit von Bestimmungen sowie die generelle Unterscheidung von Seinkönnen und Sein ermöglicht. Das sich mit der Beziehung von Sein und Nichtsein ankündigende Strukturverhältnis von Seinkönnen und Sein ist für SCHELLINGS weiteren Grundlegungsweg richtungweisend. Es führt ihn in eine Problemrichtung, die sich von der Hegelschen dann auch gezielt abhebt. Entfaltet Hegel aus seiner Anfangsstruktur ein logisches System, welches auf die Totalität von Bestimmungen und Beziehungen hinzielt und das seine Besonderung mittels der Systeme der RealphUosophie erfährt, ergibt sich für SCHELLING gleich im Anschluß an die Grundlegung des zweiten Anfangs das Desiderat eines Überganges vom Möglichsein zum Wirklichsein, der unmittelbar in die Problematik seiner Potenzenlehre einmündet (136 ff). Mit seiner emphatischen Frage nach der Wirklichkeit des Denkens ist SCHELLING letztlich darauf aus, sowohl das Wirklichkeitsfundament des vernunftverfaßten oder wissenschaftlichen Denkens freizulegen, als auch die Wirklichkeit des bestimmten Seins durch ein wahrnehmungs- statt schöpfungsorientiertes Bestimmen zu erschließen. Als Topos der Vergewisserung wirklichen Denkens dient ihm, wie der Autor in den abschließenden Abschnitten ausführt, neben der grundlegenden Auffassung einer „okkasionellen" Wirklichkeit (177 ff) eine eigenwillige Konzeption des „Raumes" (183 ff). SCHELLING versteht unter dem Raum nicht eine Manifestationsform des Begriffs, sondern ein Nicht-Begriffliches. Er nimmt damit in gewisser Hinsicht Partei gegen die LEiBNizsche und für die KANTische Raumtheorie. Allerdings ist der nicht-begriffliche Raum bei ihm keine allgemeine Bedingung im Hinblick auf die reine Anschauung von Gegenständen der Erfahrung, sondern vielmehr der Ort des „Weiten", „Offenen", dessen sich das Denken anzunehmen hat. Er steht damit für die „Freiheit" als einem Entlassensein aus dem Begriff. Fraglich bleibt am Ende, ob der Autor SCHELLINGS veränderte Wirklichkeitssicht zu Recht als Ausgangspunkt für ein mit der Hegelschen Totalitätsstruktur „unverträgliches", weil auf der Idee des „Einzelnen" basierendes Erkenntniskonzept reklamieren kann (187). Müßte sie nicht vielmehr als ein Korrektiv zur Totalitätsstruktur verstanden werden, zumal sie faktisch eine Art Einstellungswechsel zur Wirklichkeit in vorgängiger Beziehung auf das spekulative Begriffskonzept markiert? Die Diskussion hierüber wird mit der insgesamt sehr lehrreichen und spannenden Studie erst eigentlich eröffnet. Martin Bondeli (Bern)
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Auf der Suche nach einer Vermittlung zwischen Hegel und Schopenhauer Alfred Schmidt: Idee und Weltwille. Schopenhauer als Kritiker Hegels.
München, Wien: Hanser 1988. 175 S. (Edition Akzente.) Matthias Koßler: Substantielles Wissen und subjektives Handeln, dargestellt in einem Vergleich von Hegel und Schopenhauer. Frankfurt/M. [usw.]: Peter
Lang 1990. 309 S. (Europäische Hochschulschriften. Bd 327.) Als SCHOPENHAUERS Denken ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts allmählich Beachtung fand, haben einige heute weitgehend unbekannte Autoren wie NOACK, Kij, SEYDEL U. a. auch sein Verhältnis zu dem Hegels untersucht und einige Übereinstimmungen nachgewiesen. SCHMIDT (41 f und 111 ff) schließt sich der verbreiteten These an, daß diese Versuche wenig zum Verständnis SCHOPENHAUERS beigetragen haben, während KOSSLER (16—19) sie recht positiv bewertet, ln der Beurteilung der weiteren Entwicklung sind sich die beiden Autoren dagegen einig: Die ausdrücklichen Versuche späterer philosophi minores, etwa ED.V. HARTMANNS, die Systeme Hegels und SCHOPENHAUERS miteinander zu vereinen, sind beiden nicht gerecht geworden; und danach hat sich für nahezu ein Jahrhundert die communis opinio von der Unvereinbarkeit, ja Unvergleichlichkeit der Denkwege der beiden Philosophen herausgebildet. Den m. E. entscheidenden Grund für diese Verfestigung berühren beide nicht, nämlich die Beheimatung der beiden Philosophien in einander gleichgültigen oder gar feindlichen Milieus: Die Hegelsche wurde der großen philosophischen Tradition zugerechnet und nahezu ausschließlich in universitären Zirkeln diskutiert, die SCHOPENHAUERSCHE diente als Weltanschauung, fand ihre „Anhänger" außerhalb der Universitäten und hatte ihr Zentrum in der Schopenhauer-Gesellschaft. ln beiden Lagern ist man der Meinung gewesen, daß der Einfluß der je anderen Tradition bald zurückgehen werde. Die akademische Philosophie hat SCHOPENHAUER deswegen lange Zeit entweder gar nicht erwähnt oder beiläufig abqualifiziert, die „Schopenhauerianer" haben (in höflicherer) Form die abschätzigen Äußerungen ihres Meisters gegen Hegel wiederholt. Diese Situation hat sich erst gegen Ende der siebziger Jahre verändert (vgl. dazu KOSSLER 19 f, SCHMIDT 20), als die akademische Philosophie, u. a. im Zuge der „Postmoderne"-Diskussion, SCHOPENHAUERS Denken verstärkte Aufmerksamkeit widmete, und sich ihre Vertreter (z. B. auch SCHMIDT in Wahrung und Weiterführung des Erbes von M. HORKHEIMER) verstärkt innerhalb der Schopenhauer-Gesellschaft engagierten. Das Gedenkjahr 1988, mit seinen zahlreichen Veranstaltungen über das Werk SCHOPENHAUERS und den daraus erwachsenen Veröffentlichungen, brachte den endgültigen Durchbruch. Nach einigen tastenden Versuchen in den achtziger Jahren war es nur eine Frage der Zeit, daß diese neue Aufgeschlossenheit auch zu einer ausführlicheren Überprüfung der kanonisch gewordenen These von der Beziehungslosigkeit der beiden Systeme Anlaß geben würde. Nun liegen sogar zwei einschlägige Arbeiten vor.
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Vergleichende Studien über Hegel und SCHOPENHAUER im üblichen Sinn sind allerdings beide nicht, was angesichts der Textsituation nicht verwundert. Hegel hat SCHOPENHAUERS Werke nicht zur Kenntnis genommen, dieser hat jenen als einen „Scharlatan" bezeichnet und seine Hauptwerke allenfalls durchgeblättert. Was er (bes. in den Vorreden zu seinen späteren Veröffentlichungen) über einzelne (angebliche) Thesen und Äußerungen Hegels geschrieben hat, ist, ganz abgesehen von dem schwer erträglichen polemischen Ton, der Sache nach unhaltbar. Will man die beiden Denker miteinander ins Gespräch bringen, bedarf es eines je eigenen systematischen Bezugsrahmens. Als solchen verwendet SCHMIDT den in LöWITHS klassischer Studie konstatierten „revolutionären Bruch im Denken des 19. Jahrhunderts", KOSSLER das Problem der Vermittlung von Wissen und Handeln, bzw. von philosophischer Wissenschaft und Ethik. Die beiden Autoren kommen zu Recht unterschiedlichen Ergebnissen. Zwar konstatiert auch SCHMIDT gewisse Übereinstimmungen, etwa daß SCHOPENHAUER in seinem Denken dem Hegelschen Begriff der Totalität näher gekommen ist, als er selbst geahnt bzw. zugegeben hat (153, Anm. 84 im Blick auf SCHOPENHAUERS Vorrede zu W I), und auch er verwirft natürlich SCHOPENHAUERS indiskutable Polemiken gegen einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene Hegelsche Sätze. Aber s. M. n. überwiegen die Unterschiede, und für ihn ist SCHOPENHAUER vor allem als Hegel-Kritiker interessant. Der Hauptertrag seiner Untersuchung besteht in dem geglückten Nachweis, daß SCHOPENHAUER zentrale Einwände gegen den „Hegelianismus" formuliert und begründet hat, die nach der bisher verbreiteten, von LöwiTH zusammengefaßten und befestigten Auffassung, erst von den Denkern der Hegelschen Linken und von KIERKEGAARD stammten. Die neuere Hegel-Eorschung ist zu dem Ergebnis gekommen, daß der Abstand zwischen diesem Hegelianismus und dem ihm zugrunde liegenden Hegelschen System größer ist, als man bisher bemerkt hatte. Das stellen beide Autoren in Rechnung, allerdings zieht SCHMIDT, im Unterschied zu KOSSLER, für seine Argumentation kaum Konsequenzen daraus. Wenn er schreibt: „Angesichts seiner bestenfalls oberflächlichen Lektüre einiger Werke Hegels ist es erstaunlich, wie präzise SCHOPENHAUERS Glossen nicht nur das Selbstverständnis des großen Idealisten erfassen, sondern auch die wirklichen Schwächen des Systems" (61), dann verfließen die Grenzen zwischen dem Denken Hegels und den vergröbernden Adaptionen seiner Anhänger. Zu den „wirklichen Schwächen" rechnet SCHMIDT den „Begriffsrealismus", dem SCHOPENHAUER den bleibenden Primat der Anschauung entgegengesetzt hat, die These von der Autarkie des Denkens und die Versuche, Staat und Geschichte als in sich vernünftig zu erweisen. Dem allen zugrundeliegend sei SCHOPENHAUERS Wendung gegen Hegel eine Zurückweisung des Theismus gewesen, der Behauptung, die Welt lasse sich auf ein überweltliches, ihr vorgeordnetes („göttliches") Prinzip zurückführen. Dies letztere halte ich für einen wichtigen Hinweis, bes. hinsichtlich seiner Konsequenzen für die Wahrheitsproblematik. KOSSLER betont, daß eben nicht nur die isolierten Kritiken, sondern gerade die generellen Einwände auf einem fundamentalen Mißverständnis beruhen, das er
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am Stichwort „Begriffsrealismus" festmacht: SCHOPENHAUER habe verkannt, daß bei Hegel , Begriff' nichf die abstrakte Verallgemeinerung von sinnlichen Vorstellungen bedeutet, sondern die konkrete Vermittlung des substantiellen Wissens mit dem Wissen des je einzelnen Bewußtseins. Aber gerade weil es so ist, eröffnet sich s. M. n. eine Chance für ein vertieftes Gespräch zwischen den beiden Denkern: Man könne, sozusagen von SCHOPENHAUERS eigenen Äußerungen unbelastet, nach dem tatsächlichen Verhältnis der beiden Systeme fragen. KOSSLER kommt auf diesem Weg zu der überraschenden Feststellung, daß sie, weit davon entfernt, unvereinbar zu sein, ganz im Gegenteil, einander „bis auf einen, allerdings wesentlichen Punkt vollständig entsprechen" (15). Während SCHMIDT also die traditionelle Unvereinbarkeitsthese zwar differenzierter dargestellt und ausführlicher entwickelt, im Grundsätzlichen aber bestätigt hat, behauptet KOSSLER, daß die Denkbewegung SCHOPENHAUERS mit der Hegels weitgehend übereinstimmt. Das ist eine geradezu revolutionäre These, zu der es allenfalls bei den oben erwähnten frühen Autoren Anklänge gibt. Die neueren Arbeiten und Bemerkungen zum Thema (von WEIMER, ENGELMANN, SPIERLING, KAWATA U. a.) hält KOSSLER für unzureichend — und an seiner radikalen These gemessen, muß in der Tat jeder andere Versuch halbherzig erscheinen. An der Studie SCHMIDTS, die er nach Abschluß seiner Untersuchung gerade noch zur Kenntnis nehmen konnte (vgl. aber seine spätere Rez. des Buchs in: Schopenhauer-Jahrbuch 70, 1989), moniert KOSSLER nicht zu Unrecht, daß die in ihr bekräftigten Einwände SCHOPENHAUERS gegen Hegel nicht ausreichend an dessen Texten überprüft sind (249 f). KOSSLERS Arbeit besteht aus drei Teilen. Nach der Einleitung folgen im 1. Teil, unter dem Titel Substanz und Subjekt, zwei parallel verlaufende Rekonstruktionen der Systeme Hegels und SCHOPENHAUERS, die dann im 2. Teil unter dem Titel Wissen und Handeln miteinander verglichen werden. Der 3. Teil zieht unter dem Titel Handelndes Wissen und Wissendes Handeln: Die ethische Dimension der Erfahrung, Konsequenzen aus den Ergebnissen der beiden vorangegangenen Teile.
Nicht der Vergleich Hegel-ScHOPENHAUER ist somit das zentrale Thema der Arbeit, sondern die Möglichkeit der Begründung subjektiven (moralischen) Handelns durch (wissenschaftlich-philosophisch ermitteltes) substantielles Wissen. Allerdings erhebt KOSSLER nicht den Anspruch, ein derartiges Unternehmen schon zu Ende zu bringen. Vielmehr handelt es sich um eine erste Etappe auf dem Weg, und in dieser kommt dem Vergleich zwischen SCHOPENHAUER und Hegel eine wichtige kriterielle Funktion zu. Dies soll kurz verdeutlicht werden. Wenn Sollensaussagen sich prinzipiell nicht auf Seinsaussagen zurückführen lassen, bleibt das objektiv gewonnene Wissen für das subjekfive Handeln bedeutungslos. Die nachkantische kontinentale Philosophie hat sich mit dieser nihilistischen Konsequenz nie abgefunden. In der gegenwärtigen Diskussion führen vor allem HABERMAS und APEL den Kampf um die Überbrückung dieser Kluft weiter. KOSSLER gesellt sich als kritischer Verbündeter zu ihnen, hält ihre konkreten Lösungsvorschläge aber für unzureichend — nicht zuletzt deswegen, weil sie sich nicht zur Genüge der entscheidenden diesbezüglichen Entwicklungen seit KANT
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vergewissert haben. HABERMAS knüpft an KANT an, während er dem Hegelschen Modell kritisch gegenübersteht und das SCHOPENHAUERS gar nicht berücksichtigt. KOSSLER gibt zu bedenken, daß der Unterschied zwischen transzendentalphilosophischem und dialektischem Vorgehen generell nicht so groß ist, wie HABERMAS anzunehmen scheint, und daß zumal bei KANT zentrale Motive Hegels bereits eine wichtige Rolle spielen — nicht zuletzt die dialektische Vermittlung. Wenn es einem heute Philosophierenden aber an der Weiterentwicklung des KANTischen Ansatzes unter Umgehung des Hegelschen zu tun ist, könnte ihm das recht verstandene System SCHOPENHAUERS dabei gute Dienste leisten. — Was APEL betrifft, so beruft er sich auf HEIDEGGER und WITTGENSTEIN als maßgebliche Exponenfen der beiden heute gängigen Wege der Vermittlung von Sein und Sollen. KOSSLER räumt das mit der Einschränkung ein, daß sie im Grundsätzlichen Positionen wiederholen, die bereits von Hegel und SCHOPENHAUER erarbeitet worden sind, ohne daß die Späteren deren reflexives Niveau erreichten. Der von WITTGENSTEIN konstatierte Hiatus von theoretischem Wissen und praktischem Handeln sei nämlich in SCHOPENHAUERS These von dem „im Dienst des Willens stehenden Erkennen" vorgeprägt, und HEIDEGGERS Hermeneutik des Daseins erneuere „Hegels Gedanken der Erfahrung des Bewußtseins" (27). KOSSLER faßt diese Überlegungen in der These zusammen, daß es tunlich ist, sich an Hegel und SCHOPENHAUER ZU orientieren, wenn man in der gegenwärtigen Situation darauf aus ist, zu einer philosophisch-wissenschaftlich ausweisbaren und zugleich praktikablen Vermittlung von Wissen und Handeln (Wissenschaft und Ethik) vorzudringen. Und wenn gar, nach KOSSLERS These, die Systeme Hegels und SCHOPENHAUERS, im Gegensatz zur verbreiteten Meinung, untereinander weitgehend übereinstimmen, besteht begründete Hoffnung, daß sich auch die von ihnen erarbeiteten Modelle miteinander vereinbaren lassen. Auch KOSSLER betont freilich, daß es nichf nur Gemeinsamkeifen gibf, sondern auch einen, aber wesentlichen Unterschied: Der Hegelsche Denkweg führt zu einem spekulativ vermittelten Handlungswissen, der ScHOPENHAUERsche zu einer zwar durch philosophische Einsicht veränderten, aber diese nicht begrifflich vermitfelnden Denkweise. Aber bleiben wir zunächsf beim Nachweis, daß die beiden Systeme in allen anderen Zügen übereinstimmen. Die einer Rezension gesetzten Grenzen verwehren es, mehr als die Voraussetzungen, den Rahmen und das Ergebnis der ebenso sachkundigen wie detailgetreuen und mit spekulativer Energie durchgeführten diesbezüglichen Analysen KOSSLERS aus den ersten beiden Teilen seiner Arbeit wiederzugeben. Die zentrale Entscheidung muß KOSSLER vorweg treffen, nämlich die Auswahl des systematischen Rahmens. Indem er sich für das Verhältnis von Substanz und Subjekt entscheidet, nimmt er in Kauf, daß die Rekonstruktion auch des SCHOPENHAUERschen Systems und der Vergleich der beiden Denkwege aus einer Hegelschen Perspektive erfolgen. KOSSLER kann gute Gründe beibringen, warum er trotzdem diese Entscheidung getroffen hat. Daß sie einer Darstellung des Hegelschen Denkens angemessen ist, steht ohnehin außer Frage. Was SCHOPENHAUER betrifft, weist KOSSLER auf die Diskrepanz zwischen dessen Anspruch und seiner
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Vorgehens weise hin. Im Unterschied zu Hegel hat SCHOPENHAUER nämlich die Unmittelbarkeit seiner philosophischen Wahrheit kat' exochen (daß das Ding an sich als Wille aufzufassen isf) behauptef, in Spannung dazu aber seinen „einen Gedanken" in aufeinander aufbauenden und auseinander folgenden systematischen Stufen enffalfet. In KOSSLERS Darstellung bleibt zwar die für SCHOPENHAUER selbsf wichtige Idee der „empirischen Verankerung" seiner Metaphysik auf der Strecke, aber es gelingt ihm überzeugend nachzuweisen, daß sich SCHOPENHAUERS Denkweg zweifellos so rekonstruieren läßt — und daß das sogar viel zwangloser möglich ist, als man beim ersten Hören seiner These vermutet hätte. SCHOPENHAUERS System so zu lesen, wie er es vorschlägt und praktiziert, ist wohl der Preis, den man entrichten muß, wenn man es auf dem philosophischen Niveau des spekulativen Idealismus mit dem Hegels vergleichen möchte. Ob dieses Verständnis tatsächlich eine neue Möglichkeit der Vermittlung von Wissen und Handeln eröffnet, bleibt zu fragen. Der Gewinn für einen Verehrer SCHOPENHAUERS, der sich auf KOSSLERS Vorschlag einläßt, bestünde darin, daß er den häufig vorgebrachfen Verdacht, SCHOPENHAUER sei mit der Identifizierung des Dings an sich mit dem „Willen" in eine vorkritische Position zurückgefallen, ein für alle Mal widerlegen könnte. Denn er kann diesen Ansatz nun als Ergebnis eines dialektischen Prozesses der Erfahrung des Bewußtseins präsentieren, in dem der Wille, als die Substanz, von Anfang an am Werk isf, was ihm selber allerdings ersf zu Bewußtsein kommt, wenn er sich durch das individuelle menschliche Subjekt als dessen innerster Kern erfaßt hat. In seiner Tendenz und in seinen hauptsächlichen Stationen verläuft dieser Weg dem von Hegel in der Phänomenologie des Geistes dargestellten parallel. Wie im Falle Hegels läßt sich nach Erreichen dieser Einsicht auch bei SCHOPENHAUER die Richtung des Weges umkehren, und der Prozeß kann als das Zusichselberkommen des substantiellen Willens über die Stufen seiner Entäußerung — von SCHOPENHAUER „Ideen" genannt — in der (höchsten) Idee des individuellen Charakters dargestellt werden. Für Hegel kommt der Prozeß zum Ziel, wenn das Subjekt nicht nur sich als die Substanz, sondern wenn es auch die gesamte Entwicklung bis hin zur Einheit von Bewußtsein und Selbstbewußtsein in ihrer Notwendigkeit erfaßt (vgl. 41 f, 79—85). Dagegen hat SCHOPENHAUER diese Konsequenz nicht nur nicht gezogen, sondern sich ausdrücklich dagegen verwahrt. Er beharrte auf der Unmittelbarkeit der philosophischen Grundeinsicht. KOSSLER faßt diese Haltung in der plastischen Formulierung vom „sich nicht begreifenden Begriff" bei SCHOPENHAUER zusammen (153 ff). Das Verhälfnis der beiden Systeme charakterisiert er im Blick auf diese Differenz wie folgf: „Man kann ... in diesem Punkte die Hegelsche Philosophie als die Vervollkommnung des ScHOPENHAUERSchen Systems ansehen, indem sie dieses über sich selbst aufklärt" (174 f). Unserem fiktiven Verehrer SCHOPENHAUERS mag dämmern, worauf er sich eingelassen hat — ähnlich wie einem Christen, der erfaßt, was es mit der „Aufhebung" des von ihm Geglaubfen in der Philosophie Hegels auf sich haf: Worauf es
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ihm ankommt, scheint der Sache nach bewahrt zu sein, aber zur Befestigung des neu eröffneten Horizonts muß er sich einer ganz anderen Sicht- und Denkweise befleißigen, als er es gewohnt ist. Diese Analogie läßt sich noch ein Stück weiterführen. Wie das im spekulativen Denken aufgehobene (christliche) Vorstellen des Absoluten eine Bedeutung bei dessen Vermittlung für das unphilosophische „Volk" behält, so gesteht KOSSLER der Philosophie SCHOPENHAUERS, wegen der „Anschaulichkeit" ihrer Sprache, ein gewisses Recht zu. Sie habe darin sogar einen Vorzug gegenüber der Hegelschen, die durchgängig im Medium des Begriffs bleibt (vgl. 204 ff). Hier endet freilich die Analogie, denn KOSSLER weifet, was zunächst nur wie ein Zugeständnis aussieht, zu einem grundsätzlichen Einwand gegen Hegel aus, wobei er an die Sprachphilosophie und Hegelkritik von LIEBRUCKS anknüpft; Hegels Denken erreiche nur den Intellekt, nicht (wie das SCHOPENHAUERS) den Willen, und zwar nicht zufällig, sondern infolge seines Ansatzes beim Begriff. Was folgf daraus für KOSSLERS zentrales systematisches Anliegen, der Möglichkeit eines tragfähigen Modells der Vermitflung von Wissen und Handeln? Hegel wie SCHOPENHAUER sind seiner These zufolge zu einem Modell von „Erfahrung" vorgedrungen, in dem (absolufes) Wissen und (moralisches) Handeln miteinander verbunden sind. Sie lehren uns, daß das „Begreifen der Realität. . . mit der Einsicht ein[setzt], daß die Realität nicht etwas Gegebenes ist, sondern die Entäußerung des Selbstbewußtseins; die aus dieser Einsicht entspringende Verantwortung verändert das Denken, und die der Realität immer nachfolgende Empirie kann sich in die, die Realität bestimmende ethische Erfahrung verwandeln" (243). Hinter dieser Einsicht, so lautet KOSSLERS nachdrücklich zu unterstreichendes Ergebnis, kann zeitgenössisches Philosophieren nur um den Preis seiner Unerheblichkeit zurückfallen. Aber diese Einsicht liegt in zwei verschiedenen Versionen vor, die jeweils ihre Vorzüge und Nachteile haben. Soll heutige Bemühung um die Überbrückung des Abgrunds zwischen Sein und Sollen an die Hegelsche Variante anknüpfen und für den Triumph des sich selbsf in seiner Nofwendigkeif Begreifens das Los auf sich nehmen, nur den Intellekf zu erreichen? Oder soll es, dem Vorgang SCHOPENHAUERS folgend, sich um der Möglichkeit willen, direkt den Willen zu erreichen, bei einem begrifflich nichf mehr vermittelbaren Innewerden des Absoluten bescheiden? Oder schwebt KOSSLER gar ein Hegel vor, der die Sprache SCHOPENHAUERS spricht? So ist es in der Tat, allerdings ist mit dieser saloppen Formulierung wieder nur die Oberflächendimension seiner Intention getroffen. Er weiß natürlich, daß ein bloßes „Popularisieren" zu kurz greift. Hegel sei in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte selber dieser Versuchung erlegen, was bis heute viel zum Mißverständnis seines Denkens als „Begriffsrealismus" im trivialen Sinne beitrage (vgl. 193 ff). In der gegenwärtigen Situation käme es nach KOSSLERS These deswegen darauf an, belehrt durch beide Denker und durch die seitherige Entwicklung, eine spekulative Begründung des substantiellen Wissens unter Voraussetzung des Primats des Willens zu unternehmen (vgl. 198 ff). Mif diesem Ausblick endet das Buch — ein erstaunlicher, nicht nur für eine Dissertation ungewöhnlicher Entwurf!
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Anregung, die wohl programmatisch gemeint ist, läßt an den jungen NIETZSCHE denken, der sich im Anschluß an SCHOPENHAUER und WAGNER um eine Vermittlung von Wissen und Handeln („Leben") bemüht hat, die beim Primat des Willens ansetzt. Er hat diesen Versuch in seiner philosophischen Erstlingsschrift (Die Geburt der Tragödie) zwar anhand eines konkreten historischen Modells, der griechischen Tragödie, und unter Verwendung von Metaphern aus der griechischen Mythologie entwickelt; „Dionysus" tritt als „epischer Held" auf und spricht die Sprache „Apollos" (vgl. bes. Abschnitt 8). Aber dieser später von ihm als „Artistenmetaphysik" bezeichnete Entwurf ist zweifellos philosophisch ernstzunehmen. Im Kontext von KOSSLERS Studie läßt sich sein Ertrag so wiedergeben: Dem „tragischen Griechen" gelingt es, das dionysische Ureine, das er als den Kern seiner selbstbewußten Subjektivität erfaßt, mit dem apollinischen Wissen zu vermitteln; in dieser Gestalt wird es zur Grundlage seines Handelns in der Welt. Ob das dem von KOSSLER angepeilten Modell nahekäme? NIETZSCHE selbst hat diesen Versuch später als verfehlt, weil noch der „Metaphysik" verhaftet, zurückgezogen (vgl. seinen Versuch einer Selbstkritik, das Vorwort zur Neuausgabe der Geburt der Tragödie von 1886). Selbst der leidende, künstlerische „Gott" Dionysos schien ihm im Rückblick noch aus der theistischen Perspektive konzipiert zu sein. SCHMIDT hat NIETZSCHE im Schlußkapitel seines Buchs zu Recht als den konsequenteren Fortsetzer SCHOPENHAUERS bezeichnet (vgl. 132 ff), weil er den von diesem theoretisch überwundenen „theistischen" Horizont auch faktisch preisgegeben hat. NIETZSCHE hätte sich daher auch dem Versuch widersetzt, SCHOPENHAUERS Denken aus der Hegelschen Perspektive zu rekonstruieren. Aber er hat mit dem platonistisch-christlichen Paradigma nicht auch die Hoffnung auf eine gelingende Vermittlung von Wissen und Handeln aufgegeben, ln Aph. 327 seiner Morgenröte deutet er durch die Parabel vom Don Juan der Erkenntnis an, worauf es ihm dabei ankommt und wie er sich nun eine Überwindung des Nihilismus vorstellt. Er setzt auf eine Verwandlung des Menschen durch die Einverleibung der „Leidenschaft der Erkenntnis", die es ihm ermöglicht, die je erreichte Vermittlung auch dann für verbindlich zu nehmen, wenn er erkannt hat, daß sie ihre Voraussetzungen nie (ganz) einholen kann. Jörg Salaquarda (Wien) KOSSLERS
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Michel Espagne: Federstriche. Die Konstruktion des Pantheismus in Heines Arbeitshandschriften. Hamburg, Lüneburg: Hoffmann & Campe 1991. 317 S. (Heine-Studien.) Die vorliegende Studie des französischen HriNE-Forschers und Kulturhistorikers ESPAGNE untersucht die Aufnahme und Verarbeitung des Pantheismusstreites in den verschiedenen Schriften HEINES. Innovativ ist dabei insbesondere die methodische Prämisse, HEINES Pantheismus nicht auf eine starre Definition zu reduzieren, sondern ihn aus dessen Teilnahme an den ideologischen Debatten seiner Zeit herauszukristallisieren und dann zu dokumentieren, wie HEINES SO erläuterter Pantheismus in seinen Schreibgestus übergeht (14 f)- ESPAGNES Studie ist damit zugleich kontextuell, genetisch und entwicklungsgeschichtlich, und diese gelungene Verbindung macht den eigentlichen Reiz der Arbeit aus. Es ist klar, daß sich ESPAGNE in dieser Perspektive auch mit der SpiNOZA-Rezeption von Hegel selbst, dann der Hegelianer und Junghegelianer auseinandersetzt, und dieser Aspekt seiner Studie bildet ihren spezifischen Beitrag zur Hegelforschung, der hier im Mittelpunkt stehen muß. Hegel selbst wird zunächst im Rahmen der einleitenden Ausführungen über den Pantheismus im 19. Jahrhundert thematisiert (15—26). Die Pantheismusdebatte gehört in den Kontext der SPINOZA-Rezeption, bei der sich in Deutschland drei Phasen unterscheiden lassen: 1) die bis MENDELSSOHN reichende überwiegend kritisch-ablehnende Auseinandersetzung mit SPINOZAS theologischen Ansichten; 2) die von LESSING bis Hegel sich behauptende „Vorstellung einer autonomen Sittlichkeit und eines nicht mehr nur persönlichen Gottes"; 3) die von Hegel bis NIETZSCHE zentral thematisierte Frage der säkularisierten Teleologie. Schon die so referierte historische Gliederung unterstreicht Hegels Schlüsselstellung innerhalb dieser Rezeptionsgeschichte. Die Präsentation von Hegels Auseinandersetzung mit SPINOZA und dem Pantheismus mußte mit Rücksicht auf ESPAGNES eigentliches Thema notwendig kurz ausfallen, sie berührt aber mit der entwicklungsgeschichtlichen Verortung und der systematischen Bedeutung zwei entscheidende Aspekte. Entwicklungsgeschichtlich setzt ESPAGNE auf Hegels Tübinger Lektüre von HERDERS Gott, systematisch betont er, unter Anlehnung an H.-C. LUCAS, die Auseinandersetzung mit SPINOZA am Übergang von der objektiven zur subjektiven Logik und in der Hegelschen Definition von „Wirklichkeit" (19 f). Hegel begegnet uns dann in ESPAGNES Darstellung von HEINES Berührung und Auseinandersetzung mit Hegelianern und Junghegelianern wieder. So wird zuerst EDUARD GANS (1797—1839), HEINES Jugendfreund und sein Mitstreiter im „Verein für Kultur und Wissenschaft der Juden", als wichtige Informationsquelle für HEINES Hegelkenntnisse präsentiert (84 f). Für ESPAGNE löste schon der anonym erschienene, aber von GANS stammende Aufsatz zur Abschaffung des Kahals bei den polnischen Juden {Zeitschrift für die Wissenschaft des Judenthums, 1823, 535—539) bei HEINE eine hegelianisch inspirierte Reflexion über das Judentum in der Weltgeschichte aus. Der relativ kurzfristige, aber enge Kontakt mit GANS
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dürfte darüber hinaus wichtige Grundlagen für HEINES spätere Berührung mit denjenigen Denkern geschaffen haben, die von Hegel kommend über diesen hinausgehen wollten: mit FEUERBACH und BRUNO BAUER, CIESKOWSKI und K. L. MICHELET, schließlich mit MOSES HEB, um nur einige zu nennen. Hegel spielt für ESPAGNE dann auch eine wichtige, wenngleich verborgene und daher oftmals übersehene Rolle in der Auseinandersetzung mit dem SAiNT-SiMONismus, die HEINE in den 1830er Jahren führte (114—130). ESPAGNE korrigiert hier zunächst die vielen Übertreibungen und Ungenauigkeiten, die sich bei diesem Thema in die HEiNEforschung eingeschlichen haben, denn HEINES Rezeption dieser Lehre war stets von scharfer Kritik begleitet. Ausgangspunkt seiner tiefer gehenden Analyse ist dann die Konstatierung einer Parallele zwischen Hegelianismus und SAiNT-SiMONismus, wie sie HEINE Z. B. in einem Bruchstück zum zweiten Artikel der „Europe litteraire" formulierte: „Aber Gott ist nicht nur in der Substanz, wie die alten ihn begriffen, sondern Gott ist in dem , Prozeß' wie Hegel sich ausdrückt und wie er auch von den SAiNT-SiMONisten gedacht wird." {Düsseldorfer Heine Ausgabe VllVl. 467 und VIll/2. 1410) ln diesem von ESPAGNE glücklich ausgewählten Zitat stehen die Auseinandersetzung mit SPINOZA, Hegel und der SAiNT-SiMONismus ganz eng beisammen, ln der Endfassung dieses HEiNEtextes, ein Beispiel für die verborgene Rolle des Philosophen, ist übrigens jede Anspielung auf Hegel getilgt. ESPAGNE geht dem sachlichen Gehalt der HEiNEschen Parallelisierung gründlichst nach und untersucht in diesem Zusammenhang z. B. die Laufbahn COUSINS, die Deutschlandkontakte der GioFe-Redakteure und schließlich die Kenner des deutschen Geisteslebens im engeren Kreis der SAINT-SIMONL sten (E. LERMINIER, J. LECHEVALIER, E. RODRIGUES und G.D'EICHTHAL). Diese Detailuntersuchungen führen ESPAGNE ZU der These, daß die zweite Periode in der Entwicklung der SAiNT-SiMONistischen Doktrin (d. h. die von ENFANTIN, BAZARD und RODRIGUES geführte Bewegung) nicht unerheblich aus deutschen Quellen gespeist wurde. Diese These wird an Hand der ersten deutschen Rezipienten des SAiNT-SiMONismus (z. B. BRETSCHNEIDER, CAROvfi) überprüft und bestätigt, denn diese entdeckten dort fast überall deutsche Vorbilder (nicht nur KANT, EICHTE, ScHELLiNG, Hegel, auch KRAUSE und gar den llluminaten WEISHAUPT). Für HEINE selbst geht es dann jedoch nicht so sehr um die inhaltlichen Parallelen, sondern um die damit gegebene Übersetzungsmöglichkeit des deutschen Idealismus und insbesondere der Phüosophie Hegels: der SAiNT-SiMONismus diente HEINE, SO lautet ESPAGNES treffendes Ergebnis, als sprachliches Werkzeug zum Kulturtransfer (117 f). In den 1840er Jahren greift HEINE dann Motive aus der junghegelianischen Hegelkritik auf. ESPAGNE zeichnet diese Entwicklungsstufe genau nach und widmet sich dabei dem Verhältnis von HEINE und MOSES HEB (von dessen Europäischer Triarchie er 1988 eine gediegene französische Ausgabe vorlegte) mit besonderer Sorgfalt (180 ff). War das Motiv der ,Tat' schon in HEINES Schriften der 1830er Jahre vorhanden, gewinnt es erst im Anschluß an BRUNO BAUER und AUGUST VON CIESZKOWSKI sein spezifisch philosophisches Gewicht. Die junghegelianische Konzeption einer , Philosophie der Tat' enthielt von Anfang an einen latenten Spino-
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zismus. HEG explizierte dann diesen SpiNOZAbezug seiner , Philosophie der Tat' nachdrücklich, wenn er 1843 ausführte, daß „die Basis der freien That die Ethik des SPINOZA" ist. So mußte SPINOZA auch für die hegelkritischen Aspekte des Junghegelianismus wichtig werden. Trotz aller Verdienste, die sich Hegel um SPINOZA erworben hatte, versuchte etwa HEB, SPINOZA gegen Hegel auszuspielen und das orientalisch-unbewegliche Bild von SPINOZAS Substanz, das er Hegel zuschreibt, samt des als boshaft verstandenen Hinweises auf SPINOZAS Schwindsucht, in seiner Europäischen Triarchie zermalmend zu korrigieren. ESPAGNE zeigt, daß diese spinozistisch inspirierte Hegelkritik überraschende Parallelen zur akademischen SpiNOZA-Rezeption der Zeit (z. B. mit KONRAD VON ORELLI) aufweist (188 f), und dokumentiert dann, daß HEINE die Rolle, die SPINOZA und seine Anhänger und Rezipienten in dieser „Wende in der Geschichte der Hegelschen Schule" gespielt haben, deutlich gesehen hat. Da HEINE ZU Anfang der 1840er Jahre VICTOR COUSIN als ein französisches Gegenstück zu Hegel sah, läßt sich seinen Kommentaren über COUSINS Förderung der SpiNOZA-Übersetzung von EMILE SAISSET auch entnehmen, welche Korrekturen des Hegelianismus er als wünschenswert betrachtete (191). Die Arbeit hält sich durchweg auf einem hohen Niveau. Die vielsträhnige Untersuchung stellt allerdings auch hohe Anforderungen an den Leser, zumal sie sich aller didaktischen Vereinfachungen enthält. Bemerkenswert und beispielhaft auch über die HEiNEforschung hinaus ist darin der Umgang mit HEINES Handschriften und unediertem Arbeitsmaterial. Dieser Umgang wird in Auseinandersetzung mit MACHEREYS Pour une theorie de la production litteraire, aber auch mit MANNHEIMS Wissenssoziologie reflektiert (27 ff, 309 f). Es wird deutlich, daß die Beschäftigung mit Varianten, Textstufen und gar bloßen Arbeitsnotizen kein steriler Selbstzweck zu sein braucht, sondern zur Erhellung der Denkprozesse des Autors und der diversen Sinnschichten eines Buches notwendig ist. Bei aller Hegelkritik spinozistischer, jungehegelianischer und spezifisch HsiNEscher Provenienz, die das Buch referiert und diskutiert, möchte ich abschließend festhalten, daß ich die Grundintention ESPAGNES, HEINES Pantheismus aus einem starren Definitionskäfig zu befreien, den Begriff zu verflüssigen und darin eine Abfolge von Denkprozessen zu sehen, vielleicht sogar gegen den Willen des Autors, für ein zutiefst hegelianisches Projekt halte. Norbert Waszek (Paris)
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Tuija Pulkkinen: Valtio ja vapaus (Staat und Freiheit). Tutkijaliitto. Gumme-
ms Kirjapaino Oy. J}cväskylä 1989. 173 S. Hegel-Forschung in Finnland hat immer noch sehr starke Berührungspunkte mit JoHAN ViLHELM SNELLMANS Schaffen. Das ist auch verständlich. War doch SNELLMAN im 19. Jahrhundert der wichtigste jener bedeutenden Männer, die die nationale Identität Finnlands neu belebten oder im tieferen Sinn sogar ab ovo schufen. SNELLMAN war nicht nur professioneller Philosoph, sondern auch angesehener Journalist, glänzender Kritiker und weitsichtiger Staatsmann. Er verfaßte Lehrbücher, die die Hegelsche Logik, Psychologie und Rechtsphilosophie (1839—1841) behandeln, in deutscher Sprache veröffentlichte er sein magnum opus Versuch einer speculativen Entwicklung der Idee der Persönlichkeit (Tübingen 1841); zudem ging es ihm um die gesellschaftsphilosophische Popularisierung der Hegelschen Rechtsphilosophie — Läran om staten (Die Lehre über Staat) — in der er besonders Themen der Abteilung „Sittlichkeit" erweitert und mehr empirisch reformuliert. Wegen seines jugendlichen Radikalismus und eigensinnigen Charakters konnte er nicht nach seiner Dozentenzeit an der Universität seine Lehrtätigkeit fortsetzen, sondern er mußte sechs Jahre in der Kleinstadt Kuopio als Rektor bei der lokalen Oberelementarschule und danach sogar als Prokurist in Helsinki sein Brot verdienen. Im Jahre 1856, als ALEXANDER II russischer Zar geworden war, ernannte er SNELLMAN zum Professor der Philosophie („Sittenlehre und System der Wissenschaften"). Ex officio las er dann 1856—1863 Philosophie, hauptsächlich Ethik und Gesellschaftsphilosophie. 1863 ernannte man ihn zum Wirtschaftssenator — Finnland hatte damals innere Autonomie —, und er setzte u. a. eine wichtige Devisenreform durch. Im Jahre 1868 mußte er doch aus dem Amt ausscheiden, als Rußlands liberalste Reformära schon vorbei war. Bis zu seinem Tod wirkte er dann als angesehener Journalist, der seine Meinung zu mannigfaltigsten Themen äußerte. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, daß TUIJA PULKKINEN in ihrem Buch, das aus acht Aufsätzen besteht, sehr oft SNELLMANS Verhältnis zu Hegel beschreibt und erläutert. Wie die Verf. auch selbst konstatiert, hat sie die Artikel gesondert und zu verschiedenen Zeitpunkten geschrieben, so daß einerseits dieselben Sachen und Themen immer wieder Vorkommen, andererseits aber, weil die Artikel nun im ganzen in einer chronologischen Ordnung publiziert werden, der Leser die Themenentwicklung kontinuierlich verfolgen kann. Um den Kern der Sache zu treffen, sehe ich mich veranlaßt, die Überschriften der Artikel aus dem Finnischen ins Deutsche zu übersetzen; 1. J. V. Snellmans Staatslehre; 2. Alltagsleben, Staat und Patriotismus im Denken }. V. Snellmans; 3. /. V. Snellmans Staatsbegriff; 4. Moralität in Hegels Gesellschaftsphilosophie; 5. Hegel und das Mysterium des Monarchen; 6. Verschwinden des Willens; 7. Bürgerliche Gesellschaft und Staat; 8. Das Problem des Subjekts in der Gesellschaftstheorie. Im ersten Aufsatz erläutert die Verf. SNELLMANS Staatslehre (im weitesten Sinne) so, daß sie ihr eine immanente Interpretation gibt: sie betrachtet SNELLMANS
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Staatslehre aufgrund ihrer Stellung im enzyklopädischen System, näher als Teil der Rechtsphilosophie, wobei sie überdies besonders Berührungspunkte, Ähnlichkeiten und Unterschiede zu Hegel berücksichtigt. Der wichtigste Unterschied ist nach Meinung der Verf. in der Behandlung der bürgerlichen Gesellschaft zu sehen. Hegel legt nämlich mehr Nachdruck auf die ökonomische Tätigkeit und auf die Theorien der klassischen politischen Ökonomie als SNELLMAN, der seinerseits sehr ausgeprägt die bürgerliche Gesellschaft als gesetzesverpfichtet — mithin als mehr „mitbürgerliche" Gesellschaft — darstellt. Darüber hinaus legt SNELLMANs Staatslehre überhaupt mehr Wert auf die nationalen Aspekte als Hegels in diesem Sinne abstraktere Theorie. Diese Problematik setzt die Verf. im zweiten Aufsatz fort, in dem sie besonders KANTS direkten Einfluß auf SNELLMANS Moraltheorie hervorhebt und aufgrund ihrer Forschungen der SNELLMANschen Vorlesungen belegt, daß SNELLMAN mehr als Hegel das vermöge seines Gewissens handelnde Moralsubjekt berücksichtigt. Die Frage nach dem autonomen Moralsubjekt wird fortwährend in SNELLMANS Schriften diskutiert, und auch SNELLMAN selbst schreibt oft, daß er mehr als Hegel „diese subjektive Seite" betonen will. Demzufolge verneint SNELLMAN, daß die partikularisierten Bedürfnisse, die Arbeit und die Weisen der Bedürfnisbefriedigung die Grundlagen einer Gesellschaftstheorie bilden können. Vielmehr ist seiner Meinung nach die wirkliche Quelle der Befreiung des Menschen seine Rechtsfähigkeit. Der Mensch ist moralisch autonom, und dieser Umstand ist die begriffliche Basis der Gesellschaft. Kurz: Bei SNELLMAN verweist der Staatsbegriff mehr auf eine moralische und der Begriff der bürgerlichen Gesellschaft mehr auf legalistische Tätigkeit — der Staat besteht aus einer patriotischen Gesinnung, die bürgerliche Gesellschaft aus mehr oder weniger alltäglichem Handeln, die beide aber das Individuum autonom vermöge seines sittlichen Gewissens verwirklicht. Im dritten Aufsatz kehrt die Verf. zu den Unterschieden zwischen dem Hegelschen und SNELLMANschen Staatsbegriff zurück. Sie unterstreicht: SNELLMAN hat die Hegelsche Lehre so interpretiert, daß sich der umfassende Staatsbegriff Hegels noch mehr der allgemeinen Sitten- und Kulturforschung nähert. Daraus zieht sie die Schlußfolgerung, daß im SNELLMANschen Sinne diejenige Person frei ist, die sich selbst bestimmt, also Bestimmungen der Kultur gibt, deren Geschöpf sie selbst ist. Im vierten Aufsatz behandelt die Verf. dasselbe Thema, das sie schon im zweiten Artikel erläuterte, — aber nun direkt von einem Hegelschen Standpunkt. Sie nimmt Stellung zum vieldiskutierten Problem „der Aufhebung der Moralität in die Sittlichkeit" und folgert, daß der Gedanke der moralischen Subjektivität in der Gestalt des allgemeinen Willens als Subjekt in die Sittlichkeit aufgehoben wird. Damit erscheint der Zweck des Willens, das abstrakte Gute, als Zweck des Staatssubjekts, also als Endzweck, der das allgemeine Wohl aller ist; und die Überzeugung des moralischen Gewissens kommt im Staate als Überzeugung der Staatsbürger von der Berechtigung des Staates vor. Doch gehört zu Hegels Denken nicht eine direkte Tätigkeit des einzelnen Subjekts im Staate. Seine Philoso-
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phie ist mehr auf Vermittlung angelegt als SNELLMANS Konzeption. Bei Hegel ist der Staat — als Willenssubjekt — Mittel oder Vermittlung für die Moralität des Individuums. Die Staatsverfassung bildet das Mittel des moralischen Individuums, seine Pflichten und Rechte zu verwirklichen. Recht zu tun und für das Wohl in allgemeiner Bestimmung zu sorgen. Im fünften Aufsatz gibt die Verf. ihre Antwort auf das bekannte Problem der Stellung des Monarchen, das schon EDUARD GANS SO pointierte: „Es ist bei einer vollendeten Organisation nur um die Spitze formellen Entscheidens zu tun, und man braucht zu einem Monarchen nur einen Menschen, der „Ja" sagt und den Punkt auf das I setzt; denn die Spitze soll so sein, daß die Besonderheit des Charakters nicht das Bedeutende ist". (Rph § 280 Z). Die Verf. stützt ihre Analyse auf QUENTIN SKINNERS Theorie der „Doppelabstraktion" („the double abstraction view of the state"), indem sie auch bei Hegels Staatsbegriff zwischen zwei Abstraktionen unterscheidet: a) einerseits identifiziert Hegels Staatsbegriff den Staat nicht mit dem Willen des Monarchen. Aber b) Hegel lehnt auch die radikalsten Lehren über Volkssouveränität ab. Nach Meinung der Verf. charakterisiert Hegels Staatsbegriff der Umstand, daß er ein „Ding" beschreibt, das seiner Form nach ein von Punkten a) und b) getrenntes Subjekt ist. Die Aufgabe des formellen Monarchen ist in dieser Konstruktion die Idee als Subjekt zu verkörpern. Der Monarch personifiziert das Moment der Innerlichkeit, das Hegel als Kern der modernen Welt betrachtete. Daß der Staat ein abstraktes Ding und daß er seiner Form nach Subjekt ist, erhellt die Stellung des Monarchen als letzter Instanz des Willens. Warum aber die Idee überhaupt inkarniert werden muß, bleibt immer noch ein Mysterium. In dem sechsten und achten Aufsatz, welche der siebente im allgemeinen vermittelt und konkretisiert, stellt die Verf. zwei geschichtliche Epochen aus der Geschichte des Staatsbegriffs dar. Zunächst beschreibt sie, wie der Gedanke eines selbst wollenden oder moralischen Subjekts, insofern er staatstheoretisch begriffen wird, allmählich und schließlich ganz und gar verschwindet. Als Subjekttheoretiker stellt sie wieder Hegel und SNELLMAN vor, und als zentrale „Verschwindungstheoretiker" gilt ein finnischer Professor für Staatslehre vom 20. Jahrhundert, Jussi TELJO, der im Jahre 1934 seine Dissertation unter dem Titel Staat und bürgerliche Gesellschaft in Snellmans Staatsphilosophie stellte. Hegel und SNELLMAN kritisierend kommt TELJO ZU dem Schluß, daß es nicht nötig ist, irgendeinen „metaphysischen" Begriff des Staates zu konstruieren um das chaotische Treiben der bürgerlichen Gesellschaft denkend zu analysieren und kontrollieren. Nach TELJOS Meinung ist das Bemühen, gesellschaftliche Erscheinungen in diesem Sinne moralisch zu beherrschen, unnötig und sogar gefährlich. So bleiben und sind das Forschungsobjekt der Politologie: die bürgerliche Gesellschaft, das System der Privatinteressen, Interessengruppen und überhaupt „der Feld der Kräfte", wie TELJO im allgemeinen den Forschungsgegenstand der Staatslehre charakterisiert. Als Vertreter des modernen Empirismus glaubt TELJO auch nicht mehr an die ,große Erzählung' der Universalgeschichte und den Fortschritt. Doch scheint er immer noch an etwas zu glauben, nämlich an die parlamentarische Demokratie.
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Aber man hat auch diese Erzählung verdächtigt. Das ist das Thema des letzten Aufsatzes, in dem die Verf. die heutige Diskussion „über das Verschwinden des Subjekts" analysiert und einerseits theoretisch beinahe zustimmend, andererseits aber ethisch ablehnend mit JEAN BAUDRILLARD folgert: es gibt kein gesellschaftliches und besonders kein staatliches Subjekt mehr; nur politische Zeichen zirkulieren in ihrer eigenen illusorischen Welt, und die schweigende Mehrheit schaut ironisch als Stimmvieh durch und sieht sich auf der medienkratischen Schaubühne an. Im ganzen ist PULKKINENS Buch ein wichtiger Beitrag zur finnischen Hegel-Forschung und Staafslehre überhaupt. Was die „postmodernen" Tendenzen und Folgerungen des abschließenden Aufsatzes betrifft, so möchte ich zuletzt nur auf Rph § 311 Anm. 2 hinweisen, wo schon Hegel selbst eine sehr „postmoderne" Bemerkung über das Wählen der vielen Einzelnen macht, in denen sich die bürgerliche Gesellschaft als einheitliches Subjekt ausdrücken soll. Markus Wahlberg (Helsinki)
Whitehead und der deutsche Idealismus. Hrsg, von George R. Lucas und Antoon Braeckmann. Bern u. a.: Peter Lang 1990. 161 S. Auch die philosophische Forschung hat ihre Psychologie, über die zu handeln hier nicht der Ort ist, die jedoch vielleicht den wesentlichen Aufschluß darüber geben könnte, warum Interpreten sich zu Paaren oder Gruppen von Autoren hingezogen fühlen. Denn dies hat nicht immer historische Gründe, etwa daß ein Autor den anderen besonders beeinflußt hätte, auch nicht unbedingt thematische. Man kann ARISTOTELES und PLATON zusammen studieren, weil ersterer den letzteren kritisierte, oder JACOBI und KIERKEGAARD, weil sie in ihrer Reaktion auf SPINOZA bzw. Hegel viele fhematische Parallelen aufweisen. Doch warum soll man Hegel und WHITEHEAD zusammen auslegen? WHITEHEAD haf Hegel nach eigenem Bekunden nicht gelesen. Hegel war wohl eher ein von den Humanwissenschaften und der Theologie inspirierter Philosoph, WHITEHEAD kam vor allem von der Mathematik und der Physik her. Daß sich trotzdem Interpreten beide, Hegel und WHITEHEAD, zum Gegenstand ihrer Auslegungsbemühungen wählen (und das schon seit langem; vgl. z. B. H. K. Wells: Process and Unreality: A Criticism of Method in Whitehead's Philosophy. New York 1950, und neuerdings: D. E. Christensen: Hegelian/Whiteheadian Perspectives. Boston 1989) mag an der Ähnlichkeit der Leseerfahrung liegen, die man bei der ersten Bekanntschaft mit der Wissenschaß der Logik wie mit Prozeß und Realität machen kann oder muß und die ADORNO (ausnahmsweise einmal knapp und) zutreffend in einem Mofto von RUDOLF BORCHARDT charakterisiert gefunden und einer seiner Studien zu Hegel vorangestellt hat: „Ich habe nichts als Rauschen." Wer Hegel und WHITEHEAD zusammen studiert.
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muß, so könnte man oberflächlich denken, interpretationspsychologisch betrachtet einen gewissen Hang zum Rauschen haben oder feiner gesagt: zur tiefen Dunkelheit der spekulativen Höhe. Denn ADORNO hatte Unrecht, als er sagte: „Im Bereich großer Philosophie ist Hegel wohl der einzige, bei dem man buchstäblich nicht weiß und nicht bündig entscheiden kann, wovon überhaupt geredet wird, und bei dem selbst die Möglichkeit solcher Entscheidung nicht verbrieft ist." Er hatte Unrecht, denn wer Process and Reality aufschlägt, hat ebenfalls den Eindruck, daß große Philosophie stattfindet, er jedoch auch oft nicht weiß, wovon die Rede ist (und zwar um so öfter, je weiter er in der Lektüre des Buches nach hinten vorankommt). Daß man häufig bei Hegel und WHITEHEAD gleichermaßen wenig weiß, wovon überhaupt die Rede ist, dürfte kein Grund sein, sie zusammen zu interpretieren, denn wer im Finstern nichts sieht, greift ja nach der Taschenlampe und nicht zur Sonnenbrille. Trotzdem ist der hier zu besprechende Sammelband zum Thema WHITEHEAD und der deutsche Idealismus überwiegend (in sieben von zehn Beiträgen) ein Buch zu Hegel und WHITEHEAD, das sich nur am Rande mit WHITEHEAD und KANT oder WHITEHEAD und SCHELLING beschäftigt. Dies erstaunt, weil WHITEHEAD sich ausführlich zu KANT äußert, nach eigenem Bekunden sogar die Kritik der reinen Vernunft zu großen Teilen auswendig wußte und — so möchte ich behaupten — die Parallelen zu SCHELLINGS Naturphilosophie viel eher auf der Hand liegen als die zu Hegel. Doch es wäre eine Übertreibung, Hegel und WHITEHEAD lediglich in ihrer spekulativen Dunkelheit als miteinander verwandt zu erkennen. Tatsächlich hat WHITEHEAD über drei Quellen eine historische Verbindung zu Hegel: über die brihschen Romantiker COLDERIGDE und WORDSWORTH, über seine britischen Zeitgenossen BRADLEY und MCTAGGART und — vor allem — über den amerikanischen Pragmatismus von DEWEY und JAMES. Über diese historischen Verbindungen ist in den Artikeln dieses Bandes leider keine Analyse zu finden, dabei dürfte vor allem der DEWEYsche und jAMESsche Funktionalismus dafür verantwortlich sein, daß sich Handeln und Prozeß als zentrale Kategorien, die Substanz und Qualität ersetzen, und organische und teleologische Denkfiguren im Denken von WHITEHEAD ebenso finden lassen wie bei Hegel; denn von Hegel haben DEWEY und JAMES sie übernommen. Zwar wird von HANS-CHRISTIAN LUGAS (Substanz — Subjekt — Superjekt. ..) und GEORGE LUGAS, JR. (Eine Whiteheadsche Auslegung der Naturphilosophie Hegels) hervorgehoben, daß beide „Prozeßdenker" sind und sich dabei vieler organischer und funktionalistischer Metaphern (oder Begriffe) bedienen, die Rolle des amerikanischen Pragmatismus als Vermittler wird dabei jedoch nicht erörtert. Statt dessen nimmt HANS-CHRISTIAN LUGAS SPINOZA und ARISTOTELES als weitere historische Bezugspunkte für die Auseinandersetzung mit der Substanzmetaphysik ins Bild, was die Interpretationslage jedoch noch weiter schematisiert, als sie sowieso schon ist. Das Schematische ist überhaupt ein Charakteristikum fast aller Beiträge dieses Bandes — mit Ausnahme des Artikels von WELKER. Immer wieder wird in der Sprache der zur Debatte stehenden Autoren zusammengefaßt, berichtet, oder es werden gar Berichte und Zusammenfassungen
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aus der Sekundärliteratur über Hegel herangezogen, um darzustellen, was dieser zu einem Thema vermeintlicherweise gesagt hat. Dies ist besonders auffällig in JAN VAN DER VEKENS Beitrag (,Zu einem bescheidenen und offenen Hegelianismus“), in dem der „WHiTEHEADianismus" mit einem „bescheidendeneren Hegelianismus" revidiert werden soll (135), wobei der Autor allerdings auch feststellt, daß WHITEHEAD von vornherein unter die Kategorie des bescheideneren Hegelianismus zu klassifizieren ist, um sich dann zu fragen, ob Hegel selbst als ein bescheidener Hegelianer rekonstruiert werden kann (137), was es einem völlig unmöglich macht zu verstehen, welchen Sinn dieser Artikel überhaupt haben soll. Das gemeinsame Problem, das Erforscher von Hegel und WHITEHEAD haben und das WELKER ZU Beginn seines Artikels (Warum entwickeln Hegel und Whitehead eine universale Theorie?) formuliert, wird von keinem, außer von WELKER selbst, im Grunde auch nur angegangen: „Hegelianer und WHiTEHEADianer sind," so schreibt WELKER, „ . . . gleichermaßen herausgefordert, bei der Dekodierung einer sehr schwer erschließbaren Theorie zu helfen." Wo diese Dekodierung nicht gelingt, kommt es, wie im überwiegenden Teil der Beiträge dieses Bandes, zu einem Herumgeschiebe von Hegelschen und WHiTEHEADschen Kulissen, das zum Verständnis keiner der beiden Autoren beiträgt. WELKER versucht dagegen Hegel und WHITEHEAD von einem systematischen Interesse her zu thematisieren, indem er das Philosophieren beider als Reaktion „auf den Prozeß der Auflösung des Rahonalitäts- und Realifäfskontinuums, auf die Differenzierung der kulturellen und wissenschaftlichen Darstellungsformen" in der Moderne begreift. Beide „reagieren auf diesen Prozeß", schreibt WELKER, „nicht durch seine abstrakte Negation. Sie reagieren auch nicht mit der naiven Empfehlung, einen Zusammenhang metaphysischer Dogmen anzuerkennen, in dem die getrennten Erfahrungsbereiche ihre Selbstlokalisierung suchen sollten . . . Hegel und WHITEHEAD reagieren auf diesen Prozeß der Moderne, indem sie die Differenzen und Erfahrungsebenen und Erlebnis Sphären und den damit drohenden Relativismus ins Auge fassen, indem sie innertheoretische Rekonstruktionen auch der Unvereinbarkeiten und der Verstehensdifferenzen anbieten, die sie überwinden wollen." (65) Diese Diagnose scheint mir nicht nur ein guter Ausgangspunkt um den Perspeküvismus der actual entities WHITEHEADS auf die Vielfalt der Gestalten des Bewußtseins oder Geistes bei Hegel zu beziehen, sondern darüber hinaus auch noch zweitens ein Angebot für die Erklärung der Dunkelheit der beiden Philosophen und drittens ein Hinweis auf ihre mögliche Aktualität. Denn gerade weil sich erstens weder Hegel noch WHITEHEAD auf eine bestimmte vorfindbare Form der Rationalität festlegen wollen, weil sie zweitens ganz verschiedenes empirisches Material (aus Wissenschaft, Kunst und Religion) als von der Philosophie zu berücksichtigende Daten anerkennen, weil sie drittens darüber hinaus die Philosophie immer dann ihre Aufgabe verfehlen sehen, wenn sie sich in Absfraktionen flüchtet und von etwas voreilig als vermeintlicherweise nicht Relevanten absieht, nur weil es nicht in den bisherigen Gedankengang paßt; gerade wegen dieses Hangs zur Totalität also, zur Akzeptanz des vermeintlich Widersprüchlichen und Unvereinbaren, das beide erst zur begrifflichen Ver-
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arbeitung anzuregen scheint, entwickeln beide hochkomplexe und in keinem partikularen „Rationalitätsstil" rekonstruierbare Gedankengebäude. Angesichts der gegenwärtigen Neigung zum Relativismus in der sogenannten Postmoderne und dem Hang zu unangebrachten Vereinfachungen in einigen Wissenschaften scheint dieses gemeinsame Anliegen Hegels und WHITEHEADS höchst aktuell. Einer Untersuchung wie der in HARTMANNS Beitrag (Types of Explanation in Hegel and Whitehead), die versucht, mit einer eigenen Systematik der Erklärungstypen die Autoren zu vergleichen, kann eine solche aktualisierende Lektüre m. E. allerdings nicht gelingen. Solche Systematiken führen vielmehr zu der in der WHITEHEAoliteratur leider verbreiteten Metascholastik, in der einem Autor, der sowieso einen etwas skurilen Hang zu Kategorienlisten hat (27 Kategorien der Erklärung), nun mit nicht von ihm selbst erfundenen, sondern vom Interpreten entwickelten Scholastizismen zu Leibe gerückt wird. Der einzig fruchtbare Ansatz eines Vergleichs scheint mir in diesem Band daher der WELKERsche. Man kann WHITEHEAD und Hegel nur verstehen, indem man sich einerseits natürlich mit ihnen hermeneutisch abmüht, doch das ist nur eine notwendige, keine hinreichende Bedingung ihres Verständnisses. Man muß sie darüber hinaus als Philosophen begreifen, die uns in unseren eigenen intellektuellen Schwierigkeiten etwas zu bieten haben. Und da sind die von WELKER genannten Schwierigkeiten mit dem Relativismus genau die richtigen für eine mögliche aktualisierende „Parallelinterpretation". Verstehen wir ihre Unternehmen als Versuche, mit universalen Theorien auf eine Situation zu reagieren, in der kein universales Vernunft- und Erfahrungsverständnis in der Kultur mehr vorzufinden ist, die aber trotzdem in dieser „zersplitterten" Kultur eine Integrationsfunktion ausüben wollen, allerdings eine andere als die des Dogmas, dann scheint sich plötzlich die Mühe, ihre Dunkelheiten zu entziffern, zu lohnen, ja sie scheint sogar eine Pflicht im Vergleich zur Faulheit eines postmodernen Pluralismus. Voraussetzung für eine solche Parallellektüre wäre allerdings, daß man das Interesse hat, die eigene Gegenwart als etwas wahrzunehmen, auf das philosophisch irgendwie zu reagieren ist, und daß die Lektüre der Klassiker diesem Interesse unterstellt wird. Ihre Lektüre kann sogar zu einer Anregung zu einem solchen Interesse werden. Das setzt jedoch voraus, daß man die Dunkelheiten von Autoren erst einmal darstellt, und nicht durch Kulissen wie „Prozeßphilosophie", „Organizismus", „Dialektik" usw. verstellt, sich dabei nur in der Sprache der auszulegenden Texte bewegend. Denn damit erweist man sowohl den interpretierten Autoren wie auch der philosophischen Gegenwart einen Bärendienst. Werden die Autoren in ihrer eigenen Terminologie schematisiert, versteht man nicht, warum sie sich selbst in derselben Terminologie komplizierter ausgedrückt haben. Werden sie in ihrer Dunkelheit nur allein stehen gelassen und nicht auf unsere geistige Gegenwart bezogen, weiß man nicht, warum man sich mit ihnen überhaupt abmühen soll. Wenn unsere geistige Gegenwart nur mit einer uns fremd bleibenden philosophischen Terminologie wie eine Warze „besprochen" werden kann, jedoch nicht durch Theorien erfaßt wird, die das, was uns erst unvereinbar und chaotisch schien, auf irgendeine Weise aufeinander beziehen und
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uns damit begreifbar machen, dann geben wir letztlich — anders als Hegel und WHITEHEAD — die Mühe, „unsere eigene Zeit in Gedanken zu fassen", auf. Ich fürchte, daß die meisten Beiträge dieses Bandes in ihrem schematischen Umgang mit Hegel und WHITEHEAD nicht nur ihren Autoren, sondern auch unserer geistigen Gegenwart einen solchen Bärendienst erwiesen haben, indem sie deren Dunkelheiten abermals, wie schon in ungezählten anderen Veröffentlichungen zu Hegel und WHITEHEAD, einerseits nicht entschlüsseln, sondern wieder nur vorführen, andererseits die Interessen, Motive und intellektuellen Mühen, die zu diesen Dunkelheiten geführt haben könnten, ebenfalls nicht verständlich zu machen versuchen. In diesem Sinne scheinen mir die Artikel, abgesehen von WELKERS Beitrag, auch ein mangelndes Interesse an unserer geistigen Gegenwart zu dokumentieren. Michael Hampe (Heidelberg)
Lacan avec les philosophes. Hrsg, von Michel Deguy. Paris: A. Michel 1991. 452 S. (Bibliotheque du College international de philosophie. 1.) Das ,College international de philosophie' in Paris, das durch sein vielfältiges und internationales Kursangebot auch bei uns bekannt geworden ist, eröffnet seine neue Schriftenreihe mit einem Sammelband über die Beziehungen des Psychoanalytikers JACQUES LACAN zur Philosophie. Über dieses weitgesteckte Thema diskutierten im Rahmen eines vom , College' organisierten und von der UNESCO geförderten Kolloquiums Philosophen, Sozialwissenschaftler und Psychoanalytiker. In dem vorliegenden Band werden die wichtigsten Beiträge dieses Kolloquiums auch dem weiteren Publikum zugänglich gemacht. Den Gesprächsrunden des Kolloquiums folgend, erhellen die Beiträge dieses Bandes u. a. LACANS Beziehungen zur antiken Ethik {ä propos d'Antigone, 19—66) zu KANT (67—132), zu PLATON (133—170), zu HEIDEGGER (189—291) und zu DERRIDA (mit einem Beitrag DERRiDAs, 397—420). Für die Hegel-Porschung dürften indessen nur die drei Beiträge von unmittelbarem Interesse sein, die sich LACANS von KOJEVE vermittelter Auseinandersetzung mit Hegel widmen. Der in SeattleAVashington lehrende M. BORCH-JACOBSEN, der schon seinem 1990 erschienenen Buch über LACAN den hegelianisierenden Titel Lacan, le maitre absolu gegeben hatte, eröffnete diesen Gesprächskreis mit seinem Vortrag Les alibis du sujet (295—314), der das Problemfeld absteckt. BORCH-JACOBSEN erinnert zunächst an FREUDS ablehnende Haltung der Philosophie gegenüber, um dann LACAN davon wirkungsvoll abzusetzen: keinem Leser LACANS kann die häufige Verwendung philosophischer Termini entgehen. Welches ist aber der Status dieser Begriffe bei LACAN? Handelt es sich dabei lediglich, wie LACAN selbst verschiedentlich nahezulegen suchte, um „didaktische" oder „pro-
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pädeutische" Hinweise im Vorfeld des eigenen Diskurses? Oder handelt es sich vielmehr darum, daß hier Grundgedanken der Psychoanalyse in der Begrifflichkeit einer bestimmten Philosophie — derjenigen Hegels, HEIDEGGERS oder Koj6VEs — ausformuliert werden? Die Anordnung der Fragen verrät schon die Intentionen des Autors; sich an Ph. VAN HAUTE (Lacan en Kojeve in: Tijdschrift voor Philosophie. 48 (1986), 391—415) anlehnend, optiert auch BORCH-JACOBSEN für den Einfluß von KOJ6VE, in dessen eigenwilligen — als , Kommentar' im klassischen Sinne lassen sie sich schwer bezeichnen — aber immer anregenden Ausführungen zu Hegel (Introduction ä la lecture de Hegel. Paris 1947 — die von IRING FETSCHER besorgte deutsche Ausgabe erschien Frankfurt 1975) ja bekanntlich schon viel HEIDEGGER eingeflossen ist. Die synthetisierende Rolle, die KOJLVE für LACAN gespielt habe, illustriert BORCH-JACOBSEN etwa am Beispiel des Begriffes ,desir' bei LACAN: es sei dabei weder an den ,Wunsch' FREUDS, noch an die ,Begierde' bei Hegel selbst zu denken, sondern an die ,Begierde', die uns in KOJEVES anthropologisierender und heideggerianisierender Lesart Hegels entgegentrete (306 f). Diese Ausführungen sind zwar sicher nicht ganz falsch, aber sie sind auch nicht präzise genug, um wirklich zufriedenzustellen, und der feuilletonistische, mit Lesefrüchten aus DESCARTES bis hin zu BRECHT und SARTRE angereicherte StU läßt auch nicht gerade auf die Standards solider Philosophiegeschichte schließen. Einer näheren Kritik an BORCH-JACOBSENS weiteren Ausführungen können wir uns hier jedoch enthalten, da sein Korreferent MACHEREY diese schon weitgehend geleistet hat. PIERRE MACHEREY, der Autor des bekannten Werkes Hegel ou Spinoza (Paris 1979; 2. Aufl. 1990), beschränkt sich in seinem Beitrag (315—321) auf „kurze Reflektionen zu drei philosophischen ,Beziehungen' (,liaisons') LACANS: Hegel, KOJEVE und SPINOZA". Er rückt darin aber Vieles von dem, was BORCH-JACOBSENS breitem Pinselstrich erlegen ist, wieder zurecht. So greift er nachdrücklich korrigierend in BORCH-JACOBSENS vage Hegelaneignung ein und beschließt deren Zusammenfassung lakonisch: „. . . ceci n'a manifestement rien ä voir avec ce que Hegel a pu ecrire". LACANS vermeintliche Anleihen bei Hegel gilt es also im einzelnen und unter Vermeidung anachronistischer Lesarten zu überprüfen. Manches von dem, was als Erbe Hegels erscheint, wird einer solchen Prüfung nicht standhalten, weil es von Hegel selbst nicht vertreten worden ist. In diesem Sinne ist es auch für MACHEREY grundsätzlich begrüßenswert, dort die Aufmerksamkeit auf KojfivE zu lenken, wo LACANS Berührungspunkte mit der Philosophie gesucht werden. Aber zunächst ist das Bild, das BORCH-JACOBSEN von KOJEVE darbietet, wiederum einseitig und damit korrekturbedürftig, denn KOJLVES Hegeldeutung ist nicht nur von HEIDEGGERS Sein und Zeit inspiriert, sondern ebenso stark von dem , atheistischen Humanismus' FEUERBACHS und des jungen MARX geprägt. Darüber hinaus ist aber auch, unabhängig von aller Rezeption Hegels und posthegelianischer Denker, an KojfiVES leicht exzentrische Weise des Philosophierens zu erinnern, an sein skeptisches Spielen mit Philosophemen aller Art und an sein gefürchtetes Lachen, das vielen seiner ehemaligen Studenten noch in den Ohren klingt. Wenn es diese Haltung wäre und nicht die von Hegel, von HEIDEGGER und anderen übernomme-
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nen Inhalte, die KOJEVES Einfluß auf LACAN letztlich bestimmen, dann wäre in dieser Berührung weniger eine ,Bindung' an als vielmehr eine ,Lösung' von der Philosophie zu sehen. Im Kontext dieser These lenkt MACHEREY die Aufmerksamkeit schließlich auf die Bedeutung, die SPINOZA für LACAN besaß und die bei BORCH-JACOBSEN unterbelichtet bleibt. Er erinnert zunächst daran, daß SPINOZA schon in LACANS Dissertation von 1932, also noch vor der Begegnung mit KOJ6VE, eine wichtige Rolle spielte und daß sich diese Einflußlinie bis in LACANS letzte Arbeiten verfolgen läßt. Mit der Beurteilung dieses Einflusses beendet MACHEREY seine Ausführungen: für ihn geht es bei LACAN gerade nicht um die Lehre SPINOZAS und die darin enthaltenen Möglichkeiten einer Neuinterpretation des CARTEsischen cogitos, sondern um die Mittel, die LACAN bei SPINOZA findet, um dieser Problemlage zu entfliehen. Dies alles bietet MACHEREY in einem lebendigen, polemisch zugespitzten (pointu) Stil dar, für den ich hier nur eine Kostprobe geben kann: „KOJEVE a reussi ä vendre, sous le nom de Hegel, Tenfant que MARX aurait pu faire ä HEIDEGGER." (319) So präzise geht es in dem dritten der hier relevanten Beiträge — SERGE VIDERMANS Un psychanalyste hegelien (322—331) — leider nicht mehr zu. VIDERMANS Interpretation der Position des späteren (nach 1953), schulbildenden LACANS als eine Art ,angewandter Hegelianismus' {un hegelianisme applique, un hegelianisme en actes, 328) ist zwar ideenreich, aber eher assoziativ als philosophisch stringent. So läßt zum Beispiel die behauptete Nähe hassidischer Traditionen zur Philosophie Hegels — „L'homme est imparfait. . ., mais cependant il a une perfection: c'est sa perfectibilite. L'homme n'est pas une donnee mais une arrivee" (331) — sicher viele Fragen offen. Norbert Waszek (Paris/Erlangen).
Band 2: Neuzeit und Gegenwart. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1992. 155 S. Christoph Jamme: Einführung in die Philosophie des Mythos.
Es ist ein riskantes Unternehmen, in einem schmalen Band eine Einführung in die Philosophie des Mythos geben zu wollen, die sich zwar auf die philosophischen Theorien beschränken, zugleich aber den Zeitraum von der Spätrenaissance bis zur Gegenwart umfassen soll. JAMME lösf diese Aufgabe, indem er das Historische mit dem Systematischen verknüpft und mit der Skizzierung des historischen Ganges der Erfassung und Interpretation des Mythos zugleich auf die Positionen der neuzeitlichen Vernunftkritik aufmerksam macht. Er zeigt, daß die Frage nach dem Mythos nicht eine durch die Herausbildung der neuzeitlichen Wissenschaft abgemachte Angelegenheit ist, vielmehr auf eine nicht beiseite zu rückende Alternative zum bloß rationalen Denken und auf eine andere als unter
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dem Aspekt der Zweckrationalität wahrgenommene Welt verweist. Weil der Mythos nicht zu verdrängen ist, muß er immer neu interpretiert und aufgeklärt werden. Es gibt, so betont JAMME immer wieder, keinen geraden Weg vom Mythos zum Logos, sondern sich verändernde Auffassungen von Rationalität. Der Typus von Vernunft, wie er sich im Mythos darstellt, unterscheidet sich vom instrumenteilen Denken, weil er andere Formen der Wirklichkeitswahrnehmung eröffnet und die auf Zweckrationalität eingeschränkte Vernunft über ihre Leistung und Grenzen aufzuklären und zu ergänzen vermag. In acht Kapiteln stellt JAMME eine Skizze zur Geschichte der philosophischen Theorien des Mythos vor. Er setzt ein mit der Rolle der antiken Mythologie in der frühen Neuzeit, die bis zu BACON und Vico führt, die mit der Erfassung des Mythos als einer eigenständigen Erkenntnisform einen fundamentalen Wandel einleiten, und konfrontiert diese mit dem Zeitalter der Aufklärung, die eine für die Erfassung und Erforschung des Mythos unfruchtbare Zeit gewesen ist. Hier wird besonders auf die Bedeutung CHR. G. HEYNES hingewiesen, der den Mythos als die Geschichte vom Anfang, als Ausdruck der Kindheit des Menschengeschlechts, als geschichtsnotwendige Entwicklungsstufe der Menschheit begreift. Eine neue Stufe in der Rezeption und Deutung des Mythos stellt das am Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts hervortretende Programm einer „Neuen Mythologie" dar. In bewußter Gegenwendung zur aufklärerischen Rationalität zielt diese Mythologie der HERDER, F. SCHLEGEL, SCHELLING, Hegel am Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts auf eine Neubestimmung des Menschen und verschmilzt mit dem Konzept einer neuen Religion. Sie steht in einem engen Zusammenhang mit den um diese Zeit hervortretenden Entwürfen einer Theorie der Bildung des Menschen, die den Menschen auf sich selbst stellen will und ihm zwischen der Beharrungskraft der Tradition und der gewalttätigen Revolution einen Weg in die Freiheit zu eröffnen unternimmt. In diesen Erörterungen werden Fragen aufgeworfen und Antworten gegeben, die in der GoETHEzeit und Romantik, insbesondere in der Philosophie Hegels und der Spätphilosophie SCHELLINGS auf je andere Weise aufgegriffen werden und gerade auch in unserer Gegenwart eine neue Aktualität erhalten haben, ln diesem Umfeld erscheint auch HöLDERLINS aus allen Bezügen heraustretende Auffassung über Sinn und Bedeutung des Mythos. Das neunzehnte Jahrhundert, bestimmt durch Arbeiten von K. O. MüLLER, BACHOFEN, FRIEDRICH MAX MüLLER, bemüht sich um eine wissenschaftliche Mythologie. Reaktionen auf diese Weise des Umgangs mit dem Mythos prägen die ersten Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts, in denen vor allem CASSIRERS Philosophie der symbolischen Formen zu einem zu Erweiterungen und Kritik herausfordernden Schlüsselwerk wird. In diesem Zusammenhang fehlen auch NIETZSCHE, HEIDEGGER, JUNG nicht. Das letzte, mit „Gegenwart" überschriebene Kapitel ist das umfänglichste des ganzen Buches. Es ist in seinem Kern eine knappe Zusammenfassung des 1991 von JAMME veröffentlichten Buches „Gott an hat ein Gewand“. Grenzen und Perspektiven philosophischer Mythos-Theorien der Gegenwart. Es berichtet in prägnanter Kürze über die bis in die Gegenwart fortdauernden Kontroversen über Sein und Sinn des Mythos, wie sie insbesondere in Deutschland und
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Frankreich geführt werden. So bleibt strittig, ob das neuzeitliche Weltverständnis dem Mythos überlegen ist, worin die Differenz in der Rationalität zwischen den Menschen in den primitiven Gesellschaften und in der Moderne besteht, ob nicht gerade aus der fortschreitenden Entzauberung der modernen Welt ein neues Bedürfnis nach dem Mythos entspringt, ob sich der Mythos in eine Evolutionstheorie einpassen und domestizieren läßt, und andere mit solchen Erwägungen im Zusammenhang stehende Fragen werden aufgeworfen. JAMMES Darlegungen verdeutlichen, daß die Erfassung und Auslegung des Mythos in einer philosophischen Theorie nicht ohne eine Analyse und Wertung der aufklärerischen Rationalität und folglich nicht ohne eine Stellungnahme zur gegenwärtigen technischen Weltzivilisation möglich sind. Der Mythos ist auch in dem heutigen Leben präsent und untilgbar mit ihm verbunden. JAMMES Buch ist eine Einführung in eine in historischer und systematischer Hinsicht komplexe Materie. Es vermittelt einen Einblick in eine fortdauernde philosophische Diskussion und gibt einen Überblick, der das Studium der grundlegenden Werke nicht ersetzen, wohl aber eine Orientierung für eine Aufarbeitung unterschiedlicher Auffassungen von Rationalität bieten kann. Clemens Menze (Köln)
Logica e Storia [Logik und Geschichte] Scritti in onore di Leo Lugarini. Hrsg, von F. Bianco und L. Sichirollo. Milano; Franco Angeli 1992. 234 S. Der Band, der dem italienischen Philosophen LEO LUGARINI gewidmet ist, enthält neun Aufsätze, die sich schwerpunktmäßig mit Hegel beschäftigen. Ausgangspunkt des Beitrags von J. D.'HONDT (La morte dell'arte) ist die Feststellung des anscheinenden Widerspruchs zwischen der Hegel zugeschriebenen Auffassung von der „mort de l'art" und dem heutigen Zustand der Kunst, der sich dagegen durch einen Reichtum an Kunstwerken in allen möglichen Bereichen auszeichnet. Die Erklärung dafür und somit die Lösung des Widerspruchs sieht D'HONDT darin, daß man unterscheiden muß zwischen der „höheren Bestimmung der Kunst" als „ästhetischer Religion", die „tot" ist, und dem „einfachen unmittelbaren ästhetischen Genuß" der Kunstwerke, der im Unterschied dazu noch „lebend" ist. Die Untersuchung der Frage nach dem zeitlichen Wesen des Menschen, wie sie von NIETZSCHE, Hegel, FREUD und HEIDEGGER behandelt wird, bildet den Gegenstand des Aufsatzes von V. VITIELLO (Ethos, Eros, Thanatos. Un trittico „arcaico" nel pensiero contemporaneo). Der Beitrag von G. GUZZONI (Storia ed intervento. Niccolö Machiavelli) beschäftigt sich mit der Frage nach der Überwindung der Metaphysik als der heutigen Aufgabe der westlichen Welt. Der Autor verwendet dazu eine sehr persönliche Ter-
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minologie und Sprache, die sehr willkürlich und manchmal auch nicht fehlerfrei ist. Sehr interessant und historisch fundiert ist der Aufsatz von R. CIAFARDONE (II dibattito sulVAufklärung nella Germania di fine settecento) zur Debatte über die Aufklärung am Ende von dem achtzehnten Jahrhundert in Deutschland. CIAFARDONE gibt einen breiten Überblick über die Hauptpositionen dieser Debatte, wobei er sich vor allem bei den Positionen von MENDELSSOHN, KANT und ERHARD aufhält. Von großem theoretischen Interesse ist der Aufsatz von A. PEPERZAK (La fine dello spirito oggettivo). II superamento dello spirito oggettivo nello spirito assoluto secondo l'Enciclopedia delle scienze filosofiche di Hegel) über den Abschluß des objektiven Geistes. PEPERZAK stellt eine wichtige Präge aus der ersten Ausgabe von Hegels Enzyklopädie (1817) heraus, und zwar die nach dem Übergang vom objektiven zum absoluten Geist. Er zeigt, daß die Dialektik des Begriffes des Staates sowohl in eine Porm von übernationalem Staat als Überwindung der Verschiedenheit der einzeln existierenden Staaten als auch in den absoluten Geist als unendliche und ewige Macht, die bei keiner objektiv existierender Gestalt stehen bleibt, gipfeln konnte. Hegels Entscheidung für die zweite Alternative, woran er auch in der zweiten und dritten Ausgabe der Enzyklopädie festhielt, kennzeichnet ihn PEFERZAKS Meinung nach eher als „den ersten Geschichtsphilosoph" als „den letzten Metaphysiker". Der Aufsatz von M. RIEDEL (L'allontanamento della natura. Hegel e 1'origine della teoria atomistica occidentale) handelt von Hegels Interpretation der atomistischen Theorie. Dieses Thema behandelt RIEDEL im Hinblick auf die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Diesbezüglich stellt er fest, daß Hegel, wenngleich er die atomistische Theorie scharf kritisiert, ihr doch eine spekulative Tiefe zuschreibt, und zwar in ihrer ursprünglichen Gestalt bei DEMOKRIT und LEUKIPP. Hegels Interpretation des Atomismus rekonstruiert RIEDEL durch die Analyse der Jugendschriften, der Wissenschaft der Logik und der Geschichte der Philosophie. Die Beziehung von DILTHEY zu Hegel ist das Thema des Aufsatzes von F. BIANco („Forma del sistema" e „realtä della vita". Per un riesame del confronto tra Dilthey e Hegel). BIANCO rekonstruiert die verschiedenen chronologischen Phasen dieser Beziehung in DILTHEYS Leben. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Philosophen darin besteht, daß DILTHEY die strenge Logik von Hegels philosophischem System zurückweist und eine viel größere philosophische Geltung der zugrundeliegenden Weltauffassung zuschreibt. Dieser Unterschied schließt aber Gemeinsamkeiten nicht aus, die vor allem in der letzten Phase von DILTHEYS Philosophieren immer deutlicher werden: sein Begriff „Leben" steht z. B. in enger Beziehung zu der von Hegel in der Frankfurter Zeit ausgearbeiteten Weltauffassung. Diese Gemeinsamkeit wird jedoch nie zu einer Identifizierung DILTHEYS mif Hegels Denken führen, und zwischen DILTHEYS Begriff „Leben" und Hegels Begriff „Geist" wird eine Kluft bestehen bleiben. Mit HEIDEGGERS Kritik der Metaphysik setzt sich F. Bosio in seinem Aufsatz (Logica, ragione e valore nella „distruzione" heideggeriana della metafisica) auseinander.
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Bosio beschäftigt sich hauptsächlich mit HEIDEGGERS Auffassung der Logik und zeigt, daß in ihr die Gefahr des Irrationalismus vorhanden ist. Diesbezüglich äußert BOSIO die Überzeugung, daß sich die Philosophie auf die Grundlage des von Heraklit stammenden Begriffs „logos" stützen soll. L. SiCHiROLLO gibt in seinem kurzen Beitrag {„Loyalty", communitä e jede della ragione. Riflessioni su William Kluback) einen Überblick über die Hauptmotive des Denkens von KLUBACK. Dabei beschäftigt er sich vor allem mit den religionsphilosophischen Aspekten. Eine kurze Geschichte der von LEO LUGARINI seit über 35 Jahren geleiteten Zeitschrift II Pensiero sowie ein vollständiges Verzeichnis der dort erschienenen Beiträge schließen einen insgesamt anregenden Band ab. Marco de Angelis (Bochum)
Horst Althaus: Hegel und Die heroischen Jahre der Philosophie.
Eine Biogra-
phie. München, Wien: Hanser 1992. 648 S. Die Bemühungen der Forschung der zurückliegenden Jahre, Stationen von Hegels Lebens- und Denkweg in ihren zeitgeschichtlichen Verflechtungen zu dokumentieren, konnten durchaus den Wunsch aufkommen lassen, die Resultate dieser Arbeiten auch in einer Gesamtdarstellung berücksichtigt zu sehen. Der Versuch einer neuen Biographie liegt nun in dem jüngst erschienenen, umfänglichen Buch von HORST ALTHAUS vor. Nach Büchern über WAGNER und NIETZSCHE hat sich der Verfasser Hegel als ,Heros' ausersehen, dessen Lebensweg er in 44 Kapiteln auf über 600 Seiten zu entfalten unternimmt. Der Ansatz des Buches ist, wie gleich zu Beginn mitgeteilt wird, „die biographischen Tatsachen" in ihrer „konstituierenden Rolle für den Aufbau des Systems wie das Verfahren der Methode" (17) ins Spiel zu bringen. Daraus resultiert jedoch, wie ebenfalls gleich zu sagen ist, das schlechthin Ärgerliche und Unerträgliche dieses Buches; daß durchgängig an die Stelle eines differenzierten Eingehens auf die jeweiligen Sachproblematiken der Rückgang aufs Autobiographische und Psychologische tritt, der dazu völlig abwegige Thesen stützen soll. So heißt es etwa in bezug auf die Verfasserfrage des sog. Ältesten Systemprogramms (dessen Problemgehalte mit keinem Wort zur Sprache kommen), dahinter müsse der geniale SCHELLING stehen, denn die „in Hegels Natur angelegte Trockenheit" sei von der spritzigen Tonlage des Papiers „ferngelegen". Wolle man dennoch an Hegel als Verfasser fesfhalten, plädierf ALTHAUS für die abwegige Datierung auf 1796. Wie das nach jahrzehntelangen, kontrovers geführten Diskussionen so geschwind und leichtfertig behauptet werden kann, ist schlichtweg skandalös. Man muß wohl fragen, ob hier die Forschung überhaupt zur Kenntnis genommen wurde. Die bibliographischen Angaben am Ende des Buches listen
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zwar einschlägige Arbeiten auf; wichtige Titel vermißt man allerdings, manche werden fehlerhaft angegeben oder unter der falschen Rubrik eingeordnet. Ist die ganze aufgeführte Literatur vom Verfasser jedoch überhaupt gelesen worden? Wäre dies der Fall, könnte er wohl nicht solche haltlosen Thesen verbreiten, wie er das nicht allein hinsichtlich des Systemprogramms tut (dessen Herkunft aus dem Frankfurt-Homburger Freundeskreis um HöLDERLIN keine Thematisierung erfährt). So will ALTHAUS Hegels Berner und Frankfurter theologische Entwürfe als Einheit sehen; Hegel setze in Frankfurt nur fort, was in der Schweiz bereits im Visier gewesen sei, wobei er ohnehin „nichts Neues" gegenüber seinen Tübinger Lehrern vortrage (98). Die fragmentarischen Entwürfe zum Geist des Christentums werden als ein (scheinbar einheitlicher) „Aufsatz" apostrophiert, den Hegel schon in der Schweiz zu schreiben begonnen habe (102). Diese Behauptungen sind (nicht nur was die Datierung angeht) einfach falsch und vermitteln ein verkehrtes Bild von Hegels Weg wie von seinen Beziehungen zur Tradition. Ähnliche Verzeichnungen begegnen in besonders eklatanter Weise beim Thema ,Hegel und die Politik'; die präzise Datierung der Entwürfe wird von ALTHAUS großzügig ignoriert, vor allem aber kommen die sich wandelnden politischen Optionen Hegels gar nicht in den Blick. Statt dessen wird das HAYMsche Verdikt (bzw. Klischee) von Hegel als dem „preußischen Staatsphilosophen" eifrig bemüht, — was so weit geht, daß dem „preußischen Staatsphilosophen" eigens ein ganzes Kapitel zu widmen für nötig befunden wird (328—352). Es ist für ALTHAUS im Grunde eine sonnenklare Sache: Hegel — das ist der „alte Bewunderer NAPOLEONS" (252), der sich je nach Lage der Dinge neuen Herren dienstbar mache und deshalb auch nach dem Scheitern der Weltseele zu Pferde (ALTHAUS spricht, nebenbei bemerkt, penetrant vom „Weltgeist zu Pferde"; vgl. 251, 373, 415, 434) keine Schwierigkeit darin gesehen habe, sich zum Kronanwalt der preußischen Reaktion aufzuschwingen. Und da kommt natürlich eine (von SULPIZ BOISSEREE in seinen Tagebüchern aufgezeichnete) Notiz aus Hegels Heidelberger Zeit höchst gelegen, die denn auch sogleich ausgeschlachtet wird: Auf einer Neckarfahrt der Heidelberger Professoren habe Hegel einen Toast auf die Gesundheit des schwedischen Kronprinzen ausgesprochen, worauf SULPIZ BOISSEREE Hegel einen „Absolutismus" unterstellte. Seine Philosophie, vermerkte SULPIZ, sei eben „die ja doch, ja nein Philosophie". ALTHAUS sieht in dieser Äußerung „stichwortartig . . . wichtige Elemente der Hegelschen Philosophie . . . festgehalten" (289). Mit keinem Wort freilich wird in diesem Zusammenhang erwähnt, daß Hegel in Heidelberg in seiner ersten Rechtsphilosophie-Vorlesung von 1817/18 seine Staatslehre wesentlich gerade im Ausgang vom süddeutschen Konstitutionalismus entwickelt (wobei selbst der direkte Bezug auf die Verhandlungen der württembergischen Landstände nicht fehlt; vgl. Naturrecht und Staatsivissenschaft. Nachschrift P. Wannenmann. Hrsg. V. C. Becker u. a. Hamburg 1983. § 154). „Wichtige Elemente der Hegelschen Philosophie" sollte man schon lieber in den Texten selber suchen als in zweifelhaften (und mindestens kritisch zu hinterfragenden) Statements anderer. Doch an den Sachgehalten scheint ALTHAUS nun einmal so wenig interessiert wie an einer den Texten verpflichteten Hegel-Lektüre („Eine ,Hegelphilologie'
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gibt es nicht (ADORNO), und wenn sie Ansprüche anmeldet, stößt sie schnell an ihre Grenzen". 376). Statt dessen werden uns gleichsam psychoanalytische Studien anempfohlen. Denn Hegels Parteinahme für das Verfassungsvorhaben des württembergischen Königs in der „Ständeschriff" von 1817 muß für ALTHAUS „zweifellos" vor dem Hinfergrund eines Karrierestrebens gedeufef werden: Hegel, so weiß der Verfasser, habe sich als einen „bewährten Diener der Krone" aus weisen wollen (310). Die Phantasie des Autors ist überhaupt immer wieder staunenerregend und verblüffend: So findet für ihn bereits der Vorzug, den Hegel in der Differewz-Schrift SCHELLING gegenüber FICHTE gibt, seine Erklärung in „wissenschaftsstrategischen Erwägungen" Hegels, der gerade „im Aufbau seiner akademischen Laufbahn begriffen" gewesen sei und darum auf die Karfe SCHELLING gesefzf habe (als dessen Lehrling sich der junge Hegel ohnedies empfunden habe. 155 f); dafür, daß Hegel dann doch mif der Stellensuche in Schwierigkeiten geraten sei, macht ALTHAUS tiefere „Schichten der Persönlichkeit" verantwortlich, „die auch an seiner Philosophie mitwirken" (177); das Hauptwerk des jungen Hegel, die Phänomenologie des Geistes, erklärt sich für ALTHAUS „in wesenflicher Hinsicht auch aus den Umständen ihrer Entstehung", sei dieses Buch doch geschrieben worden „auf dem Höhepunkt der Jenenser Lebenskrise und sogar der allergrößten Lebensgefährdung" (193). Und auch Hegels hier ausformulierfe Aufklärungskritik führt nach ALTHAUS wieder ins Autobiographische: Hegel habe damit dem Spätaufklärer PAULUS, „Hegels Landsmann und Kollege in Jena", „geringe Zukunftsaussichfen" Voraussagen wollen (214 f); die eigene „unmiffelbare Erfahrung", relativ spät „zu Amt und Aufstieg" als Professor gelangt zu sein, soll auf der anderen Seife direkfer Ursprung des betrachtenden Gestus des Hegelschen Zugangs zur Geschichte sein — die Eule der Minerva beginne eben erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug (366). Diese Beispiele ließen sich beliebig vermehren, ganz zu schweigen von den zahlreichen, zum Teil sinnentstellenden Druckfehlern, die peinlicherweise selbsf nichf in der vom Verlag beigefügfen Liste von Errata korrigiert werden. So wird die „Schändlichkeit der Robespierroten", von der der junge Hegel gegenüber SCHELLING gesprochen hat, zur „Schädlichkeit der Robespierroten" (60); im Referat der Hegelschen Polemik gegen die Lehre von den Eigenschaften Gottes, die bei FICHTE SO nachwirke, daß er „aus der Heiligkeit Gottes" konstruiere, was Gott kraft seiner moralischen Natur tun müsse und solle, steht bei ALTHAUS statt „Heiligkeit" „Helligkeit" (61); statt von der „wahrhaft idealischen Musik", die Hegel z. B. bei PALESTRINA oder auch GLUCK, HAYDN und MOZART erkannte, ist die Rede von der „wahrhaft idealistischen Musik" (425). Kaum mehr verwunderlich sind bei solch nicht gerade sorgfältig zu nennender Arbeit dann auch die Selbstwidersprüche, die das Buch zuweilen aufweist — so etwa, wenn einmal ABEL (36), dann — was tatsächlich zutrifft — SCHNURRER Ephorus des Tübinger Stifts zu Hegels Studienzeit gewesen sein soll (46); Hegels Tübinger Abgangszeugnis, wonach der Stiftler „philosophiae nullam operam impendit", will ALTHAUS Glauben schenken (50), obgleich längst nachgewiesen ist.
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daß hier ein Schreibfehler vorliegt und es statt „nullam" richtig „multam" heißen muß (was ALTHAUS später implicite anzuerkennen scheint, wenn er Hegel ein „sehr intensives" ARISTOTELES-Studium während der Zeit im Stift bescheinigt, vgl. 453). Was diese Biographie demnach bietet, ist letztlich nicht mehr als eine Karikatur, und eine schlechte dazu. Hegel soll sich, so wird suggeriert, dem Blick des Psychoanalytikers erschließen und sich dabei entpuppen als ein karrieresüchtiger und machtbegeisterter, zuspät- (bzw. zukurz-)gekommener Philosoph, dessen Dialektik im Grunde nichts anderes sei als die auf den Begriff gebrachte Schizophrenie seiner Schwester (105); der aus tiefen, geheimnisvollen „Schichfen seiner PersönUchkeil" ein System aufgebaut habe, in dem vor lauter Abstrusitäten „alles wackelt" (542) und — wie beim Delphischen Orakel — am Ende alles möglich sei (614). Die Frage ist allerdings sehr, wo es wackelt und die Abstrusitäten liegen — es scheint, eher bei dem Biographen ALTHAUS als bei Hegel. ln jedem Falle wird man in Zukunft weiterhin besser zu ROSENKRANZ' Darstellung greifen. Eine Biographie, die, anstatt Fiktionen zu kultivieren, die detaillierten Forschungsergebnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte in sachlich fundierter Weise aufnimmt und verarbeitet, bleibt freilich ein prekäres Desiderat. Andreas Großmann (Bochum)
KURZE ANZEIGEN
Tom Rockmore: Georg Wilhelm Friedrich Hegel.
Avant/apres; Paris: Criter-
ion 1992. 271 S. Einleitung zu Hegels Philosophie erscheint in der Reihe „La Creation de l'esprit". Diese Reihe hat zum Ziel, die Beiträge bedeutender Wissenschaftler, Künstler und Philosophen zu ihrer jeweiligen Disziplin einem größeren Publikum bekannt zu machen. Hegels Erneuerung der philosophischen Tradition wird vom erkenntnistheoretischen Gesichtspunkt aus gewürdigt. Im ersten Teil wird die damalige Diskussion über die Fundierung des Wissens als System dargestellt. Der Autor skizziert darin die verschiedenen Posihonen (KANT, REINHOLD, MAIMON, SCHULZE, FICHTE), woraufhin er im zweiten Teil anhand der von Hegel selber publizierten Schriften dessen Systemkonzeption erörtert. In einem dritten Teil wird Hegels Wirkung auf die Philosophie des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts besprochen. ROCKMORE hat in der Kürze der ihm zugemessenen Seiten versucht, die Stellung Hegels in der philosophischen Tradition so vollständig wie möglich wiederzugeben. Dies hat dazu geführt, daß bestimmte Stellen, wie zum Beispiel bei der Darstellung der Positionen von REINHOLD, MAIMON und SCHULZE, ohne minimale Vorkenntnisse der Geschichte der Erkenntnistheorie nur schwer zu verstehen sind. Leser, die sich in dieser Geschichte ein wenig auskennen, werden hingegen hier eine sehr gute Orientierungshilfe für den Umgang mit Hegels Philosophie finden. Bruno Coppieters (Brüssel) ROCKMORES
Denise Souche-Dague: He'gdianisme et dualisme.
Reflexions sur le pheno-
mene. Paris: Vrin 1990. 161 S. In ihrem kenntnisreichen und tiefgreifenden Buch untersucht SOUCHE-DAGUE vor allem den Begriff der Erscheinung, der im gesamten Werk Hegels jeweils verschiedene Bedeutungen annimmt. Bekanntlich gibt es bei Hegel große Unter-
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schiede zwischen Erscheinung, Schein, Manifestation und Offenbarung, die sich in einer Übersetzung kaum (wenn überhaupt) wiedergeben lassen. SOUCHEDAGUE konzentriert sich nun vornehmlich auf die französische Übersetzung von Erscheinung durch ,phenomene', um nicht nur deren Berechtigung zu reflektieren, sondern auch um die Verwendungsweisen von Erscheinung in den verschiedenen Kontexten bei Hegel aufzuklären. Zunächst wendet sich SOUCHE-DAGUE dem spekulativen Aspekt von Erscheinung zu, wie ihn das dritte Kapitel der Phänomenologie des Geistes entfaltet, wobei ihr HEIDEGGERS Interpretation dieses Kapitels, die er in der Vorlesung von 1930/31 gegeben hat, als vergleichender Bezugspunkt dient, ln diesem Rahmen untersucht sie auch die sprachliche Dialektik zwischen Erscheinung und Schein, die Hegel im zweiten Teil des ersten Kapitels der Lehre vom Wesen der Wissenschaft der Logik gibt. Hier stellt SOUCHE-DAGUE die Differenzierungen Hegels jener Interpretation von Sein und Schein bei HEIDEGGER gegenüber, nach dessen Einführung in die Metaphysik das Wesen des Scheins im Erscheinen besteht, das nichts anderes als An-stehen und Vor-liegen bedeutet. Nach dieser Darstellung einer philosophieinternen Diskussion geht SOUCHEDAGUE zu einer mehr systematischen Betrachtungsweise über, um die Begriffe von Erscheinung, Schein und Manifestation bei Hegel zu klären. So analysiert sie die entsprechenden Ausführungen Hegels, wo das Sein , scheint' (Vorlesungen über die Ästhetik), wo es ,erscheint' (Vorlesungen über die Philosophie der Religion) und wo es sich manifestiert (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte). Allerdings gibt es nach SOUCHE-DAGUE auch eine systematische Stelle, wo diese verschiedenen Termini Hegels dieselbe Bedeutung haben, nämlich im ersten Teil der Vorlesungen über die Philosophie der Religion von 1824: Gott manifestiert sich durch sich selbst, weil ein Gott, der nicht erscheint, auch nicht ist. Aus diesem Grund wird der Gott, der sich manifestiert, der für sich selbst Geoffenbarte. Nach SOUCHE-DAGUE ist also Gott im Sinne Hegels kein Geheimnis, sondern eine absolute Erscheinung. Claudia Melica (Roma)
Gerhard Balte: Staatsidee und Naturgeschichte. Zur Dialektik der Aufklärung im Hegelschen Staatsbegriff. Lüneburg: zu Klampen 1991. 139 S. Hegels Rechtsphilosophie ist seit jeher umstritten gewesen. Ist sie das Werk eines Konservativen (gar des „preußischen Staatsphilosophen"), oder verlangt sie, im Kontext des Liberalismus verortet zu werden? Die vorliegende Arbeit fügt sich ein in die Reihe der von MARX (bzw. dem Neomarxismus) ausgehenden Lesarten Hegels und möchte so den Weg der kritischen Gesellschaftstheorie „von Hegel über MARX ZU HORKHEIMER und ADORNO" (8) erhellen.
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Die kritische Gesellschaftstheorie, so die Kernthese BOLTES, erwächst unmittelbar aus der Hegelschen Staatslehre, insofern diese die Antagonismen der bürgerlichen Gesellschaft als Motor eines „absoluten Staates" in Anspruch nehme, sie selbst dabei aber unberührt lasse. Die „falsche Versöhnung" (108) des Hegelschen Vernunftstaates (BOLTE spricht mit ADORNO auch von „erpreßter Versöhnung"; 120, 125) ist folgerichtig Zielpunkt der Kritik. Sie erfolgt nach einer Skizzierung von Hegels geschichtsphilosophischer Konzeption (13—50) anhand der Grundlinien der Philosophie des Rechts (51—135), in oft direktem Anschluß hauptsächlich an MARX und ADORNO. Ob freilich der Kommunismus „praktischer Imperativ der Gegenwart bleibt", wie der Autor folgern zu müssen meint (135), darf nach dem offensichtlichen und nicht grundlosen Scheitern des weltanschaulich ausgestalteten Marxismus wohl mit Grund bezweifelt werden. Andreas Großmann (Bochum)
Giuseppe Duso: Der Begriff der Repräsentation bei Hegel und das moderne Problem der politischen Einheit. Baden-Baden 1990. (Würzburger Vorträge zur
Rechtsphilosophie, Rechtstheorie und Rechtssoziologie. H. 12.) Der Vortrag entwickelt, daß aus der Kritik an KANT und FICHTE, bei denen das Repräsentationsprinzip die Form und Einheit des Staates hervorruft, Hegels rechtliches und politisches Denken hervorgeht: eine „radikale Veränderung der Bedeutung des Repräsentationsbegriffs". Die begriffsgeschichtliche Betrachtung der spekulativen Struktur der Repräsentation muß den verfassungsrechtlichen Kontext und den jeweiligen theoretischen Ordnungsrahmen verständlich machen. Die Verfassungsschrift bestimmt Repräsentation als „Mitwirken des Volkes an den Angelegenheiten des Staates" (29). Für die Ständeschrift von 1817 hat die Einführung der repräsentativen Verfassung die Funktion, „die Monarchie zu vollenden" (31). Nach den Grundlinien sind die Stände ein zwischen der Regierung und dem Volk vermittelndes Organ (vgl. § 302). Für Hegel sind die Abgeordneten daher weder Repräsentanten der politischen Einheit (französische Auffassung) noch die der Einzelnen einer Menge (altständisches Modell), sondern die der „wesentlichen Sphären der Geselllschaft" (48). Auf den Monarchen bezogen, gibt es Repräsentation nur im Kontext der Außenpolitik. Hegels Insistieren auf der Erblichkeit der Monarchie behauptet die Nichtdeduzierbarkeit der Entscheidung: die „Entscheidung ist hier kein Produkt der Totalität, sondern ein Bruch und eine Abweichung gegenüber der Komplexität des Ganzen" (45). Damit wird auch deutlich, weshalb Hegel den Monarchen an erster und nicht an dritter Stelle behandelt: „weil ohne ihn kein Staat entstehen kann, weil er sich in
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der Form der Unmittelbarkeit darstellt und weil er aus der Totalität der Verfassung und von den anderen Staatsgewalten nicht abgeleitet werden kann." (46) Elisabeth Weisser-Lohmann (Bochum)
K. Derevjanko: Biocentriceskaja sistema Gegelja [Hegels biozentrisches System], Lugansk 1992. 38 S. In dieser Schrift wird die Dialektik des Begriffs und des Lebens in der Phänomenologie des Geistes und der Wissenschaft der Logik untersucht, wobei der Verfasser meint, daß dem Leben in Hegels System die zentrale Rolle zukommt. Befreit von ihrer Einseitigkeit, könne die Hegelsche Philosophie einer neuen Biophilosophie zugrundegelegt werden. Nikolai] Plotnikov (Moskau)
Thomas Miller: Konstruktion und Begründung. Zur Struktur und Relevanz der Philosophie Hans Drieschs. Hildesheim [usw.j 1991. (Studien und Materialien zur Geschichte der Philosophie. Bd 33.) setzt sich zunächst mit den Systemkonzeptionen des Deutschen Idealismus auseinander, auf die sich DRIESCH mehr oder weniger explizit bezieht. Eine Analyse des Hegelschen Konstruktionsbegriffs führt zu dem Ergebnis, daß zwischen dem von Hegel kritisierten Konstruktionsbegriff, der letztlich aus der Mathematik stammt, und seinem eigenen, der als Element innerhalb der dialektischen Methode seine Berechhgung hat, zu unterscheiden ist. Bezüglich der Hegel-Rezeption von DRIESCH zeigt MILLER, daß dieser zu einer ausführlicheren Beschäftigung mit Hegel erst durch eine briefliche Anfrage des Hegelianers BOLLAND geführt wurde. In dem sich anschließenden Briefwechsel zwischen BOLLAND und DRIESCH nimmt dieser Stellung zu Hegels Philosophie und speziell zu seiner Naturphilosophie. DRIESCH begrüßt Hegels Ablehnung der Atomistik und seinen Versuch, eine Systematik der reinen Verstandesbegriffe und der Natur zu entwickeln. In der Grundabsicht der Hegelschen Naturphilosophie liege etwas Großes, an das er einmal anzuknüpfen hoffe. Allerdings wirft er Hegel vor, nicht begriffskritisch zu arbeiten. Seine Dialektik sei logisch falsch und seine Naturphilosophie bewege sich in vagen Analogien. DRIESCHS spätidealistische Position steht nach Ansicht des Verfassers dem transzendentalen Realismus von E. v. HARTMANN nahe, der ähnlich wie DRIESCH Hegel kritisiert. Wolfgang Bonsiepen (Bochum) MILLER
BIBLIOGRAPHIE
ABHANDLUNGEN ZUR HEGEL-FORSCHUNG 1991-1992 Zusammenstellung und Redaktion: Andreas Großmann (Bochum) In dieser laufend fortgesetzten Berichterstattung wird versucht, das nicht selbständig erschienene Schrifttum über Hegel, also Abhandlungen aus Zeitschriften, Sammelbänden usw. möglichst breit zu erfassen und im einzelnen durch kurze Inhaltsreferate bekanntzumachen. Die Anordnung geschieht alphabetisch nach den Namen der Autoren. Nachträge aus früheren Berichtszeiträumen sind in einem Anhang gesondert zusammengestellt. Nicht alle vorgesehenen Inhaltsreferate konnten bis zum Redaktionsschluß fertiggestellt werden. Sie werden im nächsten Band nachgeholt. Für diesen Band haben Berichte verfaßt: Edgardo Albizu (Lima), Georgia Apostolopoulou (loannina), Gabriella Baptist (Roma), Silvina Barese (Rosario), Jorge Luis Gömez (Quito), Christoph Jamme Qena), Wilfried Korngiebel (Hagen), Jeong-Im Kwon (Seoul), Barbara Markiewicz (Warszawa), Mariano de la Maza (Santiago de Chile), Claudia Melica (Roma), Vlada Müller (Berlin), Friedhelm Nicolin (Bonn), Angelica Nuzzo (Firenze), Breno Onetto (Santiago de Chile), Nikolaij Plotnikov (Moskau), Allen Speight (Boston), Pierluigi Valenza (Roma), Lu de Vos (Leuven), Norbert Waszek (Erlangen, Paris), sowie Wolfgang Bonsiepen, Hans-Jürgen Gawoll, Andreas Großmann, Friedrich Hogemann, Dietmar Köhler, Hans-Christian Lucas, Helmut Schneider und Elisabeth Weisser-Lohmann vom Hegel-Archiv (Bochum). Die über Hegel arbeitenden Autoren sind freundlich eingeladen, durch Einsendung von Sonderdrucken die Berichterstattung zu erleichtern. Allen, die solche HUfe bisher schon leisteten, sei besonders gedankt.
Para abrir la lögica de Hegel. Cuatro notas introductorias [Zum Anfang der Logik Hegels. Vier einleitende Anmerkungen]. — In: Signos universitarios. Buenos Aires. 19 (1991), H. 1, 33—54. ALBIZU, EDGARDO:
Verf. erörtert im Ausgang von einer Diskussion gegenwärtiger Forschungsrichtungen zu H.s Logik drei systematische Probleme: das Verhältnis von Logik und Zeit, die Idee der formalen Struktur sowie die Beziehung von Metaphysik und Logik.
Testigos del arte. El pensiamento filosöfico y la genesis de la obra de arte. [Zeugen der Kunst. Das philosophische Denken und die Entstehung des Kunstwerkes]. Mendoza, Argentina 1991. 131—138: Filosofia y poesta. ALBIZU, EDGARDO:
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BIBLIOGRAPHIE
Im dritten Kapitel seines Buches diskutiert Verf. das Thema „Philosophie und Dichtung" besonders im Blick auf das Verhältnis Novalis-Hegel. Verf. vertritt die These, das Denken des Novalis und H.s bildeten eine Einheit, obwohl für H. die Dynamik der künstlerischen Schöpfung im Grunde geschlossen blieb, was ihn hinderte, den Sinn einiger Leitmotive im Denken des Novalis (die Sehnsucht, die Entwirklichung und das Flüssigwerden des Verhältnisses Subjekt-Objekt) zu begreifen. Andererseits ist die Kritik H.s unabweisbar, sofern das Denken und Dichten des Novalis den Tod nicht als Negativität erfährt. Die Einheit Novalis-Hegel ist also eine, die sowohl von Sehnsucht als auch von tragischer Zerrissenheit geprägt wird. Neben Hölderlin und Schelling eröffnen Novalis und H. das Zeitalter des sich wandelnden Denkens. So bezieht sich das Denken des Novalis nicht allein auf Fichtes Philosophie, sondern deutet bereits ein „Begriff"werden der Sinnlichkeit an.
Elementos definidores del concepto „ideologi'a" [Bestimmende Elemente des Begriffs „Ideologie"]. — ln: Anuario de Filosoffa Jurfdica y Social. Buenos Aires. 11 (1991), 157—187. ALBIZU, EDGARDO:
Die Abhandlung ist der erste Teil eines Essays über den Begriff „Ideologie". (Der zweite Teil wird im Band 13 desselben Jahrbuches erscheinen.) Zunächst stellt Verf. die geschichtliche Matrix der Ideologie dar. Von da ausgehend, erörtert er die Beziehung zwischen Ideologie und Idee. Nach dem Entwurf einer Geschichte des Begriffs „Idee" versucht Verf. zu zeigen, daß die in der H.sehen Logik gewonnene Idee der Idee etwas im Grunde Außerideologisches bedeutet. Mehr noch: die H.sche Idee ermöglicht das Verständnis dessen, was als begriffliche Bedingung der zeitgenössischen Ideologisierung bzw. Entfremdung des objektiven Geistes wirkt.
J. J.: Hegel and the Christian God. — In: Journal of the American Academy of Religion. Atlanta, Ga. 59 (1991), N. 1, 71—91. ALTIZER, THOMAS
Ausgangs- und Angelpunkt dieser theologischen Auseinandersetzung mit H. ist die These, daß H. „der erste und vielleicht einzige Philosoph ist, dessen Denken zentral auf Kreuzigung und Auferstehung gerichtet ist", und daß damit die eigentliche und „einzigartige christliche Theologie" erst nach dem historischen Ende der christlichen Welt, d. h. mit dem „Tode Gottes" möglich erscheint. Mit diesem Leitfaden geht es dem Verf. zunächst darum, in der Einheit von Phänomenologie und Logik, dann spezieller in der ,Kenosis', die den eigentlichen (von J. Boehme inspirierten) Anfang beider Werke bUde, zentrale Charakteristika des H. sehen Denkens zu identifizieren, um in weiteren Schritten die zeitgenössischen und aktuellen theologischen Konsequenzen dieses Denkens aufzuzeigen.
Hegels Konzept der bürgerlichen Familie im Kontext der Suche nach einer feministischen Weiblichkeitstheorie. — In: Hegel-Studien. Bonn. 27 (1992), 53-75.
ANNERL, CHARLOTTE:
Hegels Charakterisierung der Methode. Bemerkungen zur Vorrede der Phänomenologie des Geistes. [Griechisch.] — ln: Festschrift für Konstantinos Despotopoulos. Athen 1991. 287—303. APOSTOLOPOULOU, GEORGIA:
H. bestimmt die Methode als die reine Struktur des Ganzen, dessen Entfaltung und innere Organisation mit der Manifestation der Logizität des Geistes zusammengeht. So ist die Methode nicht nur als der Weg zur Wahrheit, sondern auch als der Weg der Wahrheit zu ver-
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stehen. Aus der systematischen Interpretation der Charakterisierung geht hervor, daß die Methode das Kriterium der Wahrheit aus dem Subjekt erhält, das im Vermittlungsprozeß der Aufhebung der Objektivität in das reine Element des Begriffs eingeordnef ist.
Greek democracy and the idea of political Community. — In: 2 500 years of democracy. Athen 1992. 109—112.
APOSTOLOPOULOU,
GEORGIA:
H.s Auffassung der geschichtlichen Grenze der griechischen Demokratie erbringt den Nachweis, daß einerseits die Unmittelbarkeit unter den Voraussetzungen der Moderne zur politischen Willkür führen kann und andererseits dem Staat die vermittelnde Rolle zur objektiven Realisierung der Freiheit zukommt. Da er allerdings die Vereinbarkeit von politischer Partizipation und politischer Freiheit als Aufhebung ihrer Differenz betrachtet hat, hat er eines der Grundprobleme der modernen politischen Gemeinschaft unterschätzt.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Geist und Seele in der Anthropologie. — In: Philosophische Anthropologie im 19. Jahrhundert. Hrsg. V. F. Decher u. J. Hennigfeld. Würzburg 1991. 51—66. BAUM, MANFRED:
Der Beitrag weist den Zusammenhang zwischen H.s früher Konzeption der Würde des Menschen (im Gefolge von Kant, Fichte und Schiller) mit dem Topos der stoischen Anthropologie von einem göttlichen Seelenfunken nach, der von H. dem orthodoxen Christentum entgegengesetzt wird. Sodann wird die enzyklopädische Anthropologie als Lehre von der Seele als Naturgeist des Menschen im Anschluß an Aristoteles dargestellt und auf das Fehlen des inneren Sinnes bei H. aufmerksam gemacht. Der letzte Abschnitt analysiert die Rolle des Menschen in H.s Metaphysik des Absoluten, d. h. als Phase der Geistwerdung der Natur und als einzigen Ort der Manifestation des Göttlichen in der Wirklichkeit, eine Lehre, durch die H. die Reduzierung der Philosophie auf Anfhropologie (u. a. Feuerbach, Marx) im 19. Jahrhundert vorbereitet hat.
Art. Transzendentale/spekulative Logik. — In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 21, Lieferung 3/4. Berlin, New York 1991. 427-432.
BAUM, MANFRED:
Der Artikel handelt folgende Themen ab: 1. Formale und transzendenfale Logik bei Kant, 2. Transzendentalphilosophie und Metaphysik, 3. Metaphysik als Logik bei H,, 4. Logik und Dialektik.
Levinas, Hegel. La possibilite du pardon et de la reconciliation. — In: Emmanuel Levinas. Ed. par C. Chalier et M. Abensour. Paris 1991. 328—342. BERNASCONI, ROBERT:
Levinas' H.-Interpretation ist von Rosenzweig angeregt. Levinas zählt H. zu den Denkern, die durch die Betonung des Vorrangs der Ontologie das ethische Gesicht des Anderen ausgelöscht haben. Dennoch hat Levinas selbst seine Wertschätzung für H. zum Ausdruck gebracht; H. gehört für ihn auch zu den Denkern, die die Ontologie durch ein Sagen der Transzendenz unterbrechen. Dies wird greifbar in der Phänomenologie des Geistes, und zwar in den Erörterungen über die Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins sowie in den letzten sechs Paragraphen des Abschnitts „Geist", die Verf. zusätzlich heranzieht. Mit dem Begriff der Verzeihung gewinnt H. eine Stufe des Bewußtseins, mit der dieses von der Last der Geschichte befreit ist.
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BIBLIOGRAPHIE
Heidegger im Gespräch mit Hegel. Zur Negativität bei Hegel. — ln: Man and World. Dordrecht. 25 (1992), 271—280. BIEMEL, WALTER:
Verf. referiert ein 1993 veröffentlichtes Manuskript Heideggers von 1938/39. Heideggers These besagt, daß „H.s Negativität. . . keine [ist] — weil sie mit dem Nicht und Nichten nie ernst macht — das Nicht schon in das ,Ja' aufgehoben hat". Demgegenüber gilt es nach Heidegger, in einem ursprünglicheren Denken das Nichts als „Wesung des Seyns selbst", d. h. das Seyn selbst als „Ab-grund" zu denken.
La question nationale — Hegel et l'histoire de la Philosophie. — ln: Hegel-Studien. Bonn. 27 (1992), 153—157. BIENENSTOCK, MYRIAM:
Discovery and dialectic. — ln: Idealistic Studies. Worcester, Mass. 21 (1991), 1—28. BLACHOWICZ, JAMES:
Die „Logik der Entdeckung" und die „dialektische Logik" antworten auf das gleiche wissenschaftstheoretische Problem der Ableitung und Korrektur neuer Erkenntnisse. H.s Dialektik ist ein Instrument der Entdeckung im Sinne einer nicht-erweiternden Rekonstruktion aus sich selbst deduzierter logischer Formen. Der Widerspruch zu jeder logischen Kategorie in der bestimmten Negation enthält jedoch einen bestimmten, weiterführenden Inhalt. Dialektik und wissenschaftliches Entdecken als Sonderfall von Dialektik beruhen auf den gleichen Grundlagen und Denkvollzügen, die H. das Selbstdenken des Gedankens nannte.
De literatur en haar betekenis in Hegels ,Phänomenologie' [Die Bedeutung der Literatur in Hegels ,Phänomenologie']. — ln: Om de waarheid te zeggen. Opstellen over filosofie en literatuur aangeboden aan Ad Peperzak. Hrsg, von K. Boey u. a. Kämpen, Nijmegen 1992. 67-78. BOEY, KOEN:
H. verwendet auf dreifache Art Klassiker der Literatur. Erstens zitiert er frei treffende Abfassungen und Ausdrücke. Zweitens wiederholt er ohne weitere Ausführung und Ausarbeitung des Inhalts die Bedeutung der Tragödie, wie der Antigone in der Kunstreligion. Drittens verwendet er die Antigone zur Ausführung der Dialektik des Mißlingens einer unmittelbaren sittlichen Welt, so wie Faust, Die Räuber und Don Quichote zum Aufbau des Zusammenhangs der modernen Erfahrungen der Lust, des Sich-Auflehnens und der universalistischen Spiegelfechterei.
Note su Jean Hyppolite e Alexandre Kojeve interpreti della Fenomenologia dello Spirito [Bemerkungen zu J. Hyppolite und A. Kojeve als Interpreten der Phänomenologie des Geistes], — ln: 11 Pensiero. Roma. N. S. 31 (1991), 73 -99. BONACINA, GIOVANNI:
Verf. vergleicht die von Hyppolite und Kojeve vorgelegten Deutungen der Phänomenologie des Geistes aus der Perspektive eines ,naiven' Lesers der Phänomenologie. Der Vergleich wird durch eine Prüfung beider allgemeinen Deutungen des Werks und eine Analyse der Kommentare des Kapitels „Freiheit des Selbstbewußtseins" geführt. Verf. zieht am Ende den Schluß, daß philologische Analyse und Quellenforschung unzureichend sind. Stattdessen haben Hyppolite und Kojeve Anregungen anderer Philosophien zuviel Raum gegeben.
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Brauchen wir einen Begriff der Nation? — In: Universalismus, Nationalismus und die neue Einheit der Deutschen. Philosophen und die Politik. Hrsg. v. P. Braitling und W. Reese-Schäfer. Frankfurt a. M. 1991. 10-21. BUBNER, RüDIGER:
In der Auseinandersetzung um die Frage, ob wir einen zeitgenössischen Begriff der Nation benötigen, unterscheidet Verf. zwischen einer universalistischen Position, die sich im wesentlichen Kants „reinem" Vernunftkonzept verpflichtet weiß und einem regionalistischen Ansatz, der in der Tradition der H.sehen Kant-Kritik steht. Die kontingente Ausgangsposition menschlichen Handelns, so die Vertreter des Universalismus, kann durch kritische Prüfung auf ein Niveau reiner Vernünftigkeif gehoben werden. H. fordert die Konkretion der Vernunft im Rahmen des politisch-rechtlichen Handelns: das Naturrecht wird in eine historische Dimension zurückgestellt; Ethik wandelt sich zur Rechtsphilosophie, und Recht kulminiert in der Lehre vom Staat. Die H.sehen Argumente sind es, die auch heute für die Notwendigkeit eines Begriffs der Nation sprechen: das Bedürfnis, ein historisch greifbares Selbst anzugeben, ist prinzipieller Natur; ohne die Ausbildung und die Selbstvergewisserung in und durch besondere Lebensformen geht die Forderung nach Befreiung ins Leere. Das Votum für das Allgemeine (Europa, Welfgesellschaft) kann sich in der mühevollen Vermittlung der Besonderheiten ergeben, und für die „partikularisierten Allgemeinheiten" ist der Nation-Begriff unverzichtbar.
Antike Themen und ihre moderne Verwandlung. Frankfurt a. M. 1992. 164—187: Das Gute in der Aristotelischen Metaphysik. BUBNER,
RüDIGER:
Verf. diskutiert das Problem des Guten bei Aristoteles und gibt am Ende einen Ausblick auf die Verwandlung der Idee des Guten in H.s Wissenschaft der Logik. Während für Aristoteles „das Gute der treffende Ausdruck für die axiologisch zusammengefaßte Sinnhaftigkeit des Kosmos" war, ist bei H. das Gute nurmehr „ein Hilfsausdruck, der in einer unausweichlich subjektiven Hinsichf die realisierte Vermittlung indiziert, welche an und für sich Sache der Logik isf".
Hegel's concept of virtue. — In: Political Theory. Newbury Park, Calif. 20 (1992), 548 -583. BUCHWALTER, ANDREW:
This essay examines H.'s concept of virtue, which is understood as an account of political or civic virtue. Its focus is on H.'s effort to reconstruct classical Greek civic virtue in line with modern social realities. For H., it is argued, civic virtue is now tenable, not by appealing to a public concept of human nature but by embracing modern individualism. But this does not mean that H. renounces Greek republicanism in favour of rectitude, the legalistic form of public spiritedness associated with bourgeois individualism. He presents civic virtue as a form of modern republicanism, where patriotism and genuine public spiritedness flow from reflection on the meaning of individual rights. This cognitive approach to political Sentiment is shown to accommodate the „organicism" and „trust" common to conventional accounts of patriotism. Similarly, the essay explicates H.'s contention that modern social complexity, whüe precluding the „direct" relationship of individual and Community presupposed in Greek civic virtue, not only permits republicanism but provides for its modern and, indeed, general realization. The essay concludes by relating H.'s position to Contemporary discussions of patriotism.
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BIBLIOGRAPHIE
taugt Hegels spekulative Naturphilosophie? Eine unzeitgemäße Naturbetrachtung dargestellt am Beispiel der spekulativen Rekonstruktion des Sonnensystems. — In: Jahrbuch des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover 1990/91. Hildesheim 1990. 68—97. BüTTNER, STEFAN: WOZU
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Nivellierung der Naturphänomene durch das Prinzip Geld, begleitet von der Homogenisierung der Naturphänomene durch die Naturwissenschaften auf theoretischer Ebene. Die verschiedenen Nivellierungsformen entspringen der isolierenden Tätigkeit des Verstandes, wie sie H. beschrieben hat. Die Aufgabe der spekulativen Naturphilosophie ist darin zu sehen, daß die Naturgegenstände in einer zusammenschauenden, strukturelle Einheiten bildenden spekulativen Denkweise erfaßt werden. Verf. sucht dieses Konzept anhand von H.s spekulativer Konstruktion des Gravitationssystems, seiner Rekonstruktion des Sonnensystems und seiner Interpretation der Keplerschen Gesetze vorzuführen. Er versteht H.s naturphilosophische Spekulation als Einübung in ein Denken, „das wahrhaft den Begriff des ,neuen' Denkens verdient". Dieses neue Denken begreift die Natur nicht als kontingentes Faktum, sondern als das vernünftige Andere des Geistes.
Preface to „William Desmond: Beyond Hegel? Discussion and response". - In: Clio. Kenosha, Wisc. 20 (1991), 299—302. BUTLER, CLARK:
Kurze Würdigung des Werkes von William von Desmond zu H.
M.: Problema subjektivnosti u Gegelja [Das Problem der Subjektivität bei Hegel]. — In: Logos. Moskau. Jg. 1992, H. 3, 190—207.
BYKOVA,
Das Problem der Subjektivität bei H. besteht „in der Begründung des Seins des Bewußtseins (verstanden als eine breite Sphäre der GeistestätigkeitJTals der widersprüchlichen Einheit des Selbst und des Andersseins, sodann in der Aufdeckung der Mechanismen, die die Entwicklung dieses Seins ermöglichen".
Horkheimers Stellung zu Hegels Geschichtsphilosophie. [Griechisch.] — ln: Epistemonike Epeteris tes Philosophikes Scholes tou Panepistemiou Athenon. Athen. 29 (1986—1991), 309—318. CHRONIS, NIKOLAOS:
Der frühe Horkheimer gebraucht H.s Geschichtsphilosophie als Beleg für seine These, bei H. sei der Idealismus zur Sozialphilosophie geworden. Dabei betont er die Rolle der List der Vernunft für den Fortgang der Geschichte und für die Versöhnung des Subjektiven mit dem Objektiven. Allmählich verwirft Horkheimer H.s Geschichtsteleologie und betrachtet die Geschichte als grausamen Prozeß, dessen Prinzip gerade die List der Vernunft sei. Der späte Horkheimer kommt zur Neueinschätzung H.s und meint, H. habe trotz aller idealistischen Überbietung weder die Geschichte vom Verschwindenden getrennt noch das Individuum zugunsten des Allgemeinen aufgegeben.
COLETTE, JACQUES:
Reflexion et temporalite. — In: Philosophie. Paris. 29
(1991), 77-91. üntersuchungen von H. Wagner, R. Hönigswald und W. Gramer haben in Deutschland den Anstoß zu lebhaften Diskussionen über das Problem der Reflexion gegeben. Diese Untersuchungen betonen den transzendentalen und regressiven Charakter der Reflexion und
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verdecken die inneren Schwierigkeiten des Begriffs nicht, die darauf zurückzuführen sind, daß eine Monadologie unfähig ist, Reflexivität und Temporalität zu vereinigen. — Insbesondere wendet sich Verf. dem Begriff der Reflexion bei H. und Husserl zu. In Der Geist des Christentums weist H. der Reflexion die Aufgabe zu, das reine Leben, welches das Sein ist, zu denken. Die Wissenschaft der subjektiven Logik gipfelt in der Idee des Ich, das Reflexion seiner selbst ist. — Den zweiten großen Ansatz der transzendentalen Reflexion stellt die Phänomenologie Husserls dar, die der „modernen" Philosophie der Reflexion neue Möglichkeiten eröffnet hat.
Van substantialiteit tot subjectiviteit. Subjectiviteit in Hegels filosofie van de subjectieve geest [Von der Substanz zum Subjekt. Subjektivität in Hegels Philosophie des subjektiven Geistes], — In: Problematische Subjectiviteit. Hrsg. v. L. Heyde. Tilburg 1991. 41—73. CRUYSBERGHS, PAUL;
Nach einer Darstellung des logischen Ortes des Begriffs .Subjektivität' wird die Entwicklung des subjektiven Geistes dargelegt: von der substantiellen Seele über das Bewußtsein bis zur Subjektivität des endlichen Geistes. Diese Entwicklung ist Befreiung: exemplarisch vorgeführt wird sie am praktischen Geist.
critlquc of Derrida's Hegel deconstruction: Speech, phonetic writing, and hieroglyphic script in logic, law and art. — In: Clio. Kenosha, Wisc. 20 (1991), 123-137. CuTROFELLO, ANDREW: A
Verf. sucht zu zeigen, daß H. — entgegen Derridas dekonstruktivistischer Lesart — keine absolute Vorrangstellung der Sprache vor der Schrift behauptet: Sprache und Schrift haben für H. komplementäre Vorteile und Nachteile. „Speech and writing possess different advantages over each other, according to Hegel. Speech is better capable of expressing spiritual Content, but writing is capable of expressing spiritual content, but writing is capable of communicating a theoretical content more universally. The two features necessary for a text to fulfill a communicative role . . . inversely related."
DESMOND,
WILLIAM:
In Reply. — In: Clio. Kenosha, Wisc. 20 (1991),
393-422. Verf. nimmt Stellung zu den Kritiken an seiner philosophischen Konzeption in den Aufsätzen von Merold Westphal, Stephen Houlgate und Brian Martine, insbesondere mit Rücksicht auf Affinitäten und Divergenzen seiner Arbeiten zum Denken H.s. An H.s Prinzip der dialektischen Selbstvermittlung kritisiert Verf., daß nicht jede Form der Andersheit als eine dialektisch aufzuhebende Entgegensetzung aufgefaßt werden könne. So gibt es für Desmond auch kein abgeschlossenes System im Sinne H.s, sondern nur ein „offenes Ganzes".
Hegel e Mendelssohn: ebraismo e stato moderno [Hegel und Mendelssohn: Judentum und moderner Staat]. — In: Giornale critico della filosofia italiana. Firenze. 70 (1991), Nr 2, 260-274. D'ALESSANDRO, GIUSEPPE:
In der Entwicklung der politischen und theologischen Reflexion des jungen H. hat Jerusalem von Moses Mendelssohn eine zentrale Rolle gespielt. Daher untersucht Verf. zunächst die naturrechtlichen und vertragstheoretischen Hintergründe von Mendelssohns Auffas-
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BIBLIOGRAPHIE
sung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat und präsentiert sodann H.s Bezug auf Mendelssohn in seiner doppelten Charakterisierung: einerseits als Übernahme von Themen und Argumentationen, andererseits als Widerlegung von Annahmen und Absichten. Die Positivitätsschriß, Der Geist des Christentums, Die Verfassung Deutschlands und die Fragmente über Volksreligion werden in dieser Perspektive untersucht, wobei besonders H.s Vorschlag einer Trennung zwischen Religion und Staat, H.s Deutung des Judentums und seine Kritik am jüdischen politischen Modell sowie H.s Reflexion über die Begründung des modernen Rechtsstaates auf Legalität oder Moralität thematisiert werden. Wenn für den jungen H. der Staat, trotz der Pflicht, die Pluralität des Glaubens zu respektieren und die Kultusfreiheit zu garantieren, nicht erlauben darf, daß eine dominierende Kirche sich als Staat innerhalb des Staates etabliert, wird in der Folge die religiöse Dimension in die politische zurückgenommen, wobei das religiöse Element als geishges Band zugunsten des Staates selbst wirken soll.
Theologie im Anschluß an Hegel. Überlegungen zu einer religions-philosophischen Zweideutigkeit. — In: Zeitschrift für Theologie und Kirche. Tübingen. 88 (1991), 247-271. DIERKEN, JöRG:
Nach H.s Religionsphilosophie vermag das religiöse Bewußtsein die Identität von Gott und Mensch nur gegenständlich, d. h. als Dißerenz zu explizieren. Erst durch Aufhebung der religiösen, in Dualismen befangenen Vorstellung in den philosophischen Begriff geUngf es, die Idenfifäf von Gott und Mensch als Identität gleichursprünglicher Identität und Differenz — spekulafiv — zu erfassen. Der Übergang von der Vorstellung zum selbstbewußten Denken kann sich allerdings selbst nicht ohne ,Rückblick' auf das realphilosophische Wissen vollziehen: Das Sich-selbsl-Begreifen der Philosophie geschieht nicht anders denn durch ein Begreifen der dem philosophischen Wissen vorgängigen Modi des Sich-selbsl-Erfassens der Idee. Diese „Zweideutigkeit" indiziert das hermeneutische Grundproblem der spekulativen Philosophie H.s. Eine ,Theologie im Anschluß an Hegel' sucht das hermeneutische Explikationsproblem der Philosophie „spekulativ in die Grundlegung einer Hermeneutik der Realgestalten des Geistes [zu] überführen, welche die religiöse Darstellung des Geistes in ihrem Eigensein durchsichtig zu machen erlaubt", kann sich freilich nicht mehr wie die Geistesphilosophie H.s als das Absolute selbst verstehen, sondern ist als Darstellung des Absoluten relative „Explikationsweise der in jener Identität enthaltenen Identität und Differenz".
Dl TOMMASO, V. GIANNINO: Sul rapporto Hegel-Schelling nei primi anni del 1800 [Zum Verhältnis Hegel-Schelling in den ersten Jahren seit 1800]. — In: II Pensiero. Roma. N. S. 31 (1991), 9—32. Der Aufsafz behandelt das Verhältnis zwischen Schelling und H. in den ersten Jahren ihrer Tätigkeit in Jena, wobei eine gegenseitige Einwirkung erkennbar ist. Das Thema des „Bedürfnisses der Philosophie" in der Differenzschrift H.s ist wahrscheinlich von Schelling entliehen worden, denn dieser hatte schon in seinen ersten Schriften den notwendigen Übergang vom Naturzustand zur Freiheit als Quelle der Philosophie betrachtet. In den Jahren 1801 — 1803 kann man eine Annäherung Schellings an H.s Auffassung der Spekulation und der Idenfifäf erkennen; dann aber hat Schelling wieder den Widerspruch vom Absoluten ausgeschlossen. Dadurch wird die Trennung zwischen beiden Philosophen endgültig.
„Die große Sehnsucht nach Sprachergänzung". Zur Kritik der Übersetzungstheorie anläßlich der Neuübersetzung von Hegels
ENGLERT, KLAUS:
Abhandlungen zur Hegel-Forschung 1991 — 1992
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Phänomenologie des Geistes. — In: Lendemains. Marburg. 67 (1992), 110-118. Verf. demonstriert das Problem der Unübersetzbarkeit philosophischer Texte anhand des Vergleiches der Phänomenologie-ljbersetzungen von Jean Hyppolite und Jean-Pierre Lefebvre. Gegen Husserls These einer allgemeinen Übersetzbarkeit von „idealen" Gehalten zeigt Derridas Kritik an Jakobsons Kriterien zur Unterscheidung von „eigentlichen" und übertragenen Übersetzungen die prinzipielle Unmöglichkeit von authentischen Übersetzungen. Die „verallgemeinerte Zweideutigkeit" der Sprache verhindert sowohl eine adäquate intralinguale wie interlinguale Übersetzung. Dies belegt Verf. an sieben Beispielgruppen aus Lefebvres Phänomenologie-XjbeTsetzungen.
La finalidad de la Filosofia de la Religion en las lecciones Berlinesas de G. W. F. Hegel [Die Bestimmung der Religionsphilosophie in den Berliner Vorlesungen G. W. F. Hegels]. — In: ethos. Revista de Filosofia Practica. Buenos Aires. 16—18 (1991), 193—213. FERRARA, RICARDO:
On account of its theoretical end (to know God, to understand the necessity of religion) the Hegelian philosophy of religion is required — as „ultimate Science" of encyclopedic System — to join Logic. On account of its practical end, Hegelian philosophy of religion opens itself to the interests of its time to repair the unfolding of the modern religious conscience and to reconcile a Community dismembered in opposed social estates. The tension between consciousness and knowledge, time and System is announced here, as in other topics of this peculiar discipline.
Logica e Filosofia della Natura nella dottrina delF essere hegeliana [Logik und Naturphilosophie in der Hegelschen Lehre vom Sein] (I). — In: Rivista di Storia della Filosofia. MUano. N. S. 46 (1991), 701-735. FERRINI, CINZIA:
Any historical and critical appreciation of H.s basic thesis of the identity of metaphysics with logic cannot fail to compare it with his charging Kant and Fichte with attaching a merely subjective meaning to logical determinations, as well as Schelling with spinozism and extrinsicalness in conceiving the absolute indifference of subject with object. This paper is aimed at giving an account of H.s notion of nature as it arises from the fulfillment of the logical idea (i. e. as the Anderssein of the idea in which it is in the form of the alienation (Entäußerung)), by focusing attention on the logical pathway of the notion of externality (Äußerlichkeit) in the Doctrine of being. It is argued for an alternative to the received view on the outcome of the logic of Being, by pointing out two different conceptual meanings, which have been overlooked so far, attached to the category of Measure vs. the notion of Mode and to Spinoza's substance in 1812 and 1832.
Logica e FUosofia della Natura nella dottrina delF essere hegeliana (II). — In: Rivista di Storia della Filosofia. Milano. N. S. 47 (1992), 103-124.
FERRINI, CINZIA:
In the second part of this paper attention is focused on the nature of the transition from being to essence, also taking into account the three editions of the Logic of the Encyclopaedia. It is claimed that the reading of H. which holds that in the logic of being thinking simply passes from one concept or category over to another (being thus cancelling or dissolving itself
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BIBLIOGRAPHIE
in essence, in accordance with a simple use of the notions of Werden and Übergang), fails to do justice to: i) the introduction of the double transition between quantity and quality in 1832; ii) the conceptual difference between both the kind of infinity fhat is af sfake in fhe measureless and the becoming of essence in the 1817 Encyclopaedia versus its counterparts in the 2"‘’ and 3’'‘* edition; iii) the comparison between point ii) and the simple use of fhe notions of becoming and transition in the first of the three final syllogisms of the Encyclopaedia. Finally, it is argued for an alternative to the reading of the sphere of being as governed by the rule of the first syllogism.
C.: Time in Hegel's Phenomenology of Spirit. — In; International Philosophical Quarterly. New York, Namur. 31 (1991), 259—273.
FLAY, JOSEPH
Verf. analysiert H.s Begriff der Zeit, wie ihn die Phänomenologie des Geistes in den Kapiteln über die sinnliche Gewißheit, den Verstand, das Selbstbewußtsein und den Geist mit Bezug auf das Wissen überhaupf entwickelt. Es wird gezeigt, daß für H. die Zeif zusammen mif dem Raum der Zeifspielraum des Menschen ist, in dem er sich zur Welt verhält. Die Wissenschaft der Logik und die Realphilosophien behandeln dann die Zeit in der Form des Begriffs und jenen kategorialen Sfrukturen, die die Verbindung zwischen Mensch und Welf konstituieren.
Kritik der Flegelschen Formalismusthese. — In: Kant-Studien. Berlin, New York. 83 (1992), 304—323. FREIER, FRIEDRICH VON:
H.s Kritik an Kants Sittengesetz ist als FormaUsmuseinwand bekannt geworden und bis in die jüngste Zeit oft wiederholt worden. Verf. sucht den sachlichen Kern dieser Kritik darzustellen und auf seine Berechtigung hin zu überprüfen. Wenn auch im einzelnen Schwächen der Kanfischen Argumentation unübersehbar sind (es fehlt vor allem eine Umsetzung des kategorischen Imperativs in die Motivationsstruktur), so verfehlt doch H.s Kritik die Kantische Position. Es bleibt gegen H. festzuhalten, daß reine praktische Vernunft Formalallgemeinheit fordert, die nicht als logische, sondern als praktische Allgemeinheit zu verstehen ist, „die unter Berücksichtigung ihres ,materialen' Fundaments schlüssig entwickelt werden kann". Der kategorische Imperativ ist also als Kriterium nicht inhaltsleer und beliebig.
Dialettica e temporalitä: L'immagine di Hegel nella Dialettica della natura di Engels. [Dialektik und Zeitlichkeit: Das Bild Hegels in Engels' Dialektik der Natur]. — In: Verifiche. Trento. 21 (1992), 271-299. GIACCHE, VLADIMIRO:
Der Aufsatz diskutiert die Deutung der H.sehen Philosophie in der Dialektik der Natur von Engels, die im Kern eine Ausdehnung der Dialektik auf die Naturwissenschaffen isf. Nach Engels bilden auch die neuesfen Forfschrille der Naturwissenschaft seiner Zeit eine Bestätigung des wichtigsten Charakters der H. sehen Dialektik: der Flüssigkeit der Begriffe. Um dies zu zeigen, befont Engels die vermeinte historische Dimension dieser Dialektik. Verf. erklärt unter Bezug auf Texte H.s die Unhaltbarkeit dieser Deutung, löse H. doch die historische Dimension des Denkens und der Geschichte im notwendigen Gang des Begriffs auf. Keinesfalls isf demnach H. als ein Historist auszugeben.
E.: „Systemprogramm" und Revolution. Zu Hegels gewaltfreier Alternative. — In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-UniGILLE, KLAUS
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versität zu Berlin. Reihe: Geistes- und Sozialwissenschaften. Berlin. 8 (1991), 41-49. Verf. erörtert das sog. Älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus im Blick auf H.s Stellung zur Französischen Revolution, im Zusammenhang weiterer zeitgenössischer Remythisierungsprogramme und im Gegenüber zu H.s gewandelter Systemkonzeption seit 1803. Verf. liest das Systemprogramm (im Anschluß an Chr. Jamme) als Dokument einer radikalen Aufklärung, wobei H. „die Maximen der Französischen Revolution . . . konsequent auf die pragmatischen Aspekte der Remythisierung überträgt" (45). Diese „zukunftsentwerfende" Perspektive habe H. später gegen eine „konstatierende" eingetauscht, die (mit Habermas) in der These formuliert wird, „daß die moderne Gesellschaft im souveränen Verfassungsstaat ihre vernünftige Identität gefunden hat, und daß es der Philosophie zukommt, diese Identität als eine vernünftige darzustellen".
Lassen sich Moralität und Sittlichkeit miteinander vermitteln? — In: Philosophische Rundschau. Tübingen. 38 (1991), 14—47. GIUSTI, MIGUEL:
Verf. bietet eine kritische Würdigung der jüngsten Debatte um Moralität und Sittlichkeit (u. a. Habermas, Apel, Kuhlmann, Wellmer, Taylor, Maclntyre, Larmore, Bubner). Als wesentlicher Streitpunkt der Diskussion erweist sich der Rationalitätsbegriff und die Legitimität einer Identifizierung von Vernunft und Moral.
De Tetre ä Tetat. La liberte se realisant chez Hegel. — In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie. Stuttgart. 78 (1992), 443-459. GOUIN, JEAN-LUC:
Ausgehend von der H. sehen These einer grundlegenden Entsprechung der Strukturen der Vernunft mit denen der realen Welt zeichnet Verf. die H.sche Konkretion dieser These vom abstrakten Sein über die Stationen „Geist" und „Freiheit" bis hin zum konkreten sittlichen Staat nach, wobei auch das Verhältnis zwischen objektivem und absolutem Geist erörtert wird.
Hölderlin über Urteil und Sein. — In: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie. Freiburg (Schweiz). 38 (1991), 111-127. GRAESER, ANDREAS:
Hölderlins Entwurf über „Urteil und Sein" wird unter Beachtung von Reflexen bei Schelling und H. diskutiert. Verf. sucht herauszuarbeiten, daß und wie sich der Duktus der Hölderlinschen Ausführungen als dialektisches Argument zu verstehen gibt, „das sich im Rahmen der Voraussetzungen Schellings bewegt und Schellings Gedanken als unstimmig erweisen soU".
Integrative Wahrheit. Überlegungen zur theologischen Relevanz ästhetischer Erfahrung am Beispiel von Bachs „Matthäus-Passion". — In: Musik und Kirche. Kassel. 62 (1992), 65 — 79 u. 146-154. GROSSMANN, ANDREAS:
Ausgehend von einer theologische Akzentsetzungen in Bachs Matthäus-Passion eruierenden Detailanalyse, wird die systematische Frage nach dem Verhältnis von Theologie und Kunst verfolgt. Zurückgewiesen wird sowohl eine postmoderne Verabschiedung des Be-
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BIBLIOGRAPHIE
griffs als auch eine Intellektualisierang des Ästhetischen. Vielmehr gilt es, die Kunst als Partner eigener Dignität in der gemeinsamen Bemühung um die Artikulation der Wahrheit zu begreifen. Im Widerspruch zum systematischen Anspruch der H. sehen Ästhetik knüpft Verf. dabei an H.s Herausarbeitung der Spezifik der Musik als eigentlicher Kunst der Subjektivität an. Von hier aus sei es möglich, die Musik — und im besonderen die Bachsche Musik — in ihrer Aneignungsdimension und als vorzügliche Gestalt glaubender Subjektivität zur Sprache zu bringen, somit die theologische Relevanz ästhetischer Erfahrung beispielhaft darzutun.
L'experience chez Hegel et la critique henryenne. — In: L'Enseignement Philosophique. Paris. 41 (1991), Nr 6, 32-48. GUILLAMAUD,
PATRICE:
Für H. ist die Erfahrung der Ursprung der Philosophie nicht, insofern sie eine irreduktible und autonome Manifestationsweise des Seins darstellt, sondern vielmehr, insofern sie selbst gewissermaßen der allererste Begriff ist, d. h. die ursprüngliche Manifestation des Seins, die sich in einer absoluten und absolut synthetischen Totalität entfalten und vollenden muß. Wenn aber die Erfahrung nicht die reine Unmittelbarkeit des Seins ist, sondern der Vermittlungsprozeß selbst, der ihre Unmittelbarkeit mit der im Begriff zu sich selbst gekommenen Unmittelbarkeit verkettet, dann ist sie nicht ein Sein als solches, sondern eine Seinsweise des Begriffs selbst. — Dies ist die Kritik die MICHEL HENRY in L'essence de la manifestation im Ausgang vom Begriff der Erfahrung bei H. zu formulieren sucht.
Pragmatism as naturalized Hegelianism: overcoming transcendental philosophy? — In: The Review of Metaphysics. Washington, D. C. 46 (1992), 343-368. HANGE,
ALLEN:
Richard Rorty definierte seinen Pragmahsmus als „a form of naturalized Hegelianism". Der naturalisierte Hegelianismus Rortys, die Gegenposition zur Transzendentalphilosophie, ist jedoch eine inadäquate Rezeption H.s, da die metaphysischen Voraussetzungen H.s und vor allem die Dimension des Selbstbewußtseins bei Rorty ausgeblendet werden.
Hegel's early development and the Gnostic tradition. — In: Philosophical Studies (Ireland). Dublin. 33 (1991—92), 75 - 92.
HANRATTY,
GERRY:
Im Zeichen der allgemeinen Gnosis-Renaissance untersucht Verf. die Entwicklung der „panvitalistic metaphysics" des jungen H. in Tübingen und Bern. Dabei steht die Theologie des Johannes im Mittelpunkt, außerdem Meister Eckhart und Jacob Böhme einschließlich möglicher gnostischer Implikationen.
Metaphysik und Metaphysikkritik. — In: Neue Hefte für Philosophie. H. 30/31. Göttingen 1991. 109—138. HARTMANN, KLAUS:
Eine Auseinandersetzung mit der modernen Metaphysikkritik kann auf deren Argumentationsdefizite hinweisen und so Gegenvorstellungen entwickeln. Als eine ernstzunehmende Metaphysikkritik betrachtet Verf. die von Heidegger ausgehende hermeneutische Relativierung der ontologischen Semantik. Für eine positive Formulierung metaphysischer Grundbegriffe wird man sich nach Auffassung des Verf. s auf H.s Ausarbeitung der Metaphysik richten müssen, die dieser in bewußtem Widerspruch zu Kants Einschränkung der
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Ansprüche der Metaphysik entwickelt hat. Verf. versteht die in H.s Wissenschaft der Logik grundgelegte Ontologie als Kategorienlehre, an der zwar auch Kritik geübt werden dürfe, die aber doch als Vorbild für eine heutige Ontologie dienen könne. Grenzen der H. sehen Konzeption zeigen sich in der Behandlung von Mathematik und formaler Logik. Probleme ergeben sich auch in H.s Bestimmung des Verhältnisses von Logik und realphilosophischen Teilen (Natur- und Geistesphilosophie).
G. W. F.; Aphorismen aus der Jenenser und Berliner Periode. [Ungarisch.] Übers, von Karoly Redl. — In: Magyar Filozöfiai Szemle. Budapest. 35 (1991), 176 -223. HEGEL,
Die ungarische Publikation wurde auf der Basis der folgenden Textsammlungen zusammengestellt: K. Rosenkranz, Georg Wilhelm Friedrich Hegel's Leben, Berlin 1844; F. Nicolin, Unbekannte Aphorismen Hegels aus der Jenaer Periode, Hegel-Studien 4 (1967), 10—19; Dokumente zu Hegels Entwicklung, hrsg. von J. Hoffmeister, Stuttgart-Bad Cannstatt 1974. Die Übersetzung ist mit zahlreichen Anmerkungen versehen, bei denen verschiedene fremdsprachige Ausgaben der Aphorismen in Betracht gezogen wurden.
H.: The idea of law (Recht) in Hegel's Phenomenology of Spirit. — In: Clio. Kenosha, Wisc. 21 (1992), 345—367. HOFFHEIMER, MICHAEL
Der Fortschritt der Phänomenologie ist z. T. getragen vom Fortschreiten des Konflikts zwischen verschiedenen Formen des Gesetzes. Zunächst ist es der tragische Konflikt zwischen der Sitte und dem Gesetz des Herzens. Auf der Ebene der besonderen Individuen veranschaulicht H. dann den Konflikt des Subjekts mit der äußeren Welt als Konflikt des Einzelnen mit den äußeren Gesetzen: die gesetzgebende Vernunft. Die Ausbildung des objektiven Rechts und die Anerkennung des Gesetzes durch das Individuum bilden schließlich den Rechtszustand. Das menschliche Gesetz tritt allerdings zweifach auf: als universal gültiges und als individuelles (das wiederum zweifach auftritt; als Identität eines jeden Einzelnen und als Regierung). Verf. zeigt, wie die Erfahrung der Gesetze eine kritische Rolle in der Entwicklung des Selbstbewußtseins und der handelnden Vernunft spielt: „only by rejecting and sublating law does spirit attain that Vision within which law itself can be comprehended scientificaUy."
HOFFHEIMER, MICHAEL H.:
Hegel's criticism of law.
—
In: Hegel-Studien.
Bonn. 27 (1992), 27-52.
William Desmond on philosophy and its others. — In: Clio. Kenosha, Wisc. 20 (1991), 371—391. HOULGATE, STEPHEN:
Verf. setzt sich mit W. Desmonds Buch Philosophy and its Others: Ways of Being and Mind auseinander und weist in diesem Zusammenhang Affinitäten wie Differenzen zwischen Desmonds philosophischen Konzeptionen und dem Denken H.s auf. Der Vergleich des ,metaxologischen' Denkens des Seins bzw. der Andersheit mit dem dialektischen Denken im Stile H.s ergibt, daß Desmonds Konzeption dem jungen Nietzsche, aber auch Kierkegaard bedeutend näher steht als H.
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BIBLIOGRAPHIE
Kritik der Übergänge zu den ersten Kategorien in Hegels Wissenschaft der Logik. — In: Hegel-Studien. Bonn. 27 (1992), 11-25. ILCHMANN, ACHIM:
Sulla posizione di Hegel nei confronti della Naturphilosophie romantica [Zur Position Hegels gegenüber der romantischen Naturphilosophie]. — In: Verifiche. Trento. 21 (1992), 413 —452. ILLETTERATI, LUCA:
Der Hauptunterschied zwischen den Naturauffassungen H.s und der romantischen Naturphilosophie besteht darin, daß H. die Natur als das Andere des Geistes und als die Äußerlichkeit der logischen Idee, die sich nur teilweise darin offenbart, denkt. Die Prüfung der Auseinandersetzung mit der romantischen Naturphilosophie in der Phänomenologie des Geistes zeigt, daß sie nach H. einerseits einen Fortschritt im Vergleich zur newtonianischen Tradition beim Verständnis der biologischen Ebene der Natur leistet, andererseits formal ist, weil sie die neu erfundenen Kategorien mechanisch und allgemein anwendet. Die Naturphilosophie H.s dagegen erhebt keinen Anspruch, die Naturwissenschaften zu ersetzen, sondern eine Auffassung der Schichten der Natur auf Grund der Naturwissenschaften zu erreichen.
El Idealismo alemän como mitologia de la razön [Der deutsche Idealismus als Mythologie der Vernunft]. — In: Pensamiento. Madrid. 47 (1991), 37-78. INNERARITY,
DANIEL:
Verf. untersucht die philosophische Bedeutung des sogenannten Ältesten Systemprogramms des deutschen Idealismus als idealistisches Programm und Fundament der modernen Idee der Freiheit unter fünf Gesichtspunkten: 1. Die Renaissance des Mythos in der vorromantischen Kultur; 2. der Vorrang der praktischen Vernunft als existentieller Vorrang der Freiheit; 3. der Ersatz, den die Ästhetik vor der Entzauberung der modernen Welt anbietet; 4. die Mechanik des Staates als Resultat der politischen Befreiung; 5. die Möglichkeiten einer Volksreligion in einer säkularen Kultur.
Hegels Idee von Europa. — In: Zeitschrift für philosophische Forschung. Frankfurt a. M. 46 (1992), 381—394. INNERARITY, DANIEL:
Verf. analysiert H.s Stellung zu Europa und das Problem der Freiheit bei H. „Europa ist für H. Zentrum und Ende der alten Welt, die Brücke des Zurückfindens des Geistes zu sich selbst, . . . der Ort, an dem der Mensch sein höchstes Freiheitsbewußtsein erreicht hat." Der Idealismus ist mehr eine Theorie der Freiheit als eine Erkenntnistheorie, und H.s gesamte Philosophie ist ein Versuch, die Bedingungen der Verwirklichung der Freiheit unter den Verhältnissen der modernen Welt zu erforschen. H. faßt die Freiheit als Anerkennung der Notwendigkeit auf. Dabei ist diese für ihn nichts anderes als der Raum der Freiheit, ihr äußerer Ausdruck, die Bedingung ihrer geschichtlichen Verwirklichung.
Die Trauer des Endlichen. Anmerkungen zur Aufhebung der Endlichkeit in Hegels Seinslogik. — In: Philosophie der Endlichkeit. Festschrift für Erich Christian Schröder zum 65. Geburtstag. Hrsg, von B. Niemeyer und D. Schütze. Würzburg 1992. 83—100.
JANKE, WOLFGANG:
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H.s Seinslogik begründet die Endlichkeit dadurch, daß sie die qualitative Negation in die drei kategorialen Grundmomente der Bestimmtheit, Grenze und Veränderung verschärft. Gegenüber einer Verabsolutierung der Endlichkeit, die der Verstand fixiert, stellt H. die spekulative Kraft des Geistes, der sich zur affirmativen Unendlichkeit erhebt. Während H. jedoch den ständigen Wechsel zwischen Sollen und Schranke als schlechte Unendlichkeit ablehnt, beschreibt sie für Verf. die wahre Lage des modernen Menschen, dessen Trauer über die Endlichkeit weder historisch noch seinslogisch umgangen werden kann.
Arbeid in Hegels eerste filosofie van de geest [Die Arbeit in Hegels erster Geistesphilosophie]. — ln: Tijdschrift voor Filosofie, Leuven. 53 (1991), 451-473.
JoNKERS,
PETER:
In der Arbeit kommt das Individuum erstens zu sich und erwirbt zweitens als anerkanntes seine wirkliche Existenz innerhalb des Volkes. Das Problem des Pöbels erscheint dann gerade als die Unmöglichkeit der Anerkennung der ins Unendliche geteilten und deshalb nur empirisch-individuellen Tätigkeit der Arbeiterklasse.
Einleitung in die griechische Ausgabe. [Griechisch.] — ln: J.-L. Vieillard-Baron: G. W. F. Hegels Vorlesungen über Platon (1825—1826). [Griechisch.] Übersetzung Anna Kelessidou. Vorwort E. Moutsopoulos. Athen 1991. 11—16. KELESSIDOU, ANNA:
H. hat Platons Philosophie zwar hochgeschätzt, aber nur um sie als ein Moment in sein vollendetes System einzuordnen. Platon bleibt der Lehrer der Suchenden, während H. die vollendete Philosophie vertritt, die als solche dem Prinzip Platons untreu ist.
Substantie en Subject [Substanz und Subjekt]. — ln: Problematische Subjectiviteit. Hrsg. v. L. Heyde. TUburg. 1991, 76 — 77. KIMMERLE, HEINZ:
H. ist kein Philosoph der einseitigen Subjektivität: Aufgabe der Philosophie ist das Denken des Gleichgewichts von Vernunft oder Subjektivität einerseits und Andersheit oder Objektivität andererseits.
M. A.: GegeF i Gusserl' [Hegel und Husserl]. — ln: Logos. Filosofskij i literaturnyj zumal [Philosophisch-literarische Zeitschrift]. Moskau. Jg. 1991, H. 1, 59-67. KISSEL',
Bei diesem Aufsatz handelt es sich um einen Vergleich der H. sehen und Husserlschen Logikkonzeptionen. Im Horizont der Frage nach der Einheit von Methode und System werden zwei Logik- und Philosophieparadigmen festgestellt: klassische (die ihre Vollendung bei H. findet) und postklassische (deren Begründer Husserl ist).
Hegel on external relations and partial understanding. — ln: Idealistic Studies. Worcester, Mass. 21 (1991), 29—47.
KINCAID,
HAROLD:
Russell und Moore leiteten die analytische Bewegung ein, indem sie sich gegen zwei Lehren der britischen Idealisten wandten: die von den internen Relationen und die eines radikalen Holismus, demzufolge kein Teil des Universums für sich genommen verstanden werden
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BIBLIOGRAPHIE
kann. Für diese Lehren berufen sie sich auf H., jedoch zu Unrecht, da für ihn Verstandeserkenntnis vollgültiges, wenn auch seinen Gegenstand nicht voll erschöpfendes Wissen ist.
Ein nach-kierkegaardianisches Hegel-Verständnis. Annäherungen und Anfragen. — In: Philosophisches Jahrbuch. Freiburg, München. 99 (1992), 130-142. KODALLE,
KLAUS-M.:
Auf dem Weg, von Kierkegaard aus die Potentiale H.s freizulegen, würdigt Verf. die H.-Aneignung von Josef Simon. Nachdem Verf. den Versuch Simons diskutiert hat, im Ausgang von einem lebensgeschichtlichen Wahrheitsverständnis eine nicht-regressive Philosophie humaner Koexistenz zu entwickeln, wendet er sich einigen Präzisierungen des H.sehen Gottesbegriffs zu. Hierbei relativiert Verf. die These Simons, daß diese Gottesauffassung nicht von H.s Institutionenbegriff zu trennen sei. Demgegenüber verweist Verf. auf die Faktizität eines geschichtlichen Prozesses, in dem der absolute Geist über das Denken hinaus im Unvordenklichen seines unmittelbar humanen Daseins zu sich selbst kommt.
A comment on Heidegger's comment on Nietzsche's aUeged comment on Hegel's comment on the power of negativity. — In: The Heidegger Case on Philosophy and Politics. Ed. by T. Rockmore and J. Margolis. Philadelphia 1992. 255—262. KOLAKOWSKI,
LESZEK:
Verf. vertritt die These, daß sich in Heideggers Lektüre von Nietzsche ein deutscher Imperialismus ausdrückt, der sich hegelianisierender Interpretamente bedient. So verbindet Heidegger fälschlicherweise den Willen zur Macht mit der Negativität bei H., die das Böse, den Irrtum und das Leiden beinhalten soll. Heideggers Interpretation widerspricht sich aber schließlich selbst, wenn sie der teleologiefreien Expansion des Willens zur Macht eine besondere Dignität zuerkennt, die der deutsche Geist zu verkörpern aufgerufen ist.
Die methodologische Funktion des Verhältnisses von „Herr und Knecht" in der Philosophie Hegels. — In: Fichte-Studien, Amsterdam, Atlanta/Ga. 3 (1991), 51—67. KUMAMOTO, YASUHIRO:
Verf. sucht durch ein Neuverständnis des Herr-Knecht-Verhältnisses eine Überwindung des Gegensatzes zwischen einer den geschichtlich-gesellschaftlichen Aspekt betonenden Interpretation (Kojeve u. a.) und einer das Moment der Selbstbüdung unterstreichenden Auslegung (Gadamer u. a.) von H.s Phänomenologie: Das Moment der Selbstbildung im Herr-Knecht-Verhältnis hat sozial-geschichtliche Relevanz, allererst aber grundsätzlich Bedeutung für die Selbstbildung des Menschen, der in diesem Prozeß der Selbstbildung zur Realisierung seiner wahren Freiheit gelangt. „Der Mensch, der im Inneren frei wird, gewinnt auch im Äußeren Freiheit." So weist das Herr-Knecht-Verhältnis die notwendige Einheit von innerer Selbstbildung und äußerer sozialer Gleichheit des Selbstbewußtseins auf. Dies gilt für die Entwicklungsgeschichte des subjektiven Geistes sowohl als auch für die des objektiven und absoluten Geistes. „Indem der Geist in seinem Inneren das Verhältnis von ,Herr und Knecht' . . . überwindet, überwindet er zugleich das äußere Verhältnis von ,Herr und Knecht'. Dadurch entsteht das freie allgemeine Selbstbewußtsein in der Welt, d. h. in Geschichte, Staat, Volk, dem Einzelnen und in der Religion."
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Metafiction as a rhetorical device in Hegel's history of absolute spirit and Gabriel Garcia Marquez' One Hundred Years of Solitude. — ln: Clio. Kenosha, Wisc. 21 (1992), 401—410. LANDAU, IDDO:
Für Verf. stellt die Geschichte des Absoluten am Ende der Phänomenologie des Geistes philosophisch eine Metafiktion dar, die die Diskrepanz zwischen Fiktion und Wirklichkeit in der Weise auflöst, daß die Lektüre selbst die Wahrheit ist. Im Gegensatz dazu gebraucht Garcia Marquez die Metafiktion als Mittel, um einen ästhetischen Effekt herbeizuführen, der die Grenze zwischen Phantasie und Wirklichkeit auflöst. Während Garcia Marquez also die Wahrhaftigkeit einer Erzählung schwächt, bedient sich H. des literarischen Instruments der Metafiktion in der Absicht, ungegründete Axiome und einen infiniten Regress zu vermeiden.
Der Geist wird Macht. Zur Genealogie des deutschen Tausendkünstler-Postulats. — ln: Merkur. Stuttgart. 46 (1992), 324—331. LEHMANN, JOACHIM:
Verf. hält den anläßlich der deutschen Wiedervereinigung 1989 geäußerten Gedanken einer neuen Vereinigung von Geist und Macht, Kultur und Politik für eine deutsche Torheit im Rückgriff auf das 18. Jahrhunderf. Belege sind Hölderlin (Hyperion) und das Älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus, ln der hier ausgesprochenen Ablehnung des Staats und der Forderung nach Ausbildung aller Kräfte aller Einzelnen wird die Zielsetzung des Kommunistischen Manifests vorweggenommen. H. hat später jedoch erkannt, daß die Utopie des Systemprogramms in der modernen Welt nicht zu verwirklichen ist. Nur im modernen Staat sei Freiheit noch wirklich.
Das Ende der Philosophie. Hegels Eingemeindung in Frankreich durch einen russischen Emigranten. — ln: Merkur. Stuttgart. 46 (1992), 17-27. LILLA,
MARK:
Im Ausgang von neuen Veröffentlichungen aus dem Nachlaß zeichnet Verf. den biographischen Werdegang und die intellektuellen Einflüsse Kojeves nach, der über vier Jahrzehnte einer der wirkungsmächtigsten politischen Philosophen gewesen ist. Was Kojeve zu seiner hegelianisierenden These vom Ende der Geschichte führte, war die Erfahrung östlicher und westlicher Mystik, die ihm vor allem Vladimir Solowjow nahebrachte. Besonderes Gewicht legt Verf. auf die Kontroverse über den Staat, die Leo Strauss und Kojeve, der nach seinen berühmten Vorlesungen über H. einen umfangreichen Essay zur Enzyklopädie schrieb, in den 40er und 50er Jahren ausgetragen haben. Während Strauss für eine von politischen Einmischungen unabhängige, esoterische Lehre optiert, vertritt Kojeve die Auffassung, daß die Geschichte durch H. entschieden ist und die ,Weisheit der Weisen' eine Tyrannei künftig obsolet machen wird.
Fichte versus Hegel oder Hegel und das Erdmandel-Argument. — In: Hegel-Studien. Bonn. 27 (1992), 131—151. LUCAS, HANS-CHRISTIAN:
Philosophie et revelation dans Tidealisme allemand. Un bilan. — In: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie. Freiburg (Schweiz). 39 (1992), 39—60. MAESSCHALCK, MARC:
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BIBLIOGRAPHIE
Verf. stellt einen Vergleich der Hauptpositionen des deutschen Idealismus — Fichte, H., Schelling — insbesondere im Hinblick auf deren Auffassungen vom Verhältnis zwischen Philosophie und Theologie an, wobei vor allem die unterschiedlichen Konzeptionen von Rationalität, Vorstellung, Einbildungskraft und Offenbarung in den Mittelpunkt treten.
La „Filosofia del diritto" come sistema dello spirito oggettivo [Die „Rechtsphilosophie" als System des objektiven Geistes], — In: Hegel: Guida storica e critica. A cura di P. Rossi. Bari 1992. 87—119. MARINI, GIULIANO:
Verf. stellt die Grundlinien der Philosophie des Rechts als streng einheitliches System des objektiven Geistes dar. Er beabsichtigt, die Verwandtschaft zwischen objektivem Geist und Recht unter Berücksichtigung der drei Teile des Werks zu erläutern: abstraktes Recht, Moralität, Sittlichkeit. Die verschiedenen Momente werden in ihrer zirkulären Bewegung und in ihren dialektischen Momenten von wirklicher und erscheinender Vermittlung (bzw. von Grund und Resultat) gesehen. Besondere Aufmerksamkeit wird den logischen Aspekten der Rechtsphilosophie geschenkt, d. h. der Konkretisierung der Logik in der Rechtsphilosophie, insbesondere der Kategorien Begriff — Objektivation — Idee in der Sittlichkeit und der Kategorien Schein — Erscheinung im abstrakten Recht und in der bürgerlichen Gesellschaft.
Hegel i „Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik" [Hegel und die „Jahrbücher . . ."]. — In: Edukacja Filozoficzna. Warszawa. 14 (1992), 293-294.
MARKIEWICZ, BARBARA:
Die Philosophie der Aufklärung entdeckte die Möglichkeiten, die im Bereich der Öffentlichkeit für die Philosophie sich öffneten. Auch H. wußte um die Bedeutung der Öffentlichkeit für die moderne Philosophie. So versuchte er mehrfach, eine philosophische Zeitschrift zu gründen, was ihm in Berlin mit den „Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik" schließlich gelang.
„Ta stara nudna Europa". Idea europejskiej cjczyzny a filozofia Hegla [„Dieses alte langweilige Europa". Hegels Philosophie und die Idee der europäischen Heimat]. — In: Przeglad Filozoficzny. Nowa Seria. Warszawa. Jg. 1992, H. 1/2, 73—81. MARKIEWICZ, BARBARA:
Die Geschichte des Geistes ist unauflöslich mit der Geschichte Europas verbunden; sie ist ihr Sinn. H.s Ansichten über Europa verbinden sich unmittelbar mit seiner Philosophie des Geistes, dessen Procedere als Prozeß des Erkennens seiner selbst, der Erfahrung verstanden wird. So läßt sich die „Allgemeinheit" Europas auch als eine Gemeinschaft der Erfahrungen auffassen.
William Desmond, the artwork, and a „metaxological" understanding of otherness. — In: Clio. Kenosha, Wisc. 20 (1991), 335 351 MARTINE,
BRIAN JOHN:
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Verf. stellt W. Desmonds Konzeption der „metaxologischen Relation" zum Kunstwerk, die die Erfahrung einer „bestimmten Unbestimmtheit" zulasse, vor dem Hintergrund von Desmonds Theorie der Erfahrung der Andersheit dar. Während Desmond jedoch schon in H.s Bestimmung des Kunstwerks diese Pluralität und Offenheit angelegt sieht, schränkt nach Verf. s Auffassung die systematische Geschlossenheit der H. sehen Konzeption trotz
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der ihr innewohnenden Dynamik die Bedeutungsvielfalt und Sinnoffenheit des Kunstwerks merklich ein.
La estadfa del filösofo G. W. Hegel en la ciudad de Bamberg y un pensiamento acerca del sentido del habitar [Der Aufenthalt des Philosophen G. W. Hegel in der Stadt Bamberg — mit einem Gedanken über den Sinn des Wohnens]. — In: Philosophia. Anuario de FilosoÖa. Mendoza, Argentina 1992. 125—133. MATUSCHKA, DANIEL VON:
Der Aufsatz berichtet über die Tätigkeit H.s als Redakteur der „Bamberger Zeitung". Verf. behauptet einen gewissen Einfluß dieser journalistischen Erfahrung auf die Phänomenologie des Geistes. Diese Überlegungen führen zur These, das Verhältnis Welt — Geist bestimme sich aus dem Verhältnis Ort — Mensch.
I nessi tra prova teleologica e prova ontologica in Hegel [Die Beziehungen zwischen teleologischem und ontologischem Gottesbeweis bei Hegel]. — In: Archivio di Filosofia. Padova. 59 (1991), 173-199. MELICA, CLAUDIA:
Verf. analysiert einen Teil des „Begriffs der Religion" (1827—31) aus den „Vorlesungen über die Philosophie der Religion" (Ausgabe Jaeschke) und den „Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes". Es werden drei Themen des H.schen Denkens herausgeschält: das Thema des „Anfangs" der Religionsphilosophie (nachweisbar vor allem in „Der Begriff der Religion" von 1827 und von 1831) und damit verbunden die Definition vom „Beweis"; der Lebensbegriff in der „Ausführung des teleologischen und ontologischen Gottesbeweises" in den „Vorlesungen über Religionsphilosophie" von 1827; schließlich der teleologische Beweis von 1831, dessen Darlegung an Begriffe gebunden ist, die, sobald ausführlich geklärt, neu formuliert werden können als weitere Möglichkeiten, den ontologischen Beweis zu definieren. Somit würde sich der teleologische Beweis als ein ontologischer Beweis enthüllen, wenn auch nur unter einem ganz bestimmten Gesichtspunkt.
„Anerkennung im Kampfe". Zu Hegels Jenaer Theorie der Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften. — In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie. Stuttgart. 77 (1991), 493—507. MENKE, CHRISTOPH:
Die modernitätstheoretische Kritik an der Französischen Revolution wendet sich in H.s Jenaer Jahren gegen die falsche Festlegung des gesellschaftlichen Ortes der Politik. Dem Anspruch der Revolution nach ist die Sphäre des Politischen ohne Begrenzung, was bedeutet, „daß die Gesellschaft als ganze politisch regiert, daß sie als ganze politisch integriert werden könne". Die Ständelehre, H.s Lehre von der Differenzierung moderner Gesellschaften, steht diesem Anspruch entgegen. Die Ständelehre des Naturrechtsaufsatzes und das, was H. die „Tragödie im Sittlichen" nennt, setzt die Unterschiede der Stände voraus. In H.s Theorie des Kampfes um Anerkennung unterscheidet Verf. die gesellschaftsdifferenzierenden Aspekte. Gegen die „normative Anthropologie", die im Naturrechtsaufsatz den Vorrang des Sittlichen beweisen soll, behauptet das System der Sittlichkeit eine „sozialphilosophische" Notwendigkeit der Sittlichkeit. Der Kampf nötigt die Sphären der bürgerlichen Gesellschaft, in die Sittlichkeit hinüberzuschreiten. In der Sphäre der Sittlichkeit herrscht ein Antagonismus zwischen dem Gemeinwesen und der individuellen Freiheit. In ihren jeweiligen Sphärenkämp-
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BIBLIOGRAPHIE
fen, die intern nicht zu lösen sind, verweisen bürgerliche Gesellschaft und sittlicher Lebenszusammenhang aufeinander und sind miteinander verknüpft.
Zur inhaltlichen Bedeutung des Hegelschen , Schemas der Naturphilosophie' in den Epikurstudien des jungen Marx. — In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie. Berlin. 39 (1991), 321—326. MIELKE, DIETMAR:
Am Ende des fünften Heftes von Marx' Epikurstudien findet sich ein .Schema der Naturphilosophie' H.s, das Marx offenbar als erster Leitfaden für seine geplante Doktordissertation diente, in der er Epikurs und Aristoteles' Philosophie vergleicht. Im Zug seines kritischen Aristoteles-Studiums erkennt dann Marx, daß das durch H. bereitgesteUte begriffliche Instrumentarium seinen Zielsetzungen nicht mehr entspricht, so daß das .Schema' keine weitere konstitutive Berücksichtigung in Marx' Theorie findet.
Historica. Dal pensiero del Novecento ai „Topici" di Aristotele con e oltre Eric Weil [Historica. Vom Denken des zwanzigsten Jahrhunderts zu Aristoteles' Topica mit Eric Weü und über ihn hinaus]. Ancona, Bologna 1991. 37—75, 91—97. MORRESI, RUGGERO:
Verf. behandelt Weils Auseinandersetzung mit H.s Rechtsphilosophie und entwickelt Wells System ausgehend von dem berühmten Dictum aus der Rechtsphilosophie: „was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig", ln einem zweiten Teil des Buches behandelt Verf. H.s und Weils Interpretation der aristotelischen Logik.
N. V.: Zacem nuzen Gegel' (K voprosu o tolkovanii Chaideggerom gegelevskoj filosofü) [Why Hegel? (Towards Heidegger's Interpretation of Hegel's Philosophy)]. — In: Filosofija Martina Chaideggera i sovremennost' [Die Philosophie Martin Heideggers und die Gegenwart]. Moskau 1991. 161 — 166. MOTROSILOVA,
Thesen zur Frage, was für Heideggers Philosophie die Auseinandersetzung mit H. bedeutet. Die Zuwendung Heideggers zur H.sehen Philosophie geschieht auf dem Wege einer Überwindung des Transzendentalismus Husserls und der Untersuchung des geschichtlichen Lebens.
Hegels Verarbeitung des Wesens des Platonismus. [Griechisch.] — In: J.-L. Vieillard-Baron: G. W. F. Hegels Vorlesungen über Platon (1825—1826). [Griechisch.] Übersetzung Anna Kelessidou. Vorwort E. Moutsopoulos. Athen 1991. 9—11.
MOUTSOPOULOS, EVANGHELOS:
H. hat durch seine originellen Beiträge die Interpretation früherer Philosophien bereichert und oft verstellt, wie auch seine Vorlesungen über Platon zeigen. Da aber die Bedeutung des Platonismus immer mehr anerkannt wird, wird auch H.s Interpretation des Platonismus immer wichtiger, und deswegen soll sie unter methodisch-hermeneutischem Aspekt genau bewertet werden.
Abhandlungen zur Hegel-Forschung 1991 — 1992
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Der Begriff des Seins bei Hegel und Heidegger. — In: Prima Philosophia. Cuxhaven. 4 (1991), 439—455. NEUSER, WOLFGANG:
Verf. konfrontiert die Konzeption der H,sehen Logik als einer ,Letztbegründung' anstrebenden Philosophie mit der von Heidegger initiierten neuen, ,hermeneutischen' Logik. Während H, noch von einem identischen Grund her die Logizität des Seienden aufweisen zu können vermeint, zeigt sich Heidegger der Grund (das „Sein" oder „Seyn") als ein offener und unbestimmbarer. Dies bedingt im Falle Heideggers nicht nur eine neue, eigentümliche Sprache; es hat überdies die Aufgabe eines argumentierenden Philosophierens zur Folge. „Stolpern und Fallen auf dem Weg zum Sein ist angesagt. Stammeln und Dichten ist das Tun solcher Philosophie."
Trendelenburg critico di Hegel [Trendelenburg als Kritiker Hegels]. — In: La Cultura. Roma. 30 (1992), 393—404. PARASPORO,
LEONE:
Der Aufsatz gibt einen Kommentar der Kritik Trendelenburgs an H.s Logik in den Logischen Untersuchungen aus Anlaß der ersten vollständigen italienischen Übersetzung des dritten Kapitels, „Die dialektische Methode" (F. A. Trendelenburg: II metodo dialettico. Übers, von Marco Morselli. Napoli 1990).
Hegel on causality: toward an understanding of the absolute relation. — In: Idealistic Studies. Worcester, Mass. 22 (1992), 179-188. PATEY, DOUGLAS LANE:
H.s Kausalitätsbegriff ist bisher wenig untersucht worden. Über das Kausalverhältnis handelt H. in der Wissenschaft der Logik innerhalb des Abschnitts über die absolute Beziehung. Das Kausalverhältnis begreift H. als eine notwendige Beziehung. Diese Auffassung unterscheidet sich grundlegend von der Humes. Dessen Standpunkt berücksichtigt H. aber insofern, als er das Kausalverhältnis von einer leeren analytischen Beziehung abgrenzt. Die Notwendigkeit des Kausalverhältnisses ist eine solche, in der durch die Selbstnegation der notwendigen Beziehung Bestimmtheit und damit Kontingenz in die Kausalbeziehung aufgenommen wird. Verf. stellt heraus, daß H. mit dieser Konzeption nicht den empirisch beobachtbaren Übergang von der Ursache zur Wirkung erklären kann. Im Grunde greife H. ein altes Problem auf, nämlich das Verhältnis zwischen Substanz und Akzidenzien, von Notwendigkeit und Zufälligkeit, welches beides er dialektisch zu vermitteln sucht.
The search for unity in Hegel and Coleridge: I. Alienation and fhe logocenfric response. II. The ,otherness' of God. III. A different Logos. — In: The Heythrop Journal. Oxford. 32 (1991), 1-25, 192-215, 340-354. PERKINS,
MARY ANNE:
Verf. arbeitet in ihrem breit angelegten Text Übereinstimmungen und Differenzen in den logikorientierten philosophischen Ansätzen von H. und Coleridge heraus. Sie argumentiert dabei 1., daß das Logos-Piinzip den Kern beider philosophischer Systeme ausmacht, wenn diese einen Weg aus den Dichotomien suchen, welche die Philosophie und Religion ihrer Zeit bestimmen. Das Logos-Prinzip macht für beide den Fokus bei der Suche nach einem einheitlichen System aus. 2. wird dargestellt, daß es fundamentale Unterschiede im Verständnis des Logos bei den beiden Autoren gibt, die sich in allen Teilgebieten ihres Denkens zeigen. 3. folgt die Darstellung der weitreichenden und bedeutsamen Folgen, welche die dargestellten Differenzen für die jeweilige Philosophie und für das jeweils differenzierte Verständnis des Christentums haben.
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BIBLIOGRAPHIE
Sprache bei Hegel und Derrida. — In: Mesotes. Wien. Jg. 1991, H. 2, 34- 40. PHILIPSEN, PETER-ULRICH;
Ausgehend von der Beobachtung, daß H.s Texte die „ständige Kontrastfolie der Lektüre Derridas" abgeben, und daß Derrida dem Begriff der Sprache und des Zeichens eine zentrale Stelle im H. sehen System beimißt, verfolgt Verf. das phonozentrische Motiv der H. sehen Sprachtheorie. Hingewiesen wird auf die Bedeutung des „ätherischen Charakters" der gesprochenen Sprache bei H., die eine Privilegierung der Sprache gegenüber der Schrift begründet und umgekehrt Derridas Phonozentrismus-Vorwurf gegenüber H. provoziert hat. Verf. stimmt der Phonozentrismus-Kritik Derridas zu, vermißt jedoch eine Unterscheidung der verschiedenen schriftlichen Medien nach ihrer Spezifik.
Idealism and agency in Kant and Hegel. — In: The Journal of Philosophy. New York. 88 (1991), 532—541. PIPPIN, ROBERT B.:
Verf. untersucht die unterschiedlichen systematischen Grundansätze Kants und H.s, insbesondere im Hinblick auf die daraus resultierenden unterschiedlichen Konzeptionen des moralischen Handelns. Wesentlich für H.s Kritik an der Kantischen Moralphilosophie ist die Überwindung der Dichotomie zwischen der Welt der Erscheinung und der intelligiblen Welt, welche bei H. nicht mehr unvermittelt nebeneinander stehen, sondern mittels derselben begrifflichen Schemata aufgefaßt werden.
Majeste de l'Etat et dignite de la personne selon Hegel. — In: L'evolution de la philosophie du droit en Allemagne et en France depuis la fin de la seconde guerre mondiale. Paris 1991. 7—28. PLANTY-BONJOUR, GUY:
Vor dem Hintergrund der gänzlich divergierenden Auslegungen der politischen Philosophie H.s als liberal, revolutionär, reaktionär oder staatsverherrlichend fragt Verf. nach der Aktualität dieser Philosophie. H.s Ablehnung der Vertragstheorie des Staates steht in einem fundamentalen Gegensatz zu unserem Politikverständnis. H.s Kritik an den liberalen Konzepten macht deren Mängel und Einseitigkeiten deutlich. Vertragstheorie und das Projekt eines „Ewigen Friedens" gehören der Epoche Kants an. Für H. ist es unmöglich, die per Definition divergierenden Interessen der Staaten zu eliminieren — hier hat H.s Deutung des Krieges ihre Wurzel. Auch die Angriffe gegen H. als „penseur absolutiste" sind letztlich unhaltbar: „TEtat hegelien est le state ultime de Taccomplissement et de la realisation de la personne".
Dialektik als Letztbegründung bei Hegel. — In: Zeitschrift für philosophische Forschung. Frankfurt/M. 46 (1992), 591-599. PLEINES, JüRGEN-ECKARDT:
H. grenzt sich in seinen eigenen systematischen Bestrebungen von jenen rationalen Deduktionsverfahren ab (u. a. von K. L. Reinhold), die in einer formalistischen Manier alle metaphysischen Probleme mit einer universalen Methode abschließend beurteilen wollen. Er akzeptiert aber auch nicht die auf empirischer Grundlage vorgehende Begründung philosophischer Erkenntnis, die sich auf Tatsachen des Bewußtseins beruft. H. weiß sich in seiner Kritik, die sich gegen einen vulgären Kantianismus erkenntnistheoretischer Prägung richtet, mit Goethe, Schelling, Novalis u. a. einig. Indem er „den Verfahrensweisen des Verstandes und dessen Logik ebenso mißtraute wie den selbstentworfenen Ideen des Bewußtseins und deren regulativen Funktionen", also — ähnlich wie später Husserl — in kritische Distanz zur
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modernen Wissenschaft und deren reduziertem Wahrheitsverständnis geht, ist seine Philosophie im modernen Sinn als ,Letztbegründung' zu verstehen.
Geschichtsphilosophie ohne Dogma. — In: Hegel-Studien. Bonn. 27 (1992), 178-184. PöGGELER, OTTO:
William Henry Walsh, 1913—1986: in memoriam. — In: Hegel-Studien. Bonn. 27 (1992), 184-187. PoMPA, LEON:
In cerca di un ethos della modernitä. Politica, statualitä, morale nello Hegel jenese [Auf der Suche nach einem Ethos der Moderne. Politik, Staatlichkeit, Moral beim Jenaer Hegel]. — In: Verifiche. Trento. 21 (1992), 111-145. PRETEROSSI, GEMINELLO:
Verf. untersucht zunächst das Kapitel der Phänomenologie über den Geist, auf der Suche nach institutionellen Gestalten der Sittlichkeit; dabei wird die Frage nach der Absolutheit bzw. Geschichtlichkeit des Staates (sowie der familiären Verhältnisse und der gesellschaftlichen Organisation) hinsichtlich der späteren Berliner Entwicklungen gesteht. Auf diesem Hintergrund wird auch die sog. Realphilosophie II und besonders der Teil über , Constitution' behandelt, welcher als eine Philosophie der Staatsgeschichte präsentiert wird, mit besonderer Berücksichtigung von Themen wie Herrschaft und Gefolgschaft, Gewalt und Gesetz, subjektive Freiheit und Ethos, Um das Ethos der Politik zu problematisieren, sind die Themen der Freiheit und der Macht von zentraler Bedeutung, was auch ein neues Licht auf H.s Behandlung der französischen Revolution in der Phänomenologie wirft, sowie auf die Spaltung, die dabei zwischen Sittlichkeit und Moralität aufgrund der Zentralstellung der Subjektivität entsteht.
G.: Das Einteilungsproblem in Hegels Wissenschaft der Logik. — In: Perspektiven der Philosophie. Amsterdam, Atlanta/Ga. 17 (1991), 161-178. RICHTER, LEONHARD
Daß der Aufbau der Wissenschaft der Logik durch zwei einander überlagernde Einteilungen bestimmt ist, gehört zum Kenntnisstand der H.-Forschung, ln der Zweiteilung reflektiert sich die Ansatzproblematik des absoluten Idealismus, die H. in der Wissenschaft der Logik restlos aufholen will. Es gilt zu beachten, daß der Gegensatz auf der Seite der objektiven Logik von ,Sein' und ,Wesen' nicht von derselben Art ist wie der Selbstgegensatz der Vernunft oder des Begriffs von objektiver und subjektiver Logik.
Hegel, Marx, Nietzsche and the future of self-alienation. — In: American Philosophical Quarterly. Bowling Green, Ohio. 28 (1991), 125-135. SCHACHT, RICHARD:
Gegenüber Fukuyamas hegelianisierender These vom Ende der Geschichte versucht Verf., den Begriff der Selbstentfremdung als kritisches Konzept zu verteidigen. Anhand von Hegel, Marx und Nietzsche stellt er die Frage nach einer normativen philosophischen Anthropologie, die die Zukunft erst noch zu verwirklichender Möglichkeiten offenhält. In diesem Sinn gehören H., Marx und Nietzsche nicht in die Archive der Geschichte der Philosophie,
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BIBLIOGRAPHIE
sondern sie tragen weiterhin dazu bei, philosophische Untersuchungen zu beleben wie zu bereichern.
Die Ambivalenz einer Neophilosophie. Zu Joseph Köhlers Neuhegelianismus. — ln: Deutsche Rechts- und Sozialphilosophie um 1900. Hrsg, von G. Sprenger in Verbindung mit K. Gramer, R. Dreier und W. Maihofer. Stuttgart 1991. (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie. Beiheft 43.) 47—65. SCHILD, WOLFGANG:
Es ist das Spezifikum von Neophilosophien, daß sie nur einige Inhalte der Philosophie akzeptieren, an die sie anknüpfen, andere aber als veraltet beiseite legen; damit laufen die Neo-Bewegungen grundsätzlich Gefahr, hinter das Niveau der alten Philosophie zurückzufallen. Das Ungenügen der zeitgenössischen (Rechts-)Philosophien (Historismus, Positivismus, Neukantianismus, Naturrechtslehren) macht für J. Köhler die Rückkehr zur Philosophie H.s notwendig. Mit der Geschichtlichkeit als zentraler Kategorie erfüllt H. eine Grundanforderung: Geschichtsphilosophie, Rechtsphilosophie und Metaphysik treten hier als Einheit auf und machen so erst eine (Be-)Wertung des Rechts möglich. Der Begriff der „Entwicklung" ist die „ungeheuere Tat" H.s. Köhlers Unverständnis gegenüber der H.sehen Logik reduziert den Entwicklungsgedanken und die Metaphysik auf einen Pantheismus. Die Aufnahme von H.s Philosophie erweist sich als Rückschritt: Der Gedanke der Entwicklung und des Fortschritts der Kultur wird nur als solcher übernommen, „als metaphysischer Prozeß, der das letzte Ziel der Entwicklung in der Menschheit angibt. In der Welt der Erscheinungen dieses Metaphysischen . . . gibt es weder eine lineare noch eine Dreitakt-Entwicklung, sondern eine unlogische, zufällige Mannigfaltigkeit."
Menschenrechtsethos und Weltgeist. Eine Hegelinterpretation. — ln: Würde und Recht des Menschen. Festschrift für Johannes Schwartländer zum 70. Geburtstag. Hrsg. v. H. Bielefeldt, W. Brugger, K. Dicke. Würzburg 1992. 199—222. SCHILD,
WOLFGANG:
H.s Idee des Staates knüpft eine Verbindung zwischen Staat, Weltgeschichte und Weltgeist. Muß daher nicht „die Wirklichkeit der sittlichen Idee" über den „individuellen Staat hinausgedacht werden, als Weltstaat?" Verf. entfaltet (I) die Idee des Staates, um sie mit „der Idee der Menschenrechte in Beziehung zu setzen" (II). Der Verstandesstaat der bürgerlichen Gesellschaft ist dem sittlich substantiellen und politischen Staat nicht untergeordnet, sondern dieser bezieht sich auf den Verstandesstaat und nimmt ihn in sich auf. Die von H. behauptete Identität von Volksgeist und Staatsverfassung ist von ihm nicht begründet worden — und läßt sich auch nicht begründen. Die Welt heute ist eine einheitliche bürgerliche Gesellschaft geworden: Das System der Bedürfnisse umfaßt die gesamte Welt, und auch von einem „Welt-Rechtspflegestaat" als einer juristischen Einheit kann heute gesprochen werden. Nur die sittliche Weltstaatsverfassung, die politische Organisation des Weltstaates als Organismus der Freiheit ist nicht gegeben: „Es ist auch fraglich, ob sie vernünfhg wäre" — denn gefordert ist allein „das Erkennen und Wollen der Einheit des Menschengeschlechts, von der her auch die eigene Besonderheit als individueller Staat zu verstehen wäre".
Menschenrechte als Fundament einer Weltverfassung. — In: Menschenrechte und kulturelle Identität. Hrsg, von W. Kerber. München 1991. 165—194. SCHILD,
WOLFGANG:
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Die gegenwärtige politische Welt versteht Verf. nach Maßgabe der H. sehen Rechtsphilosophie als „äußerlichen Staat", als „äußeren Not- und Verstandesstaat". Freilich sieht er die Entwicklung auf „den eigentlichen, substantiellen, politischen, lebendigen Staat" abzielen und begreift die Unterstützung dieser Entwicklung als Aufgabe der Philosophie. Seine Behauptung ist: „Die Welt als eine so gelebte Staatlichkeit wäre für H. die volle Verwirklichung der Idee des Staates selbst." Die folgende Untersuchung stellt 1. die klassische Theorie der Menschenrechte, 2. die Untauglichkeit dieser Theorie für die eingangs formulierte Aufgabe dar. 3. entwickelt Verf. auf der Grundlage der H.sehen Philosophie eine „besser begründete Lehre der Menschenrechte" und untersucht 4. das Problem der Universalisierbarkeit. 5. schließt ein Ausblick auf „die politische Staatsverfassung der Welt" den Text ab.
Züge der Hegelschen Rechtsphilosophie in der Theorie von Rawls. — In: Hegel-Studien. Bonn. 27 (1992), 77—110. SCHWARZENBACH, SIBYL:
Verfassung, Grundrechte und soziales Wohl in Hegels Philosophie des Rechts. — In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie. Beiheft 44. Hrsg. v. R. Alexy, R. Dreier, U. Neumann. Stuttgart 1991. 361-375. SiEP, LUDWIG:
Vor dem Hintergrund der wiedererwachten Auseinandersetzung um den Liberalismus oder Romantizismus in H.s Rechtsphilosophie betont Verf. H.s prinzipielle Zugehörigkeit zu der Tradition des europäischen Naturrechts und den Verfassungsfragen seiner Zeit: Verfassungsänderungen, Grundrechte und soziale Wohlfahrt des Einzelnen werden zur Diskussion gestellt. H. betont den engen Zusammenhang von Verfassung und Volksgeist; der weite Verfassungsbegriff als „Organisation" und „Prozeß" der gesellschaftlichen und staatlichen Funktionen in den frühen Jenaer Arbeiten führt in den Heidelberger und Berliner Schriften zur Unterscheidung zwischen „politischer Verfassung" und „Verfassung im Besonderen" (Polizei). Kodifizierung von Rechtsverfassungen ist für H. keine Schöpfung, sondern bewußte Formulierung „der schon latent vorhandenen Rechtsverfassungen". Was kann sich aber noch ändern in einer solchen Verfassung? Die Grundrechte etwa sind für H. keine althergebrachten vorstaatlichen Rechte, sondern vom gewalthabenden allgemeinen Willen des Staates untrennbar; als „organische Verfassungsbestimmung" sind sie von den „eigentlichen Gesetzen" nicht prinzipiell getrennt. In der Frage der sozialen Sicherung der Existenz macht H. die von Kant durchgeführte Trennung von Recht und Wohl wieder rückgängig. „Glückseligkeit" als „reflektierte" Lebensform ist für H. eine vernünftige Form des verallgemeinerbaren freien Willens, ein „Recht" des Individuums. Die Verteidigung dieser Rechte, der Schutz des einzelnen vor der Übermacht des Staates ist für H.s Konzeption des Staates sekundär.
Hegels Staat und die gegenwärtige Theorie. [Griechisch.] — In: To Bema ton Koinonikon Epistemon. Athen. 2 (1992), H. 7, 57-111. TERLEXES, PANTAZES:
Die Unterscheidung von Privatgesellschaft und Staat, ein Grundprinzip demokratischer Gesellschaftsorganisation, bildet den Kern der politischen Philosophie H.s. Dadurch vermeidet H. den Fehler des Liberalismus, die Entgegensetzung von Staat und Individuum, und betont das dialektische Verhältnis zwischen dem Individuellen und dem Gemeinschaftlichen. H. hat recht, wenn er den Staat als die rationale Macht bestimmt, die die Gesellschaft aus dem tödlichen Antagonismus der Interessen retten kann. H.s Fehler sind die Unter-
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BIBLIOGRAPHIE
Schätzung der sozialen Klasse und die Überschätzung der positiven Rolle des allgemeinen Standes, die angeblich zur Harmonisierung des sozialen Lebens führe. Obwohl die Kritik an H. in vielerlei Hinsicht berechtigt ist, ist es ein gravierender Fehler, H. als Reaktionär zu markieren und seine politische Philosophie pauschal zu verwerfen. Diese stellt den Übergang vom Untertanen zum bewußten Bürger dar und ist von den Prinzipien der Modernität und Liberalität durchdrungen. Wenn H. Bedenken gegenüber der Demokratie äußert, drückt er nur seine Befürchtung aus, die grenzenlose Macht der politischen Freiheit könnte den ganzen Staat unter ihre Kontrolle stellen.
Stunde des Spotts. Die Beichte des Revolutionärs. [Polnisch]. — In: Res Publica. Warszawa. 40 (1991), H. 2, 86—88. TISCHNER, JöZEF:
Im Kapitel „Das Gewissen" von H.s Phänomenologie des Geistes sucht Verf. die RoUe des Spotts zu ermitteln. Der Spott erscheint zusammen mit der Zerrissenheit des Geistes, die sich in der Rede ausdrückt. Die Rede ermöglicht nicht nur den Spott, sondern sie macht ihn dauerhaft und gemeinschaftlich. Verf. stellt die Folgen dieser Situation im gemeinschaftlichen Leben dar.
Einleitung des Übersetzers. [Griechisch.] — In: G. W. F. Hegel: Die Wissenschaft der Logik (aus der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, §§1—244). [Griechisch.] Einleitung, Übersetzung, Anmerkungen Giannes Tzabaras. Athen, Jannina 1991. 9—49. TZABARAS,
GIANNES:
H.s Logik ist eine Ontologie im Sinne Kants, da sie Kritik der traditionellen Metaphysik und Versuch zur Begründung einer neuen metaphysischen Auffassung ist. H. unternimmt es, wie die großen Ontologen, die Spaltung in Phänomena und Noumena zu überwinden. Seine neue ontologische Auffassung ergibt sich aus dem Verhältnis von Totalität und System, aus der Betrachtung der Dialektik als Gang der Dinge und des Begriffs zur absoluten Idee, und aus der Auffassung von der Wahrheit als der Identität von Denken und Sein, die in der vollständigen Entfaltung des Begriffs sich ausdrückt. Die Struktur des H.sehen Systems und insbesondere der Logik zeigt, daß H. durch die Synthesis der Gegensätze sowohl die synthetische Einheit als auch die Verschiedenheit der Gegensätze rechtfertigen kann. Nach dieser systematischen Exposition folgen Informationen über H.s sogenannte „kleine Logik" und deren neugriechischen Übersetzungen. Die vorliegende Übersetzung ist die zweite (die erste ist diejenige von Paulos Gratsiatos, Athen 1915). Am Ende steht eine Bibliographie in Auswahl.
Schelling e la riforma della dialettica hegeliana in Werder, Fischer e Spaventa [Schelling und die Reform der Hegelschen Dialektik bei Werder, Fischer und Spaventa]. — In: II Pensiero. Roma. N. S. 31 (1991), 33-72. TUOZZOLO, CLAUDIO:
Der späte Schelling meint, daß der dialektische Prozeß in H.s Logik fiktiv und das Prinzip dieser Fiktion die Subjektivität des Philosophen ist. Diese Kritik hat auf die Reform der H.sehen Logik von Werder, Fischer und Spaventa eingewirkt in dem Sinne, daß sie die absolute Subjektivität an den Anfang der Logik gestellt und dementsprechend die ersten Kategorien der Logik modifiziert haben. Der Widersprüchlichkeit dieser Deutung im Rahmen der H.sehen Auffassung der Logik sind sie sich aber nicht ganz bewußt geworden.
Abhandlungen zur Hegel-Forschung 1991 — 1992
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La teoria hegeliana dell'autocoscienza e della sua razionalitä [Die Hegelsche Theorie des Selbstbewußtseins und ihre Rationalität], — In: Giornale Critico della Filosofia italiana. Firenze. 70 (1991), 35-75. VARNIER, GIUSEPPE:
Verf. versucht eine neue Interpretation des Problems der H.sehen Selbstbewußtseins-Theorie zu geben. Er geht aus von diesem Begriff in H.s Jenaer Zeit bis zur Wissenschaft der Logik und Enzyklopädie. In seiner Untersuchung vergleicht Verf. seine Forschungen mit jüngsten Versuchen, die Rolle des Selbstbewußtseins bei H. transzendental zu deuten.
Vico's road and Hegel's owl as historiographies of Renaissance philosophy. — In: Clio. Kenosha, Wisc. 21 (1992), 329-343. VERENE, DONALD PHILIPP:
Vico konstruiert den Geschichtsverlauf durch die Bilder eines zyklischen Verlaufs, die corsi und ricorsi, die eine ewige Geschichte in der Zeit reproduzieren. Hier ergeben sich Vergleichspunkte zu H.s Geschichtsdenken, obwohl H. Vico nie nennt und wohl auch nicht gelesen hat. Im Gegensatz zu H., der die lateinische Philosophie und dementsprechend auch die Renaissancephilosophie in seiner Philosophiegeschichtsschreibung überging, geht Vico auf die lateinische Philosophie zurück und liest die griechische durch die lateinische.
E. de Negri (1909—1990). Die Kritisierbarkeit Hegels. — In: Hegel-Studien. Bonn. 27 (1992), 157-159.
VERRA, VALERIO:
Hegels Vorlesungen über Platon (1825—1826). [Grieebiseb.] Übersetzung Anna Kelessidou. Vorwort E. Moutsopoulos. Athen: Akademie der Wissenschaften (Zentrum für die Erforschung der Griechischen Philosophie) 1991. 21—74: Vorwort — Einleitung. [Griechisch. ] VIEILLARD-BARON,
JEAN-LOUIS:
Verf. untersucht folgende Themen: Die Bedeutung von H.s Auffassung von der Geschichfe der Philosophie für das Verständnis seiner Vorlesungen über Platon, H.s Kenntnis und Interpretation der Philosophie Platons, die H.sche Darstellung und Interpretation der Philosophie Platons in den Vorlesungen der Zeit 1825—1826, und den Text der Nachschrift von Griesheim.
ist undeutsch, bloß deutsch zu sein." Zur Aktualität des universalistischen Denkens bei Hegel. — In: Universalismus, Nationalismus und die neue Einheit der Deutschen. Philosophen und die Politik. Hrsg. V. P. Braitling und W. Reese-Schäfer. Erankfurt a. M. 1991. 55-70.
ViEWEG, KLAUS: „ES
Vor dem Hintergrund der deutschen Vereinigung zeichnet Verf. H.s Argumente für einen geschichtsphilosophischen Universalismus nach. Die Vermittlung des Prinzips Subjektivität in deutsche, europäische und weltbürgerliche Dimensionen zu denken und die verschiedenen Ebenen zu vermitteln macht die Aktualität H.s aus. Mit dieser Vermittlungsleistung
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BIBLIOGRAPHIE
geht H.s Votum für die Nation und den Nationalstaat und gegen alle Nationalismen, Deutschtümelei und Teutonismus einher.
E.: O Gegele (Issledovanie carodeistva) [Über Hegel (Untersuchung eines Zauberers)]. — In: A0F02. Leningradskie mezdunarodnye ctenija po filosofii kultury. Kniga 1: Rasum, duchovnost', tradicii [Logos. Internationale Lesungen über Kulturphilosophie in Leningrad. Heft 1: Vernunft, Geistigkeit, Traditionen]. Leningrad 1991. 78-88. [VöGELIN] FEGELIN,
Übersetzung eines Aufsatzes von E. Vögelin (die Quelle ist nicht angegeben). Hrsg, von T. Goriceva.
Zum Hegelverständnis Hermann Hellers. — In: Hegel-Studien. Bonn. 27 (1992), 111-129.
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Philosophy of history and social theory in Hegel. — In: Hegel-Studien. Bonn. 27 (1992), 163—178. WALSH, WILLIAM HENRY:
Hegel and the search for epistemological criteria. — In: Idealistic Studies. Worcester, Mass. 22 (1992), 189—202. WARD, ANDREW:
Verf. untersucht die Frage der epistemologischen Kriterien bei H., welche die Wissenschaftlichkeit der Philosophie garantieren sollen, am Beispiel der Phänomenologie des Geistes. Da H. nicht von einer instrumentellen Vernunft ausgeht, können weder apriorische Analysen der Erkenntnis im Sinne Kants noch die a posteriori gegebenen Erkenntnisinhalte die wissenschaftliche Struktur der Philosophie ausmachen, sondern allein die dialektische Selbstprüfung der Erfahrung des Bewußtseins vermag die Philosophie als Wissenschaft ohne Rückgriff auf metaphysische Prämissen zu etablieren.
Bonaparte et Hegel en 1802. — In: Bulletin du Centre d'Etudes Hegeliennes et Dialectiques. 58 (1991), 1—11.
WASZEK, NORBERT:
Der Aufsatz rückt ein frühes Exzerpt H.s über Napoleon (das in GW 5 erscheinen soll) in den Kontext der Entwicklung seiner religionsphilosophischen und politischen Überzeugungen. Schon damals, also noch vor der Proklamation des ,Code civiV erscheint Napoleon als Garant der religiösen und sozialpolitischen Freiheiten, die der moderne Staat gewährt.
Eduard Gans. La tentation parisienne d'un hegelien juif de Berlin. — In: Hegel-Jahrbuch 1992. Bochum 1992. 31—39. WASZEK, NORBERT:
Die französische Option des Hegelianers Eduard Gans (1797—1839) wird anhand von Beispielen (insbesondere seiner Saint-Simon-Rezeption) dargestellt und nach ihren Ursachen befragt. Letztlich wird diese Option in den Kontext seiner eigenwilligen Synthese von Hegelianismus und „Wissenschaft des Judentums" gerückt, die ihrerseits H.s Stellung zur Emanzipation der Juden erhellen kann.
Abhandlungen zur Hegel-Forschung / Nachträge 1989—1990
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Verfassung und Freiheit. Von Hegel zu Gans. — In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie. Stuttgart. 78 (1992), 460-471. WASZEK, NORBERT:
Der Aufsatz geht den Konsequenzen von H.s geschichtsphilosophischer Lehre vom „Fortschritt des Bewußtseins der Freiheit" für die Verfassungsfrage nach. H.s eigene Position in dieser Sache wird mit derjenigen seines Schülers Eduard Gans verglichen, der gezwungen war, H.sche Lösungsansätze auf einen veränderten historischen Kontext anzuwenden.
E.: Hegel's Phenomenology of Spirit: „The Science of the Umkehrung of Consciousness". In: Clio. Kenosha, Wisc. 21 (1992), 381-399.
WEINER, SCOTT
Verf. untersucht die Bedeutung von H.s Begriff der „Umkehrung" in der Phänomenologie des Geistes und versucht, die verschiedenen Bedeutungsvarianten auf die Grundtypen „conversion", „inversion" und „reversal" zurückzuführen. Des weiteren zeigt Verf. auf, daß und inwiefern die Struktur der Phänomenologie selbst durch die unterschiedlichen „Typen" der Umkehrung maßgeblich geprägt ist.
William Desmond's humpty dumpty Hegelianism. — In: Clio. Kenosha, Wisc. 20 (1991), 353-370. WESTPHAL, MEROLD:
Desmonds „metaxological realism" will eine Alternative zu H.s Dialektik entwickeln. Das Anliegen Desmonds hat zahlreiche Affinitäten zu Gadamers und Habermas' Kritik der H.sehen Dialektik — zeigt aber auch einen gravierenden Mangel: das Fehlen des Dialogischen. Die Wurzlen dieses Mangels liegen für den Verf. im Kontrast zwischen Judentum und Griechentum. Sind für das letztere die Kategorien des Seins und Wissens vorrangig, so beginnt das hebräische Denken mit Person und Verantwortung. Kierkegaard, Habermas, Gadamer und Levinas setzen diesen ethischen Personalismus voraus, während H., Husserl und Heidegger bei der griechischen Voraussetzung ansetzen. Ist Desmond bei allen Differenzen zu H. ebenfalls in dieser Tradition verwurzelt? Die kritische Analyse von Philosoph^ and its Others weist den „tiefen hegelschen Antihegelianismus" Desmonds auf.
Mythologie und Mythos in der Literatur des 18. Jahrhunderts. — In: Die neomythische Kehre. Aktuelle Zugänge zum Mythischen in Wissenschaft und Kunst. Hrsg. v. H. Schrödter. Würzburg 1991. 197-219. WuTHENOW, RALF-RAINER:
Verf. fragt — neben Vico, K. Ph. Moritz und F. Schlegel — am Beispiel des H.sehen sog. Ältesten Systemprogramms des deutschen Idealismus nach dem Verhältnis von Mythologischem und Ästhetischem im ausgehenden 18. Jahrhundert.
Nachträge aus den Berichtszeiträumen 1989—1990 Hegel nel pensiero giuridico-politico spagnolo. Cenni storici della recezione della „Filosofia del diritto" in Spagna [Hegel im spanischen rechtswissenschaftlich-politischen Denken. Geschichtliche
AMENGUAL, GABRIEL:
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BIBLIOGRAPHIE
Hinweise zur Rezeption der „Rechtsphilosophie" in Spanien], — In: Archivio di Storia della Cultura. Napoli. 3 (1990), 375 —408. H.s Rechtsphilosophie wurde im Spanien des letzten Jahrhunderts auch dank der französischen und italienischen Vermittlung besonders von liberalen und republikanisch gesinnten Intellektuellen in einem pragmatisch-politischen Rahmen rezipiert. Verf. untersucht Verdienste und Grenzen der Auseinandersetzung mit H. in einem hauptsächlich vom Krausismus bestimmten philosophisch-politischen KHma, die Ausbreitung der H.sehen Philosophie sowie ihre wichtigsten Repräsentanten (etwa Pi i Margall, Castelar, Fabie y Escudero). Eher philosophisch orientiert war dagegen die Rezeption im 20. Jahrhundert, die besonders durch Denker wie Unamuno und Ortega y Gasset geprägt wurde. Zum Schluß stellt Verf. die aktuelle spanische Forschung über den politischen Hegel dar.
Inferno: Dante, Hegel, Marx. Über Utopie, Wissenschaft und negative Dialektik. — In: Denken Unterwegs. Philosophie im Kräftefeld sozialen und politischen Engagements. Festschrift für Heinz Kimmerle zu seinem 60. Geburtstag. Hrsg, von H. Oosterling und F. de Jong. Amsterdam 1990. 157—174. ARNDT, ANDREAS:
Am Beispiel ihrer Bezugnahme auf Dante versucht Verf. eine Klärung dessen, was Philosophie bei H. und Marx bedeutet. Während für den Jenaer H. das Inferno Dantes zunächst das Festhalten an der Subjektivität veranschaulicht, verwandelt H. die Philosophie seit dem Erinnerungsprozeß der Phänomenologie des Geistes zu einer Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden an der Subjektivität, die die Insassen der Hölle den Seligen gleichstellt. Im entschiedenen Gegensatz dazu findet Marx die Hölle bei den objektiven Verhältnissen, die von keiner metaphysischen Gewißheit mehr getragen werden. Die Erkenntnis der Wirklichkeit wäre so nicht die Aufhebung der Utopie als erfülltes Begehren wie bei H., sondern nur die Ankündigung von Negation und Krisen, innerhalb deren es unentschieden bleibt, welchen Möglichkeitsspielraum sie eröffnen.
Das Tragische, die Tragödie und der Philosoph. [Griechisch.] 2. Aufl. Athen 1990. 14—51: G. W. F. Hegel. BAKONIKOLA-GEORGOPOULOU, CHARA:
H.s Auffassung des Tragischen ist grundsätzlich mit seinem Weltbild verbunden, das den Dualismus von Jenseits und Diesseits aufhebt und uns den semantischen Schlüssel liefert, um auch die rein ästhetische Dimension des Tragischen, die tragische Dichtung, zu verstehen. Für die phänomenologische Betrachtung H.s befindet sich die Tragödie unterwegs zur Vereinheitlichung mit dem Schicksal und erreicht eine scheinbare Lösung. Für die ästhetische Betrachtung H.s hat das Kunstwerk keine Möglichkeit, unser Bedürfnis nach dem Absoluten zu befriedigen. Die zwei Betrachtungen sind nicht widersprüchlich, da für H. die Philosophie die tragische Erkenntnis braucht, sie nimmt diese als Ausgangspunkt, um diese dann zu überwinden. Deshalb siegt nicht der Widerspruch der tragischen Handlung, sondern die Harmonie des Geistes. Die Tragödie stellt das Tragische dar, um es sogleich aus der Welt zu bannen und dadurch den Weg für die Manifestation der Vernunft frei zu machen.
Democracy, Nation and History. On HegeTs evaluations of the historical role of 18th Century France. — In: Denken unterwegs. . . . Hrsg, von H. Oosterling und F. de Jong. Amsterdam 1990. 145—155. BAL, KAROL:
Abhandlungen zur Hegel-Forschung / Nachträge 1989—1990
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Verf. analysiert H.s Sicht der Französischen Revolution im Blick auf seine Konzeption der bürgerlichen Gesellschaft. Dabei geht es ihm wesentlich um die Frage der Haltung H.s zu einem „democratic System".
Infinite et omnipresence divines. Thomas d'Aquin et Hegel. — In: Giornale di Metafisica. Genova. N. S. 11 (1989), 163—190. BRITO, EMILIO:
Weder für Thomas noch für H. ist der Begriff des Unendlichen univok. Für Thomas übersteigt das quantitative Unendliche nicht die Unvollkommenheit der Materie; dagegen bedeutet die Unendlichkeit Gottes, daß seine Vollkommenheit grenzenlos ist. Entsprechend unterscheidet H. gute und schlechte Unendlichkeit. Auch in der Frage der Allgegenwart Gottes stehen sich beide Denker trotz gewisser Unterschiede nahe: Thomas schließt die Möglichkeit aus, daß Gott eine Verbindung mit etwas anderem als ihm selbst eingeht; H. weist den Pantheismus ausdrücklich zurück.
Hegel und die Französische Revolution. Die Verzichtbarkeit der Restauration und die Unverzichtbarkeit der Revolution. — In: Die Ideen von 1789 in der deutschen Rezeption. Hrsg. v. Forum für Philosophie Bad Homburg. Frankfurt/M. 1989. 156—173. BRUNKHORST, HAUKE:
Die Aporien des rationalen Naturrechts lassen H., so der Verf. im Anschluß an Ilting, die Lehre von der Moralität zwischen Staat und Naturzustand schieben. Die Grundidee der politischen Philosophie kann als „doppelte Realisierung des modernen Prinzips der Einzelheit" dargestellt werden: Zum einen realisiert sich das Subjekt in der bürgerlichen Gesellschaft als „Atomismus des Privateigentums", zum anderen gibt es sich im modernen Staat als „allgemeines Leben".
El pensiamento econömico de Hegel. Escritos recientes [Das ökonomische Denken Hegels. Neue Schriften]. — In: Diälogos. Rio Piedras, Puerto Rico. 55 (1990), 159—167. CoRDUA, CARLA:
Bericht über Genesis und Gehalt von H.s ökonomischem Denken, das in einer reichen historischen Tradition begründet ist. Verf. betont für die Gegenwart die Bedeutung der Arbeiten von J. B. Kraus, G. Lukäcs, P. Chamley, N. Waszek, H. Freyer, R. Bodei, S. Veca und S. Avineri. Kritisiert wird die Arbeit von Ver Hecke („Relations between Economics and Politics in Hegel"), weil der Autor zeige, daß die politischen Aspekte von der Ökonomie abhängig sind. Rotenstreichs Arbeit „Needs and Interdependence" ist nach Ansicht von Verf. „excellent", weil der Autor zu bestimmen versuche, wie H.s ökonomisches Denken, unter dem Einfluß der klassischen Ökonomie, in H.s philosophischem System anwesend ist. Zum Thema der Armut, hinsichtlich dessen H. immer kritisiert worden ist, zitiert Verf. Arbeiten von B. Cullen und N. Waszek, wo diese Kritik in verschiedenen Perspektiven präsent ist.
La logica di Hegel come testo filosofico [Die Logik Hegels als philosophischer Text] (II). — In: Teoria. Pisa. 10 (1990), N. 1, 103-143. COSTA, FILIPPO:
Die Wissenschaß der Logik als Frage nach dem Daß-Sein kann nichts anderes erörtern als das Thema der Negativität, der Endlichkeit als vergänglicher Affirmation, sowie das Problem der schlechten Unendlichkeit und des Widerspruchs. Dies thematisiert Verf. auch in
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BIBLIOGRAPHIE
der Orientierung an den Hauptfragen der zeitgenössischen Philosophie. Besonders H.s Theorie des spekulativen Satzes in der Phänomenologie sowie die Urteilslehre der Logik werden dargelegt, wobei erhellt, daß die dialektische Bewegung zugleich eine Sprachphilosophie und eine Kommunikationstheorie ermöglicht, was auch ethisch und existentiell von Bedeutung ist.
H.: The structure of self-commentary in Hegel's dialectical logic. — In: International Philosophical Quarterly. New York. 30 (1990), 403-417. GASKINS, RICHARD
Die meisten H.-Interpreten haben die dialektische Methode beschrieben, indem sie Vokabular und begriffliche Mittel verwandt haben, die aus anderen philosophischen Zusammenhängen stammen. Verf. schlägt vor, die Beziehung von Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem als das zentrale Paradigma der dialektischen Struktur zu behandeln. So würde die Energie der H.-Exegeten darauf gelenkt, sich auf den philosophischen Rahmen zu besinnen, in dem die einzelnen Begriffe stehen, statt diese einzeln historisch oder assoziativ auszulegen.
Atomisierung und Sittlichkeit. Zu Hegels Kritik der Französischen Revolution. — In: Die Ideen von 1789 in der deutschen Rezeption. Hrsg. v. Forum für Philosophie Bad Homburg. Frankfurt/M. 1989. 174-185. HONNETH,
AXEL:
ln welcher Weise hat H. die Französische Revolution zum Prinzip seiner politischen Philosophie gemacht? In dieser Kontroverse (Ritter, Habermas, Wildt) wurde in der Vergangenheit Einigkeit darüber erzielt, daß „im Zentrum der H. sehen Auseinandersetzung jenes politisch-philosophische Problem . . . einer sozialen Vermittlung der formal freien und gleichen Rechtssubjekte in . . . einer sittlichen Gemeinschaft" steht. Verf. sucht H.s Verhältnis zur Französischen Revolution entwicklungsgeschichtlich zu bestimmen: als Übergang von einer internen zu einer externen Kritik der Revolution. Das Jenaer intersubjektivitätstheoretische Modell wird von H. ersetzt durch ein substantialistisches Denkmodell, das die revolutionären Zielsetzungen freigibt.
Hegel's idea of philosophy and bis critique of the reflective philosophy of subjectivity. — In: Hegel on the ethical life, religion and philosophy. 1793—1807. Ed. by A. Wylleman. Leuven, Dordrecht 1989. 47-80.
JoNKERS,
PETER:
Hervorstechend an H.s ersten Jenaer Schriften ist ihr kritischer Grundzug. Norm der Kritik ist für H. die Idee der Philosophie. Vorliegender Artikel stellt zunächst die Fundamente der Philosophie H.s dar: Ausgangspunkt für H. ist die Kultur seiner Zeit. Anschließend analysiert er H.s Kritik an den Philosophien Kants, Jacobis und Fichtes in Glauben und Wissen, in denen nach H. die Philosophie des Zeitalters ihren vollendeten Ausdruck gefunden hat.
Revolutionslogik. Zur Begriffsform von Hegels Deutungen der Französischen Revolution. — In: Die Ideen von 1789 in der
KETTNER, MATTHIAS:
Abhandlungen zur Hegel-Forschung / Nachträge 1989—1990
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deutschen Rezeption. Hrsg. v. Forum für Philosophie Bad Homburg. Frankfurt/M. 1989. 187-204. H.s begriffliche Vorentscheidungen und Rahmenannahmen für die Deutung des komplexen Geschehens „Französische Revolution" werden herausgearbeitet. Der Vergleich zwischen der Phänomenologie des Geistes und den Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte zeigt, daß H.s Schlüsselaspekte (Aufklärung, Freiheit und Terror) in unterschiedhche Deutungshorizonte eingebettet sind. Während die phänomenologische Skizze eher das Janusgesicht von Freiheit und Terror herausstellt, betont die geschichtsphilosophische Deutung die Notwendigkeit einer Scheidung zwischen Religion und modernem Staat. Beide Deutungen H.s teilen die Schwäche, für reaktionäre Auslegungen benutzbar zu sein.
T.: The Gifford Lectures and the Glasgow Hegelians. — In: The Review of Metaphysics. Washington, D. C. 43 (1989), 357—384. LONG, EUGENE
1877 machte David Masson in Recent British Philosophy auf einen britischen Hegelianismus aufmerksam. Dieser setzte ein mit der Einführung von Kant und der idealistischen Philosophie in das englische Denken durch Carlyle und Coleridge. Um die Verbreitung H.s in der angelsächsischen Welt hat sich vor allem J. H. Stirling verdient gemacht. Die jüngeren Hegelianer waren darum bemüht, den Geist der H.sehen Philosophie über den Buchstaben hinaus zu erfassen. Ihr bedeutendster Vertreter war Edward Caird; er war der erste, der Gifford-Vorlesungen über H. hielt. — Mit dem Tod von H. Jones verstummte der Hegelianismus in den Gifford-Vorlesungen. — Es ist das Verdienst des Hegelianismus, in Schottland das religiöse Denken belebt zu haben.
Time, truth and culture in Husserl and Hegel. — In: Analecta Husserliana. Ed. by A.-T. Tymiemiecka. Dordrecht. 31 (1990), 433-444. MOLCHANOV, VICTOR:
Die Ähnlichkeiten in den theoretischen Ansätzen Husserls und H.s sind eher formeller Natur. Der wesenthehe Unterschied zwischen ihnen tritt bei der Analyse der Begriffe „Aufhebung" und „Intentionalität" hervor.
Le Proslogion d'Anselme apres Hegel. — In: Archive di Filosofia. Padova. 58 (1990), 335-352. PEPERZAK, ADRIAAN:
Verf. stellt H.s Deutung und Kritik von Anselms Proslogion in der Geschichte der Philosophie und den Vorlesungen über die Philosophie der Religion dar, um daran anknüpfend eine eigene Deutung des Proslogions derjenigen H.s gegenüberzustellen und schließlich eine fiktive Antwort Anselms auf die H.sche Interpretation anzuschließen sowie Anselms Konzeption in einen weiteren Kontext hineinzurücken.
The stilling of the Aufhebung: Streit in „The origin of the work of art". — In: Heidegger Studies. Berlin, Oak Brook/Ill. 6 (1990), 67-83. PROTEVI, JOHN:
Verf. sucht Heideggers Konzeption der Wahrheit des Kunstwerks als eines „Streites" und der Wahrheit als des „Urstreites" (in der Abhandlung über den „Ursprung des Kunstwerks") im Gegenüber zu dem von H. in der Phänomenologie und Logik elaborierten Wahrheitsbegriff zu erhellen. Während der Geist nach H. eine ursprüngliche „Zerrissenheit" in
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BIBLIOGRAPHIE
einer teleologischen Bewegung übersteigt und überwindet, jene Negativität somit in einer „spekulativen Ökonomie" (Derrida) aufhebt, verweigert die als „Streit" und „Riß" zu denkende Wahrheit im Sinne Heideggers solche Aufhebung.
Le nom indicible de la soeur. Signe et famille selon Derrida et Hegel. — In: Denken Unterwegs. . . . Hrsg, von H. Oosterling und F. de Jong. Amsterdam 1990. 297—306. SCHIPPER, ELISABETH DE:
Ausgehend von der Frage, ob zwischen der Funktion des Differenzbegriffes in Derridas H.-Lektüre und derjenigen in H.s Deduktion der Kategorien (Identität, Unterschied, Widerspruch) ein fundamentaler Unterschied bestehe, untersucht Verf. Derridas Interpretation des H.sehen Zeichen- und Familienbegriffs unter besonderer Berücksichtigung der Bruder-Schwester-Beziehung, welche nach Derrida bereits die Grenze der H. sehen Konzeption der Familie offenbart.
J.: Formale Logik und Dialektik in Hegels Seinslogik. — In: Denken unterwegs. . . . Hrsg, von H. Oosterling und F. de Jong. Amsterdam 1990. 127-143. SCHMIDT, KLAUS
Eine Vielfalt divergierender Interpretationen rankt sich um H.s Wissenschaft der Logik. So gibt es Ansätze, H.s Logik auf der Basis von mehrwertigen Logiken zu interpretieren (Günther, Patzig). — Verf. analysiert die ersten Kategorien der Wissenschaft der Logik unter Zuhilfenahme der modernen formalen Logik.
Concepto y libertad [Begriff und Freiheit]. — In: Diälogos. Rio Piedras, Puerto Rico. 55 (1990), 7—27. VASQUEZ, EDUARDO:
Verf. untersucht das Verhältnis zwischen Begriff und Freiheit an verschiedenen Stellen der Phänomenologie des Geistes, der Wissenschaft der Logik und Philosophie des Rechts. Verf. kritisiert A. Kojeves und W. Kaufmanns Kommentar zur Phänomenologie bzgl. des dialektischen Begriffs des Widerspruchs und glaubt, daß die H.sche Theorie des Begriffs von Kant her verstanden werden muß. Das Wesen des Begriffs liegt in der Einheit des Ichs, d. h. in der synthetischen Einheit der Apperzeption. Der Begriff als unbedingter enthält die Objektivität, und als unbedingter ist er frei: „Im Begriff hat sich daher das Reich der Freiheit eröffnet" (Wissenschaft der Logik). Verf. meint, daß der Begriff nach Kant bedingt ist, d. h. abhängig von den Dingen. Nach H. ist der Begriff analytisch und synthetisch, und seine Natur ist an sich und für sich selbst — causa sui. Die Selbstbestimmung des Begriffs bedeutet die Verwirklichung der Freiheit.
Kritik und Neukonstituierung des kosmologischen und ontologischen Gottesbeweises in der Philosophie Hegels. — In: Archivio di Filosofia. Padova. 58 (1990), 299—333.
WAGNER, FALK:
Verf. analysiert H.s Versuch, die Thematik der überkommenen Gottesbeweise neu zu fassen. Dieser Versuch besteht aus drei Schritten. Den ersten Schritt stellt die Erhebung und Überführung des kosmologischen Arguments in das den Begriff der absoluten Notwendigkeit explizierende zweite ontologische Argument dar. Im zweiten Schritt seiner Argumentation stellt H. die mangelhafte Form des hypothetischen Zusammenhangs zwischen dem zufälligen Dasein und der absoluten Notwendigkeit heraus. Aber erst mit der Einsetzung des regressiv-reduktiven Verfahrens des traditionellen kosmologischen Beweises durch die pro-
Abhandlungen zur Hegel-Forschung / Nachträge 1989—1990
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duktiv-progressive Selbstauslegung der absoluten Notwendigkeit ist der entscheidende dritte Schritt in H.s Reformulierung des kosmologischen Beweisganges erreicht. Verf. kommt zur Folgerung, daß die H.sche Neuformulierung der Thematik des ontologischen Arguments in der Einsicht gipfelt, daß die Subjektivität Gottes ihre objektive Realität als das frei entfaltete Anderssein hat, das an seiner eigenen Stelle die Subjektivitätsstruktur selbständig verwirklicht.
Action politique et philosophie speculative: de Bonaparte ä Hegel. — In: Annalen der internationalen Gesellschaft für dialektische Philosophie. Milano. 7 (1990), 54—58. WASZEK, NORBERT:
Der Aufsatz präsentiert und interpretiert zwei frühe Exzerpte H.s (aus Zeitschriften des Jahres 1802) im Kontext seiner Auseinandersetzung mit Napoleon und im größeren Rahmen der Entwicklung seiner politischen Philosophie. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt galt H.s Bewunderung für Napoleon dem Wegbereiter liberaler Prinzipien.
Moralidad y eticidad, o Kant y Hegel. [Moralität und Sittlichkeit, oder Kant und Hegel]. — In: Cuadernos de Etica. Buenos Aires. Nr 7 0uni 1989), 1-27. ZAN, JULIO DE:
This paper proposes and grounds the program of a new mediation between morality and ethicity, which, in a certain way, had already been H.'s program. Nevertheless, the systematic assumptions of absolute idealism have lastly devaluated the morality moment, as the appearence of the conscience, when faced to objective ethicity. — The task is to found the necessary complementarity between both points of view, and to hold the thesis that they condition each other. Morality's development is only possible in the frame of ethicity's insfitutions, for the solipsistic reflection of the isolated individual is not capable even of reaching the moral point of view. The objective conditions of justice reveal themselves as conditions of possibility of any aufhentic moral discourse. But, on the other hand, the validity of those objective conditions can only be guaranteed and controlled through the rational criticism of reflective morality and of discourse.
La libertad y el concepto de lo politico [Die Freiheit und das Konzept des Politischen]. — In: Cuadernos de Filosofia. Buenos Aires. 20 (1989), Nr. 33, 31-39. ZAN, JULIO DE:
Starting from the positive and the negative senses of poHtical liberty as sef against each other by I. Berlin and N. Bobbio, the concept of politics assumed by each author is made explicit. It is shown that those concepts had already been formally discussed by H., whose criticism had brought to light their contradictions and the unfeasibility of either of those forms of liberty if taken in isolation. Precisely, on that double criticism rests the Hegelian working up of those two concepts and his attempt to think them both together. The discussion of H.'s answer to that Claim, through his exposition of the dialectic Constitution of free will and his own conception of politics, remains open.