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German Pages [732] Year 2014
Harry Graf Kessler – Henry van de Velde Der Briefwechsel
Herausgegeben und kommentiert von
Antje Neumann
2015 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch die
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.
Umschlagabbildungen: Hugo Erfurth: Harry Graf Kessler, 1909 Louis Held: Henry van de Velde, um 1910 © VG Bild-Kunst, Bonn 2014 (für die Aufnahme von Hugo Erfurth)
© 2015 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Dr. Volkmar Billig, Nossen Umschlaggestaltung: Satz + Layout Werkstatt Kluth, Erftstadt Gestaltung und Satz: Julia Gaßmann, Weimar Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan im Lavanttal Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-22245-1
Inhalt Danksagung
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I. Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung 1. Einleitung 2. Harry Graf Kessler – Werdegang und Persönlichkeit 3. Henry van de Velde – Werdegang und Persönlichkeit 4. 1897–1900 | Brüssel–Berlin: Bekanntschaft und Aufbruch 5. 1900–1902 | Berlin: Der Privatier und der Künstler 6. 1902–1914 | Weimar: Kulturelle Neubelebung einer Stadt 7. 1914–1937 | Zusammenbruch und Neuanfang: Getrennte Welten 8. Zur äußeren Anlage und zum formalen Charakter des Briefwechsels
8 9 20 40 50 61 107 121
II. Edition und Kommentar Editionsbericht Briefe und Kommentare
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III. Anhang Siglen- und Abkürzungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Literatur- und Quellenverzeichnis Register Personen und Körperschaften Register Orte
682 682 683 698 721
Henry van de Velde und Harry Graf Kessler (rechts außen) während der Ausstellungseröffnung zu Werken von Claude Monet im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar am 30. April 1905 (von links sitzend: Editha von Münchhausen, Gerty von Hofmannsthal, Helene von Nostitz-Wallwitz; von links stehend: Arthur von Payern, Max von Münchhausen, Gitta Heymel, Alfred Walter Heymel, Alfred von Nostitz-Wallwitz, Hugo von Hofmannsthal, Harry Graf Kessler, Henry van de Velde)
Danksagung Die Arbeit wurde am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der HumboldtUniversität zu Berlin als Dissertation angenommen und am 21. Dezember 2012 verteidigt. Die Gutachter waren Prof. Dr. Michael Diers und Prof. Dr. Horst Bredekamp. Die vorliegende Edition stellt die überarbeitete und für die Drucklegung gekürzte Fassung dieser Promotionsschrift mit dem Titel ›Cher Monsieur et ami‹ Henry van de Velde und Harry Graf Kessler. Der Briefwechsel (1897–1937). Edition und Kommentar dar. Ich danke allen, die zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen haben. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner Familie, den Gutachtern und folgenden Personen: Dr. Thomas Föhl, Weimar Prof. Dr. Léon Ploegaerts, Montréal Dr. Nicolas Bertrand, Berlin Régine Carpentier, Brüssel Hildegard Dieke, Marbach am Neckar Edith Fuchs, Düsseldorf Gerd Gauglitz, Berlin Prof. Dr. Wolfgang Holler, Weimar Reinhard Käsinger, Neubeuern Dr. Roland Kamzelak, Marbach am Neckar Fabrice van de Kerckhove, Brüssel Harald S. Liehr, Weimar Petra Löchel, Butzbach Catheline Metdepenninghe, Brügge Dr. Bernhard Post, Weimar Norbert Poulain, Gent Dr. Angela Reinthal, Freiburg Dr. Edgar Riedel, Weimar Dr. Jens Riederer, Weimar Carina Schäfer, Tuttlingen Karlheinz Thiersch, Weimar Prof. Dr. Volker Wahl, Weimar
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I. Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung 1. Einleitung »Ich hänge sehr an Ihrer Freundschaft, mehr als an jeder anderen, und bleibe ihr zutiefst treu verbunden. Sie haben meine ungebrochene Bewunderung für alles, was Sie während Ihres Lebens in den Dienst eines Ideals gestellt haben, das auch ich suchte und dem ich noch immer wie Sie zu dienen trachte.« Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 5. 8. 1935 »Ich bin es, der Ihnen dankbar sein müßte für all das, was Sie zur Entwicklung meines ›Ich‹ beigetragen haben.« Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 30. 10. 1905
Henry van de Velde (1863–1957) und Harry Graf Kessler (1868–1937) lernten sich in einer Zeit persönlicher und gesellschaftlicher Umbrüche kennen und hatten 1897 – im Jahr ihrer ersten Begegnung – bis auf den zweiten Vornamen und eine große Liebe zur Kunst nur wenig gemeinsam.1 Zu verschieden waren Charakter und Berufung, zu unterschiedlich soziale Stellung und wirtschaftliche Situation. Einzig der Drang nach Selbstverwirklichung, die Suche nach einer Lebensmission sowie füreinander empfundene Sympathie und Achtung schienen die Lebenswege dieser beiden Persönlichkeiten zueinander zu führen und zeitweise nahezu symbiotisch zu einen. Die tägliche Korrespondenz nahm sowohl in Kesslers als auch in van de Veldes Leben einen hohen Stellenwert ein. Ob Brief, Billet, Grußkarte, Telegramm, Rohrpostkarte oder geschäftliche Notiz, der Umfang der Nachlässe bezeugt eine ausgeprägte Korrespondenztätigkeit auf beiden Seiten und spiegelt nicht zuletzt die Briefkultur um 1900 wider. Der Griff zu Federhalter und Papier gehörte zum täglichen Ritus, wie auch das Schreibzeug und die Löschwiege von keinem Schreibtisch wegzudenken waren. So war es durchaus normal, mehrere Schreiben am Tag zu verfassen und wie im Falle von Kessler zusätzlich auch noch akribisch und kontinuierlich Tagebuch zu führen. Der Briefwechsel zwischen Henry van de Velde und Harry Graf Kessler umspannt von 1897 bis 1937 einen Zeitraum von 40 Jahren und umfasst ein Konvolut von insgesamt 441 erhaltenen Schriftstücken, die in der vorliegenden Edition mit 402 Positionen erschlossen sind.2 Darin enthalten sind ausgewählte Schreiben von und an Maria van de Velde.3 Die Korrespondenz erfolgte mit Ausnahme von wenigen deutschen Anmerkungen oder Zitaten ausschließlich auf Französisch und befindet sich im Archives et Musée de la Littérature in Brüssel (Nachlass Henry van de Velde) sowie im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar (Nachlass Harry Graf Kessler).4 Es ist davon auszugehen, dass nur etwa die Hälfte der tatsächlich gewechselten Briefe und Karten überliefert ist. Dies geht zum einen aus den vorhandenen Schriftstücken
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hervor, andererseits lassen deutliche Lücken innerhalb der Korrespondenz auf zahlreiche fehlende Dokumente schließen. Die vorliegende Arbeit ist in einen Einführungsteil sowie in einen Brief- und Kommentarteil untergliedert. Der Briefteil enthält sämtliche erhaltenen Schriftstücke in chronologischer Abfolge mit einem Anhang nicht datierbarer Dokumente. Die Briefe sind in der Originalsprache widergegeben. Im Einführungsteil werden sie hingegen in der deutschen Übersetzung zitiert.5 Der einleitende Editionsbericht informiert über die Editionsrichtlinien. Da jedes überlieferte Schriftdokument als Informationsträger sein Eigengewicht beibehalten soll, wurde auf eine Mischedition in Form von ausgewählten Briefen und partiell erstellten Regesten verzichtet. Jedes Schriftstück ist wiedergegeben, wobei Briefumschläge und Briefentwürfe ihren zugehörigen Schreiben untergeordnet sind.6 Der einführende Briefkopf gibt Auskunft über das Schriftstück an sich, d. h. zu Verfasser, Empfänger, Schreibort, Datum, Standort, Signatur, Bestand sowie zur Art des Schriftstücks. Die vorangestellte Briefnummer ermöglicht eine schnelle Orientierung und dient als Zitiervorlage für Verweise. Dem technischen Briefkopf schließt sich der eigentliche Inhalt des Schriftstückes in der Originalsprache an. Es folgen die jeweiligen Einzelkommentare. Sie dienen dazu, Personen, Geschehnisse, Orte, Werk- und Sachhinweise zu identifizieren, näher zu erläutern und den übergeordneten Zusammenhang des Schriftstücks deutlich zu machen.
2. Harry Graf Kessler – Werdegang und Persönlichkeit »Ich bin halb ein Kessler, Metaphysiker von der Reformation her, und halb Irländer mit einem guten gesunden Durst nach Schönheit und Faustkämpfen [...]« schrieb Kessler 1907 an Hugo von Hofmannsthal.7 Geboren in Paris verlebte Kessler die Kinder- und Jugendjahre, abgesehen von einem Kurzaufenthalt in den USA, an verschiedenen Plätzen seiner drei »Vaterländer« Frankreich, England und Deutschland.8 Er stammte aus gehobenem bürgerlichen Hause. Sein Vater Adolf Wilhelm Kessler war ein geschäftstüchtiger Bankier aus Hamburg, dessen Wurzeln bis zu dem Schweizer Reformator Johannes Kessler zurückreichten. Seine Mutter Alice Harriet Kessler war als Tochter eines anglo-indischen Marineoffiziers in Bombay geboren. Sie galt als allseits umschwärmte Schönheit, führte in Paris einen kleinen Salon, verfasste unter Pseudonym Dramen und Romane und trat als passionierte Laienschauspielerin in ihrem eigenen Liebhabertheater auf. Die Familie wurde 1879 geadelt und 1881 von Fürst Heinrich XIV. Reuß j. L. in den Grafenstand erhoben. Die Kinderjahre verbrachte Kessler größtenteils in Paris, da sein Vater die dortige Bank- und Handelsfiliale ›Auffm’ Ordt u. Ko.‹ leitete. Wie er später schrieb, wuchs er »als geschwisterloses und einsames Kind ohne näheren Verkehr mit Gleichaltrigen« in einer Art Märchenwelt auf.9 Frauen kamen ihm bald wie Traumgestalten, bald wie Feen vor. Die Erinnerungen sind gefärbt vom Eindruck an Schleier, Rüschen
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und Spitzen, an die Walzer von Strauß oder an die exotischen Namen schwüler Parfums.10 Glaubt man Kesslers Worten, so war er ein Kind mit reicher Phantasie und einer gewissen Neigung zum Übersinnlichen. Die »Ahnung von der relativen Ohnmacht des Wirklichen« bzw. von »der Unwirklichkeit des Wirklichen« sah er selbst als keltisches Erbe mütterlicherseits an.11 Im krassen Gegensatz zum mondänen und raffinierten Luxus seines Elternhauses stand jedoch »die Hölle eines Pariser Halbinternats«, wo Kessler von 1878 bis 1880 zur Schule ging und »wenig Gutes, aber manches Schlechte« lernte.12 Die ungesunde und muffige Atmosphäre beeinträchtigte den sensiblen Jungen »körperlich und moralisch« derart, dass er schließlich auf ein privates Knabeninternat nach England geschickt wurde. Erst später begriff Kessler, dass mit der Trennung vom Elternhaus ein erster Wendepunkt in seinem Leben eingetreten war.13 Gerade zwölf Jahre alt musste er sich von nun an im Kreis der Eliteschüler der Upperclass behaupten, denn die Saint George’s School von Ascot war Name und Programm zugleich.14 Kessler entdeckte dort seine Vorliebe für körperliche Ertüchtigung, vornehmlich für die Sportarten Schwimmen, Kricket und Boxen. Die Erziehung beschrieb er als »nüchtern durchdacht und streng«.15 Gleichwohl war sie vielseitig intellektuell ausgerichtet.16 Abgesehen von einem »lächerlich verlaufenden Selbstmordversuch«17, diversen Rangeleien mit Gleichaltrigen und dem anfänglich empfundenen Hass gegenüber seiner Familie kam ihm der Schulalltag von Ascot sehr gelegen. Man hielt sich an die christlichen Werte, achtete auf Sauberkeit und brachte den Zöglingen das Vorbild des englischen Gentleman näher. Wie Kessler im Rückblick bemerkte, war der Gentleman »kein Naturgewächs, sondern das Ergebnis eines äußerst komplizierten und kunstvollen Fabrikationsprozesses.« Und er fügte hinzu: »Ich befand mich selber noch als Material in der Fabrik, erlebte die Herstellung von Gentlemen am laufenden Band an anderen und mir selbst. Das fertige Produkt war, wenn es glückte, Qualitätsware, das Beste vom Besten, wie die in englischen Gestüten gezüchteten und trainierten Vollblüter oder wie die Woll-
und Baumwollstoffe von Lancashire.«18 Kessler, der aufgrund seiner Anlagen, seiner Erziehung und seines Intellekts für dieses Erziehungsmodell wie geschaffen schien, verließ Ascot als ebensolcher, wenn auch unfertiger 14-jähriger Gentleman.19 Auch in den Augen seiner Zeitgenossen verkörperte Kessler diesen Typus des Herren ›with good manners and breeding‹. Neben dem Interesse für Literatur und Sport entdeckte Kessler in Ascot auch seine Vorliebe für publizistische Tätigkeiten sowie für die Druckkunst. Er gründete die Wochenzeitschrift ›The St. George’s Gazette‹, bestimmte »fachmännisch Satzspiegel, Ränder und Format«, schrieb eifrig Artikel und erntete dadurch die ersehnte Achtung.20 Der erzwungene Abschied von der Schule fiel ihm daher außerordentlich schwer.21 Auf Wunsch des Vaters setzte Kessler ab September 1882 die Schulausbildung in Hamburg fort. Nicht umsonst hatte der Vater diese Stadt gewählt. Sie war seine eigene Heimatstadt. Zudem befand sich dort mit dem Sitz des Bank- und Handelshauses ›Auffm’ Ordt u. Ko.‹ Kesslers künftig zugedachte berufliche Wirkungsstätte.
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Der 14-jährige verliebte sich, wie er später schrieb, spontan in die Stadt und somit auch in Deutschland.22 Während seine Eltern mit der neun Jahre jüngeren Schwester in Paris wohnhaft blieben, lebte Kessler fortan bei der Pastorenfamilie Blümer, die für Kessler »Spiegelbild des Hamburger gebildeten Mittelstandes« war.23 Der Impetus lag auf dem Motto: Bildung durch Fleiß.24 So sollte Kessler auf dem humanistisch geprägten und anerkannten Gymnasium ›Johanneum‹ den letzten Schliff erhalten.25 1888 legte er dort als Klassenbester sein Abitur ab. Im Rückblick kritisierte Kessler vehement den deutschen Bildungsansatz im Vergleich zum englischen. »Die ›deutsche‹ Bildung war im Prinzip ›allgemein‹ und sollte auf alles vorbereiten; der deutsche Gebildete glich einem Gegenstand, der tausend verschiedenen und auch entgegengesetzten Zwecken dienen kann; ihm fehlte die harte und schöne Linie des einem Zwecke vollendet angepaßten Organs.«26 Das Gegenteil beabsichtigte die englische Bildung, denn dort war nach Kesslers Worten »der Wille zur politischen und kommerziellen Macht mit antiker Humanität und der weltmännischen Sicherheit des Renaissancemenschen eine Legierung von unerhörter Härte, Zähigkeit und Glätte eingegangen«.27 Insbesondere vermisste Kessler die spezielle Vermittlung eines Ideals. In Deutschland »gab es kein allgemeingültiges Vorbild wie den englischen Gentleman, sondern jeder mußte, so gut er konnte, in sich die Elemente des neudeutschen Menschen zusammenschmieden.«28 Kessler war nunmehr darauf angewiesen, seinen eigenen Weg zu gehen und zu sich zu finden. Dass dieser Prozess auch für den pubertierenden Kessler nicht problemlos verlief, zeigen die geschilderten Eskapaden in ›Gesichter und Zeiten‹. Die »plötzliche Verpflanzung«, wie Kessler den Wechsel von England nach Deutschland im Nachhinein beschrieb, bedeutete wohl mehr als eine bloße Zäsur im Leben des sensiblen Jungen. Sie kam einem für Geist und Seele »lebensgefährlichen Experiment« gleich. »Instinktiv flüchtete ich aus der gefährlichen Tiefe an die Oberfläche. Ich wurde ein abscheulicher kleiner Snob und Gernegroß, eitel, vergnügungssüchtig und selbstgefällig. Ich ließ mich in kleinbürgerlichen Kreisen als Graf feiern, folgte aufmerksam in meiner Kleidung der Mode und tanzte viel.«29 Kessler war bereits damals von einer gewissen Zerfahrenheit und Flatterhaftigkeit gezeichnet. Auf der steten Suche nach sich selbst und nach einem Halt, an dem sich die »durcheinanderwuchernden Triebe«30 sammeln und beruhigen konnten, suchte der Jugendliche jedoch vor allem seinen Neigungen, Interessen und Wünschen Raum zu geben. Er war allseits interessiert, an Politik wie an der Lektüre griechischer Lyriker, an Beziehungen zu jungen Damen ebenso wie an Freundschaften zu gleichaltrigen Jungen. Das Wort ›Freundschaft‹ erhielt für ihn in dieser Phase seines Lebens offenbar einen neuen Wert.31 Wie tief oder wie intim diese Freundschaften tatsächlich waren, bleibt jedoch reine Spekulation.32 Mit dem 20. Geburtstag begann für Kessler nicht nur eine neue Dekade, er musste sich auch mit seiner beruflichen Zukunft auseinandersetzen. Bis dato hatte er dieses Thema erfolgreich verdrängt, denn das damit verbundene Reflektieren über den Sinn des Lebens bereitete ihm eher Unannehmlichkeiten. Der Gedanke, lediglich
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eine »geldproduzierende Maschine« zu sein, um letztlich einen ruhigen Platz zum Sterben zu finden, behagte ihm keineswegs.33 Nur in einsamen Stunden dachte er über sein Leben nach und hielt widersprüchliche Momente, wenn sie gar zu zerreißend waren, im Tagebuch fest. Kurz vor Studienbeginn schrieb er: »Wenn ich allein bin wie an diesem Abend, fällt mir oft auf, welch winzig kleiner Teil meines äußeren Lebens, das meiner Umwelt durch Gespräche, Briefe usw. bekannt ist, mit meinem inneren Leben zu tun hat, jenem Leben, das ich für mich selbst lebe; kaum mehr als die Gischt, die der Wind über den Ozean bläst. Ich denke, dass es für jeden Menschen von Zeit zu Zeit nützlich ist, dieses innere Leben vollkommen zu abstrahieren und sich so zu betrachten, wie andere Leute einen sehen; das ist der beste Weg, um nicht eingebildet zu werden.«34 1888 stand Kessler vor der ersten eigenen Entscheidung seines Lebens. Der Beruf seines Vaters kam offenbar aus Interessengründen nicht in Betracht, und man hatte sich letztlich auf das Studium der Rechtswissenschaft als Voraussetzung für eine Tätigkeit im Staatsdienst geeinigt.35 Die Wahl fiel auf den Studienort Bonn. Erich Graf von Schweinitz hatte Kessler dazu animiert. Innerlich noch immer nicht gefestigt, tauchte Kessler mit dem Beginn des Studiums in eine völlig neue Welt ein, die ihm auf vielen Ebenen gelegen kam. Einerseits konnte er erstmals fern seiner Familie und der Verwandten ein anonymes Leben führen, andererseits war es ihm möglich, seine gesellschaftlichen Kompetenzen zu erproben und seinen intellektuellen Interessen ungezwungen nachzugehen. Seine Aufgabe, die ihn die nächsten zwölf Jahre begleitete und seinem Tun den Inhalt gab, war das Studium der Jurisprudenz mit anschließender Dissertation und die Ausbildung im Justizdienst. »Es ist mir heute merkwürdig«, schrieb Kessler nach über 40 Jahren, »daß ich neben dieser überhitzten geistigen Entwicklung (nebenbei studierte ich – sogar ziemlich fleißig – Jura) ein oberflächliches, aber intensives gesellschaftliches Leben führte.«36 Wie in der Schulzeit war der junge Aristokrat bereit, sich von der Umwelt formen und von Persönlichkeiten, die ihn beeindruckten, lenken zu lassen. Ohne seine eigenen Ansprüche aufzugeben, hielt er sich intuitiv oder bewusst an die gesellschaftliche und geistige Elite und machte sich zu deren Bestandteil. Er wurde einerseits Gesellschafter und Kneipbruder, andererseits ein junger dynamischer Student, der vielfältige Interessen pflegte und gern reiste. Vor allem blieb er stets ein scharfer Beobachter. Da ihm der Vater den Eintritt in eine schlagende Studentenverbindung verboten hatte, blieb ihm allerdings der karrierefördernde Schmelztiegel des anerkannten Corps der ›Borussen‹ weitgehend verwehrt.37 Obgleich er deren Kneipe regelmäßig frequentierte und auch zukunftsträchtige Freundschaften einging, dürfte ihn dieser Ausschluss unangenehm berührt haben. Dafür spricht letztlich auch die Tatsache, dass er Duellen nicht abgeneigt gegenüberstand und Duellforderungen ohne zu zögern annahm, wenn es darauf ankam, die eigene Ehre und Karriere zu schützen.38 Noch vor Studienantritt hatte die Mutter wohlweislich gemahnt: »My Darling you may be careful & not have duels.«39 Trotz dieser Warnung sollte das erste
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Duell mit Friedrich Karl von der Lancken noch vor Beendigung des ersten Studienjahres ausgetragen werden. Grund der Forderung war Kesslers »gesellschaftlicher Erfolg«, der von einigen Corpsmitgliedern »mit Mißvergnügen« beobachtet wurde.40 Das Duell fand schließlich nicht statt, da sich Kesslers Duellant den Arm gebrochen hatte.41 Zusätzlich zum Studium der Rechtswissenschaft widmete sich Kessler mit großer Begeisterung den Fächern Altphilologie, Archäologie und Nationalökonomie in Bonn und späterhin Kunstgeschichte und Psychologie in Leipzig. Die Erkenntnisse, die Kessler aus der intensiven Beschäftigung mit diesen Wissenszweigen gewann, prägten ihn nachhaltig und bildeten eine Interessenplattform, die für sein späteres Leben und Tätigkeitsfeld grundlegend war. Sein Gespür für Kunst und Ästhetik, für Philosophie und Psychologie wurde in Bonn und Leipzig entscheidend genährt. Auch hier waren es wiederum anerkannte und mitunter charismatische Dozenten, wie Wilhelm Wundt, Reinhard Kekulé von Stradonitz, Anton Springer oder Lujo Brentano, die ihn in den Bann zogen. Als Kessler im Herbst 1891 sein Studium beendete, notierte er ins Tagebuch: »Am 3ten November '88, vor nicht ganz 3 Jahren, bin ich zum ersten Male immatrikuliert, und in den nicht ganz drei Jahren, die seitdem vergangen sind, sind sozial und namentlich geistig solche Veränderungen mit mir vorgegangen, dass ich kaum noch derselbe Mensch bin. Ich habe viel Trauriges in der Zeit erlebt, und doch überwiegt jetzt, an ihrem Schlusse, das Gefühl dass es für mich eine glückliche und gesegnete gewesen ist. Usener, Bücheler, Nasse und der kleine Hamburger Kreis in Bonn, Springer, Wundt und Richter hier, überall das soziale Leben, haben meinen Geist und meinen Charakter, ich hoffe, zu etwas Besserem, umgeformt.«42 Mit Abschluss des Studiums folgte für Kessler eine wechselhafte Zeit. Zum einen musste er die vorgeschriebene, eher trockene Ausbildung bis zum Ablegen des Assessorexamens fortsetzen, zum anderen bescherten ihm jedoch der Einjährig-Freiwilligen-Dienst im 3. Garde-Ulanen-Regiment in Potsdam, einige längere Reisen ins Ausland, u. a. eine siebenmonatige Weltreise 1891/ 92, sowie vielfältige kulturelle Verpflichtungen eine willkommene Abwechslung vom Justizdienst, der ihn mit den Jahren zunehmend langweilte und 1894 zur Aussage »Verfehlter Lebensberuf« führte.43 Rückblickend konstatierte Kessler: »Je langweiliger die Arbeit am Amtsgericht war, um so anziehender das politische, geistige und gesellschaftliche Leben von Berlin, das ich jetzt auf Grund der Beziehungen meiner Eltern als noch ganz junger Mensch in seinen Hauptvertretern aus der Nähe kennenlernte. Einerseits waren es die Hofkreise und die damals noch sehr kleine und exclusive Hofgesellschaft mit den noch nicht durch Mietskasernen oder Ministerien ersetzten alten Palais der Standesherren, in denen sich glänzende Feste abspielten, andererseits – und ganz im Gegensatz dazu – die neuen geistigen und literarischen Strömungen, die mich anzogen.«44 Kessler war nun eigenständig genug, sein Leben aktiv zu gestalten. Während seine Familie im fernen Paris wohnte und dort ihr eigenes Leben führte,
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lernte der alleinstehende, junge Referendar die Vorzüge der Reichshauptstadt in all ihren Facetten kennen und genießen. Dabei war er wie in den Jahren zuvor für jeden prägenden Einfluss offen. Er begann, intensiv am Kunst- und Kulturgeschehen teilzuhaben, indem er zunächst regelmäßig ins Theater ging, Museen besuchte und späterhin durch sein Wirken in der Kunstgenossenschaft ›Pan‹ konkrete Aufgaben übernahm. Darüber hinaus entdeckte er die Rolle des scharfsichtigen »society man« für sich. Wann immer möglich ließ er sich in den Salons der Damen Spitzemberg, Richter oder Begas sowie auf Bällen, Liebesmählern oder Empfängen sehen. Die Tagebucheinträge ab dem Jahr 1894 geben ein beredtes Zeugnis davon, wann, wo und wie Kessler die Tage gesellschaftlich verlebte. Sie liefern auch Einblicke in Kesslers Gedankenwelt, spiegeln jedoch kaum den beruflichen Werdegang. Kessler war kein Aristokrat von Geblüt, jedoch entstammte er einer aufstrebenden und durchaus prestigeorientierten Familie, die größten Wert auf gesellschaftlichen Erfolg legte. Während die Mutter als schöngeistige Salondame die Pariser Hautevolee um sich versammelte, war sein Vater ein »zäher und unermüdlicher Arbeiter«, der vom Sohn vor allem »Pflichterfüllung und Unterwerfung« verlangte.45 Obzwar Kessler viele Freiheiten genoss und sein Vater im Grunde »weich und von unfaßbar gutem Herzen« war, bewegte sich sein Leben vorerst noch in einem vorgezeichneten Rahmen mit festgesetzten Schranken.46 Dazu gehörte neben der juristischen Ausbildung mit obligatorischen Examina, Dissertation und Referendariat nicht zuletzt die Ausbildung beim Militär. Allein schon die Auswahl des Regiments war entscheidend. Dass Kessler seinen Einjährig-Freiwilligen-Dienst beim renommierten 3. Garde-Ulanen-Regiment in Potsdam absolvierte und schließlich zum Reserveoffizier ernannt wurde, war einerseits Teil des Programms und unterstreicht andererseits in gleichem Maße Kesslers Qualitäten sowie seinen Willen zu gesellschaftlicher Anpassung. Letztlich war die Ernennung zum Reserveoffizier nicht jedem vergönnt, sicherte sie doch dem Beförderten eine außerordentliche gesellschaftliche Anerkennung sowie eine weitere Stufe auf der Karriereleiter. Im Grunde genommen schien Kessler geradezu prädestiniert für ein hohes Amt im Wilhelminischen Staatswesen. Er war adlig, vermögend, gebildet, begabt, intelligent, dreisprachig und redegewandt. Er verfügte außerdem über ein einflussreiches Netzwerk, und sein Vater hatte sich rechtzeitig engagiert, Vorkehrungen auf höchster Ebene zu treffen, um Kessler eine Stelle im Auswärtigen Amt zu sichern.47 Warum Kessler schließlich nicht am oberen Ende der Karriereleiter anlangte, bleibt im letzten unverständlich. Sicherlich haben einige Faktoren hineingespielt, wie: ungünstige politische Verhältnisse und der Strukturwechsel innerhalb des Auswärtigen Amtes, Intrigen und fehlende Protektion, junger Adel der Familie, zu hohe Ansprüche, eine gewisse Trägheit und fortgeschrittenes Alter, festgelegte Position im Kultur- und Kunstgeschehen oder zu großer Bekanntheitsgrad sowie Neigung zum Müßiggang und ausschweifendem Lebensstil. Mit Sicherheit lässt sich jedoch kein einzelner Fakt konkret ins Feld führen, und jegliche Interpretation führt zur Spekulation. Vielleicht war Kessler auch in
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gewissem Maße ein Opfer seiner Zeit bzw. einer derjenigen Unglücklichen, die sich zur falschen Zeit am falschen Ort befanden. Vielleicht hatte er sich auch verkalkuliert oder es gar darauf ankommen lassen? Ein entscheidender Punkt, der Kessler zweifellos nachhaltig beeinflusste und auch seinem Leben eine neue Wendung gab, war der Tod des Vaters am 22. Mai 1895, just einen Tag vor Kesslers 27. Geburtstag. Kessler befand sich gerade als Referendar und frisch ernannter Reserveoffizier im aufwühlenden Berlin und lernte dort die Welt des Theaters, der Künstler und Literaten für sich zu entdecken. Der Umstand, plötzlich wohlhabend und im wahrsten Sinne des Wortes eigenständig zu sein, löste nicht umgehend, aber allmählich gewisse Zwänge auf. Kessler konnte nunmehr seiner Tendenz zum großzügigen Lebensstil ausreichend nachkommen und die bereits erprobte gesellschaftliche Rolle als Teil und Beobachter der Berliner Bohème gelassen annehmen. Dazu gehörte, dass er weiterhin bekannte Salons frequentierte, nun jedoch ausgedehnter reiste, kulturell aktiver wurde und erste Aufgaben außerhalb seines vorgezeichneten Berufsfeldes übernahm. Gemeint ist seine Mitarbeit innerhalb der Kunstgenossenschaft ›Pan‹, der er mit Hingabe nachging und für die er eine gewisse Verantwortlichkeit in Kauf nahm. Er veröffentlichte ab 1895 zwei Aufsätze,48 und 1898 erschien der Reisebericht ›Notizen über Mexiko‹.49 Sein besonderes Interesse galt jedoch den so genannten Künstlertourneen, die er in Mission des ›Pan‹ ab 1895 mit großer Begeisterung unternahm. Sie führten ihn hautnah zu bereits lebenden Legenden, wie Paul Verlaine, William Morris oder Adolph von Menzel, aber auch zu weitgehend unentdeckten bzw. umstrittenen Künstlern, darunter Ludwig von Hofmann, Edvard Munch oder Fidus alias Hugo Höppener. Eine Folge dieser Besuche waren meist lange und detaillierte Tagebucheinträge in einer frivolen Mischung aus Künstlerporträt und Milieustudie. Einhergehend mit diesen neu genährten Interessen und Aufgaben entwickelte Kessler ein feines Gespür für die Kunst. Sein sicherer Instinkt und sein ästhetisches Feingefühl legten dies nahe. Letztlich waren es aber erfahrene Kunstkenner wie Julius Meier-Graefe, Eberhard von Bodenhausen und Alfred Lichtwark, die Kessler maßgeblich animierten und ihn bei der Formung eines eigenen Kunstgeschmacks prägten. Ihrem Einfluss, aber vor allem Kesslers unverfälschtem Interesse und sicherem Kunstgespür ist es zuzuschreiben, dass der junge Graf allmählich zum Kunstkenner, Sammler und Mäzen heranreifte und eine Rolle belegte, die er selbstbewusst anstrebte und mit der man ihn heute allgemeinhin verbindet. Dass dieser Prozess einige Jahre in Anspruch nahm, steht außer Frage. Seit dem Tod des Vaters dachte Kessler auch zunehmend über andere Bereiche des Lebens nach, so z. B. über die eigene Existenz und das Wesen der Liebe. Darüber hinaus sah er sich als Stammhalter der Familie einem gewissen Druck ausgesetzt.50 Gerade seine eigenen Neigungen, insbesondere die Affinität zum männlichen Geschlecht und die damit verbundenen Zwiespältigkeiten, bereiteten ihm gelegentlich persönliche Konflikte. In einer Zeit, wo Homosexualität noch strafrechtlich
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geahndet wurde, war selbst die eindeutige Tagebuchnotiz für einen vorsichtigen Mann wie Kessler Tabu. So hinterlässt er dem heutigen Leser lediglich ein verschlüsseltes Bild von seiner eigentlichen Gefühlswelt und von seinem innersten Wesen. Seine wirklichen Sehnsüchte, Wünsche und Ansichten bleiben hinter einer Fassade verborgen. Manches ließe sich vor dem Hintergrund einer homoerotischen Neigung erklären, wie z. B. das Gefühl von Gefangensein und das lebenslange Alleinsein, die eigenartige Distanz zu Anderen, das stete Suchen nach Anerkennung, die Flucht in Aktionismus, der starke Bezug zur Mutter und Schwester, die vielen Bekanntschaften; doch auch hier bewegt man sich schnell im Reich der Vermutungen. Man ist gemahnt, vor dieser Fassade zurückzustehen und kryptische Tagebucheinträge nicht übereilt zu interpretieren, gerade dann, wenn sich Zusammenhänge nur schwer erschließen lassen und die Beweislage nicht ausreichend gegeben ist. Die Ursachen für gelegentliche Selbstzweifel, wie sie Kessler ab dem Jahr 1897 immer wieder andeutet, haben sicherlich komplexe Ursachen. Sie sind in Kesslers Wesen, seinen Veranlagungen und seiner Erziehung begründet, aber auch im Kontext der damaligen Wert- und Moralvorstellungen zu sehen. Nicht zuletzt spielten auch äußere Gegebenheiten, wie z.B. die Auflösung des ›Pan‹ oder das Ableben einflussreicher Persönlichkeiten, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Im September 1900 konstatierte Kessler jedenfalls: »Ich habe Zeiten, in denen mein Interesse an meinem Gesamtleben, an aller Zukunft und Vergangenheit, auf Null steht, während die Augenblicksinteressen ebenso lebhaft anziehen wie jemals; die Existenz verläuft dann in einer Aufeinanderfolge von Anregungen ohne Zusammenhang; galvanisierte Froschschenkel. Fragmentarisches Auflodern der Lebenslust auf einem eintönig grauen Untergrunde.«51 Mit der Jahrhundertwende begann für Kessler wiederum ein neuer Lebensabschnitt. Die gewonnene Unabhängigkeit bescherte ihm auf der einen Seite Abwechslung, die fehlende Orientierung wirkte sich auf der anderen Seite nachteilig für ihn aus. Kessler kam auf beruflicher Ebene nur zögerlich voran. Selbst Schwester und Mutter, die ihn mal als »one of the greatest writers of Germany«, mal als »great statesman« zu sehen wünschten, wussten oft wenig über sein berufliches Fortkommen Bescheid und drängten häufig auf Nachrichten.52 Nach Ablegen des Assessorexamens im Oktober 1900 folgte erneut eine Phase beruflicher Planlosigkeit. Erst im April 1902 erhielt Kessler nach einigen zaghaften und eher halbherzig wirkenden Bemühungen die Absage, im Auswärtigen Amt arbeiten zu dürfen.53 Wenngleich er mit einer derart schroffen Ablehnung nicht gerechnet haben dürfte, musste sich der mittlerweile 34-jährige neu orientieren. Kessler ergriff die erstbeste Gelegenheit und ging trotz subtiler Einwände von Mutter und Schwester nach Weimar, um dort ehrenamtlich die Stelle des Museumsdirektors anzunehmen und als Spiritus Rector die kulturelle Neuerweckung der kleinen Residenzstadt mit zu begründen.54 Obgleich Kesslers Leben in gewisse Bahnen gelenkt schien und unter der Einheit von Kunst und Leben ein Motto erhielt, blieb es in der Folge doch führungslos und im Grunde
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einsam. Kessler war letztlich bis zu seinem Lebensende ein Einzelgänger. Einen wirklichen Lebensgefährten hatte er nie, dafür zahllose Bekannte, einige treu ergebene Verehrer,55 seine vierbeinigen Vertrauten56 und wenige Menschen, denen er aufrichtig freundschaftlich verbunden war.57 Seine Mutter und seine Schwester Wilma waren jedoch die wichtigsten und innigst geliebten Bezugspersonen.58 Als 1919 die Mutter starb, blieb nur noch Wilma an seiner Seite. Nicht nur in der letzten Lebensperiode, als Kesslers Leben von Krankheit, finanziellen Engpässen und Heimatlosigkeit gezeichnet war, begleitete sie ihn aufopfernd. Bereits seit ihrer frühen Jugend empfand sie diese starke Bindung zu ihm. Er war derjenige, auf den sie hörte und dessen Meinung sie am meisten schätzte.59 Nach Auffassung von René Schickele war Wilma wohl auch diejenige, die Kessler »am tiefsten« geliebt hat.60 »Physisch war Kessler«, so van de Velde, »von vollendeter Haltung und natürlicher, selbstverständlicher Eleganz. Wohl war er etwas kleiner als der Durchschnitt, aber wohlproportioniert und ohne jede Spur von Korpulenz. Aus einem schönen Gesicht blickten scharfe, leuchtende Augen, die ohne Härte waren; manchmal trat ein autoritärer Zug in Erscheinung.«61 Nicolas Nabokov zufolge besaß er eine schlanke gestraffte Figur und ein attisches Profil, »elegant, urban, halb preußischer Offizier, halb Diplomat«.62 Wie eingangs bereits herausgestellt, schätzte Kessler das Ideal des englischen Gentleman, des Mannes ›with good manners and breeding‹. Er war ein solcher und wurde als solcher geachtet, zuweilen bewundert aber auch gehasst. Von den einen als elitärer Snob, als »Cerberus in Lackstiefeln« und »kalter Rationalist«63 abgetan, war er für andere »unendlich klug, unterhaltend, gütig und belebend«.64 Für Nicolas Nabokov war er ein »echter Grandseigneur«,65 für George Grosz zählte er zu einem der letzten großen Gentlemen,66 und nach Maximilian Harden war Kessler »mit seinem konzilianten Wesen, seiner an den nobelsten Mustern des achtzehnten Jahrhunderts geschulten Verkehrsmanier, wie geschaffen für die Vermittlung zwischen der höfischen und der artistischen Welt«.67 Maillol schätzte an Kessler die »haute intelligence«, den »goût raffiné«,68 Vuillard die »bonté intelligente«69 und van de Velde »seine umfassende Bildung, aber auch seine vornehme Haltung und seinen Adel der Gesinnung«.70 Er ging sogar so weit zu sagen: »Wenn man in der Literatur nach verwandten Gestalten suchen würde, so käme man auf Oscar Wildes ›Dorian Gray‹ oder Joris K. Huysmans ›Des Esseintes‹, die Hauptfigur seines Romans ›A Rebours‹.«71 Darüber hinaus besaß Kessler einen Charme, der nach van de Velde »unwiderstehlich«72 war und dem sich selbst Kesslers Mutter nicht entziehen konnte.73 Er selbst bezeichnete sich als eher »intuitiv liebenswürdig« und beneidete all diejenigen, die »zu jeder Zeit und einem Jeden gegenüber Charmeur zu sein« befähigt waren.74 Auch auf das äußere Erscheinungsbild legte der Graf großen Wert. Bereits als Kind, so schrieb Kessler später, hing er der Vorliebe nach, in einem selbstgeschneiderten »Staatsgewand« imaginäre Gäste zu empfangen.75 In Weimar bestach er bei öffentlichen Auftritten durch seine makellose Etikette, und Hannah Arendt, die Kessler
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an seinem Lebensende nur flüchtig auf einem Pariser Bahnhof begegnete, war beim Anblick »seines grauen Anzugs mit grauer Seidenkravatte, blütenweißem Tuch in der Brusttasche und gelber Rose im Knopfloch« geradezu frappiert von Kesslers »ausgesuchter Eleganz«.76 Kesslers Begabung lag zweifellos in seiner spontanen Begeisterungsfähigkeit und in der »Schärfe und Feinheit seiner künstlerischen Sensibilität«, die ihn »selbst in der Elite« abseits stellte.77 »Sei es, dass er eine Reisebeschreibung oder ein Bühnenwerk, eine Biographie oder seine Erinnerungen niederschrieb, als Anreger wirkte oder einfach sich leben liess, immer war es Kunst, die sich gestaltete. So zog er die Besten magnetisch an, wo er auch ging bildeten sie seinen Kreis.«78 Kessler war ein Ästhet par excellence. Selbst die alltäglichsten Details erfüllte er mit einem Geist, der wie »die Meeresfrische einer taubedeckten Wiese oder der salzige Hauch des Meeres«79 zu beleben vermochte. »Harry bereitete«, so schrieb van de Velde, »jeden Lunch, jeden Tee mit größter Überlegung und Feingefühl vor. Wie ein kluger Regisseur ließ er diese Zusammenkünfte nach einem wohlaufgebauten Programm ablaufen, bei dem es keinem der Teilnehmer zu Bewußtsein kam, daß er gleichsam als Schauspieler mitwirkte. Alles ging nach einem Zeremoniell vor sich, in dem jedes falsche Wort, jede falsche Geste die Atmosphäre wie eine Beleidigung verdorben hätte, deren Urheber sich der allgemeinen Mißbilligung ausgesetzt hätten.«80 Sigurd Frosterus sprach auch von einer »unfehlbaren Sicherheit», die Kessler zu eigen war. »Seine Beletage mit den unersetzlichen Kunstschätzen, seine eigene Persönlichkeit, die Speisen und Getränke, das 37° C warme, mit Eukalyptus versetzte Wasser in den Fingerschalen, alles war wie aus einem Guß [...].«81 Und er rühmte zugleich Kesslers anmutigen und souveränen Umgang mit der Sprache: »nie klang Deutsch in meinen Ohren so perfekt und geschmeidig, so geschwind und geistreich, und als K[essler]. ein Kapitel aus der neuen Homer-Übersetzung vorlas, war der Eindruck der Sprache völlig geschwunden, und als man schließlich bei den Anekdoten angelangt war, um die man wohl bei keinem heiteren Mahl herumkommt, meinte man, diese auf französisch zu vernehmen.«82 Kessler beherrschte die Sprachen im Mündlichen wie im Schriftlichen virtuos. Mit Selbstverständlichkeit war er in der Lage, jedwede Konversation oder Korrespondenz auf Französisch, Englisch oder Deutsch zu führen. Kessler besaß zudem ein »grosses rednerisches Talent«83, und seine »unvergleichliche Gewandtheit und Überlegenheit«, auch schwierige Verhandlungen zu führen, rief selbst in Personen wie Eberhard von Bodenhausen mitunter neidvolle Bewunderung hervor.84 Als Meister der Diplomatie und Etikette wusste sich Kessler auf den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bühnen zu bewegen. Doch auch dort wirkte er oft ambivalent. Von den einen hofiert, wurde er von anderen als »boutonné«, »ganté«85 und »ziemlich hochmütig und ungeheuer versnobt« abgetan.86 Gerade in der kleinen Residenzstadt Weimar wirkte sein distinguiertes Auftreten oft befremdlich und auch beängstigend. Max von Münchhausen, ein ebenso begeisterter Nietzsche-Verehrer
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wie Kessler, sprach dem »tüftelnden Verstandesmenschen« gar jede Fähigkeit zur Liebe ab, und des Grafen selbstverlegter »Parkettboden der Korrektheit« behagte ihm gleich gar nicht.87 Was die einen anzog, stieß die anderen ab. René Schickele gestand einmal gegenüber seiner Vertrauten Annette Kolb: »Ich bleibe ›bei mir‹: Es gibt, wie so oft, peinliche Augenblicke, wo ich allein und deshalb besonders deutlich gegen Keßler bei der Stange bleibe. Ist es sein Titel (den sie unter sich gern kritisieren), ist es seine Stellung oder sind es seine Manieren, die immer wieder diese Menschen irgendwie unterwerfen?«88 Und ein anderes Mal reflektierte er: »Wie katastrophal Harry (besonders ›auf Anhieb‹) wirken kann, haben wir ja zur Genüge erfahren.«89 Selbst Eberhard von Bodenhausen musste feststellen: »Was es den Mann kostet, aufzuthauen!«90 Kesslers Auftreten und Lebensstil wurden nicht selten kritisiert. Während die Mutter primär das kostenintensive ›Dolce Vita‹ ihres Sohnes bemängelte, monierten Freunde mitunter Kesslers Hang zur Übertreibung, zur Inkonsequenz und zum Egoismus. Einhergehend damit wirkte sein stetiges ›auf Achse sein‹ oft verwirrend und enervierend. Ob Bildungs- oder Erholungsreise, Kurzausflug oder Besuchsfahrt, ob London, Paris oder Berlin, Kessler war permanent unterwegs, ohne eine eigentliche Mitte zu besitzen. Briefe an ihn, die mit der Frage nach dem derzeitigen Aufenthaltsort beginnen, sind in den Korrespondenzen keine Seltenheit. Eberhard von Bodenhausen bezeichnete seinen Freund deshalb schon frühzeitig spaßhaft als »vereidigten Wandervogel«,91 und für Hannah Arendt blieb Kessler als »literarischer Hansdampf«92 im Gedächtnis. Der Gegensatz zwischen äußerem Lebensstil und dem weithin gehüteten Geheimnis der eigenen Gefühls- und Wesenswelt muss Kessler zeitlebens in einem Spannungsfeld gehalten haben, welches er aufzulösen weder willens noch in der Lage gewesen ist. Als Gentleman galt es, Diskretion in jeder Lebenslage zu bewahren, was für einen verschwiegenen Mann wie Kessler offensichtlich permanente Selbstkontrolle und Unterdrückung eigener Gefühle bedeutete. Er selbst schrieb: »Der Gentleman mußte vor allen Dingen Haltung haben; seine Erziehung gipfelte darin, ihn zu lehren, in keiner Lage oder Gefahr, vor keiner Drohung die Haltung, die Spannkraft des Willens und die Herrschaft über sich selbst zu verlieren. Er mußte in jeder Situation die Nerven behalten, ›plucky‹ sein, nicht kneifen, vorangehen, führen. – Überhaupt wurden beim Gentleman sichtbare Gemütsbewegungen nicht gern gesehen; er sollte seine Gefühle, soweit er solche hatte, nach Möglichkeit für sich behalten und sogar nächsten Freunden und Verwandten, Vater oder Mutter nur verschleiert zeigen! Sein Gefühlsleben unterlag so einem fortgesetzten Druck, einem Netz von Hemmungen, durch die es gedrosselt, erstickt oder in unergründliche Tiefen getrieben wurde!«93 Kessler hielt offenbar an Eigenschaften fest, die man als typisch aristokratische bezeichnen dürfte. Dazu gehörten neben einem ausgeprägten Ehrgefühl, Willensstärke, Selbstbeherrschung und Selbständigkeit vor allem Hochschätzung der Familie und des Charakters. In Folge der englischen Erziehung und einer
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Orientierung am Vorbild des britischen Gentleman war Kessler seit seiner frühesten Kindheit mit diesem Leitbild verwachsen, das für sein ganzes Leben schicksalhaft prägend wurde.
3. Henry van de Velde – Werdegang und Persönlichkeit »Im Jahre 1894, am Ende des vorigen Jahrhunderts, gab es zahllose Pioniere des Gedankens eines neuen Stils. Wenige wurden durch die Verhältnisse getrieben wie ich. Wenige wurden wie ich durch das Geschick fortgerissen, mußten ihre Heimat verlassen, um die Last der Apostelschaft auf sich zu nehmen. Trotz allem, was mir das Leben in der Folge nicht erspart hat, habe ich noch nie gewünscht, daß es anders gewesen wäre. Mein Leben ist zu reich an Taten, Stürzen, Siegen und Erinnerungen, zu reich an Freunden und Feinden, als daß ich mich undankbar gegen das Geschick zeigen dürfte! Mein ganzes Leben gehört der Geschichte an; der Geschichte einer sittlichen und ästhetischen Erhebung, die sich auf das Neue stützte.«94 Van de Veldes feinsinniges Gespür für Kunst, Poesie und Musik, aber auch für die Tiefgründigkeit des Lebens und der eigenen Gefühlswelt wurde bereits in der Kindheit entscheidend genährt. Äußere Einflüsse, aber vor allem zwischenmenschliche Begegnungen formten den sensiblen Jungen nachhaltig. Peter Benoit95 und Max Elskamp spielten für die frühe Persönlichkeitsentwicklung Henry van de Veldes eine ebenso große Rolle wie die vertrauten Bezugspersonen der Familie. Während die einen seine kreative Seite zu wecken vermochten, bedachten ihn die anderen mit der nötigen Herzenswärme und schufen damit eine für die Wesensformung bedeutsame und zukunftswirksame Basis. Van de Velde wuchs glücklich und behütet im Schoße einer gutbürgerlichen, weltoffenen und in Eintracht lebenden Großfamilie heran. Der Umstand, ein möglicher Nachfahre des »bevorzugten Hofnarren Philipps II. von Spanien« zu sein, bereitete ihm offenbar ebenso Genugtuung wie die Tatsache, vorwiegend Handwerker, Apotheker aber auch einen »glühenden Monarchisten« und Verteidiger des Flämischen zu seinen Vorfahren zählen zu dürfen.96 Die moralische Atmosphäre seines Elternhauses beschrieb van de Velde später als natürlich und denkbar rein. »Zwischen meiner Mutter und meinem Vater herrschte schönstes Einvernehmen. Sie hatten den gleichen Geschmack, die gleichen Meinungen, und die gleichen Empfindungen bestimmten ihr Tun und ihr Denken.«97 Dem gefühlsbetonten Kind stand die Mutter Jeanne Aimée Aurore am nächsten. Ungeachtet der sechsköpfigen Geschwisterschar wünschte der junge van de Velde nichts sehnlicher, als »der Erwählte« ihres Herzens zu sein.98 »Lange bevor es mir eigentlich bewußt wurde«, schrieb er viele Jahrzehnte später, »habe ich meinem Vater herzliche Hochachtung, meiner Mutter aber unendliche Liebe entgegengebracht.«99 Wie eng die Beziehung zwischen Mutter und Sohn tatsächlich war, belegen eindrücklich van de Veldes Lebenserinnerungen. Er war gerade erst 24 Jahre alt, als er von der unheilbaren Krankheit
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seiner Mutter erfuhr. Ihr Tod traf ihn, wie nachfolgend zu lesen sein wird, in einer besonders entscheidenden Lebensphase. Neben der Mutter und der älteren Schwester Jeanne gehörte die Großmutter Virginie de Paepe zu den wichtigsten weiblichen Bezugspersonen der Kindheit.100 Sie war nicht nur »die beherrschende Gestalt« der Familie, »der alle gehorchten, die alle zu Rate zogen und verehrten«, sie war trotz ihrer Autorität immer gerecht denkend und bereit, dem Wandel der Sitten und Zeiten zu folgen.101 Van de Velde schätzte seine Großmutter aufgrund ihrer Charakterstärke. Respekt zollte er ihrer Lebensleistung, denn jung verwitwet hatte sie den Beruf ihres Mannes weiterführen und fünf Kinder selbständig versorgen müssen.102 Entgegen der vorrangig gefühlsbetonten Beziehung zur Mutter beruhte das Verhältnis zum Vater auf respektvoller Hochachtung.103 Einhergehend mit dem starken Gefühl der Verehrung war die Beziehung zwischen Vater und Sohn über lange Zeit von einer natürlichen Distanz geprägt, die sich erst dann vollständig zu lösen begann, als van de Velde 1893 vor der Verlobung mit seiner zukünftigen Frau Maria stand.104 Die Distanz schwand schließlich zugunsten liebevollen Einvernehmens und herzlichen Entgegenkommens.105 Tatsächlich war Guillaume van de Velde ein rechtschaffener und gebildeter Mann mit hoher Reputation und zahlreichen Verdiensten.106 Von Beruf Apotheker bekleidete er darüber hinaus wichtige Ehrenämter, wobei sein besonderes Engagement der Verbesserung des Gesundheitswesens, speziell der Vorbeugung von Epidemien galt. Er besaß in Antwerpen eine gut florierende Apotheke, beschäftigte mehrere Angestellte und betrieb chemische Analysen für die Forschung. Neben seiner beruflichen Tätigkeit gehörte jedoch die Musik zu seinen großen Leidenschaften. Als Präsident der Société de la musique und enger Freund von Peter Benoit war Guillaume van de Velde im Musikleben der kunstfreudigen Metropole Antwerpen tief verwurzelt und mit den neuesten Musikströmungen bestens vertraut. Die großen Musikfestivals unter Leitung der Société zählten zu den kulturellen Höhepunkten der Stadt. In mehrfacher Hinsicht legendär wurde auch der Besuch von Franz Liszt 1881 in Antwerpen. Van de Velde, gerade 18-jährig, lernte den großen Maestro persönlich kennen, als dieser auf Einladung des Vaters im Elternhaus in der Falconplein zu Gast war.107 Inspiriert durch die musisch geprägte Atmosphäre des Elternhauses entwickelte van de Velde frühzeitig ein sicheres Gespür für Musik. Er lernte das Klavierspielen, nahm Gesangsstunden und besuchte mit lebhaftem Interesse zahlreiche Konzerte. Auf diese Weise kam er direkt mit der zeitgenössischen Musik von Gounod, Berlioz, Wagner, Liszt und Brahms in Berührung. Im kindlichen Ehrgeiz suchte er sein Vorbild Peter Benoit zu imitieren, fühlte er sich doch insgeheim zum Dirigenten berufen. Obgleich sein Vater diesen Kindheitstraum letztlich begrub, liebte van de Velde zeit seines Lebens die Musik und entwickelte auf diesem Gebiet eine große Kennerschaft.108 Van de Velde verbrachte Kindheit und Jugend in einer Stadt, die zu den größten Handelsstädten Europas zählte und seit Mitte des 19. Jahrhunderts einen prosperierenden Aufschwung erlebt hatte. Als Gegenpart zu Brüssel, der Hauptstadt des
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Königreichs Belgien, entwickelte sich Antwerpen mit seinen knapp 115.000 Einwohnern zur eigenständigen Kulturmetropole Flanderns.109 Der seit 1830 schwelende Sprachenstreit hatte auch Einfluss auf van de Velde.110 Da seine Familie der gebildeten flämischen Bevölkerungsschicht angehörte, sprach man im Hause van de Velde selbstverständlich Französisch. Dies stand in keinem Widerspruch zum eigenen Nationalgefühl, das eher flämisch geprägt war. Wie viele seiner Landsleute beherrschte van de Velde sowohl Französisch als auch Niederländisch fließend, wobei er der französischen Sprache in Wort und Schrift den Vorrang gab.111 Van de Veldes Schulausbildung entsprach dem üblichen Bildungsgang eines Jungen aus gutbürgerlichem Hause. Als Fünfjähriger wurde er in eine Privatschule eingeschult. Später besuchte er das Gymnasium. Seinen eigenen Worten zufolge empfand er sich bereits damals als eine Art Sonderling. Nur schwer konnte er Freunde finden, und klein von Wuchs wurde er »Stok’ske« (Stöckchen) genannt.112 Erst mit dem Wechsel in die Lateinklasse des Königlichen Atheneum und der dort geknüpften Freundschaft zu Max Elskamp vollzog sich eine wichtige und nennenswerte Veränderung. Der spätere Dichter Max Elskamp wurde zu seinem engsten Freund und Begleiter.113 In ihm fand er einen Seelenverwandten, der ähnlich wie er die kreativen Neigungen zu ergründen suchte und sich der eigenen Interessen bewusst, vor allem literarischen Themen zuwandte. Gemeinsam entdeckten sie die symbolistische Literatur, das flämische Volksleben und erlebten eine Zeit gemeinsamer Befruchtung. Nahezu täglich besuchten sie den Hafen, dessen magischer Reiz sie tief beeindruckte und das spätere Werk beider nachhaltig prägen sollte.114 Während Elskamp die Eindrücke literarisch umsetzte, drückte sich van de Veldes Affinität zu Schiffen vielfältig in seinem späteren raumkünstlerischen Schaffen aus. Mit dem Abgang vom Königlichen Atheneum im Jahr 1880 begann für van de Velde eine Phase der allgemeinen Suche. War die Kindheit und Jugend in geordneten und recht beschaulichen Bahnen ohne störende Einflüsse verlaufen, schloss sich von 1880 bis 1893 eine Zeit intensiver Auseinandersetzung mit der eigenen Person und den eigenen künstlerischen Bestrebungen an. Kurz formuliert: van de Velde durchlebte einen komplexen Selbstfindungsprozess. Die geheime Kraft seines Willens begann in jener Form lebendig zu werden, indem sie den jugendlichen van de Velde befähigte, die eigene Zukunft persönlich und ohne äußeres Zutun zu gestalten. Eine ihm wesenseigene Entschiedenheit leitete ihn intuitiv, ein Gespür für die eigene Begabung gab ihm Halt, lediglich die Suche nach geeigneten Ausdrucksmöglichkeiten und nach der künstlerischen Mission gestaltete sich schwierig. Sein Drang nach aktiver Gestaltung und Unabhängigkeit war jedoch die eigentliche Triebfeder. So dauerte der künstlerische und persönliche Reifungsprozess mehrere Jahre. Er wurde von Prüfungen, Zweifeln, Schicksalsschlägen und finanzieller Unsicherheit begleitet, aber auch von persönlich glücklichen und einflussreichen Begegnungen getragen. Erst mit der endgültigen Abwendung von der Malerei zum Kunstgewerbe und der
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anstehenden Hochzeit mit Maria Sèthe kann diese Zeitphase als abgeschlossen betrachtet werden. Es war eine tiefempfundene Neigung zur Malerei, die den 17-jährigen van de Velde veranlasste, nach Beendigung des Gymnasiums an der Académie des Beaux Arts in Antwerpen zu studieren. Begünstigt durch ein trauriges familiäres Ereignis, das alle Aufmerksamkeit von ihm ablenkte, schrieb er sich heimlich und ungeachtet der Absichten des Vaters, der eine Karriere im Staatsdienst vorsah, an der Akademie ein.115 Dieser Schritt, charakteristisch für van de Veldes unabhängige Gesinnung, gab seinem zukünftigen Weg die endgültige Richtung. Das Studium der Malerei und die Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Kunst wurden zum Kernpunkt der nächsten Jahre. Bereits im ersten Studienjahr, der Vater hatte mittlerweile nach eingehender Prüfung der Berufswahl zugestimmt, errang van de Velde dank seines exquisiten zeichnerischen Talents erste Erfolge und hob sich dadurch aus der Masse der 1.600 Akademieschüler ab. Er gewann den Prix d’excellence und eine Silbermedaille.116 Auch bat ihn der Direktor der Akademie Charles Verlat im dritten Studienjahr, Schüler seines privaten Ateliers zu werden. Trotz dieser Ermutigung und Bestätigung empfand van de Velde jedoch immer mehr den Widerspruch zwischen der akademischen Lehrmethode und den eigenen Neigungen. Später schrieb er: »Kann man sich heute noch vorstellen, daß Landschaftsmalerei in einem Atelier gelehrt wurde, in dem vertrocknete, in den Sand gesteckte Bäume verschiedener Gattung je nach der Jahreszeit mit grünen oder gelben Blättern behängt wurden? Für Winterlandschaften wurden Wattebäusche an die Zweige gehängt und Gips auf den Boden gestreut!«117 Der Nachruf auf seinen Lehrer Verlat fiel 1890 schließlich dementsprechend harsch aus. Nüchtern konstatierte van de Velde, dass Verlat offenbar an der Krankheit gestorben sei, die er gelehrt habe.118 Ausgelöst durch den tiefen Eindruck von Manets Gemälde ›Bar aux folies Bergères‹ auf der Antwerpener Kunstausstellung von 1882 wünschte van de Velde nichts sehnlicher, als den Ursprüngen dieser Malerei auf den Grund zu gehen und nunmehr selbst aktiv am Kunstgeschehen teilzuhaben.119 Zusammen mit einigen Studienkollegen gründete er im Oktober 1883 die Vereinigung ›Als Ik Kan‹. Damit eröffnete sich für ihn zum ersten Mal die Möglichkeit, öffentlich auszustellen. Obgleich er sich innerhalb der Gruppe zunehmend isoliert fühlte und schon nach drei Jahren aus der Gemeinschaft austrat, blieb er in freundschaftlichem Kontakt, suchte sich jedoch neue Wirkungsfelder. Vom tiefen Wunsch getragen, mit dem Ort der »künstlerischen Revolution« hautnah in Berührung zu kommen, erreichte van de Velde im Oktober 1884 Paris.120 Er war bereits 21 Jahre alt und bezog noch immer finanzielle Unterstützung vom Vater. »Meine bescheidenen Mittel erlaubten mir, ein Atelier zu besuchen und mich anständig und sauber gekleidet bei Künstlern und in anderen Kreisen vorzustellen, für die ich Empfehlungsschreiben erhalten hatte.«121 Peter Benoit, selbst mit der Pariser Gesellschaft vorzüglich vertraut, fungierte als einflussreicher Vermittler. Dank
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seiner Empfehlung wurde van de Velde schließlich an den »berühmtesten Pariser Porträtmaler« Carolus-Duran vermittelt, dessen Lehrmethode van de Velde jedoch nach kurzer Zeit sehr zweifelhaft erschien.122 »Carolus-Durans Rezept des Lokaltons, auf den Lichter und Schatten zu setzen seien, erweckte die Illusion von natürlicher Eleganz und ausdrucksvoller Vornehmheit. Aber das eine wie das andere ergab nichts als eine vorgetäuschte Lebendigkeit, durch die alles, was aus diesem Atelier hervorging, monoton erschien trotz allen Rückgriffs auf Velasquez oder Goya. Die Virtuosität des Pinselstrichs war das Gegenteil der wahren Empfindung, die in den Werken der großen Meister zum Ausdruck kommt.«123 Van de Velde wehrte sich innerlich dagegen, das allgemeingültige Rezept dieses Malers auf sich übertragen zu sehen und erhielt deshalb den Rat, Manets Werke zu studieren und die Richtung der künstlerischen Neigung selbst zu bestimmen.124 »So lernte ich frühzeitig ein von Eitelkeit und Schmeichelei saturiertes Milieu kennen, dessen Hauptakteur von seinem Weltruf so überzeugt war, daß er einem amerikanischen Industriekönig, der seine Adresse notieren wollte, bescheiden sagte: ›Schreiben Sie nur: Carolus-Durand, Europa‹.«125 Van de Velde führte während seines mehrmonatigen Aufenthalts in Paris eine bescheidene Existenz. Er lebte von einem dürftigen Tagegeld, pflegte nur ihm nötig erscheinende Sozialkontakte, besuchte jedoch mit Leidenschaft Vorstadttheater und Kammermusikabende. Der lebhaft empfundene Kontrast zwischen dem affektierten Milieu der Modemaler und dem eigenen Lebensstandard, zwischen Schein und Sein, zwischen aufgestülpter Lehrmethode und innerlicher Verweigerung brachte van de Velde zunehmend zum Grübeln. »Während des Winters 1884/85 hatte ich in dem bescheidenen Hotelzimmer viele Abende über die Gefahr nachgedacht, die auch einen sehr begabten Künstler bedroht, der zu leicht oder zu rasch zu Erfolg gelangt. Ich zerbrach mir den Kopf über das Künstlerleben, das ich führen wollte. Das Beispiel derer, die den Ruhm mit Opfern und Entbehrungen erkauft hatten, übte eine starke Anziehung auf mich aus. […] Ich sehnte mich immer mehr nach einem zurückgezogenem Leben auf dem Lande. Zu jener Zeit war das eindrucksvollste Beispiel für das Bild, das ich mir von einem Künstler und den ihm auferlegten Opfern machte, Jean-François Millet. […] Millet sollte mein Leitstern sein.«126 Er ging nach Barbizon, das jedoch zwischenzeitlich zu einem künstlichen Dorf geraten war. Der Zauber des einfachen Malerlebens schien verflogen. Stattdessen erwarteten den suchenden van de Velde eine »Bande von Pseudokünstlern der Ecole des Beaux Arts« und viel Ausflugslärm.127 Ohne zu zögern verließ er nach nur einigen Wochen Barbizon und reiste wieder in die Heimat. Kaum nach Antwerpen zurückgekehrt führte van de Velde förmlich der Zufall zu jenem Ort, der für die nächsten Jahre zu seinem Lebenszentrum werden sollte. Wechel der Zande war ein kleines unscheinbares Dorf inmitten der flämischen Heide, wohin er Freunden gefolgt war, um für kurze Zeit dem Antwerpener Karnevalstrubel zu entgehen. Aus dem geplanten Kurzaufenthalt wurden vier lange
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Jahre, »Jahre der Einsamkeit«, wie er sie später in seinen Memoiren betitelte.128 Im Einvernehmen mit den Eltern, die seinen bescheidenen Lebensunterhalt weiterhin finanzierten, und zur Verwunderung der Freunde übersiedelte van de Velde 1885 im Alter von 22 Jahren in die Abgeschiedenheit. Sein Entschluss war spontan, vor dem Hintergrund der Suche nach innerer Einkehr jedoch die logische Folge. Wie all die bisherigen Entschlüsse war auch diese Entscheidung selbst gewählt. Sie resultierte aus van de Veldes wesenseigenem Drang, Gesetzmäßigkeiten des eigenen Lebens immer tiefgründig zu begegnen und sie als Teil des persönlichen Reifungsprozesses vollständig zu durchdringen. So trachtete er in jener Phase seines Lebens immer wieder intuitiv danach, den Puls des einfachen, von Entbehrungen gezeichneten Landlebens zu ergründen und gleichzeitig das Wesen des eigenen Künstlerdaseins zu hinterfragen. Diese Tendenz zur »Stadtflucht« resultierte nicht nur aus dem Bedürfnis, rein und schlicht leben zu wollen, sondern vor allem aus der stark empfundenen Liebe zur Natur, die ihm stets Kraft- und Inspirationsquelle blieb. Bereits vor seinem Aufenthalt in Paris hatte van de Velde drei Monate in dem flämischen Dörfchen Calmpthout (Kalmthout) gelebt, das er seit 1881 kannte und wo er von Juli 1884 bis Oktober 1886 offiziell registriert war und nachweislich bei einem kinderlosen Ehepaar bescheiden zur Miete wohnte.129 Später sollte dieser Ort erneut, wenn auch nur zeitweise, eine bedeutende Rolle im Leben des jungen Mannes einnehmen.130 Mit dem Aufenthalt in Wechel der Zande, der trotz zahlreicher Unterbrechungen bis 1890 währte, unterzog sich van de Velde seiner ersten großen Lebensprüfung.131 »In Paris hatte ich gelernt, mich an die Einsamkeit zu gewöhnen; hier in Wechel der Zande, sollte ich lernen, sie zu lieben.«132 Er ließ sich von der Landschaft bezaubern, erfasste die Phänomene des Lichts, studierte Tiere und Menschen bei der Arbeit, erlernte verschiedene Techniken des Ackerbaus und wurde somit Teil der kleinen Dorfgemeinde. Während van de Velde ganz und gar im einfachen Landleben aufging, gestaltete sich die künstlerische Findung schwieriger. »Ich war in Wechel der Zande mit höchst widerspruchsvollem künstlerischem Gepäck angekommen und hatte mich zuerst freizumachen von dem, was ich an der Antwerpener Akademie, im Atelier von Verlat und bei Carolus-Durand gelernt hatte.«133 Auf der Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksmitteln löste sich van de Velde zunehmend von der akademischen Malmanier und entwickelte einen Stil, der sich unter dem Einfluss der modernen Kunstströmungen zaghaft, tastend und stufenweise entfaltete, jedoch nie in persönliche Zufriedenheit mündete. Zunächst erprobte van de Velde die Technik des Impressionismus, die seiner »vibrierenden und spontan reagierenden Natur« entgegenkam.134 Der Duktus seiner Gemälde und Zeichnungen wurde fortan freier, lockerer und lichtdurchfluteter. Die erdige Schwere verschwand zugunsten schwirrender Farben, das gegenständlich Starre zugunsten bewegend leichter Formen. Die folgenreiche Begegnung mit Seurats Gemälde ›Un Dimanche à la Grande Jatte‹ (1884–86) im Jahr 1887 in Brüssel und die daraus resultierende
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Beschäftigung mit der Technik des Divisionismus markierte den nächsten Richtungswandel. Van de Velde trennte sich vom naturalistischen Impressionismus und widmete sich eingehend der Maltechnik des wissenschaftlichen Neo-Impressionismus, wobei er sich an den Werken von Georges Seurat und Paul Signac orientierte. Die letzte stilistische Kurskorrektur erfolgte schließlich 1890 und stand unter dem Eindruck der farbgewaltigen Werke Vincent van Goghs, die van de Velde 1890 und 1891 auf Ausstellungen lebhaft bewundert hatte. Abermals wandelte sich sein Stil. Energiegeladene und doch weiche Linienströme durchdrangen nunmehr das zeichnerische und malerische Œuvre seiner letzten Schaffensphase. So hart van de Velde daran arbeitete, die akademische Malmanier abzustreifen und neue Maltechniken zu erproben, so natürlich und ungezwungen konnte sich gleichzeitig der eigentliche Kern seiner späteren Kunst herausformen und entfalten. Auf der Suche danach, die Wesenszüge der Zeichnung zu erforschen sowie eine »radikale Zeichenschrift« für die Gesten und Bewegungen der arbeitenden Bauern zu finden, setzte sich van de Velde bereits 1886 erstmalig mit dem Wesen der Linie auseinander.135 Die Frage nach dem Sinn, der Funktion und der Natur der Linie wurde für ihn fortan zum zentralen Leitthema, das ihn sowohl in der Theorie als auch in der Praxis intensiv beschäftigen sollte. »Nur wenige betrachten und empfinden die Zeichnung als spontane gestische Manifestation, die von den Akzenten und Schwüngen der Linie hervorgerufen wird; die unser ganzes Wesen erfüllt, wie eine Fahne oder ein Segel im Wind schwingt, wie der Klang der Stimme oder eines Instrumentes, der sich durch die Lüfte bewegt.«136 Ende der 1880er Jahre begann van de Velde, vor dem Meer zu zeichnen – einerseits, um in einer Zeit persönlicher Niedergeschlagenheit »alle Bedeutung des Lebens […] in den Wellen und Rhythmen des Meeres« zu suchen, andererseits um der Bedeutung der Linie und des Ornaments auf den Grund zu gehen.137 »Nur an Tagen des Frostes breitete sich das Meer in stillem Glanz aus. An solchen Tagen stieg ich mit Zeichenblock und Pastellstiften zum Strand hinab, um die linearen Arabesken aufzuzeichnen, die die zurückflutenden Wellen im Sand hinterließen. In den Dünen bei Knokke hatten mich schon früher ähnliche Bildungen fasziniert: vergängliche, eigenwillige, raffinierte abstrakte Ornamente, die der Wind in den Sand zeichnete. Auch als ich die Malerei aufgegeben hatte, verließ mich der Dämon der Linie nicht, und als ich die ersten Ornamente schuf, entstanden sie aus dem dynamischen Spiel ihrer elementaren Kräfte.«138 Anregungen auf der Suche nach einem neuen Stil empfing van de Velde zeitgleich aus unterschiedlichen Quellen, die allesamt prägend wirkten. An vorderster Stelle stand nach eigenem Bekunden Georges Seurats Theorie über die Ausdruckmöglichkeit der Linie, nach welcher eine fallende Linie Traurigkeit, eine ansteigende Linie Heiterkeit und eine horizontale Linie Ruhe ausdrückt.139 Ferner inspirierten van de Velde die Qualitäten japanischer Holzschnitte, speziell ihre Farbe, Technik, Rhythmik und Symbolik, als auch die »revolutionäre Rhythmik« der Gedichte von Stéphane Mallarmé, Gustave Kahn, Jules Laforgue und Paul Verlaine.140 In Kenntnis dieser Strömungen suchte
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van de Velde nach einer erweiterten Liniensymbolik und fertigte in diesem Kontext 1892 erste Holzschnitte und Zeichnungen für Druckwerke, wie für den Gedichtband ›Dominical‹ von Max Elskamp, für den ersten Ausstellungskatalog der ›L’Association pour l’Art‹ sowie für die flämische Avantgarde-Zeitschrift ›Van nu en straks‹, deren Mitbegründer er war. Im gleichen Jahr gestaltete er auch seine erste kunstgewerbliche Arbeit, die Applikationsstickerei ›Engelwache‹. Einhergehend mit dem Drang zur künstlerischen Selbstentfaltung zeigte van de Velde eine ausgesprochene Empfänglichkeit für äußere Einflüsse. Er musste den Puls der Zeit förmlich spüren, um persönlich reifen und sich künstlerisch weiterentwickeln zu können. Dazu gehörte, dass er trotz Phasen selbst gewählter Einsamkeit immer wieder den Kontakt zu den pulsierenden Kunstzentren Brüssel und Antwerpen suchte und aktiv am Kunstgeschehen der beiden Städte teilhaben wollte. Von zentraler Bedeutung war in diesem Zusammenhang die Aufnahme in die fortschrittliche Künstlervereinigung ›Les Vingt‹ (›Les XX‹), die auf Empfehlung des Malers Adrien-Joseph Heymans im November 1888 erfolgte. Van de Velde wurde zusammen mit Auguste Rodin und Georges Lemmen zum neuen Mitglied berufen. Mit der Aufnahme eröffneten sich für den jungen Künstler zahlreiche neue Wirkungsfelder und Kontaktquellen. Zum einen konnte van de Velde durch die Teilnahme an nationalen und internationalen Ausstellungen verstärkt öffentlich in Erscheinung treten. Zum anderen kam er frühzeitig mit den führenden Avantgarde-Künstlern seiner Zeit in Kontakt, von denen Théo van Rysselberghe, Willy Finch, Constantin Meunier, Georges Minne, Émile Claus, Camille Pissarro, Paul Signac, Maximilien Luce, Maurice Denis, Jan Toorop und Johan Thorn Prikker zu engen Freunden wurden.141 Viele der Freundschaften hatten selbst noch nach Jahrzehnten Bestand. Und es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass van de Velde mit seinem sicheren Gespür für Kunst in jener Phase seines Lebens die Grundsteine für seine vorzügliche Kennerschaft auf dem Gebiet der zeitgenössischen Malerei legte, von der später letztlich auch Harry Graf Kessler maßgeblich profitieren konnte. Ein weiterer wichtiger Wirkungskreis erschloss sich van de Velde über das eigene Schreiben und Publizieren. So war er ab 1889 nebenbei als Rezensent, Kunstkritiker und Beobachter der Kunstszene für die Blätter ›La Revue Générale‹, ›La Wallonie‹ und ›L’Art Moderne‹ sowie ab 1893 für die flämische Zeitschrift ›Van nu en straks‹ tätig. Innerhalb von fünf Jahren veröffentlichte er allein 35 Beiträge zu aktuellen Ereignissen, wie Ausstellungen und Veranstaltungen, zu Kunstwerken und Künstlern sowie ab 1893 vermehrt zu kunstgewerblichen Themen. Es darf als Geste der Dankbarkeit und des Respekts verstanden werden, dass van de Velde seinen ersten Aufsatz dem Maler Adrien-Joseph Heymans widmete, der als Mentor, Vorbild und schließlich auch als Vermittler eine entscheidende Rolle am bisherigen Werdegang des Künstlers innehatte. Dagegen fiel, wie eingangs bereits erwähnt, das Urteil über den ehemaligen Akademielehrer Charles Verlat in einem kurz darauf erschienenen Aufsatz weniger schmeichelhaft aus.142
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Trotz des zweifelsohne neu hinzugewonnenen Selbstbewusstseins suchte van de Velde bei allem Aktionismus noch immer nach der Richtung seines Schaffens. Kraft, moralischen Ansporn und wichtige Impulse hierfür empfing er aus den Kreisen um Edmond Picard, in dessen Brüsseler Haus am Boulevard de la Toison d’Or die kulturelle Elite des Landes zusammentraf. »Wir hatten uns um ihn geschart, der alle Mittel seiner brillanten politischen und wirtschaftlichen Situation und seine angeborene Genialität in den Dienst der freien künstlerischen Äußerung, der Persönlichkeit des Künstlers und der unantastbaren geistigen Unabhängigkeit auf den verschiedensten Gebieten der menschlichen Tätigkeit gestellt hatte. Edmond Picard repräsentierte […] ›einen der bedeutendsten menschlichen Werte Belgiens‹.«143 In diesem intellektuellen Milieu traf van de Velde auf Politiker, Minister und Anwälte ebenso wie auf Künstler, Musiker und Schriftsteller. Hier knüpfte er Kontakte von zukünftigem Wert und fand Austausch zu soziologischen, philosophischen und politischen Themen, die ihn seit dem Studium der Werke von Bakunin, Kropotkin, Reclus, Nietzsche, Morris und Ruskin immer mehr beschäftigten.144 Es gehörte zu van de Veldes persönlichem Reifeprozess, dass er auch lernen musste, mit besonders harten Schicksalsschlägen umzugehen, wie im Jahr 1887, als er in einer besonders komplexen Selbstfindungsphase von der unheilbaren Krankheit seiner Mutter erfuhr.145 Da er zu diesem Zeitpunkt vorwiegend auf dem Land lebte und noch nicht in den Kreis der ›Les Vingt‹ integriert war, nahm er seine Mutter zu sich nach Wechel der Zande und pflegte sie bis zu ihrem Tod aufopferungsvoll. Zahlreiche Porträts und Skizzen, die van de Velde in dieser Zeit von seiner Mutter anfertigte, zeugen von der innigen Zweisamkeit, die beide verband. Rückblickend verglich er die Monate bis zu ihrem Tod mit einem langen Aufenthalt in einem Garten. »Ich erinnere mich, daß es meine größte Sorge war, ob die Sonne, die ihren armen Körper wärmen sollte, am nächsten Tage aufgehen würde oder nicht.«146 Jeanne Aimée Aurore van de Velde verstarb nach nur wenigen Monaten im Juli 1888 im Alter von 62 Jahren. Dem sensiblen van de Velde war damit die engste Bezugsperson genommen, und er versank innerlich in Schwermut. Trotz der vielen Aktivitäten und Ablenkungen, die sich dank der Aufnahme bei den ›Les Vingt‹ kurz darauf ergaben, brauchte van de Velde fünf Jahre, um über den Tod der Mutter hinwegzukommen. Seiner zukünftigen Frau Maria vertraute er Ende 1893 an, dass sich die offene Wunde erst nach dieser langen Zeit geschlossen habe.147 Unterdessen suchte van de Velde immer wieder Trost in der Natur, in der Lektüre und bei nahestehenden Verwandten. Zudem litt er ab 1889 zunehmend unter psychosomatischen Beschwerden, die sich in Form von depressiven Verstimmungen oder Erschöpfungszuständen bemerkbar machten und von Antriebslosigkeit oder körperlichen Schmerzen begleitet sein konnten. Van de Velde führte diese Symptome auf ein »neurasthenisches Leiden« zurück, das ihn zeit seines Lebens plagte.148 In wiederkehrenden Abständen musste er sich daher später in Behandlung, zur Kur oder auf ausgedehnte Urlaube begeben. Auch Nervenzusammenbrüche, Lähmungserscheinungen, Migräneanfälle, die
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Neigung zu schmerzhafter Furunkelbildung oder starken Herzschmerzen waren zuweilen die Folge einer oftmals zu großen psychischen und physischen Belastung. Gleichzeitig gehörte es zu van de Veldes Wesen, dass er diese Leiden akzeptierte und spätestens seit der positiven Einflussnahme durch Maria Sèthe offen darüber schrieb, wovon zahlreiche, auch an Kessler gerichtete Briefe zeugen. Es zeigt sich hier eine stillere und weniger bekannte Seite van de Veldes. Nach dem Tod der Mutter geriet van de Velde zunächst in eine persönliche Sinnkrise. Aus Furcht vor der Einsamkeit verfiel der Künstler entweder in übermäßig hektische Betriebsamkeit oder zog sich zu Verwandten zurück. Ohne einen festen Wohnsitz zu besitzen, lebte van de Velde von 1888 bis 1893 abwechselnd bei seinem Bruder Laurent van de Velde in Blankenberghe, bei seinem Vater in Antwerpen, bei seiner Großmutter und seinem Onkel in Laeken, bei seiner Tante Maria und seinem Onkel Guillaume de Paepe in Knokke oder bei seiner Lieblingsschwester Jeanne Biart in Kalmthout, wo er sogar über ein eigenes Atelier verfügte und wo rückblickend 1892 ein wichtiges Kapitel seines Lebens zu Ende ging. In diesem Sommer beschloss van de Velde nicht nur die Mitbegründung der flämischen Avantgarde-Zeitschrift ›Van nu en straks‹, für die er schließlich Typographie und Dekoration entwarf, vielmehr malte er in Kalmthout sein letztes Gemälde und trennte sich somit nach zehn Jahren von der Malerei, um seinem Kunstschaffen eine neue Richtung zu geben.149 Die Folgejahre brachten den endgültigen Wandel vom Maler zum Kunstgewerbler. Die Entscheidung, einen völlig neuen Weg zu beschreiten, war mehreren Umständen geschuldet. Sie war vornehmlich das Resultat des geschilderten persönlichen und künstlerischen Selbstfindungsprozesses und erst in zweiter Linie ein Phänomen der Zeit um 1900. Van de Veldes wesenseigener Drang nach aktiver Gestaltung und Unabhängigkeit hatte keine Erfüllung in den Ausdrucksmöglichkeiten der Malerei gefunden. Zudem mangelte es dem Maler van de Velde nach eigenem Bekunden an Selbstvertrauen, »tiefer Überzeugung« und »innerer Glut«.150 Je mehr Unzufriedenheit van de Velde im eigenen Schaffen empfand, umso größer wurden seine Empfänglichkeit für die mannigfaltigen Einflüsse einer in vielerlei Hinsicht als ›Frühling‹ empfundenen Zeit sowie seine Bereitschaft zur Weiterentwicklung. Es gehörte somit zwangsläufig zu seiner Entwicklung, dass er diesen Einflüssen folgen musste, um sie auf dem Weg zum eigenen Erkenntnisgewinn verarbeiten zu können. Durch das Selbststudium und den Kontakt zu intellektuellen Kreisen hatte sich van de Velde bereits intensiv mit philosophischen und sozialpolitischen Themen auseinandergesetzt. In diesem Kontext war er auch der Frage nach der Rolle des Künstlers nachgegangen und hatte sich mit den Ideen der englischen Arts-and-crafts-Bewegung rund um Ruskin und Morris vertraut gemacht. Hier fand er wichtige Ansatzpunkte. Ihn interessierte vor allem der Gedanke einer Erneuerung der Kunst durch die Rückkehr zum Kunsthandwerk und durch die Wiederbelebung alter Fertigungstechniken mit dem Ziel, der Hässlichkeit der Produkte des Maschinenzeitalters Einhalt zu gebieten und vernunftgemäße Kunst für alle zu schaffen. Van de Velde
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schöpfte Anregungen aus dem Wirken von Morris, der 1859 sein Haus nach eigenen Vorstellungen gebaut, 1861 eine Firma für Kunsthandwerk sowie 1891 die Kelmscott Press ins Leben gerufen hatte und bemüht war, zusammen mit Künstlern wie Voysey oder Ashbee die Traditionen des Kunsthandwerks in Rückbesinnung auf die Gotik und durch Gründung von Gilden neu zu pflegen. In Kenntnis der vielfältigen Bestrebungen, die von England ausgingen und in deren Folge Kunstgewerbemuseen, Kunstgewerbeschulen und Kunstgewerbevereine gegründet wurden sowie Kunstzeitschriften wie ›The Studio‹ oder ›Hobby Horse‹ erschienen, wurde van de Velde wie viele seiner Zeitgenossen von einer Welle des Neuaufbruchs erfasst und mitgerissen. Rückblickend schrieb er: »Da erschienen in den Schaufenstern der ›Compagnie Japonaise‹ in Brüssel die ersten Produkte, die von der Firma Liberty von England nach dem Kontinent exportiert wurden. […] In keiner anderen kontinentalen europäischen Stadt waren zu jener Zeit ähnliche Dinge zu sehen. Es gab grazile Möbel, die mit Lack in lebhaftem Grün oder Rot überzogen waren; helle, freundliche Töpfereien, irisierende Gläser und Metallgegenstände, deren Formen nichts Abgebrauchtes, bedruckte Stoffe, Tapeten mit heiteren Mustern, die etwas vom Rhythmus der ›Songs‹ und ›Dances‹ hatten, die neuerdings aus den ›Music-Halls‹ vom Ufer der Themse in unsere Cafés importiert worden waren, deren zotige Couplets sie verdrängten. Wir genossen diese Dinge wie eine Art Frühling, der in unser Leben einbrach, in die graue Langeweile unserer Wohnräume mit ihren schweren, abgeschabten Möbeln, die jede Heiterkeit erstickten, mit all den verstaubten dummen Gegenständen, um die man herumschlich.«151 Auch die Künstler der ›Les Vingt‹ nahmen die neuen Tendenzen auf und stellten 1891 und 1892 erstmalig in der Geschichte der Vereinigung Arbeiten der angewandten Kunst aus: Plakate von Jules Chéret, illustrierte Kinderbücher von Walter Crane, Keramiken von Paul Gauguin, Willy Finch und Auguste Delaherche sowie Entwürfe für Stickereien, Bücher und Glasfenster von Selwyn Image, Herbert Horne und Albert Besnard.152 Was folgte, darf als Phänomen dieser Epoche angesehen werden. Da das Kunsthandwerk nunmehr ausstellungswürdig war, indem es seinen Platz unter den freien Künsten zurückerobert hatte, rückte das kunsthandwerklich gefertigte Produkt immer mehr in den Fokus der Kunstschaffenden. Namhafte Maler, die sich bisher ausschließlich der bildenden Kunst gewidmet hatten, versuchten sich in der Gestaltung von gebrauchskünstlerischen Gelegenheitsarbeiten. Théo van Rysselberghe und Georges Morren entwarfen Schmuck, Willy Finch und Paul Gauguin Keramiken, Anna Boch und Émile Bernard Paravents sowie Aristide Maillol Stickereien. Van de Velde griff dagegen ein Projekt auf, das ihn seit 1888 beschäftigte: die bereits erwähnte Ausführung einer großformatigen Komposition mit dem Titel ›La Veillée d’anges‹ (Engelwache).153 Ursprünglich für die Leinwand konzipiert, übertrug er den Entwurf auf Textil und fertigte im Winter 1892 in aufwendiger Handarbeit und nach den Theorien der komplementären Farbwirkung eine Applikationsstickerei, die er unmittelbar darauf im Salon der ›Les Vingt‹ 1893
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mit beachtlichem Erfolg präsentierte und als sein Aufnahmewerk in den Stand des Kunsthandwerkers betrachtete.154 Im Folgejahr entschloss er sich dann endgültig, von der Malerei zum Kunsthandwerk überzuwechseln und sein Schaffen in den Dienst einer aufkeimenden Mission zu stellen, die der Erneuerung des Kunsthandwerks galt. Gestützt wurde dieser Entschluss durch das maßgebliche Engagement von Maria Sèthe. Maria Sèthe war mit einer ungewöhnlichen und beherzten Offenheit zu Ostern 1893 in van de Veldes Leben getreten.155 »Ich bin diese Frau, die um jeden Preis ihr Glück will, – die entschieden hat, Ihnen in den Kampf zu folgen, und sei er aussichtslos«, hatte sie nur wenige Wochen nach jener Begegnung am Meer geschrieben, die van de Velde später als symbolische »Schicksalswende« bezeichnete.156 Beide waren sich während eines von Théo van Rysselberghe organisierten Osterausfluges näher gekommen. Dass der erste Tag ihrer Beziehung nicht nur auf van de Veldes 30. Geburtstag, sondern auch auf einen Ostermontag fiel, betrachteten beide später als zeichenhaft.157 »Ein Charme besonderer Art ging von ihr aus«, schrieb van de Velde im Rückblick. »Sie war schön, ihre Haut war ambrafarben, ihr blondes Haar wie reifes Korn. Ihr Gang, ihre Haltung hatten etwas Freies, Fremdartiges. Und tatsächlich: sie war Ausländerin. Ihre Vorfahren waren Schotten, der Großvater, Astronom am Hof eines Prinzen von Hessen, war Deutscher geworden und wurde später Holländer. Ihre Mutter war eine Deutsche aus dem Rheinland, sie selbst in Paris geboren, wo ihre Eltern bis zum Jahre 1870 gelebt hatten.«158 Geboren 1867 als Tochter des Filzfabrikanten Gérard Sèthe und der Rheinländerin Louise Seyberth stammte Marie-Louise (gen. Maria) Sèthe aus wohlhabenden Verhältnissen. Zusammen mit ihrer älteren Schwester Alice, die 1889 den Bildhauer Paul Du Bois geheiratet hatte, und ihrer jüngeren Schwester Irma, einer begabten und späterhin bekannten Violinistin, war sie im Brüsseler Vorort Uccle in einer äußerst musischen Atmosphäre groß geworden. Da ihre Mutter als passionierte und kunstliebende Musikerin einen eigenen Salon führte, war es Maria von Jugend an gewöhnt, mit Künstlern unterschiedlicher Professionen zusammenzukommen und selbst Kunst auszuüben. Sie spielte ausgezeichnet Klavier und nahm Malunterricht bei Théo van Rysselberghe.159 Darüber hinaus sprach sie neben Französisch noch fließend Deutsch und Englisch und interessierte sich zudem für die modernen Bestrebungen, die in England zu einer Renaissance des Kunsthandwerks geführt hatten. Sie liebte die Natur und bevorzugte eine unkonventionelle, nach heutigen Maßstäben moderne Lebensart. Aufgrund ihrer Herzlichkeit, Weltoffenheit und bedacht kultivierten Art war sie sehr beliebt. Für Kessler strahlte sie »immer dieselbe blonde Ruhe und ihre wie ein Balsam wirkende Gleichmässigkeit« aus.160 Für Frosterus war sie ein »ganz eigener Typ, weder häßlich noch schön, mit alles verschlingenden, blaugrünen Augen, gleichzeitig einladend und kühl in sich gekehrt, aufreizend sinnlich und zugleich mütterlich. […] eine auf moderne Weise raffinierte Rubensfrau, eine Sphinx mit unermeßlichem Verlangen.«161
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Van de Velde lernte in Maria Sèthe eine Frau lieben, die ihn innerhalb kurzer Zeit von sämtlichen Fesseln befreite: dem Tod der Mutter, der Last der Jugend sowie den Zweifeln und Sorgen eines mittellosen und suchenden Künstlers. Auf der einen Seite brachte sie van de Velde bedingungslose Sympathie und absolute Hingabe entgegen, auf der anderen Seite stellte sie sich von Anbeginn uneingeschränkt hinter seine künstlerische Mission, indem sie ihn immer wieder darin bestärkte, den eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen. Dies schloss ein, dass sie van de Velde von Anfang an auch praktisch unterstützte.162 Viele der frühen, größtenteils leider undatierten Briefe zeugen von einer unverhüllten Leidenschaft, die beide füreinander empfanden, und von dem Wunsch, das Leben gemeinsam teilen zu wollen. Selbst unüberwindbar scheinende Hürden, die van de Velde anfangs am Fortbestand eines solchen Verhältnisses zweifeln ließen, nahm Maria mit der ihr eigenen pragmatischen, aber äußerst feinfühligen Art. »Sie müssen alle ihre Kräfte darauf konzentrieren, Ihrem künstlerischen Traum zum Sieg zu verhelfen«, schrieb sie ihm im Frühsommer 1893. »Dieser Traum ist zu schön, und es ist nicht allzu schwer ihn zu verwirklichen, auch angesichts größerer Schwierigkeiten. Ich versichere Ihnen, falls es in meiner Kraft steht, daß ich Ihnen mit Beharrlichkeit in diesem Kampf helfen werde. Ich verstehe Ihre Nervosität […], doch verzagen Sie bitte nicht.«163 Unterstützung erhielt Maria Sèthe von ihrer Mutter, die sich nach dem Tod ihres Ehemanns Gérard Sèthe im September 1893 auf besondere Weise um die Zukunft des Paares kümmerte. Da sie van de Velde überaus große Sympathien entgegenbrachte und ihn als Künstler sehr schätzte, willigte sie nicht nur vorbehaltlos in die Hochzeit ein, sondern stellte mit einem außergewöhnlichen Weitblick sämtliche Weichen für den künstlerischen Werdegang ihres zukünftigen Schwiegersohnes. Nur wenige Monate nach der Hochzeit, die am 30. April 1894 gefeiert wurde, beauftragte sie van de Velde mit dem Entwurf eines eigenen Hauses für seine im Wachsen begriffene Kleinfamilie, wobei sie sämtliche Kosten großzügig übernahm.164 Hatte van de Velde bislang nur Gelegenheitsarbeiten ausführen können, wie einen Violinenschrank für seine Schwägerin Irma Sèthe, eine Verandaeinrichtung für die Töchter von Émile van Mons sowie Bucheinbände, Tapeten und Stickereien, stand er nunmehr vor der einmaligen und sogleich verantwortungsvollen Aufgabe, erstmals ein komplettes Gebäude samt Inneneinrichtung nach eigener Fasson zu entwerfen.165 Aus dem Bedürfnis heraus, rein und schlicht leben zu wollen, entwickelte van de Velde mit Hilfe eines erfahrenen Bauunternehmers ein solides, nach damaligen Vorstellungen jedoch revolutionäres Haus. Schon das Äußere erregte aufgrund der unprätentiösen und schmucklosen Fassade Aufsehen. Das Innere war so konzipiert, dass Wohn- und Arbeitsbereiche geschickt miteinander verbunden waren und als Teile einer bewusst konzipierten Einheit ineinander aufgingen. Die Funktion des Hauses war somit eine doppelte. Es handelte sich um ein modernes Wohn- und Atelierhaus, nach heutigem Verständnis um ein typisches Künstlerhaus. In Erinnerung an die Hochzeitsreise erhielt es den Namen ›Bloemenwerf‹.166 Als Herz des
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Hauses fungierte eine zentrale Halle mit Oberlicht, in der alle Verkehrswege zusammenliefen und von wo aus man über eine offene Galerie mit Vitrineneinbauten in van de Veldes Atelier mit Zeichentisch und Handpresse gelangte. In den Vitrinen befanden sich Keramiken von Alexandre Bigot und Auguste Delaherche sowie Bücher von Walter Morris und Kate Greenaway. Die Wände der Halle waren mit Gemälden von Théo van Rysselberghe, Willy Finch, Georges Seurat und Vincent van Gogh geschmückt. Im Zentrum stand Maria van de Veldes Flügel. Die Schlafräume waren ebenso wie Küche und Esszimmer schlicht ausgestattet. Man pflegte in der Küche zu frühstücken und den Tag, wie Kessler als späterer Gast des Hauses konstatierte, »mit einem Bad in den natürlichsten, einfachsten Zuständen« zu beginnen.167 Die Konversation war natürlich, »ohne auch vor der Frau Derbheiten zu scheuen und ohne sie zu suchen«, die Stimmung des Hauses »durchaus hell und gesund«.168 Als Dame des Hauses kümmerte sich Maria van de Velde um sämtliche Belange des Haushaltes, des Gartens und der Finanzen. Sie trug vorzugsweise Reformkleider nach Entwürfen ihres Mannes und half ihm bei der Ausführung von Stickereien. Die Rolle der Künstlergattin schien ihr von Anbeginn der Ehe wie auf den Leib geschrieben.169 »Maria«, so das Urteil von Eberhard von Bodenhausen, »ist doch eine Frau großen Stils; ihre Leistungsfähigkeit ist für jeden stark arbeitenden Mann beschämend; und immer steht sie darüber; ob sie lacht, oder über Baudelaire spricht, oder findet, daß ihr 100 Francs gestohlen sind, oder den Mist für ihren Garten bestellt. Sie sitzt jeden Abend stundenlang über ihren Büchern, um die Einnahmen mit den Ausgaben zu verknüpfen. Dabei geht ein Zug von Großartigkeit durch das Haus; ihr Ausdruck ist ganz Klinger’s Typus; vor allem der heroische Mund. Obwohl sie nichts produciert, wäre van de Velde nichts ohne sie.«170 Allein das private Glück der Eheleute wurde innerhalb eines Jahres auf eine harte Probe gestellt. Die erstgeborene Tochter verstarb im Mai 1895 kurz nach der Geburt, und auch das zweite Kind, ein im April 1896 geborener Sohn lebte nur wenige Tage.171 Nele van de Velde, 1898 geboren, war schließlich das erste Kind, das überlebte. Ihr folgten 1899 Helen, 1901 Anne und 1904 die Zwillinge Thyl und Thylla. Den liberalen Vorstellungen der Eltern entsprechend genossen die Kinder eine antiautoritäre Erziehung. Sie waren nicht getauft und sollten ohne Zwänge und Einengungen in einer auf Harmonie gegründeten Gemeinschaft sowie in enger Berührung mit der Natur aufwachsen. Das Erziehungsmodell schloss Reformkleidung ebenso wie den Besuch reformpädagogischer Bildungseinrichtungen ein und wurde späterhin nicht selten von konventionellen Kreisen, wie sie in Weimar vorherrschten, belächelt.172 Mit dem Haus Bloemenwerf verband sich für van de Velde nicht nur ein privater Neuanfang, es bahnte sich auch der lang ersehnte Durchbruch in künstlerischer Hinsicht an. Maßgeblichen Anteil daran hatten der renommierte Pariser Kunsthändler Siegfried Bing sowie der Berliner Kunstkritiker Julius Meier-Graefe. Beide hatten sie van de Velde im Frühjahr 1895 im Haus Bloemenwerf unabhängig voneinander besucht. Während Meier-Graefe zu jener Zeit noch für die Kunstzeitschrift ›Pan‹
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tätig war und in diesem Kontext die moderne Kunstgewerbe-Bewegung untersuchte, war Bing im Zusammenhang mit der Etablierung eines eigenen Kunsthauses auf der Suche nach Protagonisten der ›Neuen Kunst‹. Er betraute van de Velde in der Folge mit der Gestaltung von drei Zimmereinrichtungen für seine Pariser Galerie, die er programmatisch ›L’Art Nouveau‹ nannte, und rückte damit den weithin unbekannten Künstler ins Zentrum seines neuartigen und spektakulären Projektes, an dem viele andere bedeutende Künstler dieser Zeit beteiligt waren.173 Unter Zeitdruck verwirklichte van de Velde binnen eines halben Jahres seinen ersten großen Auftrag: ein Speisezimmer aus Zedernholz, ein Rauchzimmer aus Padouk, ein Sammlerkabinett aus gebeiztem Fichtenholz sowie einen Kamin für einen Salon.174 Georges Lemmen, Alexandre Bigot, Antoine Jorrand und Albert Besnard übernahmen die dekorative Ausgestaltung von Wand, Boden und Decke. Die Eröffnung der Galerie am 26. Dezember 1895 wurde zwiespältig aufgenommen. Vom überwiegenden Teil der Presse, angeführt von den französischen Geschmackskritikern Octave Mirbeau, Arsène Alexandre und Edmond de Goncourt, wurde sie jedoch verrissen. Van de Velde, der dem Fall Bing ein ganzes Kapitel in seinen Memoiren widmete, resümierte rückblickend: »Die Creme der Pariser Gesellschaft, berühmte Persönlichkeiten der Académie Française, Künstler und bedeutende Gelehrte, Ästheten und Kunstkritiker waren sich darüber klar, daß hier die traditionellen Stile attackiert und daß ein revolutionärer Bruch vollzogen wurde, der etwas unverzeihlich Beleidigendes bedeutete. Ein allgemeines Gemurr, Verwünschungen, Bosheiten waren zu hören. Mit Bing hatte man Mitleid. Man betrachtete ihn als das Opfer eines heimtückischen Attentats revolutionärer Künstler, die seine Naivität ausnutzten. […] Edmond de Goncourt, der sich als würdiger Gentleman in der Ausstellung beherrscht hatte, erhob auf der Straße die Arme als Zeichen des Abscheus. Er erklärte den Umstehenden, die seine Meinung hören wollten, der Lächerlichste der Ausstellenden, van de Velde, entwerfe seine Möbel nach den Gesetzen des Schiffsbaus. Es scheine, er praktiziere einen ›Jacht-Stil‹. […] Die Presse konstatierte fast einstimmig die Niederlage von ›Art Nouveau‹ wie den Triumph des guten Geschmacks und des französischen Genies.«175 Trotz des vermeintlichen Misserfolgs wurde die Galerie Bing zur Geburtswiege des ›Art Nouveau‹ und zum Prototyp der modernen Kunstgalerie. Auch Meier-Graefe, der Bing 1895 für kurze Zeit beratend zur Seite stand, griff die Idee des ›Salon à la Bing‹ auf.176 Er gründete 1899 das Pariser Konkurrenzunternehmen ›La Maison Moderne‹ und übertrug van de Velde die Innengestaltung ebenso wie schon zuvor für die Redaktionsräume seiner Zeitschrift ›L’Art Décoratif‹. Darüber hinaus widmete er van de Velde im Oktober 1898 ein Sonderheft und trug damit entscheidend zum Bekanntheitsgrad des Künstlers in Deutschland bei.177 Der Auftrag Bing war für van de Velde in vielerlei Hinsicht impulsgebend, wegbereitend und förderlich. Ohne selbst werbewirksam tätig werden zu müssen, verbreitete sich sein Name binnen kurzer Zeit in den führenden europäischen Kunstzeitschriften und erweckte schließlich das Interesse einer vorrangig deutschen
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Kulturelite, die den modernen Bestrebungen aufgeschlossen gegenüberstand.178 Begünstigt durch die Dresdner ›Internationale Kunst-Ausstellung‹ im Frühjahr 1897, auf der Raumschöpfungen van de Veldes erstmals auch in Deutschland mit bemerkenswertem Erfolg zu sehen waren, tat sich für van de Velde binnen kurzer Zeit ein ungeahnt großer Kundenkreis in Deutschland auf, und Haus Bloemenwerf avancierte als gesamtkünstlerisches Aushängeschild des Künstlers sprichwörtlich zur Pilgerstätte. Van de Velde wurde nunmehr als Künstler wahrgenommen, aufgesucht und mit zahlreichen, zunächst überwiegend privaten Aufträgen bedacht. Im Ergebnis dieses unerwartet rasanten Durchbruchs galt es für van de Velde, mehrere zukunftswirksame und dadurch schwerwiegende Entscheidungen zu treffen. Zum einen sah er sich gezwungen, seine Brüsseler Werkstätten zu erweitern und schließlich nach Gründung einer eigenen GmbH den Vertrieb ganz nach Deutschland zu verlegen. Zum anderen erlaubte es die Auftragslage nicht, den Spagat zwischen den Metropolen Brüssel und Berlin dauerhaft aufrecht zu erhalten. Mit Hilfe umfangreicher Darlehen von Freunden gründete van de Velde am 23. Dezember 1898 unter maßgeblicher Regie von Eberhard von Bodenhausen die ›Henry van de Velde G.m.b.H.‹ in Berlin. Ziel des ambitionierten Unternehmens war es, die vermehrt aus Berlin kommenden Aufträge vor Ort zu betreuen und in eigenen Werkstätten ausführen zu lassen. Johannes Paul wurde als Geschäftsführer engagiert und das Firmenbüro in unmittelbarer Nähe zum Potsdamer Platz in der Linkstraße 1 eingerichtet. Letztlich war es aber van de Veldes mangelndem Geschäftssinn zu schulden, dass die Firma innerhalb von zwei Jahren dem Bankrott entgegensteuerte und der verzweifelte Unternehmensgründer Eberhard von Bodenhausen im Spätsommer 1900 die belastete ›Henry van de Velde G.m.b.H‹ an den Berliner Kunsthändler Hermann Hirschwald und somit an das ›Hohenzollern Kunstgewerbehaus‹ verkaufen musste. Van de Velde durchlebte in dieser existentiell instabilen Zeit die erste Sinnund Schaffenskrise seit seinem Durchbruch in Deutschland. Unsicher ob der materiellen Zukunft beschloss er, nach Berlin überzusiedeln und sich vom geliebten Haus Bloemenwerf, das ihm und seiner Frau als Refugium stillen Glücks so unendlich viel bedeutet hatte, zu trennen. Differenzen mit Hermann Hirschwald führten jedoch auch hier bald zum Bruch, sodass der Vertrag dank des abermaligen Engagements von Eberhard von Bodenhausen und Hermann Paechter bereits im November 1901 wieder aufgelöst und die endgültige Liquidation der GmbH 1903 vollzogen werden musste. Trotz der geschäftlichen Schwierigkeiten traf van de Velde in Berlin auf ein etabliertes Netz von einflussreichen Auftraggebern. Außerdem erwarteten ihn zahlreiche neue Impulse, Einflussmöglichkeiten und Aufträge. Dank Förderern wie Harry Graf Kessler, Cornelie Richter und Eberhard von Bodenhausen wurde er in die hohe und vermögende Gesellschaft eingeführt und als Künstler salonfähig gemacht. Künstlerisch gesehen hielt van de Velde an dem Prinzip der vernunftgemäßen Gestaltung fest. Sein Ziel bestand darin, die Spezialisierung der Künste zugunsten eines erstrebten Gesamtkunstwerks aufzuheben und dem Kunsthandwerk,
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dem »lebensvollsten« Kunstbereich, zu einer neuen Blüte zu verhelfen.179 Dabei empfand er sich, der selbst Atheist war, als Verkünder eines neuen Stils und als Apostel einer Mission, die er zeit seines Schaffens als Apostolat bezeichnete.180 Da er von Natur aus Theoretiker war, entsprach es seinem Wesen, stets Anhänger zu sammeln und andere zu bekehren, wovon zahlreiche seiner ab 1894 veröffentlichten theoretischen Schriften beredtes Zeugnis ablegen. Nach der unsanften Vertragsauflösung mit Hermann Hirschwald im November 1901 begann für van de Velde allmählich eine Phase der Konsolidierung. Durch die Mithilfe zahlreicher Förderer kam er 1902 nach Weimar und gründete dort unter Schirmherrschaft des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach das Kunstgewerbliche Seminar, aus dem 1908 die Kunstgewerbeschule und schließlich 1919 das Bauhaus hervorging. An der Spitze einer neuen Kunst- und Kulturbewegung legte van de Velde damit den Grundstein für die Moderne und reihte sich in jene Reihe von Wegbereitern ein, die in Überwindung des Historismus den Boden für die nachfolgende Generation der Architekten Walter Gropius, Le Corbusier oder Ludwig Mies van der Rohe bereitet haben. Als einer der wenigen Designer wirkte van de Velde auch über den Ersten Weltkrieg hinaus in allen Gebieten des Kunstgewerbes, vor allem jedoch der Architektur gleichermaßen konsequent weiter. Er vollzog dadurch eine Entwicklung, die ihresgleichen sucht. Wie eingangs bereits erwähnt, war van de Velde nicht nur ein begnadeter Künstler, sondern auch als Mensch eine äußerst geschätzte Persönlichkeit. »Er war in seiner Art«, so Wilhelm von Scholz ,»ein ganzer Kerl, unzweifelhaft ein geistiger Erfasser der Kunst und mancher Seite des Lebens; mit seinem kraftvollen Temperament und seinem liebenswürdigen Wesen ein Mann, den man ehren mußte und dem man sich dankbar nahe fühlte.«181 Bemerkenswert viele überlieferte Aussagen bezeugen die außergewöhnliche Strahlkraft, die von van de Veldes Person ausging, und den »inneren Reichtum«182 dieses »unsagbar genialen Menschen«.183 Sie zeichnen das Bild eines charakter- und willensstarken Mannes, der zugleich ein scharfsinniger Denker, ein kultivierter Herr, ein leidenschaftlicher Lehrer, ein humorvoller Gesellschafter sowie ein überaus warmherziger, emotionaler, aber auch sehr sensibler Mensch war, dem man grundsätzlich immer mit Achtung und Respekt begegnete und dessen persönliche Schwächen vor dieser geheimnisvollen Strahlkraft offenbar zu blass erschienen, um erwähnenswert zu sein. »Ein Ausnahmemensch«, so Eberhard von Bodenhausen in Bezug auf van de Velde, »soll nie mit einem Durchschnittsmoppel gemessen werden; wo würden da alle großen und selbst die halbgroßen Männer bleiben? Jeder Mensch hat das Recht seiner eigenen Moral, um wieviel mehr ein Genie.«184 Gewiss kannte Maria van de Velde auch die Schattenseiten van de Veldes am besten. Angesichts der bedingungslosen Hingabe, die sie ihrem Mann entgegenbrachte, scheint sie diese jedoch mit stoischem Gleichmut und gelegentlich kämpferischer Liebe getragen zu haben.
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Charisma, Authentizität, Erfolg und Internationalität führten dazu, dass sich vor allem Personen aus reichen Gesellschaftsschichten und höheren Positionen intuitiv zu van de Velde hingezogen fühlten. Zeit seines Lebens war der Belgier dadurch von ebenso vielen Freunden und Gönnern wie von Feinden und Neidern umgeben. Es gehörte zum Schicksal, aber auch zum Wesen van de Veldes, dass ihn die Geschehnisse der Zeit in gewisser Weise zum heimatlosen Einzelkämpfer werden ließen und isolierten. Doch war er ein Mensch, der trotz vielfältiger Rück- und Schicksalsschläge immer auf sich und seine Fähigkeiten vertraute. Ohne diese Charakter- und Willensstärke wäre van de Velde nicht in der Lage gewesen, sowohl künstlerische Höchstleistungen zu vollbringen als auch all die zyklisch wiederkehrenden Widrigkeiten schadlos zu überstehen, denen er ausgesetzt war. Es entsprach van de Veldes Wesen und Erziehung, jedem Menschen generell mit Vertrauen, Respekt, Freundlichkeit und guten Formen zu begegnen.185 Fand er jemanden unsympathisch, konnte er dies zwar nur schwer verbergen, jedoch war es für ihn eine Frage der Ehre und vor allem des Anstandes, jeden Menschen gleichermaßen zu achten. »Vandevelde hat, was sonst Niemand heute hat, nämlich: Haltung«, so Rudolf Alexander Schröder 1912.186 Für Gerhart Hauptmann zählte van de Velde zu den »liebsten Menschen«, die er kannte, und er verglich ihn daher mit »reinem Gold«.187 Helene Kröller-Müller schätzte vor allem seine charmante Art im Umgang mit den Menschen. Als sie ihn 1922 durch Paris begleitete und viele seiner alten Freunde kennenlernte, konstatierte sie: »Er versteht sie so gut, er ist auch von ihrer Art, allein mehr ›homme du monde‹ als die meisten, was er jedoch nie fühlen läßt. All seine alten Freunde und Künstlerkollegen nennt er beim Namen und ›du‹, immer wieder heißt es ›cher ami‹, und in den Gesprächen mit ihm fliegen die Bonmots hin und her, und schließlich werden die manchmal schon älteren Menschen wieder miteinander jung.«188 Van de Velde besaß eine äußerst lebhafte und mitreißende Art. »Obwohl er klein war«, so Edwin Redslob, »drückte sich in seinen schnellen Bewegungen und in den scharfen, von lebhaftem Temperament durchdrungenen Zügen eine Kraft aus, die ihn sofort über die Zuhörer dominieren ließ.«189 Alfred von Nostitz-Wallwitz bezeichnete van de Veldes Temperament daher als »viel zu undeutsch« und »weder kühl noch verbindlich genug«.190 Während Carl Sternheim wesenstypische Parallelen zu Hugo von Tschudi entdeckte, registrierte Kessler gewisse Ähnlichkeiten mit Großherzog Ernst Ludwig von Hessen.191 Maria van de Velde liebte an ihrem Mann »diese Entschiedenheit« und »diesen feinen und seltenen Takt« und verglich ihn daher mit seiner Schwester Jeanne.192 Für Maurice Denis verkörperte van de Velde dagegen »eine Art Phänomen des Willens, eines exklusiven und vom Verstand beherrschten Geistes«193, und für Hugo von Hofmannsthal verband sich mit van de Velde die Erinnerung »an eine schöne metallische oder mineralische Oberfläche, an einen schönen Stoff, an die Schönheit eines Tieres, eines Baumstammes, eines Belfrieds oder einer Mauer«.194 Karl Koetschau würdigte van de Velde
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vornehmlich als zielbewussten, überzeugten und in seiner Schaffensfreudigkeit und Tüchtigkeit »selten trefflichen Mann«.195 Karl Scheffler zufolge war van de Velde der Einzige in Weimars »parfümiertem Milieu«, der »in all seiner Eleganz natürlich und naiv« blieb.196 »Einerseits gehört der Belgier«, so Scheffler an anderer Stelle, »zu den intellektuellen Pathetikern der Zeit, zu Rodin, Ibsen, Wagner, van Gogh, Munch usw., andererseits berührt er sich mit den Moralisch-Sachlichen, den Ruskin und Morris; und endlich ist er verwandt mit der nervösen Artistengenialität der Beardsley, Whistler, Wilde oder Lautrec. Zugleich aber erscheint er als Persönlichkeit auch wieder einfach und intellektuell naiv; er ist gar nicht blasiert, sondern hat den Optimismus des Handelnden. In ihm ist Natur und zugleich auch Überkultur. Man kann sich ihn denken in den parfümierten Salons, aber auch im Gebirge, wo die Kiefern ihre Wurzeln ins Gestein krallen. Darum erlebt man so seltsam differenzierte Sensationen in seinen Interieurs.«197 »Was van de Velde wollte«, so das Urteil von Wilhelm von Scholz, »war bis ins kleinste vom Verstande durchdrungen, zum Grundsätzlichen erhoben und nicht ohne Fanatismus verfochten.«198 Helene Kröller-Müller frappierte van de Veldes schneller Geist, »der sofort mit einem Augenaufschlag etwas in sich aufnimmt, es schnell verarbeitet und […] auch darüber sprechen kann«, gleichzeitig aber auch »sehr sanftmütig in seiner Beurteilung der Dinge« sei.199 Und Madeleine Maus konstatierte in diesem Kontext: »Van de Velde liebt es, tätig zu sein, zu schreiben, zu sprechen, zu überzeugen. Ein ernster, eindringlicher, warmer Ton kommt ihm dabei zustatten. Von Natur ist er ein Theoretiker, und dieser besondere Zug seines Wesens führt dazu, daß jede Theorie, für die er sich einsetzt, für ihn zu einer Mission wird, als deren Apostel er sich fühlt.«200 Von vielen geschätzt wurden darüber hinaus van de Veldes »hervorsprudelnder Humor«201 und die gelegentlich »verteufelte Mokantheit«.202 Helene von Nostitz-Wallwitz zufolge traf sein Witz »den Punkt mit der Schnelligkeit des Blitzes«.203 Darüber hinaus war van de Velde als überaus sanftmütig und sensibel bekannt. Eduard Plietzsch bemerkte hierzu: »Ich kenne überhaupt keine zweite Familie, bei der die Träne so locker im Knopfloch sitzt wie bei der Familie van de Velde. Es ist, als wolle die Natur sich wütend dafür rächen, daß hier ein Gehirn von Stahl, ein scharfsinniger Denker und Zerdenker ihr auf dem Gebiete der Kunst hinter die Schliche gekommen ist; als beabsichtige sie, ihm seine geistigen Siege durch den Rückfall in bürgerliche Rührseligkeit tückisch heimzuzahlen.«204 Für Kessler war van de Velde daher »mimosenhaft zartfühlend«, was allerdings im krassen Gegensatz zu seiner Unkorrektheit in Geldsachen stand.205 Äußerlich war van de Velde »ein Mann von kleiner Statur, die Haut seines Gesichts war dunkel, die Farbe seiner großen Augen glühend und braun, herrisch sprang eine mächtige Nase vor«.206 Für die einen besaß der Belgier »einen schmalen, nach spanischem Blute aussehenden Kopf«,207 »als sei ein Spanier aus einem Bild von Velasquez herausgestiegen«208 bzw. einen »Kopf aus Guadalquivir«,209 der aus der Ferne »etwas Furchtbares«, aus der Nähe jedoch »etwas sehr Weiches, in dem
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Spiel seines Mundes geradezu etwas mädchenhaft Zartes« haben konnte.210 Für andere war er nach »seinem scharfen romanischen Profil mehr Wallone«.211 Helene Kröller-Müller zufolge floss »französisches Blut in seinen Adern«.212 Er selbst beschrieb seine Natur als »vibrierend« und »spontan reagierend«.213 Sein »ganzer Organismus erinnere«, so Sigurd Frosterus, »an ein vollblütiges Rennpferd […] da ist kein Krampf, kein Zucken, und doch sieht man, wie die Haut über dem bleichen Gesicht und den adrigen Händen zittert unter dem nervlichen Druck – aber nie eine ungeduldige Geste oder Miene, wer auch immer ihn bemüht, ganz zu schweigen von einem Wort der Ungeduld.«214 Als »wundervoll« beschrieb Paul Dobe »seine blassen Hände, wie mit einer ganz dünnen Haut überzogen. Alles an ihm«, so Dobe weiter, »war so durchgeistigt, wie ich es niemals an einem Menschen gesehen hatte.«215 Frosterus fügt an anderer Stelle hinzu: »Man muß diesen van de Velde bewundern, seine immer bis zum äußersten in Spannung befindliche Energie und Intelligenz. Trotz seiner Kultur, seines Raffinements ist er eine Naturkraft, wie ein Sommertag: mild, belebend, großzügig und fruchtbar.«216 Als »Herr« und »Homme du monde« legte van de Velde großen Wert auf sein äußeres Erscheinungsbild. »Glauben Sie, daß ich van de Velde wäre, wenn ich lumpig gekleidet hierher käme?«, soll er gegenüber Richard Engelmann inmitten der Kriegswirren anlässlich einer zufälligen Begegnung in Weimar geäußert haben.217 Ein »richtiger Dandy« konstatierte daraufhin Engelmann. Norbert Jacques erinnerte sich, wenn er an van de Velde dachte, an einen in weiß gekleideten Herrn mit breitrandigem Panamahut in der Art eines »Gouverneur auf Trinidad oder Vancouver«.218 Eduard Plietzsch bezeichnete van de Velde dagegen als den »rassigsten Mann, den aristokratischsten Herrn«,219 der ihm jemals begegnet sei, und Frauen schätzten vorzugsweise van de Veldes vornehme und galante Art. »Welchen innerlichen Reichtum hatte dieser begnadete Künstler!«, resümierte Sam van Deventer. »Alles, was aus seinen Händen kam, war schön in der Form und edel in der Linie. Daneben war er ein glänzender Gesellschafter, ein geistreicher Plauderer, hatte Sinn für Humor und besaß die große Gabe ›rien au tragique‹ zu nehmen. Er war auch ein großer Lebenskünstler, der einen sorgfältig gedeckten Tisch, eine vortreffliche Mahlzeit, Stil und gute Formen genoß. […] Sein Charme und seine Ritterlichkeit Frauen gegenüber waren unwiderstehlich. Die Art und Weise, wie er einer Frau die Hand küßte, hatte die Noblesse des Grandseigneur. In der Konversation war er geistreich und brillant. Seine Muttersprache war französisch, er beherrschte sie in all ihrem Reichtum. Es floß ihm nicht leicht aus der Feder. Er feilte, schabte, korrigierte, bis er zufrieden war. Dann aber war es vollendet, wie die Schmuckstücke, die er entwarf.«220
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4. 1897–1900 | Brüssel–Berlin: Bekanntschaft und Aufbruch Drei zeitgenössische Zitate sollen der nachfolgenden Untersuchung, die aus den Briefen die einschlägigen kulturhistorischen und kunstgeschichtlichen Zusammenhänge erheben möchte, vorangestellt werden. Sie liefern einen wesentlichen Schlüssel zum Verständnis des Verhältnisses zwischen Henry van de Velde und Harry Graf Kessler. Das erste Zeugnis stammt von Kesslers Schwester Wilma de Brion. Unmittelbar nach dem Tod ihres Bruders schrieb sie im Januar 1938 an van de Velde: »Harry verehrte Sie als Künstler, als Schöpfer und als Mann, und er liebte Ihre ganze Familie. Sie waren der einzige große Freund, den er zuletzt wiedergesehen hat, in dieser Pariser Klinik ... nach der er sich nie wieder erholte. – So war dieser Besuch Ihres Ausstellungspavillons eine seiner letzten großen Freuden! –, vielleicht sogar die letzte Freude!«221 Van de Velde selbst beschrieb rückblickend das Wesen der Freundschaft zu Kessler wie folgt: »Die Beziehung zwischen Graf Kessler und mir war zunächst zurückhaltend und vorsichtig. Der erste Eindruck war der einer tiefen, unüberbrückbaren Distanz. Obwohl wir uns bald durch enge Bande einer fast brüderlichen, unangreifbaren Freundschaft verbunden fühlten, blieb das Gefühl dieser Distanz doch über die fast vierzig Jahre unserer engen Zusammengehörigkeit bestehen. Von Kesslers Seite gesehen, läßt sich dieses Distanzgefühl durch die respektvolle Achtung verstehen, die er mir als einem Menschen entgegenbrachte, der sich ständig mit wie es Kessler schien Grundproblemen und mit Grundwahrheiten beschäftigte. [...] Die Bilanz meiner Ideen, meiner Arbeiten und meiner Resultate war wohl gewichtig genug, um einen jungen Menschen, der nach Abschluß seiner Studien am Beginn seiner Laufbahn stand, zu beeindrucken.«222 In der Folge sah van de Velde den Grund für diese Distanz eindeutig in Kesslers Wesen begründet.223 Im Gegensatz zu seiner eigenen Emotionalität stand Kesslers permanente Selbstkontrolle und Unterdrückung des Gefühlslebens. Dies führte nach van de Veldes Bekunden dazu, dass die Freundschaft zu Kessler zwar »fast« brüderlich war, nie aber so eng wie zu seinem Jugendfreund Max Elskamp werden konnte. »Harry Kessler«, so van de Velde, »hat den Schleier seines Privat-, Liebesund Gefühlslebens weder vor mir noch vor seinen intimsten Freunden gelüftet, währenddem uns all das, was uns auf dem Gebiet der Kunst berührte, begeisterte und bereicherte, spontan zusammenbrachte.«224 So kam es auch nie dazu, dass sich Kessler und van de Velde duzten, obgleich es van de Velde gern getan hätte.225 Der dritte Hinweis ist durch Annette Kolb überliefert. Ihr gegenüber gestand Kessler 1918, »daß er die Menschen, mit denen er verkehrt, in drei Klassen teile: in solche, die er liebt, in solche, denen er vertraut, und in solche, die er benützt.«226 Bereits die ersten Briefe von van de Velde an Kessler belegen, wie schnell das Verhältnis zwischen dem 34-jährigen Künstler und dem 29-jährigen Grafen definiert war. Van de Velde, weitgehend mittellos und am Beginn seiner Karriere stehend,
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ist eingenommen von Kesslers Enthusiasmus, Großzügigkeit und kosmopolitischem Wesen. Begeistert schreibt er nach der ersten dokumentierten Begegnung am 1. November 1897 in Berlin an Kessler: »Ich denke so gern an den Nachmittag zurück, den wir gemeinsam verbracht haben«.227 Und zurück in Brüssel rekapituliert er: »Bedenken Sie die Vielfältigkeit der Empfindungen, Sympathien und Beziehungen, die ich in mir trage. Diese wühlen mich auf – solange, bis sich alles gesetzt hat. Also bleiben zwei starke Momente, die mir während meiner Arbeit helfen und mir Kraft geben werden: die Unterstützung, die ich durch Sie erhalten habe, daß das Wichtigste nur die Suche nach einfachen und reinen Formen sein kann, und die Zuneigung, die ich Ihnen persönlich entgegenbringen möchte. [...] Ich betrachte Stunden wie jene, die wir zusammen in Berlin verbracht haben, als Belohnung meiner Arbeit [...]. Diese Tage werden für mein Leben wirklich prägend sein [...].«228
Unter welchen Umständen die erste Kontaktaufnahme erfolgte und wie die Annäherung zwischen Kessler und van de Velde im Einzelnen verlief, ist nicht belegt und ließ sich nicht rekonstruieren. Da Kesslers Briefe aus dem Zeitraum von 1897 bis Sommer 1899 verschollen sind, geben allein die 29 erhaltenen Schriftstücke von van de Velde einen Eindruck davon, wie sich das Verhältnis herauszuformen begann. Selbstverständlich war van de Velde für Kessler, der seit 1895 in der Kunstgenossenschaft ›Pan‹ tätig war, als Künstler nicht unbekannt. Kessler wusste einerseits von van de Veldes Bestrebungen, das Kunsthandwerk zu erneuern. Andererseits hatte er van de Veldes Möbelkreationen für die Pariser Galerie ›L’Art Nouveau‹ erstmals im Dezember 1895 in Paris und ein weiteres Mal im Juli 1897 in Dresden gesehen. Zudem wurde ihm der belgische Künstler über den Freund Eberhard von Bodenhausen immer wieder nahegebracht. Nach dem ersten Besuch in van de Veldes Haus Bloemenwerf in Uccle berichtete von Bodenhausen, dessen Urteilsgabe Kessler sehr schätzte, enthusiasmiert: »Van de Velde gefällt mir sehr gut, besonders seitdem ich ein von ihm ganz neu eingerichtetes Zimmer hier und seine Wohnung gesehen. Ich werde jedenfalls mit ihm arbeiten; er ist auch so angenehm traitable, geht auf Alles ein. Ich hoffe das Beste von ihm. Ich denke, ich werde ihn mir mal nach B[erlin]. kommen lassen.«229
Was Eberhard von Bodenhausen vor allem faszinierte, war diese »vornehme, höchst kultivierte Einfachheit«, in der Maria und Henry van de Velde lebten. Er bezeichnete die beiden deshalb als »moderne Menschen«, denen man sich zwangsläufig nahe fühlen musste.230 Zwei praktische Gründe waren für Kessler ausschlaggebend, mit van de Velde vermutlich schon im September 1897 in Kontakt zu treten: die Ausgestaltung einer Luxusausgabe von Friedrich Nietzsches ›Also sprach Zarathustra‹ sowie die Ausstattung seiner neuen Wohnung in der Köthener Straße 28 in Berlin.231 Beide Projekte lagen ihm sehr am Herzen und nehmen in der beginnenden Briefkorrespondenz einen wesentlichen Raum ein. Während es innerhalb des ersten Projektes darauf ankam, die Kontakte zum Nietzsche-Archiv zu konsolidieren und Elisabeth
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Förster-Nietzsche in der Auswahl der Künstler sowie in Verlagsangelegenheiten zu beraten, handelte es sich bei dem zweiten Vorhaben um eine reine Privatsache, der Kessler in der Folgezeit höchste Aufmerksamkeit schenkte. Wie aus einem Brief von Eberhard von Bodenhausen an Kessler hervorgeht, widmete sich van de Velde bereits ab September 1897 der Ausstattung von Kesslers Wohnung. »Van de Velde will alles machen; aber vor dem 20 Oktober kann er nicht anfangen, wie ich ihm bezeugen muß. Der Arme hat mit den drei Einrichtungen, die bis dahin fertig sein müssen, so enorm zu thun, daß er sich nur noch mit Kola-Wein aufrecht erhalten kann. Ihre Dressoirs werden gearbeitet, wie auf der Photographie Sie sie gesehen haben. Er will aber Probe Ihres Weiß haben. Doch hat das noch Zeit.«232
Ende September 1897 war Kessler von der Bernburger Straße 22a/23, wo er als Referendar drei Jahre sehr bescheiden gewohnt hatte, in die Köthener Straße 28 umgezogen. Die neue Wohnung lag verkehrsgünstig am Potsdamer und Anhalter Bahnhof und befand sich im Hinterhaus eines typisch historistischen, heute nicht mehr existierenden Geschäftshauses in der ersten Etage. Neuere Forschungen haben ergeben, dass Kessler tatsächlich zurückgezogen im hinteren Trakt des Wohnblocks gelebt haben muss, wie es Hildegard Freifrau von Spitzemberg in ihrem Tagebuch vermerkte,233 und nicht im repräsentativen Vorderhaus.234 Demnach besaß Kessler vier bis fünf Zimmer, wovon das Speisezimmer offenbar das größte war. Leider lässt sich über die genaue Anordnung und Ausstattung der Räume keine Aussage treffen, denn es existieren bis auf die allgemeinen, baupolizeilichen Akten weder schriftliche Zeugnisse, noch ein aussagekräftiger Grundstock an Photographien.235 Die einzig erhaltenen Abbildungen zeigen das Speisezimmer 1898 aus ein und demselben Blickwinkel sowie die Bibliothek im Jahr 1919.236 Van de Velde begann unmittelbar nach dem ersten persönlichen Zusammentreffen mit den Arbeiten für Kesslers neue Wohnung in der Köthener Straße. Er ließ dem jungen Grafen Mahagoni-Holzproben für das Arbeitszimmer zukommen und fertigte Entwürfe für diverse Möbel, die in den Brüsseler Werkstätten angefertigt und ab Januar 1898 sukzessive nach Berlin verschickt wurden. Im Einzelnen betraf dies zwei Holzsockel, eine Garderobe, einen Kupferstichschrank, einen Ofenschirm, eine Chaiselongue sowie ein komplettes Speisezimmer, bestehend aus einem Esstisch mit Stühlen, zwei Anrichten und einem Bücherregal.237 Mit dem Kauf des großformatigen Gemäldes ›Les Poseuses‹ (›Die Modelle‹) von Georges Seurat am 30. Dezember 1897 ergab sich jedoch eine neue Situation. Auf Kesslers Wunsch hin musste van de Velde eine Lösung finden, das 2 x 2,50 m messende Gemälde in die vorhandene Struktur und Konzeption des Speisezimmers zu integrieren.238 Es ist nicht dokumentiert, warum Kessler für das Gemälde eine Wand wählte, die im Grunde zu schmal war. Glaubt man den Aussagen van de Veldes, existierte in Kesslers Wohnung tatsächlich keine zusammenhängend große Fläche, die sich als geeignet erwies.239 Jedoch schien sich das neoimpressionistische Hauptwerk Seurats gerade unter stilistischen Aspekten perfekt in die Farbharmonie
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des Speisezimmers einzufügen. Um dem Raum eine besondere Eleganz zu verleihen, hatte van de Velde in Absprache mit Kessler einen Grundakkord der Farben Weiß, Grau, Silber und Violett gewählt. Die Wand war zur oberen Hälfte mit grauer Seide bespannt und zur unteren Hälfte weiß vertäfelt. Davor waren weiße Schleiflackmöbel mit raffinierten Zinnapplikationen und violett bezogenen Sitzflächen platziert. Unifarbene japanische Bastmatten bedeckten den Boden.240 Kleinere Kunstund Gebrauchsgegenstände, wie Bronzen oder Vasen, rundeten das Ensemble ab. Gemäß Kesslers Vorgabe, das neuerworbene Gemälde unter allen Umständen in das Esszimmer zu integrieren, einigte man sich darauf, die Leinwand zu zwei Dritteln aufzurollen und dem Betrachter nur einen Ausschnitt der Komposition zu präsentieren. Hierzu offerierte van de Velde im Frühjahr 1898 einen Lösungsvorschlag. Brieflich teilte er Kessler mit, dass ihm als Stütze für den Seurat ein Unterschrank zur Aufbewahrung von Tischwäsche vorschwebe.241 Am 3. Mai bat er den Grafen darum, die Unterseite des Rahmens aufzuzeichnen und die Maße mitzuteilen. Eine zusätzliche Skizze veranschaulichte, wie die Verbindung zwischen Blendrahmen und Untersatz vorgesehen war. Die Leinwand wurde letzten Endes vom Keilrahmen gelöst und über zwei vertikale, an der Wand arretierte Stangen gerollt. Ein Blendrahmen verdeckte geschickt die Vorrichtung. Van de Veldes eigenen Worten zufolge erwies sich diese »Operation« als gefahrlos: »die ›Poseuses‹ waren in der soliden neo-impressionistischen Technik gemalt, das heißt mit Hilfe von unzähligen kleinen, voneinander getrennten Farbpunkten. Bei einem Gemälde mit dicken, breiten Farbflächen, mit dem Pinsel gemalt oder mit dem Spachtel gestrichen, wäre eine solche Lösung unmöglich gewesen.«242 Kessler beschränkte sich fortan auf die Präsentation des rechten Bildausschnittes, weil sich dieser vermutlich am besten in die Farbharmonie des Zimmers einfügte und weil ihn darüber hinaus »der Reiz des Lichts« um den Kopf der Sitzenden, die »Lebendigkeit der Wand« als auch »einzelne Stilllebenstücke« faszinierten.243 Als er 1923 das Bild aufrollte, um es in der neuen Bibliothek in der Köthener Straße anzubringen, erschienen die beiden Figuren links »in prachtvoller Frische«.244 Kessler verkaufte das Gemälde 1926. In seinem Tagebuch notierte er am Tag des Verkaufs: »Abschied von meinem Seurat die ›Poseuses‹ die ich (leider) für 100,000 Mark nach Schottland verkauft habe. Die so selbstverständlich sich auswirkenden Massen und die zarten Farben haben fast dreissig Jahre mir ihre heitere Anmut geschenkt. Ich trenne mich von ihnen wie von geliebten Wesen. Ich hätte nicht in den Verkauf willigen sollen.«245 Aus dem vorliegenden Briefwechsel geht nicht hervor, wer den tatsächlichen Hauptanteil an der Konzeption von Kesslers Wohnung inne hatte und wer der eigentliche Spiritus Rector des Vorhabens war. Man kann jedoch davon ausgehen, dass es sich um ein Gemeinschaftswerk zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer handelte. Gleich an zwei Stellen in seinen Memoiren streicht van de Velde heraus, dass es ihm wichtig war, für Kessler ein »elegantes« Beispiel seiner künstlerischen Tätigkeit zu schaffen. Hatte er sich bei den Möbeln für Eberhard von Bodenhausen
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von der »beweglichen weiblichen Natur« Dora von Bodenhausens zu »weniger strengen Formen« inspirieren lassen, legte er bei Kesslers Mobiliar Wert auf ausgesuchte Eleganz und einen »feinen und erlesenen« Stil, wie er in einem Brief vom 31. Dezember 1897 betont.246 »Nichts in der Wohnung in der Köthener Straße«, so van de Velde in den Memoiren, »verriet eine Konzession an meinen Dämon«.247 Tatsächlich dokumentieren die Briefe auf subtile Weise van de Veldes Umgang mit dem neuen Privatauftrag und dem neuen Auftraggeber. Angesichts der vielen Probleme, die sich während der Ausführung und im Zuge des Versands der Möbel ergaben und immer wieder zu unbeabsichtigten Verzögerungen führten, sah sich van de Velde vielfach gezwungen, um Verständnis zu bitten und diplomatisch um die Gunst des Grafen zu werben. Bereits Ende Januar 1898 gab er Kessler entschuldigend zu verstehen: »Ich habe Angst, daß Sie mir wegen der Wartezeit Vorwürfe machen, aber ich wage Ihnen zu sagen, daß ich nie wieder Arbeiten in großer Eile ausführen werde. Es entsteht während der Ausführung zu viel Unruhe, und für mich bedeutet es Erschöpfung, vor der ich mich hüten muß.«248
Nicht selten entschuldigt sich van de Velde bei Kessler für eingetretene Verspätungen, die letztlich als Folge eines gewissen Dilettantismus zu werten sind. Da sich van de Velde autodidaktisch dem Kunsthandwerk genähert hatte, verlief die Abwicklung der ersten Auftragsarbeiten für Kunden wie Curt Herrmann, Julius Meier-Graefe, Eberhard von Bodenhausen und Harry Graf Kessler nicht durchweg reibungslos. Noch unerfahren und improvisierend in der Betreuung größerer Aufträge sah er sich in der Anfangszeit einer Vielzahl von Schwierigkeiten ausgesetzt, die sich primär daraus ergaben, dass er 1897 auf kein etabliertes Netz von Produktionswerkstätten und kein eingespieltes Team von Handwerkern zurückgreifen konnte. Vieles ergab sich erst aus dem Prozess heraus. Erschwerend kamen oft die Nachlässigkeit und Unerfahrenheit der Lieferanten und Zwischenhändler hinzu. Außerdem waren die Möbellieferungen von Belgien nach Deutschland durch die hohen Zollgebühren, Verpackungs- und Transportkosten extrem kostspielig, weshalb van de Velde oft Teillieferungen veranlassen und einzelne Möbelstücke ohne Beschläge, Rollen oder Griffe verschicken musste. Im Falle von Kesslers Wohnungseinrichtung betraf dies mehrere Sendungen, u. a. des Graphikschrankes und der Garderobe. In einem Brief von Januar 1898 schreibt er hierzu: »Gestern habe ich den ›Kupferstichschrank‹ und die ›Garderobe‹ abgeschickt. Jedes einzelne Stück befindet sich in einer Kiste und ist mit Ihrer Adresse versehen. Morgen werde ich die Metallbeschläge abschicken; sie wurden alle bis auf die Schelle passend auf den Graphikschrank abgestimmt. [...] Ich bin dazu gezwungen, den Versand in zwei verschiedenen Sendungen vorzunehmen, um hohe Zollgebühren zu vermeiden. Die Kupferschale, die sich am Boden des für die Regenschirme vorgesehenen Platzes befinden soll, habe ich nicht hier anfertigen lassen. Sie werden mühelos jemanden finden, der sie Ihnen in Berlin herstellt.«249
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Wie komplex der Entstehungsprozess eines einzelnen Gegenstandes ablaufen konnte, spiegelt exemplarisch die Genese von Kesslers Kerzenleuchtern in den Briefen wider. Fast zwei Jahre benötigte van de Velde, um diese Auftragsarbeit fertigzustellen, die von zahlreichen unvorhersehbaren Schwierigkeiten begleitet war. Die erste Erwähnung erfolgte in einem Brief vom September 1898, worin er Kessler schreibt: »Ich denke schon, daß ich den Kerzenleuchter sechs- oder siebenarmig ausführen kann. Ich werde Ihnen das Ergebnis meiner Arbeit morgen verkünden.«250 Kurz darauf versprach er, ein Gipsmodell des Leuchters anzufertigen und nach Berlin zu versenden.251 Angesichts der Befürchtung, das Modell könne jedoch beim Transport zu Bruch gehen, ließ van de Velde stattdessen das Modell in Bronze gießen.252 Doch auch dieses Vorhaben zerschlug sich. Im November musste er Kessler erklären: »Ich bin sichtlich verwirrt, mein sehr verehrter Herr und Freund, und ärgere mich für Sie ob der vielen Widrigkeiten, die wegen des Kerzenleuchtermodells entstanden sind! Obgleich man mir den Versand zweimal postalisch angekündigt hatte, fand ich das Modell nach meiner Rückkehr aus Berlin im Atelier vor – doch in was für einem Zustand! Sie müssen gedacht haben – und das ist ein Gedanke, der mich quält – ich hätte schlichtweg gelogen; da ich Ihnen ja in Ihrer Gegenwart versichert hatte, daß das Modell unterwegs sei! Doch war ich gutgläubig, und als ich dann das Modell im Atelier vorfand, war ich völlig entmutigt! Die Arbeiter haben von ihrer Arbeit nichts verstanden. Die verschiedenen Teile waren ohne jedes Verständnis zusammengefügt. Ich schimpfte und habe meiner Unzufriedenheit ernstlich Luft gemacht. Heute aber halte ich das Modell endlich vor mir. Nun, wo wir so viel Zeit verloren haben, glaube ich, daß es am besten ist, das Modell morgen photographieren zu lassen. Sobald die Abzüge fertig sind, schicke ich sie Ihnen, um Ihre Meinung zu erfahren. Zwischenzeitlich kann ich sämtliche Vorkehrungen für den Guß treffen und muß dadurch nur noch auf Ihr ›ja‹ oder ›nein‹ warten! Die Ausführung kann schnell vonstatten gehen, obgleich viele Schwierigkeiten eintreten werden. Das Zinn läßt sich schwieriger gießen als Bronze oder Messing. Werden Sie mir verzeihen? Werden Sie mein Schweigen, was die Verspätung anbelangt, entschuldigen? Mir bangte vor dem endgültigen Resultat, und ich getraute mir nicht, die bevorstehende Fertigstellung anzukündigen. Jetzt erwarte ich ebenso ängstlich Ihre Meinung. Es gibt nichts auf der Welt, was ich mehr wünschte, als Ihnen ›etwas Schönes‹ schicken zu können!«253
Wie aus dem darauffolgenden Brief hervorgeht, bedankte sich van de Velde für Kesslers Verständnis und seine »stete Fürsorge, uns Gutes zu tun«.254 Gleichfalls gab er zu verstehen: »Ich verliere keine Minute. Der Leuchter wird 7 Lichter erhalten und viel besser werden! Wie viele benötigen Sie? Sie werden mir ebenso mitteilen, ob Sie wünschen, daß nur Ihnen das Modell vorbehalten ist.«255 Im März 1899 kündigte Eberhard von Bodenhausen gegenüber Kessler schließlich die Fertigstellung der Leuchter an,256 und kurz darauf reichte van de Velde ein Exemplar des Leuchterpaares für die Münchener Secessions-Ausstellung von 1899 ein.257 Ob es sich dabei um Kesslers Leuchter handelte, ist nicht dokumentiert. Im Januar 1900 teilte van de Velde jedenfalls Kessler mit: »Abgesehen von dem Vergnügen, das Ihre Anwesenheit in Berlin meiner Reise böte, bitte ich Sie außerdem um eine Aussage in Bezug auf die Lieferung, die ich Ihnen in Gestalt der beiden,
46 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung für sie geschaffenen Kerzenleuchter gern machen möchte. Ich besitze zwei wunderschöne Ausführungen, die ich jedoch aufgrund der verfluchten und barbarischen Transportmittel als auch der stupiden und unheilvollen Zollabfertigungspraktiken nicht zu verschicken wage. Wußten Sie, daß die ersten Modelle zweimal die Reise angetreten haben und daß sie zweimal entsetzlich beschädigt worden sind, und beim zweiten Mal in solchem Maße, daß ich zur Erhaltung keinerlei Mittel zur Verfügung hatte! Wie sollen sie nun in Ihre Hände gelangen? Ich schlage vor, daß ich sie als Gepäck mitnehme und sie Ihnen in Berlin selbst übergebe. Können Sie jedoch bis dahin warten?«258
Nach zweijähriger Wartezeit erhielt Kessler schließlich im März 1900 die gewünschten Exemplare. Brieflich teilte er van de Velde mit: »Ich danke Ihnen für die Kerzenleuchter, die in der Tat wunderschön sind. Ich gedenke, Ihnen heute Abend mündlich zu danken.«259 An Bodenhausen schrieb er indes: »A propos, gestern kam VandeVeldes Rechnung für meine Leuchter: 901 francs!!!! Es gehört der ganze Wert, den ich auf V’s Freundschaft lege, dazu, daß ich die ganze Sache nicht umgehend zurückschicke. Mir scheint das so ziemlich das Exorbitanteste, was mir in puncto Preise je vorgekommen ist. Natürlich verbietet sich mir fortan jede Bestellung bei ihm, bei der nicht die Preise absolut festgelegt sind.«260
Gegenüber van de Velde selbst erwähnte Kessler nichts, zumindest nicht brieflich. Ursprünglich exklusiv für Kessler entworfen, wurde der sechsarmige Leuchter schließlich mehrfach, meist als Paar ausgeführt und zählt heute zu van de Veldes spektakulärsten und teuersten Entwürfen aus Metall.261 Eine historische Photographie zeigt das Leuchterpaar in Kesslers Weimarer Wohnung auf dem Buffet vor dem Gemälde ›Les nymphes aux jacinthes‹ von Maurice Denis. Der Entstehungsprozess der Kerzenleuchter verdeutlicht auf eindrückliche Weise van de Veldes Ringen, sowohl den Ansprüchen des Auftraggebers als auch den eigenen Ansprüchen, ein tadelloses Produkt zu entwickeln, gerecht zu werden. Dies trifft auch für das Projekt zur Ausgestaltung des ›Zarathustra‹ zu, das jedoch erst zehn Jahre später zur Ausführung gelangte. In die Briefe mischen sich neben sachlichen Erläuterungen daher immer wieder Worte der Entschuldigung, der Dankbarkeit, der Hoffnung, der Sorge, aber auch Klagen. Es schwingt die Angst mit, Kessler als neuen Auftraggeber und potentiellen Multiplikator enttäuschen und somit verlieren zu können. Zeilen, wie »Es gibt nichts auf der Welt, was ich mehr wünschte, als Ihnen ›etwas Schönes‹ schicken zu können!«262 und »Mich als Ihr Protegé zu fühlen, empfinde ich als eine unglaubliche und einzigartige Erfüllung.«,263 unterstreichen die Bedeutung, die Kessler für van de Velde von Anfang an innehatte. Respektvoll und zuweilen etwas unterwürfig wirbt van de Velde beständig um das Vertrauen seines neuen Auftraggebers, wobei er – und dies ist ein typischer Wesenszug – immer authentisch bleibt. Dies wird besonders dann erkenntlich, wenn er Kessler gegenüber offenen Herzens von seiner Überlastung klagt oder wenn er ihm dankt und ihn gleichzeitig um einen Dienst bittet, wie z. B. in einem Brief vom Mai 1898: »Ihr Brief hat mich sehr erfreut. Er hat mich in dem kleinen Dorf erreicht, wohin ich gereist war, um mich zwei Tage auszuruhen. Mit tiefer Dankbarkeit konnte ich Ihrer gedenken, und
1897–1900 | Brüssel–Berlin: Bekanntschaft und Aufbruch 47 sogleich habe ich mich gefragt, ob ich der Aufgabe überhaupt gewachsen bin, die Sie von mir erwarten und angesichts derer Sie bereits darauf hinwirken, mir die wertvolle Unterstützung von Herrn Lichtwark zu sichern. Ich danke Ihnen für all die Mühen, die Sie sich machen und bin besonders aufgeschlossen gegenüber der kritischen Einschätzung aus Hamburg. Dürfte ich, hiernach, noch einmal etwas von Ihnen verlangen? Die Herren Heymann, Fabrikanten aus Hamburg, wünschen meine Möbel zu sehen, auch diejenigen von Herrn von Bodenhausen und von Herrn von Douglas. Jedoch ist keiner der beiden momentan in Berlin, und Frau von Bodenhausen ist selbst nicht zugegen. Sie schreibt mir, daß Sie die Herren bei ihr und bei Herrn von Douglas doch reinlassen könnten. Aber überschreite ich da nicht das Maß Ihres Entgegenkommens, und ist diese Aufgabe nicht unter Ihrer Würde und wenig erquicklich! Andererseits erhielte ich auf diesem Wege, wenn Sie sich einverstanden erklärten, eine wertvolle Auskunft bezüglich Ihres Eindruckes, den diese Herren auf Sie hinterließen. Den Auskünften Paechters zufolge sind die Herren seriös, und womöglich könnte sich dank ihrer ein wichtiges Unternehmen in Deutschland eröffnen. Lassen Sie mich wissen, sehr geehrter Herr, ob ich Ihnen die Herrschaften schicken darf, und zögern Sie vor allem nicht, mir diesen Dienst zu versagen, sollte es Ihnen absolut unangenehm sein, sich mit diesen Fabrikanten aus Hamburg zu treffen.«264
Wie groß im Gegenzug das Interesse seitens Kessler an van de Velde war, belegen für die Zeit von Ende 1897 bis August 1899 in erster Linie Kesslers Tagebucheinträge, da sämtliche Briefe aus dieser Periode verschollen sind. Aus den Einträgen geht hervor, wie oft sich van de Velde und Kessler ungefähr begegneten, welche Art von Gesprächen sie führten, wie interessiert Kessler den Künstler und dessen Werk analysierte, was ihm am Menschen van de Velde gefiel und wie er sich bemühte, van de Velde sowohl in die Künstlerkreise als auch in die Berliner Gesellschaft einzuführen. Zu erfahren ist, dass sich die Korrespondenzpartner im Jahr 1898 nahezu monatlich trafen. Die Begegnungen fanden vorwiegend in Berlin statt, wo van de Velde geschäftlich zu tun hatte. Seltener reiste Kessler nach Brüssel. Insbesondere die ersten Fahrten nach Brüssel dienten dem jungen Referendar dazu, van de Veldes Frau kennenzulernen und mit analytischem Blick das Wohnumfeld von Haus Bloemenwerf zu erkunden: »Vandevelde an der Bahn, um mich abzuholen. Mit ihm nach Uccle hinaus, wo ich bei ihm wohne. Die Frau ist eine schöne Blondine, die eine Art von präraphaelitischem Kostüm, meistens blau, mit viereckigem Ausschnitt trägt, das ihr sehr gut steht. Die Stimmung des Hauses durchaus hell und gesund. Bei Tisch sind keine Dienstboten im Zimmer, sondern das Essen wird durch ein Fenster aus der Küche, die sehr vernünftig unmittelbar an das Esszimmer angrenzt, hereingereicht; die Frau nimmt es, ohne aufzustehen (das Fenster ist gerade hinter ihrem Platz) aus den Händen des Dieners entgegen und reicht es herum. Das Gespräch ist natürlich, ohne auch vor der Frau Derbheiten zu scheuen und ohne sie zu suchen.«265
Ferner interessierte sich Kessler in besonderem Maße für van de Veldes künstlerischen Werdegang. Wann immer sich die Gelegenheit ergab, stellte er van de Velde hierzu Fragen und hielt die Antworten protokollarisch im Tagebuch fest. Vermutlich schwebte Kessler schon 1898 vor, ein ausführliches Porträt über van de Velde zu verfassen. Er griff das Projekt 1901 konkret auf, führte es jedoch in letzter Konsequenz
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nicht aus.266 Umso bedeutsamer sind diese Tagebucheinträge, da sie eine Vielzahl wertvoller Informationen enthalten: »Ich fragte van de Velde, was an M. G.’s Bemerkung, dass van Goghs Pinselstrich ihn angeregt habe, Wahres sei. Er meinte, das stimme bis zu einem gewissen Grade. Aber sein wahrer Ausgangspunkt, sei Seurats Theorie gewesen, daß es melancholische u. heitere Linien gebe. Er habe darauf die Ansicht gegründet, dass es Linien geben müsse, die auch Etwas Andres als blos Melancholie u. Heiterkeit ausdrückten und habe dann diese erweiterte Liniensymbolik zum ersten Mal auf dem Deckel der Elskampschen Dominicales anzuwenden versucht; jede der vier Linien habe Etwas Verschiedenes bedeuten sollen. […] Wenn er über seine eigenen Werke u. Theorieen spricht, ist V. immer interessant und originell. Sobald er darüber hinausgeht, verliert er vollkommen den Boden unter den Füssen und wird kapriziös und eng. Er findet Ancey tiefer und tragischer als Molière u. s. w. Als ich ihm sagte, daß auf mich Ancey den Eindruck eines großen Kindes gemacht hätte, an dem mich vor Allem die Naivität und Unschuld gewundert hätten, die seine Art die Welt zu sehen, voraussetzt, war er ganz ›horripilé‹.«267
Die gemeinsame Liebe zur Kunst war der eigentliche Schlüssel der Beziehung. Sie schaffte Berührungspunkte auf der einen Seite. Sie vereinigte, begeisterte und bereicherte auf der anderen Seite. Dies geht sowohl aus den Briefen als auch aus Kesslers Tagebucheinträgen klar hervor. Dabei ruhte das Verhältnis zwischen Kessler und van de Velde von Anbeginn auf gegenseitiger Achtung und Sympathie. Während van de Velde den jungen Grafen nicht nur als Auftraggeber, sondern auch als Anreger und Kritiker betrachtete, gefiel sich Kessler in der Rolle des Impresarios, Förderers und Vermittlers. Wie groß dabei Kesslers tatsächliche Liebe zur Kunst van de Veldes war und wie sehr er den Menschen schätzte, wird aus jenem Brief ersichtlich, den er im August 1899 an Maria van de Velde richtete. Es handelt sich um den ersten Brief von Kessler innerhalb des Briefwechsels, der sich erhalten hat. Zurück von einer Reise nach Deutschland, die er zusammen mit seiner Schwester Wilma unternommen hatte, schreibt Kessler: »Wir haben mit München begonnen. Dort habe ich ihr das Zimmer von Herrn Vande Velde gezeigt. Sie hatte noch nichts von ihm gesehen, und ich war äußerst erstaunt zu beobachten, daß es ihr gefällt. Nachdem sie alles sehr genau und in Ruhe betrachtet hatte, faßte sie ihre Eindrücke mit den Worten zusammen, wie geistig das ist. Diese Empfindung steigerte sich von Mal zu Mal, als wir dorthin zurückkamen: wie geistig das ist, wie rein das ist; man empfindet, daß man keine niederen Gefühle in dieser Umgebung haben kann; man möchte ein Zimmer wie dieses haben, um sich von Zeit zu Zeit dorthin zurückzuziehen und sich dort zu läutern etc. Meine Schwester würde niemals lügen. ›Anempfindung‹, dieses Gefühl war sicher echt, und von einem ganz jungen Mädchen ausgesprochen, schien es mir interessant. Überdies ist es genau die Empfindung, die ich habe, wenn ich zu Ihnen nach Uccle komme, gnädige Frau, und ich habe Ihnen für all das Gute zu danken, das Sie mir an jenem Tag, den ich in Brüssel war, entgegenbrachten, indem Sie mir gestatteten, eine Stunde bei Ihnen zu verbringen. Die Möglichkeit eines ›Heimes‹ wie des Ihrigen, eines ›Heimes‹, das ohne mystische oder religiöse Basis solch moralische Schönheit ausstrahlt, ist ein großer Trost und eine echte Verheißung für die potentielle Zukunft der Menschheit. Ich versichere Ihnen, daß ich mich sehr oft tröste, indem ich daran denke und Sie beide, Sie und Herrn van de Velde, in Gedanken darin wiedersehe, in dieser Umgebung, die ein Beweis einer erhabeneren und an sich tieferen Menschlichkeit ist.
1897–1900 | Brüssel–Berlin: Bekanntschaft und Aufbruch 49 Indem Herr van de Velde diese Umgebung schafft, ist er vielleicht im Nietzscheschen Sinne ganz aufgestiegen.«268
Neben Eberhard von Bodenhausen und Julius Meier-Graefe setzte sich auch Kessler frühzeitig für van de Veldes Übersiedelung nach Berlin und für die Vermittlung von Aufträgen, wie den Auftrag zur Ausstattung eines Lloyd-Dampfers, ein.269 Während Eberhard von Bodenhausen den eigentlichen Anteil an der Gründung der Berliner van-de-Velde-GmbH am 23. Dezember 1898 innehatte, sah sich Kessler eher als Vermittler und Türöffner zur Berliner Gesellschaft. Dies entsprach seinen Neigungen und vertrug sich hervorragend mit seinen eigenen Ambitionen. Als erprobter ›society man‹ stellte er wertvolle Kontakte zu Personen der Berliner Oberschicht her, zu Museumsdirektoren, Bankiers, Diplomaten, Industriellen, Gesandten, Politikern ebenso wie zu Künstlern, Kunstkritikern, Schriftstellern und Kunsthändlern.270 Darüber hinaus führte er van de Velde in die einflussreichen Salons von Cornelie Richter und Hildegard Freifrau von Spitzemberg ein. Für beide Seiten prägend war in diesem Kontext eine Vortragsserie van de Veldes im März 1900 in Berlin.271 Aufgrund der unerwartet großen Resonanz der ersten beiden Vorträge am 9. und 13. März arrangierte Kessler eine zweite Vortragsrunde, nunmehr jedoch »pour les gens de la cour«.272 In ungewohnt überschwänglicher Art bat er van de Velde am 14. März 1900: »Könnten und würden Sie vor etwa 50 Personen der Hofgesellschaft wiederholen, was Sie gestern Abend vorgetragen haben? Es scheint mir außerordentlich wichtig, soweit das möglich ist, all jene Leute zu gewinnen, die hier (oh Schauder!) den ›Ton‹ angeben. Da diese Gesellschaft infolge der Präsenz von Frau Cosima Wagner in Berlin daran gehindert war, Ihrem Vortrag beizuwohnen, wäre es meines Erachtens von Nutzen, auf diese Personen zuzugehen. Für den Fall, daß Sie gleicher Meinung wären, würde Frau Richter ihren Salon für Sie zur Verfügung stellen. Sie würde auf Einladung die Klügsten dieses sehr speziellen Kreises zusammenbringen und hat sich sehr wohlwollend auf diesen Plan eingelassen, den ich ihr gestern Abend, noch ganz enthusiasmiert von Ihrem wunderbaren Vortrag, unterbreitet habe. Wir dachten an Sonnabend um 4 Uhr nachmittags. Wenn Sie zu abgespannt sind, oder wenn Sie andere Gründe haben, Ihren Vortrag nicht noch einmal zu halten, ist nichts einzuwenden. Ich danke Ihnen noch einmal für die unvergeßlichen Augenblicke, die ich gestern Abend verlebt habe, während ich Ihnen zuhörte! [...] Ich denke, daß Frau Cosima Wagner Ihrem Vortrag beiwohnen wird.«273
Die Vortragsreihe war in vielerlei Hinsicht wegweisend und weichenstellend. Sie förderte van de Veldes Bekanntheitsgrad innerhalb der Berliner Gesellschaft, vermittelte ihm neue Auftraggeber und brachte ihn persönlich zu der Überzeugung, endgültig nach Berlin überzusiedeln. Zurück in Brüssel richtete er folgende Zeilen an seinen Gönner: »Ich schreibe Ihnen von meinem Zeichentisch aus, von dem ich mich seit meiner Rückkehr aus Berlin kaum erhoben habe. Die Erinnerung an Sie ist mir jeden Augenblick präsent, das Andenken an Ihr stetes Wohlwollen, an die Unterstützung, die Sie meinem Werk zukommen lassen, an die exquisite Wahl der Personen, mit denen Sie mich andererseits bekannt machen. Sie wissen nicht, welche Kräfte ich jedes Mal aus den Besuchen in Berlin schöpfe und welchen
50 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung enormen Anteil Sie an dieser Bereicherung haben, von der meine Arbeit nach jeder Rückkehr profitiert. Nach jeder meiner Reisen mache ich einen Sprung nach vorn, der sich beträchtlich auf mein Werk und auf alle anderen Bereiche auswirkt. Tief in mir empfinde ich so viel Wertschätzung und Dankbarkeit für Sie.«274
Schließlich trug die positive Resonanz der Vorträge in erheblichem Maße zur Festigung der Freundschaft zwischen van de Velde und Kessler bei. Überzeugt von van de Veldes künstlerischer Begabung und pädagogischem Impetus empfand es Kessler als persönliches Anliegen, dem Künstler neue gesellschaftliche Perspektiven zu eröffnen und auf diese Weise an dessen Weiterentwicklung teilzuhaben. Indem er ferner die Rolle des einflussreichen Vermittlers besetzte, war Kessler zudem in der Lage, aktiv an van de Veldes Schaffensprozess teilzuhaben. Seine neu ausgestattete Wohnung in der Köthener Straße in Berlin fungierte folglich als Plattform für eigene Repräsentationszwecke aber auch als Aushängeschild für van de Veldes Stil.
5. 1900–1902 | Berlin: Der Privatier und der Künstler Zeitgleich mit dem Jahr 1900 begann sowohl für Kessler als auch für van de Velde ein neuer Lebensabschnitt. Zukunftsweisende Entscheidungen und Ereignisse prägten die kommenden zwei Jahre und führten auf beiden Seiten zu einer Neuausrichtung des Lebens auf beruflicher und privater Ebene. Für Kessler fielen in diese Phase die Beendigung seiner Berufsausbildung, die Liquidation der Kunstgenossenschaft ›Pan‹, eine zweimonatige Reise nach Griechenland und Kleinasien, der Tod Friedrich Nietzsches und die Meldung als Freiwilliger zum Boxeraufstand in China. Nach wie vor bestimmten jedoch die »Augenblicksinteressen« als eine Art »Aufeinanderfolge von Anregungen ohne Zusammenhang« den Rhythmus und den Inhalt seines Lebens.275 Auf der einen Seite genoss Kessler die neu gewonnene Unabhängigkeit, andererseits litt er von Zeit zu Zeit unter einer gewissen Planlosigkeit seines Tuns. Umso dankbarer und intensiver strebte er schließlich 1901 jene Vermittlerrolle an, die im Jahr darauf zur Berufung van de Veldes nach Weimar führte. Van de Velde hingegen erlebte in dieser Zeitspanne gleich zweimal schmerzhaft das Scheitern seiner beruflichen Existenz: im Spätsommer 1900 mit der Abwicklung der zwei Jahre zuvor gegründeten ›Henry van de Velde G.m.b.H‹ und im November 1901 mit der vertraglichen Lösung vom ›Hohenzollern Kunstgewerbehaus‹ unter Hermann Hirschwald und dem damit verbundenen Abtreten sämtlicher Rechte an allen bis dahin entworfenen Modellen. Seit seinem fulminanten Durchbruch in Deutschland durchlitt van de Velde trotz stetig wachsender Auftragslage die erste Sinn- und Schaffenskrise. Krankheit, Sorgen um die materielle Zukunft seiner mittlerweile fünfköpfigen Familie sowie zwei große Umzüge binnen eines halben Jahres belasteten ihn nachhaltig.276 Zusätzlich wog der Verlust von Haus Bloemenwerf schwer. Trotzdem erkannte van de Velde das ungewöhnliche Potential, das diesem Neuanfang in Deutschland innewohnte:
1900–1902 | Berlin: Der Privatier und der Künstler 51 »Ich ließ mich in dem Augenblick in Berlin nieder, als eine Welle der Begeisterung und Aktivität die geistig und künstlerisch Interessierten erfaßt hatte, für die jede neu auftretende Erscheinung ein Erlebnis bedeutete. In keinem anderen Land Europas war in die Vorherrschaft der offiziellen Kunst eine derartig große Bresche geschlagen worden wie in Deutschland. Weder in Belgien während der Epoche der ›Vingt‹ oder der ›Libre Esthétique‹ noch in Frankreich zur Zeit des Streites um Courbet oder beim Hervortreten Manets und seiner Freunde war die Hohlheit der offiziellen Kunst in ähnlicher Weise angeprangert und angegriffen worden. In Paris hatten die Meister der modernen Kunst noch schwer zu kämpfen, als in Deutschland die französischen Impressionisten und Bildhauer wie Auguste Rodin, Constantin Meunier und Georges Minne von öffentlichen Museen erworben und von Kunstfreunden aus den Kreisen der Industrie- und Finanzaristokratie gesammelt wurden. Die geistige Erregung, von der Deutschland stärker als andere Länder erfaßt worden war, beschränkte sich nicht allein auf das Gebiet der bildenden Kunst. Die neue Literatur und Musik, die nicht weniger in Bewegung geraten waren, fanden in ähnlicher Weise Resonanz und Erfolg. Der Kult der Musik und des Theaters ist in Deutschland älter als das Verständnis für Malerei und Plastik. Das Interesse an der Literatur war seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ständig gewachsen. Eine leidenschaftliche Neigung zu Neuem und zur Entdeckung bisher unbekannter künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten griff um sich und förderte das Entstehen kühner Unternehmungen.«277
Die Zeit von Frühjahr 1900 bis zu van de Veldes Umzug nach Berlin im Oktober 1900 war beiderseits von einer hektischen Betriebsamkeit geprägt. Man schrieb sich nur selten und streifte Themen en passant. Einen »schrecklichen Sommer gilt es zu überstehen«, schrieb Kessler anlässlich seiner Abschlussprüfungen. »Ich würde gern einen Blick auf Ihren Garten werfen, der im Frühling wunderschön sein muss«, ließ er van de Velde im Mai 1900 wissen, »aber ich bin hier in Berlin auf Monate festgenagelt«.278 Van de Velde munterte Kessler von Herzen auf: »Ich denke an Ihre Arbeit, an das Ergebnis, das Sie sich von dieser verfluchten Prüfung erhoffen und wünsche selbst so sehr, daß Sie Erfolg haben.«279 Und nach der bestandenen mündlichen Prüfung teilte er Kessler umgehend mit: »Ich beglückwünsche Sie aufrichtig, lieber Freund, daß Sie von den Sorgen und Arbeiten befreit sind, die Ihnen diese Prüfungen auferlegt haben. Nun sind sie erlöst und frei und können sich jenen Dingen widmen, die Sie lieben und die wir von Ihnen erwarten.«280 Van de Veldes Sorgen kreisten dagegen primär um existentielle Dinge. Einerseits lähmten ihn die zähen Vertragsverhandlungen mit Hermann Hirschwald, andererseits musste der komplette Umzug von Brüssel nach Berlin vorbereitet und vollzogen werden. Wehmut schwingt gelegentlich in den Briefen mit, wenn er Kessler schreibt: »Letzten Donnerstag habe ich mich für immer von unserem ›Bloemenwerf‹ getrennt. Es zerreißt mir jedes Mal das Herz, wenn ich an die Trennung denke [...].«281 Angesichts der immensen Bedeutung dieses ersten eigenen Hauses als Familienrefugium, als maßgeschneidertes Gesamtkunstwerk, als Werkstatt- und Inspirationsort sowie als Geburtsstätte der Kinder verlief die Trennung für das Ehepaar van de Velde besonders schmerzhaft. Dies spricht auch aus den Zeilen, die van de Velde zu Weihnachten 1900 an Kessler richtete:
52 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung »Ich denke heute an Sie, der Sie wie wir das Weihnachtsfest allein verbringen, und übersende Ihnen meine besten Wünsche. Wir feiern nicht, und ich arbeite! Wir feiern nicht, da wir uns außerstande fühlen, die vertraute Freude eines Festes zu genießen, das dem Heim und der Familie gehört. Maria ist genauso weit weg von den Ihrigen wie ich von den Meinigen. Glücklicherweise nehmen die Kinder nichts wahr und denken nicht wie wir an unser dort leer stehendes Haus. Unermeßlich empfinde ich am heutigen Tag den Verlust unseres Hauses!«282
Je mehr sich van de Velde von Brüssel und dem eigenen Wohnhaus entwurzelt fühlte, je enger zog es ihn zu Kessler. Das Verhältnis wurde inniger und herzlicher, auch durch den Umstand, dass man nun in derselben Stadt lebte. Auf das Verhältnis in dieser Zeit ging van de Velde später in seinen Memoiren gesondert ein: »Unsere Beziehungen zu Harry Graf Kessler wurden seit unsrer Übersiedlung nach Berlin immer enger. Harry Kessler ließ keine Gelegenheit vorübergehen, meine Frau und mich bei interessanten Menschen einzuführen, wodurch sich der Gesellschaftskreis, in dem wir lebten, ständig vergrößerte. Kesslers Appartement in der Köthener Straße war zu einem Zentrum geworden, wo sich Deutsche und Ausländer, vor allem aus Kreisen der Diplomatie, trafen, deren Unabhängigkeit in künstlerischen Meinungen und deren fortschrittlicher Geschmack als verbindende Kräfte wirkten. Die deutschen und ausländischen Künstler, die bei Kessler verkehrten, gehörten zur großen Familie der freien, unabhängigen Geister, die sich von den Fesseln der offiziellen geistigen und künstlerischen Mentalität gelöst hatten.«283
Kessler gönnte sich nach den bestandenen Prüfungen eine Ruhepause und reiste über den Jahreswechsel 1900/1901 nach Griechenland und Kleinasien, um sich dort kontemplativen Kunst- und Kulturbetrachtungen hinzugeben. Von Athen aus schickte er van de Velde Abbildungen von Vasen, Schmucksachen und mykenischen Ornamenten, um ihn zu sensibilisieren und ihm auf diese Weise neue Anregungen für den Schaffensprozess mitzugeben. Ferner ließ er brieflich den Künstler an den eigenen kunstästhetischen Betrachtungen teilhaben: »Ich denke, daß Sie einige Formen darunter finden werden, die Sie interessieren könnten und die im Übrigen denjenigen ähneln, die auch Sie gefunden haben, indem Sie die Natur, jedoch gänzlich andere Teile der Natur, die Wellen des Meeres, untersucht haben. Hier sind also Zeugnisse dieser Sensibilität, mehr als dreitausend Jahre alt (die mykenische Kultur datiert ungefähr 1500 vor Jesus Christus), die uns zeigen, daß diese Sensibilität derart verwandt mit der unsrigen ist, daß Sie, der Sie der erste wirkliche ›Rhythmiker‹ des Auges sind, den unsere Zeit hervorgebracht hat, Ornamente erzeugen, die jenen der Mykener durchaus analog sind. Im Glauben, die Natur durch die Kunst zu entdecken, entdecken wir uns nur selbst. Das ist der Schluß, den ich daraus ziehe.«284
In der Folge entspinnt sich ein Dialog, der innerhalb des Briefwechsels durchaus typisch ist: der Privatier Kessler, fernab eines arbeitsintensiven Alltagslebens, konfrontiert van de Velde mit den eigenen Augenblicksinteressen, in diesem Fall mit ausschweifenden kunsttheoretischen Überlegungen. Ein wesenseigener Zug tritt hier zutage, denn indem Kessler ausschließlich über ein Thema referiert, verlangt er seinem Korrespondenzpartner direkt eine zustimmende Erwiderung ab. Van de Velde, stets höflich Kessler gegenüber, antwortet schließlich und geht kurz auf die Belange seines Briefpartners ein:
1900–1902 | Berlin: Der Privatier und der Künstler 53 »Wenn Sie zurückkommen, wird wieder Ruhe um mich und mein Werk herrschen und gemeinsam werden wir viel nachsinnen. Daß der Rhythmus auch die Seele des Ornaments ist und daß er es immer war, das ist sicher. Doch ist es nicht so, daß sich die menschliche Sensibilität unter den wechselnden Bedingungen selbst verändert und daß sie diesen Rhythmus verschiedenartig wahrnimmt? Ich bin mir nicht sicher, ob Sie genauso denken!«285
In Wirklichkeit bedrückten den Künstler jedoch andere Sorgen. Die erste Ausstellung im Berliner ›Hohenzollern Kunstgewerbehaus‹ erbrachte nicht den erhofften Erfolg. Darüber hinaus war es bereits zu Dissonanzen mit dem Besitzer Hermann Hirschwald gekommen. Van de Velde, ohnehin ständig mit Grundproblemen und Grundwahrheiten beschäftigt, schickt deshalb im gleichen Brief entschuldigend voraus: »Ihre ernsthaften und aufrichtigen Worte erreichen mich zu einem Zeitpunkt, wo ich ein tiefes Bedürfnis nach moralischer Unterstützung und Verständnis in mir spüre. Nichts als lächerliche Lobpreisungen und Gehässigkeiten umgeben mich. Ich kann weder auf die einen noch auf die anderen bauen. Gedanklich zieht es mich so zu Ihnen!«286
Zurück in Deutschland widmete sich Kessler einem seit 1898 geplanten Vorhaben: der Niederschrift eines biographischen Porträts über van de Velde. Er ließ dem Künstler einen »endlosen Fragebogen« zukommen und mahnte ihn, »einige Notizen über Ihr Leben« zu schicken.287 Van de Velde kam diesem Wunsch in einer Offenherzigkeit nach, die Kessler erstaunte und zugleich tief berührte. Obwohl sich van de Veldes Brief nicht erhalten hat, vermittelt Kesslers Antwortschreiben ein seltenes Bild vom beiderseitigen Vertrauensverhältnis: »Ihr Brief hat mich tief bewegt. Glauben Sie mir, daß ich all das, was Sie mir anvertrauen werden, mit vollstem Respekt behandle, der einer wunderbaren Offenheit geschuldet ist. Wie aber werde ich je dem Glanz und der Tiefe des Porträts, das Sie mittels der Dichte und der Energie Ihres Stils und Ihres Gefühls unbewußt von sich zeichnen, gleichkommen! Sie schaffen durch Ihren Stil, in diesen flüchtigen und ungekünstelten Bemerkungen, Ihre schönsten Ornamente. Lieber Freund, ich danke, danke Ihnen von meinem ganzen Herzen für dieses königliche Geschenk und für all das, was es in Ihrem Herzen gibt! Wenn dieses Herz eine solche Kraft hat, gehört man nicht der Rasse der Besiegten an; seien Sie dessen versichert, lieber Freund. Sie werden nicht als Schäfer enden, wie Sie das in einer so rührenden Art beschrieben haben. Ich glaube an die moralische Kraft als das Stärkste, was es auf Erden gibt. Sie haben reichlich davon, und es ist genau diese Kraft, die Sie weitergeben.«288
Kessler bestärkte van de Velde durchzuhalten und griff in diesem Kontext das Projekt einer gemeinsamen Bildungsreise auf. Bereits aus Smyrna hatte er van de Velde mitgeteilt: »Wie gern hätte ich mit Ihnen all diese Ruinen der griechischen Kultur erkundet.« Ihm war bewusst, dass van de Velde diesen Vorschlag lebhaft begrüßen würde: »Auch ich möchte die Hoffnung wiederfinden«, schrieb van de Velde im Gegenzug, »daß wir eines Tages eine Reise zusammen unternehmen können, die dem Studium und der Besinnung dient! Welches Land bereisen wir? Es wird sich doch um das erholsamste, ruhigste und friedlichste und stillste Land handeln, nicht wahr?«289 Da van de Velde zu diesem Zeitpunkt jedoch weder über
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die materiellen Mittel für eine ausgedehnte Fernreise noch über ausreichend Zeit verfügte, folgte er gern dem Wunsch Kesslers, im Sommer 1901 eine gemeinsame Deutschlandreise zu unternehmen. Vorausgegangen war eine Einladung von Elisabeth Förster-Nietzsche zu Ehren des ersten Todestages von Friedrich Nietzsche, dessen Schriften van de Velde und Kessler gleichermaßen verehrten. Darüber hinaus bot die auch international viel beachtete Ausstellung ›Ein Dokument deutscher Kunst‹ auf der Darmstädter Mathildenhöhe einen weiteren willkommenen Anlass. Van de Velde hatte Elisabeth Förster-Nietzsche im März 1901 in Berlin kennengelernt. Selbstredend war der Kontakt durch das Engagement von Kessler zustande gekommen. Als van de Velde schließlich zunächst allein in Weimar eintraf, offenbarte sich die Residenzstadt trotz des schlechten Wetters nicht unfreundlich. An seine Frau schrieb er kurz nach der Ankunft: »Weimar ist keine Stadt im eigentlichen Sinn! Es ist ein Ort wie Wiesbaden, jedoch weniger parvenühaft. Gleichwohl spürt man die Kultur – den Charme.«290 Wie viele andere lernte van de Velde die Reize der Stadt ganz allmählich und ohne jeglichen Zwang entdecken. Dabei folgte er einem wohl durchdachten Besuchsprogramm, das Elisabeth Förster-Nietzsche für ihn zusammengestellt hatte. Ausgangspunkt war Nietzsches Grab in Röcken. Es folgte eine abendliche Gedächtnisfeier im Weimarer Nietzsche-Archiv sowie eine Besichtigungstour ›en voiture‹ durch die Stadt. Zusammen mit Harry Graf Kessler, der erst später hinzukam, besichtigte man tags darauf das Goethehaus und unternahm einen Ausflug nach Tiefurt. Van de Veldes Fazit stand recht schnell fest: »Die Landschaft um Weimar herum ist prachtvoll und lieblich.«291 Das Interieur des Tiefurter Schlösschens gefiel ihm dagegen gar nicht. Seiner Frau vertraute er an: »Man glaubt kaum, was man dort alles zusammengetragen hat und man meint sich in einer Matrosenkajüte oder in einer Anstalt für Freudenmädchen!«292 Auch Harry Graf Kessler hatte schon 1897 in seinem Tagebuch vermerkt: »Die Reliquiensammlung in Tiefurt macht einen niederschmetternden Eindruck; Alles was diesen Dingen jemals Existenzberechtigung verliehen oder was Goethe in ihnen geliebt hat, ihre Neumodischkeit, ihre Frische, ihre Beziehungen auf irgend einen Scherz oder einen Liebesabend ist hin und nur ein ekelhafter, Rumpelkammerhafter Rest geblieben.«293 Ungeachtet des etwas unharmonischen Eindruckes, den Tiefurts Schloss offenbar hinterließ, genoss van de Velde die weiteren Ausflüge. Am Tage von Goethes Geburtstag fuhr man nach Naumburg, besichtigte den Dom, reiste nach Schulpforta weiter und spazierte von dort aus zu Fuß nach Bad Kösen. Der folgende Tag war schließlich einer Fahrt nach Leipzig gewidmet, wo man mit dem Bildhauer Max Klinger und dem Inhaber der Offizin W. Drugulin, Egbert Johannes Baensch-Drugulin, zusammentraf. Neben dem reichhaltigen Besichtigungsprogramm, welches abgesehen von den Klassikerstätten hauptsächlich dem Leben und Wirken Friedrich Nietzsches vorbehalten war, lernte van de Velde auch Weimars Salonkultur kennen. Während Kessler gewissermaßen als Impresario fungierte, spann Elisabeth Förster-Nietzsche bereits die Fäden im Hintergrund. Die
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Gesellschaft sollte für van de Velde und van de Velde für Weimar erwärmt werden. Im Tagebuch hielt Kessler hierzu fest: »Abends im Archiv gegessen mit Van de Velde, der Oberhofmeisterin Frau v. Watzdorf, Frau v. Meyendorff (geb. Gortschakoff, einer von Liszts Weimarer ›Freundinnen‹ und Frau eines früheren russischen Gesandten in Weimar) Frl. v Prott u Frl. v. Thüna. [...] Frau Förster hat in diesen Tagen den Vorschlag gemacht, dass Van de Velde sich als Direktor der Kunstschule in Weimar anstellen lasse. Er sagt, er würde gern die Stelle annehmen, wenn sie ihm angeboten würde. Ich soll deshalb an Werthern schreiben, der durch seine Schwester Palézieux die Sache in die Wege leiten soll.«294
Ohne dass die Zielrichtung klar vorgegeben war und einem genauen Szenario folgte, nutzte Kessler instinktiv eine historische Chance: Er arrangierte binnen weniger Monate van de Veldes Anstellung in Weimar und half dem belgischen Künstler damit aus der existentiellen Misere, in der sich dieser seit Frühjahr 1901 befand. Kessler profitierte dabei in erster Linie davon, in Weimar eine Atmosphäre vorzufinden, die von einer gewissen Lähmungsstarre befallen war. Der Hof, im Strukturwandel begriffen, trauerte noch immer um den im Januar 1901 verstorbenen Souverän Großherzog Carl Alexander, und das Kunstleben stagnierte seit dem Verblassen des ›Silbernen Zeitalters‹. Es herrschte ein Zustand der allgemeinen Neuorientierung. Der Fokus lag folglich auf dem 25-jährigen, scheinbar noch formbaren Großherzog Wilhelm Ernst. Kessler stand zudem das von Großherzog Ernst Ludwig initiierte und mit mäzenatischem Weitblick finanzierte Projekt einer Künstlerkolonie auf der Darmstädter Mathildenhöhe vor Augen, das er im Anschluss an die Weimarreise gemeinsam mit van de Velde besichtigt hatte.295 Ausgangspunkt für seine Bestrebungen waren jedoch der vakante Direktorenposten an der Weimarer Kunstschule sowie die Bestrebungen seitens des Ministeriums, das Kunstgewerbe im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach erneut einer staatlichen Förderung zu unterstellen.296 Im März 1901 hatte ihn Elisabeth Förster-Nietzsche auf beide Aspekte aufmerksam gemacht: »Nun denken Sie, was ich gestern hörte! Die Stellung, die ich in meiner Phantasie Ihnen zugedacht hatte, soll Graf Harrach, der Sohn Ihrer herrlichen Freundin, bekommen! Bei dieser Gelegenheit entwickelte ich mein Programm für das Großherzogthum Weimar. Sie wissen, daß das kleine Großherzogthum Porzellanfabriken, Glasbläsereien, renommirte große Töpfereien, oder besser ausgedrückt: Porzellanerde, vorzüglichen Thon und eine Fülle von guten Hölzern besitzt; daß außerdem die Thüringer ein sozusagen künstlerisch begabtes Völkchen sind. Wenn nun hier im Anschluß an die Kunstschule eine Reihe Werkstätten unter der Leitung eines hervorragenden Künstlers wie van de Velde gebildet würden, wo sozusagen für all diese Fabriken neue Muster hergestellt würden, die von diesen Fabriken oder deren besten Arbeitern ganz allein ausgeführt werden dürften, so wäre das doch gewiß ein Ziel, das einen ebenso idealen als realen Werth haben würde. Was ich nämlich immer vermisse, ist, daß auch die allergeringsten Gebrauchsgegenstände nach guten, künstlerischen Prinzipien hergestellt werden, und zwar billige Gebrauchsgegenstände, die eben das Volk auch bezahlen kann und woran es selbst seine innige Freude haben würde. Woher kommt es, daß in der Zeit, als die deutschen Städte blühten, auch der kleine Mann einen so guten Geschmack hatte, während jetzt der Mittelstand und das
56 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung sogenannte Volk sich durch den allerschlechtesten Geschmack auszeichnet? Das wird nicht besser, wenn sich nur die reichen Leute stilvolle Sachen machen lassen können, sondern wenn man eben mit den billigsten Sachen anfängt. Ich bilde mir ein, daß selbst Fabrikwaare nicht ganz verächtlich zu sein braucht, sondern daß auch diese Dinge genau dem Zweck angemessen gebildet werden können, dem sie dienen. Lieber Graf, ich sehe Sie lächeln! Kaum habe ich meinen ersten Ausflug in das Gebiet der Kunst gemacht, – sogleich mache ich große reformatorische Vorschläge, die draußen möglicherweise – ich weiß es ja nicht – die Spatzen schon längst von den Dächern pfeifen. Nur meine ich, daß hier wirklich Land und Leute den realen Untergrund für meine Vorschläge bilden. Ich bin nun sehr begierig, ob Graf Harrach, von dem ich übrigens glaube, daß Sie ihn mir als Ihren Freund genannt haben, hierher kommt.«297
Während Elisabeth Förster-Nietzsche nach ihrer eigenen Verwirklichung als Gralshüterin des Nietzsche-Archivs strebte, schlüpfte Kessler in die Rolle des einflussreichen Diplomaten und Vermittlers. Für van de Velde ließ er in der Folge seine weitreichenden Beziehungen spielen und inszenierte eine bewundernswerte Werbekampagne, die nach eigenem Bekunden auch Züge eines »richtigen Intriguenspiels« trug.298 Dabei beurteilte Kessler die Lage in Weimar gewohnt kritisch: »Charakteristikum der kleinen Stadt und des kleinen Hofs: Alles ist von Intriguen und Aigriertheit untergraben. Grund: Alle Leute haben Nichts zu thun und haben unendlich viel Zeit. Alle Leute fühlen sich zurückgesetzt, schon weil sie an einem kleinen Hof und in einem kleinen Land agieren statt in Berlin. Allen bieten sich die Intrigue und der Klatsch als die am leichtesten zu erreichende Beschäftigung. Daher knistert und knattert es immerfort im Untergrund von springenden Minen, oder richtiger von Lustfeuerwerk, mit dem man sich die Zeit vertreibt. Ein Studium hier lehrt Einen die kleinen Seiten der menschlichen Seele besser kennen als irgendwo anders: Reinkulturen des menschlichen Schimmelpilzes. Besondres Charakteristikum: es kommt immer Nichts darauf an, ob eine Intrigue so oder so verläuft. In der Welt wird weder im einen noch im andren Falle Etwas Anders. Das wissen die Intriganten; daher grössere Gewissenlosigkeit als z B. in Berlin. Künstlerisch interessant, dieses Kleine überall bis ins Grosse zurückzuverfolgen, aus dem es durch eine Art von Metamorphose wird. Willenschemie. Die ernsthafte Frage ist, ob sich diese Kleinheitsprodukte wieder zu Etwas Grossem verschmelzen lassen, und in welcher Retorte?«299
Es ist Kesslers Verdienst, in dieser Atmosphäre der allgemeinen Neuorientierung wie ein geübter Manager zu agieren und sämtliche Beteiligte von Rang und Namen einzubinden. Elisabeth-Förster Nietzsche hatte er bereits für seine Mission gewonnen. Als ambitionierte und gesellige Archivherrin wusste sie über jeden Vorgang in der Residenzstadt Bescheid und verfügte über hervorragende Kontakte zur Weimarer Hofgesellschaft und zu Intellektuellenkreisen. Kessler führte sodann seine Freunde Hans von Werthern-Beichlingen und Eberhard von Bodenhausen geschickt ins Feld, um den Zugang zu Oberhofmarschall und Schatullverwalter Aimé von Palézieux zu sichern, der seit 1896 mit Elisabeth von WerthernBeichlingen verheiratet war.300 Seit der Inthronisierung von Großherzog Wilhelm Ernst gehörte Palézieux zu den einflussreichsten Personen am Weimarer Hof. Zudem war er ein enger Vertrauter der großherzoglichen Familie. Kessler beauftragte Bodenhausen, der Gräfin Werthern zu schreiben, »die wieder auf ihre Schwägerin Palézieux (geb. Gräfin Werthern) wirken soll«.301 Hans von Werthern-Beichlingen
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wurde dagegen gebeten, sich mit einem von Kessler verfassten Schreiben direkt mit seinem Schwager Aimé von Palézieux in Verbindung zu setzen.302 Kessler erreichte auf diese Weise, dass auch Staatsminister Karl Rothe als Chef des Ministerialdepartements des Großherzoglichen Hauses von Anfang an in die Angelegenheit eingebunden war. Wie aus dem Antwortschreiben von Hans von Werthern-Beichlingen hervorgeht, begann Kesslers Vorhaben Mitte September 1901 zu fruchten: »Ich habe Ihren Brief meinem Schwager geschickt und dieser hat ihn dem Großherzog und dem Minister Rothe vorgetragen, letzterer ist beauftragt, sich weiter mit der Frage zu beschäftigen. Ich habe auch vorgeschlagen, daß man Ihnen ermöglichen möge, Ihre Gedanken dem Großherzog persönlich vorzutragen; darauf ist bis jetzt noch nichts erfolgt.«303
Auch Ottobald Freiherr von Werthern-Beichlingen, der jüngere Bruder von Hans, fungierte als Vermittler. Er war mit Kessler seit der Studienzeit befreundet, hatte als Gymnasiast ein Jahr im Hause der Familie Nietzsche in Naumburg verlebt und verfügte ebenfalls über einflussreiche Kontakte zum Weimarer Hof. Des Weiteren involvierte Kessler gezielt diverse Hofdamen und Damen der Weimarer Gesellschaft, wie z. B. die Freifrauen Annemarie und Margarete von Thüna, Luise Rothe, Marie von Prott, Gertrud Gräfin von Werthern–Beichlingen oder Elisabeth von Palézieux. Sein vorrangiges Ziel bestand darin, die Gunst des Großherzogs sowie weiterer Mitglieder der großherzoglichen Familie zu gewinnen.304 Am 26. Oktober 1901 wurde Kessler schließlich in Weimar vorstellig. Da sich van de Velde gerade dienstlich in Hagen aufhielt, bat er Maria van de Velde, einen Türgriff sowie einige Architektur- und Innenraumzeichnungen zu entleihen, die er zusammen mit »vier oder fünf Beleuchtungskörpern« in Weimar vorzuführen gedachte.305 Zugleich stellte er van de Velde unmittelbar vor der Abreise nach Weimar einige zentrale Fragen zur Form der zukünftigen Einrichtung. »Wenn Sie nach Weimar gingen, würden Sie, wie ich vermute, Werkstätten einrichten. Ich nehme deshalb an, daß Sie Werkmeister brauchen und Werkmeister, die die Schüler von der technischen Seite des Handwerks her zu unterrichten befähigt sind.«306 Ferner beauftragte er van de Velde mitzuteilen, welche Gewerbe aus seiner Sicht unentbehrlich seien. Kessler griff damit die Idee von Elisabeth Förster-Nietzsche auf, eine Schule mit Werkstätten zur Hebung des Thüringer Kunstgewerbes zu gründen. Van de Velde befürwortete Kesslers Vorhaben in seinem Antwortschreiben vom 25. Oktober 1901, wobei ihm ganz konkret eine kunstgewerbliche Versuchsanstalt in Form eines Laboratoriums (»un laboratoire pour mon style«) vor Augen stand.307 Er bekräftigte den Vorschlag von Kessler, Werkstätten zu gründen und schlug die Etablierung einer Kunsttischlerei, Holzbildhauerei, Töpferei, Druckerei sowie einer Metall- und Schmuckwerkstatt vor.308 Ohne Werkstattbetrieb, so van de Velde, »würde der Unterricht ausschließlich auf ›Entwurfsarbeit‹ beruhen. Er wäre ›einseitig‹, gerade ausreichend, um Schüler nach Weimar zu holen, jedoch ohne unmittelbare Auswirkung auf die Unternehmer, denen ich gern Modelle zur Verfügung stellen möchte, die in der Schule ausgeführt werden und an denen die
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Arbeiter und Schüler arbeiten.«309 Das Ziel der Einrichtung sollte folglich darin bestehen, »aus einem Arbeiter einen Kunsthandwerker zu formen«.310 Für die Werkmeister empfahl van de Velde ein Einkommen von 2.000 Mark pro Jahr. Kessler fuhr am 26. Oktober 1901 nach Weimar und unterbreitete zunächst Staatsminister Rothe die Vorschläge, wie dem Tagebuch zu entnehmen ist.311 Ferner präsentierte er van de Veldes Beleuchtungskörper, die einen »wahren Begeisterungssturm« entfachten.312 Dem Künstler richtete er postalisch aus: »Hier ist alles auf dem besten Weg. Genauer gesagt bin ich vielen Leuten begegnet, und alle, der Minister eingeschlossen, scheinen Ihnen gegenüber sehr wohlgesonnen zu sein. [...] Jetzt hängt alles von Herrn von Palézieux, den ich nicht getroffen habe, da er mit dem Großherzog auf Reisen ist, und vom Großherzog ab, denn die Kunstschule ist eine Institution, die dem Großherzog persönlich und nicht dem Staat untersteht. Frau von Palézieux, die Schwester von Graf Werthern, ist von der Idee sehr eingenommen und wird ihren Ehemann, denke ich, mitreißen. Der eigentlich unsichere Punkt ist folglich der Großherzog selbst, der sehr starrköpfig ist. Man muß ihn willig stimmen. Man (der Hof) möchte Sie hier kennenlernen, und ich muß Ihnen deshalb unterbreiten, in etwa vierzehn Tagen mit mir hierher zurückkommen. Momentan ist der Großherzog abwesend; kein Grund also zur Eile.«313
Nach der ersten erfolgreichen Verhandlung reiste Kessler eine Woche später erneut nach Weimar, um diesmal auch mit Großherzog Wilhelm Ernst in Kontakt zu treten. Wie er von Rothe als Ressortchef des großherzoglichen Hauses im Vorfeld erfahren hatte, unterstand die Kunstschule ebenso wie eine neu einzurichtende Institution zur Pflege des Kunstgewerbes der Privatschatulle des Großherzogs. Drei zentrale Punkte verhandelte Kessler vorab mit den »beiden einflussreichsten Männern Weimars« Rothe und Palézieux.314 Der erste Punkt betraf van de Veldes Gehalt. Kesslers Vorschlag, van de Velde eine jährliche Besoldung in Höhe von 8.000 Mark in Aussicht zu stellen, wurde vom Schatullverwalter Palézieux strikt abgewiesen. »Palézieux will nicht und erklärt, nicht mehr als 6.000 Mark als Gehalt ausgeben zu können.«315 Um dieses sensible Thema nicht länger zu »strapazieren«, ging Kessler auf Wunsch der Anwesenden zu van de Veldes Kunstschaffen über. Im Nachgang resümierte er van de Velde gegenüber: »Alle haben sie Angst, daß Sie hier alles zerschlagen werden. Ich legte ihm dar, was ich hier jedem immer wieder aufs Neue sage, seitdem die Rede davon ist, Sie hierherzuholen, daß Sie – was Ihre Person anbelangt – natürlich Ihren persönlichen Stil haben, daß Sie aber keineswegs die Intention verfolgen, die Menschen dazu zu zwingen, Ihren Stil als den einzig möglichen zu akzeptieren, sondern im Gegenteil, daß Sie ihnen beibringen wollen, ihre eigene Persönlichkeit und selbst ihre althergebrachten Formen etc. in einer künstlerischen und schönen Weise zum Ausdruck zu bringen.«316
Der dritte Punkt lag besonders Oberhofmarschall von Palézieux am Herzen und betraf die ›Permanente Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe‹, sein sogenanntes »Lebenswerk«.317 Seit 1880 leitete Palézieux das Weimarer Museum, das auf Vereinsbasis mit dem Ziel gegründet worden war, die bildende Kunst und das Kunstgewerbe zu fördern. Das Museum diente als Ausstellungsort für altes und neues
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Kunstgewerbe sowie für zeitgenössische Malerei. Des Weiteren konnten Kunstgegenstände, vornehmlich Werke der Kunstschule bzw. der ›Weimarer Malerschule‹, käuflich erworben werden. Palézieux schwebte vor, das Museum mit der zukünftigen kunstgewerblichen Lehranstalt unter einem Direktorat zu vereinen und das Museum für den Unterricht nutzbar zu machen.318 Zu diesem Zeitpunkt konnte noch keiner der Beteiligten ahnen, dass Kessler 1903 die ehrenamtliche Leitung dieses Museums übernehmen und dass 1907 mit dem mysteriösen Tod von Palézieux diese wichtige Epoche enden würde. Am gleichen Abend wurde Kessler vom Großherzog anlässlich eines Diners ins Weimarer Residenzschloss geladen, was letzterer »eigens zu diesem Zweck arrangiert« hatte und was Kessler als »ein ausgesprochen gutes Zeichen« wertete.319 Mit diplomatischem Geschick und dem nötigen Kalkül beantwortete Kessler sämtliche Fragen, zerstreute Zweifel und drängte subtil auf eine formelle Entscheidung bezüglich der Berufung van de Veldes hin. Sein positives Gesamturteil wurde durch die Äußerung des Großherzogs, van de Velde die Innenausstattung des Volkshauses in Jena übertragen zu wollen, noch einmal untermauert. Enthusiasmiert berichtete Kessler seinem Schützling nach Berlin: »Ich saß links vom Großherzog und habe mich deshalb sehr lange mit ihm unterhalten können. Er interessiert sich sehr lebhaft für die Idee. Zunächst gab er zu verstehen, daß er nicht glaube, daß Sie wirklich nach Weimar kommen wollten. Ich habe ihn diesbezüglich beruhigt. Dann hat er im Laufe der Konversation drei- oder viermal wiederholt ›Das wäre ja wunderschön, wenn sich das wirklich machen ließe‹, daß Sie kommen. Jedoch hat er mir bis dato kein förmliches Angebot für Sie unterbreitet; und darauf warten wir, d. h. der Minister und ich, momentan. Ich werde den Großherzog heute Mittag wiedersehen, um ihm Ihre Beleuchtungskörper zu zeigen. Er äußerte den Wunsch, Arbeiten Ihrer Hand zu sehen, ohne daß ich ihm davon erzählte. Ich habe den Eindruck, daß sich die Angelegenheit in den nächsten Tagen auf die eine oder andere Art wird entscheiden müssen.«320
Mit der Maßgabe, van de Velde solle das nächste Mal in Weimar vorstellig werden, und in Kenntnis der Weimarer Verhältnisse, die von persönlichen Befindlichkeiten, diffusen Zielsetzungen und reichlich Klatsch geprägt waren, reiste Kessler zurück nach Berlin, um für van de Velde die nächsten Schritte in die Wege zu leiten. Dabei machte er sich die Planlosigkeit des Weimarer Hofes und die individuellen Interessen der Hauptakteure zu Nutze. Die Situation vor Ort, die für ihn Jahre später selbst zum Verhängnis werden sollte, hatte er jedenfalls mit analytischem Scharfsinn schnell durchschaut: »[Palézieux, Anm. d. Verf.] Schien stark zu wünschen, dass sein LebensWerk durch Van de Veldes Thätigkeit zu Leben und Anerkennung komme. Dieses ist offenbar bei ihm das Treibende. Bei Rothe mehr das Allgemeinwohl des Landes und der Einfluss seiner Frau, die durch Gleichen zur Kunst erzogen ist. Beim Grossherzog der Versuch, Etwas zu thun, das seine Regierung für das Land in einer glänzenden Weise einleitet. Bei der Hofgesellschaft die Langeweile und dass es sie nach einem Spielzeug juckt; Etwas womit sie sich beschäftigen kann und was sie beschäftigt. So habe ich den Eindruck, dass der Entschluss zur Berufung aus dem Allem zustandekommen wird.«321
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Die entscheidenden Verhandlungen fanden kurz vor Weihnachten 1901 statt. Van de Velde war gerade zum dritten Mal Vater geworden und hatte am 20. Dezember 1901 vom Tod seines Vaters erfahren.322 Trotz der bevorstehenden Beerdigung reiste er nach Weimar, um sich am 21. Dezember 1901 dem Großherzog, der Großherzoginmutter und einigen Mitgliedern der Hofgesellschaft anlässlich eines Diners in den Repräsentationsräumen des Residenzschlosses vorzustellen. Wieder kam Kessler die Rolle des Vermittlers zu, als zu nächtlicher Stunde in den großherzoglichen Privaträumen van de Veldes Berufung besiegelt wurde: »Die Erbgrossherzogin zog sich bald zurück und wir gingen hinauf in die Zimmer des Grossherzogs. Dieser sprach zunächst fast eine Stunde in einer Ecke mit VandeVelde allein. Dann kam er bald zu mir und fragte mich, wie die Sache mit Crefeld (Denekens Pläne) sei. Ich sagte ihm, was ich wusste. Darauf er ganz betroffen: ›Ja, was wird dann aus uns in Weimar?‹ Ich erwiderte: ›Das haben K. H. ja ganz in der Hand. VandeVelde hält sich an Weimar vorläufig noch gebunden. K. H. brauchen ihm nur den bestimmten Vorschlag unter den heute beim Minister Rothe besprochenen Bedingungen zu machen, und er wird sofort Ja sagen.‹ Der Grossherzog meinte, das würde er gern thun. Darauf ich: ›Soll ich VandeVelde vielleicht dazu heranholen?‹ ›Ja, bitte.‹ Ich gieng darauf auf VandeVelde zu, der im Gespräch mit Jemandem Anders uns gerade den Rücken zukehrte, fasste ihn an und drehte ihn um, dem Grossherzog zu; der Grossherzog streckte ihm unter verlegenen Worten die Hand entgegen; und die Sache war gemacht.«323
Sichtlich stolz führte Kessler gegenüber Eberhard von Bodenhausen näher aus: »Vandevelde ist nun zu meiner sehr großen Genugthuung wirklich nach Weimar berufen worden. Der Großherzog stellt ihn vom 1 April ab mit einem Gehalt von 6000 M. als seinen Bevollmächtigten zur Hebung des Weimarischen Kunstgewerbes an. Dieses ist in der That der einzige Inhalt des Abkommens. Vandevelde bleibt also vollkommen frei bis auf seinen Wohnsitz, den er natürlich in Weimar nehmen muß. Aber im Übrigen sind ihm gar keine Bedingungen oder spezielle Thätigkeiten auferlegt. Ihm soll nur die Existenz gesichert werden, damit er frei und ohne Sorge schaffen kann, und dafür übernimmt er die blos moralische Verpflichtung, den Weimarischen Industriellen mit Rat und That zur Seite zu stehen. So ist man in Weimar, in einer sehr breiten und schönen Auffassung fürstlichen Mäzenatentums, darauf eingegangen; auf Antreiben des Staatsministers, der sich in der ganzen Sache als ein Mann von außergewöhnlicher Weite und Unbefangenheit bewährt hat. Auf Grund dieses Abkommens nun soll natürlich Etwas Praktisches ins Leben gerufen werden. Und dieses wird nach Vandeveldes Wunsch zunächst eine Art von kunstgewerblicher Versuchsanstalt sein, in der er mit den Schülern, die er aufnehmen wird, Entwürfe, Modelle u s. w. für die Weimarischen Handwerker bearbeiten wird. Diese Entwürfe (die seinen und die seiner Schüler) werden zur Ausführung also den Industriellen bezw. Handwerkern im Lande übergeben und zwar sei es gegen einmalige sofortige Bezahlung, sei es gegen eine Gewinnbeteiligung Vandeveldes und der Versuchsanstalt. Von diesen Geldern und den Lehrgeldern der Schüler wird die Anstalt zu leben haben, und zwar wie ich glaube reichlich, da die Kosten nicht sehr groß sein werden. Außerdem hat der Staatsminister eine Unterstützung des Staates (also hier nicht des Großherzogs) in Aussicht gestellt. Den Baugrund für die Anstalt erhält VandeVelde sei es unentgeltlich sei es gegen einen ganz geringen Pachtzins. Für den Bau selbst wird es nötig sein, leihweise Geld aufzubringen. Ich denke etwa als eine auf eine Reihe von Jahren unkündbare Hypothek. Das wird jetzt das Wichtigste sein, dieses Geld (etwa nur 30 bis 40000 M.) zu finden. Da es aber absolut sicher gemacht werden kann, so hoffe ich, daß das ohne allzu große Schwierigkeiten gelingen wird.
1902–1914 | Weimar: Kulturelle Neubelebung einer Stadt 61 Die Neuheit des ganzen Plans besteht, wie Du bemerkt haben wirst, in zwei Punkten: erstens in der großen Freiheit und zugleich in dem großen Umfang der Vandevelde vom Großherzog übertragenen Aufgabe; ein ganzes, industriereiches Stückchen Deutschlands wird ihm unumschränkt in die Hände gegeben. [...] Hinter Vandevelde stellt sich, im Dienst seiner Arbeit, die ganze Macht des Großherzogs und des Staats. So Etwas ist, glaube ich, seit den Berufungen von Philosophen-Gesetzgebern durch antike Stadtherrscher nicht dagewesen. Es ist aber auch nur möglich, weil eben für Vandeveldes Arbeitsweise auch ein ganz neuer Weg gefunden worden ist. Und dieses ist die zweite Neuheit. Während Morris, Birmingham, Darmstadt etc. immer eigene Fabriken und Handwerkereien zeigen, die also dem vorher bestehenden Gewerbe Konkurrenz machen und im Kampf mit ihm einen Teil ihrer Kraft vergeuden, ist hier zum ersten Mal eine wirklich praktische, moderne Form für die Stellung des Künstlers zum Gewerbe gefunden worden; allerdings abgeguckt der in Deutschland erfundenen und so glänzend erfolgreichen Einrangierung des Gelehrten, des Chemikers, Physikers usw. in die Industrie. Es wird eine Art von Kunstlaboratorium in den Dienst der Industrie gestellt, das die der Industrie sich stellenden künstlerischen Aufgaben und Probleme bearbeitet und ihr die Lösungen zur Ausbeutung überläßt; genau wie die chemischen Laboratorien ihr künstliches Indigo oder ihre Bremer Brenner. Wenn das Unternehmen in Weimar gelingt, so wird es in der deutschen Kultur, dessen bin ich ganz sicher, Epoche machen.«324
6. 1902–1914 | Weimar: Kulturelle Neubelebung einer Stadt Nach dem erfolgreichen Engagement für van de Velde, dessen Dienstbeginn auf den 1. April 1902 festgelegt war, tat sich mit Jahresbeginn 1902 auch für Kessler eine akzeptable Wirkungsmöglichkeit in Weimar auf.325 Der vakante Posten des Kunstschuldirektors musste dringend besetzt werden. Da sich Kessler mit diplomatischem Geschick hervorragend in die Weimarer Kreise eingeführt hatte, wurde vorübergehend die Möglichkeit in Betracht gezogen, ihn zum Direktor der Kunstschule zu berufen, was schließlich jedoch an Alter und Profession scheiterte. »Sie möchten einen Maler«, unterrichtete er am 26. Januar 1902 van de Velde, »oder wenigstens einen ›ausübenden Künstler‹. Außerdem finden sie mich zu jung.« Ferner merkte er an: »Ich gab der Gräfin [Gertrud Gräfin von Werthern-Beichlingen, Anm. d. Verf.] zu verstehen, daß mich der zweite Grund schmeichle, daß ich dies jedoch nicht gutheißen könne, da ich mich nicht als kleiner Knabe fühle, ich keinerlei Angst vor den älteren Malern in Weimar habe und mir diese nicht im Geringsten Furcht einflößen.«326 Die Stelle wurde schließlich zum 1. April 1902 mit dem Maler Hans Olde besetzt. Anfang April 1902 traten Oberhofmarschall von Palézieux und Staatsminister Rothe erneut an Kessler heran und unterbreiteten ihm das Ansinnen, die sogenannte ›Permanente Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe‹in ein modernes Museum umzuwandeln.327 Kessler sollte dem Kuratorium beitreten und darüber hinaus eine Professur in Jena bekleiden. Mit der Begründung, er müsse die Verhandlungen mit dem Auswärtigen Amt abwarten, lehnte Kessler zunächst ab, skizzierte im Gegenzug jedoch gezielt seine Vorstellungen.328 Das zukünftige Amt müsse im Sinne einer »Art Oberleitung aller Kunstbestrebungen im Großherzogtum« organisatorische (Reform des Kunstunterrichts an sämtlichen
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Schulen), administrative (Verwaltung aller Museen) sowie akademische Aufgabengebiete (Vorlesungen) vereinen.329 Erst mit der Absage vom Auswärtigen Amt Ende April 1902 griff Kessler das Vorhaben konkret auf und konzentrierte sich von nun an verstärkt auf die Weimarer Unternehmungen. Zusammen mit Alfred Lichtwark entwarf er neue Pläne und umriss inhaltlich die neue Stelle.330 Zwischenzeitliche Versprechungen, Kessler zum Kammerherrn zu ernennen und mit der Organisation der großherzoglichen Sammlungen zu betrauen, verliefen rasch im Sande, sodass lediglich der Posten zur Reorganisation der ›Permanenten Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe‹ im Zuge der Umwandlung in Staatsbesitz blieb.331 Anfang Juli 1902 wartete Kessler noch immer auf eine offizielle Zusage. An van de Velde, der sich für Kesslers Berufung in hohem Maße engagierte, schrieb er: »Auch ich wünsche noch immer, den Winter in Weimar zu verbringen. Doch muß ich wohl meine Bedingungen sowohl in materieller als auch in persönlicher Hinsicht stellen, da von allen Vorschlägen, die mir Rothe ganz offensichtlich dank Ihrer Vermittlung unterbreitet hat, nur die Reorganisation der Permanenten Ausstellung bleibt. Ich habe deshalb Rothe geschrieben, um von ihm zu erbitten, welche diese Bedingungen wären. Seine Antwort wird über die Angelegenheit entscheiden. Sollten die Bedingungen nicht zu meiner Zufriedenheit sein, würde ich es vorziehen, ohne irgendeine offizielle Bindung nach Weimar zu kommen. Denn es wäre fatal, mich auf ein zum Scheitern bestimmtes Unternehmen einzulassen.«332
Mitte Juli 1902 erreichte Kessler schließlich eine Anfrage vom Ministerium, die Reorganisation der ›Permanenten‹ zu übernehmen.333 Kessler sagte »mit gewissen Einschränkungen zu«, musste aber einige Monate auf eine offizielle Zusage warten.334 Vor dem Hintergrund der von »Intriguen und Aigriertheit« untergrabenen Weimarer Verhältnisse335 und den »geheimen Rivalitäten« am Hofe,336 bekundete er van de Velde gegenüber beharrlich seine Bereitschaft zum gemeinsamen Kampf.337 Bereits Anfang Januar 1902 hatten beide miterleben müssen, wie umstritten van de Veldes Berufung von der meinungsbildenden Presse aufgenommen und behandelt worden war. Die Kritik zielte vornehmlich gegen van de Veldes belgische Nationalität und die Neuartigkeit seines Stiles. Kessler, der sich als Freund und Vermittler van de Velde gegenüber in der Pflicht sah, unterstützte den Belgier nach Kräften. Gemeinsam lancierten sie am 16. Januar 1902 ein Dementi in der Weimarischen Zeitung und setzten sich gegen eine zweiteilige, in hohem Maße polemische Artikelfolge mit dem Titel ›Herr Henry van de Velde und seine Berufung nach Weimar. Ein seltsames Project‹ zur Wehr.338 Ihnen war klar, dass ihre Aktivitäten in Weimar argwöhnisch beobachtet wurden und dass die Furcht darin bestand, dass »ein einzelner durch die Gunst des Großherzogs mit Machtvollkommenheiten ausgestattet würde, die ihre eigenen Machtstellungen bedrohte«.339 Umso kampfbereiter zeigte sich Kessler auch gegenüber Elisabeth Förster-Nietzsche, der er am 26. Juni 1902 bezüglich der vorgebrachten Vorschläge, die ›Permanente‹ zu reorganisieren, schrieb: »Bestimmt haben mich, diese Vorschläge anzunehmen, dann die Zeitungsartikel gegen Vandevelde, aus denen ich ersehe, daß seine Kunst im Lande wirklich Bewegung hervorruft, daß also
1902–1914 | Weimar: Kulturelle Neubelebung einer Stadt 63 Leben im Entstehen begriffen ist. Das war was ich gehofft hatte. Jetzt ist uns der Sieg sicher. Die Gegner kämpfen mit Pfeil und Boden gegen sieben Millimeter Gewehre. Hätten sie die Schlacht aus Schläfrigkeit und Versumpftheit nicht angenommen, so wäre der Erfolg viel zweifelhafter gewesen. Denn Leben schaffen, wo keines ist, dessen kann sich die beste Energie nicht vermessen. Aber wo es vorhanden ist, es in die richtigen Bahnen leiten, das ist eine menschlich mögliche Aufgabe. Also, meine gnädigste Frau, im Winter soll der Kampf toben, und Sie müssen es sich schon gefallen lassen, daß wir das Nietzsche Archiv hoch oben auf dem Berg als unsere Zitadelle ansehen. Die Aufgabe ist nicht, ganz Weimar zu überzeugen, sondern in Weimar produktives Leben zu schaffen, die günstigen Bedingungen, die dort geboten sind, auszunutzen, um ein Stück produktives modernes Leben großzuziehen und damit eine allgemeine, keine blos lokale, Kulturaufgabe zu lösen.«340
Van de Velde gegenüber formulierte Kessler seine Vorstellungen, die einer programmatischen Kampfangsage gleichkamen, am 15. Oktober 1902 wie folgt: »Ich werde nach Weimar kommen, ich werde bestimmt kommen. Ich werde vor allem kommen, wenn es Kämpfe, Intrigen, Gefahren gibt, die gegen Ihr Werk gerichtet sind, das Sie verwirklichen müssen. Jedoch bin ich weniger pessimistisch als Sie. Was wollen wir letzten Endes? Schaffen. Was können uns Intrigen daran hindern? Sie herrschen über Ihre Werkstätten; ich herrsche über mein Museum, meinen Vortragssaal. Wir bauen das auf, was uns vorschwebt: eine klare, gesunde, stärkende und produktive Lehre. Mögen sich andere nach uns richten oder uns gegenüber unfreundlich sein. Es wird nicht viel ändern. Mögen sich die anderen entscheiden, wie sie wollen. Die Folgen werden eher ihnen schaden. Wenn wir wirklich etwas Produktives hervorbringen, wie könnte uns das Nichtige, das sie als einziges entgegenzusetzen haben, verwunden? Die Hauptsache ist, daß wir fruchtbar sind. Unsere intellektuelle und künstlerische Fruchtbarkeit ist Intrigen gegenüber absolut resistent. Unter Produktivität verstehe ich, daß auch ich mich bemühe, selbst produktiv zu sein und andere zum Schaffen zu bewegen. Vor diesen Tatsachen werden sämtliche Phantome zwangsläufig verblassen. Ihre Nerven halten diese Phantome für wirkliche Gefahren. Wenn Sie in einer Woche wieder zu Kräften gekommen sind, werden Sie selbst darüber lachen. Ich möchte mit Ihnen zusammen noch viel schönere Dinge verwirklichen, als wir jetzt nur ahnen können! Wir müssen uns meines Erachtens in der Zwischenzeit bemühen, uns nicht mit jenen Personen zu überwerfen, die wir gegen uns wissen. Selbst absolut förmliche und oberflächliche Beziehungen werden unsere Aufgabe enorm begünstigen. Ich für meinen Teil werde versuchen, sie so herzlich wie möglich zu pflegen, ohne dabei die Ideen aufzugeben, die uns trennen. An diese Benimmregel müssen wir uns aus meiner Sicht halten. Wenn die Kunstschule nicht das verspricht, was wir erhoffen, lassen wir sie beiseite, befassen wir uns nicht mit ihr, handeln so, als ob sie nicht mehr existiert, wobei wir unsere persönlichen Beziehungen zu den Professoren pflegen und nebenher produktiv sind. Dies ist ein absolut sicheres Mittel, uns in relativ kurzer Zeit zu Meistern darin zu machen.«341
Zeitgleich mit der Entscheidung, den Ehrenvorsitz der ›Permanenten Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe‹ zu übernehmen, fasste Kessler im April 1902 den Entschluss, ebenfalls in Weimar wohnhaft zu werden. »Dies ist ein Geheimnis«, vertraute van de Velde am 30. April 1902 seiner Frau an, »von Kessler kommt diesen Winter nach Weimar und möchte, daß Du Dich informierst, ob es in einer der Villen in unserer Nähe vorzugsweise ein Erdgeschoss zu mieten gibt.«342 Maria van de Velde hielt daraufhin nach einer geeigneten Wohnung Ausschau und berichtete am 1. Mai 1902 ihrem Mann: »Du sagst, daß Kessler diesen Winter nach Weimar kommt. Du meinst also kommenden Winter? Es gibt in der Villa zwischen der großen
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und der kleinen Villa von Sömmering ein Rez-de-Chaussée [...] und eine erste Etage [...] zu mieten. Das Rez-de-Chausée ist in drei Wochen und die erste Etage in 15 Tagen bewohnbar. Das Rez-de-Chaussée der großen Villa ist auch zu mieten.«343 Kesslers Wahl fiel schließlich auf einen prunklosen, weitgehend schlichten Neubau mit historistischer Fassade in der Cranachstraße 3, nur einen Steinwurf von van de Veldes Wohnung in der Cranachstraße 11 entfernt.344 Er mietete zunächst das Oberund Dachgeschoss und ab 1905 das gesamte Haus, das er erst 1920 vom Hauseigentümer Max Hickethier erwarb und das am 6. Juli 1936 per Zwangsversteigerung an den Staat überging.345 Wie seine Berliner Wohnung in der Köthener Straße wünschte Kessler auch sein Weimarer Domizil von van de Velde als ästhetisch komponiertes Gesamtkunstwerk ausstatten zu lassen. Im Juni 1902 erfolgten die ersten Unterredungen hierzu, und postalisch kündigte Kessler seinem Innenarchitekten im gleichen Monat an: »Ich werde Hickethier schreiben, daß ich die Wohnung in der Cranachstraße ab dem 1. Oktober miete. Und ich bitte Sie, die Kostenvoranschläge vorzubereiten. Ich möchte dieses Jahr nicht mehr als 4000 Mark ausgeben. Sollten die Kostenvoranschläge des gemeinsam Geplanten diese Summe überschreiten, müsste ein Teil auf das nächste Jahr übertragen und nur das Nötigste in diesem Jahr gemacht werden.«346 Ferner merkte Kessler an: »Ich möchte, daß man in Weimar begreift, daß dies nur eine vorübergehende Unterkunft ist, die ich dort miete. Der Beweis ist, daß ich meine Berliner Wohnung behalte. Somit werde ich den Weimarern weit weniger ausgeliefert sein.«347 Kessler plante, jeweils vier Monate im Jahr in London, Paris und Weimar zu verbringen.348 Tatsächlich hielt er sich in den Folgejahren oft nur wenige Wochen am Stück in Weimar auf.349 Die meiste Zeit war er abwesend. Trotz der vorhandenen Raumstrukturen innerhalb der Wohnung bestand van de Veldes Worten zufolge »die Möglichkeit, noch einige Änderungen vorzunehmen, sodaß wenigstens im Inneren eine gewisse Haltung geschaffen werden konnte, die Kesslers aristokratischer Lebensführung entsprach.«350 So konnte van de Velde der Treppe, die zu den Empfangsräumen in der ersten Etage führte, »eine einigermaßen stilvolle, weniger bürgerliche Allüre« geben.351 »Die Halle, das Eßzimmer und Kesslers Arbeitsraum erhielten ihre Physiognomie durch die Möbel und Teppiche [...], durch die Panneaux von Maurice Denis und die Gemälde Cézannes, van Goghs, Renoirs, der Neo-Impressionisten, unter denen sich ein ausgezeichneter Cross befand.«352 Der Auftrag erstreckte sich auf das Ober- und Dachgeschoss und umfasste die Gestaltung und Möblierung des Arbeits-, Musik-, Schlaf- und Speisezimmers, des großen und kleinen Salons, des Vor- und Badezimmers, der Küche, des Ateliers, der Halle mit Treppenhaus und des Gästezimmers.353 Vor dem Hintergrund des ›Schwurs von Darmstadt‹,354 dem Ornament für die kommenden zwei Jahre zu entsagen, schuf van de Velde in enger Absprache mit seinem Auftraggeber ein in der Formensprache geläutertes und klassisch anmutendes Mobiliar, das sich einer übergeordneten Raumharmonie unterordnete, in die sich wiederum Kesslers private Kunstsammlung in ästhetisch vollendeter Weise
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integrierte, denn im Frühjahr 1902 hatte Kessler seine Kollektion im Hinblick auf den Umzug nach Weimar um einige Meisterwerke der Moderne ergänzen können.355 Er besaß nun neben zwei Kartonen von Edouard Vuillard die Gemälde ›La plage de Saint-Clair‹ von Henri Edmond Cross, ›Samois. Brume du Matin‹ von Paul Signac, ›Assiette et fruits‹ von Paul Cézanne und ›Les nymphes aux jacinthes‹ von Maurice Denis. Weitere Arbeiten sollten in den folgenden Jahren hinzukommen. Beratend schaltete Kessler immer wieder van de Velde ein, der eine vorzügliche Kennerschaft auf dem Gebiet der zeitgenössischen Malerei besaß. Wie Curt Herrmann, Herbert Esche, Kurt von Mutzenbecher, Karl Ernst Osthaus, Paul Schulenburg, Angus Graf Douglas, Eberhard von Bodenhausen, Viktor von Golubeff oder Alfred Wolff verdankte auch Kessler viele Anregungen dem belgischen Künstler. »In einigen Tagen werde ich Ihnen auch den Signac schicken«, schrieb er am 4. November 1902 an van de Velde, »der bestimmt einen neuen Rahmen erhalten muss.«356 Und er fügte hinzu: »Vielleicht ginge ein Rahmen wie der meines Cross, weiß mit einer hölzernen Zierleiste in derselben Farbe wie die Möbel meines Arbeitszimmers.«357 Nicht selten trennte sich Kessler von den konventionellen Rahmen seiner Neuerwerbungen und ließ neue Rahmen mit einer einfachen weißen Leiste von van de Velde anfertigen, um Disharmonien im Raum zu vermeiden und die Leuchtkraft der Gemälde zu unterstreichen. Gleichfalls beauftragte er van de Velde gelegentlich, spezielle Sockel für Skulpturen und Plastiken zu entwerfen, wie 1902 für den Abguss eines griechischen Jünglingskopfes, der zunächst auf einem weiß gestrichenen Holzsockel im Speisezimmer, späterhin im Salon Aufstellung fand. Hier machte Kessler folgenden Vorschlag: »Für diesen Sockel würden vielleicht vorläufig einige mit Leinwand bespannte Leisten genügen.«358 Van de Velde arbeitete seit Sommer 1902 intensiv an Kesslers Wohnungsausstattung. Er entwarf in der Folge eine Vielzahl neuer Möbeltypen, entwickelte ausgeklügelte Raumprogramme und legte die Farbharmonien einzelner Zimmer fest. Die Zusammenarbeit mit Kessler verlief dabei kongenial und partnerschaftlich, wobei sich Kessler nicht scheute, eigene Vorstellungen konkret umzusetzen. Nach dem Ankauf von Vincent van Goghs Gemälde ›La plaine d’Auvers‹, das heute im Carnegie Museum of Art in Pittsburgh hängt, gab er bezüglich der Farbharmonien des Präsentationsortes zu bedenken: »Je mehr ich versuche, ihn [den Van Gogh, Anm. d. Verf.] mir im Musikzimmer vorzustellen, desto mehr scheint mir, hätte es in Blau und nicht in Grün gestrichen werden sollen. Nur der Stoff der Vorhänge und Möbel hätte einen vorherrschend grünen Ton. Nun kann ich ihn mir vor einem grünen Fond nicht mehr vorstellen. Das Blau, das Schwarz (des Pianos) und das Grau der Möbel scheinen mir eine sehr schöne Harmonie zu ergeben und würden besser zu den Farben des Speisezimmers (Violett und Grau) passen als das Grün. Ich überlasse es selbstverständlich Ihnen; jedoch unterbreite ich Ihnen diese Gedanken. Wenn das Musikzimmer blau ist, wird das Vorzimmer das selbe Blau erhalten müssen, selbstredend mit schwarzen Vertäfelungen und eventuell mit einem kleinen grünen Schablonenfries.«359
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Den Briefen zufolge bestand das Farbprogramm der Wohnung vorwiegend aus »sehr gedämpften Tönen«.360 Das Musikzimmer war in Grün oder Blau gestrichen. Dazu gehörten graue Möbel und ein schwarzer Blüthner-Flügel. Die Wände des Speisezimmers waren mit grauem Stoff bespannt. Das Weiß der Schleiflackmöbel kontrastierte auf angenehme Weise mit dem Violett der Stoffbezüge. Für das Atelier sah van de Velde ein Orange vor. Kessler favorisierte dagegen Weiß. Verschiedenfarbige Schablonenfriese zierten die oberen Wandabschlüsse der Zimmer und des Treppenlaufs. So wünschte Kessler für sein Schlafzimmer einen japanischen Schablonenfries und für den Salon eine Hängeleiste aus Messing zum Anbringen der Gemälde. Auch für einzelne Möbel entwickelte Kessler konkrete Vorgaben. Für den Musiksalon beauftragte er van de Velde, zwei Hocker ohne Lehne für das Klavier und drei Hocker mit Lehne zu entwerfen: »Diese drei Stühle sollen möglichst leicht sein: leicht vom Aussehen und besonders vom Gewicht, damit man sie bequem handhaben kann.«361 Kessler verfolgte die Entwurfsprozesse minutiös und übte gelegentlich auch Kritik, wie etwa am Stoff der Salonmöbel, dessen »winziger Anteil an Seide« aus seiner Sicht »zu nüchtern für einen Salon« sei.362 An anderer Stelle kritisierte er die Formensprache des Sessels aus dem Salon: »Von oben gesehen bieten alle sozusagen konischen (pyramidalen) Formen dem Auge fallende Linien dar, genauer gesagt, man empfindet den sich daraus ergebenden Eindruck der fallenden Linie am intensivsten. Dabei muss es eine symbolische Beziehung geben, die mir nicht vorzuherrschen scheint und die mir diese Formen schwermütig erscheinen lässt.«363 Kessler spielte mit dieser symbolistischen Sichtweise auf van de Veldes Aufsatz ›Ein Kapitel über Entwurf und Bau moderner Möbel‹ von 1898 an, den er für den Belgier übersetzt hatte.364 Um die Sichtachsen innerhalb der Wohnung zu erweitern, ließ Kessler sämtliche, von der Halle abgehende Türen aushängen und durch Vorhänge ersetzen. Die Halle, von Kessler auch als Vorzimmer bezeichnet, war über das Treppenhaus zu erreichen und fungierte als zentraler Scharnierraum im repräsentativen Wohnbereich des Obergeschosses. Von hier aus gingen der Musiksalon, das Speisezimmer, das Arbeitszimmer sowie die Küche ab. Das Esszimmer, der Musiksalon und eine kleine Bibliothek befanden sich auf einer Achse und zeigten zur Cranachstraße. An das relativ groß bemessene Speisezimmer schloss sich zum Garten hin Kesslers langgestrecktes Arbeitszimmer an. Um den Raum zu vergrößern, hatte Kessler eine trennende Wand entfernen lassen. Die Küche und drei kleine Kammern zeigten zum Garten. Im Dachgeschoss befand sich neben einem Fremdenzimmer Kesslers Schlafzimmer mit anschließendem Ankleidezimmer und einer Dachkammer.365 Den Briefen zufolge war die Möblierung der Wohnung im Februar 1903 abgeschlossen, sodass Kessler ab März 1903 offiziell in seinem neuen Appartement wohnen und ab März 1903 erste Empfänge geben konnte.366 Noch im gleichen Jahr erschien eine Serie von Aufnahmen der Wohnung im Oktoberheft der ›Innen-Dekoration‹.367
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Eberhard von Bodenhausen schrieb den Begleittext zu ›Van de Veldes neueste Schöpfungen‹, in dem auch Kesslers Einrichtung löbliche Erwähnung fand: »Van de Velde ist vom Menschen als Gattung zum Menschen als Spezies fortgeschritten. Es ist das eine der bezeichnendsten Formen, in der unser Streben nach starker Ausbildung und nach prägnantem Ausdruck der Individualität Gestalt gewonnen hat. Der Raum, aus dem die Abbildungen auf S. 251, 252 und 264 stammen, gibt hierfür einen bezeichnenden Beweis. Der ungewöhnlich entwickelte Geschmack des Bestellers ließ ihn sich umgeben mit Kunst-Werken ausschließlich ersten Ranges; diese aber in so geringer Zahl, daß keines dem andern Eintrag tun kann. Diesem Umstand war Rechnung zu tragen. Die Umgebung mußte der dominierenden Gewalt dieser Kunst-Werke sich unterordnen. Alle Möbel sind von einer zwingenden, handgreiflichen Logik. Ihre Schönheit beruht auf der inneren selbstverständlichen Schönheit des Materials, auf der Zweckmäßigkeit und Augenscheinlichkeit seiner Verwendung und auf den vollendeten Maßverhältnissen. Nichts weiter. Kein Ornament, keine Linie, keine Form, die als solche sich uns aufzwingt als ein Ding an sich, dem Beachtung zukommt, das die Aufmerksamkeit fesseln und das unser Gefühls-Leben in Schwingungen bestimmter Farbe versetzen will. So wenig, wie dem Kontrapunkt eine andere als relative Bedeutung zukommt. Denn diese wunderbar einfachen Möbel sind nichts, als die in feierlicher Würde und Sicherheit erklingenden Grundtöne zu der reichen und mannigfaltigen Tonführung, wie sie durch die Plastik Japans und Griechenlands, durch die Bilder von Hofmann, Signac und Cross bestimmt sind.«368
Kessler nahm bis 1909 in enger Absprache mit van de Velde diverse Umgestaltungen innerhalb seiner Wohnung vor. Im Zuge der Neuanordnung einiger Räume wurden der Musiksalon zum Empfangssalon, das Speisezimmer zum großen Salon und die Küche zum Speisezimmer umfunktioniert.369 Einige Grundrisse und Möbelzeichnungen haben sich erhalten und werden im Brüsseler Archiv von La Cambre verwahrt.370 Die Einrichtung gilt dagegen bis auf die Stühle aus dem Speisezimmer als verschollen.371 Als »Schlösschen aus Tausend und Einer Nacht voll von allerlei Schätzen« beschrieb Kessler seine Wohnung 1918.372 »Dieses Arbeitszimmer«, wusste Eberhard von Bodenhausen gegenüber van de Velde zu erwähnen, »ist gemacht für einen Mann, der nie einen Denkfehler macht. Am besten finde ich die Stühle für das Esszimmer. [...] Deine Zurückhaltung in Kesslers Arbeitszimmer ist die Stärke eines wahren Meisters.«373 Hugo von Hofmannsthal, der oft bei Kessler zu Gast war, erinnerte sich gern an die »lieben Zimmer, die etwas wie eine Heimat für mich sind.«374 Und Helene von Nostitz schrieb in ihren Erinnerungen ›Aus dem alten Europa‹: »Das Feuer brennt im Kamin und wirft einen Schein auf die festlichen Reiter des Parthenonfrieses. Hellgelbe Bücher stehen in weißen Schränken. In den Glasvitrinen aber schauen liebliche kleine Frauengestalten Maillols in Spiegel, die ihre reinen, strengen Formen wiedergeben. Über dem mattlila Diwan ziehen die Nymphen Maurice Denis’ durch einen phantastischen Wald. [...] Aber die Tür ist nach dem Schreibzimmer geöffnet, diesem langen nachdenklichen Raum, wo über Reihen köstlicher Bücher die Bilder französischer Impressionisten erglühen wie bunte Blumen. [...] In dem Eßzimmer, wo die träumerischen Renoirs mit ihrem sanften Rosa uns umgaben, entspannen sich unter dem matten Licht unpersönliche, weit ausholende Gespräche. Denn das Stoffliche wurde auch im Wort wie in den Kunstwerken überwunden,
68 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung und es entstand jene Ferne und jener Schwung, der neue Welten jede Stunde schuf und etwas Frühlinghaftes diesen Räumen gab, ich möchte sagen eine Lieblichkeit voll früher Ahnung, die am stärksten vielleicht in diesem Jüngling von Maillol zum Ausdruck kam, der erstaunt dort neben den Waldnymphen von Maurice Denis um sich blickte.«375
Mit der Ausgestaltung seiner Weimarer Wohnung durch van de Velde hatte Kessler wiederum eine Präsentationsplattform geschaffen, die ebenso werbewirksam und neuartig wie die Berliner Wohnung in der Köthener Straße wirkte. Den ersten dokumentierten Empfang gab Kessler am 30. März 1903. Er lud die Familie von Palézieux, Gertrud Gräfin von Werthern-Beichlingen, Elisabeth Förster-Nietzsche und Maria van de Velde zum Frühstück ein, das sich damals als sogenanntes Gabelfrühstück überaus großer Beliebtheit erfreute. Kessler liebte die Inszenierung derartiger Arrangements, bei denen er wie ein »kluger Regisseur« agierte und zu denen »das 37° C warme, mit Eukalyptus versetzte Wasser in den Fingerschalen« ebenso dazugehörte wie die »Beletage mit den unersetzlichen Kunstschätzen, seine eigene Persönlichkeit, die Speisen und Getränke«.376 Weitere Empfänge sollten in nahtloser Sequenz folgen, wobei Kessler stets mit außerordentlichem Bedacht auf die Zusammenstellung seiner Gäste achtete. Um sich adäquat in die Weimarer Hofgesellschaft einzuführen, zählten gerade in der Anfangszeit die wichtigsten Vertreter des Weimarer Establishment zu seinen Gästen. Hierzu gehörten neben Maria und Henry van de Velde und Künstlerpersönlichkeiten wie Max Klinger oder Ludwig von Hofmann fast immer das Ehepaar von Palézieux, Gertrud Gräfin von Werthern-Beichlingen sowie Elisabeth Förster-Nietzsche. Als besonderen Höhepunkt konnte Kessler am 1. September 1903 den Besuch der Erbgroßherzogin Pauline anlässlich eines Frühstücks vermelden. »Die gute, dicke Erbgrossherzogin« hatte sich sogar eigens zu diesem Zweck »in dunkelblau gesteckt«, um mit den Farben des Speisezimmers zu harmonieren.377 Für Kessler bedeutsam blieb auch der Besuch von Großherzog Wilhelm Ernst am 10. Dezember 1905, obwohl dieser anlässlich seines Regierungsantritts verkündet hatte, »prinzipiell nur bei Exzellenzen und Obersten verkehren« zu wollen und bis dahin an diesem Prinzip festgehalten hatte.378 Kessler, dem dieses Ereignis wie die »Peripetie eines Dramas« vorkam, lud schließlich Gerhart Hauptmann, Max Klinger, Ludwig von Hofmann, Hans Olde sowie den Oberhofmeister und Kammerherrn Hugo Freiherr von Fritsch hinzu.379 Obgleich das Diner erfolgreich verlief, wusste Maria van de Velde ihrem Mann im Nachgang zu berichten, der Großherzog habe beim Eintritt in Kesslers Arbeitszimmer gesagt: »Ach, das ist aber wirklich schön; aber warum hängen Sie so hässliche Bilder auf!«380 Mit dem Jahreswechsel 1902/03 befand sich van de Velde am Beginn der arbeitsintensivsten und fruchtbarsten Phase seines Lebens. Er pendelte rastlos durch das Land, um eine Fülle neuer Privataufträge zu betreuen, und gleichzeitig »im Dienste eines Prinzen« die Situation der Thüringer Gewerbe zu untersuchen sowie Kunsthandwerker zu beraten.381 Außerdem bereiste er von Februar bis April 1903 den Orient und Kleinasien. Die knapp zweimonatige Reise führte ihn auf Einladung
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von Albert Ballin zusammen mit Curt und Sophie Herrmann an Bord des HAPAG-Kreuzfahrtschiffes ›Kaiserin Auguste Victoria‹ von Mailand über Malta, Athen, Konstantinopel, Beirut, Jaffa und Jerusalem nach Kairo. Mit der Reise verband sich der lukrative Auftrag zur Ausstattung eines neuen Ozeandampfers. Um diesen fachgerecht und zweckmäßig ausstatten zu können, eignete sich van de Velde während der Studienreise umfassende Kenntnisse über Aufbau, Wesen und Funktion eines Schiffes an.382 Zurück in Weimar erwartete den Künstler die Ausführung einer Vielzahl neuer Projekte: die Innengestaltung des Nietzsche-Archivs in Weimar, die Ausstattung der Villa Possehl in Lübeck, des Sanatoriums in Trebschen, der Villa Esche in Chemnitz sowie die Entwürfe der Inneneinrichtungen für Fräulein Colsman, für Hugo und Alfred Cassirer, Ludwig Gutbier und Max von Münchhausen. Des Weiteren beschäftigte van de Velde die Ausführung des 353-teiligen Silbergeschenks anlässlich der Hochzeit von Großherzog Wilhelm Ernst mit Caroline von Reuß ä.L. am 30. April 1903 in Bückeburg. Auch für Kessler begann das Jahr 1903 vielversprechend. Zunächst ließ er van de Velde »verbunden mit dem Dank für Ihre treuen Dienste und Mühen, die Sie für meine Wohnungseinrichtung auf sich genommen haben«, eine Geldzuwendung in unbekannter Höhe für das Kunstgewerbliche Institut zukommen und erhielt im Gegenzug ein kostbares Buch.383 Gleichzeitig trug Kessler Sorge dafür, einflussreiche Damen der Weimarer Gesellschaft mit einem besonders ausgesuchten Neujahrsgeschenk, einer blumengeschmückten Vase nach Entwurf des Künstlers, zu bedenken.384 »Mögen sich unsere Wünsche für die Aufgabe, die Sie vollbringen müssen und die ich mit so großer Freude mittrage, verwirklichen«, schrieb er van de Velde Ende 1902 und ermahnte ihn:385 »Übernehmen Sie sich jedoch nicht! Dies ist der einzige wunde Punkt in der Zukunft. Sie müssen Ihre Arbeit reduzieren, indem Sie viel großzügiger auf bereits entworfene Modelle zurückgreifen. Dies wird im Übrigen im Laufe der Zeit immer einfacher werden.«386 Zugleich berief sich Kessler auf die »innige Seelenverwandtschaft«, die ihn mit van de Velde verband, und skizzierte seine Pläne für Weimar.387 Dabei schwebte ihm in erster Linie vor, Weimar während eines mehrtägigen Sommerfestivals in einen »Hof der Renaissance« zu verwandeln:388 »Was halten Sie von einer Art zweiwöchigem Kunstfest mit Aufführungen im Park von Belvedere, musikalischen Darbietungen in Belvedere oder in Weimar (Debussy, Ansorge), Vorträgen, zum Beispiel von Gide, der sich an unserem Weimarer Experiment anscheinend sehr interessiert zeigt, und der, wie ich hoffe, die Rysselberghes nach Weimar begleiten wird? Man müßte dann zeitgleich eine Ausstellung Ihrer Werke und der Neoimpressionisten sowie der Gruppe Maurice Denis, Vuillard organisieren. Um sicher zu gehen, daß die Großherzogin zurück ist, müßte dies alles meines Erachtens Anfang Juli stattfinden. Sind das nicht schöne Vorhaben? Was sagen Sie dazu? Man würde Darmstadt in nichts nachstehen, und um wieviel künstlerischer wäre es! Weimar würde dadurch erwachen. Ohne Mühen würde man all die wirklich interessanten Persönlichkeiten Deutschlands 8 bis 15 Tage lang zusammenbekommen und auch genügend interessante Franzosen. Ich denke, daß auch Maeterlinck kommen würde,
70 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung wenn man ›Intérieur‹ spielt. Bedenken Sie, was es bedeuten würde, zwanzig Geistesgrößen acht Tage lang im Kreise Weimars und Belvederes zu vereinen, einzig um der Schönheit und dem Geistigen zu huldigen. Welches Leben würde sprudeln! Es wäre fast zu schön.«389
Unter Teilnahme von namhaften Künstlern, wie André Gide, Conrad Ansorge, Claude Debussy, Théo van Rysselberghe und Maurice Maeterlinck, plante Kessler musikalische Darbietungen, Lesungen, Vorträge und Ausstellungen. Das Protektorat gedachte er der Erbgroßherzogin Pauline zu unterstellen, die er als Gönnerin bereits gewonnen hatte. Schließlich bestand sein Ziel vornehmlich darin, aus Weimar »wieder ein Kulturzentrum und eine geistige Atmosphäre« zu schaffen, »die auf vielen Gebieten unseres Lebens mögliche Blüten fördern würde« und in diesem Kontext das Weimarer Publikum, inklusive die Hofgesellschaft und den Großherzog, nach elitären Maßstäben zu erziehen.390 In Vorbereitung dieses Ereignisses reiste Kessler Ende 1902 nach Paris, um mit den wichtigsten Künstlern und Literaten in Kontakt zu treten. Am 27. Dezember 1902 berichtete er van de Velde enthusiasmiert nach Weimar: »Ich habe schon viele Zusagen erhalten, unter anderem von Gide, Maurice Denis, Odilon Redon, Vuillard.«391 Perspektivisch konnte Kessler sein Vorhaben nur teilweise umsetzen. Zwar kam André Gide nach Weimar, um am 5. August 1903 vor einem ausgesuchten Publikum im Schloss von Belvedere den Vortrag ›De l’importance du public‹ zu halten, das zweiwöchige Kunstfest fand jedoch in der geplanten Form nicht statt.392 Es handelte sich im Gegenteil um eine lose Abfolge von kulturellen Ereignissen, deren Höhepunkte zweifelsohne die Ausstellungen zu Max Klinger sowie den deutschen und französischen (Neo-)Impressionisten bildeten. Im Vorfeld der Planungen zeichnete sich vielmehr Kesslers Unvermögen ab, sich konkret auf eine Sache zu konzentrieren, und wie so oft klafften bei ihm Anspruch und Wirklichkeit auseinander. So hielt sich Kessler den Eintragungen im Tagebuch zufolge bis Sommer 1903 nur wenige Tage am Stück in Weimar auf.393 Statt die Ausstellungen akribisch vorzubereiten, reiste er umher, um sich innerlich für seine neue Aufgabe als Museumsdirektor zu rüsten und um seine zukünftigen Vorlesungen über Malerei zu planen. Ausschweifende Berichte über Museumsbesuche und Kunstbetrachtungen in London und Paris sind daher ebenso keine Seltenheit wie gelegentliche Aufforderungen an Maria und Henry van de Velde, momentane Aufenthaltsorte zu verschweigen. »Ich bitte Sie und Henry, in Weimar ebenfalls nicht zu erzählen, daß ich nach London, sondern nur, daß ich nach Paris fahre. Man hat in diesem Milieu kein Verständnis für diese Reisen und macht sich nur sonderbare Gedanken.«394 Van de Velde, der vor Ort an seine Familie und sein Institut gebunden war, sah sich nicht selten gezwungen, zusätzlich auch noch Kesslers Aufgabengebiete zu übernehmen. Im Falle der Ausstellungen zum Werk Max Klingers und zu den (Neo-)Impressionisten bedeutete dies, dass er sowohl die Umbauarbeiten im Museum für Kunst und Kunstgewerbe allein zu leiten sowie zusammen mit Kesslers Museumsangestelltem Arthur von Payern den Empfang sämtlicher Werke zu überwachen hatte. Der ursprünglich geplante Eröffnungstermin der
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Klinger-Ausstellung am 6. Juni 1903 konnte folglich nicht eingehalten und musste verschoben werden.395 Schließlich arrangierte van de Velde kurz danach auch noch die Hängung von über 90 Gemälden für die (Neo-)Impressionisten-Ausstellung, die im Übrigen eine Übernahme der Galerie Paul Cassirer darstellte und unter maßgeblicher Beteiligung von Curt Herrmann zustande gekommen war.396 Kessler konnte erst am 30. Juli 1903 nach Weimar reisen und die Hängung abnehmen, da er zusätzlich an einem Leberleiden erkrankt war.397 Die Eröffnung der Ausstellung fand schließlich am 1. August 1903 mit großem Erfolg statt. Mit der Verstaatlichung des Museums für Kunst und Kunstgewerbe im März 1903 plante Kessler als ehrenamtlicher Direktor, weitgreifende Veränderungen in und an dem Gebäudekomplex zwischen Karlsplatz, Bürgerschulstraße und Rollgasse vorzunehmen. In einem Brief vom 28. März 1903 spricht er erstmals von »seinem Museum« und unterbreitet van de Velde sowohl eine Skizze als auch gezielte Vorschläge für den neuen Museumsbau: »Man wünscht zur Bürgerschulstraße hin Läden im Erdgeschoß und darüber entweder Ausstellungsräume (zwei Etagen) oder Mietwohnungen, Büros zum Vermieten etc. Im ersten Fall würden die Finanzen uns zwingen, auch Läden in die Fassade zum Karlsplatz zu integrieren; für den zweiten Fall hoffe ich jedoch, diesen eher unerfreulichen Umstand vermeiden zu können. Nach Ansicht der Kommission und Rothe müßten die Pläne für den gesamten Komplex [...] zunächst (jetzt, sofort) gestoppt und danach in Teilabschnitten gebaut werden, indem man mit jenem Teil in Tinte beginnt, der ein altes kleines Haus zeigt, das wir dieser Tage kaufen werden. Die Läden müßten zur Straße hin jeweils 3 ½ bis 5 Meter (mit der Tür) breit sein; eventuell könnte man diese Breite variieren. Wenn man in Teilabschnitten baut, müßte man ebenfalls sofort einen Zugang zu den oberen Etagen im Teil mit der Tinte ermöglichen; also eine Eingangstür und eine Treppe, die letztlich für den Rest des Flügels nutzbar wäre, wenn man die oberen Etagen vermieten würde. Was die Fassade betrifft, die folglich die ganze Breite des Blocks zum Karlsplatz hin einnehmen wird (dies wird ein neuer Flügel sein, der komplett den Hof bildet und zwei Etagen hat, die sicherlich als Ausstellungsräume genutzt werden), verfügen Sie über alle Freiheiten, solange es uns gelingen wird, die Läden an dieser Seite wegzulassen. Ihnen wird damit zum ersten Mal die Möglichkeit geboten, Ihren monumentalen Stil an einer Außenfassade zu entwickeln. Selbstverständlich können wir nicht viel Geld ausgeben, doch denke ich, daß Sie trotzdem etwas hervorbringen können, was sowohl großartig als auch einfach zugleich und eben ein Museum ist, d. h. das den Charakter eines ›Laboratoriums der Schönheit‹ betont, wie Sie es so schön ausgedrückt haben.«398
Kessler ließ bei seinen Planungen den Gedanken an ein ›Museum der Schönen Formen‹ anklingen. Bereits im Dezember 1901 hatte er van de Velde den Bronzeabguss einer chinesischen Schale aus Peking mit den Worten zukommen lassen: »Ich fand sie interessant und bitte Sie, sie als Nr. 1 für Ihr zukünftiges Museum der Schönen Formen anzunehmen.«399 Tatsächlich verband sich damit die Vorstellung einer Sammlung ausgesuchter, epochenübergreifender Objekte zur Veranschaulichung eines vernunftgemäßen und zeitlosen Stiles in Formgebung und Architektur. Van de Velde verfolgte dieses letztlich nie realisierte Projekt bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges.400
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Angesichts der Wiedereröffnung des Museums für Kunst und Kunstgewerbe mit der Ausstellung zu Werken Max Klingers im Juni 1903 konzentrierte sich Kessler zunächst auf die Renovierung des Oberlichtsaals, der – hinter einer venezianischen Palastfassade zentral am Karlsplatz gelegen – über einen offenen Innenhof zu erreichen war. Am 7. April 1903 beauftragte er van de Velde mit den nötigen Details, wobei er »an helle Holztäfelungen (eventuell wie in meinem Schlafzimmer) mit grauem Wandbehang und einer oben entlang laufenden Messingstange zur Befestigung von Gemälden« dachte.401 Van de Velde modifizierte diesen Saal bis Juni 1903. Er harmonisierte nicht nur den Deckenabschluss des Oberlichts, sondern installierte auch eine neue Hängevorrichtung nach dem Vorbild des Hagener FolkwangMuseums. Zudem erhielt die Wand nach Kesslers Wünschen einen unifarbenen Ton sowie einen Holzsockel mit zugehörigem Schablonenfries. Ferner beauftragte Kessler den Künstler mit der Anfertigung von Holzsockeln wie denen seines Speisesowie von Stühlen wie denen seines Weimarer Schlafzimmers.402 Die Arbeiten am Oberlichtsaal waren Mitte Juni 1903 abgeschlossen, sodass die Eröffnung der Klinger-Ausstellung mit zweiwöchiger Verspätung am 23. Juni 1903 erfolgen konnte. Im Laufe des Jahres 1903 richtete van de Velde weitere Räumlichkeiten her. Hierzu zählte neben der neu konzipierten zweiten Etage des Museums ein stilvoll eingerichtetes Lesezimmer.403 Im Dezember 1903 legte der Belgier neue Entwürfe vor, und Kessler skizzierte daraufhin in einem Brief vom 12. Februar 1904 seine Vorstellungen bezüglich des Vortrags- und Skulpturensaales sowie der Eingangshalle mit dem Gemälde ›L’heure embrasée‹ von Théo van Rysselberghe, das er im Juli 1905 für 8.000 Mark aus den Mitteln der ›Heymel-Stiftung‹ für sein Weimarer Museum erwerben konnte.404 »Den Vortragsaal B würde ich, wenn das möglich ist, in Form eines Amphitheaters wünschen, d. h. mit Sitzbänken, die nach hinten ansteigen. Dieser sollte 200 Plätze fassen. – Ich stelle mir die Treppe mit einem Absatz vor, der gegenüber der Eingangstür liegt und über dem man die ›Badenden‹ von Rysselberghe anbringen würde – schließlich würde sie beidseitig links und rechts wiederaufgenommen. [...] Der große Skulpturensaal müßte verglast (Oberlicht) sein und fernerhin Fenster erhalten, die bis ungefähr zwei Meter vom Fußboden der drei freien Seiten hinunterreichen; aus diesem Grund habe ich ihn ganz nach hinten verlegt.«405
Im Mai 1904 legten van de Velde und Kessler dem Großherzog neue Pläne sowie ein fertiges Modell vor. Es folgten modifizierte Entwürfe, die van de Velde von Sommer 1904 bis Frühjahr 1905 gemeinsam mit seinem finnischen Assistenten Sigurd Frosterus ausgearbeitet hatte. Sie sahen die Eingliederung der venezianischen Fassade, des Oberlichtsaals und einzelner Räume des alten Museums in einen neuen, dreigeschossigen Gebäudekomplex mit Innenhof vor.406 Wie viele Weimarer Bauprojekte, die der Zustimmung des Großherzogs bedurften, gelangte auch dieses ambitionierte Vorhaben zur großen Enttäuschung von Kessler und van de Velde nicht zur Ausführung. Die offizielle Begründung von Seiten der Regierung lautete, man wolle zunächst den Bau der Schule für Handwerkskunst, van de Veldes späterer
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Kunstgewerbeschule, abwarten.407 Kessler wurde damit nicht nur eine potentiell neue Plattform zur Präsentation seiner Ideen, sondern auch die Möglichkeit genommen, das Museum von Grund auf nach modernen Gesichtspunkten umzugestalten sowie für Weimar ein auch nach außen hin sichtbares Zeichen seiner Museumstätigkeit zu setzen. Bereits 1903 zeichnete sich ab, dass van de Veldes und Kesslers Bestrebungen zur Modernisierung Weimars nicht gänzlich auf das Wohlwollen des Hofes und der Regierung stießen. So sorgte eine ab Juli 1903 öffentlich geführte Debatte um den Erhalt oder den Abriss von Goethes Gartenmauer für Aufregung und Ärger.408 Van de Velde, der sich neben Kessler gegen den Erhalt der Mauer ausgesprochen hatte, wurde als Drahtzieher beschuldigt und als Ausländer, der keine Pietät besäße, auf unsanfte Weise in der Berliner Satirezeitschrift ›ULK‹ kompromittiert.409 Insbesondere Oberhofmarschall Aimé von Palézieux erwies sich als ernstzunehmender und argwöhnischer Kritiker, der mit zunehmender Missgunst Kesslers Kuratorentätigkeit und dessen Aktivitäten zur Formierung eines Deutschen Künstlerbundes beobachtete. Angesichts des Erfolgs von Kesslers Ausstellungspolitik, die sich sowohl in konstant hohen Besucherzahlen widerspiegelte410 als auch mit einer Mischung aus lokal-konservativer und international-moderner Kunst politisch korrekt organisiert war, monierte Palézieux bereits Ende 1903, Kessler habe »sein Lebenswerk« zerstört.411 Kessler nahm diese Befindlichkeiten zunächst noch mit Selbstbewusstsein auf, wohlwissend, dass er als ehrenamtlicher Direktor zu jeder Zeit von seinem Amt zurücktreten konnte.412 Erst im Laufe der nächsten beiden Jahre und zunehmender Unverträglichkeiten sollte sich das Blatt wenden. Hintergrund für diese Entwicklung waren die eingangs beschriebenen Weimarer Verhältnisse, die Abhängigkeiten am Hofe und die Unzulänglichkeit des Großherzogs, wegweisende Entscheidungen zu fällen. So verwundert es nicht, dass die anfangs verhalten geäußerte Kritik in Bezug auf den Großherzog immer breiteren Raum in der Korrespondenz zwischen Kessler und van de Velde einnimmt und mit den Jahren zunehmend negativer ausfällt. Vermutlich war es die Gründung des Deutschen Künstlerbundes, welche zusätzlich eine unheilvolle Dynamik in diesen schwebenden Konflikt brachte. Auf Initiative von Kessler fand die Gründungssitzung am 15. und 16. Dezember 1903 unter dem Protektorat von Großherzog Wilhelm Ernst im Oberlichtsaal des Weimarer Museums für Kunst und Kunstgewerbe statt. Dabei zielte der Bund im Wesentlichen gegen die offizielle Kunst- und Ausstellungspolitik Kaiser Wilhelms II., der bezeichnenderweise ein Großcousin des Weimarer Großherzogs und ebenso Vorgesetzter von Aimé von Palézieux war. Die Gründung musste zwangsläufig einem Affront gleichkommen und blieb daher nicht ohne Wirkung. Bereits im Vorfeld hatte Palézieux versucht, die Veranstaltung durch die gezielte Verbreitung von Gerüchten zu torpedieren. Kessler reagierte auf die sich anbahnenden Konflikte, indem er van de Velde zu verstehen gab:
74 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung »Zunächst wollte ich, wie Sie mir empfohlen haben, sofort Herrn von Palézieux antworten, um ihn hinsichtlich der lächerlichen Gerüchte zu beruhigen, die Sie mir zutragen. Es kann natürlich nicht die Rede von einer Kundgebung gegen den Kaiser sein, da ja etliche offizielle Beamte daran beteiligt sind, wie Bode, Seydlitz, der Direktor der Königlichen Akademie von Königsberg, Dettmann, Treu, Lehrs etc. Dieses Geschwätz ist genauso dumm und verlogen, wie es beleidigend ist, und ich verlasse mich sehr auf Sie, dies recht laut zu verkünden, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Es handelt sich genau genommen um eine neue Vereinigung deutscher Künstler; nicht weniger und nicht mehr. Jedoch ersehe ich nicht, welch nützliches Ziel mittels eines Briefes von mir an Herrn von Palézieux momentan erreicht werden könnte. Ich gebe ihm die Namen der Personen bekannt, sobald wir nicht nur bloße Zusagen haben, wie dies im Moment der Fall ist, sondern Antworten all derjenigen, die tatsächlich nach Weimar kommen. [...] Ich werde morgen mit Rysselberghe bei Claude Monet in Giverny frühstücken. Sie können von Palézieux andeuten, welch possierlicher Eindruck in Deutschland entstünde, wenn sich alle erstklassigen Künstler und Kunstschriftsteller in Weimar versammeln und der Großherzog sich entzöge, sie zu sehen.«413
Die Gründungssitzung des Deutschen Künstlerbundes fand schließlich unter Teilnahme der bedeutendsten Künstler Deutschlands, wie Max Klinger, Lovis Corinth, Franz von Stuck, Max Liebermann und Max Slevogt, mit großem Erfolg in Weimar statt. Kessler fungierte neben dem Präsidenten Leopold Graf von Kalckreuth als erster Vizepräsident. Van de Velde sollte zum Schriftführer gewählt werden, wurde dann aber durch Eberhard von Bodenhausen ersetzt. Zum Programm des Künstlerbundes gehörte auch die Organisation einer jährlich stattfindenden Künstlerbund-Ausstellung. Die ersten beiden Ausstellungen fanden 1904 in München und 1905 in Berlin statt. Dank Kesslers Initiative wurde die ›3. Deutsche Künstlerbund-Ausstellung‹ 1906 in Weimar ausgerichtet. Ohne große Rücksichten auf die Weimarer Befindlichkeiten zu nehmen, konzentrierten sich Kessler und van de Velde fortan vermehrt auf die Planung gemeinsamer Projekte. »Der Art, wie wir uns im Leben unterstützen wollen«, schrieb van de Velde in diesem Kontext an Kessler, »liegt jene Entscheidung zugrunde, daß wir uns nur behaupten, wenn wir uns Gutes tun. Die Abwesenheit von Sentimentalität hat uns bis jetzt dabei geholfen [...].«414 Kessler unterstützte van de Velde in diesem Sinne bei der Vermittlung von drei bedeutenden Aufträgen, die jedoch in der Folge, wie viele andere Projekte auch, nicht zur Ausführung gelangen konnten: dem Entwurf eines Secessions-Gebäudes für Berlin, eines Sommertheaters für Weimar sowie des Reinhardt-Theaters in Berlin.415 Kessler betreute nicht nur die Vermittlung dieser Aufträge, er beriet van de Velde auch in ästhetischen und künstlerischen Fragen. Im Februar 1903 machte er van de Velde im Zusammenhang mit dem Sommertheater für Louise Dumont auf einen besonderen Stuhltyp aufmerksam. Es handelte sich um einen amerikanischen Sessel, in dessen Genuss er während einer Bahnreise in einem Salonwagen gekommen war. Vom Aufbau ähnlich zu van de Veldes CassirerStuhl erachtete Kessler den ausgreifenden Armlehnstuhl als »den idealen Parkettstuhl für ein Theater«.416 Er fertigte diverse Skizzen an und betonte: »Man bleibt dort stundenlang sitzen, ohne zu ermüden.«417 Kurze Zeit darauf skizzierte Kessler
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den sogenannten Pullman-Sessel, den Prototyp eines bequemen Sessels für Schlafwagen der amerikanischen Schlafwagenfirma ›Pullman Palace Car Company‹, und merkte an: »Ich lasse übrigens ein Modell des Pullman-Sessels zu Ihrem Gebrauch anfertigen. Ich denke, er dürfte Ihnen für das Theater, den Club und den Dampfer nützlich sein.«418 Schließlich griff er die Idee eines neuen Sessel-Typus im Oktober 1904 wiederholt auf und animierte van de Velde, den so genannten ›Morris-Chair‹ zu adaptieren, der aufgrund seiner bequemen Statik überaus populär war und vielfach kopiert wurde.419 Vermutlich auf Kesslers Impuls und Skizzen hin entwickelte van de Velde ein vergleichbares Sesselmodell, das schließlich in zwei Konstruktions- und diversen Materialvarianten erfolgreich hergestellt wurde.420 Der Theaterbau gehörte zu van de Veldes bevorzugten Bauaufgaben. Mit Leidenschaft und Enthusiasmus widmete sich der belgische Künstler daher seinem ersten großen Theaterprojekt, dem Entwurf eines nach dem Vorbild von Bayreuth konzipierten Sommertheaters für Louise Dumont in Weimar.421 Kessler unterstützte van de Velde dabei auf kongeniale Weise, indem er nicht nur indirekt den Kontakt zu Louise Dumont herstellte, sondern auch während des Entwurfsprozesses eine nicht unwesentliche Rolle einnahm.422 So führte er van de Velde im Februar 1903 in das Wesen der modernen englischen Theaterbaukunst ein und legte ihm dezidiert seine Beobachtungen bezüglich des »Theaters aus Eisen« dar: »Anbei zwei kleine Skizzen, die Ihnen trotz des formlosen Charakters eine Vorstellung vom englischen Theater vermitteln können. Auf folgende Punkte möchte ich Ihre Aufmerksamkeit lenken. 1° Es gibt keine Säulen, die sichtbar den Balkon und die Galerien stützen; d. h. nichts, was die Sicht versperrt. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Eisenkonstruktion. Der Balkon und die obere Galerie schweben sozusagen trotz ihrer erheblichen Tiefe frei im Raum, was nur durch die Kraft immenser innerer Eisenanker möglich ist. Dies scheint mir zumindest evident. 2° Das Parkett, der Balkon und die Galerie befinden sich in drei verschiedenen Neigungswinkeln. Grund dafür ist, daß jeder Rang zum darunterliegenden Rang leicht zurückgesetzt sein muß und daß es, um eine gleiche Tragfläche zu erhalten, nötig ist, zwischen diesem mehr herangerückten Punkt und der Wand des Bodens, eine steilere Erhebung zu haben. 3° Das Parkett befindet sich in der Unterkellerung unter der Straße. Es gibt in London sogar ein Theater (Das Criterion), das komplett unter der Erde liegt, mit Restaurants etc. zur Straße hin. Es müßte meines Empfindens möglich sein, Elemente spannungsreicher Rhythmen zu finden: 1°) in der relativen Neigung der Galerien 2°) in der Wölbung der Balkone und in ihrer Beziehung zur Gesamtform des Saales 3°) in den Sitzreihen, wo die Stühle tatsächlich zu Reihen geformt werden und nicht einfach wirr und zusammenhanglos isoliert wie in unseren Theatern dastehen. Es hieße also, jenes Element des antiken Theaters neu zu beleben, aus dem seine ganze Schönheit hervorging. 4°) in den strahlenförmigen Durchgängen, die eine Querteilung der Sesselreihen bewirken. [...] Das Interessante an den englischen Theatern ist etwas fundamental Neues: das Theater aus Eisen hat das Steintheater der Antike und der Neuzeit des 17. und 18. Jahrhunderts abgelöst. Deshalb wünsche ich so sehr, daß Sie der erste sind, der die künstlerischen Möglichkeiten dieser neuen und so immens wichtigen Bewegung für unsere Wichtigtuer-Gesellschaft aufzeigt.«423
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Van de Velde entwarf daraufhin verschiedene Modelle für das Sommertheater: ein dreistöckiges Amphitheater, einen dem Hoftheater entlehnten Typus, ein Sommertheater nach dem Vorbild von Bayreuth sowie ein rechteckiges Amphitheater mit Logen. Außerdem entwickelte er bereits die Idee der dreigeteilten Bühne, die 1914 mit dem Bau des Werkbundtheaters erstmals zur Umsetzung gelangte.424 Mit Nachdruck gab er Kessler gegenüber am Jahresbeginn 1904 zu verstehen: »Es ist an Ihnen zu wünschen, lieber Freund, daß sich ein von mir entworfenes Bauwerk dieses Jahr erhebt. Der Gedanke daran und der Drang danach haben in letzter Zeit eine solche Intensität gewonnen, daß ich fast zerspringe. Denken Sie an all die Bauwerke, die ich in den letzten Monaten entworfen habe: zunächst der Secessionspalast, dann Ihr Museum (wozu die Entwürfe fertig vorliegen) und schlußendlich 3 Theater. Gestern habe ich das dritte abgeschlossen, und alle drei sind sehr unterschiedlich. Sie verkörpern 3 Modelle. Das erste ist jenes, das Sie kennen (Isolierung des Zuschauers und Konzentration auf die Bühne) – Übereinanderlagerung von Amphitheatern. Das zweite entspricht dem des Hoftheaters. (Ich habe den Entwurf eines Saales angefertigt, der mir aufgrund seiner Harmonie und seines Rhythmus perfekt zu sein scheint) Parkett kombiniert mit Amphitheatern, Logen und königliche Logen. Das dritte entspricht dem des Sommertheaters. Der Saal besteht lediglich aus Amphitheater und Logen (Bayreuth), jedoch habe ich eine völlig neue Anordnung der Bühne gewählt, die ummantelte Bühne. Diese Anordnung würde eine neue und vereinfachte Konzeption der Bühne und der Dekoration zur Folge haben. Sie reduziert die Gebäude, die der Bühne und den Magazinen beigeordnet sind, und verwertet einen in den Theatern von Bayreuth und München absolut verlorenen Platz. Es ist absehbar, daß dieses Theater für weit weniger als die Hälfte jener Summe zu realisieren ist, die für die anderen Theater notwendig ist.«425
Während van de Velde mit Hochdruck an der Realisierung einer Fülle von privaten und öffentlichen Projekten arbeitete, griff Kessler Ende 1903 erneut den Gedanken eines sommerlichen Kunstfestes auf. Abgesehen von seinen Bestrebungen, Hugo von Hofmannsthal als Theaterintendanten für Weimar zu gewinnen, beauftragte er den österreichischen Schriftsteller, ein Theaterstück für sommerliche Freilichtaufführungen im Park von Belvedere zu schreiben. Gleichzeitig sah er den englischen Bühnenbildner Edward Gordon Craig als »stagedesigner« vor. Das Projekt konnte nicht zur Ausführung gelangen, da einerseits die divergierenden Meinungen der Künstler bezüglich der Kosten zu keinem vernünftigen Kompromiss führten, andererseits der plötzliche Tod von Erbgroßherzogin Pauline, die abermalig als Schirmherrin fungieren sollte, im Mai 1904 sämtliche Pläne zunichte machte.426 Kessler konzentrierte sich folglich auf die Organisation weiterer Ausstellungen, zu deren Höhepunkten die Ausstellung zu Werken der Künstler Manet, Monet, Renoir und Cézanne im März und April 1904, die Rodin-Ausstellung im Juli und August 1904 sowie die Zweite (Neo-)Impressionisten-Ausstellung im November 1904 zählten.427 Ferner betreute er ein Buchprojekt, das ihm besonders am Herzen lag und das gleichzeitig ein neues Betätigungsfeld eröffnete: die unter dem Patronat von Großherzog Wilhelm Ernst stehende Herausgabe der 34-bändigen ›Großherzog Wilhelm Ernst Ausgabe Deutscher Klassiker‹.
1902–1914 | Weimar: Kulturelle Neubelebung einer Stadt 77 »Ich befasse mich darüber hinaus mit der Wilhelm Ernst Ausgabe, die wirklich schön zu werden verspricht; viel schöner als vergleichbare englische Editionen [...]. Walker, der die Druckerei der Dove’s Press leitet, während Cobden Sanderson nur Buchbinder ist, hat zugesagt, den kompletten Druck zu leiten und die Druckfahnen Seite für Seite zu prüfen. Sie machen sich Gedanken, ob wir damit einen schönen Erfolg erzielen! Es wird gewiß die schönste aktuelle Klassikerausgabe seit den Elzevirs.«428
Mit finanzieller Unterstützung von Alfred Walter Heymel, dem Gründer und Finanzier der Zeitschrift ›Die Insel‹ sowie des Insel-Verlags, leitete Kessler die buchkünstlerische Vorbereitung der Dünndruckbände, die schließlich ab Dezember 1904 sukzessive im Insel-Verlag erschienen. Hierzu engagierte er die besten englischen Buchkünstler, wie Emery Walker für den Druck, Edward Johnston und Eric Gill für die kalligraphische Zeichnung der Titel sowie Douglas Cockerell für den Einband. Dank des praktischen Taschenbuchformats, des dünnen Oxford India Papers und der schmiegsamen Kalbsledereinbände waren die Bände besonders handlich. Den kalkulierten Reingewinn in Höhe von 50.000 Mark stiftete Alfred Walter Heymel für den Ankauf von Kunstwerken für das Museum für Kunst und Kunstgewerbe im Rahmen der ›Alfred-Walter-Heymel-Stiftung‹. Kessler erwarb davon im Juli 1905 die Gemälde ›L’heure embrasée‹ von Théo van Rysselberghe für 8.000 Mark sowie ›Die Kathedrale von Rouen‹ von Claude Monet für 16.000 Mark, die noch heute zu den Spitzenwerken der Weimarer Sammlungen zählen.429 Aus der Korrespondenz mit van de Velde geht hervor, dass sich Kessler ab der zweiten Jahreshälfte 1904 zunehmend rar machte und immer seltener nach Weimar reiste. Stattdessen hielt er sich mit Vorliebe in Paris und London auf, um dort Museen, Galerien und Künstler zu besuchen, sich seiner kranken Mutter sowie seiner neu entflammten Leidenschaft für buchkünstlerische Projekte zu widmen. Gleichzeitig arbeitete Kessler an einer opulenten Ausgabe zu den ›Meisterwerken der modernen Malerei‹, die er jedoch erst 1908 in stark reduzierter Form als Mappenwerk unter dem Titel ›Impressionisten. Die Begründer der modernen Malerei in ihren Hauptwerken‹ mit einer längeren Vorrede veröffentlichen konnte.430 »Seit 4 Monaten ist er nicht mehr hier gewesen!«, konstatierte van de Velde Anfang November 1904 sichtlich enttäuscht gegenüber Eberhard von Bodenhausen.431 Und Kessler gegenüber gab er Anfang 1905 in einem offenherzigen Neujahrsschreiben zu verstehen: »Angesichts der Tatsache, daß Sie abwesend sind, schmollen Sie nun seit geraumer Zeit viel wirksamer als ich!«432 Offenbar waren weitere Gründe für Kesslers Abwesenheit ausschlaggebend, denn van de Velde führte fort: »Lieber Freund, ich habe in diesen letzten Wochen immer wieder darüber nachgedacht, daß Ihre Situation der meinigen ähnelt. Man hat Sie gröber, vorsätzlicher verletzt. Aber ging es mir nicht ebenso, als man Ihnen befahl, meine Werke aus der zweiten Etage des Museums entfernen zu lassen. [...] Aber glauben Sie mir, ich sehe tatsächlich nur einen Mann, der sich freuen würde, wenn Sie auf Ihre Rolle verzichteten, die sie hier angenommen haben zu spielen! Die anderen würden Ihr Weggehen bedauern.«433
78 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung
Immer mehr zeichnete sich ab, dass Oberhofmarschall von Palézieux hinter den Kulissen als sogenannter »Hofdämon« agierte, Gerüchte streute, Intrigen säte und den Großherzog in hohem Maße zu beeinflussen suchte, um Kessler zu schaden und Kesslers Einfluss zu schmälern.434 Van de Velde, der den Ernst der Lage erkannte, ließ es sich nicht nehmen, gelegentlich zu opponieren, wie anlässlich einer beschriebenen Soiree bei Gertrud Gräfin von Werthern-Beichlingen: »Ich habe Ihnen soviel darüber zu erzählen, was in Weimar geschieht und was geschehen ist. Zu allererst, daß die Corinth-Ausstellung einen Skandal ausgelöst hat. Während eines Abendessens bei der Gräfin Werthern, bei dem ich zugegen war, kam die Empörung zum Ausbruch: Palézieux stimmte den Chor seitens der Männer, Frau von Eichel seitens der Frauen an. Mit einer lausbubenhaften Heimtücke wollte Palézieux Ludwig von Hofmann mit hineinziehen. [...] Ich habe mich offen dagegen gestellt, trotz meiner geringen Vorliebe für Corinths Gemälde. Da ich rasch merkte, daß kein subtiles Räsonieren, keine gesunde Würdigung bei diesem Publikum anschlagen konnte, ging ich zum äußersten Mittel über und erklärte den Exzellenzen, daß es schlichtweg ihre Sache sei, wenn sie sich bis zum Ende ihrer Tage lächerlich machen wollten und daß, wenn die Berliner Zeitschriften (sehen Sie, wie wenig klug das war!) erfahren müßten, daß man in den kultiviertesten (!!) Weimarer Kreisen noch über die Unmoral und Moral eines Aktbildes diskutiere, sich alle die Mäuler zerreißen! Diese Argumentation hatte es in sich, um zu verblüffen! [...] Ich habe diesem Sturmangriff allein standgehalten – zum Schluß mit etwas Unterstützung von Hofmann. Ich habe dabei gute Formen, Selbstvertrauen und Autorität an den Tag gelegt. Ich habe viele Dinge gesagt, die ich auf dem Herzen hatte, und im Grunde glaube ich, daß alle glücklich waren, daß ich Palézieux während dieser Soiree die Stirn geboten habe. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß wir unsere Pflichten versäumen, wenn wir im Museum nicht eine Vortragsreihe organisieren. Sie, ich, Bodenhausen und andere, wir müssen dieses Opfer bringen. Wir müssen diese Böswilligkeit Einzelner bezwingen, und wir erreichen dies, indem wir all jene erobern, die unentschlossen sind! [...] – Seit jener Soiree bei der Gräfin Werthern, die vor Weihnachten war, haben sich meine Haltung und meine Vorsätze auf frappierende Weise gewandelt, und ich kam nicht umhin, verstehen zu geben, daß ich genug davon hatte, nur Dummheiten um mich herum zu hören, gegen überholte Vorurteile selbst in der kleinsten schlesischen Stadt kämpfen zu müssen, gegen kritische und entwürdigende Albernheiten, die wir im Übrigen vor etwa zwölf oder vierzehn Jahren siegreich bekämpft haben!«435
Obwohl van de Velde die Unmöglichkeit und Aussichtslosigkeit klar vor Augen stand, den Großherzog, von Palézieux und die konservativen Vertreter der Hofgesellschaft bekehren zu können, forderte er Kessler auf: »Es ist nichts verloren, wenn wir jetzt mit Geradlinigkeit, mit Beharrlichkeit geschickt zu Werke gehen. Wir müssen entscheiden, über welche Bresche wir den Platz einnehmen, und wir müssen uns an diese einzige Bresche halten. Wir haben unsere Schläge planlos überallhin ausgeteilt. Und es ist gut, so gehandelt zu haben. Zu unserer Stärke trägt bei, daß wir auf unsere Rolle ›hommes du monde‹ nicht verzichtet haben. Jetzt, wo die Schläge die richtige Stelle getroffen haben, d. h., da alle Gemüter und Köpfe verwirrt sind, müssen wir den Sturmangriff beginnen. Lassen Sie unsere Anstrengungen zügeln und unsere Kräfte bündeln: Wir müssen diesen Winter, bevor zwei oder drei Monate vergangen sind, dem Großherzog die Gründung meines Instituts abgenötigt und mit der Katechisierung unseres Publikums in Form von Vorträgen im Museum begonnen haben. Lieber Freund, nehmen Sie meinen Schlachtplan an. Geben wir Wasser in unseren Wein.«436
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Gleichzeitig gab er Kessler zu verstehen, indem er dezent auf dessen unstetes Leben als Einzelgänger anspielte: »Ich habe gelernt, mich an den täglichen Dingen zu erfreuen. Ich sage mir, daß Sie dieses Stadium der Stille und Seelenruhe noch nicht erreicht haben. Wohlan, das wird auch kommen! Heim, Haus ... Familie, teuerster Freund. Schreiten Sie zur Tat.«437 Kessler reagierte in der ihm eigenen Art. Er wusste, dass er sich jederzeit von seiner Position als ehrenamtlicher Direktor zurückziehen und seinen eigenen Interessen fernab des Weimarer Hofes nachkommen konnte. »Weimar hätte nicht mehr die Kraft, mich großartig aufzuregen. Ich betrachte diese kleinen Aufregungen eines kleinen Hofes mit den dort agierenden grotesken oder gehässigen Hampelmännern eher mit Ironie. Es bereitet mir Übelkeit, jedoch scheint es mir nicht von großer Bedeutung zu sein, weder für Sie noch für mich persönlich. [...] Der Pöbel und die Mittelmäßigkeit werden nichts erreichen. Es scheint mir sogar, daß eine offizielle Stellung überhaupt nicht notwendig ist, um in Weimar zu bleiben. Ich habe hin und wieder große Gelüste darauf zu verzichten, einfach des Vergnügens wegen, die Existenz gewisser übelriechender Leute komplett ignorieren zu können, und weil diese Situation mich zwingt, mir zuweilen die Nase zuzuhalten. Aber seien Sie versichert, daß ich überaus optimistisch bin, was die allgemeine Situation unserer Bewegung angeht, und daß sogar, falls es jemanden interessieren mag, diese Bewegung durch ihre eigene Kraft zu Ende geführt wird, indem sie das ganze Lakaienpack vom Hof wie einen tosenden Sturzbach mit sich reißt.«438
Überschattet wurde der Beginn des Jahres 1905 vom frühen Tod der jungen Großherzogin, die sowohl Kessler als auch van de Velde in ihr Herz geschlossen hatten. Caroline erlag gerade erst 20jährig den Folgen einer Influenza. »Harry und ich folgten aufs tiefste erschüttert ihrem Sarg [...]«, schrieb van de Velde in seinen Memoiren. »Wir hatten in der Großherzogin Karoline die Frau verloren, die eine ideale Schutzherrin aller unsrer Wünsche hätte werden können.«439 Mit dem Verlust seiner jungen Frau erlitt Großherzog Wilhelm Ernst nach dem Tod seines Großvaters 1901 und seiner Mutter 1904 einen weiteren Schicksalsschlag. Umso mehr zog es den Witwer im Trauerjahr zu seinem »väterlichen Freund« von Palézieux, dem er seit seiner Kindheit verbunden war.440 Kessler und van de Velde hielten dagegen weiterhin beharrlich an ihrer gemeinsamen Mission fest, Weimar als Stadt der Moderne zu etablieren. Bereits im Februar 1905 berichtete Kessler sichtlich hoffnungsfroher aus Paris: »Ich spüre, daß wir in Frankreich und England momentan ebenso viel Unterstützung wie in Deutschland erfahren. Wir halten die Kunstwelt in unseren Händen. Um keinen Preis dürfen wir diesen wunderbaren Dreh- und Angelpunkt, der Weimar ist, verlieren.«441 Um diesem Bekenntnis Taten folgen zu lassen, organisierte Kessler 1905 eine Sequenz hochkarätiger Ausstellungen, angefangen von der Dritten NeoImpressionisten-Ausstellung über Einzelausstellungen zum Werk von Claude Monet, Edward Gordon Craig und Paul Gauguin bis hin zu van de Veldes groß angelegter Weimarer Gewerbeschau, wobei auch hier aus der Korrespondenz hervorgeht, dass ein Großteil der Organisation vor Ort an van de Velde hängenblieb.442
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»Es bringt mich in Verlegenheit, all jenen Auskunft zu geben«, schrieb van de Velde Ende Februar 1905 an Kessler, »die mich nach Ihnen befragen. [...] Der Großherzog wundert sich und verleiht seiner Verwunderung Ausdruck! Rothe hat mich mehrmals gefragt, ob Sie nicht gedenken zurückzukehren. [...] Der Großherzog besucht das Museum sehr oft mit von Fritsch. Zweimal hat er die Hofmann-Ausstellung und dreimal bereits meine Ausstellung besucht. Er traf auf Goeckel, Olde und mich. Sie dagegen sieht er überhaupt nicht mehr!«443 Ferner teilte er Kessler mit: »Heute Morgen habe ich damit begonnen, die Gemälde der Neo-Impressionisten-Ausstellung zu hängen. Die Ausstellung wird schön, obwohl die Gemälde von Maurice Denis bis auf ›Notre Dame de l’Ecole‹ nicht so schön sind wie die der letzten Ausstellung (ich habe daher vor, Ihr ›Ensevelissement‹ auszustellen) und obwohl 5 Gemälde von Théo fehlen und es darüber hinaus schönere Gemälde von Bonnard gibt. Signac und Cross dominieren die Ausstellung. Auch Frau Cousturier hat ein paar sehr hübsche Gemälde. Ich werde morgen mit der Hängung fertig sein! Werden Sie kommen, um die Ausstellung dem Großherzog zu präsentieren? [...] Man hätte größere Anstrengungen in Bezug auf die Präsentation der Gemälde unternehmen und einige Ausgaben tätigen müssen, um etwas unerwartet Schlichtes zu präsentieren. Momentan fühle ich mich jedoch wie zerschlagen.«444
Auch kurze Zeit darauf verlieh van de Velde seiner Enttäuschung Ausdruck, als er Kessler dringend in Weimar erwartete, dieser aber nicht rechtzeitig erschien: »Ich hatte meine Abreise bis heute aufgeschoben. Ich hoffte, Sie zu sehen und mit Ihnen wegen der Zusammenkunft in Dresden Rücksprache zu halten, die Sie mir angekündigt hatten. Es ist äußerst bedauerlich, daß die Besprechung nicht vor Ihrem Erscheinen vor dem Komitee stattfinden konnte. Schließlich hätten wir uns mit den Ausstellenden verständigen können.«445 Wie so oft pressierten für van de Velde die Angelegenheiten immer dann, wenn er auf den abwesenden Kessler angewiesen war. In diesem Fall betraf es die Beteiligung an der Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden 1906. Kessler war vom Großherzoglich-Sächsischen Staatsministerium zum Kommissar und Jurymitglied ernannt worden, um die Ausstellungsvorbereitungen vor Ort zu begleiten und van de Veldes Interessen vor dem Hintergrund seines legendären Durchbruchs im Rahmen der Ausstellung von 1897 angemessen zu vertreten. Mit Nachdruck legte van de Velde daher Kessler nahe: »Ich betrachte meine Teilnahme an der Dresdner Ausstellung von 1897 als Ausgangspunkt für das deutsche Kunstgewerbe. Sie haben das Ganze sehr nah miterlebt und können die Konsequenzen daraus ermessen. Der Impuls war sehr fruchtbar! Die Tatsache, diesen Impuls gegeben und diesen Ausgangspunkt historisch festgesetzt zu haben, sollte mir doch einige Vorrechte gewähren? Das Vorrecht auf den schönsten Platz, auf Aufmerksamkeit etc... Andererseits fühle ich, welche Verantwortung auf mir lastet, nach 6 oder 7 Jahren wieder in Dresden auszustellen. [...] Sie wissen jene Haltung einzunehmen, die ich selbst einnehmen würde. Informieren Sie mich bitte über die Privilegien, die man den anderen Ausstellern gewährt, und verlangen Sie gut und gern mehr! Falls Sie eine gewisse Wertschätzung seitens des Komitees hinsichtlich meiner Errungenschaften für das deutsche Gewerbe und Kunstgewerbe erkennen, können Sie
1902–1914 | Weimar: Kulturelle Neubelebung einer Stadt 81 weiter voranschreiten und eine sehr durchdachte Ausstellung, eine leidenschaftliche Teilnahme meinerseits sowie meines ›Orchesters‹ versprechen!«446
Kessler leitete die nötigen Voraussetzungen in die Wege, damit van de Velde in Zusammenarbeit mit Ludwig von Hofmann die sogenannte ›Museumshalle‹ umsetzen konnte, die schließlich von der Presse heftig kritisiert wurde.447 Darüber hinaus führte Kessler gemeinsam mit Alfred von Nostitz-Wallwitz Verhandlungen mit dem Sächsischen Landtag und der Meißener Porzellanmanufaktur hinsichtlich der Ausführung eines 42-teiligen Speise- und Getränkeservices, das van de Velde bereits im Dezember 1903 und März 1904 entworfen hatte, das jedoch mehrfach abgeändert werden musste, bevor es hergestellt und öffentlich präsentiert werden konnte.448 Da seine Schwester Wilma de Brion Interesse am Erwerb des Services zeigte, beriet er van de Velde auch hier in künstlerischen Aspekten. Im März 1905 unterbreitete er z. B. den Vorschlag, »ob es nicht möglich wäre, die Suppenteller ein ganz klein wenig tiefer zu machen«, und fügte an: »Ich fürchte sehr, daß das ganze Service durch die Suppenteller etwas unpraktisch wird.«449 Seine Unterredungen mit den Leitern der Manufaktur führten dann im Mai 1905 zu dem Ergebnis, dass van de Velde für mindestens zwei Wochen nach Meißen kommen müsse, um sich mit dem dortigen Prozedere vertraut zu machen und um eine Korrektur des Ornaments auf der Fahne vorzunehmen, damit man das Porzellan dünner herstellen könne.450 Mit den Worten »Verfügen Sie in dieser Angelegenheit ganz über mich, lieber Freund« unterstützte Kessler seinen belgischen Freund ebenso bei der Auftragsvergabe um das Weimarer Hoftheater.451 Bereits seit 1892 bestand der Plan, das 1825 errichtete Hoftheater durch einen Neubau zu ersetzen. Noch unter der Regie von Großherzog Carl Alexander wurde das Wiener Architekturbüro Fellner & Helmer mit der Ausfertigung der Entwürfe beauftragt. Vermutlich auf Drängen von Hippolyt von Vignau griff Großherzog Wilhelm Ernst nach dem Tod seines Großvaters 1904 das Projekt wieder auf und stellte die nötigen Kosten zum überwiegenden Teil aus der eigenen Schatulle zur Verfügung. Er beauftragte van de Velde in diesem Kontext mit der Begutachtung der Entwürfe, ließ ihn jedoch bezüglich der Wahl des Architekten lange im Unklaren.452 Van de Velde rechnete sich dagegen gewisse Chancen aus, die durch Kessler genährt und gestützt wurden. »Halten Sie gut durch wegen des Theaters«, ermunterte Kessler im Mai 1905 van de Velde. »Die einzige Möglichkeit eines Kompromisses sehe ich darin, daß man Ihnen für die Außenarchitektur einen Architekten, eventuell Bruno Schmitz, zur Seite stellt. Das Interieur wäre für Sie allein. Ich glaube, daß wir dieses Mal alles auf eine Karte setzen müssen. Es ist zu wichtig.«453 Kurz darauf überraschte er van de Velde mit der Idee, den Bühnenbildner und Designer Mariano Fortuny nach Weimar kommen zu lassen, um ihn als Partner zu gewinnen und mittels dieses »Kunstgriffs« den Auftrag zu erhalten. In Paris hatte Kessler das hauseigene Theater der Comtesse de Béarn im Pariser Stadthaus ›Hôtel de Béhague‹ besichtigen dürfen, dessen ›Salle Byzantine‹ mit einem
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raffinierten, tiefenillusionistischen Kuppelsystem von Fortuny ausgestattet war. Begeistert ließ er van de Velde daher an seiner Idee teilhaben: »Fortuny hat für Frau von Béarn eine Bühne in ihr hiesiges Stadthaus gebaut. Sie wird gerade fertiggestellt und ist in Bezug auf Beleuchtung, Schlichtheit und Kostengünstigkeit absolut außergewöhnlich. Craig’s Idee der Himmelskuppel wurde dort umgesetzt. Alles ist darin vorhanden. Einfach wunderbar, kann ich Ihnen nur sagen. Fortuny ist einverstanden, mit seinen Entwürfen, Modellen und Beleuchtungseffekten nach Weimar zu kommen, wo er Ihnen anhand einer kleinen Modellbühne seinen Himmel, seine Wolken und seine Beleuchtungen etc. zeigen kann, um sozusagen anzubieten, eine Allianz mit Ihnen einzugehen. Über folgende Bedingungen haben wir uns verständigt: ich stelle ihn dem Großherzog vor. Ich unternehme alles, damit man sich in Weimar für ihn interessiert (was aufgrund der minimalen Kosten unweigerlich geschehen wird). Er verpflichtet sich hingegen, die Bühne nur dann zu entwickeln, wenn Sie das Theater ausführen. Er kommt Anfang Juli nach Weimar.«454
Die von Kessler avisierte Zusammenarbeit zwischen Fortuny und van de Velde kam nicht zustande. Stattdessen überließ Großherzog Wilhelm Ernst dem prominenten Münchner Architekten Max Littmann nach Vorlage diverser Vorentwürfe am 16. Juni 1905 den Auftrag.455 Außerdem wurde van de Veldes letzte Hoffnung, wenigstens das großherzogliche Foyer im Inneren des Neubaus ausgestalten zu dürfen, Anfang 1906 endgültig begraben. Das Theater eröffnete am 11. Januar 1908.456 In Anbetracht dieser erneuten Niederlage richtete sich van de Veldes Zorn verständlicherweise gegen den Großherzog: »Er wünscht sich rein gar nichts. Und indem er sich nichts wünscht, wird er niemals etwas in Auftrag geben! [...] Langsam verliere ich die Geduld, und ich verzweifle angesichts der Schläge, die man meinem ›Institut‹ zufügt!«457 Als »feindselig und schikanös« bezeichnete van de Velde nunmehr offen die Verhaltensweise seines Dienstherrn.458 Kaum in den Sommerurlaub aufgebrochen, wurde der Belgier zu einer Unterredung vorgeladen, die schließlich hinter seinem Rücken stattfand. Als Thema stand die bauliche Verkleinerung seines kunstgewerblichen Instituts und damit jenes Flügels zur Debatte, in dem die Werkstätten und sein Privatatelier unterkommen sollten. Kampfesmutig und zugleich verärgert schrieb van de Velde an Kessler: »Momentan gibt es nichts zu tun, außer sich die Fäuste abzuwetzen! Fernerhin müßten all diejenigen eingeschüchtert werden, die so bedeutungsvoll an meinem Sturz arbeiten. Wenn ich wieder zurück bin, wird der Kampf endgültig beginnen. Unterdessen werde ich jedoch keine Ruhe in den Ferien genießen können. Dies habe ich meinen Feinden zu verdanken, die mir diese Ferien verdorben haben! [...] Lieber Freund, ich muß wieder zu Kräften kommen, die ich vor allem im Kampf gegen Kleinlichkeiten, neidische Lappalien, Amtsschikanen eingebüßt habe.«459
Trotz der zwischenzeitlichen Ärgernisse erreichte van de Velde schließlich die bauliche Erweiterung seiner Schule. Der langgestreckte Ostflügel wurde bereits Ende 1905 und der angrenzende Südflügel im Oktober 1906 fertig gestellt. Die offizielle Gründung der Kunstgewerbeschule erfolgte schließlich 1908. Neben der Organisation der Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung in
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Dresden setzte sich Kessler in einer weiteren »Herzensangelegenheit« für van de Velde ein.460 Er ermöglichte dem Belgier die Teilnahme an der Ausstellung ›Exhibition of the Works of Contemporary German Artists in London‹ und erreichte zusätzlich, van de Velde mit der Ausstattung der Ausstellungshalle, der zeitweilig als Kunsteisbahn genutzten ›Prince’s Gallery‹ im Stadtviertel Knightsbridge, zu betrauen. Kessler verwirklichte damit auch seinen eigenen Wunsch, in Sachen interkultureller Völkerverständigung in Erscheinung zu treten und die Errungenschaften der modernen Kunst Deutschlands auch über die Landesgrenzen hinweg bekannt zu machen. »Ich hoffe, Sie freuen sich«, schrieb er van de Velde in einem Brief vom 20. Januar 1906 und führte weiter aus:461 »Gestern Abend hat man zu meinen Ehren ein Bankett im Lyceum Club gegeben. In dessen Verlauf gab Lavery bekannt, daß im Mai eine große Ausstellung zur Deutschen Kunst in London anstünde, die ich nach Rücksprache mit Liebermann und Stuck im Namen Deutschlands annahm. Es handelt sich um eine Einladung seitens der englischen Künstler, die alles bezahlen und organisieren. Auswahl der Bilder, Statuen etc. inbegriffen. Sie sehen, wie günstig das ist. Als gewähltes, aber geheimes Mitglied innerhalb des Komitees bleibe ich im Hintergrund und souffliere. Falls irgendjemand, z. B. der Kaiser, Beschwerde einlegt, sind es die englischen Künstler, die ›tun, was ihnen gefällt.‹ In der anschließend stattfindenden, geheimen Sitzung des Komitees schlug ich als erstes vor, die Räume in deutscher Manier (à la Secession) von einem Vertreter des Deutschen Kunstgewerbes ausstatten zu lassen. Sie stimmten enthusiastisch zu und fragten mich natürlich, wen man mit dieser Arbeit betrauen könne. Sie können sich wohl denken, daß mir bereits im Voraus klar war, wen ich vorschlagen würde. Ich berief mich auf den Fakt, daß die Künstler Sie für den Bau der Berliner Secession auserkoren hatten. Kurzum: Sie werden mit dem Projekt betraut. [...] Man hat sich folglich für die Eisbahn entschieden. Sie haben dort alle Freiheiten, das zu verwirklichen, was Ihnen vorschwebt. Voraussetzung ist, daß es 200 bis 250 Meter Hängeleiste gibt und daß der Geldbetrag nicht überschritten wird. Man stellt Ihnen 500 £ (10,000 Mark) und die Kosten für zwei Fahrten nach London zur Verfügung: die eine Fahrt sofort, um die Räumlichkeiten zu studieren, und die andere Fahrt, wenn definitiv ausgestattet wird. Man wünscht, daß die Materialien etc. aus Deutschland kommen, dort bearbeitet und vor Ort nur aufgebaut werden. In acht Tagen werden Sie die Grundrisse der Bahn erhalten. Danach müßten Sie unverzüglich nach London kommen, da die Zeit sehr knapp ist, um alles fertigzustellen. Die Ausstellung soll um den 1. Mai eröffnen. [...] Es handelt sich für Sie um eine einmalige und völlig unerwartete Gelegenheit, in London in Erscheinung zu treten. Dies übertrifft bei weitem alles, was wir für später geplant hatten. Die Botschaft zeigt sich außerordentlich interessiert am Erfolg der Ausstellung, und ich gebe Ihnen als Hinweis, daß die Annäherungspolitik mit England dabei einen ganz wichtigen Anteil hat. Sie sind also dazu berufen, quasi eine diplomatische Rolle zu spielen.«462
Obgleich der Eröffnungstermin vom 1. Mai auf den 24. Mai 1906 verschoben wurde, hatte van de Velde nur knapp vier Monate Zeit, das Ausstellungskonzept umzusetzen. Er reiste mehrere Male nach London, um die Ausstellungsvorbereitungen zu begleiten und an wichtigen öffentlichen Terminen teilzuhaben, wie z. B. an einem Dejeuner mit dem Lord Maire Walter Vaughan Morgan am 18. Mai 1906 sowie an diversen Banketten und Veranstaltungen des Lyceum Clubs.463 In seinen Memoiren beschreibt van de Velde eindringlich die Schwierigkeiten, die sich wenige Stunden vor der Eröffnung der Ausstellung in der Prince’s Gallery im Stadtteil Knightsbridge
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ergaben. Da die Lieferung der Kokosmatten nicht termingerecht eingetroffen und die Färbung in Amarantrot zu spät erfolgt war, musste er einen Kunstgriff vollbringen. Gleich einer Zirkusarena bestreute er die Kunsteisbahn mit Sägespänen, was zu seiner eigenen Verwunderung eine überaus originelle Wirkung erzielte.464 Van de Velde selbst nahm in Begleitung von Harry Graf Kessler und Curt Herrmann am 24. Mai 1906 an der Vernissage teil. Das festliche Bankett fand bereits am 22. Mai 1906 im Hotel Savoy statt.465 Den Höhepunkt von Kesslers Verhandlungen mit auswärtigen Künstlern stellte Ende Mai 1905 ein Treffen mit Auguste Rodin in Paris dar. Rodin hatte kurz zuvor auf Vermittlung Kesslers die Ehrendoktorwürde der Universität von Jena erhalten und beabsichtigte, sich nunmehr auch dem Weimarer Kulturkreis gegenüber, insbesondere Kessler und dem jungen Großherzog, erkenntlich zu zeigen. Bereits im Jahr zuvor hatte Kessler eine Ausstellung zum Werk des Künstlers in Weimar gezeigt und in diesem Kontext mit Unterstützung von Großherzogin Caroline die Bronze das ›Eherne Zeitalter‹ erwerben können.466 Privat besaß er indes nur kleinere Arbeiten von Rodin, wie etwa das ›Porträt von Helene von Nostitz‹ aus Glaspaste, den Kopf des ›Balzac-Denkmals‹ und die Bronze ›Le petit ombre‹.467 Der Auftrag zur Anfertigung einer Büste seiner Mutter Alice von 1902 war nicht zur Ausführung gelangt. Stattdessen konnte Kessler die Porträtbüsten für Helene von Nostitz-Wallwitz und Natascha von Golubeff vermitteln.468 Noch am gleichen Tag seines Besuches bei Rodin verfasste Kessler einen Brief an van de Velde, um das erfreuliche Ergebnis mitzuteilen. Der Brief markiert den Ausgangspunkt zu einer eineinhalbjährigen Entwicklung, die zum sogenannten ›Rodin-Skandal‹ führte, mit Kesslers Ausscheiden aus dem Weimarer Museumsbetrieb ihren Höhepunkt erfuhr und schlussendlich im Tod von Palézieux ihr Ende fand. »Lieber Freund, ich bin überaus glücklich. Soeben kehre ich von einem Frühstück bei Rodin zurück. Er ließ Hunderte seiner Zeichnungen vor meinem Auge vorbeigleiten, damit ich eine Auswahl für das Museum treffe. Er versprach mir, dem Museum einen Rodin-Saal unter der Voraussetzung zu stiften, wenn er diesen einrichten kann. Das heißt einen Saal, der neben dem Ehernen Zeitalter Zeichnungen, vornehmlich jedoch eine stattliche Anzahl kleiner Gipsmodelle vereint, die vielleicht zum Schönsten gehören, was er je geschaffen hat. Wie wunderbar wäre es, ließe sich dieses Projekt verwirklichen, das nun in unseren Händen liegt. Denn Rodin hält seine Versprechen. Wir müssen daher über diesen Saal, der hell und schön gelegen sein sollte, nachdenken. Rodin war überaus charmant.«469
Hergang und Verlauf des ›Rodin-Skandals‹, der im vorliegenden Briefwechsel nur einmal Erwähnung findet, sind in der Literatur hinreichend beschrieben worden.470 Anlass war die von Kessler organisierte Ausstellung von vierzehn Aquarellzeichnungen Auguste Rodins im Museum für Kunst und Kunstgewerbe am Karlsplatz vom 5. Januar bis zum 16. März 1906. Rodin hatte die Zeichnungen dem Museum überlassen und ein Blatt aus Dankbarkeit für die Verleihung der Ehrendoktorwürde dem Großherzog gewidmet. Gleichzeitig hatte er dem Weimarer Museum die Stiftung eines ›Rodin-Saals‹ zugesagt, wozu es jedoch nicht kam, da die ausge-
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stellten Zeichnungen, die nach damaligem Empfinden weitestgehend weibliche Akte in zum Teil »obszönen« Haltungen zeigten, zu große Empörung erregten. Ein Leserbrief des renommierten, in Weimar ansässigen Porträtmalers Hermann Behmer entfachte schließlich den Skandal. Unter der Rubrik ›Eingesandt‹ veröffentlichte Behmer am 17. Februar 1906 in der ›Weimarischen Landeszeitung Deutschland‹ einen kompromittierenden Artikel, der die bekannten Vorgänge ins Rollen brachte: »Es ist tief zu bedauern, daß wir im neuen Museum am Carlsplatz von Zeit zu Zeit in den Ausstellungen auf Bilder und Zeichnungen stoßen, die unser Gefühl aufs tiefste verletzen. Es zeugt von einem Tiefstand der Sittlichkeit des Künstlers und von einer Laxheit der Auffassung des Ausstellungsvorstandes, daß solche Ausstellungen den Weimarer Kunstliebhabern geboten werden, und es herrscht in allen Kreisen darüber eine große Empörung. Ist das Gebotene doch so anstößig, daß wir unsere Frauen und Töchter warnen müssen, die Ausstellung zu besuchen. Daß gerade jetzt eine Reihe von Zeichnungen des französischen Bildhauers Rodin seit Wochen unter dem Bemerken als Widmung des Künstlers an Seine Königliche Hoheit unseren Großherzog ausgestellt werden, ist eine solche Schmach für uns Weimarer, daß wir unsere Stimme dagegen erheben. Es ist eine Frechheit des Ausländers, unserem hohen Herrn so etwas zu bieten, und unverantwortlich vom Vorstande, diese ekelhaften Zeichnungen auszustellen und eine solche Ausstellung zu dulden. Möge der Franzose aus seinem Künstlerkloakenleben sich ins Fäustchen lachen, so etwas in Deutschland an den Mann gebracht zu haben; wir wollen uns das nicht ruhig gefallen lassen und rufen Pfui und tausendmal Pfui über den Urheber und seine Helfershelfer, die solche Abscheulichkeiten uns vor Augen stellen. H. Behmer, Professor«
Der Leserbrief von Hermann Behmer war jedoch nur ein Aspekt. Vielmehr bot sich nunmehr die Gelegenheit, Kessler und seinen Kreis zu schädigen. Als maßgeblicher Anführer der Gegnerschaft trat Oberhofmarschall Aimé von Palézieux hervor, der ein geschicktes Spiel von Intrigen inszenierte und Kessler immer mehr in die Enge trieb, während sich Großherzog Wilhelm Ernst auf einer längeren Reise in Indien befand. In seinen Memoiren erinnerte sich van de Velde: »Die törichte Prüderie wurde zunächst komisch genommen, und die Witzblätter hatten wieder einmal Stoff für Karikaturen. Trotzdem wurden die Anspielungen des ›beleidigten‹ Professors, es handle sich um pornographische Zeichnungen, zum Vorwand für eine Hetze, die die Widmung Rodins an den Großherzog als eine Beleidigung bezeichnete. Für den Oberhofmarschall und seine Trabanten war es die gefundene Gelegenheit, Harry Kessler als dem Organisator der Ausstellung einen Teil der Verantwortung zuzuschieben, beziehungsweise zu behaupten, er habe die Beleidigung bewußt provoziert. Von diesem Augenblick an warf sich der Oberhofmarschall zum Hüter der öffentlichen Sittlichkeit auf und zum Verteidiger der verletzten Ehre seines fürstlichen Herrn. Pharisäisch plusterte er sich auf. In den Lokalblättern erschien ein Communiqué nach dem anderen, die zweifellos dem auf der Indienreise befindlichen Großherzog zugestellt wurden. Der Oberhofmarschall und der Privatsekretär des Großherzogs wußten als einzige, wo sich der Großherzog aufhielt. Beim Ausbruch des Sturmes befand sich Kessler in London, wohin ihm das ganze Pressematerial geschickt wurde. Er ging sofort zum Angriff über und ließ nicht locker, während sein Gegner glaubte, das Opfer schon in seiner Gewalt zu haben. Welche Waffe hatte Harry bereit? Den Brief des Hofsekretariates mit der Bitte, Rodin für das Geschenk an das Museum und für die dem Großherzog persönlich überreichte Zeichnung zu danken. Der Oberhofmarschall behauptete, nichts von einem solchen Schritt
86 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung zu wissen. Und der Privatsekretär des Großherzogs, Baron von Egloffstein, leugnete – mit gutem Gewissen? –, den Brief geschrieben zu haben. Der Oberhofmarschall verlangte, den Brief zu sehen, vermutlich aus Furcht, der Großherzog könnte sein Manöver durchkreuzen. Harrys Stellungnahme war so kategorisch, daß niemand an ihrer Richtigkeit zweifeln konnte. Aber angesichts der Tatsache, daß der Oberhofmarschall es wagte, den Privatsekretär zu decken, blieb Harry nichts anderes übrig, als den Brief vorzuweisen. Ich spüre noch die Angst, die wir alle ausstanden, denn wir kannten die Unordnung, in der sich seine Korrespondenz, seine Notizen und Manuskripte befanden; hatten wir doch oft genug die Papiermassen sich auf seinem Schreibtisch türmen sehen. Wir suchten in dem Durcheinander, ordneten die Briefe, fanden aber nichts. Vielleicht befand sich der Brief in einem der Hotelappartements in Paris oder London, wo er sich außer seiner Wohnung in Weimar eingerichtet hatte. Auch in Paris und London suchten hilfreiche Freunde. Nach drei Wochen endlich wurde der Brief im Hotel Cecil in London gefunden. Unser Freund war der Gefahr entronnen.«471
In der Folge weiterer Verwicklungen und Demütigungen reichte Kessler schließlich am 3. Juli 1906 sein Entlassungsgesuch ein, das ihm am 13. Juli 1906 bestätigt wurde. Van de Velde schrieb er noch am selben Tag: »Mein lieber Freund, meine Demission wurde angenommen. Wie sehr freue ich mich darüber. Nach einem dreijährigen Alptraum übler Machenschaften fühle ich mich endlich wieder frei. Es wird nicht mehr als ein Vorfall in der Entwicklung des Weimarer Kreises bleiben – einer Entwicklung, die immer von uns und nicht vom Hof, vor allem nicht vom Großherzog, ausgegangen ist. [...] – Ich kann Ihnen nicht beschreiben, welche Erleichterung ich verspüre!«472
Seinem Tagebuch gegenüber vertraute Kessler dagegen an: »Meinen Abschied erhalten. Der tiefste Grund, warum ich das Band zerschnitten habe, der Charakter des Grossherzogs; weniger dass ihm der Geist als dass ihm jede Art von Herz fehlt; sein moralisches Manco, oder Mangel aller feineren Gefühle, auf denen der Verkehr von Mensch zu Mensch beruht, und daher auch jede erfolgreiche Wirksamkeit. Es hatte keinen praktischen Zweck, sich an eine Art von pathologischem Objekt zu binden, das immer wieder seines anormalen Charakters wegen versagen musste. Ich habe nur ein Gefühl: das Glück nach einem gefährlichen Abenteuer wieder frei zu sein.«473
Kessler bestärkte van de Velde durchzuhalten und beteuerte, »jedes Jahr wenigstens 3 oder 4 Monate in Weimar zu sein«.474 In ungewohnt rührender Weise besänftigte er van de Velde, indem er ihm zu verstehen gab: »Ich glaube nicht, daß man momentan einen neuen Skandal riskiert, indem man Sie gewissermaßen vor die Tür setzt. Sie haben genug von mir. [...] Je mehr sie den Ärger auf mich projizieren, umso weniger werden sie wagen, Ihnen neuen Ärger zu machen.«475 Gleichzeitig hielt er an dem gemeinsamen Vorhaben fest, die Stadt in ein Zentrum der Moderne zu verwandeln: »Auf alle Fälle muss man jetzt zielführend aus Weimar etwas machen, indem man den Großherzog ausschaltet; dies wird meine einzige Rache sein, ihn in seine Finsternis zurückzuweisen. Aber dazu braucht man Licht. Wir werden es erzeugen, dessen bin ich mir sicher, wenn wir es wirklich wollen.«476 Trotz Kesslers Demission flammte die ›Rodin-Affäre‹ Ende 1906 erneut auf und endete wenig später mit dem plötzlichen Tod von Palézieux am 10. Februar 1907. Mit Hilfe des einflussreichen Publizisten Maximilian Harden lancierte Kessler im
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Dezember 1906 eine gezielt diskreditierende Pressekampagne gegen den Oberhofmarschall. Sein Ziel bestand darin, Palézieux öffentlich »unmöglich« zu machen.477 Van de Velde gegenüber bekannte Kessler offen: »Wir müssen diesen Halunken loskriegen, denn das ist die einzige Möglichkeit, Ihre Position und das Institut zu retten.«478 Der mit ›Weimar‹ betitelte Aufsatz von Maximilian Harden erschien Ende Dezember 1906 in der Zeitschrift ›Die Zukunft‹ und brachte den gewünschten Stein ins Rollen.479 Palézieux bezeichnete den Artikel unter der Hand als »tellement ridicule et pleins de mensonges«.480 Kessler hielt dagegen fest: »Die Nummern der Zukunft soll er ganz ostentativ, zehn auf einmal, bei den Buchhändlern gekauft haben, während Leute wie Reitzenstein, Gross u. s. w. sie sich heimlich durch den Barbier (der auch der meine ist und es mir erzählte) holen liessen.«481 Van de Velde beauftragte er: »Bringen Sie, wenn möglich, die Zukunft in Umlauf und reichen Sie diese unbedingt an Watzdorfs weiter, die sich um die Verteilung kümmern. Wenn Watzdorfs es wünschen, kann ich ihnen mehrere Exemplare zukommen lassen, die sie dann in der Hofwelt ›herumreichen‹ können.«482 Neben der Rettung von van de Veldes Position in Weimar spielte für Kessler jedoch in erster Linie der Ehrgedanke als Offizier eine vordergründige Rolle. »Das Ziel muß sein, daß Palézieux entweder einen Prozeß anstrengt, denn dann werde ich ihm das Geheimnis um die Lotterie ins Gesicht schmettern, oder – wenn es sich anbietet – den Ton der Kampagne auf ein solches Maß anheben, damit dieser für ihn als Offizier unerträglich wird. Zu einem gewissen Zeitpunkt wird man die ›vollständige Kollektion‹ vorlegen, die er auf seine Verantwortung an das Zivilkabinett hat schreiben lassen [...] Überdies werde ich dafür Sorge tragen und in den Hof- und Offizierskreisen der Berliner Garde ausplaudern, daß es sich um einen ›Denunzianten‹ und Heuchler handelt. Irgendwer wird es schließlich an ihn herantragen. Er wird mich nicht provozieren. Dazu hat er zu viel Angst vor einem Ehrenrat, der sofort verpflichtend würde. Doch ein Offizier, der weiß, daß ein anderer Offizier öffentlich in diesem Ton von ihm spricht und der nicht reagiert, ist schließlich auch in diesem Fall der Gerichtsbarkeit unterworfen.«483
Ein weiterer Aspekt kam hinzu. Im Rahmen seiner Amtsgeschäfte als Museumsdirektor der ›Permanenten Ausstellung‹ hatte Palézieux scheinbar hohe Geldsummen unterschlagen bzw. veruntreut. In diese Transaktionen schien ein gewisser, in Weimar oder Jena wohnhafter ›Herr Anding‹ verwickelt gewesen zu sein, dessen Name in Kesslers Tagebucheinträgen aus dem Jahr 1907 mehrfach Erwähnung findet. Anding habe demnach »jährlich 2000 M. Schweigegeld« von Palézieux erhalten.484 In einem offenen Brief, der am 18. Januar 1907 in der Zeitung ›Deutschland‹ erschien, bemerkte Kessler hierzu: »Zweitens wird gesagt: ich hätte durch kostspielige Ausstellungen usw. ›die finanzielle Lage der Anstalt [Museum für Kunst und Kunstgewerbe, Anm. d. Verf.] geschädigt und ein Defizit veranlaßt.‹; dieses sei der ›wahre Grund‹ meines Rücktritts. Dazu habe ich zu bemerken, daß, was der Artikelschreiber als ›Defizit‹ bezeichnet, nicht von mir herstammt, sondern auf die frühere Verwaltung des Museums zurückgeht, die, wie der Artikelschreiber ganz richtig bemerkt, ›schon immer unter der Aufsicht des Herrn v. Palézieux gestanden hat‹, aber nichtsdestoweniger Hunderttausende verschwinden ließ – auf welche Weise und in welche Taschen,
88 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung ist bisher nicht aufgeklärt und auch nicht untersucht worden. Das Museum war, als ich es übernahm, deshalb so gut wie mittellos. Infolgedessen ergaben, so auch kein Zuschuß vorhanden war, die bloßen Verwaltungskosten, Bedienung, Heizung, Versicherung usw. mit Notwendigkeit ein jährliches Defizit.«485
Van de Velde gegenüber beteuerte Kessler offenkundig in Bezug auf Palézieux: »Man muss ihn unaufhörlich beschimpfen, indem man ihm nach und nach einheizt. Er spielt ja so liebenswürdig mit. Ich nehme mir vor, seine Haut oder sein Blut zu bekommen. Auf diese Weise werden Sie alles erhalten, was Sie in Weimar wünschen.«486 Ferner bemühte sich Kessler, innerhalb von Weimars Gesellschaft Angst zu schüren: »Die Menschen dort kennen nur eine Gemütsregung: Angst. Man muss sie bedienen. Man läuft nicht Gefahr, sie aufzubrauchen.«487 Sodann beruhigte er Maria van de Velde in einem Brief vom 15. Januar 1907: »Was Henry anbelangt, seien Sie sicher, daß man ihn jetzt nicht weggehen lassen wird. Man wird alles tun, um ihn zu behalten. Der Skandal ist schon groß genug, und diese Leute haben diesmal Angst, wirklich Angst. Sie klammern sich an Henry wie an ihren Rettungsanker.«488 Kesslers Planungen liefen auf ein Duell mit Palézieux hinaus. Am 4. Februar 1907 referierte er gegenüber van de Velde die Faktenlage, wobei er die Ausweglosigkeit unterstrich, in der sich Palézieux ganz offensichtlich befand: »Freitag erhielt ich einen Brief von Eichel, datiert vom 30.. Ich werde im Namen von Palézieux aufgefordert, den Passus ›Misbrauch eines Privatbriefe‹ aus meinem Brief vom 14. an die Zeitung Deutschland öffentlich zu widerrufen. Beachten Sie das Datum. Dieser Brief ist, wie ich Ihnen schrieb, vom 30.. Am 27. hat Palézieux den Großherzog nach Berlin begleitet. Am 20. glaubte er noch, sich durch dieses armselige kleine Dementi in der Weimarischen Zeitung aus der Affäre zu ziehen. Aus diesen Ereignissen resultiert, daß er nach Berlin gezwungen wurde, daß ihn die Aufforderung offenbar im Namen des Kaisers erreicht hat und daß er sich damit abfinden mußte, mir den Rücken zu bieten. Sie erkennen hieraus seinen Seelenzustand. Sein Sturz beginnt. Schließlich steht einer Untersuchung der ganzen Sache (Anding eingeschlossen) durch ein Berliner Ehrengericht nichts im Wege. Ich habe Eichel, wie Sie sich wohl denken können, klar ablehnend geantwortet, indem ich mich im Übrigen auf folgende Tatsachen berief: 1) daß Palézieux 15 Tage gewartet hat, um die Beleidigung aufzuheben. Unter Offizieren ist es üblich, daß man nach mehr als 48 Stunden nicht mehr fordern kann. 2) daß ich dieselbe Auffassung seit 3 Monaten mehrere Male öffentlich verkündet habe. 3) daß Palézieux schon durch das offizielle Dementi vom 20. Januar auf meinen Brief geantwortet hat, und daß es absolut üblich ist, daß man nicht fordern und gleichzeitig einen Prozeß oder etwas anderes anstrengen kann, um eine Schmähung aufzuheben. 4) daß die wichtigste Behauptung meines Briefes vom 14. (betreffs der Veruntreuungen) selbst jetzt nicht aufgehoben ist. Ich habe Absatz Nr. 4 eingefügt, um den Ausschluß dieser Ermittlungstatbestände unmöglich zu machen. Wenn Palézieux mich jetzt fordert, scheint er unrettbar verloren. Mann über Bord, für den es kein Zurück gibt. Werden sie noch eine Ausrede finden, um mich nicht zu fordern? Ohne Schamgefühl wäre dies unter Umständen möglich. Allerdings nur, wenn sie sich meinen Bedingungen beugen. Die erste Bedingung bestünde natürlich darin, daß Palézieux Weimar verläßt. Möglicherweise zieht er diese Variante einer öffentlichen Schande vor. Ich persönlich würde das Ehrengericht bevorzugen.«489
Offiziellen Angaben zufolge war Palézieux zwischenzeitlich Ende Januar 1907 an einer schweren Influenza erkrankt.490 Seit dem 3. Februar 1907 lag er krank zu
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Bett. Kessler, der sich zu diesem Zeitpunkt in London aufhielt, wurde hierüber am 5. Februar 1907 per Telegramm unterrichtet. Um die Zuverlässigkeit der Quellen zu prüfen, wandte er sich streng vertraulich an van de Velde: »Es wäre außerordentlich wichtig zu wissen, ob es sich um Manipulation handelt oder ob es tatsächlich stimmt. [...] Diese Krankheit scheint ja im rechten Moment zu kommen. Offenbar befinden wir uns im Vernichtungskrieg. Um mir zu helfen, muss ich allein auf Sie in Weimar zählen, lieber Freund. Wäre es nicht so, daß ich mein Leben aufs Spiel setze, würde ich Ihre Zeit nicht stehlen.«491 Schließlich bat er van de Velde, ihm »unter folgendem Code« zu depeschieren: »Gemälde authentisch: Palézieux wirklich schwer krank. Gemälde fragwürdig: Palézieux krank, aber ich bezweifle, ob es so schlimm ist. Gemälde falsch: es handelt sich um Manipulation; Palézieux gibt vor, krank zu sein. Gemälde nach Berlin entsandt: Eichel ist nach Berlin gefahren Kopie Gemälde nach Berlin entsandt: eine andere Hofschranze ist nach Berlin gefahren.«492
Während Kessler in London auf die Duellforderung wartete und sich die Zeit mit Galerie- und Museumsbesuchen vertrieb, verschlechterte sich kontinuierlich der Gesundheitszustand des Oberhofmarschalls. Nach offizieller Verlautbarung verstarb Palézieux am frühen Sonntagmorgen des 10. Februar 1907 an den Folgen einer Influenza und Lungenentzündung. Sein plötzlicher Tod sowie die ungeklärten Umstände warfen viele Fragen auf und boten Raum für zahlreiche Spekulationen. Unter der Hand hielt sich hartnäckig das Gerücht, Palézieux habe sich vergiftet.493 Kessler, den die Nachricht vom Ableben seines Widersachers sofort erreichte, empfand spontan »Erstaunen, Leere und eine halbe Art von Erleichterung«.494 Maria van de Velde gegenüber konkretisierte er: »Er ist mir entkommen. Das ist alles, was ich zu empfinden vermag.«495 Ferner führte er aus: »Ich bedaure Palézieux’ Tod aus Gründen, die ich brieflich nicht erklären kann. Sicherlich war er jedoch außerordentlich froh, just an diesem Tag zu sterben. Niemals kamen Krankheit und Tod so gelegen, um eine seit mehreren Tagen hoffnungslose Situation zu retten. Da gibt es keinen anderen Ausweg als den Tod, und plötzlich tritt er ein. Das ist doch wie in einem Melodrama.«496 Gleichzeitig umriss Kessler seine Vorstellungen hinsichtlich einer möglichen Rückkehr nach Weimar: »Ich hoffe, Anfang März nach Deutschland und Weimar zurückzukommen. Dann knüpfe ich daran an, meine dortige Welt – Sie, Henry und die wenigen Freunde – wieder zu treffen. Jedoch werde und möchte ich außerhalb dieses kleinen Kreises, der nach dem Gewitter verblieben ist, niemand anderem in Weimar begegnen. Denn nach all dem, was mich Weimars Mentalität gelehrt hat, fürchte ich, mich am Hof und an der ›Gesellschaft‹ zu vergiften. Diese Leute sind doch alle niedrige und giftige Geschöpfe, wie sie in faulen Gewässern viel zu kleiner Tümpel vorkommen und die sich äußerlich nur im Grad ihrer Feigheit unterscheiden. Da ziehe ich doch den geradlinigen Vorstadtverbrecher als Kompagnon vor.«497
Auch van de Velde empfand »eine Art physischer und geistiger Erleichterung« angesichts des Todes von Palézieux.498 Gleichzeitig beschäftigten ihn Vorwürfe »bei dem Gedanken an die unglückliche Frau und die schwächlichen und degenerierten
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Kinder« sowie die Sorge darum, ob sich der Fall mit dem Dahinscheiden des Oberhofmarschalls endgültig für Kessler erledigt habe.499 Offenherzig gab er zu: »Tief im Inneren habe ich sehr gelitten, Sie so komplett diesem Hasswerk ausgeliefert zu sehen. Auf Dauer muss das die besten Qualitäten beschädigen und das höchste Gut der Menschheit verderben! Entreißen Sie nun Ihrem Herzen das gefährliche Kraut und jäten Sie mit Sorgfalt, damit für Sie ein glücklicheres und besinnlicheres Leben beginnt.«500 Er riet Kessler außerdem davon ab, vorerst nach Weimar zurückzukehren. »Sie würden hier seelisch nicht zur Ruhe kommen, und ich kenne Ihre Natur, die sich den leisesten Anzeichen der Missbilligung oder des Widerspruchs gegenüber auflehnen würde.«501 Da sein Dackel Fip erkrankt war, reiste Kessler am 30. März 1907 spontan von Wien nach Weimar, um wenige Tage zu bleiben.502 Den Rest des Jahres hielt er sich von der Dichterstadt fern. In Anbetracht der Tatsache, dass sich Kessler und van de Velde nunmehr weitaus weniger sahen, wurden die Briefe bedeutend herzlicher und freundschaftlicher. Anfang 1908 bemerkte Kessler hierzu: »Die Zeit, die verstreicht, stärkt und vertieft unsere Freundschaft.«503 Ein halbes Jahr zuvor hatte er bereits feststellen müssen: »Was mich anbelangt, lieber Freund, so denke ich, daß ich die Weimarer Angelegenheit komplett ›verarbeitet‹ habe. Sie ist ein Teil von mir geworden und bedrückt mich nicht mehr oder fast nicht mehr. Innerlich habe ich mich etwas verändert, das ist alles. Das war das Ende meiner Jugend.«504 Trotz der spürbaren Erleichterung blieb das Leben für van de Velde in Weimar weiterhin von zahlreichen Tiefschlägen geprägt. Hierzu zählten an erster Stelle der Weggang von Kesslers Amtsnachfolger Karl Koetschau sowie die Niederlage hinsichtlich des Auftrags zur Umgestaltung des Großherzoglichen Museums in Weimar.505 Enttäuscht berichtete van de Velde im September 1908 Kessler: »Koetschau teilte mir heute Morgen mit, daß er Weimar definitiv verlassen wird. Der Großherzog hat ihm wohl Versprechungen gemacht und wollte Verpflichtungen eingehen, doch sind diese zu vage, und letztlich sind all diese Machenschaften am Rande noch ganz der Schule Palézieux’ entlehnt.«506 Aus den Briefen geht hervor, dass sich van de Velde ohne Kessler in Weimar zunehmend einsamer fühlte. Er musste häufiger mehrwöchige Auszeiten nehmen und litt vermehrt unter Herzbeschwerden, was Kessler zu der Aussage veranlasste: »Diese Herzneurose und die Überarbeitung, der Sie ausgesetzt scheinen, erschrecken mich wirklich. Nichts ist das Opfer der Gesundheit wert. Ich bitte Sie, dies nicht zu vergessen.«507 Darüber hinaus empfahl er van de Velde: »Fahren Sie aufs Land oder in die Berge, was auch immer Sie tun! Wenn Sie diesem Rat nicht folgen, bin ich mir sicher, daß Ihre Geschäfte weniger darunter, als unter Folgebeschwerden wie Niedergeschlagenheit und Neurasthenie leiden.«508 Kessler behielt recht. Aufgrund akuter Beschwerden in der Herzgegend musste sich van de Velde Anfang Juli 1909 einer siebenwöchigen Kur im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen unterziehen.509 Dabei hatte sich die psychosomatische Krise bereits 1908 angedeutet. Trotz des neu gebauten
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Hauses Hohe Pappeln am Stadtrand von Weimar und der erfolgreich vollzogenen Gründung der Kunstgewerbeschule musste van de Velde resigniert feststellen: »Ich bin jetzt der Einzige meiner Rasse. Alles, was ich seitdem schaffe, ist von einer tiefen Nostalgie geprägt; jener meiner Kultur. Ich habe mich niemals so fremd in Deutschland gefühlt wie jetzt, und ich fühle mich wie eine alte Hyäne im Käfig. Ich mußte mir diesen Rahmen in Gestalt unseres neuen Hauses schaffen, um mich vor der Katastrophe zu bewahren! Das Haus ist dieser Käfig – ein Käfig, in dem ich die Illusion von Weite vorzugeben suchte. Daß draußen nur Schönheit existiere und die Leute keinerlei Wichtigkeit besäßen, lediglich die Grüppchen von Spaziergängern, die entlang der Allee flanieren ... Lieber Freund, Sie fehlen uns hier so sehr. Wir sind einige, die immer an Sie denken, sobald wir uns zusammenfinden: die von Nostitz’, die von Hofmanns, Frau Förster, die Damen von Meyendorf [sic] und von Watzdorf... Werden Sie wirklich eines Tages wieder unter uns weilen? Darf man hoffen?«510
Kessler, selbst von Verletzungen und gelegentlichen Beschwerden geplagt, bedauerte van de Velde aufrichtig. »Lieber armer Freund, alles, was Sie mir schreiben, berührt mich tief, insbesondere der Einblick in Ihren durch Überarbeitung bedingten Zustand und in die Probleme, denen Sie in Weimar noch immer ausgesetzt sind.«511 Darüber hinaus versprach er ihm, wieder nach Weimar zurückzukehren, jedoch »nicht als ›Totgeglaubter‹, der den Geruch des Todes oder schmerzhafter Erinnerungen um sich verbreitet, sondern als Lebender, der versucht Leben zu stiften«.512 Hierzu entwickelte Kessler ein eigenes Programm. »Ich käme nach Weimar, um dort zu lesen, zu schreiben und um in meinen vier Wänden von angenehmen Dingen umgeben zu sein [...], und vor allem, um mich dort an der Gesellschaft einiger meiner besten Freunde zu erfreuen, die sich dort einfinden: Sie, von Nostitz’, Frau Förster, von Hofmanns.«513 Andererseits stand für ihn fest: »Nur eine einzige Unannehmlichkeit würde ich bei meiner Rückkehr fürchten, meinen Salon erneut von diesem Ungeziefer befallen zu sehen. Ich will gern höflich sein, aber unter der Bedingung, daß man mich in Ruhe lässt und daß in meinem Hause nur der verkehrt, der mir gefällt.«514 Bezüglich des Umgangs mit dem Großherzog bestand Kessler zunächst auf einer Entschuldigung, die er »in der Eigenschaft als Offizier« nicht ablehnen könne. »Er ist ein verachtetes und übles Wesen, das uns braucht, währenddessen ich weder Lust auf ihn noch Nutzen von ihm habe, nicht einmal, um in Weimar spazieren zu gehen.«515 Wie im Jahr zuvor hielt sich Kessler 1908 mit einer dreivierteljährigen Unterbrechung nur wenige Tage in Weimar auf. Er blieb stattdessen weitestgehend seinem 1906 formulierten Vorsatz treu, »wenn auch nur in meiner eigenen bescheidenen Weise selbst irgend etwas produzieren« zu wollen.516 Da seine Vorliebe der Buchkunst galt, widmete sich Kessler vorrangig buchkünstlerischen Projekten, wie der Edition der ›Odyssee‹ und des ›Zarathustra‹, als auch der Herausgabe und dem Verfassen eigener Schriften.517 Eine besondere Freude bereiteten ihm die Freunde aus Anlass des 40. Geburtstages 1908. In Anerkennung der zahlreichen Verdienste überreichte van de Velde am 20. Dezember 1908 ein altchinesisches Bronzegefäß mit folgender Widmung:
92 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung »Dear Graf Kessler, We wish to record our recognition of your generous services in the cause of what seems to you noble and sincere art of every kind, and we beg your acceptance of a small token of our appreciation of your energy, sympathy and unfailing courage.«518
Das Projekt eines Denkmals zu Ehren von Friedrich Nietzsche markiert sowohl einen letzten Höhepunkt in der Zusammenarbeit zwischen van de Velde und Kessler als auch den Ausklang der gemeinsamen Weimarer Zeit.519 Auf eindrückliche Weise dokumentiert der vorliegende Briefwechsel die Genese dieses höchst ambitionierten Vorhabens, das schließlich aufgrund vielfältiger Meinungsverschiedenheiten, der politisch aufgeladenen Vorkriegsatmosphäre, aber auch aufgrund der organisatorischen Inkonsequenz des Projektleiters Kessler und der Illoyalität Elisabeth Förster-Nietzsches nicht zur Ausführung gelangen konnte. Zunächst als intime Weihestätte in Form eines Tempels unterhalb des Nietzsche-Archivs in Weimar gedacht, nahm das Projekt unter Kesslers eigenmächtiger Regie im Laufe von zwei Jahren ungeahnte Ausmaße an. Die Idee der Erweckung eines neuen Griechentums sollte sich schließlich in der Verbindung von geistigem und körperlichem Kult in einer monumentalen Anlage bestehend aus Stadion, Denkmal, Festplatz, Allee und Schwimmbecken spiegeln. Van de Velde entwickelte in der Zeitspanne von Januar 1911 bis Mitte 1913 vier verschiedene Projekte, von denen sich 35 Zeichnungen sowie diverse Modellphotos erhalten haben.520 Ausgangspunkt für die Konzeption einer Gedenkstätte zu Ehren des Philosophen war die Wiederkehr des 70. Geburtstages von Friedrich Nietzsche am 15. Oktober 1914 sowie die zunehmend bedrohlicher werdende Bebauung des Areals um das Nietzsche-Archiv herum.521 Elisabeth Förster-Nietzsche fungierte zunächst als treibende Kraft, indem sie sich um die Jahreswende 1910/11 vehement für die Verbreitung des Gedankens und die Bildung eines Denkmal-Komitees zur Einwerbung von Geldmitteln einsetzte.522 Im Dezember 1910 unterrichtete sie van de Velde von ihrem Vorhaben, vorerst ohne Kessler konkret einzubinden. In einem Brief vom 29. Dezember 1910 warb sie um van de Veldes Mitwirkung und unterbreitete dem Künstler gezielte Vorstellungen.523 Gleichzeitig verschickte sie Anfang Januar 1911 erste Einladungen an ausgewählte Nietzsche-Verehrer mit der Aufforderung zum Beitritt in das Komitee. Kessler setzte sie am 5. Januar 1911 zunächst nur vage in Kenntnis: »Nun aber möchte ich Ihnen ganz besonders ans Herz legen, doch recht bald hierher zu kommen. Es werden da allerhand Pläne in dem nächsten Kreis Ihrer Freunde erwogen, – Pläne, von welchen ich annehme, daß auch Sie dabei außerordentlich interessirt sein werden. [...] Van de Velde rechnet besonders stark auf Ihre Hilfe und Erfahrung. Uebrigens kann es schon sein, daß Sie von unserm Plan bereits wissen, da van de Velde, Bodenhausen und Hofmannsthal zusammengesessen und darüber gebrütet haben.«524 Gegenüber van de Velde konkretisierte Elisabeth Förster-Nietzsche am 9. Januar 1911 das Vorhaben genauer. Ihr schwebte die Trennung von Sterbehaus und Archiv vor, d. h. die Errichtung eines separaten Archivbaus
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in Form eines Tempels auf dem Grundstück des bislang als Nietzsche-Archiv und Wohnhaus genutzten Gebäudes: »Sie müssten aber bei einem sogenannten Archivbau, das als Denkmal dienen soll, nicht an etwas Riesengroßes denken, dazu fehlt unter allen Umständen das Geld. Die Größe tut es ja nicht, sondern die Anmut dieses Bauwerkes. Ich meinte also, dass nur Folgendes in dem Gebäude sein müßte, was Sie sich als Archiv und Denkmal vorstellen: ein großer Saal in der Mitte mit Kunstwerken u. der ganzen Bibliothek von Nietzsche und über ihn; eine sogenannte Stahlkammer mit Fächern, wie sie in den Banken ist, für Manuscripte; ein Archivraum für den Archivar, eine geräumige Garderobe und ein schöner feierlicher Eingang nach der neuen Straße da drüben, die gebaut werden soll; im Souterrain die kleine Wohnung für den Castellan und die Anlage für Centralheizung; – das ist Alles, mehr bedarf es nicht. Wollen Sie nicht einmal einen Plan in dieser Richtung machen? Es könnte durchaus etwas Tempelartiges haben, dürfe aber nicht zu teuer sein, da auch noch die schöne Einrichtung von dem gesammelten Geld bestritten werden muss.«525
Elisabeth Förster-Nietzsche weihte Kessler daraufhin in ihre Pläne ein und bat ihn um Beitritt in das Komitee. Gleichzeitig umriss sie in einem nicht erhaltenen Schreiben ihre Ideen bezüglich des Denkmals.526 Kessler, der seit seiner Weimarer Abdankung 1906 kein größeres Projekt mehr begleitet hatte und van de Velde seit langem einen monumentalen Auftrag vermitteln wollte, reagierte spontan und reiste umgehend mit konkreten Vorgaben nach Weimar, um nachfolgend sämtliche Geschicke selbst in die Hand zu nehmen und das Projekt buchstäblich an sich zu reißen. Vor seiner Abreise nach Weimar instruierte er sowohl van de Velde als auch Elisabeth Förster-Nietzsche postalisch.527 Seine Mitarbeit knüpfte Kessler an folgende Bedingungen: Van de Velde sollte Architekt und Schöpfer der Gesamtanlage werden. Um die künstlerische Vorherrschaft des Belgiers im Voraus abzusichern, zeigte sich Kessler willens, eigens zu diesem Zweck 5.000 Mark von der veranschlagten Gesamtsumme in Höhe von 50.000 Mark zu garantieren.528 Außerdem sprach er sehr gezielt seine Empfehlung für Maillol und Klinger aus. Während Maillol die zentrale Hauptfigur des Übermenschen »im Stile des Erstentwurfes seines Blanqui-Denkmals« übernehmen sollte, dachte er bei Klinger an die Ausführung von »ein oder zwei Basreliefs«.529 Mit der Verbindung von Frei- und Reliefplastik als Versinnbildlichung von Nietzsches Philosophie rückte Kessler damit das Projekt spontan aus dem Bereich des rein Architektonischen heraus und verlagerte den Schwerpunkt auf die monumentale Skulptur. Dezidiert führte er gegenüber van de Velde am 2. Februar 1911 seinen Standpunkt aus: »Ich finde es völlig richtig, daß man Ihren Namen von Anfang an lanciert. Es darf kein Zweifel an der Rolle, die Sie zu spielen berufen sind, bestehen. Jedoch will ich, daß sich das Komitee vom ersten Augenblick an zumindest auch auf den Bildhauer verständigt, der an diesem Werk zwangsläufig mitarbeiten muß. Ich schlage hier Maillol vor. Unter dieser und selbstverständlich auch jener Bedingung, daß Sie mitarbeiten, habe ich meine Bürgschaft angeboten. Neben Maillol könnte man Klinger hinzunehmen. Doch sehe ich für die Umsetzung der Hauptfigur, die unbedingt monumental werden muß, keinen anderen als Maillol dazu befähigt. Klinger würde, sollte sich seine Mitarbeit als notwendig erweisen, um ein oder zwei Basreliefs gebeten.
94 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung Als Zentrum des Denkmals empfiehlt sich meiner Meinung nach ein schönes Abbild des jungen ›Übermenschen‹, ein großartig triumphaler Akt von Maillol im Stile des Erstentwurfes seines Blanqui-Denkmals (allerdings eine junge Männergestalt, da Nietzsche nie etwas Feminines hatte). Was halten Sie davon? Man müßte Maillol etwa 20.000 Francs überlassen; für das Modell rund 1.000 Francs, (weil Maillol sonst keines oder kein gutes ausführen würde), für den Guß etwa 4.000 Francs (für eine Figur von ungefähr 3 Meter) sowie etwa 1.000 oder 2.000 Francs, damit Maillol die Figur ziseliert: also insgesamt ungefähr 25.000 oder 26.000 Francs. So hätten wir etwas Großartiges und Unvergängliches geschaffen.«530
Schließlich brachte Kessler nur einen Tag später einen neuen Aspekt ins Spiel. Er wünschte das Apollinische und Dionysische Prinzip als Grundgedanken innerhalb des Skulpturenprogramms verkörpert zu sehen: »Das Denkmal könnte als Leitthema die Glorifikation der Dionysischen und Apollinischen Prinzipien aufgreifen. Eine nackte Figur von Maillol, das Zentrum des Denkmals bildend, würde das Apollinische Prinzip verkörpern und zwei Basreliefs von Klinger an den Seiten das Dionysische Prinzip. Dies entspräche den bildhauerischen Erfordernissen, da das Apollinische nur in Form einer heiteren und wohl ›komponierten‹ Statue symbolisiert werden kann, das Dionysische hingegen den freieren Stil des Flachreliefs verlangt. Überdies wäre das Denkmal die versinnbildlichte Vereinigung vom mediterranen, apollinischen Geist in der Person Maillols mit dem nordisch, dionysisch–musikalischen Geist in der Person Klingers. Sie als romanisch– germanischer Belgier würden die beiden durch Ihre germanisch–klassische Architektur vereinen. Wir müssen unbedingt dieses Ziel erreichen.«531
Kessler umriss bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Fixkosten und veranschlagte für van de Velde ein Gehalt in Höhe von 20.000 Mark, für Klinger 15.000 Mark und für Maillol 22.000 Mark.532 Die Gesamtsumme bezifferte er vor diesem Hintergrund ›blauäugig‹ auf 60.000 Mark. Gleichzeitig unterbreitete er van de Velde Vorschläge zur Geldbeschaffung in Form eines Garantiefonds: »Könnten Sie nicht Osthaus, Bodenhausen, der guten Wendelstadt, Ihren Chemnitzer Freunden, Wolff, Ihrem Freund in Lübeck (der die Rodins besitzt) schreiben. Das wären schon 6 Personen, die sich sicher nicht weigern. Mit mir und auch mit Frau Förster sind das schon 40.000 Mark, die feststünden. Wir könnten darüber hinaus Richard Moritz Meyer, Thiel und vielleicht noch ein oder zwei andere Personen hinzugewinnen.«533
Mit ungebremstem Elan beanspruchte Kessler die Projektleitung fortan für sich und wich nur schwerlich von seinem Vorhaben ab, was bereits in diesem frühen Stadium der Planungen zu Missstimmungen führte, die vor allem von Elisabeth Förster-Nietzsche ausgingen. Am 5. Februar 1911 reagierte Kessler auf ein Schreiben der Archivherrin und gab zu verstehen: »Sie müßen meine Briefe misverstanden haben; sonst verstehe ich nicht recht, wie unsere Ansichten ›auseinandergehen‹ könnten. Denn ein Denkmal ganz ohne Plastik ist doch wohl nicht denkbar; das Abbédenkmal umfaßt sogar mehr Plastik als die meisten andren Denkmäler. Was ich wollte, war aber nur, daß wir, ebenso wie Vandevelde als Architekt, auch gleich von Anfang an uns einen oder, wenn nötig, zwei Bildhauer ersten Ranges, nämlich Maillol und eventuell Klinger, für die Ausführung sicherten. Daß hier zwischen Ihnen und mir ein prinzipieller Meinungs Unterschied bestehen sollte, scheint mir, wie ich Sie kenne, undenkbar. Alles Andre waren nur Anregungen, Vorschläge, über die selbstverständlich zunächst die Meinungen aus-
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Um Meinungsverschiedenheiten aus dem Weg zu räumen, lud Elisabeth FörsterNietzsche Kessler nach Weimar ein. »Sie haben vollk. Recht«, teilte sie Kessler am 6. Februar 1911 mit, »im Grunde sind wir durchaus 1 Meinung u. d. Untersch. liegt nur darin, daß Sie noch n. wissen, welche archekt. Pläne mir v. d. V. mitget. hat«.535 Kessler reiste daraufhin am 8. Februar 1911 nach Weimar. Vorher instruierte er van de Velde über das weitere Prozedere, indem er erneut für Maillol und Klinger plädierte, gleichfalls ein Szenario zur Beschaffung weiterer Geldmittel entwarf und damit an die hochgesteckten Ziele seiner frühen Weimarer Jahre anknüpfte: »Mir scheint, als müssen wir uns bemühen, Frau Förster dahingehend zu überzeugen, daß nur ein Bildhauer ersten Ranges, ein Maillol oder ein von Klinger flankierter Maillol, ihrem Bruder gerecht werden kann, was die bildhauerische Ausstattung Ihres Denkmals anbelangt. Zum Geld: da ja Frau Förster scheinbar keinen Garantiefonds haben will, müssen andere Wege gefunden werden, die Kassen schnell zu füllen (besonders, da wir Ihrem Brief zufolge mit Mehrkosten von 120.000 Mark rechnen müssen: also ein Mehraufwand, der uns zwingt, etwa 200.000 Mark zusammenzutragen). Ich dachte an Theatervorstellungen: an eine von Astruc organisierte Theatervorstellung in Paris und vielleicht an vergleichbare Aufführungen in Moskau (organisiert durch Diaghilew oder Stanislawski), in London (? vielleicht?), in Wien und in einigen deutschen Großstädten. Dazu eine Reihe von Konzerten (Ansorge, Strauss) und Vorträgen (gern werde ich einen oder zwei halten). Die Subskriptionen allein würden eine solch bedeutende Summe niemals decken. Doch für ein Denkmal, an dem Sie und Maillol zusammen arbeiten, müssen alle Anstrengungen unternommen werden. Jede Theateraufführung (in Berlin und Paris) müßte bis zu 15 bis 20.000 Mark einbringen, die Konzerte vielleicht 1.000 bis 2.000 (wenn Strauss eins in Paris geben würde, wohl mehr). Meine Vorträge würden 500 bis 600 Mark bringen (das ist die Vergütung, die ich verlange und die man mir für gewöhnlich gewährt). Was meine Subskription anbelangt, richte ich mich nach Bodenhausen; das heißt 1.000 Mark. Doch werden ungeheure Anstrengungen von Nöten sein, um 200.000 Mark zusammenzubringen; obgleich ich denke, daß dies möglich sein wird, wenn man auf diese Weise vorginge.«536
Kurz vor seiner Abreise nach Weimar untermauerte Kessler gegenüber van de Velde erneut seine Vorstellungen, indem er mit Nachdruck betonte: »Gerade für das Zentrum des Denkmals brauchen wir Maillol und keinen anderen als Maillol. Ich bin absolut entschlossen, nicht davon abzuweichen.«537 Und er fügte hinzu: »Es wäre eine Katastrophe für Nietzsche, für Sie und uns alle, käme man aufgrund der Plastik zu einem jämmerlichen Ergebnis, nur weil sich Frau Försters Günstlingswirtschaft durchsetzen würde.«538 Als Kessler schließlich in Weimar eintraf, unterbreitete van de Velde zwei unterschiedliche architektonische Konzepte.539 Der erste Entwurf sah den Umbau des bereits vorhandenen Nietzsche-Archivs und die Errichtung einer großen Empfangshalle mit Denkmal vor. Der zweite Entwurf präsentierte ein separates Monument im freien Raum.540 Wie Elisabeth Förster-Nietzsche favorisierte Kessler »aus Pietätsgründen« das zweite Projekt und regte sogleich an,
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»das Denkmal als Tempel zu erbauen, vor dem Maillols Statue oder Statuen stehen würden, während im Inneren eine Nietzsche Herme von Klinger und an den Wänden abwechselnd Reliefs von Klinger und Inschrifttafeln von Gill mit Nietzscheaussprüchen aufgestellt wären.«541 Außerdem schlug Kessler in Übereinstimmung mit van de Velde das Gelände am Abhang unterhalb des Nietzsche-Archivs vor, »das möglichst ganz angekauft und in einen kleinen Nietzsche Park umgewandelt werden würde«.542 Um das Einwerben von Geldmitteln sicherzustellen, einigten sich die Gesprächspartner auf drei Möglichkeiten. Einerseits sollten zahlungskräftige Subskribenten zur Zeichnung von 1.000 Mark pro Person gewonnen werden. Andererseits waren kulturelle Veranstaltungen in Form von Theatervorstellungen, Konzerten und Vorträgen sowie die Herausgabe von Faksimiles von Nietzsche-Manuskripten geplant.543 Schließlich beabsichtigte man, dem internationalen Denkmal-Komitee einen ›Arbeitsausschuß für die Errichtung des Nietzsche-Denkmals in Weimar‹ mit Vertretern aus der Großfinanz, der intellektuellen Elite und Angehörigen der Familie Nietzsches beizufügen. Als Mitglieder waren Anton von Kippenberg (Insel-Verlag), Geheimrat Joseph Kohler, Adalbert Oehler, Walther Rathenau (AEG), Raoul Richter, Paul von Schwabach (Bankhaus Bleichröder Berlin) und nicht zuletzt Harry Graf Kessler vorgesehen. Indem sich Kessler am 12. März 1911 zum Präsidenten des Arbeitsausschusses wählen ließ, übernahm er nunmehr direkt die Vorherrschaft über sämtliche Entscheidungs- und Geldfindungsprozesse.544 Er führte Verhandlungen mit namhaften Persönlichkeiten aus dem europäischen Kulturgeschehen, aus der Wirtschaft und Politik und avancierte somit binnen kürzester Zeit zum Spiritus Rector des gesamten Vorhabens, aber auch zum selbsternannten Auftraggeber in künstlerischer Hinsicht. Van de Velde, der stets darauf bedacht war, sowohl Elisabeth Förster-Nietzsche als auch Kessler zufriedenzustellen, sah sich nicht selten zwischen den Stühlen sitzend. Während ihn Kessler aus der Ferne stets zu Höchstleistungen animierte, beanspruchte Elisabeth FörsterNietzsche im Gegenzug, über jede einzelne Vorgehensweise informiert zu sein. Van de Velde befand sich dagegen selbst in einer problematischen Situation. Seit November 1910 war er in den Entwurfsprozess für das Théâtre des Champs-Élysées in Paris eingebunden.545 Er verbrachte einen Großteil seiner Zeit in Paris, um den prominenten Auftrag zu betreuen. Von November 1910 bis Juli 1911 legte er zahlreiche Pläne vor, die er in Abstimmung mit Roger Bouvard und in Zusammenarbeit mit seinem Assistenten Marcel Guilleminault sowie dem Ingenieur Eugène Milon ausgearbeitet hatte. Für das Theater entwickelte er zunächst eine Konstruktion aus Stahl, später aus Stahlbeton. Eine für van de Velde unerfreuliche Wende trat ein, als er auf Empfehlung von Théo van Rysselberghe die Gebrüder Auguste und Gustave Perret zur Entwurfsgestaltung hinzuzog. Dieser im Nachhinein fatale Umstand führte zur vollständigen Verdrängung seiner eigenen Person. Intrigen taten ihr Übriges. Von van de Veldes Entwürfen profitierend und von Gabriel Thomas gestützt, setzte sich Auguste Perret als eigentlicher Schöpfer des Theaters durch. Van de Velde
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beendete daraufhin im Juli 1911 das Vertragsverhältnis. Die Aussicht und die Hoffnung, mit dem Nietzsche-Denkmal einen öffentlichen Großauftrag zu erhalten, dürfte ihm zwischenzeitlich über diese bittere Enttäuschung hinweggeholfen haben. Mitte Februar 1911 nahm der Gedanke mehr und mehr Gestalt an, einen separaten Bau in Form eines Tempels oder Pavillons unterhalb des Nietzsche-Archivs zu errichten. Wenngleich Elisabeth Förster-Nietzsche noch immer eher ein »denkmal-artiger Raum« zur Präsentation »auf Nietzsche bezüglicher Kunstwerke«546 vorschwebte, bestach letztlich die Vorstellung, das gesamte Grundstück am Abhang des Archivs zu erwerben und dort einen Park mit Tempelanlage zu errichten.547 Nahezu täglich korrespondierte sie fortan mit Kessler in dieser Angelegenheit. Sie stellte Erkundigungen bezüglich des Grundstückspreises an und führte Vorverhandlungen mit dem Besitzer des Grundstücks, dem Kaufmann und Weingroßhändler Arno Krehan, in der ihr eigenen Art. Am 17. Februar 1911 unterrichtete sie Kessler, dass Krehan das 12.000 m2 messende Grundstück für 85.000 Mark erworben, jedoch »keine Sympathie« für van de Velde habe. »Vor allem aber«, schrieb sie Kessler, »habe ich bei läng. Verhandlungen damals gesehen, daß er ein s. guter Geschäftsmann ist u. mit dem Stück auch gute Geschäfte machen will, was einem Geschäftsm. niem. zu verdenken ist.«548 Nach einer neuerlichen Unterredung mit Krehan berichtete sie Kessler am 27. Februar 1911, »welchen Eindr. d. Großartigkeit Ihrer Pläne auf den vortreffl. Mann« gemacht habe, teilte aber gleichzeitig mit: »Sie müssen mit dem Mann selbst verhandeln, denn ich will durchaus nichts mehr dam. zu tun haben, sobald d. Kom. von 30 höchst ansehnl. Mitgl. beisammen ist.«549 Seit diesem Zeitpunkt betonte Elisabeth Förster-Nietzsche immer häufiger, sich aus dem Denkmal-Projekt zurückziehen zu wollen. »Vor allem möchte ich hervorheben,« schrieb sie Kessler, »daß ich sobald d. Kom. gebildet ist, mit der gzn. Denkm – Angel. nichts mehr zu tun habe u. n. mehr zu tun haben will. Ich hatte nur d. Schwierigkeit übernommen, hervorr. Männer u. Namen zu uns. Kom. zus. zu bringen, was n. gz. so leicht war, wie es jetzt den Anschein hat.«550 Außerdem äußerte sie ihre Bedenken, neben van de Velde einen weiteren ausländischen Künstler in das Projekt einzubinden, was Kessler ganze Überzeugungsarbeit kostete: »Maillol ist der einzige Künstler, dessen Weltanschauung ganz instinktiv absolut mit der Ihres Bruders übereinstimmt, und der dabei gleichzeitig fähig ist, für diese Weltanschauung die absolut richtige Formensprache zu finden. Wenn Ihr Bruder gesagt hat: ›il faut méditerraniser la musique‹, so kann man Maillols Kunst nicht genauer definieren, als indem man von ihm jetzt ›qu’il a méditerranisé la sculpture.‹ Ich bin überzeugt, daß wenn Ihr Bruder mit guten Augen und frischen Kräften am Leben wäre, er an Maillol eine ebenso große, und meines Erachtens noch viel berechtigtere Freude haben würde, wie an Bizet. Maillol ist das wiedererstandene Griechentum in seiner ganzen Lebenswärme; nicht klassizistisch, nicht einmal römisch oder lateinisch-italienisch umgedeutet, sondern mit dem ganzen Inhalt an Sinnlichkeit, Gefühl, Sonnenhelle und Lebensdurst, wie er in den Werken der großen griechischen Plastiker des sechsten und fünften Jahrhunderts zum Ausdruck kam. Es wäre geradezu ein Makel, den wir uns antäten, wenn wir diesen Mann, der gerade das verkörpert, was Ihr Bruder immer herbeigesehnt hat,
98 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung übergiengen. Aber ich bin überzeugt, daß Klinger, der Maillol sehr bewundert, keine Schwierigkeiten machen wird.«551
Van de Velde gegenüber, der sich wegen des Pariser Theaterprojektes kaum noch in Weimar aufgehalten hatte, unterbreitete Kessler indes konkrete Vorgaben. Das Nietzsche-Denkmal sollte nunmehr in der Art eines griechischen Temenos, eines heiligen Hains mit Tempel und monumentaler Umfassungsmauer, Gestalt annehmen. Kessler schwebte in Anlehnung an japanische Tempelanlagen und an die 1894/95 von Adolf von Hildebrand entworfene Grabstätte für Hermann von Helmholtz in Berlin-Wannsee »eine intime Vereinigung von Grün, kleinem Wald, Hain (›heiliger Hain‹) und kleinem Tempel mit Terrassen, Treppen, Statuen usw.« vor.552 Zugleich empfahl er, Leopold Biermann zum Kauf des Grundstücks zu bewegen: »Ich stelle mir vor, auf dem Gelände bzw. dem Großteil des Geländes zu Ehren Nietzsches ein griechisches τέμενος mit Ihrem kleinen Tempel im Zentrum zu verwirklichen. Das Charakteristische eines τέμενος war, daß ein offenes Gelände von gewissem Umfang ganz zum Denkmal wurde. [...] Das τέμενος ist eine aus Kunst und Grün, aus Sonne und Landschaft verwobene Einheit, wie man sie heute nur in Japan sieht. Die großartigen Tempel von Nikko mit ihren stattlichen Treppen, ihren großen Pinienalleen, ihren heiligen Laternen sind Iyeasu und Iyemitsu, den Vorfahren der Schogune, geweihte τέμενος. Dank des schönen Blicks und der schönen Lage am Hang unterhalb des Nietzsche-Archivs sollten wir zu Ehren Nietzsches im Kleinen etwas Vergleichbares schaffen.«553
Mit der Gründung des Arbeitsausschusses am 12. März 1911 nahm das Projekt eines Nietzsche-Denkmals immer konkretere Konturen an. So suchte Kessler Ende März 1911 Max Klinger in Leipzig auf, um mit ihm das weitere Vorgehen zu besprechen. »Ich habe also gestern Klinger in puncto Denkmal in Leipzig besucht«, schrieb Kessler an van de Velde. »Er gab mir zu verstehen, daß er, bevor er sich offiziell entscheidet, Sie sehen und sich mit Ihnen bezüglich der Maße des Tempels etc. verständigen muss. Er weigert sich komplett, vor diesem Treffen irgendwelche Versprechungen einzugehen.«554 Kessler und van de Velde reisten daraufhin am 5. April 1911 gemeinsam nach Leipzig. Offenbar war es van de Velde bis dahin nicht möglich gewesen, eine ausführliche Projektskizze zu entwerfen. Kurz vor dem Treffen steckten sie daher die Eckpunkte ab: »Zuerst mit Vandevelde im Hotel und ihm eine Halle oder einen Tempel mit drei Stufenartigen Sitzreihen rechts und links vorgeschlagen; eine Nietzsche Herme am hinteren Schmalende und Klingers Reliefs sowie die Inschrifttafeln über den Sitzstufen an den Wänden. Vandevelde sehr befriedigt von dem Vorschlag; er meinte, dass an jeder Wand drei Reliefs eingerahmt von Inschrifttafeln und Pilastern nötig sein würden; so ergebe sich eine organische Gliederung des Raumes.«555
Klinger nahm den Auftrag prinzipiell an, sodass Kessler in seinen Planungen weiter voranschreiten konnte. Noch am gleichen Tag unterbreitete er van de Velde eine eigenhändig gezeichnete Skizze von der Lage des Tempels zuzüglich erklärender Details.556 In Vollendung der früheren Projekte sah Kessler nunmehr die Vereinigung von Natur, Architektur und Skulptur als weihevolles Gesamtkunstwerk vor.
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Seinen Vorstellungen zufolge würde von der Luisenstraße eine feierliche Allee durch den heiligen Hain hindurch zu einem Tempel mit vorgelagerter Terrasse und dem ›Übermenschen‹ von Maillol führen. Die Fassade des Tempels wäre nach Westen ausgerichtet und würde symbolträchtig in Richtung Bismarckturm auf dem Ettersberg zeigen. Die im Westen untergehende Sonne würde das Tempelinnere beleuchten und die frei stehende Plastik geheimnisvoll umspielen.557 Hinsichtlich der Lichtführung gab er van de Velde die Empfehlung, sich an den College-Gebäuden von Cambridge und Oxford zu orientieren, und fügte hinzu: »Könnten Sie nicht einen Abstecher von Paris dorthin machen? 5 Tage reichen aus.«558 Ferner machte er den Vorschlag, für den organischen Teil des Saales, der 200 bis 250 Zuschauer fassen sollte, italienischen Sandstein und für die Inschriften und Reliefs weißen Marmor zu verwenden.559 »Meine Überlegungen führen dahin, daß es in dieser Nietzsche-Gedenkstätte vor allem musikalische Vorstellungen (Quartett, Gesang etc.) und Tanzdarbietungen geben muss«, schrieb er van de Velde am 12. April 1911.560 »Am Ende, wo die Nietzsche-Büste stünde, bräuchte man so eine Art kleine Bühne oder vielmehr eine kleine, durch zwei oder drei Stufen erhöhte Plattform wie am Altar von Kirchen.«561 Einhergehend mit den überzogenen Forderungen des Grundstückeigentümers Krehan und neuerlich aufgetretenen »Konfusionen« mit Elisabeth FörsterNietzsche erfuhr das Projekt eines Nietzsche-Denkmals bereits Mitte April 1911 eine grundlegende Wandlung.562 Die Idee, das Grundstück unterhalb des NietzscheArchivs für das Denkmal zu nutzen, wurde aufgrund des überteuerten Grundstückspreises in Höhe von 140.000 Mark spontan ad acta gelegt.563 Kessler sah sich nunmehr in der Lage, eigenmächtig ein ganz neues Projekt mit weitaus größeren Dimensionen zu entwickeln. Mit den Worten »erschrecken Sie nicht, lieber Freund« weihte er van de Velde am 14. April 1911 in seine Pläne ein und unterbreitete sogleich eine Skizze, die neben dem Tempel und der Skulptur von Maillol nunmehr eine weitläufige Stadionanlage mit Park und Feststraße vorsah. Damit lieferte er van de Velde entscheidende künstlerische Vorgaben und avancierte zum alleinigen Ideengeber: »Das Grundstück unterhalb des Archivs muß verlegt werden. Nichts hindert uns daran, ein Grundstück zu suchen, das bestmöglich auf das ideale Denkmal zugeschnitten ist, auf das wir uns verständigt haben. Doch stelle ich mir jetzt dieses ideale Denkmal im Gegensatz zu dem bisherigen Projekt viel interessanter, vor allen Dingen viel lebendiger vor, auf eine intimere Weise durch den Geist Nietzsches und des modernen Lebens belebt. Genauer gesagt halte ich exakt an all dem fest, wovon wir gesprochen hatten, nur dehne ich die Gestaltung aus und belebe sie in Wirklichkeit, indem ich zum Tempel (erschrecken Sie nicht, lieber Freund) ein Stadion hinzufüge, ein Stadion, wo jährlich oder mehrmals im Jahr Wettrennen, Ringkämpfe, Spiele etc. stattfinden könnten. Nietzsche war der erste große moderne Philosoph, der die Schönheit der Kraft und Lebensfreude gepriesen hat. Es geht darum, sein Ideengut zu verwirklichen, Jugend und Kraft auf sein Denkmal zu lenken. Ähnlich wie die Umsetzung des Gedankenguts Christi darin bestand, in der Nähe einer Kirche ein Hospital zu gründen. Dank dieser Idee
100 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung sind wir ermächtigt, alle Sportvereine und Sportinteressierten ›anzustacheln‹ und auf diesem Hügel, der zum ›geweihten Hügel‹ würde, sobald wir dort unseren Tempel und unsere Spiele etablieren, eine Brücke zwischen der Kultur des Körpers und des Geistes zu schlagen. Rathenau und Julius Stern billigen diesen Plan ausdrücklich. Beide versicherten mir, daß wir viel leichter zu Geld kommen, wenn wir mit diesem lebensnahen und interessanten Plan vorstellig würden, als einfach um die Errichtung eines ›Denkmals‹ zu bitten. Ergo: Spiele draußen, Tänze drinnen. Dies wäre das Leben, für das ein Rahmen geschaffen werden muß.«564
Kessler legte gleichzeitig sehr genau die Ausmaße der Anlage fest. Seinen Vorstellungen zufolge sollte das Grundstück mit Blick über Weimar maximal 1.200 m lang und 400 m breit und leicht ansteigend sein. Die Arena würde in Anlehnung an das griechische Stadion 185 m messen. Die Feststraße wäre 500 bis 800 m lang. Die Gesamtkosten berechnete Kessler auf 700.000 Mark. Für das Grundstück stand ihm zudem ein Areal an der Berkaer Chaussee (heute: Berkaer Straße) vor Augen. Um sein Vorhaben zu untermauern, hatte sich Kessler in umsichtiger Voraussicht bereits mit den Finanziers Walther Rathenau und Julius Stern verständigt, die ebenfalls wie er »kein totes Denkmal sondern ein lebendiges« wünschten.565 Zeitgleich mit dem Schreiben an van de Velde unterrichtete Kessler auch Elisabeth Förster-Nietzsche über sein Vorhaben und buhlte geschickt um Verständnis. »Ihr Bruder war der Erste, der uns wieder die Freude am Körper, an körperlicher Kraft und Schönheit, gelehrt hat; der Erste, den die Körperkultur, die Körperliche Kraft und Geschicklichkeit wieder zum Geist und zu den höchsten Dingen in Beziehung gebracht hat. Diese Beziehung möchte ich in diesem Denkmal verwirklicht sehen. Wie man in die Nähe einer christlichen Kirche ein Hospital setzte, so soll man in die Nähe der Gedächtnisstätte Ihres Bruders einen Tummelplatz für Jugend, Kraft und Schönheit bringen. Wenn die jungen Leute hier kämpfen und wettstreiten, so wird auf ihre Jugendfreude ein Licht aus der Höhe des Geistes fallen, wie es seit Griechenland nicht der Fall war.«566
Wenngleich Elisabeth Förster-Nietzsche der Stadionanlage als »Sportplatz« und »Music–Hall mit tanzenden Weiblein« zunächst kritisch gegenüberstand und diesen Standpunkt zu einem späteren Zeitpunkt wieder einnehmen sollte, willigte sie in Kesslers Plan unter der Bedingung ein, dass das Stadion späterhin an die Nietzsche-Stiftung übertragen würde.567 Sodann beteiligte sie sich an der Suche nach einem geeigneten Grundstück, das Kessler und van de Velde zusammen mit ihr Ende April 1911 auf der Anhöhe seitlich der Berkaer Chaussee fanden.568 Kessler unternahm nunmehr alle Anstrengungen, van de Velde um Entwürfe zu bitten, damit er seinen Werbefeldzug starten konnte. Jene Skizzen, die van de Velde zwischen dem 14. und 19. April 1911 angefertigt hatte, waren indes noch verbesserungswürdig.569 Kessler regte den Belgier an, »Heiterkeit und Sinnlichkeit« in die Tempelfassade zu legen, denn »Nietzsche verabscheute in seinem Leben nichts mehr als Schwerfälligkeit«.570 Zur gleichen Zeit bemühte er sich, über den Weimarer Rechtsanwalt Georg Mardersteig die Eigentümer und den Kaufpreis des Grundstücks zu ermitteln. Am 3. Mai 1911 konnte er van de Velde vermelden, dass das Grundstück 60.000 bis 70.000 Mark koste.571 Ende Juli stand bereits die Finanzierung fest.
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Kessler hatte Julius Stern und Paul von Schwabach dazu bewegen können, zwei Darlehen in Höhe von jeweils 30.000 Mark für »einen wunderbar an einem Hügelabhang über Weimar gelegenen, sanft ansteigenden Landstrich« zu gewähren.572 Hierzu wurde eine fingierte Gesellschaft mit dem Namen ›Spielhain e.V.‹ unter Vorsitz von Georg Mardersteig ins Leben gerufen, die das Areal übertragen bekam. Laut Grundbuch kaufte der Verein am 7. Juni 1911 sowie am 12., 19. und am 26. September 1911 Grundstücksparzellen des Gebietes ›Überm Merketale‹ in der Größe von ca. 12 ha.573 Die Grundstücke waren als Artland und Gartengrundstücke ausgewiesen. Auf einer Parzelle befand sich sogar, wie Kessler am 29. Juli 1911 durch Mardersteig erfuhr, »eine ziemlich ergiebige Quelle«.574 Dieser Umstand veranlasste Kessler spontan zur Erweiterung seines Vorhabens. »Auch für Ihre Entwürfe«, schrieb er van de Velde zwei Tage später, »ist dies sehr bedeutsam, denn wir könnten (was sowieso nötig wäre) Duschen für die Läufer etc. und wahrscheinlich sogar ein Freiluftschwimmbecken schaffen. Absolut schön wäre ein im unteren Teil des Grundstücks gelegenes und an die Duschen der Athleten angrenzendes, großes und von Grün umgebenes Becken aus schönen Materialien.«575 Van de Velde, der gerade erfolgreich sein Abbe-Denkmal in Jena eingeweiht hatte, griff die Idee in seinen Entwürfen auf. Anfang August ließ er sich Katasterauszüge des betreffenden Areals zukommen, erkundete ausgiebig das Terrain und fertigte eine Folge neuer Pläne an, von denen sich vermutlich einige Ausführungen erhalten haben könnten.576 Am 19. August 1911 teilte er Kessler seine Gedanken mit. Hierbei handelt es sich um eines der wenigen schriftlichen Zeugnisse von van de Velde zu diesem Thema: »Studieren Sie den Grundriß und Sie werden wie ich erkennen, daß man die Allee, den Tempel und das Stadion auf den Eingang der Feststraße ausrichten muß, die eine natürliche Verlängerung der Berka-Chaussee ergeben muß. Sie werden auch feststellen, daß es hinsichtlich einer Erweiterung und eines rückseitigen Schutzes vor Nachbarn überflüssig ist, mehr Gelände zu erwerben. In der beiliegenden Skizze wird Ihnen auffallen, lieber Freund, daß ich die äußere Linie des Stadions bis dahin, wohin ich konnte, d. h. bis zum Beginn des kleinen Stadtwaldes (oder eher Stadtschlucht!) gezogen habe. An dieser Begrenzung fällt das Gelände ab und wird zum Graben. Es wäre nicht machbar, das Stadion über den Graben hinauszuführen. Man müßte auf jenem Teil des Geländes, wo sich der Graben erstreckt, kostspielige Unterbauten errichten und uns würde vorgeworfen, das Gelände schlecht ausgewählt zu haben. [...] Meiner Meinung nach sollten wir, lieber Freund, kein Geld mehr für Grundstückseinkäufe ausgeben. Das erworbene Areal ist vorzüglich und unter der Bedingung, daß der kleine Stadtwald in das Ensemble (G) einbezogen wird, absolut ausreichend. Daran besteht kein Zweifel. Die Feststraße, die zum Tempel führt (in C die Statue von Maillol), hätte eine Länge von fast 200 Meter; das Plateau, auf dem sich der Tempel erhebt, 100 x 120 Meter – das Stadion die vorgeschriebene Länge. Die Seiten des Tempels wären offen. Die Terrasse auf der rechten Seite würde den seitlichen Weg überragen und wäre von einer Balustrade eingefaßt. Würden Sie sich bitte kritisch zu dieser Anlage äußern.«577
Kessler reagierte auf van de Veldes Brief mit einem längeren Schreiben.578 Unter anderem schlug er trotz der Einwände van de Veldes vor, die hinter dem Areal
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gelegenen Grundstücke zusätzlich zu erwerben, »um zu verhindern, daß das Denkmal von Schweizer Chalets und Restaurants im ›modernen Stil‹ bekrönt wird, deren Balkonterrassen zum Stadion zeigen«.579 Des Weiteren empfahl Kessler eine andere Ausrichtung der Feststraße sowie das von Statuen umgebene Freiluftschwimmbecken. Nach einem anstrengenden Sommer zog sich van de Velde im September 1911 zur Erholung in die Normandie zurück.580 In einem Schreiben vom 30. August 1911 bat er Kessler mitzuteilen, wann und wo er ihn dort treffen könne, um über das Nietzsche-Denkmal zu reflektieren.581 Van de Velde und Kessler fanden schließlich am 4. September 1911 in Houlgate zueinander und verbrachten die kommenden zwei Tage mit Unternehmungen und Unterredungen. Kessler stellte van de Velde für die Ausführung des Nietzsche-Denkmals ein Honorar von 50.000 Mark in Aussicht. Außerdem hielt er fest: »Vandevelde gegenüber Nachdruck gelegt auf den Kontrast zwischen mächtigen Stadionmauern und graziösen Tempelformen, vielleicht Säulenhallen, die vom Tempel ausgehend an das Stadion anstossen, auf die architektonische Anlage des Gartens, in dem Plätze für Standbilder von Athleten u. s. w. vorgesehen sein werden, auf eine versteckte Anlage des Schwimmbassins, damit man nicht gezwungen ist dort in scheusslichen Badekostümen zu baden, auf Fertigstellung von Plänen und Kostenanschlägen bis November.«582
Nach dem Erhalt von neuem Informationsmaterial und den anregenden Gesprächen mit Kessler, die letztlich auch um die Art der für das Stadion vorgesehenen Sportdisziplinen kreisten, beschäftigte sich van de Velde ab Ende September 1911 intensiver mit den Entwürfen für das Nietzsche-Denkmal.583 Nur ungern verzichtete er auf die Sportart Polo: »Kennen Sie eine sympathischere und aristokratischere Form des modernen ›Spiels‹? Fußball – ja. Doch ist zu befürchten, daß das Feld auch hier weit größer als das 33,50 Meter breite griechische Stadion werden wird!«584 Gleichzeitig gab er Kessler bezüglich des Entwurfsprozesses zu verstehen: »Sobald ich in Weimar zurück bin und mich sowohl an meinen großen Arbeitstischen als auch vor einem Häufchen Erde befinde, das das Grundstück nachbilden wird, werde ich Klarheit gewinnen, und die Nachbildung der Realität wird mich inspirieren.«585 Kessler erhöhte daraufhin resolut den Druck und bat van de Velde, die »recht flüchtigen Entwürfe« und die Kostenvoranschläge bis Anfang November 1911 auszuarbeiten: »Sonst müssten wir mindestens bis Ende Januar warten, um das Komitee einzuberufen. Kostbare Zeit, die uns verloren ginge.«586 Ferner erklärte er, dass man aufgrund des Schrittmaßes auf die Sportart Polo verzichten müsse und fügte hinzu: »Zudem handelt es sich um eine von sehr reichen Leuten und in Deutschland wenig praktizierte Sportart. Der Kaiser hatte sie sogar dem Kronprinzen in Potsdam untersagt, da er die Offiziere zu übermäßigen Ausgaben verleitete. Nur Söhne von Bankiers und bedeutenden Hamburger und Bremer Reedern können sich das leisten.«587 Letztendlich traf Kessler wenig später Anfang Oktober 1911 ein herber Rückschlag. Elisabeth Förster-Nietzsche sprach sich erneut, diesmal jedoch mit ausdrücklicher Vehemenz gegen das Denkmal-Projekt aus. Anlass war die Zusammenkunft mit
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»einem Herrn Rudolf Lemke oder Menke« aus Leipzig, der sie bereits im August aufgesucht hatte, um ihr ein briefliches Zitat von Friedrich Nietzsche mit folgendem Wortlaut zu übermitteln: »Die Nachäfferei des Griechenthums vor diesem reichen müssiggängerischen Gesindel aus ganz Europa ist mir ein Greuel. Die Leute ahnen nicht aus welchen Tiefen religiöser u. politischer Vorstellungen die griechischen Feste hervorgegangen sind. Ich flüchte vor diesem hohlen Lärm sensationsgieriger Darsteller und Zuschauer in die Einsamkeit und Stille.«588 Dies und weitere Umstände zum Anlass nehmend, richtete Elisabeth Förster-Nietzsche klare Worte an Kessler: »Ich möchte Sie nun, lieber Freund, auf das Innigste bitten, diese Pläne ad acta zu legen, oder wenigstens zehn Jahre zu warten – da werde ich ja hoffentlich tot sein! Es geht mir zu sehr wider alle Empfindungen, daß der große Einsame mit solchem Lärm und Massenansammlungen verherrlicht werden soll. Außerdem ist jetzt wirklich nicht die Zeit dazu; Teurung, Krieg etc. machen die Leute kritisch, so daß Sie niemals das Geld dazu zusammenbekämen und sich für eine Sache bemühen würden, die weder einen Erfolg noch die Genugtuung gewähren kann, die man doch von solch einem großen Unternehmen haben möchte. [...] Der kleine Tempel in einem kleinen Hain – das war ausführbar und im Sinne meines Bruders –. Gegen alles Andere habe ich mich von Anfang an gesträubt und nur Ihrer liebenswürdigen Ueberredungsgabe zufolge habe ich schließlich auch diese Pläne, jedoch sehr widerwillig acceptirt.«589
Kessler selbst reagierte empört. Seinem Tagebuch vertraute er am 20. Oktober 1911 an: »Unglaublicher Brief von der Förster Nietzsche, die mich bittet, den Denkmalplan aufzugeben, weil ›ein Herr Lenke oder Menke‹ (sie kann sich auf den Namen nicht besinnen) sie besucht und sich gegen das Projekt ausgesprochen habe. Die ›ehrliche Entrüstung‹ dieses ›Nietzsche Verehrers‹ habe sie erschüttert, und ›sie selbst könne jetzt nicht anders, als sich dagegen erklären‹. Dieses, nachdem sie mir im Sommer erklärt hat, dass sie von dem Stadion Projekt ›entzückt‹ sei, und nachdem mit ihrer Kenntnis und Zustimmung 60 000 Mark für den Grundstückskauf geliehen und verausgabt sind. Ich schreibe ihr, dass sie erst 60 000 Mark beschaffen soll, um Schwabach und Stern ihr Darlehn zurückzuzahlen, ehe von einem Aufgeben des Projekts die Rede sein darf, und dass ausserdem die Autorität des Herren Menkes mir gegenüber der von Vaihinger, Raoul Richter, Hofmannsthal, Strauss, d’Annunzio, Hauptmann u. s. w. gering erscheint. –«590
Daraufhin wandte sich Kessler entschieden an Elisabeth Förster-Nietzsche und nahm ihr die Illusion, mit dieser Methode erfolgreich zu sein: »Ihr Brief ist mir hier zugegangen. Ich muß annehmen und hoffen, daß der Wunsch, den er ausspricht, einer momentanen Depression entspringt; denn er ist, wie ich gleich sagen will, unerfüllbar.«591 Van de Velde, der über Elisabeth Förster-Nietzsche mit einer Abschrift ihres Briefes an Kessler informiert worden war, beschwichtigte Kessler,592 sprach sich jedoch »in gewundenen Ausdrücken gegen das Stadion Projekt« aus, wie Kessler im Tagebuch notierte.593 Auch nach einem persönlichen Gespräch tags darauf musste Kessler konstatieren: »Nachmittags mit Vandevelde mich unterredet. Er war sehr unbestimmt, eher gegen den Stadionplan, weil er nicht die ›humanité‹ sehe, qui pourrait se mouvoir dignement dans ce cadre. Er skizzierte mir aber Pläne mit grossen Schwimmbassins, die beweisen, dass er doch
104 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung diesen Plan ernsthaft ins Auge gefasst hat. Nach einer längeren, zum Teil etwas scharfen Diskussion verpflichtete er sich aber wieder, den Stadion Plan zu unterstützen.«594
Tatsächlich hatte sich van de Velde in der Zwischenzeit intensiver denn je mit dem Denkmal-Projekt befasst. Noch im Oktober 1911 hatte er eine Nachbildung des Geländes anfertigen lassen, um die Silhouette formen und Tempel sowie Stadion hineinmodellieren zu können. Jedoch merkte er in aller Vorsicht kritisch an, dass es der Stadion-Idee in Wirklichkeit noch an Präzision fehle.595 Gleichfalls gab er zu verstehen: »Ich bin von der Idee besessen, die traditionelle Form zu adaptieren. Aber woran anpassen? An welches Spiel, das aufgrund seiner Anziehungskraft und seines Stil verlangt, daß wir die Form anpassen oder die Ausmaße des Stadions entsprechend den Erfordernissen verändern? Polo, verworfen; Fußball, gut. Doch wäre mindestens eine Breite von 60 bis 70 Meter nötig. Ich dachte an die Möglichkeit, das Stadion mit Hilfe des Dekors in eine antike Bühne und in ein Amphitheater umzuwandeln und dort Ödipus, die Orestie etc. aufzuführen. Doch seit gestern hat sich all das in mir trotz des fehlenden Gesamtbildes gesetzt, und so hoffe ich, heute einen Fortschritt zu machen. Ich übernehme als Ausgangsbasis die Maße des griechischen Stadions und beschränke mich bis dato darauf, Bäder und Tempel hinzuzufügen. Ich möchte mich zunächst auf eine sehr einfache Konzeption beschränken, um schnellstmöglich eine notwendige Basis für unsere Diskussionen und Untersuchungen zu schaffen.«596
Am 29. November 1911 trafen Kessler und van de Velde in der Denkmal-Angelegenheit erneut zusammen. Kessler bemängelte vor allem van de Veldes Motivation, indem er kritisierend feststellte: »Er geht auch offenbar mit wenig Lust an die Arbeit. Das Datum, wo er seinen Entwurf der Kommission vorlegen will, schob er wieder hinaus, statt am 8ten Dezember bis auf den 15ten Februar.«597 Ferner merkte Kessler an: »Er kam zunächst auf seinen Einwand zurück, ob es denn überhaupt genug moderne Sportsleistungen gebe, die sich im Rahmen eines Stadions abspielen könnten? Ich antwortete, wir bauten in Berlin ein Stadion, die Schweden in Stockholm, die Engländer hätten eins für ihre olympischen Spiele gebaut, in Athen würde dazu das antike Stadion benützt; das schiene mir seine Bedenken durch Thatsachen zu widerlegen. Er wiederholte aber, qu’il faudrait voir, qu’il voudrait chercher une forme vraiment moderne etc. Dann zeigte er mir einige Entwürfe zur Halle, die mir nicht recht gefielen. Sie sind alle von innen heraus nach Utilitätsrücksichten gebaut, man erkennt in der Fassade Garderoben, Saalform u. s. w., lauter Kleinigkeiten, die mächtige Monumentform fehlt: Alles nach dem Prinzip des englischen Landhauses Comfort und weiter Nichts ausdrückend. Dieses Prinzip reicht aber offenbar nicht aus, um ein Monument zu schaffen. Ich sagte das Vandevelde, und bat ihn, hier umgekehrt wie sonst zunächst an die Fassade und den idealen Ausdruck zu denken, die Halle dann dieser Fassade unterzuordnen. Ich fürchte, dass ihn diese Aufgabe ›out of his depth‹ führt. Seine Phantasie bricht ohne die Eselsbrücke der Utilität zusammen. [...] – Nachmittags bei Frau Förster. Sie gab ohne Diskussion wieder ihre Zustimmung zum Stadion Projekt; sagte, es seien in einem bestimmten Augenblick verschiedene Eindrücke zusammengekommen, die sie dagegen eingenommen hätten. Jetzt habe sie nur noch finanzielle Bedenken; im Prinzip sei sie ganz mit dem Plan einverstanden.«598
Van de Velde konnte das Modell bis Mitte Dezember 1911 fertigstellen. Kessler, der es am 16. Dezember 1911 begutachtete, konstatierte schließlich zufrieden:
1902–1914 | Weimar: Kulturelle Neubelebung einer Stadt 105 »Das Stadion hat auf diesem Modell genau die Grösse des Athenischen. Das Ganze, namentlich das Verhältnis von Tempel und Stadion zueinander, wirkt überraschend schön, schön und grossartig. Leider wird es vielleicht nötig sein, das Stadion zu verbreitern; das Athenische ist nur 33 Meter breit, das neue Berlinische 100; [...].«599
Während van de Velde bislang ohne Vergütung an dem Projekt weiterarbeitete, brachte Kessler Mitte Dezember 1911 wiederum einen neuen Aspekt ins Spiel. Angeregt durch das Entwurfsprojekt von Wilhelm Kreis zur Errichtung eines Bismarck-Nationaldenkmals auf der Elisenhöhe bei Bingerbrück unterbreitete er van de Velde folgendes neues Konzept: »Große Meriten verdient meines Erachtens das Projekt Kreis für das Bismarckdenkmal. Natürlich sind die Details nicht neu, doch ist das Ganze ausdrucksvoll. Es versinnbildlicht die schwerfällige und massig verteilte Kraft, die als Eindruck von der Persönlichkeit Bismarcks ausging: so etwas wie eine stürmische, abgebrühte, konzentrierte, auch bedrohliche, doch eher defensive als offensive Serenität. Ich finde diesen Eindruck in allen Elementen des Kreis’schen Denkmals sehr deutlich wieder, und es erscheint mir sehr verdienstvoll, daß man es so gut verstanden hat, eine Persönlichkeit in eine architektonische Formel zu transponieren. Genau dies müßte man im Nietzsche-Denkmal erreichen: die Übertragung von Nietzsches Persönlichkeit in eine große architektonische Formel, die selbstverständlich absolut mit jener differiert, die Bismarck versinnbildlicht. Denn die beiden, an Macht de facto ebenbürtigen Personen, unterscheiden sich vollkommen in den Elementen, die diese Macht ausmacht, und vor allem im Ziel, nach dem sie strebten. Es wird eine eher expressive als konstruktive Architektur nötig sein, eine große, allein durch Nietzsches Persönlichkeit inspirierte Formel, die wie ein großes musikalisches Motiv den Zarathustra auszudrücken vermag. [...] Man muß nach einer fast reinen, lyrischen Inspiration suchen, die jedoch diese Lyrik wie beim großartigen Bach in Architektur auflöst. Daher eine absolut abstrakte, rein rhythmische Architektur, die wie musikalische Architektur ist.«600
Van de Velde ließ sich auch hier wieder auf Kesslers Vorschläge ein und projektierte bis März 1912 einen laut Kessler »enorm hohen Bismarckturm-artigen Bau« als Tempel, der »bei ungeheuer intrikater Gliederung erdrückend schwer und leer wirkt« und schließlich keinerlei Zustimmung fand:601 »Ich sagte ihm in schonender Weise meinen Eindruck, und dass ich die Verantwortung nicht übernehmen könne, diesen Entwurf dem Komite zu zeigen. Vandevelde ist, nachdem er seine gewöhnliche Methode, vom Zweck und der inneren Gliederung des Baues auszugehen, aufgegeben hatte, auf die Idee verfallen, die Funktion des Baus als Hintergrund der Statue auszunutzen, und hat sich einen riesigen ovalen Rahmen gedacht, aus dieser Grundform alle übrigen ableitend. [...] Dieses vollkommene Fehlschlagen von Vandeveldes wiederholten Versuchen, einen architektonischen Ausdruck für reine, zwecklose Lebensfreude und Leichtigkeit zu finden, beweist das.«602
Auch Eberhard von Bodenhausen kritisierte van de Veldes Entwürfe in hohem Maße. In der Folge vehementer Diskussionen beabsichtigte der belgische Künstler schließlich, ganz auf einen Tempel verzichten zu wollen und stattdessen eine Plattform zu errichten, die als Hintergrund der Statue dienen sollte. Kessler erhöhte dagegen den Druck und forderte nunmehr einen »extrem schlichten« Tempel.603 Er beauftragte van de Velde, für die beabsichtigte Sitzung des Komitees am 5. Mai
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1912 ein Modell mit den groben Ausmaßen und Proportionen von Tempel und Stadion anzufertigen sowie detaillierte Kostenvoranschläge der verschiedenen Arbeitsabfolgen auszuarbeiten. Er unterschied dabei drei Arbeitsschritte: 1. absolut notwendige Ausgangsarbeiten, 2. Zusatzarbeiten und 3. Prachtarbeiten (Statuen etc.). Als Grund für diese Staffelung führte er die Gesamtkosten an. Um das Projekt genehmigt zu bekommen, plante Kessler die Ausgangskosten unterhalb von 1 Million Mark zu halten. Der erste Arbeitsschritt bestand seiner Meinung nach: »1.) aus der bloßen Abtragung der Erde, nur um die Form des Stadions vorzugeben, das für Feierlichkeiten mit Holzbänken ausgestattet würde (wie wir in Berlin gesehen haben), 2.) aus den erforderlichen Aufschüttungen, um das Stadion zugänglich zu machen und die Form in groben Zügen zu umreißen, 3.) aus den Mauern und dem Dach des Tempels, die alle schmuckund dekorlos sind, 4) aus einigen Anpflanzungen.«604
Die Sitzung des Denkmal-Komitees wurde verschoben und fand am 9. Juni 1912 in Berlin statt. Van de Velde, der in der Zwischenzeit in sich gegangen war und an einem neuen Konzept gefeilt hatte, stellte neben der geforderten Kostenaufstellung seine Pläne vor, die schließlich mit Begeisterung aufgenommen wurden.605 An seine Frau schrieb er nach der Sitzung: »Tout, ou à peu près tout, reste donc entre les mains de Kessler qui a le don de tout voir en rose et de douter de peu. La foi peut des miracles et cette fois son amour propre est aussi engagé.«606 Knapp ein Jahr vor dem Jubiläum zum 70. Geburtstag Nietzsches wurde allerdings die Frage nach der Umsetzung des Nietzsche-Denkmals nach einer längeren Unterbrechung dringlicher denn je. Obgleich der Großherzog im Juni 1913 bekundete, »wegen des sportlichen Interesses das Protektorat« übernehmen zu wollen, war es Kessler offenbar nicht möglich, die erforderlichen Kosten einzuwerben.607 Elisabeth Förster-Nietzsche forcierte zudem die Diskussion in dem Maße, als sie sich erneut in der ihr eigenen Art gegen das geplante Stadion aussprach. Aufgrund persönlicher Befindlichkeiten, gegenseitiger Missverständnisse und individuell motivierter Interessen war es für alle Beteiligten unmöglich, eine Diskussion auf sachlicher Ebene zu führen. Jene Briefe, die in den Monaten September bis November 1913 zwischen Kessler, van de Velde und FörsterNietzsche ausgetauscht wurden, dokumentieren eindrücklich das Ringen um eine allgemeine Aufklärung und Abwicklung der Angelegenheit.608 Dabei kamen die unterschiedlichsten Interessen zu Tage. Förster-Nietzsche wünschte die Absicherung des Nietzsche-Archivs und ihrer eigenen Person sowie die Überführung Nietzsches nach Weimar, Kessler suchte nach wie vor eine Umsetzung des von ihm betriebenen Stadion-Projektes, und van de Velde hielt sich aufgrund der permanenten Arbeitsüberlastung dezent zurück. Um der allgemeinen »Confusion« ein Ende zu bereiten, wurde schließlich am 21. Dezember 1913 in Breitbrunn am Ammersee ein Abkommen zwischen Elisabeth Förster-Nietzsche, Eberhard von Bodenhausen und Harry Graf Kessler aufgesetzt, das protokollarisch folgende Punkte enthielt: »I. Die Nietzsche-Stiftung ist dazu berufen, das Nietzsche Archiv und dessen wissenschaftliche Aufgabe auf die Dauer sicherzustellen. Diese Aufgabe geht allen anderen Projekten und
1914–1937 | Zusammenbruch und Neuanfang 107 Aufgaben vor. [...] II. Erst nach völliger Klärung dieser Frage wird die zweite Frage der Ueberführung von Nietzsche nach Weimar in Angriff genommen werden. Frau Förster-Nietzsche wünscht, daß dies alsdann sobald als möglich erfolge und daß die Grabstätte in noch zu erörternder Form und Umfang ihre künstlerische Ausgestaltung durch Van de Velde erhalte. Frau FörsterNietzsche wird sich mit genanntem Künstler wegen Anfertigung beiderseits unverbindlicher und kostenloser Vorschläge und etwaiger ebensolcher Entwürfe in Verbindung setzen. III. Die für den Gedanken des Nietzsche-Stadions bisher angekauften Grundstücke sollen sobald als möglich auf die Nietzsche-Stiftung übertragen werden. Die Ausführung dieses Gedankens sowie eines mit solchem Stadion in Zusammenhang zu bringenden größeren Nietzsche-Denkmals wird bis zur Klärung und erfolgten Realisierung der beiden Aufgaben ad I und II zurückgestellt.«609
Trotz des Versuchs einer Lösung kam das Projekt eines Nietzsche-Denkmals Ende 1913 gänzlich zum Erliegen, und mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs war an eine Weiterführung nicht zu denken. Van de Velde, der seine Entwürfe bereits im Oktober 1913 endgültig ad acta gelegt hatte, gab im Rückblick seiner Memoiren Elisabeth Förster-Nietzsche die vorrangige Hauptschuld am Scheitern des Projektes.610 An Nietzsches 18. Todestag 1918 schrieb er ihr aus dem Exil in der Schweiz in gebrochenem Deutsch: »Es lag in meiner absicht Ihnen aus Sils-Maria zu schreiben wo ich in gedanken so nahe mit Sie lebte, mit Ihrem bruder und wo ich die Tragik seines lebens so tief empfand – wie noch nie. Auf Chasté folgte ich ihn, ging in seinen fußtritten u. setzte mich ehrerbietig nieder an den stellen wo Er zweifellos sich niedergelassen hat um zu ›sinnen‹. Auf Chasté lebte sein geist u. die reichste schattierungen seines stils wiederholten sich u. klingen dort in den farben der baümen, der felsen u. des seespiegels. Chasté ist den geweihten ort u. auf die allem empfand ich einen chauer als ob ich plötzlich vor einem Tempel, ein Mausoleum stehen würde wo mit Nietzsche selbst in berührung kommen werde, wo ich seine stimme zu hören bekommen werde. Und es kam auch so und Er sprach zu mir wie Er schon an anderen getan haben wird – u. sagte: O Mensch, gib acht ... Ich war nirgends wo so erschüttert wie dort – vor der taffel, im fels u. ging jeden tag hin. Dort erschien mir meiner Entwurf des Tempels welchen ich für Weimar entwarf u. auf Chasté habe ich ihn nun, in gedanken, vollendet. Ich setzte alle materialien so zusammen daß, ich ihnen, die unheimliche farben-Klänge welche sich dort in einer unerhört-reiche u. seltene Harmonie vereinigen, sich nochmals wiederholten in einem akkord welcher sich die ganze Sehnsucht der Menscheit nach ›Ewigkeit‹ verwirklichen sollte.«611
7. 1914–1937 | Zusammenbruch und Neuanfang: Getrennte Welten Die letzte Etappe innerhalb der Korrespondenz spannt sich vom Ersten Weltkrieg hin zu Kesslers Tod im Jahr 1937 und umfasst nur 33 lückenhaft überlieferte Schriftstücke.614 Bedingt durch die Zäsur des Krieges und die räumliche Trennung sahen sich Kessler und van de Velde nur noch selten. Sie schrieben sich immer weniger und hatten kaum noch gemeinsame Berührungspunkte, geschweige denn gemeinsame
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Projekte. Trotzdem blieb die gegenseitige Wertschätzung und Sympathie sowie das Interesse aneinander weiterhin bestehen. Als Kessler 1937 kurz vor seinem Tod van de Veldes viel gelobten, belgischen Ausstellungspavillon auf der Weltausstellung in Paris besichtigte, gehörte dies zu einer »seiner letzten großen Freuden«.612 Für van de Velde endete mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine Epoche, die rückblickend als seine wirkungsmächtigste und fruchtbarste anzusehen ist. 1914 als verfeindeter Ausländer diffamiert, musste er seinen Dienst an der Weimarer Kunstgewerbeschule mit Schließung der Lehranstalt am 1. Oktober 1915 quittieren. Aufgrund vielfältiger Schikanen sah er sich veranlasst, Weimar zu verlassen und sich in die Bergwelt Oberbayerns zurückzuziehen. Mit Hilfe einflussreicher Gönner gelang es ihm schließlich, Anfang April 1917 in die Schweiz zu emigrieren und dort das Kriegsende abzuwarten. 1920 siedelte er als persönlicher Architekt von Anton und Helene Kröller-Müller nach Holland über und projektierte dort bis 1926 zahlreiche Wohn- und Nutzbauten, u. a. sein drittes eigenes Wohnhaus ›De Tent‹, sowie das bekannte Kröller-Müller-Museum als Ausstellungsort für die hochkarätige Privatsammlung des Ehepaars. Die äußeren Verhältnisse zwangen den Künstler 1926 jedoch abermals, einen neuen Weg einzuschlagen. Das Firmenimperium von Anton Kröller hatte Mitte der 1920er Jahre herbe Verluste erleiden müssen und stand kurz vor dem Konkurs. Der groß angelegte Bau des Museums wurde zurückgestellt und van de Veldes Anstellung bis zum 30. Juni 1926 befristet. Van de Velde siedelte daraufhin im Juli 1926 nach Brüssel über und wohnte zunächst mit seiner Familie im Brüsseler Stadtteil St. Gilles. Zwei Jahre später entwarf er sein viertes eigenes Wohnhaus ›La Nouvelle Maison‹ im Brüsseler Vorort Tervueren. Auf Initiative von König Albert I. und Camille Huysmans übernahm der nunmehr 64-jährige Künstler 1927 die Leitung des neu gegründeten Institut Supérieur des Arts Décoratifs (ISAD) in Brüssel, das er selbst in direkter Fortführung der Weimarer Kunstgewerbeschule und des Bauhauses als die »dritte Zitadelle der Moderne« bezeichnete.613 Van de Velde leitete das Institut bis 1936 und bekleidete zeitgleich eine Dozentur am ›Hooger instituut voor kunstgeschiedenis en oudheidkunde‹ der Universität von Gent. Er wurde am 30. September 1930 zum Professor ernannt und zum 1. August 1936 emeritiert. Des Weiteren war van de Velde von 1932 bis 1939 als künstlerischer Berater für die belgische Eisenbahngesellschaft ›Société nationale des chemins de fer belges‹ (SNCFB) tätig. Im Auftrag des Ministers für Verkehr, Philippe Van Isacker, entwarf er die Innenausstattung der Eisenbahnwaggons sowie das Corporate Design der Belgischen Staatsbahn. Ferner übernahm er die Einrichtung der Fährschiffe ›Prince Baudouin‹ und ›Prince Albert‹ für die belgische Marine und 1935 durch Vermittlung von Hendrik de Man die Stelle des künstlerischen Beraters am OREC (Office de Redressement Économique) in der Behörde für wirtschaftlichen Aufbau. Trotz der vielfältigen Ämterhäufung gelang es van de Velde, von 1920 bis 1939 eine Fülle herausragender und spektakulärer Leistungen auf dem Gebiet der Architektur und Innenraumgestaltung hervorzubringen, die von der Reife seines
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Spätwerks zeugen. Hervorzuheben sind hier neben den beiden Eigenhäusern der Universitätsbau von Gent, der Pavillon für die Weltausstellung in Paris 1937 und New York 1939, die Poliklinik Dr. Martens in Astene sowie die Technische Hochschule in Löwen. Für Kessler, der während des Ersten Weltkriegs für kurze Zeit als Reserve-Offizier an der Front gedient hatte, verlagerten sich die Interessen von der Kultur zunehmend auf die Politik und die Diplomatie. 1916 ließ er sich an die Gesandtschaft in Bern versetzen und leitete als Attaché den Ausbau der deutschen Kulturpropaganda auf den Gebieten der Kunst, des Theaters, des Films und der Musik. Im Rahmen dieser Amtstätigkeit, die bis 1918 währte, organisierte er u. a. die ›Ausstellung Deutscher Malerei des 19. Jahrhunderts‹ in Basel, die Ausstellung des ›Deutschen Werkbundes‹ in Bern und Basel, eine Expressionisten-Ausstellung sowie eine Ausstellung Schweizer Gemälde in Berlin.614 1918 wurde er schließlich als erster Nachkriegs-Botschafter nach Warschau gesandt, blieb aber aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen beiden Nationen nur wenige Wochen im Amt. Zeitgleich begann er, wegweisende Ideen zu einem Völkerbund zu formulieren. Er wurde 1919 Mitglied in der Führungsriege des Bundes Neues Vaterland und engagierte sich von deutscher Seite aus als Ehrenvorsitzender in der Weltjugendliga. 1921 wurde er in den Vorstand der Deutschen Friedensgesellschaft gewählt. Der Versuch, 1924 ein ersehntes Reichstagsmandat zu erlangen, schlug jedoch fehl. Infolge gesundheitlicher Probleme zog sich Kessler Mitte der 1920er Jahre zunehmend aus dem politischen Leben zurück und widmete sich wieder schöngeistigen Aufgaben. Auf seiner Weimarer Cranach Presse ließ er mit den ›Eclogen des Vergil‹, dem ›Hamlet‹, dem Rilke-Gedichtband sowie dem ›Hohe Lied Salomo‹ Bücher drucken, die zu den schönsten Werken der Buchkunst des 20. Jahrhunderts zu rechnen sind. Nebenbei schrieb er die viel beachtete Biographie über Walther Rathenau sowie seine eigenen Memoiren, deren erster Band unter dem Titel ›Völker und Vaterländer‹ 1935 erschien, aber noch im gleichen Jahr von Joseph Goebbels verboten wurde. Auf Ratschlag von Freunden verließ Kessler Anfang 1933 Deutschland und lebte fortan wechselweise in Frankreich oder auf Mallorca. Nach Deutschland kehrte er nie mehr zurück. Kessler starb am 30. November 1937 in Lyon. Der fünf Jahre ältere Henry van de Velde lebte dagegen noch weitere 20 Jahre. Mit Beginn und während des Ersten Weltkrieges begegneten sich van de Velde und Kessler nur gelegentlich. Kessler zog zunächst im August 1914 als Kommandeur der II. Artillerie-Munitionskolonne des Garde-Reserve-Korps in Belgien ein und wurde im Dezember 1914 als Ordonnanzoffizier in das 24. Reserve-Korps versetzt. Seine Stellung in der Munitionskolonne war mit einer gewissen Sicherheit verbunden, da die Versorgung der Truppen mit Munition und Geschossen aus sicherer Distanz zu den kämpfenden Einheiten erfolgte. Ende September 1914 marschierte er mit in Polen ein.
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Für van de Velde war das Jahr 1914 in vielerlei Hinsicht niederschmetternd. Als so genannter deutscher Staatsbürger belgischer Nationalität musste er bereits vor Ausbruch des Krieges zahlreiche Demütigungen ertragen und miterleben, wie sein Amt als Direktor der Kunstgewerbeschule von Fritz Mackensen hintergangen wurde. Van de Velde reichte deshalb im Juli 1914 sein Entlassungsgesuch ein. Wenngleich sein Vertrag bis zum 1. Oktober 1915 verlängert wurde, nahmen die Schikanen kein Ende. Selbst im eigenen Haus Hohe Pappeln war die Familie nicht mehr sicher und musste Unterschlupf bei Freunden finden. Seelisch und körperlich entkräftet fand van de Velde im September 1914 Aufnahme im Sanatorium des Psychiaters Dr. Kohnstamm in Königstein im Taunus. Maria van de Velde hielt sich indes von September bis Dezember 1914 bei Dora von Bodenhausen in Degenershausen auf. Die Kinder waren zum Teil getrennt von ihren Eltern bei Freunden untergebracht. Zusätzlich durchlebte das Ehepaar van de Velde eine Ehekrise. Kessler, den das Schicksal der Familie van de Velde sehr berührte, richtete am 25. November 1914 aus Polen einen aufmunternden Brief an Maria van de Velde. Dabei handelt es sich neben einem weiteren Brief vom 28. November 1914 um die einzigen erhaltenen Schreiben aus der Zeit von November 1914 bis Juni 1917: »Gnädige Frau, erlauben Sie mir zunächst, Ihnen für Ihren so liebenswürdigen Brief und Ihr Geschenk zu danken, das mir das größte Vergnügen bereitet hat. Sie sind sehr liebenswürdig und nett, gerade jetzt an mich zu denken, wo Sie so viele Trübseligkeiten heimsuchen. Glauben Sie mir, wie sehr auch ich unter dem Wissen leide, daß Sie und Henry so schreckliche Zeiten durchmachen. Doch ist es letztlich besser, daß alles zusammen gekommen ist und daß Henry so an Ort und Stelle seine Zukunft wieder aufbauen kann. Ich für meinen Teil bin mir absolut sicher, daß Henry in der neuen Welt, die aus der Katastrophe geboren wird, seinen Platz, einen schöneren und freieren Platz als den, den ihm der Krieg und die vielen Beleidigungen und Intrigen genommen haben, finden wird. Sie wissen, daß Sie absolut auf mich zählen können, wenn es darum geht, an der Verwirklichung von Projekten mitzuhelfen, die für Henry nützlich sein können. [...] Wollen Sie mir bitte von Zeit zu Zeit schreiben. Ich erfreue mich so sehr an all dem, was mich an die Welt von gestern erinnert, die für immer verschwunden ist. Nach dem Krieg werden wir eine neue Welt erschaffen. Doch wird diese nicht mehr dieselbe sein, und noch oft werden wir an das ›ancien régime‹ denken, das unsere Jugend war.«615
Am 28. November 1914 unterbreitete Kessler dem Künstler zwei sehr freundschaftliche Angebote. Er ermunterte van de Velde, seine Weimarer Wohnung in der Cranachstraße zu beziehen sowie die verwaiste Cranach Presse für Privatdrucke zu nutzen. Gleichzeitig bestärkte er den Belgier vehement durchzuhalten, wobei er selbst den Krieg zu diesem Zeitpunkt noch als ein »gesundes Metier« empfand: »Ich bin gerührt, daß Sie trotz all Ihrer Sorgen an mich gedacht haben. Ich schreibe nichts über den Großherzog. Es gäbe viel zu sagen, doch es wäre zwecklos. Ich hoffe, daß Sie mein Telegramm erhalten haben, darin ich Sie bitte, bei mir in Weimar zu wohnen. Ich wäre sehr glücklich, wenn Sie darauf eingehen würden. Meine ich doch, daß Sie dort besser als in einer Pension aufgehoben sind, und die Gattin von Paul könnte zu Ihren Diensten stehen. Schreiben Sie mir, lieber Freund, daß Sie eingezogen sind. Das würde mich freuen. Was die Zukunft anbelangt, bauen Sie bei all dem, was Ihnen von Nutzen sein kann, auf mich. Wenn sich neue Vorhaben in Weimar
1914–1937 | Zusammenbruch und Neuanfang 111 verwirklichen ließen, wäre auch dies in meinem Sinne angesichts dessen, was man dort bereits geschaffen hat, angesichts des erworbenen Ansehens, Ihres und meines Hauses sowie meiner Presse. Halten Sie mich auf dem Laufenden, was von statten geht, was Ihre Projekte und die Vorschläge betrifft, die Ihnen möglicherweise unterbreitet werden. Zweifellos werden Sie Ihren festen Platz in der neuen Welt haben, die sich nach dem Krieg aufbauen wird. Die Chancen stehen zehn zu eins, dies sei Ihnen versichert. Momentan und bis zum Frieden, der kaum vor Herbst eintreten kann, herrschen harte Zeiten. Bis dahin muß man sondieren, die Zukunft vorbereiten, jedoch nichts Definitives unternehmen. Nach dem Krieg wird es einen derartigen Aufschwung geben – nicht nur der Geschäfte, sondern auch der Lebenslust und dessen, was Schönheit und Frieden ausmacht –, daß der gewaltige Strom, der sich daraus ergibt, Sie tragen wird. Achten Sie vor allem auf Ihre Gesundheit. Warum drucken Sie nicht bei mir (wo meine Arbeiter gerade nichts zu tun haben) die Auswahl Ihrer französischen Werke, wovon so oft die Rede war; Caslon als Schrifttype und ein ausreichend kleines Format (Roman Français), jedoch mit schönen Rändern. Mir geht es gut; der Krieg ist ein gesundes Metier, wenn man nicht stirbt. Ich logiere beim Bauern (sonst unter freiem Himmel). Die Kammern der polnischen Bauern sind mir ganz sympathisch. Es gibt gelegentlich zu viele Flöhe und Wanzen, doch ist der Anblick sympathischer als in einem bourgeoisen Interieur: viel Pflanzen und Blumen, viele gekreuzigte Heilige an den Wänden, die weitgehend hellblau bemalt sind, recht hübsche solide Möbel in Eiche – sozusagen kein schlechter Geschmack. Es ist ziemlich kalt, jedoch sind die Straßen besser als im Herbst.«616
Van de Velde nahm das Angebot an und druckte mit Unterstützung von Maria van de Velde auf Kesslers Cranach Presse während des Krieges die französische Originalfassung der Schrift ›Amo‹ (1915), die ›Denkschrift über meine bisherige Tätigkeit an der Kunstgewerbeschule und deren Entwicklung‹ (1915), ›Der Engel des Krieges‹ (1916) von Henry von Heiseler, ›La Puissance des Morts‹ (1916) von Maurice Maeterlinck sowie seine eigene Weimarer Schriftensammlung ›Les Formules de la Beauté architectonique moderne‹ (1916/17), die er Kessler in freundschaftlicher Verbundenheit widmete.617 Kessler, den die Schriften aufgrund der Kriegswirren nie erreichten, erfuhr erst 1931 davon. Sichtlich gerührt schrieb er am 5. März 1931 an van de Velde: »Ich wußte überhaupt nicht, daß Sie während dieser schrecklichen Monate Maeterlinck und die ›Formules‹, die ich nie gesehen habe, drucken konnten. Sie haben sie irgendwohin an die Front geschickt, und zweifellos sind sie verloren gegangen. Mit großer Ergriffenheit habe ich Ihr Vorwort gelesen, und danke Ihnen heute nochmals dafür. Ich werde die Gedichte von Heiseler und die Formules Ihrem Wunsch entsprechend von Frau von Guaita einbinden lassen. Der kleine Band von Maeterlinck ist so bezaubernd eingebunden, daß ich ihn nicht zu berühren wage.«618
Van de Velde und Kessler begegneten sich während des Krieges nur äußerst selten. Die Treffen fanden meist spontan statt und waren von einer gewissen Flüchtigkeit gefärbt. Kessler dokumentierte in seinem Tagebuch lediglich ein Treffen mit van de Velde im Jahr 1915. »Van de Velde sieht schlecht aus«, konstatierte er während der Begegnung im Berliner Hotel Adlon Anfang März 1915.619 Kessler war kurzfristig von den Karpaten über Budapest und Wien nach Berlin gereist, um in privater Angelegenheit die Entsendung neuer Truppen an die Ostfront durchzusetzen. Van de
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Velde befand sich auf der Durchreise nach Holland. Nach zähen Verhandlungen hatte er von den Weimarer Behörden die Genehmigung erhalten, seinen schwerkranken Jugendfreund Max Elskamp im holländischen Bergen op Zoom besuchen zu dürfen. Dank der spontanen Unterstützung von Kessler erhielt er zusätzlich die Erlaubnis, den Rückweg über Brüssel zu nehmen. Wie bei jedem Treffen kam die Sprache erwartungsgemäß auf den Krieg. So notierte Kessler ins Tagebuch: »Er [van de Velde] äusserte, dass wenn Belgien deutsch würde, nach seiner Ansicht sein Platz dort wäre, um Brücken zwischen der deutschen Verwaltung und den belgischen Intellektuellen zu schlagen. Ich stimmte bei [...].«620 Im April 1916 kam es zu einer erneuten Begegnung zwischen Kessler und van de Velde, die diesmal in Weimar stattfand. Kessler, mittlerweile als Ordonnanzoffizier an die Westfront versetzt, reiste kurzzeitig mit seiner ›Neuentdeckung‹, dem Dichter Johannes R. Becher, nach Weimar, wo er u. a. auf Henry van de Velde und Elisabeth Förster-Nietzsche traf.621 Mit Beendigung seiner Tätigkeit an der Front im Mai 1916 und den Versuchen, ein neues Wirkungsfeld fernab der Schlachtfelder zu erschließen, war es Kessler möglich, sich wieder intensiver um die Belange von Henry und Maria van de Velde zu kümmern. Wann immer sich eine Gelegenheit bot, erwies er sich als Freund und Berater nützlich. So half er Maria van de Velde, die sich 1917 noch gezwungenermaßen in Deutschland aufhielt, maßgeblich bei der Beschaffung von Pässen und beim Austausch der privaten Korrespondenz mit ihrem Ehemann in die Schweiz622 oder bereits im Juni 1916, als er sie wegen Unterleibsbeschwerden ins Weimarer Sophienhaus brachte.623 Eine wirklich wichtige Rolle übernahm Kessler für van de Velde jedoch im Rahmen seiner Tätigkeit als Attaché an der deutschen Gesandtschaft in Bern, die er ab September 1916 ausübte. Ähnlich wie im Jahr 1901 organisierte Kessler sukzessive und im Zusammenspiel mit anderen einflussreichen Personen, wie Wilhelm von Bode, Wilhelm Solf, General Friedrich und Eberhard von Bodenhausen, van de Veldes Ausreise in die Schweiz. Einmal mehr trug er damit zu einem biographischen Wendepunkt im Leben des Künstlers bei.624 Anfang April 1917 konnte van de Velde nach Bern übersiedeln, während seine Frau und die Kinder in Deutschland bleiben mussten.625 Bis auf die Tochter Nele konnte der Rest der Familie erst nach dem Krieg folgen. Mit van de Veldes Übersiedlung in die Schweiz sahen sich Kessler und der Belgier in den Jahren 1917 und 1918 häufiger, schrieben sich indes nur selten. Lediglich zwei Briefe sind aus dieser Zeit überliefert.626 Wie aus Kesslers Tagebuchnotizen hervorgeht, kreisten die gemeinsamen Gespräche vorrangig um die Suche nach einem neuen Wirkungsfeld für van de Velde sowie um zentrale Fragen des Krieges, wobei van de Veldes pazifistische Einstellung auf Kessler zu diesem Zeitpunkt noch befremdlich wirkte. Bereits 1916 hatte er hierzu im Tagebuch notiert: »Vormittags an in Weimar. Kämmer in der Druckerei gesprochen. Später mit Vandevelde gefrühstückt. Ich fragte ihn, ob er in der Schweiz Vorträge über unpolitische Gegenstände halten würde; ich würde es dann Romberg vorschlagen. Er gieng sehr warm auf diese Idee ein; er sei
1914–1937 | Zusammenbruch und Neuanfang 113 einer von den Wenigen, die wirklich zwischen den kämpfenden Nationen stünden, die wirklich neutral seien. Er glaube in der Schweiz viel nützen zu können. Auch könne er, wenn man es wünsche, jederzeit den König von Belgien sehen, zu dem er durch einen gemeinsamen Freund sich den Zutritt verschaffen könne. Ich schlug ihm als Thema vor ›l’Idéal Européen‹ in der Kultur. Trotz Allem empfinde ich in dieser Stellung Vandeveldes eine Schwäche, wie wenn ihm ein Glied an seinem Leibe fehlte, und er dieses nicht wahr haben wollte. Seine Haltung dem Leben gegenüber wird dadurch verschoben und verschroben. Bei jedem Urteil sind seine Prämissen unvollständig, weil er einer in ihren politischen Grundlagen unvollkommenen und verlogenen Nation angehört und dieses Belgiertum trotz aller gewollten und eingebildeten Internationalität nicht aus seinem Blute ausscheiden kann. Deshalb macht bei diesem grundehrlichen Menschen seine Gedankenwelt den Eindruck des Verlogenen, weil sie fortgesetzt einen Teil der Wirklichkeit aus dem Auge lässt. Sie wirkt deshalb unbefriedigend und nicht vollkommen überzeugend. Nichts kann das Verderbliche einer solchen verlogenen, auf lauter ›make-believe‹ aufgebauten ›neutralen‹ Staatsschöpfung deutlicher zeigen, als eine Persönlichkeit wie die Vandeveldes, die dadurch, trotz ihrer angeborenen Lauterkeit und Grösse kleinlich verbildet worden ist.«627
Schließlich hielt Kessler am 21. März 1918 ein weiteres wichtiges Gespräch mit van de Velde fest, in dem erneut das Thema der zukünftigen Wirkungsstätte diskutiert wurde: »Die Frage besprochen, wo Vandevelde nach dem Kriege leben sollte. Die Frau von Guaita war für Weimar, Vandevelde möchte nach der Schweiz, weil er nur von einem neutralen Boden aus nach dem Kriege Gehör finden könne. Er sei der Diener einer Idee, die schon in den Jahren vor dem Kriege durch den Werkbund verfälscht worden sei und in Köln 1914 ihn mit den auf seinen Schultern zu Einfluß gelangten Werkbund Kreisen in Konflikt gebracht habe. Wenn er nach dem Kriege von Weimar aus dagegen auftrete, werde man ihn als Ententisten totmachen. In der Schweiz könne er ohne jede äußere Rücksicht dafür wirken. Ich sagte: man müße den Ort seiner Wirksamkeit und seinen Wohnsitz unterscheiden. Wo er wohnen solle, sei eine Opportunitätsfrage; wirken könne er aber nur in Deutschland, in dessen Kultur er durch eine zwanzigjährige Arbeit und Fruchtbarkeit verstrickt sei. Von seinen Werken und dem von ihm gepflanzten Leben könne er nicht los. Abgesehen von aller Nationalität sei Jeder gebunden an den Boden, den er beackert habe. Dieses selbstgeschaffene Schicksal könne auch er nicht abschütteln. Ob er später diesseits oder jenseits des Bodensees wohnen wolle, sei eine andre, fast nebensächliche Frage. Vandevelde bekräftigte diese Auffassung, indem er sagte, auch daß er nach Deutschland gekommen sei, sei schon kein Zufall, sondern Schicksal gewesen. Daran ändere der Krieg Nichts. Nur müsse er sich überlegen, von wo aus er seine Idee am wirksamsten und reinsten predigen könne. Ohne sich von Deutschland und seinem bisherigen Werk zu trennen, was er als unmöglich anerkenne, werde er im Auslande, wie Victor Hugo in Brüssel, wie Richard Wagner oder Nietzsche in der Schweiz, am besten schaffen und wirken können. Nur von hier aus könne er am Aufbau Europas und Deutschlands nach dem Kriege teilnehmen; während jedes Wort, das er in Deutschland spreche oder schreibe von vornherein nach beiden Seiten verdächtigt werden würde.«628
Mit der offiziellen Mission betraut, die Situation der in der Schweiz internierten Künstler zu untersuchen, war van de Velde Anfang April 1917 in die Schweiz ausgereist.629 Obgleich er in den gleichen Kreisen wie Kessler verkehrte und mit zahlreichen namhaften Künstlern und Intellektuellen, wie René Schickele, Annette Kolb, Ernst Ludwig Kirchner, Frans Masereel oder Carl und Thea Sternheim zusammenkam, eröffnete sich für ihn in diesem Land kein neues Tätigkeitsfeld. In der
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Hoffnung, neue Werkstätten ins Leben zu rufen, zog er schließlich Ende 1918 mit seiner wiedervereinigten Familie in das schön gelegene ›Haus am See‹ in Uttwil am Bodensee. Für Kessler, der noch immer dem Wunsch nachhing, zusammen mit van de Velde an die Weimarer Zeit anknüpfen zu können, endete mit diesem Schritt schmerzlich und endgültig eine vielversprechend begonnene Epoche. Melancholisch notierte er am 9. Juni 1918 ins Tagebuch: »Vandevelde wird also wahrscheinlich nach Uttwyl übersiedeln. Damit ist unser ganzes Weimarer Unternehmen zu Ende. Ein Abschnitt. Wie viele Kämpfe u. Jahre finden damit einen Abschluss. Mir tut es um Weimar und unseren schönen Jugendidealismus weh. Auch hier hat der Krieg einen tiefen Schnitt zwischen zwei Zeiten unseres Lebens gemacht. Die Beratung auf dem Balkon hoch über dem dunklen See, der mit fernen Küstenlichtern wie ein Meerbusen, wie der Golf von Neapel in der Nacht unten lag, hatte für mich eine melancholische Feierlichkeit. Nach dem Tode von Heymel, nach dem von Bodenhausen, ist dieser Fortgang Vandeveldes aus Weimar das dritte für mich eine tiefe Umwälzung bedeutende Ereignis, das im Zusammenhange mit dem Kriege steht. Mit solchen einzelnen schmerzlichen Veränderungen tritt die neue Zeit nach dem Kriege auf den Plan, bis wir in einer ganz neuen Welt schon fast greisenhaft und allein dastehen.«630
Van de Velde gelang es nicht, sich in der Folgezeit wirtschaftlich in der Schweiz zu etablieren. In dieser Situation erschien ihm im Frühjahr 1919 sogar eine Rückkehr nach Weimar für kurze Zeit möglich, die von Weimarer Gewerbetreibenden, von Freunden und Künstlerkollegen, wie Elisabeth Förster-Nietzsche, Richard Engelmann, Georg Kolbe, Walther Klemm, Karl Ernst Osthaus und letztlich auch Harry Graf Kessler, tatkräftig unterstützt und lebhaft begrüßt wurde. Allein Walter Gropius, dem seit dem 1. April 1919 die Leitung des neu gegründeten Staatlichen Bauhauses in Weimar oblag, spielte auf Zeit, ohne das Vertrauen van de Veldes verletzen zu wollen.631 So erreichte van de Velde in dieser Zeit aus Holland das rettende Angebot, als Privatarchitekt in die Dienste des vermögenden Ehepaars KröllerMüller treten zu können. Innerhalb von nur wenigen Wochen erhielt er im Oktober 1919 den lukrativen Auftrag zum Bau des Privathauses im Park ›Groot Haesebroek‹ in Wassenaar sowie zum Entwurf eines umfangreichen Museumskomplexes für die prominente Privatsammlung des Ehepaars im Naturreservat ›De Hoge Veluwe‹ in Otterlo. Seine materielle Existenz wurde mit einem jährlichen Gehalt von 20.000 Gulden und der Aussicht auf weitere Aufträge für die Firma Whm H. Müller & Co. gesichert. Des Weiteren wurden ihm ein Atelier in Den Haag sowie eine Anzahl von Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. Van de Velde siedelte Anfang 1920 nach Holland über und lebte mit seiner Familie von 1921 bis 1926 im selbst entworfenen Haus ›De Tent‹ in Wassenaar. Seine Tochter Thylla heiratete 1941 Bob Kröller, den Sohn des Ehepaars. Wenngleich die 1921 begonnenen Arbeiten am Museum aufgrund wirtschaftlicher Engpässe 1922 stillgelegt und erst 1936 wieder aufgenommen werden konnten, entwarf van de Velde für Anton und Helene Kröller-Müller zahlreiche Projekte, darunter einige Nutzbauten, Ausstattungen für Geschäftsfilialen
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der Firma Whm H. Müller & Co. sowie Bauten und Denkmäler im Park ›De Hoge Veluwe‹. Zusätzlich projektierte er diverse Typenhäuser. Mit der Übersiedelung van de Veldes nach Holland wurde nicht nur die räumliche Distanz zwischen Kessler und van de Velde größer. Der fragmentarisch überlieferte Briefwechsel aus dieser Zeit spiegelt vor allem wider, dass Kessler und van de Velde nunmehr in getrennten Welten lebten, in denen die gemeinsamen Berührungspunkte weitgehend fehlten. Während van de Velde mit Leidenschaft seiner Aufgabe als Privatarchitekt nachging, widmete sich Kessler vorrangig pazifistischen und sozialkritischen Themen sowie seinen politischen Aufgaben im Rahmen des Völkerbunds.632 Bestürzt über die Armut und katastrophalen Lebenszustände innerhalb der Berliner Elendsquartiere verfasste er 1920 den Artikel ›Die Kinderhölle in Berlin‹, der als Sonderheft im November in der Zeitschrift ›Die Deutsche Nation‹ erschien.633 Kessler initiierte daraufhin im Dezember 1920 die ›Wirtschaftshilfe Kinderhölle‹ mit Spendeneinnahmen in Höhe von mehr als 350.000 Mark. Im gleichen Monat unterrichtete er van de Velde über dieses Projekt und setzte ihn darauf an, Helene Kröller-Müller als potentielle Geldgeberin zu gewinnen. In seinem Brief vom 13. November 1920 schreibt er: »Beiliegend übersende ich Ihnen die französische Übersetzung meiner ›Vorschläge‹ sowie zwei Artikel, die ich für die ›Deutsche Nation‹ geschrieben habe. Der Artikel über das Elend in Berlin liegt mir besonders am Herzen. Könnte nicht die Dame, die Ihre Mitarbeit erbeten hat und ungeheuer reich ist, etwas unternehmen? Ich versichere Ihnen, daß das, wovon ich geschrieben habe, weit unterhalb der Wahrheit liegt. Es handelt sich bei dem, was sich in Berlin abspielt, um eine der großen Tragödien der Geschichte. Dies betrifft eine ganze Population, vor allem Zehntausende von Kindern, die in einem Elend zugrunde gehen, das nicht zu beschreiben ist: physisches und moralisches Elend. Ich war tief erschüttert. Kein einziges Schlachtfeld hat mich derart tief erschüttert, und es reicht offenbar keine Summe aus, um dieses Elend zu heilen. Also habe ich ein Komitee gebildet, das die oberste Führungsriege der Berliner Bank und der Industrie vereint. Gemeinsam wollen wir uns bemühen, das zu tun, wozu wir imstande sind. Ich wäre Ihnen sehr, sehr dankbar, wenn Sie die Dame dazu bringen könnten, etwas zu unternehmen. Außerdem scheint es mir sehr sinnvoll, die Broschüre anderen wohlhabenden Personen in Holland zukommen zu lassen und möglicherweise dort ein Komitee zu bilden. Die Dame könnte den Vorsitz dieses Komitees übernehmen.«634
Gesundheitliche Probleme zwangen Kessler Mitte der 1920er Jahre, sich zunehmend aus dem politischen und öffentlichen Leben zurückziehen. Er widmete sich wieder vermehrt schöngeistigen Aufgaben und versuchte ungeachtet der Inflation und des von den Behörden teilweise zurückgehaltenen Erbteils seiner Mutter den gewohnten luxuriösen Lebensstil beizubehalten. Finanzielle Unterstützung erhielt er dabei in erster Linie von seiner Schwester Wilma de Brion. Darüber hinaus verfügte Kessler über diverse Bankkonten in Frankreich, England und Holland. Wie aus einigen Briefen hervorgeht, besaß van de Velde als Vertrauensbeweis Zugang zu einem Bankkonto in Amsterdam, weshalb er von Kessler gelegentlich um Überweisung einzelner Beträge gebeten wurde. In Anbetracht des überteuerten Lebens in Berlin schrieb Kessler 1923:
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Trotz der kostspieligen Lebensumstände unterhielt Kessler neben den Werkstatträumen der Weimarer Cranach Presse jeweils einen Haushalt in Berlin und in Weimar. Zu seinem Personal gehörten einige Hausangestellte, Zugehfrauen, Privatsekretäre sowie die Mitarbeiter seiner Privatpresse. Kessler plante 1923 zusätzlich den Kauf eines Hauses in der Hildebrandstraße im vornehmen Berliner Tiergartenviertel und beauftragte van de Velde mit der Umgestaltung.636 Das Vorhaben konnte vermutlich erst 1926/27 vollzogen werden, denn im August 1927 reichte Kessler zwei Gesuche für Umbaumaßnahmen bei der Berliner Baupolizei ein.637 Ein von dem Architekten Hermann Wille ausgeführter Entwurf vom 30. Juli 1927 dokumentiert die baulichen Veränderungen, die 1929 mit der inneren Umgestaltung durch van de Veldes Mitarbeiter Hugo Westberg638 und mit Kesslers Einzug Anfang 1930 ihren Abschluss fanden.639 Kessler bewohnte bis Anfang 1933 das zweite Obergeschoss sowie das Dachgeschoss des Hauses und brachte dort 1930 zusätzlich das Büro der Cranach Presse unter.640 Neben diesem Kauf- und Umbauprojekt betrieb Kessler ab 1926 außerdem die Umgestaltung und partielle Neumöblierung seines Weimarer Hauses in der Cranachstraße 15. In Absprache mit van de Velde, der zu jener Zeit bereits in Brüssel wohnhaft war, betraute er Hugo Westberg mit der Bauleitung. Die Arbeiten begannen im April 1926 zunächst im Garten. Kessler ließ sich einen Pavillon errichten und die Fläche neu gestalten. Im Mai 1926 erfolgten erste bauliche Veränderungen am Haus. Das Arbeitszimmer wurde vergrößert und erhielt einen rückwärtigen, als Bibliothek genutzten Anbau mit darüber liegender Terrasse. Kesslers Tagebuch zufolge war das Arbeitszimmer am 20. Mai 1926 fertig. Im Frühjahr 1927 beauftragte er schließlich van de Velde mit der Neumöblierung des Musiksalons, der Gästesalons, des Badezimmers, des Schlafzimmers und der Halle. Brieflich teilte er van de Velde seine Wünsche für jedes einzelne Möbelstück mit, wobei er sich auch kritisch gegenüber älteren Möbelmodellen äußerte. So wünschte Kessler für den Musiksalon »vier bequeme Sessel« und bemerkte hierzu: »[...] die des jetzigen Salons sind nicht sehr bequem. Die Lehne schneidet beim Anlehnen in den Rücken. Mir scheint, als müsste die Lehne höher sein, damit sie nicht sensible Stellen sondern eher die Schultern berührt.«641 Wie bereits 1902 konfrontierte Kessler seinen Gestalter mit sehr präzisen Vorstellungen, wenn er z. B. in Bezug auf eine Vitrine schreibt: »große, nicht zu niedrige Vitrine vor dem Fenster, damit man beim Betrachten der Bücher nicht entzweibricht. Den inneren Vitrinenboden, darauf die Bücher zu liegen kämen, sehe ich mindestens 1,05 m hoch. Die Glasscheibe der Vitrine müsste also in ungefähr 1,20 Höhe angebracht sein. Außerdem sollte
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der Boden der Vitrine schräg, d. h. zum Fenster hin erhöht, sein«.642 Um Kesslers Wünschen umfänglich gerecht zu werden, reiste van de Velde am 30. Mai 1927 für drei Tage nach Weimar, um zusammen mit Kessler und Westberg den Umbau der Zimmer und die Inneneinrichtung zu besprechen.643 Im Sommer 1927 legte van de Velde die Entwürfe vor.644 Aufgrund der exorbitanten Kostenvoranschläge, die sowohl Westberg als auch die Möbelfirma Scheidemantel unterbreiteten, sah sich Kessler veranlasst, das Programm strikt zu kürzen und auf die Neumöblierung zu verzichten.645 Seinem Unmut machte er in einem Brief vom 20. Juli 1927 sichtlich Luft: »Die von Westberg vorgelegten Kostenvoranschläge sind auf mehr als 60.000 Mark angestiegen! Dies ist der Preis für eine äußerst hübsche und neue Villa! Etwas weniger, als ich für die Hildebrandstraße im besten Viertel Berlins bezahlt habe! Daher habe ich mich damit abgefunden, mich momentan auf ein weitaus bescheideneres Vorhaben als das von uns vorgesehene zu beschränken. [...] Scheidemantel verlangt für die Ausführung Ihrer Entwürfe wirklich exorbitante Preise. 1.600 Mark für den Schreibtisch! Für meinen Schreibtisch habe ich etwa 400 Mark bezahlt. Das ist der gängige Preis für einen sehr schönen Schreibtisch. Ich kann wirklich nicht das Vierfache für einen Tisch im Gästezimmer zahlen, der komplett schlicht sein sollte, ohne viele Schubladen etc., die an einem solchen Gästetisch zwecklos sind, da die Gäste nur einige Tage in dem Zimmer verbringen und kein derartiges Schubladensystem etc. benötigen. [...] Doch abgesehen von dem Tisch habe ich den Eindruck, daß mir Scheidemantel Phantasiepreise unterbreitet, da er der Meinung ist, ich zahle ohne hinzuschauen. Ließen sich diese Möbel nicht viel billiger andernorts, in Berlin oder eventuell sogar in Brüssel herstellen? III. Einrichtung des Musiksalons. Auch hierfür sind die Kostenvoranschläge von Scheidemantel irreal. Er berechnet 9.000 Mark für die Salonmöbel, d. h. für eine große Vitrine, einen Diwan, zwei kleine Tische, zwei Klavierhocker, zwei oder drei Sessel. Mir erscheint es vollkommen unmöglich, daß die paar Möbel 9.000 Mark kosten können, selbst die Vorhangstoffe und Möbelbezüge sind nicht inbegriffen. 9.000 Mark: das macht 50.000 französische Francs und etwa 60.000 belgische Francs. Keiner könnte sich zu diesen Preisen mehr sein Haus möblieren, es sei denn, man ist ein Vanderbilt oder Rothschild.«646
Wenngleich sich die Umbauvorhaben schließlich nur auf die partielle Umgestaltung des Gäste- und Musiksalons sowie auf die Errichtung eines kleinen provisorischen Gewächshauses beschränkten, kam es zwischen van de Velde und Kessler zu keiner Trübung des gegenseitigen Verhältnisses. Kessler nahm im Gegenteil nach wie vor regen Anteil an van de Veldes künstlerischem Fortgang und verfolgte interessiert jeden öffentlichen Schritt des Künstlers. Als van de Velde 1928 auf Vortragstournee durch die deutschen Städte Frankfurt, Berlin, Leipzig, Weimar und Hamburg reiste und in Berlin besonders große Erfolge feierte, wusste dies Kessler in einem Brief vom 18. Februar 1928 umfänglich zu würdigen.647 Desgleichen versuchte er van de Velde zuweilen in kleinere Projekte, wie 1925 in die Neubelebung der Cranach Presse, buchkünstlerisch einzubinden.648 Vermutlich vor dem Hintergrund der schweren Erkrankungen in den Jahren 1925 und 1926 sowie weiterer Rückfälle in den Folgejahren besann sich Kessler auch in den Briefen hin und wieder auf die gemeinsame Weimarer Zeit zurück und nahm mit einem gewissen Stolz van de Veldes
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bemerkenswerte Entwicklung in den Bereichen der Architektur und Innenraumgestaltung zur Kenntnis.649 Als er 1925 des Öfteren in Weimar weilte, um seine Cranach Presse zu reaktivieren, wandte er sich mit den fast wehmütigen Fragen »Kommen Sie nie wieder nach Deutschland? Wenn Sie im Juli kämen, könnten Sie dann nicht einen Umweg über Weimar machen?« an van de Velde und betonte: »Ich wäre so glücklich, Sie hier wiederzusehen. Die ganze Stadt würde Sie übrigens mit Begeisterung willkommen heißen. Seit dem Abenteuer Bauhaus gelten Sie als ›klassisch‹. Sie besetzen ein wenig jene Rolle, die Liszt und Goethe zu unserer Zeit innehatten. Dieser Wandel seit der Zeit, als Sie der große Revolutionär in Weimar waren, ist irgendwie eigenartig.«650 Bezugnehmend auf Elisabeth Förster-Nietzsche fügte Kessler hinzu: »Unsere alte Freundin Frau Förster ist immer noch sehr nett und mutig, doch ist sie leider zunehmend nationalistischer geworden. Es ist völlig unmöglich, mit ihr über Politik zu sprechen. Man riskiert eine unerträgliche Situation. Ich treffe mich daher mit niemanden in Weimar und kümmere mich ausschließlich um meine Drucksachen.«651 Besonders freute sich Kessler über van de Veldes gelungene Interieurgestaltung für die Wohnung seiner Schwester Wilma de Brion in Paris, die ganz im Stil des Art Déco gehalten war. »Die Pariser Wohnung meiner Schwester habe ich gesehen«, schrieb Kessler am 17. Dezember 1929 enthusiasmiert an van de Velde, »und finde Ihre Architektur großartig. Es scheint mir das Schönste zu sein, was Sie je gemacht haben.«652 An van de Veldes 70. Geburtstag, der einen Tag später, am 4. April 1933, auf Initiative der belgischen Regierung mit einer offiziellen Feier im Palais des Beaux-Arts in Brüssel begangen wurde, konnte Kessler nicht teilnehmen. »So muss ich Ihnen auf dem Postweg mitgeben«, richtete er dem Jubilar aus, »wie sehr ich mich von Herzen den Ihnen zugedachten Ehrungen anschließe. Ich brauche Ihnen nicht sagen, was ich von der zentralen Rolle halte, die Sie bei der Entstehung und Entwicklung der neuen Architektur gespielt haben.«653 Bereits 1931 hatte er van de Velde angesichts der Krankheit von Nele ermutigt: »Gleichwohl können Sie aus dem Triumph Ihrer Ideen Trost schöpfen, die sich überall, vor allem in Deutschland durchsetzen, wo die wunderbare architektonische Blütezeit, die wir in den letzten Jahren miterleben, nur auf dem von uns bereiteten Boden heranwachsen konnte. Ich habe mich vor einiger Zeit mit Erich Mendelsohn unterhalten, der mir dies von seiner Seite aus mit viel Herz dargelegt hat.«654 Im Gegenzug richtete auch van de Velde Worte der Anerkennung an Kessler, wie z. B. 1933, als ihm Kessler zwei auf der Cranach Presse gedruckte Gedichtbände von Rainer Maria Rilke zukommen ließ: »Ich zweifle nicht daran«, schrieb van de Velde am 8. Januar 1933 an Kessler, »daß Ihre Veröffentlichungen großen Erfolg haben werden, und ich freue mich zutiefst, daß Ihre Bemühungen in eine glänzende Zukunft münden müssen. [...] Welche Genugtuung müssen Sie bei dem Gefühl empfinden, daß Sie eine dauerhafte und solide Sache ›begründet‹ haben, die in einem Augenblick und in einer Welt zu wachsen und zu gedeihen verlangt, in der wir alles zusammenstürzen sehen!«655 Den wohl aufrichtigsten und ergreifendsten Brief innerhalb des erhaltenen Briefwechsels
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richtete van de Velde am 5. August 1935 an Kessler. Der Brief war seiner Tochter Helen gewidmet, die einige Monate zuvor im Alter von 35 Jahren an einem Krebsleiden in Hamburg verstorben war. Noch bevor van de Velde näher auf die Umstände ihres frühen Todes einging, bedachte er seinen Freund mit einem einzigartigen offenherzigen Geständnis, das alles ausdrückte, was ihre besondere Beziehung zueinander ausmachte: »Ich hänge sehr an Ihrer Freundschaft, mehr als an jeder anderen, und bleibe ihr zutiefst treu verbunden. Sie haben meine ungebrochene Bewunderung für alles, was Sie während Ihres Lebens in den Dienst eines Ideals gestellt haben, das auch ich suchte und dem ich noch immer wie Sie zu dienen trachte. Diese Bewunderung ist nach der Lektüre von ›Gesichter und Zeiten‹, die Sie mir freundlicherweise durch Ihren Verleger zukommen ließen, noch größer geworden. Der ganze Teil, den Sie Ihrer Mutter widmen, ist von erster Güte und das, was dem folgt, von fesselndem Reiz. Dies dürfte ebenso für diejenigen, die nicht am Entstehen ›unseres‹ Zeitalters teilhatten, von Interesse sein wie für uns selbst, die wir Begründer waren. Die Fortsetzung, die Sie dem ersten Buch folgen lassen, wird die Bedeutung ›dieses‹ Zeitalters und unsere Bemühungen wachhalten, ausgetretene Pfade verlassen zu haben, in denen wir aufgrund einer egoistisch spießbürgerlichen Mentalität festklemmten. Auch wird sie Zeugnis Ihrer außergewöhnlichen Gabe, Beobachter und Erzähler zu sein, ablegen und Sie unter die bedeutendsten Memoirenschriftsteller einreihen. Unzählige ›in den Ruhestand Versetzte‹ und an den Rand des Lebens Gedrängte versuchen sich in aller Herren Länder daran und das mit mäßigem Erfolg. Ich kenne niemanden, der Ihre großartige Begabung besitzt, eine Dokumentation hervorzubringen, die von all denjenigen gelesen werden muß, die sich für die Kunstbewegung, an deren Entstehung Sie so tatkräftig und unterstützend teilhatten, und für die politische und soziale Entwicklung der Vor- und Nachkriegsgesellschaft, in der Sie einen besonders bedeutenden Platz einnehmen, interessieren. Lieber Freund, ich wünsche von Herzen, daß Sie all Ihre physischen und mentalen Kräfte bewahren, die Sie zur Vollendung des so freudig und glänzend begonnenen Werkes benötigen!«656
Kessler und van de Velde waren sich somit des Werts der gemeinsamen Bindung, die bis dahin mehr als 30 Jahre Bestand hatte, bewusst. Sie schätzten einander nach wie vor in hohem Maße, obwohl es immer seltener zu Begegnungen kam und beider Lebenswege seit längerem eine andere Richtung genommen hatten. Als »alt und gebrochen« beschrieb van de Velde seinen Freund Kessler in dessen Todesjahr 1937.657 Vier Jahre zuvor hatte Kessler Deutschland für immer verlassen und sich über längere Zeit nach Mallorca zurückziehen müssen, wo er den ersten Band seiner Memoiren ›Gesichter und Zeiten‹ vollendete, der noch im Erscheinungsjahr 1935 durch Joseph Goebbels verboten wurde. »Manchmal glaube ich«, schrieb er van de Velde schon 1933 ungewöhnlich resigniert, »einen schlechten Traum zu träumen, aus dem ich irgendwann erwachen werde.«658 Und er betonte ferner: »Ich brauche Ihnen nicht sagen, wie grausam ich die Situation empfinde. Es ist äußerst schlimm, schlimmer als 1914/18! Und ich fürchte einen tragischen Ausgang; keinen Krieg, jedoch einen Zusammenbruch, der Deutschland in einen Abgrund reißen wird. So übersende ich Ihnen ziemlich traurig meine Grüße [...].«659 Auch van de Velde durchlitt trotz seines späten Ruhms Phasen des Leids. Es plagten ihn weniger Krankheit und Isolation als vielmehr die Sorge um das materielle und gesundheitliche
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Wohl seiner Familie. Angesichts des frühen Todes seiner Tochter Helen, der eine tiefe Wunde bei ihm hinterließ, schrieb er 1935 an Kessler: »Meine Rolle ist noch nicht zu Ende. Sie zieht sich übermäßig lang hinaus, denn nachdem ich die Bühne verlassen habe, mußte ich auf der Bühne eines Landes wieder auftauchen, in dem es so unendlich viel zu tun gibt. Es ist ein derartiger Rückstand aufzuholen, und die Regierung und der derzeitige König wünschen, ein dem Land würdiges Amt für mich zu finden. Beide Seiten erwarten momentan viel von mir.«660
Die letzte dokumentierte Begegnung zwischen van de Velde und Kessler fand am 26. Mai 1937 statt. Van de Velde hielt sich anlässlich der bevorstehenden Eröffnung der Weltausstellung in Paris auf, um die Aufbauarbeiten des Belgischen Pavillons zu betreuen und offiziellen Einladungen zu folgen. Trotz zahlreicher Verpflichtungen besuchte er im Beisein seiner Tochter Thylla den schwerkranken Kessler in der Klinik. Wilma de Brion zufolge war van de Velde »der einzige große Freund«, den Kessler in Paris zuletzt wiedergesehen hat.661 Obwohl Kessler stark geschwächt war, besuchte er unmittelbar nach dem Treffen van de Veldes Ausstellungspavillon an der Seine. Lobend und knapp notierte er danach ins Tagebuch: »Inneres herrliche Proportionen, diskrete, vornehme Dekoration, sehr schöne moderne Gobelins.«662 Sein letztes erhaltenes Schreiben adressierte Kessler am 14. August 1937 an van de Velde: »Von allen Seiten höre ich nur (wohl verdientes) Lob hinsichtlich Ihres Pavillons, bei dem es sich zweifellos um den Schönsten der Ausstellung handelt.«663 Kessler konnte sich von einer Operation am 13. April 1937 nicht wieder erholen. Anfang November trat ein schwerer Rückfall seines Leidens ein. Er wurde in eine Klinik in Lyon eingeliefert, wo er am 30. November 1937 um 19 Uhr verstarb. Kessler wurde am 7. Dezember 1937 im Familiengrab auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise bestattet. Zu den rund 100 Trauergästen zählte laut Kondolenzliste Thylla Janlet-van de Velde, die aus Brüssel angereist war und im Namen der Familie van de Velde an Kesslers Beisetzung teilnahm.664 Warum van de Velde als Kesslers alter Freund und Weggefährte nicht zugegen war, konnte trotz umfangreicher Recherchen nicht ermittelt werden und bleibt womöglich ein nie zu lüftendes Geheimnis. Im Januar 1938 erreichte van de Velde ein langer Brief von Kesslers Schwester Wilma de Brion, der wie eine Offenbarung und eine Bestätigung für all das Unausgesprochene wirkte, das jene Freundschaft zwischen van de Velde und Kessler verband. Sie schrieb: »Harry verehrte Sie, als Künstler, als Schöpfer und als Mann und er liebte Ihre ganze Familie. Sie waren der einzige große Freund, den er zuletzt wiedergesehen hat, in dieser Pariser Klinik ... nach der er sich nie wieder erholte. – Und dieser Besuch Ihres Ausstellungspavillons gehörte zu einen seiner letzten großen Freuden! –, vielleicht gar zu seiner letzten Freude!«665
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8. Zur äußeren Anlage und zum formalen Charakter des Briefwechsels Selbst wenn Kessler gegenüber Ida Dehmel einmal erwähnte, dass die »meisten Briefbände berühmter Männer [...] durch den vielen Kleinkram und die völlig belanglosen Briefe, die mit abgedruckt sind, eine ermüdende und enttäuschende Lektüre [bilden, Anm. d. Verf.]«666, soll in der vorliegenden Edition jedes überlieferte Dokument seine eigenständige Wertigkeit als Informationsträger beibehalten und zugänglich gemacht werden. Hierzu gehören neben den Briefen und Briefentwürfen sämtliche Formen von Karten ebenso wie Telegramme und Briefumschläge ohne Inhalt. Man muss davon ausgehen, dass von den tatsächlich gewechselten Briefen und Karten etwa die Hälfte überliefert ist.667 Lücken innerhalb der Korrespondenz, aber auch viele leere Bezugnahmen auf nicht mehr existente Gegenbriefe belegen dies. So haben sich aus bislang unbekannten Gründen sämtliche Kessler-Briefe an van de Velde aus dem Anfangszeitraum von November 1897 bis Sommer 1899 nicht erhalten. Dies ist umso bedauerlicher, als sich gerade in dieser Zeit das Verhältnis zwischen den beiden Protagonisten zu gestalten begann. Der überkommene Briefwechsel beginnt folglich recht einseitig mit 29 Schriftstücken von van de Velde an Kessler. Ein anderes Mal fehlen alle Briefe von van de Velde an Kessler aus der Zeit von Februar 1902 bis April 1903668 sowie komplett aus dem Jahr 1906.669 Auch hier ist der Verlust zu beklagen, denn es handelt sich um die Weimarer Zeit und damit um den wichtigsten gemeinsamen Abschnitt im Leben der beiden Korrespondenzpartner. Weitere Brüche sind in den Jahren 1920 bis 1924 und 1928 bis 1932 zu verzeichnen. Auch aus diesem Zeitraum sind sämtliche Briefe von van de Velde verschollen. Der Verlust lässt sich zahlenmäßig nicht beziffern, und auch über den Verbleib der verschollenen Schriftstücke gibt es keine Hinweise. Offenbar verfügte Kessler über sogenannte »Briefconvolute« bzw. »Brief-Pakete«, die auf seine verschiedenen Wohnsitze in Deutschland und später in Frankreich und Mallorca verteilt und nicht wirklich sortiert waren. Als er beispielsweise 1920 von Ida Dehmel gebeten wurde, sämtliche Briefe von Richard Dehmel für eine Briefedition bereitzustellen, gab er zu bedenken: »Mein Versprechen habe ich insofern bereits gehalten, als ich in Weimar die Briefe Dehmels aus meinen Convoluten zusammengesucht und zusammengestellt habe. Meine Sekretärin, Fräulein Föge, wird sie in der nächsten Woche ordnen, registrieren, die wichtigsten abschreiben und Ihnen das Ganze (Originale und Abschriften) als Wertpaket zugehen lassen. Leider habe ich noch nicht meine sämtlichen Briefconvolute durchsehen können, sodaß eine Anzahl von Jahrgängen (1903-1909) offenbar fehlen, denn aus diesen Jahren ist überhaupt kein Brief vorhanden; ich nehme aber sicher an, daß ich Briefe von Dehmel in dieser Zeit empfangen habe. Immerhin sind eine ganze Anzahl prinzipiell wichtiger Briefe unter denen, die ich Ihnen schicke.«670
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Diese Äußerung lässt darauf schließen, dass Kessler bereits 1920 den Überblick über seine weit verzweigten Briefbestände verloren hatte und dass es ihm nur punktuell möglich war, Teilbestände zusammenzuführen. Emigration, Umzüge, Tod und die Beschlagnahmung seiner deutschen Besitzstände dürften zusätzlich zum Verlust einzelner Konvolute beigetragen haben.671 Van de Velde trug dagegen stets Sorge um den Zusammenhalt seiner Korrespondenzen. Er heftete fast alle Briefe von Kessler in Ordnern ab und griff auf das sorgsam abgeheftete Briefkonvolut zurück, als er Anfang der 1950er Jahre hochbetagt seine Memoiren verfasste, in denen er schließlich ganze Briefpassagen zitierte.672 Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass die Lesbarkeit der Originale dank des guten Erhaltungszustandes der Schriftstücke hervorragend ist. Bei der Übertragung der Briefe kam es daher zu keinen nennenswerten Schwierigkeiten. Nur vereinzelt mindern alterungsbedingte Einflüsse, wie beispielsweise eine verblasste Schrift oder Tintenfraß, Ablagelochungen oder eine situationsbedingt schlechtere Handschrift die Lesbarkeit der Dokumente. Mitunter führten auch die alltäglichen Umstände zu einer gewissen Flüchtigkeit in der Schrift. So entschuldigt sich Kessler in einem Brief von 1905 bei van de Velde für »diese abscheuliche französische Feder« und fügt hinzu: »Ich habe meine Federn in Weimar gelassen und bin daher verurteilt, auf der Reise zu kritzeln.«673 An anderer Stelle schreibt er: »Verzeihen Sie bitte meine Schrift. Die Feder gleicht einem tintendurchtränkten Streichholz.«674 Und im Oktober 1906 konstatiert er nach einer langwierigen und stark einschränkenden Knieverletzung: »Meinem Bein geht es ganz allmählich besser. Jedoch bereitet es mir noch immer große Mühe, mich zum Schreiben in Position zu bringen. [...] Man schreibt mit seinen Beinen, lieber Freund. Diese anatomische Wahrheit habe ich heute entdeckt.«675 Van de Velde und Kessler schrieben sich gerade vor dem Ersten Weltkrieg sehr regelmäßig. Da das Postwesen zur damaligen Zeit reibungslos funktionierte und mit den technischen Entwicklungen Schritt hielt, erreichten Briefe oft schon am nächsten, spätestens am übernächsten Tag den Zielort. In großen Metropolen, wie Paris, Berlin oder London, waren darüber hinaus Rohrpostsysteme etabliert. Van de Velde und Kessler bedienten sich gelegentlich dieses Mediums, wenn sie zeitgleich in einer Stadt waren und kurzfristige Abmachungen zu treffen hatten. Eine kurze Notiz auf einer blauen ›Carte Pneumatique‹ reichte aus, um den Empfänger innerhalb kürzester Zeit zu informieren. Auch kleine Billets in Form von handlichen Brief- oder Visitenkarten wurden gern benützt, um Botschaften einfacher Art auf schnellem Weg durch das Dienstpersonal überbringen zu lassen. Meist handelt es sich hierbei um Einladungen oder Absagen zum Diner, Frühstück oder einer musikalischen Soirée. Charakteristisch für derartige Kurzschreiben ist das häufige Fehlen von Ort und Datum, was das Einordnen in die Briefchronologie erheblich erschwert hat. Insbesondere van de Velde handhabte die Datierung seiner Briefe mitunter stiefmütterlich, indem er sich lediglich auf die Angabe des Tages, wie z.B. ›jeudi‹
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oder ›mardi‹, beschränkte. In wenigen Fällen hat Kessler dann das Datum nachgetragen oder zumindest den Briefumschlag aufgehoben. Keine Schwierigkeiten bereitete indes die Datierung von Telegrammen, die immer dann Verwendung fanden, wenn sich der Adressat an einem anderen Ort befand und umgehend informiert werden musste. Die 22 erhaltenen Telegramme innerhalb des vorliegenden Briefwechsels sind auch aus Kostengründen meist knapp gehalten. Sie informieren z. B. über eine Geburt, eine Vertragsunterzeichnung, eine Einladung, oder sie kündigen kurzfristig verschobene oder unerwartet eingetretene Ereignisse an. Auffallend ist, dass sich in van de Veldes Nachlass kein einziges Telegramm von Kessler befindet, was daraufhin deutet, dass die Aufbewahrung von Telegrammen ebenso wie das Abheften von Briefumschlägen und Karten für ihn offenbar nicht wichtig war. Anhand der archivierten Briefumschläge von van de Velde lässt sich im Gegenzug eine wesenstypische Kesslersche Eigenart ablesen und zwar die Angewohnheit, den Korrespondenzpartner hinsichtlich des aktuellen Aufenthaltsorts nicht immer sachgemäß ›au courant‹ zu halten. Schriftstücke konnten demzufolge von einem möglichen Aufenthaltsort zum anderen pendeln und Kessler mitunter zu spät erreichen. Zudem entsprach es »weder Kesslers Art noch Gewohnheit, auf eine Antwort zu warten», wie van de Velde später konstatierte.676 Kessler liebte und beherrschte die Kunst des Korrespondierens derart, dass er Ida Dehmel einst schalkhaft anvertraute, er sei ohne Briefe geboren »wie Andre ohne Beine oder Arme«.677 Mit van de Velde kommunizierte er souverän auf Französisch, mit Mutter und Schwester auf Englisch und mit seinen deutschsprachigen Freunden, wie Eberhard von Bodenhausen oder Alfred von Nostitz-Wallwitz, selbstverständlich auf Deutsch. Er beherrschte diese drei Sprachen in Wort und Schrift fehlerfrei. Dabei pflegte er stets einen höflich korrekten Umgangston und drückte sich präzise aus. Allein sein Duktus scheint mitunter gewöhnungsbedürftig. Die Buchstaben sind eng aneinander gepresst und die Endungen oftmals nicht ausgeschrieben. Das Schriftbild wirkt überwiegend rechtslastig und fahrig. Eine gewisse Unruhe ist daher vielen Briefen Kesslers zu eigen. Auch Unterstreichungen, gelegentliche Durchstreichungen und spontane Korrekturen erzeugen diesen Eindruck, der jedoch als familientypisches Phänomen angesehen werden kann. Während Kesslers Mutter einen ähnlich ungezwungenen Schreibstil pflegte, gelegentlich Passagen sogar übereinander schrieb, wirkt der Duktus der Schwester vergleichbar eng, wenn auch wesentlich großzügiger als bei Kessler. Kessler schrieb vorzugsweise mit schwarzer, seltener mit grauer Tinte auf meist cremefarbenem Briefpapier. Zuweilen verwendete er auch violettfarbenes Papier der Marke ›Joynson Superfine‹, ›Imperial Diadem‹ oder ›Si Ceorces‹. Seiner Schwester empfahl er 1902: »I don’t much like the red ink. I think the violet better; but would change the colour at the initials then. Franchement, I don’t much like the paper either. I should take a little larger shape and more irregularly grained; [...] violet too, more towards grey.«678 Der überwiegende Teil von Kesslers Briefen
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verfügt über einen gedruckten Briefkopf. Hier ist zu unterscheiden zwischen Briefpapier mit den Privatadressen ›28, Köthenerstrasse Berlin. W.‹, ›Cranachstrasse 3 Weimar‹ und ›Cranachstrasse 15 Weimar‹ sowie vorgedruckten Hotelbriefbögen, etwa des ›Hotel Cecil‹ in London, des ›Hotel Chatham‹ in Paris oder des ›Hotel Erbprinz‹ in Weimar. Der Ton, den Kessler in seinen Briefen van de Velde gegenüber anschlägt, ist von Beginn an sehr verbindlich, herzlich und wohlwollend. Während er van de Velde 1899 noch etwas förmlich mit »Cher monsieur et ami« betitelt, wird die Anredeform ab 1900 freundschaftlicher. Sie lautet bis 1937 fast durchweg von beiden Seiten »Cher ami«. Wann immer es ging, richtete Kessler auch Grüße an »madame VandeVelde« aus. Gelegentlich ließ er sogar die »bébés«, später einzelne Kinder namentlich grüßen. Wie eingangs beschrieben, war das Verhältnis zwischen van de Velde und Kessler trotz der freundschaftlichen Verbundenheit zeitlebens von einer höflichen, auf Achtung beruhenden Distanz geprägt. Obwohl van de Velde 1903 gegenüber Eberhard von Bodenhausen bekannte, Kessler gern duzen zu wollen, beließ er es beim höflichen »Vous«. Er fürchtete, Kesslers stolzen Charakter zu kränken: »Je ne tutoie pas Curt H[errmann]. et malgré mon désir de tutoyer de Kessler, je ne le fais pas parce que j’ai peur de froisser sa fierté de caractère.«679 In der Tat duzte sich Kessler nur mit einem kleinen Kreis von Personen. Zu ihnen gehörten neben den eigenen Familienmitgliedern vor allem jene Freunde, mit denen er seit seiner Studienoder Regimentszeit sehr eng verbunden war, wie z. B. mit Gustav Richter oder Otto von Dungern. Waren die Verbindungen besonders eng, kam es auch vor, dass er einen Spitznamen erhielt. So wurde Kessler in den Briefen von Alfred von NostitzWallwitz oft mit »Meine liebe Ratte«680 und in jenen seiner Schwester mit »My darling Bow« betitelt.681 Mit Künstlern oder Schriftstellern pflegte Kessler dagegen einen der Etikette der Zeit entsprechenden förmlichen Umgangston, der je nach Art und Intensität der Beziehung wärmer oder kühler ausfallen konnte. Sogenannte Duzfreundschaften entwickelten sich nur in Ausnahmefällen, wie z. B. mit Hugo von Hofmannsthal.682 Selbst mit Eberhard von Bodenhausen, den Kessler bereits aus seiner frühen Studienzeit kannte, kam es erst 1899 zum »Du«.683 Gegenüber Kessler war van de Velde der formale Briefästhet. Als Künstler legte er sehr viel Wert auf das äußere Erscheinungsbild seiner Briefe. Während Kessler die Angewohnheit hatte, meist schlichtes Briefpapier oder gar vorgedruckte Hotelbriefbögen zu verwenden, benutzte van de Velde im allgemeinen Papier mit selbstentworfenen Briefköpfen. Nur in Ausnahmefällen griff er auf Standardpapier, wie z. B. Trauerbögen oder Hotelpapier, zurück. Der Briefkopf diente ihm als Markenzeichen und Informationsquelle. Dieser zeigte dem Gegenüber die aktuelle Anschrift an und differenzierte, ob es sich um private oder geschäftliche Post handelte. Gerade in den ersten Jahren seines künstlerischen Durchbruchs gestaltete van de Velde besonders ausladende Geschäftsbriefbögen, die er auch für die Korrespondenz mit Kessler gebrauchte. Sie zeugen von Stolz und Selbstbewusstsein und
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spiegeln nicht zuletzt den Tatendrang der Anfangszeit. Dafür steht sinnbildlich auch van de Veldes selbstentworfenes Firmensignet mit den markant verschlungenen Initialen ›vV‹, das nicht nur als Signet seiner künstlerischen Arbeiten fungierte, sondern wie ein Identitätsstempel auch auf vielen seiner Schriftstücke prangte. Ein weiteres Gestaltungselement war die Schrift. Van de Velde besaß bis ins hohe Alter eine stilvoll schlichte Handschrift mit ausgeprägt kalligraphischen Qualitäten. Das Schriftbild seiner Briefe wirkt daher immer harmonisch, selbst wenn die Umstände eine gewisse Flüchtigkeit erforderten. Lediglich der Duktus seiner Frau Maria van de Velde scheint für ein ungeübtes Auge zum Verwechseln ähnlich. Obwohl van de Velde aus Flandern stammte und das Niederländische beherrschte, wuchs er französischsprachig auf. Den Großteil seiner Korrespondenz an deutsche Freunde oder Auftraggeber führte er daher auf Französisch. Dabei fällt auf, dass seine Briefe vergleichsweise sehr viel mehr grammatikalische und orthographische Fehler enthalten als Kesslers Briefe, die bis auf kleine Flüchtigkeitsfehler weitestgehend fehlerfrei sind. So besaß van de Velde mitunter die Angewohnheit, Accents oder das Cedille fehlerhaft zu platzieren oder gar zu vergessen, oft eigenwillig zu interpunktieren und Verben oder Substantive nicht korrekt zu beugen. Auch der Klang seiner Sprache war ein anderer. Während Kessler einen zeitgemäßen Ausdrucksstil pflegte, drückte sich van de Velde sehr poetisch und zuweilen metaphorisch aus. Sein Sprachstil wirkt daher oft blumig und ganz dem Einfluss der Symbolisten, insbesondere der Sprache des von ihm verehrten Dichters Stéphane Mallarmé, verpflichtet.684 In einem Brief vom 28. November 1897 schreibt er an Kessler: »J’ai l’esprit comme une eau qu’on a agitée trop fort! Songez à la multiplicité des sensations, des sympathies et des relations que j’ai emmagasinées. Les uns et les autres me brouillent le cerveau et ce sera tant que le dépot [sic] sera accompli; alors il restera deux facteurs bien puissants qui m’aideront dans mon travail et me donneront des forces: l’appoint, que j’ai puisé parmi vous, à ma conviction qu’il ne peut importer que des recherches de formes simples et pures et l’affection que je veux personnellement vous vouer.«685
Darüber hinaus fiel es van de Velde nicht leicht, eine neue Sprache zu erlernen.686 Er beneidete hierin Kesslers Überlegenheit. In einem Brief aus dem Jahr 1900 vertraute er Kessler an: »Könnte ich doch auch nur in Deutsch schreiben. Wie sehr ich Ihre Überlegenheit beneide.«687 Gerade in den Anfangsjahren tat sich van de Velde mit dem Erlernen der deutschen Sprache schwer. Er lernte sie offenbar intuitiv, ohne großen Wert auf Richtigkeit zu legen. »Obwohl er lange in Deutschland gelebt und gewirkt hat«, so Karl Scheffler, »sprach er ein gebrochenes Deutsch, wusste sich aber phantasievoll treffend auszudrücken.«688 Edwin Redslob erinnerte sich daran, wie eindrücklich van de Velde in seinem »französisierenden Deutsch« einen seiner ersten Vorträge in Weimar hielt.689 Suggestiv wie van de Velde als Person war, suchte er dem Publikum die Sinnlosigkeit des gewohnten Hausrates plastisch vor Augen zu führen und demonstrierte dies anhand einer »Suppe’schüssel mit ihre beide 'enkeln«, die offenbar besonders geschmacklos gestaltet war.690 Galt es wiederum,
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geschäftliche Dokumente, Artikel oder Aufsätze ins Deutsche zu übertragen, bat van de Velde meist seine Frau Maria, aber auch Freunde oder Bekannte zu Hilfe. So übersetzte z. B. Kessler 1898 den Aufsatz ›Ein Kapitel über Entwurf und Bau moderner Möbel‹ für die Zeitschrift ›Pan‹, was van de Veldes Worten zufolge »wirklich nicht leicht« war.691 In wenigen Fällen wurde van de Veldes fremder Akzent von Kritikern auch als Schwäche ausgelegt und sogar öffentlich diffamiert. Kurz nach seinem Amtsantritt in Weimar veröffentlichte die Berliner Satirezeitschrift ›ULK‹ unter dem Titel ›Goethes Gartenmauer‹ eine nationalistisch gefärbte Karikatur, die in dem angeblichen Zitat von van de Velde gipfelte: »Pietät? Ick aben keine Pietät«.692
Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach (Mitte) mit seiner Gattin Caroline im Kreise der Hofgesellschaft (Harry Graf Kessler links hinter dem Großherzog in der Uniform des Leutnants der III. Garde-Ulanen) anlässlich der Eröffnung der Max Klinger-Ausstellung im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar am 23. Juni 1903, Fotomontage (Henry van de Velde wurde links hinzugefügt)
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Kesslers Taufnamen lauteten Harry Clemens Ulrich. Van de Velde wurde als Henricus Clementius geboren, benutzte aber Zeit seines Lebens die französische Kurzform Henry. In der Literatur bürgerte sich neben der französischen Schreibweise (Henry Clément) auch die flämische Schreibweise (Henri Clemens) ein. Briefumschläge oder Briefentwürfe mit zugehörigem Schreiben sind nicht extra aufgeführt, sondern wurden dem jeweiligen Schriftstück untergeordnet. Es handelt sich um insgesamt 17 Schreiben. Die Briefe von Harry Graf Kessler an Henry van de Velde werden unter der Signatur AML, FSX 504 im Fonds Henry van de Velde im Archives et Musée de la Littérature in der Bibliothèque Royale de Belgique in Brüssel und die Briefe von Henry van de Velde an Harry Graf Kessler im Deutschen Literaturarchiv unter der Signatur DLA, A: Kessler in Marbach am Neckar verwahrt. Die Schriftstücke befinden sich in einem guten Erhaltungszustand. Es sind lediglich kleinere Mängel, wie Wasserschäden, einsetzender Tintenfraß oder durch Ablageheftung entstandene Löcher, zu beklagen. Nur selten sind Briefe unzusammenhängend erhalten. Die Übersetzung der Briefe erfolgte durch die Herausgeberin. Existiert zu einem Briefumschlag oder Briefentwurf kein zugehöriges Schreiben, ist das Schriftstück als eigenständiger Informationsträger aufgeführt. Existiert das zugehörige Schreiben, ist der Inhalt des Briefumschlages oder Briefentwurfs als Kommentar aufgeführt. Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 20.1.1907, in: Burger 1968, S. 143, Brief 144. Kesslers Erinnerungswerk ›Gesichter und Zeiten‹ (1935) trägt den Untertitel ›Völker und Vaterländer‹, eine Anlehnung an Kesslers Vaterländer Deutschland, England und Frankreich sowie vermutlich an das gleichnamige fünfte Hauptstück von Friedrich Nietzsches ›Jenseits von Gut und Böse‹. Kessler 1935, S. 15. Kesslers Schwester Wilma wurde erst 1877 geboren. Ebd., S. 9 f. Seine Mutter entstammte der alten, südirischen Familie Blosse-Lynch, die bei Killarney das Gut Partry besaß. (vgl. Ebd., S. 19, 83). Ebd., S. 109. Ebd., S. 114. »Von den vierzig zwischen acht und vierzehn Jahre alten Jungen waren zehn bis fünfzehn aus dem alteingesessenen Landadel, ein weiteres Drittel aus der reichen Bourgeoisie, der Rest aus bekannten Familien der englischen und schottischen Aristokratie [...].« (Ebd., S. 120). Ebd., S. 117. »Während ich in Paris ein mittelmäßiger Schüler war, konnte ich in Ascot in kurzer Zeit fließend Griechisch und Latein lesen [...]. Wir übersetzten mit dreizehn Jahren ›vom Blatt‹ Cäsar und Livius, Sophokles und Aristophanes [...]. Englische Geschichte und Literatur wurden gründlich und interessant betrieben, es legte sich kein Muff darauf.« (Ebd., S. 118). Ebd., S.123. »Today they formed a meeting at football calling it F.K.O.S. = funky Kessler of scrimmages. In the evening in coming home I tried to chloroform myself; but Palk saved me by looking into my room with his glass, for smelling the chloroform he thought there was something up; at last he managed to calm me down […].« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.12.1880). Kessler 1935, S. 136 f. Vgl. Grupp 1995, S. 22; Easton 2005, S. 39. Kessler 1935, S. 124. Vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 12.6.1881. Tagebuch Harry Graf Kessler, 27.7.1882. Kessler 1935, S. 141. Ebd., S. 145. Ebd., S. 145, 150. »Das Johanneum, die alte Gelehrtenschule, vom Reformator Johannes Bugenhagen gegründet, war eine der berühmtesten und stolzesten in Deutschland. Der Lehrstoff, Griechisch, Latein, Deutsch, Mathematik und Geschichte, wurde zwar trocken, aber gründlich durchgenommen. Die Anforderungen an die Schüler waren außerordentlich.« (Ebd., S. 149). Ebd., S. 146. Ebd., S. 146 f. Ebd., S. 147. Ebd., S. 154. Ebd., S. 160. Ebd., S. 159. Selbst im Rückblick von 50 Jahren wirken Kesslers Beschreibungen von Freundschaften verklärt und vielfach deutbar. Vgl. Kessler 1935, S. 154–172; vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 13.9.1888. Tagebuch Harry Graf Kessler, 23.5.1888. Tagebuch Harry Graf Kessler, 18.9.1888. Die Entscheidungsfindung ist kaum dokumentiert. Kesslers Mutter zeigte sich skeptisch gegenüber dem
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Wunsch des Sohnes, in den Staatsdienst einzutreten. Sie verwies auf die fehlenden, karrierefördernden Kontakte. Vgl. Grupp 1995, S. 350, Anm. 62, S. 351, Anm. 64. 36 Kessler 1935, S. 198. 37 Ebd., S. 199. 38 Kessler entkam letztlich seinen Duellen, sowohl mit von der Lancken (1889) als auch mit Oberhofmarschall von Palézieux (1906/07). 39 Alice Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 23.10.1888, DLA. 40 Kessler 1935, S. 205; Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.3.1889. 41 Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.3.1889, 1.7.1889; Kessler 1935, S. 204–206. Es ist auffällig, wie ausgeprägt Kessler dem Ehrenkodex verhaftet war. Selbst 1907, als das Duellieren weitestgehend aus der Mode geraten war und von diversen Kreisen geringschätzend belächelt wurde, forderte Kessler seinen Weimarer Gegner von Palézieux zum Duell heraus. 42 Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.9.1891. 43 Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.4.1894: »Verfehlter Lebensberuf: weit tragischer als die Ratés, d. h. als die, die an ihrem Unvermögen, ihr Ziel zu erreichen, zugrundegehen, die, denen das Herz bricht, weil sie, nach verwirklichtem Ideal, entdecken, dass ihre Ziele ihrer nicht wert waren; wahrscheinlich das Los aller Sieger, wenn der Sieg nicht berauschte.« 44 Harry Graf Kessler: Curriculum vitae; zit. nach: Ausst. Kat. Marbach 1988, S. 40. 45 Kessler 1935, S. 32. 46 Ebd., S. 33. 47 Im November 1894 hatte Kesslers Vater im Beisein des Sohnes den Reichskanzler Fürst Chlodwig Hohenlohe Schillingsfürst aufsuchen können, den er als Deutschen Botschafter in Paris kennengelernt hatte. Nachdem sich der Reichskanzler nach Kesslers Ausbildungs- und Dienstverhältnissen erkundigt hatte, versprach er in Folge der Unterredung, sich gegenüber dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Freiherr Marschall von Bieberstein, für eine dortige zukünftige Anstellung Kesslers einzusetzen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.11.1894). Nachdem Marschall jedoch 1897 in Ungnade gefallen war und durch Bernhard von Bülow ab gelöst wurde, sah sich Kessler erneut gezwungen, bei Hohenlohe-Schillingsfürst die früher getroffene Zusage zu »retten« (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.7.1897). 48 Kessler 1895 (Pan), S. 243–249; Kessler 1899 (Pan), S. 163–176. 49 Die ›Notizen über Mexiko‹ erschienen im Mai 1898 bei Fontane & Co. in Berlin. 50 Der Gedanke, dass er keine Nachkommen hervorbringen würde, beschäftigte ihn bereits 1899, als er schrieb: »Gestern Papas Todestag und heute mein Geburtstag. Mein Vater, das Band das mich rückwärts mit der ganzen vergangenen Menschheit verbindet; und ich frage mich, ob ich nicht der Letzte dieser Kette sein werde, ob auch mich einmal Etwas in die Zukunft fortpflanzen wird. Diese alte, triviale Frage wird tragisch, wenn man anfängt an ihrer Bejahung zu zweifeln.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 23.5.1899). Dagegen äußerte Kesslers Mutter 1901: »I do hope you au moins will make a rich marriage.« (Alice Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, undat. [1901], DLA). 51 Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.9.1900. 52 Vgl. Alice Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 27.3.1902; Wilma Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 14.8.1900, 5.4.1902, DLA. 53 Vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.4.1902. 54 Vgl. Wilma Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 24.1.1902, 5.4.1902, 11.4.1902, DLA. 55 Zu ihnen gehörten u. a. Otto Freiherr von Dungern, Max Goertz, Fritz Guseck, Gaston Colin und Paul Schulze, wobei eine gewisse Zweideutigkeit der Verhältnisse nicht auszuschließen ist. 56 Kessler besaß bereits 1900 einen Hund namens Fip. Seinen ersten Dackel bekam er ebenso wie Max Lieber mann von Hugo von Tschudi geschenkt (Tagebuch Harry Graf Kessler, 27.11.1911). Kessler war seinen treuen Hunden auf kindliche Weise verbunden. 57 Zu diesen Personen gehörten u. a. Alfred von Nostitz-Wallwitz, Eberhard von Bodenhausen, Gustav Richter, Hugo von Hofmannsthal und Henry van de Velde. 58 Kessler setzte seiner Mutter, die er stets liebevoll »Mama« nannte, in ›Gesichter und Zeiten‹ ein rühriges Denkmal. Seiner Schwester wiederum widmete er dieses Buch (vgl. Kessler 1935, S. 9–106). 1906 vertraute Kessler dem Dichter Hugo von Hofmannsthal an, dass Helene von Nostitz »vielleicht« die einzige Frau wäre, die er hätte heiraten mögen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.11.1906). 59 Harry und Wilma Kessler hatten ein äußerst inniges und auf tiefem Vertrauen basierendes Verhältnis. Ob wohl sie ihre Kindheit und Jugend getrennt voneinander verbracht hatten, blieben sie stets in Kontakt. Mit unter übernahm Kessler die Rolle des Vaters, als es z. B. um die Beurteilung des zukünftigen Ehemanns ging, oder auch die Rolle des vertrauten Mentors, als z. B. Wilma beabsichtigte, eine »französische Schriftstellerin« zu werden (Wilma Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 11.8.1901, DLA). Der in Marbach verwahrte Brief wechsel der Geschwister dokumentiert umfänglich die Intensität dieser Beziehung.
Endnoten 129 »Sicher hat sie ihn am tiefsten geliebt.« (René Schickele an Annette Kolb, 9.12.1937, in: Bender 1987, S. 312). 61 Velde 1962, S. 160; Velde 1999, S. 114 f. 62 Nabokov 1975, S. 160. 63 Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 29.10.1902, GSA, Bestand NA, 72/3742,1. 64 Hugo von Hofmannsthal an Helene von Nostitz-Wallwitz, 1.11.1906, in: Nostitz 1965, S. 20. 65 Nabokov 1975, S. 166. 66 Grosz 1979, S. 305. 67 Harden 1906 (Die Zukunft), S. 506. 68 »Cet homme de haute intelligence et de goût raffiné est une des plus belles chances de ma vie.« (zit. nach: Burger 1968, S. 439). 69 »J’ai de votre frère un tel souvenir de bonté intelligente, d’attention bienveillante que j’éprouve le besoin d’en confirmer le sentiment à ses proches.« (Edouard Vuillard an Wilma de Brion, 7.12.1937, DLA). 70 Velde 1962, S. 159; Velde 1999, S. 114. 71 Velde 1962, S. 160; Velde 1999, S. 115. 72 Velde 1962, S. 182; Velde 1999, S. 127. 73 In einem Brief an ihn schreibt sie: »I do hope you au moins will make a rich marriage [...] Charmeur as you are [...].« (Alice Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 23.09.1900, DLA). 74 Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.1.1895. 75 Kessler 1935, S. 16. 76 Zit. nach Leppmann 1998, S. 3. 77 Kolb 1937/38, S. 630. 78 Ebd. 79 Velde 1962, S. 182. 80 Ebd.; Velde 1999, S. 127. 81 Sigurd Frosterus an Ida Frosterus, 20.12.1904, zit. nach Sarje 1998, S. 137. 82 Ebd. 83 Kolb 1937/38, S. 630. 84 Er schreibt in einem Brief an Hugo von Hofmannsthal: »Dank der unvergleichlichen Gewandtheit und Über legenheit von Kessler haben wir den Deutschen Künstlerbund vorgestern zu Stande gebracht [...]« (Eberhard von Bodenhausen an Hugo von Hofmannsthal, 17.12.1903, in: Bodenhausen 1953, S. 39). 85 Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 11.9.1902, GSA, Bestand NA, 72/BW 3742,1. 86 Nabokov 1975, S. 145. 87 Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 29.10.1902, 11.9.1902, GSA, Bestand NA, 72/BW 3742,1. 88 Tagebuch René Schickele, 10.01.1918, in: Kesten 1959, S. 1015 f. 89 René Schickele an Annette Kolb, 4.11.1935, in: Bender 1987, S. 251. 90 Eberhard von Bodenhausen an Dora von Bodenhausen, 10.3.1901, DLA. 91 Eberhard von Bodenhausen an Harry Graf Kessler, 18.5.1897, in: Simon 1978, Brief 58, S. 35. 92 Zit. nach Leppmann 1998, S. 3. 93 Kessler 1935, S. 128. Interessanterweise zitiert van de Velde genau diesen Abschnitt aus ›Gesichter und Zeiten‹ zur Beschreibung von Kesslers Persönlichkeit in seiner eigenen Autobiographie (Velde 1992, S. 352; Velde 1999, S. 115). 94 Velde 1929 (Europäische Revue), S. 118. 95 Peter Benoit, flämischer Komponist und Dirigent, war ein Verfechter der flämischen Musikbewegung. Er leitete ab 1867 die Flämische Musikschule in Antwerpen (ab 1899 Königlich Flämisches Musikkonservatorium). Van de Velde entwarf 1934 in Zusammenarbeit mit Oscar Jespers ein Denkmal zu Ehren von Peter Benoit, das 1935 in Antwerpen eingeweiht wurde. 96 Velde 1962, S. 13 f; Velde 1992, S. 5 ff. 97 Velde 1962, S. 55; Velde 1992, S. 4. 98 Velde 1962, S. 12. 99 Ebd.; Velde 1992, S. 49. 100 Velde 1962, S. 53. 101 Ebd., S. 12; Velde 1999, S. 4. 102 Velde 1962, S. 14; Velde 1992, S. 57; Velde 1999, S. 4. Van de Velde hatte offenbar die Vitalität seiner Groß mutter geerbt. Virginie de Paepe wurde 103 Jahre, van de Velde 94 Jahre alt. Er teilte zudem ihre Vorliebe, den eigenen Kindern Namen von Romanfiguren zu geben. Er benannte einige seiner Kinder später nach den Figuren von Charles de Costers Adaption der Legende von Till Eulenspiegel. 103 Als gefühlsbetonter Mensch litt van de Velde vor allem unter dem zurückgezogenen und nach außen hin kühlen Wesen seines Vaters. 1893 vertraute er seiner späteren Gattin Maria Sèthe an: »Toujours cette retenue 60
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dont j’ai souffert depuis que j’étais enfant […].« (Henry van de Velde an Maria Sèthe, mercredi 10 ½ heures, AML, FSX 784/93719). Im Nachruf des Präsidenten der Société de Pharmacie heißt es diesbezüglich: »D’un abord froid et sec, G. Van de Velde cacha cependant un cœur foncièrement loyal et généreux sous le dehors réservé et sévère.« ( Journal de Pharmacie d’Anvers, Anvers, Janvier 1902, S. 33). 104 In einem Brief von Henry van de Velde an Maria Sèthe aus dem Jahr 1893 heißt es diesbezüglich: »Que ne peux-tu voir le miracle que tu as opéré sur mon Père. Ta Bonté et ton affection ont fait rayonner ses yeux et son affection pour toi est si ardente qu’elle a rompu cet obstiné silence d’autrefois, ce torturant mur de glace qu’il s’épanche, enfin!« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, dimanche 7 heures, AML, FSX 784/93/25). 105 Velde 1962, S. 12. 106 Wichtige Informationen zum beruflichen Werdegang von Guillaume van de Velde enthält der 1902 erschie nene Nekrolog. Vgl. Journal de Pharmacie d’Anvers, Anvers, Janvier 1902, S. 29–40. 107 Velde 1962, S. 61. 108 Ebd., S. 17 f.; Velde 1992, S. 59 ff.; Velde 1999, S. 4. 109 Die Stadt verfügte über eine Akademie der Schönen Künste, eine Oper, eine Universität und ein Konservato rium. 1894 fand in Antwerpen die Weltausstellung statt. 110 Die Amts- und Unterrichtssprache des Königreichs Belgien war seit 1830, d. h. seit der Trennung vom Königreich der Niederlande, Französisch. Die flämische Oberschicht war daher französisiert. Die Anerken nung des Niederländischen als gleichberechtigte Sprache wurde erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in den flämischen Regionen Belgiens sukzessive erwirkt und 1898 gesetzlich verankert. 111 Überlieferungen von befreundeten Zeitgenossen, wie z. B. Salomon van Deventer (Deventer 1963, S. 19) oder Karl Ernst Osthaus, belegen, dass van de Veldes Muttersprache Französisch war. Osthaus, der 1920 die erste Biographie über van de Velde publizierte und van de Velde als Mensch und Künstler gut kannte, schrieb: »Denn die flämische Sprache war damals noch nicht wieder zu Ehren gelangt; sie galt als das Idiom der Domestiken und Gemüsekrämer […]. Die Sprache der Bildung war das Französische. Auch in der Familie van de Velde bediente man sich nur seiner in der häuslichen Unterhaltung.« (Osthaus 1920, S. 8). 1927 be richtet Maria van de Velde in einem Brief an Sophie Herrmann, dass van de Velde nunmehr wöchentlich eine dreistündige Vorlesung halte, was besonders aufwendig sei, da sie ins Flämische übersetzt werden müsse. (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 17.2.1927, Privatarchiv). 112 Velde 1962, S. 18; Velde 1992, S. 62; Velde 1999, S. 5. 113 Velde 1962, S. 19 ff.; Velde 1992, S. 62 ff., Velde 1999, S. 5 ff. Als Max Elskamp 1931 starb, setzte van de Velde dieser außergewöhnlichen Freundschaft, die über 50 Jahre währte, ein Denkmal (vgl. Velde 1933). 114 Velde 1962, S. 20 f., Velde 1992, S. 65, Velde 1999, S. 7. 115 Die Trauer um den Tod von van de Veldes junger Schwägerin, die unerwartet im September 1880 im Wochenbett verstorben war, paralysierte die Familie für einige Monate. Van de Velde nutzte die Gelegenheit und schrieb sich an der Académie des Beaux Arts ein. Eigentlich sollte Polydore de Paepe, van de Veldes Onkel, bei der Berufswahl seines Neffens behilflich sein, denn er bekleidete einen hohen Posten am Kas sationsgericht in Brüssel. Vgl. Velde 1962, S. 22; Velde 1992, S. 69 f.; Velde 1999, S. 8. 116 Ausst. Kat. Antwerpen/ Otterlo 1987, S. 51. 117 Velde 1962, S. 23; Velde 1992, S. 73; Velde 1999, S. 9. 118 »A la tête de cette clinique, le peintre Verlat est mort de la maladie qu’il y enseignait.« Vgl. Velde 1890 (L’art moderne), S. 348 f. 119 Van de Velde selbst hatte in seinen Memoiren das Jahr 1884 genannt. 120 Velde 1962, S. 24. 121 Ebd., S. 25. 122 Ebd., S. 25, 29. 123 Ebd., S. 30. 124 Ebd. 125 Ebd. 126 Ebd., S. 29 ff. 127 Ebd., S. 31. 128 Ebd., S. 32. 129 Van de Velde hatte vom 3.7.1884 bis zum 20.12.1886 seinen offiziellen Wohnsitz in Kalmthout am Kerke neind. Er bewohnte dort zeitweise ein kleines Zimmer bei den kinderlosen Bauern Frans Goosens und dessen Frau Maria Grauls. Das Haus wurde 1918 abgerissen. Heute (2011) befindet sich dort eine Filiale der Dexia Bank (Kapellensteenweg 166). Vgl. Van Aert/ Bastiaensen 2007, S. 109. 130 Als van de Velde 1910, drei Jahre nach dem Tod seiner Schwester Jeanne, Kalmthout besuchte, hielt er in einem Brief an seine Frau fest: »Que de souvenirs ne retrouverai je pas ici? Dix années de ma vie. Mais Jeanne a emporté dans la tombe l’âme et l’éclat de toutes les choses. Quand le père Biart sera mort Calmpthout perdra toute vertu et toute vie.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 17.8.1910, AML, FSX 784).
Endnoten 131 Van de Velde war vom 21.10.1886 bis 1.5.1890 in Wechel der Zande in der Pension ›De Keizer‹. Vgl. Van Aert/ Bastiaensen 2007, S. 109. 132 Velde 1962, S. 33. 133 Ebd., S. 40. 134 Ebd. 135 Velde 1962, S. 36. 136 Ebd., S. 37. 137 Tagebuch Harry Graf Kessler, 7.3.1901. 138 Velde 1962, S. 67 f. 139 Kessler, der van de Velde 1898 zu dessen künstlerischen Werdegang befragt hatte, hielt diesbezüglich in sei nem Tagebuch fest: »Ich fragte van de Velde, was an M. G.’s Bemerkung, dass van Goghs Pinselstrich ihn angeregt habe, Wahres sei. Er meinte, das stimme bis zu einem gewissen Grade. Aber sein wahrer Ausgangs punkt, sei Seurats Theorie gewesen, dass es melancholische u. heitere Linien gebe. Er habe darauf die Ansicht gegründet, dass es Linien geben müsse, die auch Etwas Andres als blos Melancholie u. Heiterkeit ausdrückten und habe dann diese erweiterte Liniensymbolik zum ersten Mal auf dem Deckel der Elskampschen Domini cales anzuwenden versucht; jede der vier Linien habe Etwas Verschiedenes bedeuten sollen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.1.1898). 140 Velde 1962, S. 56; Tagebuch Harry Graf Kessler, 7.3.1901. 141 Velde 1962, S. 54. 142 Vgl. Anm. 118. 143 Velde 1962, S. 46. 144 Ebd., S. 45. 145 Van de Veldes Mutter war unheilbar an Krebs erkrankt. Vgl. Velde 1962, S. 38. 146 Velde 1962, S. 38. 147 »O, je ne peux pas attendre jusqu’à demain pour te remercier, Maria Aimée, d’avoir songé à me parler au jourd’hui de Ma Mère. Oui, tu as vu profondément dans mon cœur; mais la plaie qui restait béante s’est fermée maintenant! Il a fallu que tu viennes toi, o la Mienne, pourque ce souvenir alors poignant se soit fait particulièrement doux. Comme je l’ai senti, ce matin, devant Sa tombe où je n’ai voulu porter nulle fleur, cette fois, que celle qui était éclose dans nos cœurs. Le sourire qu’illumine nos existences s’est étendu sur sa mort et toi tu l’as ressuscitée car je ne la vois plus morte maintenant ; c’est bien vivante que je me la remémore au jourd’hui – heureuse et parmi nous – Je ne suis plus triste en pensant à Elle! Mon Dieu Son affection m’est rendue au centuple aujourd’hui. […] Depuis l’instant de Sa mort – voilà cinq années – je n’aurai jamais parlé d’Elle comme aujourd’hui et je ne l’aurai jamais pourtant aimée plus.« (Henry van de Velde an Maria Sèthe, jour des morts [November], 1893, AML, FSX 784). 148 Velde 1962, S. 48. 149 »[…] c’est la dernière toile que j’ai peinte [–] elle date de l’été 92.« (Henry van de Velde an Octave Maus, 9.2.1908, AML, FSX 574; vgl. Maus 1926, S. 387). 150 Velde 1962, S. 65. 151 Ebd., S. 56, 58. 152 Maus 1926, S. 109, 113 ff., 127, 134. 153 Velde 1962, S. 65 f. 154 Maus 1926, S. 147 f. 155 Die Feiertage zum Anlass nehmend hatten sich Théo und Maria van Rysselberghe zusammen mit den Freunden Willy Finch, Émile Verhaeren, Pierre Olin und Maria Sèthe nach Cadzand an die holländische Küste begeben. Der in Knokke weilende van de Velde wurde hinzugerufen, und man unternahm eine Landpartie in das Städt chen Sluis. Während dieses Ausfluges kam es zu der alles entscheidenden Begegnung zwischen van de Velde und Maria Sèthe. 156 »Oui, je suis cette Femme qui veux votre Bonheur à n’importe quel prix. – qui avait décidé de vous suivre dans la lutte eût-elle été sans Espoir, […].« (Maria Sèthe an Henry van de Velde, jeudi soir, AML, Fonds Thyl van de Velde, 1er cahier). 157 Maria van de Velde an Henry van de Velde, 5.8.1919, AML, FSX 786. 158 Velde 1962, S. 79. 159 Théo van Rysselberghe malte 1888 Alice, 1891 Maria und 1894 Irma Sèthe. Maria Sèthe wurde zudem Paten tante von Elisabeth van Rysselberghe, der 1890 geborenen Tochter von Maria und Théo van Rysselberghe. 160 Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.2.1901. 161 Sigurd Frosterus an Ida Frosterus, 31.12.1903, zitiert nach: Sarje 1998, S. 138. 162 Nach langen Bemühungen und durch das Engagement des Vaters war es van de Velde gelungen, ab Herbst 1893 einen Kurs über ›Die Geschichte des Kunstgewerbes und der Kunstindustrie‹ an der Akademie von Antwerpen abzuhalten. In Vorbereitung dazu fuhr Maria Sèthe im Sommer 1893 nach London, um umfassende Belege und Informationen zum dortigen Kunsthandwerk zu sammeln. 131
132 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung »[…] il s’agit pour vous de concentrer tous vos efforts à faire triompher votre rêve d’artiste. […] il est trop beau ce rêve et pas assez difficile à réaliser pour céder même devant de graves difficultés. Je vous assure que s’il était en moi de le faire, je vous aiderais avec persévérance à la lutte. Je comprends toute votre nervosité […], mais vraiment ne vous laissez pas abattre.« (Maria Sèthe an Henry van de Velde, Uccle, samedi soir [1893], AML, FSX 786/93/8). 164 Das Baugesuch für Haus Bloemenwerf datiert vom 11.4.1895. Vgl. Velde 1992, S. 286. 165 Hierzu hielt Harry Graf Kessler 1898 im Tagebuch fest: »Er [van de Velde, Anm. d. Verf.] erzählte mir unter wegs, wie er dazu gekommen sei, Möbel zu machen; zuerst für seine Schwägerin; dann sei der Museumsdirektor _ zu ihm gekommen und habe ihn gebeten, eine Verandaeinrichtung für seine sehr hübschen, sehr schlanken Töchter zu machen. Il y a avait quelquechose à faire, et c’est la première fois que j’avais une vraie responsabilité en faisant des meubles.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.2.1898). 166 Velde 1962, S. 111 f. 167 Tagebuch Harry Graf Kessler, 23.3.1898. 168 Tagebuch Harry Graf Kessler, 22.3.1898 und 23.3.1898. 169 »Frau van de Velde war in ihrer Blondheit eine flämisch wirkende Erscheinung, in treuer und leidenschaftli cher Gefolgschaft ihres Mannes eine echte Künstlergattin.« (Scholz 1939, S. 102). 170 Eberhard von Bodenhausen an Dora von Bodenhausen, 12.11.1898, DLA. 171 Anne Louise Virginie van de Velde geb. am 12.4.1895, gest. am 18.5.1895; Thylbert Guillaume van de Velde geb. am 11.4.1896, gest. am 22.4.1896. Vgl. Velde 1962, S. 100; Velde 1992, S. 299, 404 f. 172 Vgl. Neumann/ Föhl 1999, S. 69–77; Neumann 2000, S. 70–78; Neumann 2008, S. 361–374. 173 Vgl. Ausst. Kat. Richmond/ Sarasota/ Ohama/ New York 1986; Ausst. Kat. Amsterdam/ München/ Barcelona/ Paris 2004. 174 Die ausführlichste und präziseste Beschreibung der Räume gibt Julius Meier-Graefe; vgl. Meier-Graefe 1896a (Das Atelier), S. 2–4. 175 Velde 1962, S. 102 ff.; Velde 1992, S. 108 f. 176 Julius Meier-Graefe an Julius Levin, 31.10.1895, DLA. 177 Velde 1898 (L’art décoratif), S. 2–43; Velde 1898 (Dekorative Kunst), S. 2–43. 178 G. M. 1896 (The Studio), S. 179 f; Meier-Graefe 1896a (Das Atelier), S. 2–4; Fierens-Gevaert 1896, o. S.; Cousturier 1896 (La revue blanche), S. 92–95; Picard 1896 (L’Art Moderne), S. 22. 179 Velde 1899 (Pan), S. 262. 180 Velde 1929 (Europäische Revue), S. 118. 181 Scholz 1939, S. 100. 182 Deventer 1963, S. 19. 183 Tagebuch Thilo Schoder, 23.4.1913, in: Lorenz 2001, S. 502. 184 Eberhard von Bodenhausen an Dora von Bodenhausen, 13.9.1902, DLA. 185 Deventer 1963, S. 12. 186 Tagebuch Harry Graf Kessler, 13.2.1912. 187 Plietzsch 1955, S. 278. 188 Helene Kröller-Müller an Sam van Deventer, 26./27.02.1922, zitiert in: Deventer 1963, S. 21. 189 Redslob 1972, S. 42. 190 Alfred von Nostitz-Wallwitz an Harry Graf Kessler, 2.2.1902, DLA. 191 Ehrsam/ Wyss 2002, Bd. 1, S. 472, Nr. 989; Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.1.1908. 192 »Et maintenant que je te parle de ta Sœur. Oh! que je la sens infiniment exquise de délicatesse et de sensibi lité! Combien je te retrouve en Elle; combien je la sens aimante, attachée et dévouée comme toi et cette déci sion qu›elle semble posséder comme toi et ce tact si précieux, si rare, qui m›enchante.« (Maria van de Velde an Henry van de Velde, undat. [vendredi soir], AML, Fonds Thyl van de Velde, 1er cahier). 193 »Cet homme est une sorte de phénomène de volonté, d’esprit exclusif, gouverné par sa raison.« (Tagebuch Maurice Denis, Eintrag vom Januar 1909, in: Denis 1957, S. 110). 194 »[…] combien de mes pensées se rattachent à votre souvenir, comme en pensant à un métal, à une belle sur face métallique ou minérale, à un beau tissu, à la beauté d’un animal, d’un tronc d’arbre, d’un beffroi ou d’un mur […]. Je crois, mon cher ami, que j’ai deviné, entrevu, ou entresenti ce je ne sais quoi de héroique et de réaliste, de gothique et d’américain qui fait le noyau intime de votre ›Wesen‹.« (Hugo von Hofmannsthal an Henry van de Velde, undat. [als unvollendet transkribiertes Dokument vorliegend], AML, FSX 828). 195 Karl Koetschau, Zeitung Deutschland, 18.7.1907. 196 Scheffler 1946, S. 32. 197 Scheffler 1906 (Merkur), S. 391. 198 Scholz 1939, S. 100. 199 Helene Kröller-Müller an Sam van Deventer 29.10.1919, zitiert in: Deventer 1963, S. 14. 200 Madeleine Maus über van de Velde, zit. nach: Velde 1962, S. 42. 201 Scholz 1939, S. 100. 163
Endnoten 133 Tagebuch Harry Graf Kessler, 26.1.1912. Nostitz 1925, S. 93. Plietzsch 1955, S. 287. »Sein Familiensinn sei so stark, dass er, der sonst ein so mimosenhaft zartfühlender Mensch sei, in Geld sachen mit der grössten Brutalität vorgehe.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.3.1901). 206 Jacques 2004, S. 280. 207 Tagebuch Hildegard Freifrau von Spitzemberg, Eintrag vom 17.3.1900, in: Vierhaus 1961, S. 395. Vgl. auch Nostitz 1925, S. 87. 208 Scheffler 1946, S. 28. 209 Jacques 2004, S. 280. 210 Tagebuch Paul Dobe, 18.3.1917, Bd. 5, S. 219 ff., GSA 159/14. 211 Scholz 1939, S. 99 f. 212 Helene Kröller-Müller an Sam van Deventer, 26./27.02.1922, zitiert in: Deventer 1963, S. 14. 213 Velde 1962, S. 40. 214 Sigurd Frosterus an Ida Frosterus, übersetzt aus dem Französischen und zitiert in: Sarje 1998, S. 136. Die Abschriften einiger Briefe von Sigurd Frosterus an seine Mutter Ida befinden sich unter der Signatur FSX 411 im Archives et Musée de la Littérature. 215 Tagebuch Paul Dobe, 18.3.1917, Bd. 5, S. 219 ff., GSA 159/14. 216 Sigurd Frosterus an Ida Frosterus, übersetzt aus dem Französischen und zitiert in: Velde 1962, S. 491. 217 Opitz 2000, S. 335. 218 Jacques 2004, S. 280. 219 Plietzsch 1955, S. 284. 220 Deventer 1963, S. 19. 221 »Harry avait un culte pour vous, comme artiste, comme créateur et comme homme et il aimait tout votre famille. – Vous avez été le seul grand ami qu›il a revu dernièrement, dans cette clinique de Paris … après laquelle il ne s’est jamais bien remis. – Ensuite la visite de votre pavillon à l’Exposition a été une de ses derniè res grandes joies! -, même sa dernière joie!« (Wilma de Brion an Henry van de Velde, 6.1.1938, AML, FSX 319). 222 Velde 1962, S. 159. 223 Velde 1992, S. 353; Velde 1999, S. 115. 224 Velde 1992, S. 353; Velde 1999, S. 115. 225 Vgl. Anm. 679. 226 Aus dem Tagebuch von René Schickele; zit. nach: Kesten 1959, Bd. 3, S. 1016 f. 227 Vgl. Briefkarte 1, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 4.11.1897. 228 Vgl. Brief 3, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 28.11.1897. 229 Eberhard von Bodenhausen an Harry Graf Kessler, 13.5.1897, in: Simon 1978, Brief 55, S. 33. 230 »[...] es ist zu nett bei den Leuten in ihrer vornehmen, höchstkultivierten Einfachheit, die ganze Schlösser mit ihrem Train und Kitsch schlägt. Das sind die modernen Menschen und HofmannsthaI hat Recht, wenn er sagt, daß die Gemeinde über die ganze Welt hin zusammenhält und daß man immer wieder die gleichen Kreise berührt.« (Eberhard von Bodenhausen an Dora von Degenfeld-Schonburg, 25.9.1897, DLA). 231 Die erste dokumentierte Begegnung fand am 1. November 1897 in Berlin statt. Kessler hielt hierzu im Tage buch fest: »Van de Velde aufgesucht wegen der Nietzsche Ausgabe u. meiner Möbel.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.11.1897). 232 Eberhard von Bodenhausen an Harry Graf Kessler, 25.9.1897, in: Simon 1978, Brief 72, S. 40. 233 »Er wohnt 28. Köthener Straße in 4–5 Löchern in einem Hinterhause!!« (Tagebuch Hildegard Freifrau von Spitzemberg, 17.3.1900, in: Vierhaus 1961, S. 395). Gerd Gauglitz untersuchte Kesslers Wohnsituation in der Köthener Straße anhand der Bauakten und aller verfügbaren Details. Er kam zu dem Ergebnis, dass sich Kesslers Wohnung vom hinteren Querflügel, dem sogenannten ›Gartenhaus‹, über einen Seitenflügel erstreckte und zum Innenhof lag. Vgl. Gauglitz 2005, o. S.. 234 Thomas Föhl hegt Zweifel an der Aussage der Baronin Spitzemberg, Kessler habe in einem Hinterhaus ge wohnt. Er vermutet vielmehr, dass es sich um eine typische Berliner Mietwohnung gehandelt habe »mit den Repräsentationsräumen zur Straße, dem anschließenden sogenannten Berliner Zimmer als langgestreck tem, meist schlecht beleuchtetem Gelenkraum zwischen dem Vorderhaus und dem Seitenflügel, der noch einige weitere Räume wie Küche und Bad, Schlaf- und Gästezimmer sowie Kammern für die Dienstboten aufnahm« (vgl. Föhl 2003, S. 171). 235 Die Bauakte zur Köthener Straße 28 befindet sich im Landesarchiv Berlin, B Rep 206 Nr. 6114. 236 Ausst. Kat. Marbach 1988, S. 329. 237 Vgl. Briefe 3, 4, 6, 7, 11 von Henry van de Velde an Harry Graf Kessler. Es ist davon auszugehen, dass van de Velde weitere Möbel für Kesslers Salon und Arbeitszimmer entworfen hat. 238 Vgl. Nochlin 1994 (Art in America), S. 71–77; S. 121–123; Kostka 2000a, S. 448–467. 202 203 204 205
134 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung Velde 1962, S. 162, 182. »Le mobilier ainsi que les boiseries du salon et de la salle à manger furent entièrement réalisés en bois laqué blanc. Les panneaux des boiseries et ceux du dressoir-buffet furent soulignés de filets en étain, légèrement sail lants. Le parquet était recouvert de nattes japonaises unies, les murs tendus d’un tissu soyeux gris pâle et les sièges garnis d’une soie tissée à Krefeld. L’impression de l’ensemble était sobre malgré son grand luxe et son raffinement. Le choix des couleurs avait été fait de manière à accompagner en sourdine les tons ambrés du nu des Poseuses.« (Velde 1992, S. 355). 241 Vgl. Briefkarte 13, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 29.3.1898/ 5.4.1898. 242 Velde 1962, S. 162. 243 »Vormittags Tschudi u. Liebermann mit van de Velde vor meinen Seurat geführt. Zuerst Liebermann ganz absprechend; die Frauen nicht sinnlich: ›Wissen Sie, ich will Etwas für hier haben‹ mit einer Geste. Aber all mählich gaben Beide die Vorzüglichkeiten von Teilen zu, die Lebendigkeit der Wand, der Reiz des Lichts um den Köpfen der beiden Sitzenden Frauen und auf den Brüsten der stehenden Frau, auch einzelner Stillleben stücke. Im Ganzen ein Erfolg.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.2.1898). 244 »Den Tag hauptsächlich auf Anordnungen für meine Wohnungs Einrichtung verwendet. Seurats ›Poseuses‹, die seit 1897 zu zwei Dritteln gerollt in meinem Speisezimmer hingen, aufgerollt, um sie an der Wand der neuen Bibliothek anzubringen. Der gerollte Teil, die beiden Figuren links, kamen in prachtvoller Frische her aus. Sie haben durch die lange Dunkelheit nicht nur nicht gelitten, sondern sind heller u frischer (wahrschein lich nur staubfreier) geblieben als die Figur rechts.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.2.1923). 245 Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.3.1926. 246 Velde 1962, S. 161; vgl. Brief 4, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 31.12.1897. 247 Velde 1962, S. 161. 248 Vgl. Brief 7, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 25.1.1898. 249 Vgl. Brief 6, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 9.1.1898. 250 Vgl. Brief 19, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, September 1898. 251 Vgl. Brief 20, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 29.9.1898. 252 Vgl. Brief 21, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 3.10.1898. 253 Vgl. Brief 23, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 14./21./28.11.1898. 254 Vgl. Brief 24, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 4./11.12.1898. 255 Ebd. 256 Eberhard von Bodenhausen an Harry Graf Kessler, 14.3.1899, in: Simon 1978, Brief 91, Anm. S. 149. 257 Vgl. Ausst. Kat. München 1899, S. 558 f. 258 Vgl. Brief 31, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 7./14./21./28.1.1900. 259 Vgl. Brief 34, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 9.3.1900. 260 Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, 7.4.1900, DLA. 261 Vgl. Föhl/ Neumann 2009, S. 544 f., Nr. I.4.1.1. 262 Vgl. Brief 23, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 14./21./28.11.1898. 263 Vgl. Brief 14, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 7.4.1898. 264 Vgl. Brief 15, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 2.5.1898. 265 Tagebuch Harry Graf Kessler, 22.3.1898. 266 Vgl. Briefe 58, 59, 60, 61, 62, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 18.3.1901, 8.5.1901, 9.5.1901, 12.5.1901, undat. 267 Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.1.1898. 268 Vgl. Brief 29, Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, 19.8.1899. 269 Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.1.1898. 270 Kessler stellte 1897 und 1898 nachweislich Kontakte zu folgenden Personen her: Hugo von Tschudi, Ernst Eberhard von Ihne, Heinrich XXXI. Prinz Reuß ä. L., Wilhelm Graf Mirbach-Harff, Otto Julius Bierbaum, Max Liebermann, Peter Behrens, Richard Dehmel, Hans Rosenhagen, Victor von Mutzenbecher, Alfred von Nostitz-Wallwitz, Jules Graf von Greindl, Jan Freiherr von Wendelstadt, Bodo von dem Knesebeck, Cosima Wagner. 271 Die Vorträge wurden 1901 und 1903 in deutscher Sprache unter dem Titel ›Die Renaissance im modernen Kunstgewerbe‹ bei Cassirer veröffentlicht. Van de Velde widmete das Buch Cornelie Richter und Eberhard von Bodenhausen. Vgl. Briefe 37, 61. 272 Henry van de Velde an Maria van de Velde, 14.3.1900, AML, FSX 784. 273 Vgl. Brief 35, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 14.3.1900. 274 Vgl. Brief 37, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 3.4.1900. 275 Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.9.1900. 276 Der erste Umzug von Brüssel nach Berlin erfolgte im Oktober 1900. Van de Velde bezog mit seiner Familie vorübergehend die geräumige Sechszimmerwohnung von Eberhard von Bodenhausen in der Brückenallee 239 240
Endnoten 135
27. Im März 1901 mietete er eine Wohnung in der Nürnberger Straße 36, wo er bis zur Übersiedelung nach Weimar nur ein Jahr wohnen blieb (vgl. Briefe 46, 47, 53, 103, 113). 277 Velde 1962, S. 180. 278 Vgl. Brief 39, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 14.5.1900. 279 Vgl. Brief 37, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 3.4.1900. 280 Vgl. Brief 47, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 14.10.1900. 281 Ebd. 282 Vgl. Brief 53, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 22.10.1900. 283 Velde 1962, S. 181 f. 284 Vgl. Brief 49, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 25.11.1900. 285 Vgl. Brief 50, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 9.12.1900. 286 Ebd. 287 Vgl. Brief 58, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 18.3.1901; vgl. Brief 59, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 8.5.1901. 288 Vgl. Brief 60, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 9.5.1901. Kessler ließ das Vorhaben eines Porträts über van de Velde schließlich fallen. 289 Vgl. Brief 51, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 12.12.1900; vgl. Brief 53, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 24.12.1900. 290 »W[eimar]. n’est pas une ville proprement parler! C’est un endroit à la façon de Wiesbaden mais moins par venue! Pourtant on sent la culture – de l’allure.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27.8.1901, AML, FSX 784). 291 »Le paysage est somptueux et doux – tout autour de Weimar.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 28.8.1901, AML, FSX 784). 292 »L’intérieur de ce château où pourtant, les Wieland, Herder, Schüller [sic] et Goethe se réunirent est ce que tu peux t’imaginer de plus imbécile. C’est à ne pas croire ce qu’on a rassemblé là et l’on se croirait dans une cabine de marin et dans un hospice p[ou]r. prostituées!« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 28.8.1901, AML, FSX 784). 293 Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.10.1897. 294 Tagebuch Harry Graf Kessler, 27.8.1901, 29.8.1901. 295 Van de Velde und Kessler waren am 30. August 1901 aus Weimar abgereist. Nach einem Zwischenstopp in Eisenach gelangten sie am 31. August über Frankfurt nach Darmstadt, wo sie die Ausstellung ›Ein Dokument deutscher Kunst‹ und die daraus entstandene Persiflage ›Das Überdokument‹ auf der Mathildenhöhe be sichtigten. Sie blieben bis zum 2. September 1901 (vgl. Anm. Briefkarte 69). 296 Von 1881 bis 1884 bestand bereits eine ›Großherzoglich Sächsische Centralstelle für Kunstgewerbe‹ unter Leitung des Architekten und Kunsthandwerkers Bruno Eelbo. Erste Maßnahmen zur Neuaufnahme der Pflege von Kunst und Kunstgewerbe hatte das Ministerialdepartement des Innern Anfang 1901 in die Wege geleitet und den Berliner Kunstkritiker Georg Malkowsky mit der Ausarbeitung eines Organisationsplanes betraut, der am 1. Juli 1901 vorgelegt wurde. Vgl. Wahl 2007, S. 6, 13–15, 52–61; vgl. Brief 105, Harry Graf Kessler, 26.1.1902. 297 Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 22.3.1901, DLA. 298 Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, 6.9.1901, in: Simon 1978, Brief 119, S. 61 f. 299 Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.1.1902. 300 Am 9. September 1901 richtete Kessler an van de Velde aus: »J’ai écrit à Werthern, vendredi, ainsi qu’à Bodenhausen« (vgl. Brief 73, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 9.9.1901). 301 Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, 6.9.1901, in: Simon 1978, Brief 119, S. 61 f. 302 Kessler richtete am 6. September 1901 jeweils einen Brief an Hans von Werthern-Beichlingen und an Eber hard von Bodenhausen (vgl. Anm. Brief 73). 303 Hans Graf von Werthern-Beichlingen an Harry Graf Kessler, 19.9.1901, DLA, in: Wahl 2007, Dokument 4, S. 63. 304 Hier namentlich Erbgroßherzogin Pauline, die Mutter des regierenden Großherzogs Wilhelm Ernst. Vgl. Brief 90, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 6.11.1901. 305 Vgl. Briefe 82 und 83, Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, 22.10.1901, 23.10.1901. 306 Vgl. Brief 84, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 24.10.1901. 307 Van de Velde erwähnte den Begriff »un laboratoire pour mon style« erstmals in einem Brief an Maria van de Velde vom 27. August 1901; vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27.8.1901, AML, FSX 784. 308 Vgl. Brief 85, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 25.10.1901. 309 Ebd. 310 Ebd. 311 »Kunsthandwerk fördern für Mittelstaat lohnender als grosse Kunst, weil ein hervorragender Maler oder Bildhauer, den die Kunstschule hier hervorbrächte, wahrscheinlich nicht im Lande bleibe sondern nach Berlin
136 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung oder München gehe, wo er mehr Aussicht auf Aufträge hat, während tüchtige Kunsthandwerker im Lande bleiben.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 26.10.1901). 312 Vgl. Brief 86, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 28.10.1901. 313 Ebd. 314 Vgl. Brief 87, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.11.1901. 315 Ebd. 316 Ebd. 317 Vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.11.1901. 318 Ebd. 319 Vgl. Brief 87, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.11.1901. 320 Ebd. 321 Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.11.1901. 322 Vgl. Telegramm 99, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 15.12.1901; vgl. Brief 101, Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, 24.12.1901. 323 Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.12.1901. 324 Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, Weihnachten 1901, in: Simon 1978, Brief 124, S. 65 ff. 325 Van de Veldes Amtszeit war zunächst auf drei Jahre befristet. 326 Vgl. Brief 105, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 26.1.1902. 327 Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.4.1902; Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, 6.4.1902, in: Simon 1978, Brief 132, S. 67 ff. Zur ›Permanenten Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe‹ vgl. Anm. Brief 87, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.11.1901. 328 Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.4.1902. 329 Ebd. 330 Tagebuch Harry Graf Kessler, 22.4.1902. 331 Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, 14.6.1902, DLA, in: Simon 1978, Brief 135, S. 163. 332 Vgl. Brief 125, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 4.7.1902; vgl. Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster-Nietzsche, 26.6.1902, GSA, Bestand NA, 72/BW 2710. 333 Vgl. Brief 126, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 20.7.1902. 334 Vgl. Brief 129, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 11.10.1902. 335 Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.1.1902. 336 Velde 1962, S. 224. 337 Vgl. Brief 127, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 25.9.1902. 338 Vgl. Entrefilet 104, Harry Graf Kessler und Henry van de Velde, [16.1.1902]; vgl. Brief 105, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 26.1.1902. 339 Velde 1962, S. 224. 340 Vgl. Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster-Nietzsche, 26.6.1902, GSA, Bestand NA, 72/BW 2710. 341 Vgl. Brief 130, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 15.10.1902. 342 »Ceci un secret (de Kessler viendra cet hiver à W[eimar]. et il voudrait que tu t’informes s’il y a dans l’une ou l’autre villa près de nous, un rez de chaussée de préference [sic] à louer).« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 30.4.1902, AML, FSX 984). 343 Maria van de Velde an Henry van de Velde, 1.5.1902, AML, FSX 786. 344 Aufgrund einer Vielzahl neu entstandener Villen und Mehrfamilienhäuser wurde die Cranachstraße 1905/06 umnummeriert. Kesslers Adresse lautete ab 1906 Cranachstraße 15. Van de Veldes Hausnummer änderte sich von 11 auf 23. Zwischen Kesslers und van de Veldes Haus befanden sich drei andere Villen mit den Nummern 5, 7 und 9 (ab 1906: 17, 19, 21). 345 Kessler wird im Adressbuch der Stadt Weimar ab 1905 als einziger Mieter des Hauses ohne Angabe des Stock werks aufgeführt. Im Jahr 1904 ist im Erdgeschoss noch ein Herr Kaufmann Keep wohnhaft. Kesslers Haus war bis 1920 Eigentum des Bauunternehmers Max Hickethier. Die Baugenehmigung datiert vom 17. Mai 1901. Am 19. September 1902 erfolgte die Schlussabnahme des Hauses. Ab diesem Zeitpunkt konnten die Wohnungen bezogen werden. 346 Vgl. Brief 124, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 21.6.1902. 347 Ebd. 348 »Ich werde mir meine Zeit so einteilen, daß ich wie bisher etwa 4 Monate im Jahr in Weimar, 4 in Paris und 4 in London bin, auch dort überall die Beziehungen weiterzupflegen und dazu vom Ärger, vom täglichen, kleinlichen Ärger befreit, endlich Zeit und Lust gewinne wieder selbst zu produzieren.« Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 13.7.1906, in: Burger 1968, Brief 128, S. 119. 349 Kessler hielt sich 1904 knapp acht Wochen und 1905 nur zweieinhalb Monate in Weimar auf. Vgl. Föhl 2010, S. 44. 350 Velde 1962, S. 225. 351 Ebd.
Endnoten 137 Ebd. Vgl. Briefe 131–135, 137, 142, 148, 153, 154, 164. Vgl. Anm. 394. Zu Kesslers Privatsammlung vgl. Bismarck 1988, S. 47–62; Walter 2001, S. 67–93. Vgl. Brief 131, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 4.11.1902. Ebd. Vgl. Brief 133, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 7.11.1902. Vgl. Brief 131, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 4.11.1902. Vgl. Brief 132, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.11.1902. Vgl. Brief 137, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 29.11.1902. Vgl. Brief 148, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 10.1.1903. 363 Ebd. 364 Velde 1897/1898 (Pan), S. 261. 365 Vgl. Grundriss, LC/S 3889, ENSAV, Brüssel. 366 Vgl. Maria van de Velde an Henry van de Velde, 1.4.1903, AML, FSX 786; Tagebuch 20.6.1903, 27.6.1903. 367 Innen-Dekoration 1903, Jg. XIV, S. 251–254, 260 f., 264. 368 Bodenhausen 1903 (Innen-Dekoration), S. 247. 369 Offenbar verlegte Kessler die Küche in das Hochparterre, obgleich auch im Dachgeschoss eine Küche vor gesehen war. 370 LC/S 3875, 3878, 3879, 3880, 3881, 3883, 3884, 3888, 3889, 3903, 3906, 3910. 371 Elf Speisezimmerstühle befinden sich in den Beständen der Klassik Stiftung Weimar. Vgl. Anm. Brief 153, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 1.2.1903. 372 Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.8.1918. 373 Eberhard von Bodenhausen an Henry van de Velde, 18.5.1903 (im Original auf Französisch), in: Bodenhausen 1955, S. 210. 374 Hugo von Hofmannsthal an Harry Graf Kessler, 8.3.1910, in: Burger 1968, Brief 267, S. 283. 375 Nostitz 1925, S. 82. 376 Sigurd Frosterus an Ida Frosterus, 20.12.1904, zit. nach Sarje 1998, S. 137. 377 Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.9.1903. 378 Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 6.12.1905, in: Burger 1968, Brief 120, S. 112. 379 Vgl. Brief 243, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 6.12.1905. 380 Maria van de Velde an Henry van de Velde, 11.12.1905, AML, FSX 784. 381 Gegenüber Hugo von Hofmannsthal prägte van de Velde 1906 den Ausdruck »au service d’un prince«. Wie Leonardo da Vinci oder Bramante fühlte er sich quasi als moderner Hofkünstler »im Dienste eines Prinzen«. Vgl. Henry van de Velde an Hugo von Hofmannsthal, 1.6.1906, DLA. 382 Vgl. Anm. Brief 159, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 23.2.1903. 383 Vgl. Briefe 146 und 147, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 22.12.1902, 27.12.1902. 384 Vgl. Brief 143, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 18.12.1902. 385 Vgl. Brief 147, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 27.12.1902. 386 Ebd. 387 Ebd. 388 Ebd. 389 Vgl. Brief 140, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 7.12.1902. 390 Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 9.4.1903, in: Burger 1968, Brief 45, S. 44. 391 Vgl. Brief 147, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 27.12.1902. 392 Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.8.1903. 393 Kessler weilte meist nur zu besonderen Anlässen mehrere Tage in Folge in Weimar, wie vom 14.2.–21.2.1903 anlässlich einiger Empfänge, vom 2.6.–6.6.1903 anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten des Großherzogs, vom 20.6–23.6.1903 anlässlich der Vorbereitung und Eröffnung der Klinger-Ausstellung sowie vom 30.7.– 5.8. 1903 zur Eröffnung der Ausstellung ›Deutsche und französische Impressionisten und Neo-Impres sionisten‹. 394 Vgl. Brief 161, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 7.4.1903. 395 Vgl. Brief 167, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 12.5.1903. 396 Vgl. Brief 171, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 20.7.1903; vgl. Föhl 2010, S. 102 f. 397 Vgl. Brief 170, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 20.7.1903. 398 Vgl. Brief 160, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 28.3.1903. 399 Vgl. Brief 97, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 13.12.1901. 400 Vgl. Anm. Brief 97, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 13.12.1901; vgl. Velde, Henry van de: Das Neue: Weshalb immer Neues?, in: Velde 1955, S. 235; Velde 1949, S. 247–250. 401 Vgl. Brief 162, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 7.4.1903. 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362
138 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung 402 403 404 405 406 407 408 409 410
411
412 413 414 415
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Vgl. Brief 164, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 18.4.1903. Vgl. Brief 173, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 31.10.1903. Vgl. Anm. Brief 184, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 12.2.1904. Vgl. ebd. LC/S 2102, 4385–4390, 4392. Karl Rothe an das Großherzogliche Hofmarschallamt, 28.8.1905, GSA. Vgl. Wahl 2008, S. 328–354. Vgl. Brief 178, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 6.12.1903. Die Besucherzahl des Museums für Kunst und Kunstgewerbe belief sich von Anfang März bis Ende Dezember 1903 auf ca. 5260 Besucher. Vgl. Post/ Werner 2006, S. 408. »Eröffnung der Ausstellung für das Publikum. Palézieux geht herum und jammert, dass ich sein Lebenswerk zerstört hätte. Als auch die Gräfin Werthern mir dies mit thränenerstickter Stimme wiederholte, sagte ich ihr sehr derb die Wahrheit. Im Übrigen wäre ich bereit zu gehen und Palézieux sein Museum wieder allein zu überlassen. Sie wurde fast ohnmächtig, musste sich setzen etc. Aber die Wirkung wird wohl erreicht sein. – Nachmittags kam der Grossherzog mit Schlieffen, lobte ausdrücklich die neue Einrichtung der Säle, was mir P. gegenüber einen Rückhalt giebt.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.11.1903). Ebd. Vgl. Brief 176, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 27.11.1903. Vgl. Brief 190, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 2.8.1904. Vgl. Brief 159, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 23.2.1903; vgl. Briefe 152 und 243, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 31.1.1903, 6.12.1905. Vgl. Brief 155, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 8.2.1903. Ebd. Vgl. Brief 156, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 11.2.1903. Vgl. Brief 198, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 7.10.1904. Vgl. Anm. Brief 198, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 7.10.1904. Vgl. Briefe 152, 154, 162, 178, 179, 186, 243, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 31.1.1903, 8.2.1903, 7.4.1903, 6.12.1903, 24.12.1903, 6.12.1905; vgl. Briefe 180 und 186, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 1.1.1904, 10.4.1904. Vgl. Briefe 152, 156 und 157, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 31.1.1903, 11.2.1903. Vgl. Brief 156, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 11.2.1903. Vgl. Brief 362 und 382, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 30.9.1913, 29.6./14.11.1925. Vgl. Brief 180, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 1.1.1904. Vgl. Brief 179, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 24.12.1903; vgl. Brief 180, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 1.1.1904. Vgl. Ausst. Kat. Marbach 1988, S. 139 f.; Ausst. Kat. Weimar 1999, S. 92 ff. Vgl. Brief 197, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 20.9.1904. Vgl. Briefe 184 und 220, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 12.2.1904, 13.7.1905. Vgl. Brief 197, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 20.9.1904. Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 10.11.1904, DLA. Vgl. Brief 201, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 2.1.1905. Ebd. Friedrich Grubert veröffentlichte 1919 den Roman ›Der Hofdämon oder ein Fürstengeheimnis‹. Vorbild für den Titelhelden Graf Falkner war kein anderer als Oberhofmarschall von Palézieux. Vgl. Grubert 1919; vgl. Post/ Werner 2006, S. 46. Vgl. Brief 201, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 2.1.1905. Ebd. Ebd. Vgl. Brief 202, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 6.1.1905. Velde 1962, S. 255. Vgl. Post/ Werner 2006, S. 133. Vgl. Brief 203, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 7.2.1905. Vgl. Ausst. Kat. Marbach 1988, S. 140 f.; Ausst. Kat. Weimar 1999, S. 94–97. Vgl. Brief 204, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 25.2.1905. Ebd. Vgl. Brief 206, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 4.3.1905. Ebd. Vgl. Brief 211, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 15.5.1905. Ebd. Vgl. Brief 208, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 30.3.1905.
Endnoten 139 450 451 452 453 454 455 456
457 458 459 460 461 462 463
464 465 466 467 468 469 470
471 472 473 474 475 476 477 478 479 480 481 482 483 484 485
486 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 498 499 500 501 502 503
Vgl. Brief 211, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 15.5.1905. Ebd. Vgl. Brief 204, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 25.2.1905. Ebd. Vgl. Brief 212, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 22.5.1905. Vgl. Velde 1962, S. 264–267; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 296; weiterführend: Hecht 2005. Wenige Jahre später erhielt Max Littmann den Auftrag zum Anbau des Südflügels am Weimarer Stadtschloss, der 1914 vollendet wurde. Vgl. Brief 218, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 9.7.1905. Vgl. Brief 222, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 20.7.1905. Ebd. Ebd. Vgl. Brief 245, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 21.1.1906. Ebd. Ebd. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 18./20.5.1906, AML, FSX, 784; Tagebuch Harry Graf Kessler, 26.4.1906, 19.5.1906. Vgl. Velde 1962, S. 275 f.; Velde 1995, S. 218; Velde 1999, S. 205. Vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 22.5.1906. Vgl. Anm. Brief 217, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 28.5.1905. Vgl. Walter 2001, S. 92. Vgl. Anm. Briefe 217 und 284, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 28.5.1905, 5.8.1908. Vgl. Brief 217, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 28.5.1905. Kessler bezieht sich in nur einem Schreiben an van de Velde explizit auf die »affaire Rodin«. Vgl. Brief 253, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 13.7.1906; weiterführend zum Rodin-Skandal vgl. Velde 1962, S. 284–290; Velde 1992, S. 228–237; Grupp 1995, S. 158–168; Wahl 1988, S. 56–78; Velde 1999, S. 194–200; Föhl 1999, S. 84–87; Post/ Werner 2006, S. 415–429; Föhl 2010, S. 108–116. Velde 1962, S. 287 f. Vgl. Brief 253, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 13.7.1906. Tagebuch Harry Graf Kessler, 13.7.1906. Vgl. Brief 253, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 13.7.1906. Vgl. Brief 257, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 18.9.1906. Vgl. Brief 254, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 17.7.1906. Vgl. Brief 263, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 30.12.1906. Ebd. Vgl. Harden 1906 (Die Zukunft), S. 505–510. Charles Aimé von Palézieux an Herzogin Elisabeth zu Mecklenburg-Schwerin, 30.12.1906, 5.2–4/1, LHAS. Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.4.1907. Vgl. Brief 263, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 30.12.1906. Ebd. Tagebuch Harry Graf Kessler, 13.8.1907. Offener Brief von Harry Graf Kessler, 14.1.1907, erschienen am 18. Januar 1907 in der Zeitung ›Deutschland‹; vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.12.1907. Vgl. Brief 264, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 15.1.1907. Ebd. Vgl. Brief 266, Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, 15.1.1907. Vgl. Brief 268, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 4.2.1907. Jenaische Zeitung, 12.2.1907. Vgl. Brief 269, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.2.1907. Ebd. Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.2.1907; vgl. Post/ Werner 2006, S. 132. Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.2.1907. Vgl. Brief 270, Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, 12.2.1907. Ebd. Ebd. Vgl. Brief 271, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 13.2.1907. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.3.1907, 1.4.1907. Vgl. Brief 279, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 10.1.1908.
140 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung Vgl. Brief 276, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 3.9.1907. Vgl. Briefe 275 und 286, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 30.8.1907, 1.9.1908. Vgl. Brief 286, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 1.9.1908. Vgl. Brief 276, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 3.9.1907. Vgl. Brief 284, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.8.1908. Vgl. Brief 291, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 28.5.1909. Vgl. Brief 283, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 31.7.1908. Vgl. Brief 284, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.8.1908. Ebd. Ebd. Ebd. 515 Ebd. 516 Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 26.9.1906, in: Burger 1968, Brief 131, S. 126 f. 517 Vgl. Anm. Briefe 197 und 282, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 20.9.1904, 19.7.1908; vgl. Anm. Briefkarte 13, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 29.3./5.4.1898. 518 »Unterschrieben haben für Deutschland Ansorge, Dehmel, Gerhard Hauptmann, Ludwig von Hofmann, Hofmannsthal, Klinger, Max Liebermann, Trübner, Tuaillon, Vandevelde, für England Conder, Gill, John ston, Ricketts, Rothenstein, C.H. Shannon, Shaw, Steer, Emery Walker, für Frankreich Bonnard, Cross, Denis, Gide, Maillol, Odilon Redon, Rodin, Rysselberghe, Signac, Vuillard.« (Vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.12.1908). 519 Vgl. Stamm 1969, S. 101–130; Stamm 1973/1975, S. 303–342; Krause 1984, S. 199–210; Ploegaerts/ Putte mans 1987, S. 323–327; vgl. Wollkopf 1990, S. 133–135; Ploegaerts 1999, S. 233–259; Kostka 2000 (b), S. 33–72; Föhl 2010, S. 221–234. 520 Vgl. LC/S 1502–1510, 2008, 2009, 2209–2217, 4505–4523, 5146, davon 1503 und 4523 fehlend, ENSAV, Brüssel. 521 Die an das Nietzsche-Archiv angrenzenden Grundstücke auf dem sogenannten ›Silberblick‹ wurden 1910 von dem Weinhändler Arno Krehan erworben. 522 Bereits Ende 1910 war in der Lokalpresse zu lesen: »Die Errichtung eines Nietzsche-Denkmals wird von der Schwester des Dichter=Philosophen Frau Elsbeth Förster=Nietzsche in Weimar vorbereitet. Die Bildung eines internationalen Denkmals=Ausschusses ist bereits im Gange. –« (undatierter Zeitungsartikel, aufge klebt auf einer am 16.12.1910 an Elisabeth Förster-Nietzsche gerichteten Postkarte eines unbekannten Ver fassers, GSA, Bestand NA, 72/2595a). 523 Elisabeth Förster-Nietzsche an Henry van de Velde, Briefkonzept, 29.12.1910, GSA, Bestand NA, 72/730d. 524 Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 5.1.1911, DLA. Van de Velde hielt sich über den Jahres wechsel 1910/11 in Neubeuern a./I. auf. Nach Erhalt des Briefes von Elisabeth Förster-Nietzsche vom 29.12.1910 telegraphierte er an die Archivherrin: »beregte [besagte, Anm. d. Verf.] angelegenheit mit Boden hausen und hofmannsthal besprochen bringe präcise vorschläge mit bitte inzwischen nichts tun nichts anderes entstehen lassen velde« (Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 31.12.1910, GSA, Bestand NA, 72/2595a). 525 Elisabeth Förster-Nietzsche an Henry van de Velde, 9.1.1911, AML, FSX 403. 526 Wie aus dem Schreiben von Harry Graf Kessler an Henry van de Velde vom 2. Februar 1911 hervorgeht, hatte Elisabeth Förster-Nietzsche in der Zwischenzeit mit Kessler Kontakt aufgenommen. »Heute erhielt ich je doch einen Brief von Frau Förster, darin sie mir von diesem Projekt eines Nietzsche-Denkmals berichtet und mich bittet, dem Komitee beizutreten. Ich habe selbstverständlich zugesagt und sie gleichzeitig um gewisse Vorschläge gebeten [...].« (vgl. Brief 306, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 2.2.1911). Der ange sprochene Brief an Harry Graf Kessler hat sich nicht erhalten. 527 Vgl. Brief 306, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 2.2.1911; Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster Nietzsche, 3.2.1911, DLA. 528 Vgl. Brief 306, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 2.2.1911; Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster Nietzsche, 3.2.1911, DLA. 529 Vgl. Brief 306, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 2.2.1911. 530 Ebd. 531 Vgl. Brief 307, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 3.2.1911. 532 Ebd. 533 Ebd. 534 Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster-Nietzsche, 5.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/BW 2710,3. 535 Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, Briefkonzept, 6.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/731a. 536 Vgl. Brief 308, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 7.2.1911. 537 Vgl. Brief 309, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 8.2.1911. 538 Ebd. 504 505 506 507 508 509 510 511 512 513 514
Endnoten 141 Die Entwürfe haben sich nicht erhalten. Vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.2.1911. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. Kostka 2000 (b), S. 45. Vgl. Briefe 300–302, 304, 305, 309, 318, 322–326, 359, 364. Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, Briefkonzept, 18.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/731a. Vgl. Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, Briefkonzepte, 13.2.1911, 17.2.1911, 18.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/731a; vgl. Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster-Nietzsche, 15.2.1911, 17.2.1911, 18.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/BW 2710,3. 548 Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, Briefkonzept, 17.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/731a. 549 Ebd. 550 Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, Briefkonzept, 20.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/731a. Als sich Elisabeth Förster-Nietzsche vom Denkmal-Gedanken zu distanzieren begann, betonte sie, sich nur auf Bitten von van de Velde dazu entschlossen zu haben, die ersten Aufforderungen zu übernehmen. Vgl. Elisabeth Förster-Nietzsche an Richard Dehmel (vermutlich dieser), 15.3.1911, GSA, Bestand NA, 72/2595a. 551 Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster-Nietzsche, 18.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/BW 2710,3. 552 Vgl. Brief 310, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 28.2.1911. 553 Ebd. 554 Vgl. Brief 312, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 1.4.1911. 555 Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.4.1911. 556 Vgl. Brief 314, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.4.1911. 557 Vgl. Stamm 1969, S. 108 f. 558 Vgl. Brief 314, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.4.1911. 559 Vgl. Brief 315, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 6.4.1911. 560 Vgl. Brief 316, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 12.4.1911. 561 Ebd. 562 Auf die besagten »Konfusionen« ging Kessler in einem Tagebucheintrag vom 28.4.1911 näher ein: »Die Verstimmung kam daher, dass sie aus einem Briefe des Grundstücksbesitzers Krehan geschlossen hatte, Vandevelde habe das Stadion Projekt angeregt, und wir hätten dann ›hinter ihrem Rücken‹ Projekte gemacht. Sie stimmte aber, ohne viele Umstände zu machen, dem Stadion Projekt doch bald bei unter der Bedingung, dass die ganze Anlage zur alleinigen Verfügung (also wohl im Besitz) der Nietzsche Stiftung bleibe.« (Tage buch Harry Graf Kessler, 28.4.1911). 563 Vgl. Anm. Brief 317, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 14.4.1911. 564 Vgl. Brief 317, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 14.4.1911. 565 Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster-Nietzsche, 15.4.1911, GSA, Bestand NA, 72/BW 2710,3. 566 Ebd. 567 Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, Briefkonzept, 19.4.1911, GSA, Bestand NA, 72/731b. 568 Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.4.1911. 569 Vgl. Brief 319, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 19.4.1911. 570 Vgl. Brief 321, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 3.5.1911. 571 Ebd. 572 Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 31.8.1911, in: Burger 1968, S. 340, Brief 322. 573 Grundbuchakte, Blatt 517, Amtsgericht Weimar. 574 Vgl. Brief 328, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 31.7.1911. 575 Ebd. 576 Vgl. Brief 329, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 3.8.1911; vgl. Telegramme 330 und 331, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 7.8.1911, 8.8.1911; vgl. Brief 332, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 11.8.1911. 577 Vgl. Brief 333, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 19.8.1911. 578 Vgl. Brief 335, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 21.8.1911. 579 Ebd. 580 Vgl. Anm. Telegramm 340, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 2.9.1911. 581 Vgl. Brief 338, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 30.8.1911. 582 Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.9.1911. 583 Bei dem von Kessler verschickten Informationsmaterial handelte es sich um die mittlerweile verschollenen Dokumente: Broschüre ›Olympische Spiele in Stockholm, 1912‹; zwei Photos eines moderneren, v-förmigen Stadions (vermutlich in Athen); Köster, August: Das Stadion von Athen, Berlin 1906, ›Sport im Bild‹, Nr. 539 540 541 542 543 544 545 546 547
142 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung 48, 1911 (mit dem Modell des Stadions von Stockholm für die Spiele 1912). Ferner existierten zwei weitere Briefe von Harry Graf Kessler an van de Velde vom 23.9.1911 mit Angaben über Stadionanlagen. Bis auf Teile der Broschüre ›Olympische Spiele in Stockholm, 1912‹ sind diese Dokumente verschollen (vgl. Inventarliste von Klaus-Jürgen Sembach, 1958/59; Fonds Henry van de Velde, Bibliothèque I. Errera de l’ ENSAV de La Cambre, Brüssel). 584 Vgl. Brief 346 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 25.9.1911. 585 Ebd. 586 Vgl. Brief 347, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 26.9.1911. 587 Ebd. 588 Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler [Abschrift], 2./12.10.1911, AML, FSX 403. 589 Ebd. 590 Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.10.1911. 591 Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster-Nietzsche, 22.10.1911, GSA Bestand NA, 72/393,5; vgl. Anm. Brief 350, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 27.10.1911. 592 Vgl. Brief 350, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 27.10.1911. 593 Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.11.1911. 594 Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.11.1911. 595 Vgl. Brief 349, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 17.10.1911. 596 Ebd. 597 Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.11.1911. 598 Ebd. 599 Tagebuch Harry Graf Kessler, 16.12.1911. 600 Vgl. Brief 351, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 12.12.1911. 601 Tagebuch Harry Graf Kessler, 23.3.1912. 602 Ebd. 603 Vgl. Brief 353, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 14.4.1912. 604 Ebd. 605 Vgl. Sitzungsprotokoll vom 9.6.1912; vgl. Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 23.4.1912, DLA. 606 Henry van de Velde an Maria van de Velde, 9.6.1912, AML, FSX 784. 607 Vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.6.1913; vgl. Brief 360, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.6.1913. 608 Vgl. Brief 361, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 30.9.1913; Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, Briefkonzept, 5.9.1913, GSA, Bestand NA, 72/733c; Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster Nietzsche, 12.9.1913, GSA, Bestand NA, 72/BW 2710,3; Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 3.10.1913, AML, FSX 504; Elisabeth Förster-Nietzsche an Henry van de Velde, 3.10.1913, AML, FSX 403; Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 8.10.1913, GSA, Bestand NA, 72/653,2; Elisabeth Förster Nietzsche an Henry van de Velde, 9.10.1913, 22.10.1913, 25.10.1913, 29.10.1913, 20.11.1913, AML, FSX 403; Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.11.1913; Henry van de Velde an unbekannt, 27.11.1913, AML, FSX 403; Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, Briefkonzept, 29.12.1913, GSA, Bestand NA, 72/733c. 609 Protokoll vom 21.12.1913, AML, FSX 403. 610 Velde 1962, S. 349–354; Velde 1995, S. 352–363; Velde 1999, S. 282–287. 611 Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 25.08.1918, GSA, Bestand NA, 72/653,3. Aufgrund der vielen orthographischen und grammatikalischen Fehler wurde auf die Ausweisung mit [sic] verzichtet. 612 Wilma de Brion an Henry van de Velde, 6.1.1938, AML, FSX 319. 613 Velde 1962, S. 427 f. 614 Vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.8.1917, 1.9.1917, 5.10.1917. 615 Vgl. Brief 368, Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, 25.11.1914. 616 Vgl. Brief 369, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 28.11.1914. 617 Vgl. Anm. Brief 369, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 28.11.1914. 618 Vgl. Brief 395, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.3.1931. 619 Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.3.1915. 620 Ebd. 621 Tagebuch Harry Graf Kessler, 12.4.1916, 13.4.1916. 622 Vgl. Anm. Brief 370, Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, 4.6.1917; vgl. Maria van de Velde an Henry van de Velde, 29.6.1916, 1.11.1917, 4.11.1917, 26.11.1917, AML, FSX 786. 623 Maria van de Velde an Henry van de Velde, 29.6.1916, AML, FSX 786. 624 Vgl. Grupp 1995, S. 220–236; vgl. Föhl 2010, S. 281–283.
Endnoten 143 Van de Velde zog in Bern zunächst in eine kleine Pension in der Sonnenbergstraße 19 und mietete sich Ende Juni 1917 eine Wohnung in der Junckergasse 57 in unmittelbarer Nähe zu Kesslers Büro. Im Frühjahr 1918 zog er mit seiner Tochter Nele nach Clarens. Ende 1918 mietete er das ›Haus am See‹ in Uttwil. 626 Vgl. Brief 370, Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, 4.6.1917; vgl. Brief 371, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 26.10.1918. 627 Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.10.1916. 628 Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.3.1918. 629 Vgl. Anm. Brief 370, Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, 4.6.1917. 630 Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.6.1918. 631 Vgl. Wahl 2007, S. 40, S. 377–392. 632 Vgl. Briefe 372, 373, 375, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 13.11.1920, 4.12.1920, 12.10.1921. 633 Vgl. Briefe 372 und 373, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 13.11.1920, 4.12.1920. 634 Vgl. Brief 372, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 13.11.1920. 635 Vgl. Brief 377, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 24.11.1923; vgl. Briefe 376, 380, 381, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.11.1923, 10.3.1925, 15.3.1925. 636 Vgl. Brief 376, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.11.1923; vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 23.3.1923, 1.4.1923, 9.11.1923. 637 Vgl. Bauakte Hildebrandstraße 11, Landesarchiv Berlin [B Rep 202 Nr. 3588]; vgl. Gauglitz 2005, o. S. 638 Vgl. Hugo Westberg an Harry Graf Kessler, 24.9.1929, 26.9.1929, 27.9.1929, DLA. 639 Vgl. Brief 393, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 17.12.1929. 640 Vgl. Föhl 2003, S. 171 [Anm. 5], 182; vgl. Gauglitz 2005. 641 Vgl. Brief 384, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 26.4.1927. 642 Ebd. 643 Vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.5.–2.6.1927. 644 Vgl. Brief 387, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 24.6.1927. 645 Vgl. Brief 388, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 20.7.1927. 646 Ebd. 647 Vgl. Brief 391, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 18.2.1928. 648 Vgl. Briefe 379, 381, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 8.3.1925, 15.3.1925; vgl. Brief 396, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 8.1.1933. 649 Zu Kesslers Erkrankungen vgl. Anm. Briefe 382, 394, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 29.6./14.11.1925, 26.2.1931. 650 Vgl. Brief 382, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 29.6./14.11.1925. 651 Ebd. 652 Vgl. Brief 393, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 17.12.1929. 653 Vgl. Brief 397, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 8.4.1933. 654 Vgl. Brief 395, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 5.3.1931. 655 Vgl. Brief 396, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 8.1.1933. 656 Vgl. Brief 398, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 5.8.1935. 657 »Il [Kessler] se rendra samedi, à la campagne chez sa sœur et si l’aspect ne trompe pas, il durera quelques années peut-être, mais caduc et brisé.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27.5.1937, AML, FSX 784). 658 Vgl. Brief 397, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 8.4.1933. 659 Ebd. 660 Vgl. Brief 398, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 5.8.1935. 661 Wilma de Brion an Henry van de Velde, 6.1.1938, AML, FSX 319. 662 Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.5.1937. 663 Vgl. Brief 400, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 14.8.1937. 664 Vgl. Kondolenzliste vom 7.12.1937, Nachlass A: Kessler, DLA. 665 Wilma de Brion an Henry van de Velde, 6.1.1938, AML, FSX 319. Vgl. Anm. 220. 666 Kessler bezieht sich hier auf die 1923 veröffentlichte, zweibändige Briefausgabe mit ausgewählten Briefen von Richard Dehmel aus den Jahren 1883 bis 1920. Am 22. Dezember 1924 schreibt er hierzu an Ida Dehmel: »Für die Art, wie die Briefe ausgewählt sind, möchte ich Ihnen im übrigen meine grösste Bewunderung aus sprechen. Die meisten Briefbände berühmter Männer bilden durch den vielen Kleinkram und die völlig belanglosen Briefe, die mit abgedruckt sind, eine ermüdende und enttäuschende Lektüre; dieser Briefband hat durch Ihre Auswahltätigkeit die Qualität behalten, die in Dehmels Persönlichkeit vielleicht die wertvollste war: die elektrisierende und lebenssprühende Schwungkraft, die in jedem Wort von ihm ausstrahlte.« (Harry Graf Kessler an Ida Dehmel, 22.12.1924, in: Kamzelak 2004, G.137–HGK.86–1924.02). 667 Gleiches gilt auch für zahlreiche Beilagen, wie z. B. Skizzen, Rechnungen, Fotos etc., die oftmals den Briefen beigefügt waren. 625
144 Der Briefwechsel: Eine kulturhistorisch-biographische Einführung 668 Im Gegenzug haben sich aus dem gleichen Zeitraum insgesamt 49 Schreiben von Kessler an van de Velde erhalten. 669 Besonders viele Briefe von Kessler aus dem Jahr 1906 nehmen Bezug auf Gegenbriefe von van de Velde, die nicht mehr existieren. 670 Harry Graf Kessler an Ida Dehmel, 19.11.1920, in: Kamzelak 2004, G.131–HGK.81–1920.07. 671 Vgl. hierzu Ott 1997, S. 29–45. 672 Claudine Lemaire bemerkte hierzu im Verzeichnis des schriftlichen Nachlasses von van de Velde: »Henry van de Velde a été extrêmement soigneux dans la conservation de son courrier, qui constitue à lui seul, une mine de renseignements non seulement concernant sa propre
activité mais aussi sur maint sujet artistique de la longue période à laquelle il a été intimement mêlé.« (Lemaire 1979, S. 30). 673 Vgl. Brief 215, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 26.5.1905. 674 Vgl. Brief 242, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 23.11.1905. 675 Vgl. Brief 260, Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Oktober 1906. 676 »Il n’était pas dans la nature ni les habitudes de H. Kessler d’attendre une réponse.« (in: Velde 1999, S. 283). 677 »Hochgeehrte gnädige Frau, aber natürlich war die Einladung ernst gemeint, und wenn kein Brief gefolgt ist, so bitte ich das auf eine konstitutionelle Misbildung zu schieben; ich bin ohne Briefe geboren wie Andre ohne Beine oder Arme.« (Harry Graf Kessler an Ida Dehmel, 2.2.1906, in: Kamzelak 2004, G.093–HGK.50– 1906.02). 678 Harry Graf Kessler an Wilma Gräfin Kessler, 9.2.1902, DLA. 679 Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 25.12.1903, DLA. 680 Vgl. Briefwechsel Alfred von Nostitz-Wallwitz an Harry Graf Kessler, DLA. 681 Vgl. Briefwechsel Wilma Gräfin Kessler (verh. de Brion) an Harry Graf Kessler, DLA. 682 Kessler duzte sich seit 1905 mit Hugo von Hofmannsthal (vgl. Briefwechsel Hugo von Hofmannsthal und Harry Graf Kessler, in: Burger 1968). 683 Vgl. Briefwechsel Eberhard von Bodenhausen und Harry Graf Kessler, in: Simon 1978. 684 Vgl. Weber 1992, S. 120. Van de Velde bezeichnete Stéphane Mallarmé als »Meistermagier«. Er hatte Mal larmé im Februar 1890 persönlich kennengelernt, als der Dichter mit einer Vortragstour durch Belgien reiste. Van de Velde durfte Mallarmé im Rahmen dieser Tournee zeitweise begleiten, u. a. nach Antwerpen. Eigenen Aussagen zufolge stattete er dem Dichter darüber hinaus einige Besuche in Paris ab. Vgl. Velde 1962, S. 70. 685 Vgl. Brief 3, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 28.11.1897. 686 Van de Velde beherrschte Französisch und Niederländisch gleichermaßen perfekt, Deutsch dagegen fehler haft. Nach Aussagen von Erica Hauptmann sprach van de Velde kein Englisch. Als Edward Gordon Craig 1904 in Weimar zu Gast war, musste sie dolmetschen. (Erica Hauptmann an Hans Curjel, 25.09.1961, Nach lass Curjel, DLA). 687 Vgl. Brief 37, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 3.4.1900, DLA. 688 Scheffler 1946, S. 28. 689 Redslob 1972, S. 42. 690 Ebd. 691 Sophie Herrmann schrieb er im Juni 1898 hierzu: »Der Graf von Kessler hat die gute gelungene Übersetzung geschrieben. Es war wirklich nicht leicht.« (Henry van de Velde an Sophie Herrmann, Juni 1898, in: Bothe 1989, S. 559 ff.; vgl. Brief 9, Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, 10.3.1898). 692 Vgl. Anm. Brief 178.
Editionsbericht 145
II. Edition und Kommentar Editionsbericht Die vorliegende Edition des Briefwechsels zwischen Henry van de Velde und Harry Graf Kessler dokumentiert alle überlieferten Schriftstücke textgetreu und vollständig. Folgende Richtlinien liegen der diplomatischen Transkription zugrunde. Sowohl die Interpunktion als auch die historisch bedingte Schreibweise mit ihren Eigentümlichkeiten wurden beibehalten. Grammatikalische oder orthographische Fehler wurden übernommen und mit [sic] markiert. Fehlende Satzzeichen sowie fehlende Buchstaben wurden ergänzend in eckige Klammern [.] gesetzt und Abkürzungen nach gleichem Modell (v[on]. Bod[enhausen].) aufgelöst. Unleserliche Worte oder Textteile wurden mit [unleserlich], fehlende Worte oder Wortgruppen mit [fehlend] markiert, vormalige Verschreibungen und einzeln gestrichene Buchstaben oder Zeichen nicht dargestellt. Für die Korrespondenten bezeichnende Eigenheiten, wie ›HKessler‹, wurden beibehalten. Unterschriften, Nachschriften und andere Hinzufügungen von dritter Hand wurden mit [von anderer Hand] gekennzeichnet. Einmal oder mehrfach unterstrichene Worte, Wortgruppen oder Zahlen sind unterstrichen, innerhalb als Kommentare ausgewiesener Textpassagen kursiv-unterstrichen gekennzeichnet. Sonstige erläuternde Textpassagen sind kursiv gesetzt und werden innerhalb der Kommentare in dieser Form wiederholt. Verschiedene Formen und Platzierungen von Anführungsstrichen wurden zu [»«] vereinheitlicht. Die Absätze wurden übernommen, der Zeilenfall indes geändert. Jedes Schriftstück wird durch folgendes Informationsschema eingeleitet: Laufende Nummer Verfasser an Empfänger Ort Datum Standort der Handschrift, Signatur, Bestand Art des Schriftstücks Briefkopf Von der Herausgeberin angefügte Ergänzungen und Erschließungen wurden in eckige Klammern gesetzt und Unklarheiten in Bezug auf Datierung, Ort etc. im Kommentar abgehandelt sowie Abkürzungen im Abkürzungsverzeichnis aufgelöst. Dem technischen Kopf schließt sich das jeweilige Briefdokument in der Originalsprache an. Es folgt der Einzelkommentar. Zu kommentierende Textstellen sind kursiv wiedergegeben. Das Ziel des Kommentars besteht darin, Personen, Geschehnisse, Orte, Werk- und Sachhinweise zu identifizieren und zum Verständnis des Schriftstückes zu erläutern.
146 Edition und Kommentar
Briefe und Kommentare 1
Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], Jeudi soir [4.11.1897] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Briefkarte
Jeudi soir mon cher Monsieur C[om]te de Kessler Puis-je me rendre chez vous demain vers 4 heures? C[onstantin]. Meunier arrive demain matin et [je] me devrai rendre par conséquent à la gare et toute ma journée est prise par les travaux von Bodenhausen. S’il ne vous convenait pas que je viens [sic] à 4 heures vous m’avertiriez n’est-ce pas? J’ai si bon souvenir de l’après-midi que nous avons passé ensemble. Je vous suis bien respectueusement dévoué Henry van de Velde Jeudi soir: Die Briefkarte datiert vom Donnerstag, den 4. November 1897. Während Henry van de Velde seit Ende Oktober bei Curt und Sophie Herrmann (vgl. Brief 7) in Berlin weilte, kehrte Harry Graf Kessler aus Brüssel kommend am 1. November 1897 nach Berlin zurück, wo am gleichen Tag die erste dokumentierte Begegnung zwischen Kessler und van de Velde stattfand (Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.11.1897). Constantin Meunier kam wiederum am 5. November 1897 morgens in Berlin an. Gemeinsam mit Henry van de Velde war er am selben Abend bei Harry Graf Kessler eingeladen (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 12.10.1897, Privatarchiv; Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.11.1897). Émile Constantin Meunier (1831–1905), belgischer Zeichner, Maler und Bildhauer. Constantin Meunier und Henry van de Velde waren bereits seit 1887 freundschaftlich verbunden. Meunier war zu dieser Zeit Professor an der Akademie der Schönen Künste in Löwen. Gemeinsam mit van de Velde wurde er 1895 wie viele andere Künstler von Siegfried Bing beauftragt, die Pariser ›Galerie de l’Art Nouveau‹ auszustatten. Während van de Velde die Gestaltung von drei Zimmereinrichtungen für die Kunstgalerie übernahm, wurde Meunier mit der Ausstellung seines skulpturalen Werks betraut. Einhergehend mit der frappierenden Neuartigkeit der Galerie richtete sich die Aufmerksamkeit zahlreicher Kunstliebhaber, unter ihnen Eberhard von Bodenhausen und Harry Graf Kessler, auf die Arbeiten der beiden Belgier. Auch der damalige Vortragende Rat im Generaldirektorium der Dresdner Museen Woldemar von Seidlitz fuhr nach Paris, um sich als Mitglied der Kommission ›Internationale Kunst-Ausstellung Dresden‹ über die ›Neue Kunst‹ (›Art Nouveau‹) zu informieren. Auf seinen Wunsch hin wurden van de Velde und Meunier zur Teilnahme an der groß angelegten Dresdner Schau eingeladen. Die Belgier reisten daraufhin im April 1897 nach Dresden, um die Aufbauten vorzunehmen. Während van de Velde fünf Zimmereinrichtungen unter dem Titel ›L’Art Nouveau,
Briefe und Kommentare 147 Paris‹ präsentierte, stellte man Meunier zwei große Säle zur Verfügung. Mit der Eröffnung der Ausstellung am 1. Mai 1897 und dem unerwarteten Erfolg beim Publikum wurden die belgischen Künstler in Deutschland bekannt. Kessler lernte Meunier am 5. November 1897 kennen. Er erwarb wenig später den ersten Abguss von Meuniers Bronze ›Bûcheron‹ (›Holzfäller‹; vgl. Anm. Brief 4). Van de Velde besaß eine Büste seines eigenen Abbilds von Meunier, die aus dem Jahr 1899 datiert. 1911 vermittelte er Reliefabgüsse von Meuniers ›Monument au Travail‹ (›Monument der Arbeit‹) für das Abbe-Denkmal in Jena (vgl. Anm. Brief 202). demain matin: Während sich van de Velde bereits in Berlin aufhielt, reiste Meunier erst am 5. November 1897 anlässlich seiner Ausstellung in der Galerie Keller & Reiner an, die am 9. November 1897 eröffnet wurde. Am 21. November 1897 begaben sich van de Velde und Meunier mit dem ›Nordexpress‹ zurück nach Brüssel (Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.11.1897). Hans Eberhard Freiherr von Bodenhausen-Degener (1868–1918), Jurist, Kunsthistoriker, Schriftsteller, Industrieller, Mäzen, Freund der beiden Korrespondenten. Eberhard von Bodenhausen war seit dem gemeinsamen Studium der Jurisprudenz in Bonn und Leipzig mit Harry Graf Kessler befreundet. Während der Potsdamer Referendarzeit schloss sich Bodenhausen dem Künstlerkreis des Berliner Lokals ›Zum Schwarzen Ferkel‹ an, aus dem 1894 die Genossenschaft ›Pan‹ hervorging. Als Erster Vorsitzender leitete er zusammen mit Harry Graf Kessler und anderen namhaften Persönlichkeiten die Zeitschrift ›Pan‹ bis zur Liquidation im Jahr 1900. Bodenhausen unterstützte van de Velde 1897/98 tatkräftig beim Aufbau eigener Werkstätten in Brüssel und gründete 1898 die ›Henry van de Velde-GmbH‹ in Berlin. Er vermittelte und widmete ihm 1897 einen langen Artikel im ›Pan‹ (Bodenhausen 1897 [Pan], S. 121 f.). Nach dem Ausscheiden aus dem Staatsdienst gründete Bodenhausen zusammen mit Angus und Morton von Douglas die Nährmittelfirma ›Tropon‹, deren Corporate Design von Henry van de Velde entworfen wurde. Im Herbst 1902 nahm Bodenhausen das Studium der Kunstgeschichte in Heidelberg auf. Nach einer erfolglosen Bewerbung um den Direktorenposten am Frankfurter ›Städel‹ wurde Bodenhausen zunächst Volontär bei der Deutschen Bank in München, zugleich Teilhaber beim süddeutschen Zementverband in Geislingen. 1906 trat er der Friedrich Krupp AG in Essen bei. Ende 1907 avancierte er dort zum Direktor und 1918 zum Aufsichtsratsvorsitzenden. 1917/18 wurde er als Reichskanzler vorgeschlagen. Bodenhausen starb kurz vor seinem 50. Geburtstag im Frühjahr 1918 an den Folgen steter Überlastung. Eberhard von Bodenhausen stand zeit seines Lebens in engem freundschaftlichen Austausch mit Kessler und van de Velde. Er war maßgeblich an van de Veldes Etablierung in Deutschland sowie an vielen gemeinschaftlichen Projekten beteiligt, die im Zusammenhang mit der kulturellen Neubelebung Weimars standen. Der Briefwechsel mit Kessler wurde 1978 von Hans-Ulrich Simon ediert (Simon 1978). Der Briefwechsel mit van de Velde erschien auszugsweise 1955 (Bodenhausen 1955). Darüber hinaus führte Bodenhausen unregelmäßig Tagebuch (Tagebuch Eberhard von Bodenhausen, DLA). les travaux von Bodenhausen: Wie Harry Graf Kessler wurde Eberhard von Bodenhausen 1895 durch die Pariser Galerie ›L’Art Nouveau‹ auf Henry van de Velde und dessen Werk aufmerksam. Im Mai 1897 besuchte er gemeinsam mit Angus von Douglas van de Veldes Haus Bloemenwerf in Uccle. Nach Besichtigung der Dresdner ›Internationalen Kunst-Ausstellung‹ reifte in Bodenhausen der Entschluss, die komplette Neuausstattung seiner Berliner Wohnung in der Brückenallee 27 an van de Velde zu übertragen. Ausschlaggebend hierfür war die bevorstehende Hochzeit mit Dorothea (gen. Dora, Mädi) Gräfin von Degenfeld-Schonburg am 23. Oktober 1897. Unter der Last, drei Berliner Aufträge gleichzeitig ausführen zu müssen, gelang es van de Velde nicht, die Einrichtung für Eberhard von Bodenhausen termingerecht
148 Edition und Kommentar fertigzustellen. Offensichtlich war er noch im November 1897 mit den Arbeiten dafür beschäftigt. Der Auftrag umfasste neben der Einrichtung von Arbeitszimmer, Speisezimmer, Salon, Damen- und Schlafzimmer auch die Ausführung kunstgewerblicher Arbeiten, wie Silber, Schmuck und Kleider für Dora von Bodenhausen. Vermutlich waren die Arbeiten spätestens im Sommer 1898 abgeschlossen, denn das erste Heft der ›L’art décoratif‹ zeigte im Oktober 1898 Interieuraufnahmen der Ausstattung (Velde 1898 [L’art décoratif], S. 21, 42). Die Wohnung wurde zerstört. Das Mobiliar gilt als verschollen. Lediglich kleinere kunstgewerbliche Arbeiten haben sich erhalten (vgl. Becker 1993, S. 63; Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 18.12.1897, 15.1.1898, DLA).
2 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], Vendredi [19.11.1897] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Kartenbrief mit Umschlag
Vendredi 3 heures. Je n’ai osé prendre sur moi de mener M[onsieur]. Meunier à Grünewald [sic] aujourd’hui; mon cher Monsieur. Il s’est beaucoup fatigué et ce matin je l’ai trouvé souffrant un peu et fiévreux! Je vous écris – en hâte – cette carte pour vous rassurer, tout à fait, et pour vous prier de nous indiquer l’heure à laquelle nous pourrons prendre congé de vous, demain. (Samedi) Un mot – je vous prie – par Rohrpost? Je peux me libérer sûrement entre 2 et 4 heures. Croyez, je vous prie, mon cher Monsieur à mon cordial dévouement. Henry v[an]. d[e]. Velde Kartenbrief mit Umschlag: Der Umschlag zum zugehörigen ›Kartenbrief‹ trägt die Aufschrift: »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Köthenerstrasse 28. Berlin.« sowie zwei Stempel »Berlin 19.11.97« und »Bestellt vom Postamte 19.11.97«. Vendredi 3 heures: Die Briefkarte datiert von Freitag, dem 19. November 1897. Am folgenden Tag vermerkt Harry Graf Kessler im Tagebuch: »Meunier und van de Velde Nachmittags zum Abschiedsbesuch bei mir.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.11.1897) Grünewald: Van de Velde meint den Berliner Grunewald, ein beliebtes Ausflugsgebiet. souffrant: Meunier war zu diesem Zeitpunkt 66 Jahre alt. Bereits vor Reiseantritt zur ›Internationalen Kunst-Ausstellung‹ nach Dresden im April 1897 fürchtete er eine zu starke physische Belastung. Insbesondere Madame Meunier zeigte sich bekümmert, ihren »kränklichen, betagten Mann allein in ein weit entferntes Land reisen zu sehen« (Velde 1962, S. 130; vgl. Velde 1992, S. 326).
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3 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], Dimanche soir Nov[embre]. [18]97 [28.11.1897] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
Dimanche soir Nov[embre]. 97. Je vous envoie 3 échantillons de bois-acajou teinté – et vous prie, mon cher Monsieur, de me renvoyer celui qui s’approche le plus du ton des meubles de votre bureau – salon en m’indiquant s’il est plus ou moins foncé? J’ai travaillé aux plans d’un nouveau porte-manteaux et espère pouvoir le donner dans 2 ou 3 jours à l’exécution. Je promets de ne rien négliger afin de vous tirer aussi tot [sic] que possible d’embarras. Mais en ceci, mon désir et mon activité ne suffisent; j’ai à compter avec un trouble persistant d’avoir vécu dans un milieu et dans une atmosphère autre que les habituels! J’ai l’esprit comme une eau qu’on a agitée trop fort! Songez à la multiplicité des sensations, des sympathies et des relations que j’ai emmagasinées. Les uns et les autres me brouillent le cerveau et ce sera tant que le dépot [sic] sera accompli; alors il restera deux facteurs bien puissants qui m’aideront dans mon travail et me donneront des forces: l’appoint, que j’ai puisé parmi vous, à ma conviction qu’il ne peut importer que des recherches de formes simples et pures et l’affection que je veux personnellement vous vouer. Encore faut-il que vous me le permettiez! Je considère des heures comme celles que nous avons passées ensemble à Berlin, comme la récompense de mon travail – un peu excessif quand même; au moins, il y parait [sic] à certains moments d’éffondrement [sic] physique et moral. La présence de Meunier solennisait cette communion de tout l’éclat de son génie et de sa Bonté. Ce furent, n’est-ce pas, de grandes Fêtes? Et je pense, qu’Elles nous auront éclairés sur le rôle que chacun de nous à à remplir et sur nos responsabilités. Vraiment ces jours marqueront dans ma vie à moi et je vous rémercie [sic], mon cher Monsieur de Kessler, d’avoir tant contribué à ce qu’ils furent tels! Je vous présente mes compliments bien cordiaux Henry van de Velde Firmensignet: Henry van de Velde verwendete für die Gestaltung des Briefkopfes die zwei verschlungenen Initialen ›VV‹. Dieses Künstlersignet, das von Mitte 1897 datiert und fortan als Kennzeichnung sämtlicher künstlerischer Arbeiten Verwendung fand, ließ van de Velde am 31.5.1899 anlässlich der im Vorjahr gegründeten van de Velde-GmbH als Schutzmarke beim
150 Edition und Kommentar Kaiserlichen Patentamt Berlin eintragen (vgl. Zeichenrolle des Reichspatentamtes, Nr. 38117, Klasse 42). Das Signet wurde am 27.3.1909 gelöscht. 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES): Van de Velde war mit seiner Familie von Februar 1896 bis Oktober 1900 im Haus Bloemenwerf im Brüsseler Vorort Uccle unter dieser Anschrift wohnhaft (vgl. Anm. Brief 47). Dimanche soir Nov[embre]. 97: Der Brief datiert vom Sonntag, den 28. November 1897. Henry van de Velde hatte eine Woche zuvor zusammen mit Constantin Meunier Berlin verlassen, um nach Brüssel zurückzureisen (vgl. Anm. Kartenbrief 2). 3 échantillons: Am 1. November 1897 vermerkte Harry Graf Kessler im Tagebuch: »Van de Velde aufgesucht wegen der Nietzsche Ausgabe u. meiner Möbel.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.11.1897). In Kessler war der Wunsch, die eigene Berliner Wohnung in der Köthener Straße 28 durch van de Velde ausstatten zu lassen, schon im September 1897 gereift (vgl. Anm. Brief 4). Das Vorhaben konkretisierte sich nach einem Besuch im Brüsseler Haus des Künstlers im Oktober 1897 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 31.10.1897). Der knapp einmonatige Aufenthalt in Berlin im November 1897 bot van de Velde dann Gelegenheit, nicht nur Harry Graf Kessler persönlich kennen zu lernen, sondern auch hinsichtlich der gewünschten Wohnungsausstattung in Austausch zu treten. Zurück in Brüssel begann van de Velde zügig mit der Ausführung des neuen Privatauftrages, bei dem es sich um die Ausgestaltung des Speisezimmers und eines kombinierten Wohn- und Arbeitszimmers handelte. Wie im Brief erwähnt, versandte van de Velde drei Holzproben mit verschieden gebeiztem Mahagoni für die Möbel des Arbeitszimmers und des Salons und versprach die sofortige Ausführung der Garderobe. Zwei historische Photographien dokumentieren die Einrichtung dieser Wohnung. Sie zeigen allerdings nur einen Ausschnitt des Speisezimmers. Einige Möbelstücke, u. a. Ofenschirm, Piedestal, Tisch, Büffets und Beschläge, wurden im ersten Heft der ›L’art décoratif‹ 1898 (S. 40 f., 43), in ›The Studio‹ 1899 (S. 207 f.) sowie in van de Veldes Brüsseler und Berliner Geschäftskatalog von 1899 (S. 20–23) abgebildet.
4 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], ce dernier jour de l’an 97 [31.12.1897] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
ce dernier jour de l’an 97 Ci-joint, mon cher Monsieur, un croquis du piedestal [sic] que je projette pour votre groupe de la »Danse«! Il serait massif et sculpté. Je ne vous soumets ce croquis que pour nous mettre d’accord sur nos intentions car je ne pourrai me décider que quand je dessinerai grandeur nature. Je me rendrai compte alors s’il n’est pas trop lourd dans ce haut s’il importe de l’ajourer, etc... Le bloc en acajou massif vaudra je m’imagine une centaine de francs et le
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prix de la sculpture ne peut être établi que dès que mon grand dessin sera terminé. Le piedestal [sic] pour le »Bucheron« [sic] serait d’un tout autre caractère s’entend, de la menuiserie puissante et simple. Je m’en occupe et vous soumettrai un croquis également. On a commencé les meubles de votre Salon à manger et je prévois que pour les deux dressoirs le cout [sic] pour chacun d’eux serait augmenté d’une centaine de francs par le fait de faire l’intérieur en frêne de Hongrie. Mais j’insiste sur le coté [sic] »rare et raffiné« de pareille exécution. Me disez-vous aussi tot [sic] que possible si je peux passer outre cette considération et pousser à l’achèvement. L’occasion se présentant de vous renouveller [sic] mes vœux du bout de l’an, je les »récidive« bien volontiers en mon nom et en celui de Madame van de Velde. Affectueusement Henry van de Velde ce dernier jour de l’an 97: Der Brief datiert vom Freitag, den 31. Dezember 1897. croquis: Die Skizze liegt dem Brief nicht mehr bei. piedestal: Der Sockel ist nach derzeitigem Wissensstand nicht nachweisbar. votre groupe: Gustav Vigeland, La Danse, 1895 (Bronze, H: 32 cm, B: 26,5 cm, T: 16 cm, Verbleib unbekannt). Ein Gips- und ein Bronzeabguss befinden sich im Vigeland-museet, Oslo. Es handelt sich um die Bronze ›La Danse‹ (›Der Tanz‹) des norwegischen Bildhauers Gustav Vigeland. Kessler hatte im Dezember 1894 erstmals Photographien dieser Gruppe während eines Besuches bei dem polnischen Schriftsteller Stanisław Przybyszewski gesehen. Er war sofort verzückt: »Kaum jemals habe ich die Seligkeit der Liebe mit solcher Macht wiedergegeben gesehen wie in Viegelands Gruppe des Tanzes; hier ist die Bewegung, die Inbrunst, die die Liebenden in ihre Umarmung legen, der gewaltige Rhythmus, nach dem sie im Takte ihrer Glieder schwingen, ist die Verschwendung dieser leidenschaftlichen Kraft blos das Mittel des Gefühls, nicht um sich auszudrücken sondern um sich von seiner eigenen Übermacht zu befreien.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 7.12.1894). Im April 1895 gab Kessler einen Abguss der Bronze bei Vigeland in Auftrag (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.4.1895). piedestal: Henry van de Velde, Sockel, 1897/98 (vermutlich Mahagoni, Messing, H: 120 cm, Verbleib unbekannt). Van de Velde fertigte für Meuniers Bronze ›Bûcheron‹ eigens einen fahrbaren Holzsockel auf Rollen. Der Sockel wurde sowohl in der ›L’art décoratif‹ als auch in van de Veldes Geschäftskatalog abgebildet und in der Münchner Secessions-Ausstellung von 1899 präsentiert (Velde 1898 [L’art décoratif], S. 41; Velde 1899, Geschäftskatalog Brüssel/ Berlin, Modell XIII, No. 13, S. 20; Ausst. Kat. München 1899, Nr. 548; Pecher 1981, S. 151, 296, Nr. 1710). »Bucheron«: Constantin Meunier, Bûcheron (Holzfäller), vor 1897 (Bronze, H: 51,3 cm, Verbleib unbekannt). Ein Bronzeabguss befindet sich in den Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel, Inv. Nr. 10.000/98. Kessler erwarb den ersten Abguss des ›Bûcheron‹
152 Edition und Kommentar (›Holzfäller‹) von Constantin Meunier nach dessen Vernissage bei Keller & Reiner in Berlin am 9.11.1897 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.11.1897). Eine historische Photographie zeigt die Bronze in Kesslers Speisezimmer in der Köthener Straße. dressoirs: Wie aus einem Brief Eberhard von Bodenhausens an Kessler hervorgeht, widmete sich van de Velde bereits im September 1897 der Ausstattung von Kesslers Speisezimmer: »Ihre Dressoirs werden gearbeitet, wie auf der Photographie Sie sie gesehen haben. Er will aber Probe Ihres Weiß haben. Doch hat das noch Zeit.« (Eberhard von Bodenhausen an Harry Graf Kessler, 25.9.1897, in: Simon 1978, Brief 72, S. 40). Es handelt sich hierbei um die in der ›L’art décoratif‹ und im Brüsseler und Berliner Geschäftskatalog abgebildeten Anrichten mit Schleiflack und Zinnbeschlägen (Velde 1898 [L’art décoratif], S. 35, 41; Velde 1899, Geschäftskatalog Brüssel/ Berlin, S. 22, Modell VII, No. 113).
5 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Paris], 3.1.1898 [Poststempel: 4.1.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Rohrpostkarte
Mon cher Monsieur Mon ami Signac me donne votre adresse, à l’instant même. Je vous avais telegraphié [sic] aujourd’hui à Berlin. Je prendrai le train demain soir (Mardi) à 6,20 heures. Nous voyagerons ensemble et rentrerons chez moi, si vous me l’accordez. Bien cordialement Henry van de Velde Serai chez Meier-Graëfe [sic] 37 rue Pergolèse depuis midi. Rohrpostkarte: Die Rohrpostkarte wurde am Montag, den 3. Januar 1898, verfasst und am 4. Januar 1898 aufgegeben. Sie ist adressiert an »Monsieur le C[om]te H[arry]. de Kessler Boulevard de Montmorency 19 Paris« und gestempelt mit »Paris 4 Janv[ier]. 98 Depart«. Die restlichen Poststempel sind unleserlich. Paul Signac (1863–1935), französischer Maler des Neoimpressionismus, Kunstschriftsteller. Paul Signac und Henry van de Velde kannten sich seit 1887. Ihre Freundschaft intensivierte sich im darauffolgenden Jahr, als Signac eine Einladung zur Teilnahme am Salon der Künstlervereinigung ›XX‹ in Brüssel wahrnahm. Van de Velde, damals noch selbst Maler, beschäftigte sich nicht nur mit der von Signac propagierten divisionistischen Maltechnik, er erwarb auch sukzessive einige neoimpressionistische Gemälde seines französischen Freundes, die späterhin zu zentralen Bestandteilen seiner eigenen Wohninterieurs wurden. Wie aus der vorliegenden Karte hervorgeht, stattete van de Velde dem Maler zusammen mit Julius Meier-Graefe am 3. Januar 1898 einen Atelierbesuch in Paris ab. Bereits am Tag zuvor hatte ein Treffen stattgefunden, wie Paul Signac in seinem Tagebuch festhielt: »Le soir bonne visite de van de Velde
Briefe und Kommentare 153 accompagné du critique d’art allemand Meier-Graefe. Autant Kessler dégage du charme et de la finesse, autant celui-là est lourd et rasant. Je crois d’ailleurs qu’il ne comprend rien à l’art.« (Rewald 1952, S. 272 f.). Kessler hatte Paul Signac zum ersten Mal am 29. Dezember 1897 im Rahmen seiner Tätigkeit für die Kunstzeitschrift ›Pan‹ in Paris aufgesucht (Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.12.1897). Aufgrund seiner spontanen Begeisterung für die »lichttolle« Kunst ermöglichte er Signac, 1898 im ›Pan‹ zu publizieren und im gleichen Jahr in der Berliner Galerie Keller & Reiner auszustellen (Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, 29.12.1897, in: Simon 1978, Brief 74, S. 40 ff.). Wie van de Velde erwarb auch Kessler einige Arbeiten für seine eigene Privatsammlung und betätigte sich gleichfalls als Agent. Er vermittelte Gemälde des Künstlers an Kunstliebhaber, wie z. B. Kurt von Mutzenbecher, und präsentierte sie 1903 und 1905 im Rahmen von Werkschauen im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe (Kostka 1996, S. 197–210; Neumann 2000, S. 35 f.; Walter 2001, S. 92 f.). voyagerons ensemble: Van de Velde befand sich Anfang 1898 in Paris. Er plante offensichtlich, mit Kessler am Dienstag, den 4. Januar 1898, nach Brüssel zu reisen. Dieses Vorhaben kam jedoch nicht zustande, wie aus Brief 6 hervorgeht. Julius Meier-Graefe (1867–1935), Kunstschriftsteller, Kunstkritiker, Novellist, Kunsthändler, Verleger, Mitbegründer des ›Pan‹. Julius Meier-Graefe und Siegfried Bing gehörten zu den ersten Förderern van de Veldes. Sie kannten van de Velde seit einem gemeinsamen Besuch im Frühjahr 1895 in Uccle. Meier-Graefe, zu jener Zeit noch für die Kunstzeitschrift ›Pan‹ tätig (Rücktritt im September 1895), suchte ebenso wie Bing die neuen Kunstgewerbeströmungen zu erkunden. Wie van de Velde in seinen Memoiren erwähnt, war Meier-Graefe durch das Studium der Zeitschrift ›La Société Nouvelle‹ und der 1894 erschienenen Schrift ›Déblaiement d’Art‹ auf van de Velde aufmerksam geworden. Als Folge des ersten Besuches entwickelte sich eine fruchtbare Zusammenarbeit (Velde 1962, S. 102 ff.; Velde 1992, S. 262 ff.; Velde 1999, S. 79 ff.). Bing beauftragte van de Velde mit der Ausführung von Möbeln, und Meier-Graefe machte den Künstler über Zeitschriften publik. Letzterer ehrte van de Velde 1898/99 mit einem Sonderheft in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift ›L’art décoratif‹ bzw. ›Dekorative Kunst‹ und übertrug ihm 1897 die Innengestaltung seiner Pariser Redaktionsräume der ›L’art décoratif‹ sowie seines 1899 gegründeten Einrichtungshauses ›La Maison Moderne‹ in der Rue des Petits Champs 82. Meier-Graefe gehörte zu den Initiatoren der Kunstzeitschrift ›Pan‹ und lernte in diesem Umkreis 1894 auch Harry Graf Kessler kennen, mit dem er einen eher distanzierten gesellschaftlichen Austausch pflegte (Krahmer 2001, S. 528). 37 rue Pergolèse: Anschrift von Meier-Graefes Pariser Redaktion der Zeitschrift ›L’art décoratif‹. Van de Velde hatte von Julius Meier-Graefe den Auftrag erhalten, das dortige Arbeitszimmer und den Bibliotheksraum unter Einbeziehung des Gemäldes ›Le Cahut‹ von Georges Seurat einzurichten. Die Arbeiten waren im September 1897 ausgeführt (Henry van de Velde an Curt Herrmann, 17.9.1897, in: Bothe 1989, Brief 220, S. 535; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 264).
154 Edition und Kommentar
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Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], Dimanche Janv[ier]. [18]98 [9.1.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
Dimanche Janv[ier]. 98. Comme j’ai regretté de n’avoir pu ni vous rencontrer ni vous ramener de Paris, mon cher Monsieur. Depuis mon retour, je vous attends, tous les jours. Viendrez-vous vraiment encore ou bien êtes-vous à Berlin, déja [sic]? Je vous félicite chaleureusement des acquisitions que vous avez faites à Paris. C’est crâne et vous vous êtes ménagé là de bien belles sensations. J’ai expédié hier le »meuble à estampes« et le »porte-manteaux«. Chacun est dans une caisse et porte votre adresse. J’expédierai demain les garnitures en metál [sic]; elles ont été ajustées toutes à part la menotte pour le meuble à estampes. La place s’indique [sic] le bac basculant, mais si vous doutiez le moins du monde veuillez attendre mon arrivée, s’il vous plait [sic]. Je suis forçé [sic] de faire cette expédition en deux envois différents afin d’eviter [sic] de gros frais de douane. Je n’ai pas fait faire içi [sic] le bac en cuivre qui doit se trouver dans le fond de l’espace reservée [sic] aux parapluies. Vous trouverez aisément quelqu’un qui vous le fera à Berlin. Je ne l’ai pas fait içi [sic] parce que cette exécution eut retardé assurément l’envoi. Il n’ y a que six crochets au porte-manteaux: 4 de dimension plus petite et 2 de dimension plus grande. Ils se placent comme suit: [Skizze] les deux côtés de la glace (que vous ferez également mettre à Berlin, n’estce pas?[)] Je vous enverrai avec la tringlette qui doit retenir les parapluies un calque du plan qui vous indiquera sa place exacte. Je m’occupe du piédestal [sic] = Meunier et attends votre réponse au sujet [de] l’autre. Je ferai l’impossible pour que tout ou à peu près tout vous parvienne en même temps que l’expédition pour M[onsieur]. de Douglas. Croyez moi [sic] bien cordialement dévoué Henry van de Velde.
Briefe und Kommentare 155 Dimanche Janv[ier]. 98: Dieser Brief datiert vom Sonntag, den 9. Januar 1898. Dem Inhalt nach folgte er unmittelbar auf die Rohrpostkarte vom 3. Januar 1898. à Berlin: Kessler befand sich am Tag der Abfassung dieses Briefes schon in Berlin, um an der Redaktionssitzung des ›Pan‹ teilzunehmen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.1.1898). acquisitions: Harry Graf Kessler hatte in Paris Ende Dezember 1897 wichtige Kontakte zu zeitgenössischen Malern, wie Maximilien Luce, Hippolyte Petitjean und Paul Signac, knüpfen können und daraufhin erste Ankäufe für seine private Kunstsammlung getätigt. Ein »Meisterwerk der französischen Schule« erwarb Kessler am 30. Dezember 1897 auf Empfehlung von Paul Signac für 1.200 Francs bei Ambroise Vollard: das Gemälde ›Les Poseuses‹ (›Die Modelle‹) von Georges Seurat (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.12.1897; Tagebuch Signac, 2.1.1898, in: Signac 2005, S. 155; vgl. Briefkarten 13, 16). meuble à estampes: Van de Velde entwickelte unmittelbar aufeinander zwei Varianten eines Kupferstichschrankes (›Meuble à estampes‹). Das Ausgangsmodell stammt von 1897 und ist im Geschäftskatalog (mit den Maßen H: 100 cm, B: 240 cm) abgebildet (Velde 1899, Geschäftskatalog Brüssel/ Berlin, S. 19, Modell II, No. 15; Pecher 1981, S. 151, 286, Nr. 1507). Es handelt sich hier vermutlich um das Modell aus Kesslers Besitz. Die spätere Variante datiert von 1899 und war als Nr. 545 auf der Münchner Secessions-Ausstellung von 1899 zu sehen (Ausst. Kat. München 1899, S. 33; DKD 1899, S. 17; Velde 1899, Geschäftskatalog Brüssel/ Berlin, S. 42; Pecher 1981, S. 151, 287 f., Nr. 1521). Über den Verbleib von Kesslers Kupferstichschrank ist nach derzeitigem Wissensstand nichts bekannt. porte-manteaux: Der Skizze nach handelt es sich um die schmale Variante der Garderobe mit vier kleinen und zwei großen Haken (Velde 1898 [L’art décoratif], S. 40; Velde 1897/1898 [Pan], S. 262; Pecher 1981, S. 164, 295 f., Nr. 1709a). Die größere Variante mit sechs kleinen und vier großen Haken ist mit Maßangaben (H: 215 cm, L: 200 cm) im Geschäftskatalog abgebildet (Velde 1899, Geschäftskatalog Brüssel/ Berlin, S. 13, Modell XVI, No. 117; Pecher 1981, S. 164, 295, Nr. 1709). gros frais: Die Möbellieferungen von Belgien nach Deutschland waren durch die hohen Zollgebühren, Verpackungs- und Transportkosten ausgesprochen kostspielig. Dieser Umstand führte u. a. dazu, dass sich van de Velde späterhin genötigt sah, die eigene Produktion nach Berlin zu verlegen. Dr. Morton von Douglas (gen. Morchen, 1866–1908), Jurist, Geschäftsmann. Morton von Douglas kannte van de Velde seit 1897 durch Vermittlung seines Studienfreundes Eberhard von Bodenhausen und seines Bruders Angus von Douglas. Als Mitinhaber der ›Tropon G.m.b.H.‹ verhalf er ihm zu neuen Aufträgen im Rahmen der Produkt- und Werbegestaltung der gleichnamigen Nährmittelfirma, deren Fabrik in Mülheim bei Köln und deren Geschäftssitz in Berlin angesiedelt war. Douglas beteiligte sich außerdem finanziell an der Gründung der ›Henry van de Velde G.m.b.H.‹. Privat übertrug er dem Künstler Ende 1897 die Ausgestaltung von Salon, Speise- und Arbeitszimmer seiner Wohnung in der Bernburger Straße 19 in Berlin-Kreuzberg. Die Ausführung erfolgte zeitgleich zu den Aufträgen von Kessler und Bodenhausen (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 7./15.1.1898, DLA).
156 Edition und Kommentar
7 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], 25.1.1898 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
Mardi soir, 25/I98. Oui, mon cher Monsieur, vos objections sont sérieuses et j’ai abandonné ce projet de piedestal [sic]! Je ne vois plus assez votre groupe et je travaillerai cela chez vous lors de mon prochain séjour à Berlin. J’ai refait aussi celui pour le bronze de Meunier mais ceci est surtout à cause d’indications pas trop vagues et indécises que m’avait données cet admirable Homme! Quand je me suis rendu chez lui j’ai constaté l’erreur aussi dans laquelle je versais de format, par sa faute de conception pas la mienne. Enfin, ce piedestal [sic] est entre les mains du sculpteur et ne peut tarder de vous parvenir. J’ai peur que vous ne [sic] m’en vouliez de tarder ainsi, mais j’ose bien vous le dire à vous je n’exécuterai plus jamais des travaux en grande hâte. Il y a là trop d’inquiétude au sujet de l’exécution et un épuisement pour moi dont je dois me garder. Pour vos meubles ils en sont au point où il peut dépendre de l’une ou l’autre cause qu’il y ait un retard de huit jours mais pas plus! Les ornements en etain [sic] sont à la ciselure, les derniers car d’aucuns sont déja [sic] entre mes mains. Aussitot [sic] qu’ils seront tous içi [sic] ils seront ajustés aux meubles et enlevés ensuite; j’expédierai les meubles sans ornements, à cause des frais de douane. J’ai pris des précautions inouïes afin que rien dans la suite ne puisse leur arriver, qu’ils supportent l’action du temps et j’ai des raisons pour vous pousser à la confiance. Avez-vous un bon émailleur sous la main? Et vous êtes[-]vous assurer [sic] un prompt travail de sa part? Songez-y, mon cher Monsieur! Vous ne m’avez pas dit si le meuble à estampes vous est bien arrivé, ainsi que le porte-manteaux. Vous ont-ils satisfait seulement? Je suis bien heureux de vous revoir bientot [sic], mon cher Monsieur, je me propose de débarquer à Berlin soit dimanche soit lundi prochain. J’irai aussitot [sic] vous serrer les mains. Je descendrai chez M[onsieur]. C[urt]. Hermann [sic]. Bien cordialement dévoué Henry van de Velde
Briefe und Kommentare 157 piedestal: Bezieht sich auf den Sockel für die Bronze ›La Danse‹ von Gustav Vigeland. Van de Velde hatte Kessler einen Monat zuvor eine Skizze des Sockels geschickt (vgl. Anm. Brief 4). groupe: Meint die Bronze ›La Danse‹ von Gustav Vigeland aus Kesslers Besitz (vgl. Anm. Brief 4). le bronze de Meunier: Bezieht sich auf die Bronze ›Bûcheron‹ von Constantin Meunier (vgl. Anm. Brief 4). j’expédierai les meubles sans ornements: Diese Verfahrensweise hatte van de Velde unmittelbar vorher an den Möbeln für Eberhard von Bodenhausen erprobt. Die Möbel wurden ohne Rollen, Stifte und Schlüssel von Brüssel nach Berlin versandt, um Zollgebühren zu sparen (vgl. Briefe von Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 18.12.1897, 15.1.1898, DLA). Berlin: Van de Velde hielt sich vom 30. Januar bis 11. Februar 1898 anlässlich der Möbellieferungen an Eberhard von Bodenhausen und Harry Graf Kessler in Berlin auf. Curt Herrmann (1854–1929), Maler, Mitglied im ›Pan‹, Mitbegründer der Berliner Secession und des Deutschen Künstlerbundes. Der Maler Curt Herrmann und seine Frau Sophie zählten zu den ersten deutschen Auftraggebern van de Veldes. Sie ließen 1897 ihre Wohnung in der Kaiserin-Augusta-Straße 69 in Berlin-Tiergarten raumkünstlerisch ausstatten und übertrugen ihm darüber hinaus bis 1911 weitere Auftragsarbeiten für das private Umfeld. Bis zum endgültigen Umzug nach Berlin nutzte van de Velde die freundschaftlichen Kontakte, um bei den Herrmanns zu logieren. Späterhin nahm er oft und gern die Gelegenheit wahr, Urlaube oder Kurzaufenthalte im Schloss der Familie im oberfränkischen Pretzfeld zu verbringen. Herrmanns bedachten van de Velde über Jahre hinweg mit gelegentlichen Geldgaben und standen ihm in Zeiten pekuniärer Engpässe oft zur Seite. Kessler und Herrmann lernten sich 1895 im Umkreis des ›Pan‹ kennen.
8 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Berlin], Jeudi [3.2.1898], [Poststempel: 4.2.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Postkarte
Jeudi soir, Mon cher Monsieur, Merci bien de m’avoir écrit et de songer si continûment à me faire du bien. Malheureusement je dois partir Samedi matin pour Hambourg. J’espère vivement que vous pourrez encore me présenter la semaine prochaine, sinon je ferais l’impossible[.] Je serais bien heureux si vous vouliez me télégraphier demain vendredi pour me dire si vous disposez d’une heure dans l’après-midi; j’irais causer quelques instants avec vous, chez vous. Croyez-moi bien dévoué Henry van de Velde.
158 Edition und Kommentar 3.2.1898, Postkarte: Die Postkarte datiert vom Donnerstag, den 3. Februar 1898. Sie trägt vorderseitig die Anschrift »Monsieur le Comte H. de Kessler Berlin 28 Köthenerstraße« sowie die Poststempel »Berlin –4.2.98–« und »Bestellt vom Postamte 4.2.98 7¼–8½V.«. Hambourg: Van de Velde war vom 30. Januar bis 11. Februar 1898 in Berlin, um die Lieferung von Kesslers Möbeln zu überwachen. Kurzzeitig reiste er von dort nach Lübeck und Hamburg, u. a. wegen des erforderlichen Glases für die zu fertigenden Wohnungseinrichtungen von Morton von Douglas, Curt Herrmann und Eberhard von Bodenhausen (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 15.1.1898, DLA; Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 12.10.1897, Privatarchiv; vgl. Anm. Briefkarte 13).
9 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Brüssel], Mercredi [9.3.1898], [Poststempel: 10.3.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Briefkarte, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, ARTS D’INDUSTRIE ET D’ORNEMENTATION. 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
Mercredi. Bien reçues [sic] les épreuves des clichés, mon cher Monsieur de Kessler. Je vous enverrai dès demain les premiers feuillets de mon étude et chaque poste vous en apportera d’autres jusqu’à terminaison! Je ne vais m’occuper que de cet article et espère ne pas vous mettre en retard. Bien cordialement Henry van de Velde – en toute hâte. 9.3.1898: Die Briefkarte datiert vom Mittwoch, den 9. März 1898. Sie ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler 28, Köthenerstraße Berlin.« und gestempelt mit »Bruxelles 1898 [unleserlich]« und »[Bestellt vom] Postamte 10.3.98 6½–7¼N.«. étude: Es handelt sich um den Aufsatz ›Ein Kapitel über Entwurf und Bau moderner Möbel‹, den van de Velde durch Vermittlung Kesslers im März 1898 für den ›Pan‹ verfasste und den Kessler ins Deutsche übertrug. »Der Graf von Kessler hat die gute gelungene Übersetzung geschrieben. Es war wirklich nicht leicht.« (Henry van de Velde an Sophie Herrmann, Juni 1898, in: Bothe 1989, S. 559 ff.). Der Artikel erschien im 3. Jahrgang, Heft 4 des ›Pan‹ (Velde 1897/1898 [Pan], S. 260–264) und späterhin in den gesammelten Schriften van de Veldes (Velde 1955, S. 57–67; vgl. Telegramm 10, Briefkarte 11).
Briefe und Kommentare 159
10 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Berlin], [Poststempel: 12.3.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Telegramm
= enverrai article complet lundi = vandevelde + Telegramm: Das Telegramm trägt den Poststempel: »Berlin W[unleserlich] 12III98 P9(R61)« sowie den Zusatz »kessler 28 koethenerstrasze berlin; Telegramm b fr uccle 3 9 12 2/45«. article: Vgl. Anm. Briefkarte 9, Briefkarte 11.
11 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], Lundi [14.3.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Briefkarte, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, ARTS D’INDUSTRIE ET D’ORNEMENTATION. 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
lundi matin J’expédie la moitié de l’article, mon cher Monsieur; l’autre partira sûrement tantot [sic] – dans quelques heures. J’ai éprouvé une grande difficulté à le faire; mais je crois qu’il est bien. Il traite spécialement de ma conception du meuble et est spécialement écrit en vue des clichés. Je ne peux pas m’expliquer sur ma façon d’ornementation dans cet article çi [sic]; cela comporte trop de développement et d’illustrations. Mais si vous le voulez bien je vous ferai un autre article spécial, et le travaillerai en repos d’esprit. Excusez-moi du retard – je suis vraiment surmené: je me reproche tous les jours de n’avoir encore pu vous envoyer votre chiffre. Le piedestal [sic] partira demain. Je me reporte avec tant de Bonheur par le souvenir aux bonnes heures passés en votre compagnie à Berlin. Affectueusement Henry v[an]. d[e]. Velde. lundi: Es handelt sich um den 14. März 1898. article: Vgl. Anm. Briefkarte 9, Telegramm 10. chiffre: Offensichtlich war van de Velde mit dem Entwurf eines Monogramms für Kessler beschäftigt. Wie er in Briefkarte 13 andeutet, musste er das Monogramm noch einmal überarbeiten. Der Vermutung nach handelt es sich um jenes Monogramm, das die ornamental
160 Edition und Kommentar verschlungenen Buchstaben ›GrK‹ zeigt und auf der Entwurfsstudie (La Cambre, Brüssel, Inv. Nr. E II, ehemals: LC/S 1626) am unteren Rand mit ›Graf Kessler‹ bezeichnet ist. piedestal: Vermutlich ist der Sockel für Meuniers Bronze ›Bûcheron‹ gemeint (vgl. Anm. Brief 4).
12 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Uccle], [Poststempel: 19.3.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Telegramm
esperons [sic] descendrez chez nous avertissez arrivee [sic], = vandevelde. + Telegramm: Das Telegramm trägt den Poststempel: »Berlin W. 19III98« sowie folgende Bezeichnung: »kessler koethenerstrasse 28 berlin =; Telegramm de uccle 8 11 19/3 11-40m«. esperons descendrez chez nous: Kessler reiste am Abend des 21. März 1898 nach Brüssel und hielt sich dort bis zum 24. März als Gast van de Veldes in Haus Bloemenwerf auf. Er besuchte Georges Minne, Théo van Rysselberghe und Constantin Meunier in ihren Ateliers und dinierte bei Georges Lemmen. Mit van de Velde besichtigte er die Ausstellung der ›Libre Esthétique‹ und besprach die ersten Ornamentskizzen zu seiner geplanten Luxusausgabe ›Also sprach Zarathustra‹ von Friedrich Nietzsche. Von Brüssel reiste Kessler nach Paris weiter (Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.–25.3.1898).
13 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], Mardi [29.3.1898/ 5.4.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Briefkarte, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, ARTS D’INDUSTRIE ET D’ORNEMENTATION. 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
Mardi, Pardonnez, mon cher Monsieur, le retard p[ou]r ornements d’Also sprach Zarathustra. J’ai plutot [sic] vécu au lit depuis votre départ que debout. Néanmoins j’ai terminé le devant de feu et le support pour Seurat (qui sera une armoire où vous pourrez bien mettre le linge de table). J’ai du faire recommencer votre chiffre. Il était trop mal gravé et j’essaie un nouveau graveur. J’ai deux dessins pour le Zarathustra qui suffisent je crois pour vous donner une idée de ce que je veux et puis faire. Mais l’éditeur s’en contentera t-il de si vagues projets [?] Je vous écrirai à leur sujet dès que je vous les expédierai, après-demain j’espère. Je vous ai fait envoyer un claque [sic: calque] que vous voudrez bien, s[’il]. v[ous]. p[laît]. transmettre au verrier Engelbrecht Lindenstrasse Hambourg.
Briefe und Kommentare 161
Lui expliquerez-vous, mon cher Monsieur, qu’il s’agit de deux petits vitraux (p[our]. le devant feu) et de deux morceaux de verre pareils à ceux des meubles (id. p[our]. devant de feu partie haute, non éclairée par les flammes). Pour les vitraux il faut qu’il trouve un accord A. B. B foncé et C. A. est le verre des meubles. Donc 4 verres A et C se différenciant sensiblement B clair et B foncé même coloration. Nous vous souhaitons heureusement rentré de voyage. Bien affectueusement H[enry]. v[an]. d[e]. Velde. Mardi: Es kann sich nur um Dienstag, den 29. März 1898 oder den 5. April 1898, handeln, da van de Velde von Kesslers Abreise spricht, die am 24. März 1898 erfolgt war (vgl. Anm. Telegramm 12). Die Briefkarte trägt den handschriftlichen Vermerk von anderer Hand: »La carte du bas est probablement datée de mars ou avril 1898 (avant le 7 avril)«. ornements d’Also sprach Zarathustra: Seit Ende 1895 unterhielt Harry Graf Kessler enge Kontakte zu Elisabeth Förster-Nietzsche. Als glühender Verehrer der Schriften Friedrich Nietzsches setzte er sich bereits 1896 für die Veröffentlichung einiger bis dato unpublizierter Texte des Philosophen in der neu gegründeten Zeitschrift ›Pan‹ ein. Im Juli 1897 äußerte Elisabeth Förster-Nietzsche gegenüber Kessler den Wunsch, eine Prachtausgabe von Nietzsches ›Also sprach Zarathustra‹ herauszugeben und bat ihn um Mitarbeit an der Konzeption. In der Funktion als künstlerischer Berater und Koordinator kümmerte sich Kessler nicht nur um die Verlagsangelegenheiten, er suchte vor allem nach einem geeigneten Künstler für die typographische und ornamentale Ausgestaltung der Ausgabe. Nach anfänglichen Überlegungen, den ›Zarathustra‹ in England unter künstlerischer Mitwirkung von Charles Ricketts und nach einem Schriftmodell von William Morris herstellen zu lassen, wirkte ein Besuch in Brüssel am 31. Oktober 1897 zündend. Kessler machte nicht nur Bekanntschaft mit dem belgischen Buchkünstler Georges Lemmen, sondern wurde vielmehr von van de Veldes künstlerischem Talent überzeugt. Er traf sich mit van de Velde am 1. November 1897 in Berlin, um die »Nietzsche Ausgabe« zu besprechen (Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.11.1897) und ihm die Ausgestaltung zu übertragen. Van de Velde fertigte daraufhin zahlreiche Ornamentstudien, die er Kessler meist postalisch zukommen ließ. Gegenüber Eberhard von Bodenhausen gestand er jedoch, dass ihm das Projekt von Anbeginn große Angst bereitete (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 26.4.1899, DLA). Nach dem Ausscheiden aus dem Vertrag mit dem Verleger Constantin Georg Naumann aus Leipzig bot sich Ende 1898 eine neue Situation. Aufgrund der finanziellen Unabhängigkeit beschloss Kessler, eine neue Schrifttype bei Lemmen in Auftrag zu geben und einen neuen Verleger zu suchen. Während die von Lemmen entwickelte Lemmen-Antiqua Anfang 1900 in der Offizin W. Drugulin als Stempel geschnitten und im Frühjahr 1901 gegossen wurde, endeten die Querelen bezüglich des Verlages erst 1906 endgültig, als Anton Kippenberg die Edition des ›Zarathustra‹ im Insel-Verlag zusicherte. Die Luxusausgabe erschien schließlich im Mai 1908 in einer Auflage von 530 Exemplaren. Über zehn Jahre hinweg hatte van de Velde verschiedene Entwürfe entwickelt. Im Frühjahr 1898, dem Entstehungszeitraum des vorliegenden Briefes, beschäftigte er sich mit einigen ornamentalen Vorstudien. Erst im Sommer 1907 begann erneut eine Phase intensiverer Auseinandersetzung mit dem Sujet (vgl. Brief 275). In enger Zusammenarbeit mit Erica von Scheel überarbeitete van de Velde nicht nur die eigenen Entwürfe zu Titel, Vortitel, Ornamentik und Einbandgestaltung, sondern leitete überdies die
162 Edition und Kommentar Drucklegung des Werkes (vgl. Block 1987; Weber 1994; Brinks 2007, S. 134–159, 287–296, 411–413; vgl. Dokumente 14, 17, 30, 31, 32, 69, 78, 90, 113, 114, 189, 252, 275, 276, 379, 380). devant de feu: Henry van de Velde, Ofenschirm, 1898 (Holz, weiß lackiert, Glas, Zinn, H: 115 cm, B: 122 cm, Verbleib unbekannt). Der hier erwähnte vierteilige Ofenschirm bzw. Paravent für Kesslers Wohnung in der Köthener Straße 28 war weiß gefasst, mit buntem, opalisierendem Glas durchbrochen und besaß ornamentale Zinnauflagen als Abschlüsse. Er war 1898 in der ›L’art décoratif‹, 1899 in ›The Studio‹ sowie im Geschäftskatalog van de Veldes abgebildet (Velde 1898 [L’art décoratif], S. 34; Velde 1899, Geschäftskatalog Brüssel/ Berlin, S. 22, Modell XV, No. 116; The Studio 1899, S. 207; Pecher 1981, S. 123, 296, Nr. 1714). support pour Seurat: Am 30. Dezember 1897 hatte Harry Graf Kessler auf Empfehlung von Paul Signac das Gemälde ›Les Poseuses‹ (1886/88) von Georges Seurat für 1.200 Francs bei dem Pariser Kunsthändler Ambroise Vollard erworben (vgl. Briefkarte 16). Kesslers Wunsch entsprechend wurde das Gemälde in das von van de Velde eingerichtete Speisezimmer in der Köthener Straße integriert. Es ist nicht dokumentiert, warum Kessler für das großformatige Gemälde (200 x 250 cm) eine Wand wählte, die im Grunde zu schmal war. Glaubt man den Aussagen van de Veldes, gab es tatsächlich keine größere Fläche in Kesslers Wohnung. Kessler musste sich zwangsläufig auf einen Kompromiss einlassen, denn sein Herzenswunsch war es, das Meisterwerk hängen zu sehen, allerdings »ohne daß es die geringste Beschneidung erleidet« (vgl. Velde 1962, S. 162; Velde 1992, S. 355; Velde 1999, S. 116). Das Gemälde blieb bis 1923 in diesem Zustand hängen. Am 8. Februar 1923 wickelte es Kessler auf und »die Figuren links, kamen in prachtvoller Frische heraus« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.2.1923). Das einzig erhaltene historische Photo zeigt das Gemälde zu zwei Dritteln aufgerollt. Offenbar war eine Vorrichtung entwickelt worden, die ein Aufrollen der Leinwand mittels zweier an der Wand befestigter Stangen erlaubte. Das Gemälde konnte somit geschickt in die weiße Wandpaneelierung eingefügt und dem Betrachter zu einem Drittel sichtbar gemacht werden. Am 3. Mai 1898 bat van de Velde Kessler darum, die Unterseite des Rahmens zu skizzieren, damit er den in diesem Brief erwähnten Unterbau vollenden könne (vgl. Briefkarte 16). Diese Holzkonstruktion diente sowohl dazu, den Blendrahmen des Gemäldes zu tragen, als auch die Tischwäsche aufzubewahren. Gleichzeitig konnte die Blendvorrichtung vorgerückt und das Gemälde nach Belieben verstellt werden (vgl. Briefkarte 6). votre chiffre: Vgl. Briefkarte 11. Karl Engelbrecht (1858–1902), Glasmaler, Glasbläser. Es handelt sich um den Glasmaler Karl Engelbrecht und dessen Firma in der Lindenstrasse 30–32 im Hamburger Stadtteil St. Georg. Van de Velde hatte Engelbrecht 1897 über Julius Meier-Graefe kennengelernt und ihn erstmalig für die Auftragsarbeiten für Curt Herrmann engagiert (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 12.10.1897; Henry van de Velde an Sophie Herrmann, Samedi [1898], Privatarchiv). Karl Engelbrecht führte die Technik zur Herstellung von Opaleszentglas in Deutschland ein, nachdem er die Gläser von Louis Comfort Tiffany auf der Weltausstellung in Chicago 1893 bewundert hatte. Er sicherte sich daraufhin das alleinige Vertriebsrecht an diesem neuartigen Glas für Deutschland, aber auch für weite Teile Europas. Engelbrecht bildete ab 1897 den Krefelder Glasmaler F. W. Holler aus, der wiederum durch Vermittlung von Friedrich Deneken ab 1901 Entwürfe von Henry van de Velde ausführte (vgl. Remmert 1992, S. 11; vgl. weiterführend Joppien 2006, S. 91–117).
Briefe und Kommentare 163
14 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], [von anderer Hand: 7.4.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
Jeudi. 7 /IV98. Je vous ai envoyé tantot [sic], mon cher Monsieur, deux projets d’ornementation d’une page »d’Also sprach Zarathustra«. Je regrette beaucoup de n’avoir pu leur donner un aspect plus fini et plus définitif. Mais j’ai perdu trop de temps au lit, ces derniers jours et j’ai la main peu sûre, en ce moment! Je n’ai pas peur que vous n’y découvriez mes intentions et préjugiez mal – en raison de l’insuffisance d’exécution de ces croquis mais néanmoins je dois réclamer votre indulgence. Vous retrouverez – en ces croquis, à l’examen, dans l’un des terminaisons seules, dans l’autre des intentions mal soutenues. L’un des deux croquis, le plus simple n’a aucune signification précise; il servirait pour l’un des chapîtres [sic] dont le sujet serait intransposable en lignes (il y en aura, je présume et vous serait [sic] reconnaissant de me faire tenir la liste des chapîtres [sic]). Pour les dessins il faudra qu’ils soient de signification neutre mais de pureté absolue! Je ferai l’impossible pour arriver néanmoins à soutenir la sensation de chaque chapître [sic]! L’autre s’adapte à »Selbstüberwindung« – il est de lignes d’assaut et de spontanéité, ramenées vers elles[-]mêmes sous la pression volontaire des lignes de la frise. (en ce dessin, il y a des négligences encore; il ne peut être considéré que comme point de départ) Le 3 ième croquis (même sujet que le précédent) définit le format hauteur et largeur et les marges [.] Seulement y a t’il à définir combien il y a à prendre en plus ou en moins, dans le milieu, pour la couture, brochage, etc. Car il faut que le livre étant ouvert les deux parties du dessin se rattachent entre elles. La question de couleur restant à décider, pour le tirage des bois au reste, il s’agit avant tout n’est pas d’être fixé si oui ou non l’éditeur accepte ma collaboration et les conditions que vous fixerez. Je me plais à songer que nous ferons cette édition et avec quelle gratitude je songe à tous, à la pensée que vous avez eue de me confier – le cas échéant d’une entente avec l’éditeur – ce travail! Il me viendrait vraiment au moment auquel je le pourrais le mieux faire, car il semble que mon sens de la signification des lignes s’est bien élargi, et
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s’est amplement nourri d’ornementalité. Ce qui peut faire que tout le monde y trouvera son compte! Bien peu, je suppose, me suivront sur ce terrain ou reconnaîtront cette intention dans le livre réalisé mais ceux[-]là auront sous les yeux des ornements sévères et originaux. Et je ne désespère pas de leur faire sentir [unleserlich] qu’il y a quelque chose de plus de très respectable et d’infiniment difficile. Car la tâche est difficile, je l’ai entrevu à ce premier essai d’interprétation adéquate. Songez qu’il y aura à longuement méditer maintenant sur ce croquis d’expression et à être férocement sévère pour arriver à être irrésistiblement intensif! Je vous confie ces croquis, rudimentaires, et ma pensée avec le sentiment absolu que vous seul pouvez défendre l’un et l’autre, comme il convient[.] Et je me sens une satisfaction énorme et unique de me sentir votre protégé. Croyez en mon dévouement affectueux. Henry van de Velde. 7 /IV98: Das auf dem Briefkopf vermerkte Datum stammt vermutlich von Kessler. deux projets d’ornementation: Um welche Projektskizzen es sich hier handelt, ließ sich nicht eruieren. Jedoch geben die ausführlichen Erklärungen van de Veldes Einblick in das damalige Arbeitsstadium. Kessler hatte wohl ursprünglich an eine illustrative Ausstattung des ›Zarathustra‹ gedacht. Die hier beschriebenen Ausführungen lassen jedoch darauf schließen, dass van de Velde bereits zu jenem Zeitpunkt mit ornamentalen Studien beschäftigt war, die als Vorlage für Holzschnitte dienen sollten. Wenngleich sich van de Velde eingehend mit dem Seitenlayout und der ornamentalen Gestaltung eines jeden Kapitels auseinandersetzte, scheint die Zustimmung zur Zusammenarbeit vom damaligen Verleger C. G. Naumann aus Leipzig noch nicht gegeben zu sein. Vermutlich wurde van de Velde zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr 1898 mit der Ausgestaltung der Ausgabe offiziell beauftragt. Stets betrachtete van de Velde die Buchgestaltung des ›Zarathustra‹ als reizvolle Herausforderung und schwierige Aufgabe zugleich. Wahrscheinlich ist es den sich stets wandelnden Richtlinien und Forderungen wechselnder Verleger zu schulden, dass keine klare Konzeption bezüglich der Gestaltung rekonstruierbar ist. Hinzu kommt, dass sich Studien aus jener Zeit nicht erhalten haben und sich die Projektgeschichte als sehr lückenhaft darstellt. Erst die späteren Entwürfe aus den Jahren 1906/07 sind erhalten und befinden sich im Fonds Henry van de Velde der Bibliothèque I. Errera de l’ ENSAV de La Cambre in Brüssel (vgl. Briefkarte 13). au lit: Kessler war am 24. März 1898 aus Brüssel abgereist. Seitdem litt van de Velde unter Migräneanfällen sowie an einem schmerzhaften Karbunkel im Hals. Er sah sich deshalb gezwungen, über längere Zeit das Bett zu hüten (Henry van de Velde an Sophie Herrmann, 30.3.1898, in: Bothe 1989, S.553 f.). In Zeiten besonders intensiver Arbeit ereilten van de Velde häufig neurasthenische Beschwerden. Später wurde er deswegen von den Nervenärzten Otto Ludwig, Robert und Ludwig Binswanger sowohl in Jena als auch in Kreuzlingen am Bodensee behandelt (vgl. Briefe 291, 292, 293, 310).
Briefe und Kommentare 165
15 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], 2.5.1898 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
lundi 2 mai 98 Mon cher Monsieur, Votre lettre m’a fort réjoui et est venue me trouver dans le petit village où j’étais allé prendre deux jours de repos. J’ai pu penser à vous avec une profonde gratitude et puis je me suis demandé si je serais bien à la hauteur de la tâche que vous attendez de moi et en vue de laquelle vous travaillez déja [sic] à me ménager d’aussi précieux appuis que celui de M[onsieur]. Lichtwarck [sic]. Je vous remercie bien des peines que vous vous donnez et je suis particulièrement sensible à l’appréciation du critique de Hambourg. Puis-je encore, après cela, abuser de vous? MM. [Messieurs] Heÿndmann [sic], des fabricants de Hambourg désirent voir mes meubles, aussi ceux que j’ai chez M[onsieur]. von Bodenhausen et chez M[onsieur]. du Douglas. Mais aucun des deux n’est à Berlin en ce moment, et Madame von Bodenhausen est absente elle[-]même. Elle m’écrit que vous pourriez introduire les MM [Messieurs] .. chez Elle et chez M[onsieur]. de Douglas! Mais n’est-ce pas abuser, réellement de votre complaisance et vraiment le rôle est en dessous de vous et peu réjouissant! D’autre part, il y aurait là pour moi, si vous y consentiez, un précieux renseignement à obtenir de vous l’impression que vous aura produite ces MM [Messieurs] .. Renseignements pris chez Päechter [sic], ces hommes seraient sérieux et peut-être grâce à eux se pourrait monter une affaire importante en Allemagne. Me direz-vous, mon cher Monsieur, si je puis vous adresser ces Messieurs et surtout n’hésitez pas à me refuser ce service si le moindre du monde il vous déplaisait de vous rencontrer avec ces fabricants de Hambourg. Madame van de Velde et notre petite Nele vous saluent bien affectueusement et partagent tous les sentiments dévoués que je professe pour vous Henry van de Velde Christian Danger Alfred Lichtwark (1852–1914), Kunsthistoriker, Kunstpädagoge, langjähriger Direktor der Hamburger Kunsthalle. Alfred Lichtwark war bereits 1894 Mitglied des
166 Edition und Kommentar Aufsichtsrats und ab 1895 in der Redaktions-Kommission des ›Pan‹ tätig. In diesem Umkreis lernte er Kessler und van de Velde kennen. Alfred Lichtwark, der den modernen Bestrebungen des Kunstgewerbes zugewandt war und den großbürgerlichen Stil historistischer Interieurs ablehnte, setzte sich stets, wenn auch mitunter sehr kritisch für die Belange van de Veldes ein. Ein halbes Jahr vor Abfassung dieses Briefes war er allerdings noch argwöhnisch: »Van de Velde, der Brüsseler Architekt und Decorateur, ist hier und wird von reichen Leuten mit Aufträgen überhäuft. Er studiert die altmärkische Bauernkunst, um einen point de depart zu finden. Ich bin sehr misstrauisch.« (28.10.1897, zit. nach: Präffcke 1986, S. 122, Anm. 284). Lichtwark war ebenso wie Kessler und van de Velde Mitglied des Deutschen Künstlerbundes, der sich am 15./16. Dezember 1903 in Weimar konstituierte (vgl. Lichtwark 1924, Bd. 2, S. 70 f.). Heÿndmann [Heymann]: »Eine sehr große Hamburger Möbelfirma Heymann«, schrieb Meier-Graefe am 31. März 1898 an Kessler, »interessiert sich sehr für van de Velde und beabsichtigt sich über ihn zu orientieren. Ich leite die Verhandlungen und habe van de Velde geschrieben, daß ich mit Ihnen reden wollte, um Sie zu bitten, dem Herrn Heymann, der nächstens nach Berlin kommt, auf seinen Wunsch Ihre Einrichtung zeigen zu lassen. [...] Ich halte jetzt krampfhaft an den van de Velde-Unternehmen fest, glaube, daß er sich bekannt machen wird, es schweben alle möglichen Unterhandlungen.« ( Julius Meier-Graefe an Harry Graf Kessler, 31.3.1898, DLA). Es handelt sich hier um die renommierte Hamburger Hofmöbelfabrik J. D. Heymann am Neuen Wall 42. Die Inhaber zogen offenbar kurzzeitig in Erwägung, van de Veldes Möbelproduktion nach Deutschland zu verlegen. Dieses Vorhaben kam jedoch nicht zustande. Zusammen mit Bodenhausen gründete van de Velde am 23. Dezember 1898 die ›Henry van de Velde G.m.b.H.‹ in Berlin und ließ daraufhin den Großteil seiner Arbeiten in der Reichshauptstadt ausführen. Die Firma J. D. Heymann führte dagegen u. a. 1900/01 die Speisezimmermöbel nach Entwürfen von Peter Behrens für dessen ›Haus Behrens‹ in Darmstadt aus. Madame von Bodenhausen: Dorothea Freifrau von Bodenhausen-Degener (geb. Reichsgräfin von Degenfeld-Schonburg, gen. Dora bzw. Mädi, 1877–1969). Dorothea Freifrau von Bodenhausen, Schwester von Julie Freifrau von Wendelstadt und Schwägerin von Ottonie von Degenfeld-Schonburg, war seit Oktober 1897 mit Eberhard von Bodenhausen verheiratet. Anlässlich der Hochzeit wurde van de Velde mit der Ausstattung der Berliner Wohnung in der Brückenallee 27 beauftragt (vgl. Briefkarte 1). Aus der Ehe mit Eberhard von Bodenhausen gingen vier Kinder hervor: Karin (1898–1920), Hans-Wilke (1901–1937), Julie (1902–1951) und Christa (1909–1986). Dora von Bodenhausen gehörte zu jenem Kreis von Auftraggebergattinnen, die sehr freundschaftlich mit Henry und Maria van de Velde verbunden waren. Sie veröffentlichte in den 1950er Jahren ausgewählte Schriften und Briefe ihres Mannes (vgl. Bodenhausen 1953; Bodenhausen 1955). Hermann Paechter (1839–1902), Berliner Kunst- und Japanhändler. Hermann Paechter stammte aus Hamburg und war dort ursprünglich als Bierbrauer tätig. In Berlin übernahm er die Geschäftsräume des Verlags R. Wagner und richtete dort eine Kunsthandlung für Asiatika und Japanprodukte ein. Zudem handelte er mit zeitgenössischer Kunst. Die Kunsthandlung übernahm nach Paechters Tod der Schwager Walter Elkan, der wiederum ab 1901 als Bronzegießer für van de Velde tätig war. Paechter war einer der ersten Besucher im Haus Bloemenwerf. Wie van de Velde in seinen Memoiren zu berichten weiß, übertrug ihm Paechter kleinere Arbeiten für die Berliner Kunsthandlung (Velde 1962, S. 140). Überdies ist bekannt, dass Paechter Ende der 1890er Jahre die Ausstattung seiner Berliner Wohnung bei van de Velde in Auftrag gab. Ob es sich dabei um das Interieur der Villa in der Genthiner Straße 13 handelt, ist nach momentanem Wissensstand nicht genau feststellbar. Hermann Paechter gehörte zum engeren Berliner
Briefe und Kommentare 167 Freundeskreis van de Veldes. Er erleichterte dem Belgier die Übersiedlung nach Berlin und unterstützte ihn beim Ausscheiden aus dem Vertrag mit Hermann Hirschwald (vgl. Anm. Briefe 27, 44, 78, 81). Van de Velde schätzte vor allem seine Großmütigkeit und sein feines Gespür für Kunst. Madame van de Velde: Maria van de Velde (geb. Marie-Louise Sèthe, 1867–1943). Maria Sèthe wurde 1867 als Tochter des Filzfabrikanten Gérard Sèthe (1828–1893) und der Rheinländerin Louise Frédérique Seyberth (1847–1923) in Paris geboren und wuchs ab 1870 in Brüssel auf. Ihre Familie war wohlhabend und kunstliebend. Dank des Einflusses ihrer Mutter widmete sich Maria bereits in frühen Jahren der Musik und blieb zeit ihres Lebens eine begnadete Pianistin. Henry van de Velde lernte sie im Hause des Malers Théo van Rysselberghe in Brüssel kennen. Sie nahm dort Malstunden und pflegte freundschaftliche Kontakte zu ›Matata‹ (Maria) van Rysselberghe. Ein gemeinsamer Ausflug an die Küste von Cadzand im Frühjahr 1893 intensivierte die Freundschaft zwischen Maria Sèthe und Henry van de Velde. Ein Jahr später heirateten sie. Anlässlich der Vermählung überließ Louise Sèthe den Eheleuten einen beachtlichen Geldbetrag zum Bau des eigenen Hauses Bloemenwerf im Brüsseler Vorort Uccle. Neben den mütterlichen Pflichten verschrieb sich Maria van de Velde fortan der Mission ihres Mannes und unterstützte ihn in jeder Hinsicht tatkräftig. Sie war nicht nur die Künstlergattin, die sich um die familiären Alltag kümmerte, sondern gleichfalls eine wichtige Beraterin in künstlerischen und finanziellen Angelegenheiten. Sie selbst entwarf in den 1890er Jahren Tapeten, Stickereien und Kleider und fertigte Holzschnitte für Buchschmuck. Maria und Henry van de Velde hatten sieben Kinder: Anne Louise (1895–1895), Thylberth (1896–1896), Nele (1897–1965), Helen (1899–1935), Anne (1901–1944), Thyl (1904–1980) und Thylla (1904–1955). Maria van de Velde verstarb 1943 an Krebs. Nele: Cornélie Jenny van de Velde (gen. Nele, 1897–1965). Nele van de Velde kam 1897 auf die Welt und war das erste Kind von Maria und Henry van de Velde, das nicht bereits kurz nach der Geburt starb. Wie ihre jüngeren Geschwister genoss sie eine liberale und antiautoritäre Erziehung. Zudem besaß sie eine ausgeprägte künstlerische Ader. Schon als junges Mädchen nahm Nele van de Velde an Kursen der Weimarer Kunstgewerbeschule teil und erprobte sich nach dem Ersten Weltkrieg in verschiedenen graphischen Techniken. Mit Ernst Ludwig Kirchner stand sie seit 1918 in regem Austausch. Die Briefe von ihm an Nele wurden 1961 veröffentlicht (vgl. Kirchner/ Velde 1961). Nele van de Velde litt zeitlebens unter Angstzuständen, weshalb sie mehrfach bei der Arztfamilie Binswanger in Kreuzlingen am Bodensee in Behandlung war (vgl. Anm. Brief 392). Sie führte nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit ihrem Vater, den sie um nur acht Jahre überlebte, einen Haushalt in Oberägeri in der Schweiz.
168 Edition und Kommentar
16 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Uccle], 3.5.1898 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Briefkarte, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, ARTS D’INDUSTRIE ET D’ORNEMENTATION. 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
3 Mai 98. Mon cher Monsieur, C’est 4 vitraux au lieu de 2 et 4 plaques de verre uni qu’il faut pour le devant de feu. J’attends les derniers étains dans 2 ou 3 jours et alors je ferai expédier les 3 meubles à la fois. 2.) Voulez-vous me dire si à vos dressoirs nous avons mis des entrées de clef en étain? 3.) Je voulais, sur l’armoire à linge de table qui supportera le Seurat, mettre des patins qui le supporteraient mais je pense que ce sera difficile sans avoir vu le cadre! Pouvez vous me dessiner comment est le dessous du cadre qui doit reposer sur le support et me donner les mesures? Bien cordialement Henry v[an]. d[e]. Velde. Briefkarte: Die Briefkarte ist adressiert an »Monsieur le Comte H. de Kessler 28 Köthenerstrasse Berlin.« und trägt die Poststempel »Uccle 3 Mai 1898« und »Bestellt vom Postamte 9 ; 4 5. 98 6 ¼-7 ¼N.«. devant de feu: Vgl. Anm. Briefkarte 13. dressoirs: Vgl. Anm. Brief 4. l’armoire à linge de table: Vgl. Anm. Briefkarte 13. le Seurat: Georges Seurat, Les Poseuses (Die Modelle), 1886–1888 (Öl auf Leinwand, 199,5 x 250,5 cm, sign. u. re: »Seurat«, Barnes Foundation, Merion, Ausst. Kat. Paris 1993, ohne Kat.Nr., S. 174–177). Kessler hatte das großformatige Gemälde am 30. Dezember 1897 erworben. Er verkaufte es am 1. März 1926 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.12.1897, 1.3.1926; Walter 2001, S. 92; vgl. Anm. Brief 6, Anm. Briefkarte 13).
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17 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], Jeudi [Frühjahr 1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Briefkarte, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, ARTS D’INDUSTRIE ET D’ORNEMENTATION. 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
Jeudi midi avec toutes mes excuses d’avoir oublié et pas compris, c’est qu’il s’agit d’un dessin pour pochoir! Autant d’excuses de n’avoir pas encore pu vous envoyer votre monogramme. Le nouveau bois est aussi peu satisfaisant que le premier. Je devrai le graver moi-même et le ferai. C’est désolant et me donne à refléchir [sic] pour »Zarathustra«. Bien heureux des nouvelles à ce sujet Vous suis bien affectueusement dévoué Henry van de Velde. Frühjahr 1898: Die Briefkarte datiert aus dem Frühjahr 1898. Das exakte Datum ist nicht zu ermitteln. monogramme: Vgl. Anm. Briefkarte 11. »Zarathustra«: Vgl. Anm. Briefkarte 13.
18 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], undatiert [Frühjahr 1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Briefkarte, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
Mercredi. Je vous envoie – enfin –, mon cher Monsieur, votre monogramme. – Insistez surtout près du graveur qu’il ne concoive [sic] pas une reproduction maigre. Il faut qu’il mette le burin à coté [sic] du trait noir et non dessus, de façon à ce que tout le noir indiqué reste. – Insistez aussi, n’est-ce pas, sur l’épreuve à laquelle vous le soumettez en prévision d’autres grands travaux. -qu’il vous conserve l’original afin que nous puissions contrôler; c’est très important[.]
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– d’autant plus que je n’ai pu prendre copie de celui-çi [sic] que j’ai changé et qui n’est plus tout à fait comme les deux autres que j’ai fait gravés. – Peut-être pourrait-on – en cas d’un succès tenter une reproduction photographique? – Bien affectueusement Henry van de Velde. Frühjahr 1898: Die Briefkarte datiert aus dem Frühjahr 1898. Das exakte Datum ist nicht zu ermitteln. monogramme: Vgl. Anm. Brief 11.
19 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], undatiert [September 1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
C’est vous, au contraire, mon cher Monsieur, qui devez être contrarié. Mais je m’occupe déja [sic] du changement et j’espère qu’il n’y aura pas de retard sensible. Je crois bien pouvoir travailler ce candélabre de facon [sic] à lui donner 6 ou 7 lumières. Je vous dirai le résultat de mon travail, demain. Bien cordialement Henry van de Velde. en toute hâte. J’ai envoyé quelques bijoux aux Keller et Reiner, dont 2 ou 3 me satisfont assez. undatiert: Es ist kein Datum vermerkt. Den folgenden Briefen nach zu urteilen, die sich inhaltlich dem vorliegenden Schreiben anschließen, datiert dieser Brief von September 1898. candélabre: Henry van de Velde, Sechsarmiger Kerzenleuchter (1 Paar), 1898/99 (Messing, Bronze oder Zinn, versilbert, H: 58,5 cm, Ausführung: unbekannt, Brüssel, Verbleib: unbekannt). Die nachfolgenden Briefe dokumentieren über einen Zeitraum von fast zwei Jahren die Genese von Kesslers Kerzenleuchterpaar. Ursprünglich exklusiv für Kessler entworfen, wurde der sechsarmige Kandelaber schließlich mehrfach, meist als Paar ausgeführt. Die komplexe Entstehungsgeschichte verdeutlicht, wie autodidaktisch van de Velde in der Anfangszeit seiner kunstgewerblichen Tätigkeit vorging. Das Leuchterpaar für Harry Graf Kessler ist auf einem historischen Photo abgebildet. Die Aufnahme zeigt das Speisezimmer in der Weimarer
Briefe und Kommentare 171 Cranachstraße 3 kurz vor der Umwandlung zum großen Salon. Die Leuchter stehen auf dem Buffet vor dem Gemälde ›Les nymphes aux jacinthes‹ von Maurice Denis. Van de Velde stellte im März 1900 zwei Leuchter im Salon der ›Libre Esthétique‹ in Brüssel aus. Dieses Paar aus versilbertem Messing kostete 850 Francs und wurde nach Ausstellungsende vom Brüsseler Musée Cinquantenaire angekauft, wo es sich noch heute befindet. Ein weiteres Kandelaberpaar erhielt Curt Herrmann (Föhl 1992, S. 179, Anm. 48). Nach der Vertragsauflösung mit Herrmann Hirschwald bekam van de Velde ein weiteres Exemplar des Leuchters zurück. Dieser wurde am 11. November 1902 im Berliner Kunstauktionshaus Rudolph Lepke (Nr. 119) versteigert und vom Nordenfjeldske Kunstindustrimuseum in Trondheim erworben (Lepke 1902). Ein weiteres Exemplar befindet sich in den Beständen des Berliner Bröhan-Museums (vgl. Becker 2004, S. 88; Föhl/ Neumann 2009, S. 544 f., Nr. I.4.1.1). bijoux aux Keller et Reiner: Das Kunsthaus Keller & Reiner in der Potsdamerstraße 122 gehörte zu Berlins führenden Kunstgalerien für zeitgenössisches Kunstgewerbe. Die Inhaber Martin Keller und Karl R. Reiner übertrugen van de Velde 1898 die Teilausstattung ihres Kunstsalons. Im gleichen Jahr fand dort vom 22. Oktober bis 3. Dezember die von Kessler initiierte Neoimpressionisten-Ausstellung statt. Zudem ließ van de Velde 1898 und 1899 seine neuesten Schmuckkreationen über Keller & Reiner vertreiben (vgl. Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 10.12.1898, 3.3.1899, DLA).
20 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], 29.9.1898 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
29 Sept[embre] 98 Mon cher Monsieur, Quelle déception de ne pas vous voir passer par içi [sic], cet été! Et maintenant au moment de me mettre en route vers Berlin je me demande si vous serez rentré, chez vous? Et si j’aurai l’occasion de vous y rencontrer? Vers le 10 Oct[obre], nous serons à Berlin ou vers le 15. Je dis nous parce qu’il est probable que Madame v[an]. d[e]. Velde m’accompagnera. J’avais préparé içi [sic] à votre intention un modèle de chaise de Salle à manger et le modèle en plâtre de vos chandeliers. Que dois-je faire? Mais ma lettre vous parviendra–t–elle seulement et où? J’ai la sensation que vous devez vous trouvez loin et bien puisque vous m’avez pas rappeler [sic] ma promesse d’un article. Vraiment on ne peut oublier les promesses d’autrui que si l’on est loin et heureux. De votre Bonheur, je me rejouirais [sic] sincèrement et dela [sic] tranquil-
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lité que vous m’avez laissée je vous suis reconnaissant. Bien cordialement dévoué Henry van de Velde en route vers Berlin: Henry und Maria van de Velde reisten am 16. Oktober 1898 nach Berlin und blieben dort als Gäste von Curt und Sophie Herrmann bis Anfang November. Ursprünglich war geplant, zunächst nach Pretzfeld und von dort aus zusammen mit dem Ehepaar Herrmann nach Berlin zu fahren. Die Reise musste jedoch verschoben werden, da van de Velde mit der Fertigstellung des Auftrages für die Galerie von Bruno und Paul Cassirer beschäftigt war (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 15.9.1898, 13.11.1898, Privatarchiv). un modèle de chaise de Salle à manger: Es sind weder Entwürfe noch historische Aufnahmen vom Speisezimmerstuhl aus Kesslers Wohnung in der Köthener Straße 28 bekannt. Einzig eine Notiz in Kesslers Tagebuch verweist darauf, dass der textile Bezug offenbar in violett gehalten war: »Frau van de Velde in Violett, wie mein Esszimmer« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.10.1898). Es ist davon auszugehen, dass die Stühle wie auch die anderen Möbel des Esszimmers weiß gefasst waren. Stilistisch kommen zwei frühe Stuhltypen aus van de Veldes Geschäftskatalog in Betracht: Modell V, No. 5 oder die Modelle V, No. 8a und 12 (vgl. Velde 1899, Geschäftskatalog Brüssel/ Berlin, S. 21 f.; Pecher 1981, S. 81, 90, 121, 269 f., Nrn. 1103b, 1108). vos chandeliers: Vgl. Anm. Brief 19. loin: Kessler befand sich seit dem 5. September 1898 und auch zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Briefes in Berlin (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.–29.9.1898).
21 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], lundi oct[obre]. [18]98 [3.10.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
lundi soir oct[obre]. 98 C’est devant les menaces de véritables catastrophes proférées par ma dévouée employée, mon cher Monsieur et ami, que je me décide à lui donner l’autorisation de vous envoyer une facture. Depuis tantot [sic] que j’ai dit oui je cherche comme une excuse. Les plus mauvaises heures viennent aussi et il paraît que je suis sérieusement inquiété par les intermédiaires dont j’ai eu à souffrir, en ces temps, et qui ont installé leur toute âpreté entre mon désir de faire bien et la satisfaction que je me réjouis de vous avoir entendu exprimer. Il fut répondu tantot [sic] à un télégramme venant de votre part, que je
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serais [sic] à Berlin Samedi. Plus exactement ce sera Dimanche prochain que nous débarquerons à Berlin et descendrons Madame v[an]. d[e]. Velde et moi chez M[onsieur]. et M[ada]me C[urt]. Hermann [sic]. Croyez que [je] ressens une bien vive joie de vous revoir. Je vois à ces heures que nous passerons ensemble comme vers une halte bien gagnée et pourtant je mesure bien la générosité avec laquelle vous me les accordez. Madame v[an]. d[e]. Velde vous présente ses cordiaux compliments. Bien sincèrement à vous Henry van de Velde. Je n’ai pas osé expédié [sic] le modèle – en plâtre – du chandelier, de peur qu’ il n’arrivat [sic] soit à Berlin, soit à Bruxelles au retour cassé. Je l’ai fait coulé en bronze d’abord et comme modèle. L’un ou l’autre nous parviendra à Berlin pendant mon séjour. Je vous apporterai les floches p[our]. rideaux. Comment ai-je pu oublié [sic] de vous parler de cette Salle idéale à faire en collaboration avec L[udwig]. von Hoffmann [sic], alors que je ne pense plus qu’à cela depuis que vous m’en avez parlé! J’y pense et j’ai peur. Je désire réaliser ce rêve et j’ai vraiment peur d’être en dessous de ce que vous en attendez. Chez vous, nous en reparlerons c’est le vrai endroit, n’est-ce pas. N’est-il pas comme un essai, une préparation à ce que vous mieux que v[on]. Hoffmann [sic] et mieux que moi assurément voyez. Bien cordialement Henry v[an]. d[e]. V[elde]. lundi soir: Der Brief datiert vom Montag, den 3. Oktober 1898. Dimanche prochain: Maria und Henry van de Velde kamen am Sonntag, den 16. Oktober 1898, in Berlin an (vgl. Anm. Brief 20). le modèle – en plâtre – du chandelier: Vgl. Anm. Brief 19. Salle idéale: Vermutlich handelt es sich um ein erstes Kooperationsprojekt mit Ludwig von Hofmann, das jedoch nicht realisiert wurde. Näheres dazu ist nicht dokumentiert. Erst 1906 anlässlich der ›Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung‹ in Dresden stellten van de Velde und Ludwig von Hofmann die gemeinschaftlich ausgeführte Museumshalle vor (vgl. Anm. Brief 206). Ludwig von Hofmann (1861–1945), Maler, Illustrator, Zeichner. Harry Graf Kessler und Ludwig von Hofmann lernten sich am 19. August 1896 persönlich kennen. Eine längere Korrespondenz war dem Treffen vorausgegangen. Ludwig von Hofmann gehörte zu den Gründungsmitgliedern und seit 1897 zu den Herausgebern des ›Pan‹. Neben der Einbanddekoration steuerte er zahlreiche Handzeichnungen und Originalgraphiken dem Kunstblatt bei und wurde
174 Edition und Kommentar somit als Künstler einem breiten Publikum bekannt. Henry van de Velde nahm im Dezember 1897 Kontakt mit Ludwig von Hofmann auf. Er war von Octave Maus mit der Planung einer Ausstellung deutscher Künstler im Salon der Brüsseler ›Libre Esthétique‹ beauftragt worden und sah in diesem Zusammenhang eine Präsentation der Arbeiten von Hofmanns vor (Henry van de Velde an Octave Maus, 14.12.1897, AML, FSX 574; Henry van de Velde an Sophie Herrmann, Dezember 1897, in: Bothe 1989, S. 543 ff.). Während van de Veldes Aufenthalt in Berlin kam es im Oktober 1898 zu mehreren Zusammenkünften zwischen Ludwig von Hofmann, Kessler und van de Velde. Die Kontakte intensivierten sich fortan, insbesondere ab 1903, als das Dreigestirn in Weimar wirkte. Ludwig von Hofmann wurde Professor an der Großherzoglichen Kunstschule, Henry van de Velde Leiter des Kunstgewerblichen Seminars und Harry Graf Kessler ehrenamtlicher Direktor des Museums für Kunst und Kunstgewerbe. Gemeinsam beteiligten sie sich außerdem an der Gründung des Deutschen Künstlerbundes sowie an Projekten für das ›Neue Weimar‹. Als gesamtkünstlerisches Gemeinschaftswerk schufen van de Velde und von Hofmann die sogenannte ›Museumshalle‹ für die ›Dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung‹ 1906 in Dresden (vgl. Anm. Brief 206). Überdies entwarf Ludwig von Hofmann 1914 die Wandbilder für van de Veldes ›Werkbundtheater‹ in Köln und war im Rahmen kleinerer Arbeiten für van de Veldes Auftraggeber Julius Stern und Arthur Salomonsohn tätig (vgl. Anm. Brief 362). Harry Graf Kessler erwarb schon früh Pastelle Ludwig von Hofmanns für seine Sammlung. Als Museumsdirektor präsentierte er zahlreiche seiner Arbeiten in Ausstellungen im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe.
22 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], undatiert DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Visitenkarte, gedruckt: HENRY VAN DE VELDE PROFESSEUR A L’INSTITUT DES HAUTES ÉTUDES, 80, AVENUE VAN DE RAEY UCCLE (BRUXELLES)
Bien Merci, mon cher Monsieur et ami[,] de votre invitation, de vos très justes observations. Madame v[an]. d[e]. V[elde]. et moi reculerons notre départ d’un jour et vous proposons Jeudi. Nous vous sommes infiniment reconnaissants de cette rencontre chez vous. Merci de vos compliments, ils me vont bien profondément au cœur. Cordialement H[enry]. v[an]. d[e]. Velde. undatiert: Van de Velde verfasste die kurze Notiz auf der Visitenkarte unmittelbar vor seiner Abreise nach Berlin, d. h. vor dem 16. Oktober 1898 (vgl. Anm. Brief 21). invitation: Die schriftliche Einladung von Kessler hat sich nicht erhalten. Jeudi: Den Tagebuchaufzeichnungen von Kessler zufolge waren Henry und Maria van de Velde am Donnerstag, den 20. Oktober 1898, zu Gast bei Kessler (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.10.1898).
Briefe und Kommentare 175
23 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], lundi Nov[embre]. [18]98 [14./21./28.11.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
lundi soir Nov[embre]. 98. Je suis vraiment confus, mon cher Monsieur et ami[,] et fâché pour vous des mille tribulations que m’a occasionnées ce modèle de candélabre! À mon retour de Berlin, je l’ai trouvé à l’atelier – et dans quel état! – alors que par lettre on m’avait averti deux fois de son départ. Vous devez avoir cru – et c’est une pensée qui me fait du mal – que j’avais menti, en somme; puisque je vous avais assuré, chez vous, que ce modèle était en route! Mais j’étais de bonne foi et quand j’ai trouvé le modèle à l’atelier j’ai été bien découragé! Les ouvriers n’avaient rien compris à ce travail et les différentes pieces [sic] étaient assemblées sans aucune compréhension. J’ai grondé, j’ai suscité des mécontentements sérieux mais enfin aujourd’hui j’ai là devant moi ce modèle. Maintenant que nous avons perdu tant de temps, je crois faire au mieux en le faisant photographier dès demain, aussitot [sic] les épreuves reçues je vous les expédie pour avoir votre avis. Entretemps [sic] je peux avoir pris toutes mes dispositions pour la fonte, de telle sorte que je n’attendrai plus que votre »oui« ou votre »non«! L’exécution peut aller vite, malgré qu’elle suscitera pas mal de difficultés. L’étain se fond plus difficilement que le bronze ou que le cuivre. M’excuserez-vous? Excuserez-vous mon silence au sujet du retard? J’étais anxieux du résultat final et n’osais pas annoncer la fin prochaine. Maintenant j’attendrai aussi anxieusement votre avis; il n’y a rien au monde que je désire plus que de vous pouvoir envoyer une »chose bien«! Mais autant je désire un jugement sévère; de ceci je voudrais que vous soyez convaincu. Madame van de Velde et moi repensons bien souvent aux heures délicates et cordiales que nous avons vécues près de vous. Elle vous présente ses salutations cordiales et moi vous assure de mon dévouement. Henry van de Velde. lundi soir: Der Brief datiert vom Montag, den 14., 21. oder 28. November 1898. candélabre: Vgl. Anm. Brief 19.
176 Edition und Kommentar retour: Maria und Henry van de Velde waren am 8. November 1898 zurück nach Brüssel gereist (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 13.11.1898, Privatarchiv).
24 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], dimanche Dec[embre]. [18]98 [4./11.12.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
dimanche matin Dec[embre]. [sic] 98 Merci, mon cher Monsieur et ami, de vos constantes préoccupations de nous faire de bien. J’y suis infiniment sensible et chacune de vos lettres m’apporte des forces nouvelles. Je ne perds pas une minute, le flambeau aura 7 lumières et sera beaucoup mieux! Combien vous en faudra-t-il [?] Vous me direz aussi si vous désirez que ce modèle vous soit uniquement réservé. Ne nous aviez-vous pas dit que vous passeriez par Bruxelles, en Décembre? Bien cordialement Henry van de Velde. dimanche matin: Der Brief datiert vom 4. oder 11. Dezember 1898. flambeau: Vgl. Anm. Brief 19.
25 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Brüssel], [Poststempel: 19.12.1898] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Telegramm
=serai chez vous demain =vandevelde+ Telegramm: Das Telegramm trägt den Poststempel »Berlin [unleserliche Zahlen] III98 P 9 (R 6)« sowie den Zusatz »deKessler 28 koethenerstrasse berlin; Telegramm aus v bruessel 3920 9 19 10/58 m; aufgenommen von Br den 19/12 um 12 Uhr 00 M. durch Gunter«. serai chez vous demain: Van de Velde traf am 20. Dezember 1898 in Berlin ein und folgte sogleich der Einladung Kesslers (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.12.1898).
Briefe und Kommentare 177
26 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Brüssel], 24.1.1899 [Poststempel: 26.1.1899] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Briefkarte, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE-CALEVOET (PRÈS BRUXELLES).
Ce 24 Janvier 99 Mon cher Monsieur et ami, Puis-je vous faire une autre chaise longue que celle de M[onsieur]. v[on]. Bod[enhausen].? Si oui, un mot je puis la faire commencer immédiatement. Bien affectueusement Henry van de Velde. Briefkarte: Die Briefkarte ist adressiert an »à Monsieur le Comte H. de Kessler 28 Köthenerstrasze Berlin.« und gestempelt mit »Bruxelles 26 Janv 1899« und »Bestellt vom Postamte 9 26.1.99 [unleserliche Ziffern]«. une autre chaise longue: Kessler ließ sich 1899 eine Chaiselongue des Modells ›5‹ zum Lesen anfertigen. Dies geht aus einem Brief von Henry van de Velde an Alfred von Nostitz-Wallwitz vom 15. Januar 1900 hervor: »M[onsieur]. le C[om]te de Kessler a en effet une chaise longue ›5‹, je la lui fus pour y lire [...].« (Henry van de Velde an Alfred von Nostitz-Wallwitz, 15.1.1900, AML, FSX 615). Van de Veldes Geschäftskatalog von 1899 führt zwei Modelle mit der Modellnummer ›5‹ auf (vgl. Velde 1899, Geschäftskatalog Brüssel/ Berlin, S. 6, Modell V, No. 48, S. 8, Modell V, No. 11, S. 6; Pecher 1981, S. 159, 275 f., Nr. 1211, Nr. 1219). Beide Modelle sind 180 cm lang und besitzen eine Rückenlehne mit seitlichen Armlehnen zum aufrechten Sitzen. Welches der beiden Modelle Kessler gehörte, ist nicht dokumentiert. Für den Salon von Alfred von Nostitz-Wallwitz schlug van de Velde die Nummer 11 vor (Henry van de Velde an Alfred von Nostitz-Wallwitz, 8.1.1900, AML, FSX 615).
27 Johannes Paul [im Auftrag von Henry van de Velde] an Harry Graf Kessler, Berlin, 30.4.1899 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf bedruckt: H. VAN DE VELDE G.M.B.H. WERKSTÄTTEN FÜR ANGEWANDTE KUNST. MÖBEL, TAPETEN. FARBIGE FENSTER. SCHMUCKSACHEN. BELEUCHTUNGSKÖRPER. METALLARBEITEN. BANK-CONTO: BERLINER BANK. TELEPHON: AMT IX, N°. 7238.
D[e]m hochgeborenen Herrn Graf Kessler W Köthenerstraße
178 Edition und Kommentar
Ein Schreiben (einl[iegend]. Copie) wurde von mir Herrn Fischer persönlich überreicht und erklärte sich derselbe mit dem Inhalte prinzipiell einverstanden, was er durch ein Gegenschreiben bestätigen wird. H[er]r. Fischer wünschte, daß ich Ihnen hiervon Mitteilung machen möchte, damit Sie sogleich die Unterhandlung mit Lemmen zu Ende führen könnten.– Fischer machte aber einen Vorbehalt, daß es von Herrn Meier-Graefe noch der schriftlichen Bestätigung, auf die mündliche Zusage der 300 Exemplare Subscription bedürfe, er hat vor einigen Tagen deshalb nach Paris geschrieben und von dort die Nachricht erhalten, daß M[eier]-G[raefe]. im Laufe dieser Woche nach dort zurückkommt. Fischer schien seiner Sache mit M[eier]-G[raefe]. vollkommen sicher zu sein, will sich aber als vorsichtiger Geschäftsmann für Tod u[nd]. Leben den Rücken decken. Hochachtungsvoll Joh[annes]. Paul Copie: Die ursprünglich beiliegende Kopie ist nicht mehr vorhanden. Samuel Fischer (1859–1934), Berliner Verleger, Herausgeber der ›Neuen Deutschen Rundschau‹. Nachdem der Leipziger Verlag von Constantin Georg Naumann im November 1898 die Rechte an der Veröffentlichung der Prachtausgabe des ›Zarathustra‹ sowie der Briefe Nietzsches und seiner frühen Schriften an Elisabeth Förster-Nietzsche abgetreten hatte, interessierte sich der Berliner Verleger Samuel Fischer für die Publikation der Luxusausgabe. Harry Graf Kessler nahm deshalb Anfang Dezember 1898 erste Verhandlungen mit Fischer auf und besiegelte Ende des Monats das Vorhaben (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 3./20./22.12.1898). Wohl auf die Empfehlung von Julius Meier-Graefe übertrug Kessler dem Belgier Georges Lemmen den Auftrag zum Entwurf einer Schrifttype. In der Folge kam es im Frühjahr 1899 zu näheren Unterhandlungen zwischen Fischer, van de Velde, Meier-Graefe, Lemmen und Kessler. Anfang April 1899 reiste van de Velde nach Paris, um Meier-Graefe zu treffen. Während dieser Begegnung kam es auch zu Gesprächen bezüglich des ›Zarathustra‹. Meier-Graefe präsentierte van de Velde das neu entworfene Schriftzeichen Lemmens: »Voila comment je ›voyais‹ encore récemment à Paris ce Zarathustra au moment où Meiergräefe me montra le beau caractère nouveau de Lemmen, et m’expliqua pour quelles causes il ne pourrait plus aider à sa réalisation.« (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 26.4.1899, DLA; vgl. Anm. Briefkarte 13). Georges Lemmen (1865–1916), belgischer Maler, Graphiker und Kunstgewerbler. Georges Lemmen und Henry van de Velde kannten sich seit 1888, d. h. seit der gemeinsamen Aufnahme in die Brüsseler Künstlervereinigung ›Les Vingt‹. Ihr künstlerischer Werdegang verlief bis 1900 sehr ähnlich. U. a. arbeiteten sie gemeinsam an verschiedenen Projekten mit, wie an der Gestaltung der Zeitschrift ›Van nu en straks‹ (1893/94) oder an der gesamtkünstlerischen Ausstattung eines Rauchzimmers (1895) für Siegfried Bings Galerie ›L’Art Nouveau‹. Es kam nicht selten vor, dass Lemmen auch für van de Veldes Auftraggeber tätig war, indem er vornehmlich Gebrauchsgraphik, wie Annoncen, Einladungen, Exlibris, Werbebroschüren oder Briefköpfe, entwarf. Nach Aussagen von Madeleine Maus war Lemmen jedoch im Gegensatz zu van de Velde eine kühle, pessimistische und scheue Persönlichkeit (Velde 1962, S. 44). Kessler war Lemmen erstmals im Oktober 1897 in Brüssel begegnet (vgl. Tagebuch Harry Graf
Briefe und Kommentare 179 Kessler, 30.10.1897). Kessler verpflichtete ihn für die Gestaltung des Titelblatts und des Einbandes seines ersten Buches ›Notizen über Mexiko‹ (1898) und ließ zeitgleich ein neues Exlibris für sich entwerfen. Ende März 1904 erwarb Kessler privat das ›Bildchen‹ eines unbekleideten Mädchens auf dem Sofa (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.3.1904; vgl. weiterführend Cardon 1980, Ausst. Kat. Brüssel 1997). Johannes Paul, Geschäftsführer der ›Henry van de Velde G.m.b.H.‹. Johannes Paul wurde im Dezember 1898 von Eberhard von Bodenhausen als Geschäftsführer der ›Henry van de Velde G.m.b.H.‹ engagiert, erwies sich jedoch, wie van de Velde es befürchtet hatte, nicht als »genie des affaires« (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 5.12.1898, DLA). Paul betreute sein Amt bis zur endgültigen Abwicklung der Firma mehr schlecht als recht. Zusammen mit Carl Ladewig bereitete Johannes Paul im November 1902 als letzte Amtshandlung den Liquidationsverkauf der ehemaligen ›Henry van de Velde G.m.b.H.‹ im Berliner Auktionshaus Rudolph Lepke vor. Über seinen weiteren Lebenslauf ist nichts bekannt.
28 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], lundi matin 1899 [7.8.1899] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Vignette mit Schriftzug ›BLOEMENWERF‹
[août] [von anderer Hand] lundi matin 1899 [von anderer Hand] mon cher ami M[onsieur]. de Kessler, J’ai ressenti deux grandes joies ces deux derniers jours! l’une = le B[aron]. de Bodenhausen m’annoncant [sic] que votre état de santé s’était très sensiblement amélioré; que vos forces vous étaient revenues au point de vous permettre de supporter les émotions d’un voyage à Bayreuth l’autre = Maria vient de s’accoucher heureusement d’une fille. Elle a beaucoup souffert mais maintenant elle [se] repose là-bas – loin à Kijkduin au [sic] pays-bas [sic] – bien calme et bien heureuse dans un grand lit d’où Elle voit la mer. Moi j’ai tant pensé à vous et m’en veux tant de n’avoir pas pu vous écrire souvent! Mais aussi ai-je eu peur d’importuner, vous avez négligé de nous dire où vous vous trouviez et les fois que j’aurais pu vaincre les scrupules je me voyais si accablé d’autres choses à faire que je devais y renoncer. Car c’est inouï ce que j’ai sur les bras et combien je puise en ma cervelle. Et à quoi cela aboutira-t-il, en somme ....? Mais je veux n’être qu’à ces deux grandes joies; je m’y retrempe tout à fait et je caresse l’espoir que cette lettre vous parviendra. Que les jours vous
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soient heureux, mon cher ami[,] et faites que vos forces vous reviennent tout à fait ... ! Où que vous ayez été vous avez bien senti, n’est-ce pas, que Maria et moi pensions à vous[.] Affectueusement Henry van de Velde. Vignette: »Im Frühjahr 1896 bezogen wir unser neues Haus. Wir nannten es ›Bloemenwerf‹ in Erinnerung an eines der schönen, bescheidenen Landhäuser dieses Namens, das wir auf unserer Hochzeitsreise auf den Kanälen zwischen Utrecht und Amsterdam gesehen hatten.« (Velde 1962, S. 111 f.). Die Vignette wurde 1896 von van de Veldes Jugendfreund Max Elskamp entworfen und als Holzschnitt ausgeführt. Sie zeigt das stilisierte Haus Bloemenwerf (Blumenhügel) im blühenden Garten. lundi matin 1899: Der Brief datiert vom 7. August 1899. état de santé: Ein einziger Tagebucheintrag vom April 1899 deutet daraufhin, dass Kessler erkrankt war. »Beethovens Missa Solemnis; ich habe Krankheit und Schmerzen, Alles vergessen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.4.1899). voyage à Bayreuth: Kessler war bereits am 30. Juli 1899 mit seiner Schwester Wilma aus Bayreuth abgereist. Er hatte dort einige Tage mit ihr verbracht (vgl. Anm. Brief 29). fille: Hélèna Johanna Rosina (gen. Helen, Lene oder Puppie, verh. von Schinckel, 1899–1935). Am 6. August 1899 wurde van de Veldes Tochter Hélèna Johanna Rosina in Kijkduin/ Holland geboren. Aus Anlass der Niederkunft hielt sich Maria van de Velde von Juli bis September 1899 bei ihrer Freundin Jenny Lutens (auch: Lütens) in Kijkduin auf. Max Elskamp entwarf erneut einen Holzschnitt, diesmal für die Geburtsanzeige. ›Puppie‹ van de Velde heiratete 1923 den Hamburger Bankier Joachim (gen. Jochen) von Schinckel (1895–1976) und bekam zwei Kinder. Sie starb nur 35-jährig 1935 an Krebs (vgl. Brief 389). Kijkduin: Badeort an der holländischen Nordseeküste in der Nähe von Den Haag.
29 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, Bad Hall, 19.8.1899 AML, FSX 504/10, Brief
Chère madame J’ai été profondément touché de votre lettre, ainsi que de celle de monsieur Van de Velde. Celle ci, tout en me causant une grande joie par l’annonce de l’arrivée de mademoiselle Lene, m’avait aussi, bien naturellement, inquiété; c’est pour cela que j’avais demandé télégraphiquement des nouvelles; j’ai été touché plus que je ne puis l’exprimer, de ce que vous m’ayez répondu
Briefe und Kommentare 181
vous-même dans ces circonstances et je vous en remercie bien chaleureusement, chère madame; j’espère ardemment que vous continuez à vous bien porter, et que la petite Lene n’a pas encore fait connaissance avec les souffrances du monde, dans lequel elle est entrée. Je me porte beaucoup mieux, et j’ai passé à Bayreuth huit jours remplis des plus vives émotions artistiques. J’y ai accompagné ma sœur, qui ne connaissait pas encore l’Allemagne. Nous avons commencé par Munich. Je lui ai actuellement montré la chambre de monsieur Vande Velde. Elle n’avait encore rien vu de lui, et j’étais très curieux de voir l’impression que cela lui plait. Après avoir bien regardé tout, et en silence, elle a résumé ces impressions par les mots; comme c’est moral; et cette impression est allée en grandissant chaque fois que nous y sommes retournés: comme c’est moral, comme c’est pur; on sent qu’on ne devrait pas avoir de sentiments bas dans ce décor; on voudrait avoir une chambre comme celle[-]là, une seule, pour s’y retirer de temps en temps, et s’y purifier etc. Comme ma sœur ne ment jamais, pas même pas. »Anempfindung«, ce sentiment était certainement vrai, et venant d’une toute jeune fille m’a semblé intéressant. Du reste c’est absolument la sensation que j’ai, quand je viens chez vous, chère madame, à Uccle, et j’ai encore à vous remercier du bien que vous m’avez fait, le jour que j’ai passé par Bruxelles, en me permettant de passer une heure chez vous; la possibilité d’un »home« comme le votre [sic], d’un »home« respirant une telle beauté morale sans base mystique ou religieuse, est une grande consolation et une vraie promesse pour l’avenir possible de l’humanité; je vous assure que je me console bien souvent en y pensant, et en vous revoyant par la pensée, vous et monsieur van de Velde, dans ce milieu, comme gages d’une humanité plus élevée et plus forte en elle-même; c’est peut être en créant ce milieu que monsieur van de Velde s’est élevé le plus haut, et cela dans le sens Nietzschéen. Et maintenant, chère madame, je vous prie d’excuser cette lettre trop indiscrète et trop décousue, et de recevoir mes vœux les plus sincères pour votre complète guérison. Bad Hall. Autriche, ce 19 aout [sic] 99 H[arry] de Kessler. Chère madame: Bei diesem Brief handelt es sich um den ersten im Nachlass van de Veldes überlieferten Brief von Harry Graf Kessler an Maria van de Velde. lettre: Der Brief von Maria van de Velde an Kessler hat sich nicht erhalten. mademoiselle Lene: Am 6. August 1899 war van de Veldes zweite Tochter Lene geboren, die später vorwiegend Helen oder Puppie genannt wurde (vgl. Brief 28). Bayreuth: Kessler wollte seiner knapp 22-jährigen in Frankreich aufgewachsenen Schwester Deutschland näherbringen und lud sie deshalb zu sich ein. Die Rundreise begann in München, wo Wilma am 18. Juli 1899 ankam. Kessler plante die Reise unter verschiedenen Gesichtspunkten. Wilma sollte einerseits die deutsche Kultur, Kunst, Musik sowie das Land an sich kennenlernen und andererseits in die gesellschaftliche Oberschicht Berlins eingeführt werden. Programmpunkte waren u. a. – wie im Brief erwähnt – die Secessions-Ausstellung in München,
182 Edition und Kommentar ein ländlicher Besuch auf Schloss Neubeuern, eine Soiree bei Cosima Wagner in Bayreuth, eine Einladung ins Weimarer Nietzsche-Archiv sowie diverse Museumsbesuche in Berlin. Wilmas zweiwöchige Deutschland-Reise endete am 3. August 1899 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 18.7.1899–3.8.1899; Harry Graf Kessler an Alice Gräfin Kessler, 19./24./30.7.1899, DLA). ma sœur: Wilhelma Karoline Louise Alice Gräfin Kessler (gen. Wilma; verh. Marquise de Brion, 1877–1963). Wilma Kessler (seit 1881 Wilma Gräfin Kessler) wurde am 24. August 1877 in London geboren, erhielt kurz darauf die Patenschaft von Kaiser Wilhelm I. und wuchs in Paris auf. Wilma Gräfin Kessler heiratete am 4. Juli 1903 Christian de Michel Duroc, Marquis de Brion und Duc de Frioul in Paris. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Jacques und Géraud de Michel Duroc. Kessler hatte ein ausgesprochen inniges Verhältnis zu seiner neun Jahre jüngeren Schwester, die er vertraut ›Gee‹, ›Child‹ oder ›Baby‹ nannte. Die sehr starke Bindung beruhte auf Gegenseitigkeit: »My Bowie, I think often how marvellously alike we feel things and Life! – that’s why you are my greatest, my deepest friend.« (Wilma Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, Brief, 27.3.1902). Nach dem Tod des Vaters rückte die Familie innerlich näher zusammen. Trotz der räumlichen Distanz übernahm Kessler mitunter die Rolle des vertrauten Mentors und Vaters. Er führte Wilma in die Berliner Hautevolee ein, begleitete sie auf Bildungsreisen durch Europa, wie hier zu den Bayreuther Festspielen und ins Weimarer NietzscheArchiv, verfolgte ihre schriftstellerischen Ambitionen und half ihr bei der Wahl des zukünftigen Ehegatten. Wilma wurde gerade in Kesslers letzten Lebensjahren zu einer unschätzbar treuen und fürsorglichen Begleiterin. Sie pflegte ihren kranken Bruder und half ihm wiederholt aus schweren finanziellen Engpässen. Wilma de Brion gab mehrfach Einzelstücke, wie Silberwaren oder Porzellan, und 1929 eine ganze Wohnungsausstattung für ihr Pariser Appartement in der Avenue Kléber 55 bei van de Velde in Auftrag (vgl. Briefe 138, 159, 208, 224, 244, 280, 393). Lange nach Kesslers Tod unterstützte sie van de Velde beim Abfassen seiner Memoiren, indem sie ihm ganze Passagen aus den Tagebüchern ihres Bruders handschriftlich kopierte und zur Verfügung stellte (vgl. Korrespondenz von Wilma de Brion an Henry van de Velde, AML, FSX 319). la chambre de monsieur Vande Velde: Kessler nimmt hier Bezug auf die Münchner SecessionsAusstellung am Königsplatz und auf das von van de Velde ausgestellte Arbeitszimmer. Die Ausstellung fand von Juni bis August 1899 statt. Van de Velde war mit mehr als 60 Einzelstücken vertreten. jour: Kessler weilte am 8. Mai 1899 einen Tag lang in Brüssel, um von dort aus nach Paris weiterzureisen. Bei dieser Gelegenheit traf er sich mit Georges Lemmen und Maria van de Velde (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.5.1899). Van de Velde, der über Kesslers Besuch kurzfristig informiert wurde, hielt sich jedoch zu diesem Zeitpunkt noch in Paris auf, wo er u. a. mit Julius Meier-Graefe über die Innengestaltung der Galerie ›La Maison moderne‹ verhandelte (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 6.5.1899, DLA). Bad Hall: Kurort im Alpenvorland von Oberösterreich.
Briefe und Kommentare 183
30 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 11.12.1899 AML, FSX 504/1, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher Monsieur et ami Je vous serais bien reconnaissant de vouloir bien adresser la lettre ci-incluse à monsieur Minne, dont j’ignore toujours l’adresse, et que je voudrais cependant remercier de l’œuvre qu’il m’a confiée; j’en suis de plus en plus frappé. Ce n’est pas une œuvre d’exposition, mais un vrai morceau intime avec lequel il faut vivre, parceque [sic] lui-même il vit, d’une vie très drue, mais tellement intense, qu’il s’impose à l’attention comme une personne. – Lemmen a enfin envoyé les caractères, c’est[-]à[-]dire la plus grande partie, et il promet de les finir très prochainement; nous pourrons donc commencer à graver les poinçons en janvier. – Je vous prie de présenter tous mes hommages à madame van de Velde et aux bébés. Votre très dévoué HdeKessler. ce II déc[embre]. 99. 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W: Kessler war Ende September 1897 von der Bernburgerstraße 22a/23, wo er drei Jahre gewohnt hatte, in die Köthener Straße 28 umgezogen. Die dortige Wohnung im ersten Stock befand sich in unmittelbarer Nähe zum Potsdamer Platz und Anhalter Bahnhof. Kessler ließ die Wohnung, die er bis 1933 behielt, 1897/98 von van de Velde ausstatten (vgl. Briefe und Briefkarten 3, 4, 13, 20). Das Haus in der Köthener Straße 28 wurde in den 1960er Jahren abgerissen (vgl. weiterführend Gauglitz 2005). lettre ci-incluse: Der Brief an Minne liegt diesem Schreiben nicht mehr bei. Georges Minne (1866–1941), belgischer Bildhauer, Graphiker. Van de Velde war seit Ende der 1880er Jahre mit seinem belgischen Landsmann George Minne befreundet. 1898 machte er ihn mit Kessler bekannt. Nach dem ersten Besuch im Atelier von Minne hielt Kessler fest: »Nach dem Frühstück mit Vandevelde jenseits von Uccle quer durch die Felder zu dem Hause, das jetzt der Bildhauer Minne bewohnt; es ist eine kleine alte Kapelle, in der er sich für sich und seine Frau ein paar Zimmer zurechtgemacht hat. [...] Er selbst ist ein vierschrötiger, untersetzter, blonder Vlaame, mit der eigentümlich hellen, vollblütigen, wie in beständigem Fluss befindlichen Gesichtsfarbe seiner Rasse; von oben bis unten mit Thon bespritzt, und umgeben von einem zahlreichen Nachwuchs von kleinen blondköpfigen Kindern.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 23.3.1898). Knapp zehn Jahre nach diesem Eintrag stellte Kessler als ehrenamtlicher Museumsdirektor 1906 und 1907 Werke von Georges Minne in Weimar aus.
184 Edition und Kommentar œuvre: Kessler hatte während seines ersten Besuches bei Minne am 23. März 1898 zwei Arbeiten in Auftrag gegeben. »Ihn gebeten, mir einen Bronceguss des Knabenaktes machen zu lassen; und den ersten Entwurf des Voldersdenkmals, von dem nur noch ein kleines, aber ergreifendes Fragment an der Atelierwand hieng, in Stein bestellt.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 23.3.1898). Bei diesen erwähnten Arbeiten handelte es sich einerseits um die bekannte Plastik ›Kniender Jüngling‹ (1898), die Kessler in Bronze wünschte, jedoch in Marmor oder Gips bekam, sowie um ein Fragment des ›Grabdenkmals Jan Volders‹ in Stein. Überdies besaß Kessler in seiner Sammlung Minnes ›Kleine Badende‹ (1899) in Bronze. caractères: Lemmen konnte erstmals im Frühjahr 1899 die von ihm entwickelte Schrifttype ›Lemmen Antiqua‹ für die Luxusausgabe ›Also sprach Zarathustra‹ präsentieren (vgl. Brief 27). Die vollständige Ausarbeitung erfolgte bis Dezember 1899. poinçons: Die neue Schrifttype wurde im Januar 1900 in der Offizin W. Drugulins als Stempel geschnitten und im Frühjahr des darauffolgenden Jahres gegossen.
31 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], dimanche Janv[ier]. 1900 [7./14./21./28.1.1900] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE. 53, RUE GRAY, BRUXELLES.
dimanche soir Janv[ier]. 1900 Cher Monsieur et ami, Depuis quand ai-je le désir de vous écrire au sujet du Zarathustra? Mais mille choses urgentes qui me retiennent ici tous les jours jusqu’à une heure avancée de la nuit ne m’ont permis aucune question à ce sujet. Maintenant, le fait de vous avoir envoyé une étude parue récemment et dans laquelle ont paru deux ornements dont je n’ai aucune raison d’être satisfait et qui ne peuvent satisfaire personne me font trouver le temps malgré tout de vous écrire. Veille [sic] étude – vieux ornements; rien à dire sinon que l’une et les autres auraient dû paraître à leur heure. Mais voici que je m’inquiète que vous pourriez croire que c’est de cette façon que j’ornerais à présent un livre et qu’en somme, celle-là compromettrait le Zarathustra. Je voudrais pouvoir vous rassurer tout de suite et c’est pour cela qu’il faut absolument obtenir soit de Fischer, soit de Lemmen – soit de tous les deux - qu’ils fassent hâte. Quels inexpliquables [sic] tempéraments – pour moi – que ceux qui peuvent ainsi attendre la réalisation de leurs projets!
Briefe und Kommentare 185
Vous a-t-on dit, cher Monsieur, que je donnais au »Pan« mon étude: la suite au Déblaiement d’art? Je compte donner en même temps deux ornements pour cette étude; en eux –déja [sic] – vous trouverez mon sentiment actuel au sujet de l’ornementation du livre et je n’ai pas peur que nous ne soyons pas d’accord à ce sujet. L’étude, elle[-]même nous en parlerons lors de mon prochain voyage à Berlin qui se précise vers fin fevrier [sic] pour une série de deux ou trois conférences. Or, comme cette étude est plutot [sic] longue, je la fais traduire par le doct[eur]. Levin de Paris. Ceci, en raison des ennuis que je sais que vous et d’autres avez eus avec le chapitre sur les meubles. Etes-vous à Paris, êtes-vous à Berlin? L’exquis petit Tiffany que vous avez envoyé de Paris à Maria nous a renseigné [sic] sur votre séjour là[-]bas mais non pas sur vos intentions de séjourner ou de voyager, cet hiver. Rien, personne ne vous aménera-t-il içi [sic] à Uccle, cet hiver – et vous verrai-je à Berlin, cet hiver? En outre, de l’agrément principal que votre présence à Berlin offrirait à mon voyage - je demande à être renseigné en raison dela [sic] livraison, que je voudrais vous faire des deux candélabres [sic], en étain – crées pour vous. J’ai deux exemplaires – terminés et merveilleusement exécutés. Mais je n’ose pas les envoyer, en raison de ces maudits et barbares moyens de transport, de cette stupide et néfaste pratique de dédouanement. Avez-vous su que deux fois les premiers ont fait le voyage et que deux fois ils ont été atrocement abîmés et la seconde fois au point qu’aucun moyen d’y remédier encore restait à ma disposition! Comment remettre entre vos mains ceux-çi [sic]? Je propose de les emmener avec moi – comme bagage et de vous les remettre moi-même à Berlin. Mais pouvez [vous] attendre jusqu’à ce moment? Si non – quoi faire? Dites-moi un mot, à ce sujet, cher Monsieur et ami et croyez en mon profond et affectueux dévouement Henry van de Velde. 7./14./21./28.1.1900: Der Brief datiert vom Sonntag, den 7., 14., 21. oder 28. Januar 1900. Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE. 53, RUE GRAY, BRUXELLES: Der Briefkopf vereint neben van de Veldes Künstlersignet van de Veldes private Anschrift in der Avenue van de Raey 80 sowie die Anschrift der 1898 etablierten Werkstatt in der Rue Gray 53 (vgl. Brief 27). une étude: Es kommen verschiedene 1899 veröffentlichte Studien in Betracht.
186 Edition und Kommentar L’étude: Es handelt sich um den Aufsatz ›Allgemeine Bemerkungen zu einer Synthese der Kunst‹, der im letzten Heft des ›Pan‹ abgedruckt wurde (Velde 1899 [Pan], S. 261–270). Die Studie war bereits 1896 unter dem Titel ›Aperçus en vue d’une Synthèse d’art‹ in Brüssel erschienen und stellte eine Fortführung der 1894 veröffentlichten Studie ›Déblaiement d’art‹ (s. u.) dar. Als dritter Teil der Trilogie war der Aufsatz ›Une synthèse d’art moderne‹ geplant (vgl. ›note de l’auteur‹, in: Velde 1896). Déblaiement d’art: Die Veröffentlichung ›Déblaiement d’art‹ (›Säuberung der Kunst‹) ging aus dem Vortrag ›L’Art futur‹ hervor, den van de Velde am 6. März 1894 im Salon der ›Libre Esthétique‹ in Brüssel gehalten hatte (Maus 1926, S. 173, 183). Die erste Ausgabe war 1894 im Verlag ›Veuve Monnom‹ von Sylvie Monnom, der Schwiegermutter Théo van Rysselberghes, und die zweite Ausgabe 1896 im Selbstverlag in Brüssel erschienen. Van de Velde hatte nicht nur den Text verfasst, sondern auch die Gestaltung der Ausgaben übernommen (vgl. Velde 1894; Velde 1896). ornements: Van de Velde entwarf für seinen Aufsatz ›Allgemeine Bemerkungen zu einer Synthese der Kunst‹ auch die schmückende Verzierung, d. h. die Kopfleiste, das Initial und das Schlussstück. voyage: Van de Velde kündigte gegenüber Eberhard von Bodenhausen an, Ende Februar oder Anfang März 1900 nach Berlin zu reisen (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 2.2.1900, DLA). Tatsächlich hielt er sich vom 7. bis 19. März 1900 in Berlin auf (Henry van de Velde an Maria van de Velde, undat. [7.3.1900], 18.3.1900, AML, FSX 784). conférences: Van de Velde reiste nach Berlin, um eine Vortragsreihe zu halten, die schließlich seinen Bekanntheitsgrad innerhalb der Berliner Gesellschaft fördern sollte. Van de Velde sprach sowohl in der Galerie Keller & Reiner als auch im Salon von Cornelie Richter vor einem exklusiv ausgewählten Publikum (vgl. Briefe 34–36). Die Vorträge wurden 1901 und 1903 in deutscher Sprache unter dem Titel ›Die Renaissance im modernen Kunstgewerbe‹ bei Cassirer veröffentlicht (vgl. Briefe 37, 61; Velde 1901). Julius [ Jules] Levin (1862–1935), Arzt, Schriftsteller, Journalist, Geigenbauer. Jules Levin war mit Julius Meier-Graefe eng befreundet und zu jener Zeit als Korrespondent für den ›Berliner Börsen-Courier‹ in Paris tätig. Van de Velde kannte Levin so gut, dass er ihn sogar duzte (vgl. Henry van de Velde an Jules Levin, 31.1.1900, DLA). Van de Velde engagierte Levin seit 1899 gelegentlich als Übersetzer (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, Samedi soir Oct[obre]. 1899, DLA). chapitre: Gemeint ist der Aufsatz ›Ein Kapitel über Entwurf und Bau moderner Möbel‹, der 1898 im ›Pan‹ erschienen war. Kessler hatte die Übersetzung, die nach van de Veldes Worten »wirklich nicht leicht« war, übernommen (vgl. Briefkarte 9; Velde 1897/1898 [Pan]). livraison ... candélabres: Vgl. Anm. Brief 19.
Briefe und Kommentare 187
32 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 29.1.1900 AML, FSX 504/3, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher monsieur et ami Comment vous remercierai-je du très beau dessin qui m’est parvenu aujourdhui [sic] par les mains de Bodenhausen. Vous m’avez fait là un plaisir si grand, que j’espère qu’il pourra un peu compenser le sacrifice que vous m’avez fait d’une œuvre, qui a dû vous être chère, et par sa beauté et par les souvenirs qui s’y attachaient pour vous. On voit bien la bouture néoimpressionniste d’où cette composition sort. Mais ce qui me semble bien plus extraordinaire, c’est que votre ligne s’y affirme déjà, et cela sans que vous sembliez vous en apercevoir. C’est comme par hasard qu’on la voit apparaître, au milieu de recherches Seuratistes, et c’est cependant une de vos tendances les plus profondes qui se fait poser de cette façon, du reste, tout à fait naturelle. Car tout ce qui va vivre apparaît ainsi, et les choses faites »exprès« meurent généralement avant d’avoir vécu. Voilà ce qui vous sépare à ce qu’il me semble, des autres disciples de Seurat et vous rapproche de Seurat lui-même, que chez vous comme chez lui la ligne est une tendance naturelle, invincible, subconsciente, tandisque [sic] la ligne, chez les autres néo impressionnistes est plutôt une recherche. Je vous prie d’excuser ma lenteur à répondre à votre lettre; mais ce n’est qu’aujourdhui [sic] que j’ai enfin reçu les dessins complets de Lemmen. Nous pourrons donc commencer à graver les caractères incessamment, et vous aurez des épreuves, je l’espère, en Avril [sic]. Les caractères sont vraiment très beaux et feront merveille avec nos ornements. Pour les chandeliers; je puis attendre; et je ne voudrais pas risquer de les voir briser par des douaniers, encore une fois. Agréez, cher monsieur et ami, l’expression de mon profond dévouement, et veuillez présenter tous mes respects à madame VandeVelde qui, j’espère, vous accompagnera à Berlin en février. HdeKessler. ce 29 janvier 1900. Je vous remercie infiniment de la bonté que vous avez eu en m’envoyant votre article. Je ne veux pas le lire pour quelques jours encore, comme je suis en train de finir un article sur un sujet analogue pour le Pan; mais je me réjouis d’avance du plaisir qu’il me réserve.
188 Edition und Kommentar dessin: Bodenhausen hatte Kessler am 27. Januar 1901 eine Zeichnung von van de Velde mit folgender Notiz geschickt: »Vandevelde hat mir dieses Bild für Dich übergeben, das ich Dir schon vor Weihnachten hätte übersenden müssen. Bitte sehr um Entschuldigung wegen dieses Versehens. Es ist aus der frühesten Zeit van de Velde’s, als er noch im Seetang und in den Linien der Meeresküste nach seinen Linien suchte.« (Eberhard von Bodenhausen an Harry Graf Kessler, 27.1.1900, DLA). dessins: Betrifft die Schriftentwürfe von Georges Lemmen für die Luxusausgabe ›Also sprach Zarathustra‹ (vgl. Anm. Briefkarte 13). chandeliers: Vgl. Anm. Brief 19. article: Vgl. Brief 31. un article sur un sujet analogue: Es kann sich nur um Kesslers geplante Fortsetzung zum Aufsatz ›Kunst und Religion‹ handeln, an der er zu Jahresbeginn 1900 arbeitete, die jedoch nie erschien (vgl. Briefkarte 38).
33 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], 19.2.1900 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE. 53, RUE GRAY, BRUXELLES.
ce 19 fév[rier]. 1900 Ci-jointe une carte lettre du poète Charles Morice, momentanément fixé à Bruxelles qui vous renseignera, mon cher Monsieur et ami, sur l’objet d’une demande que j’appuie près de vous, d’autant plus que je crois cette étude intéressante et que je sais que Charles Morice est très pauvre. Connaissez-vous ce peintre Baud-Bory [sic] dont Morice m’a parlé avec enthousiasme? Son œuvre vaut-elle l’étude que Morice lui a consacrée? Je pense que vous pourriez demander à lire le manuscript [sic] que je comptais vous apporter. Mais, voila [sic] que Morice semble pressé et j’ose vous recommander Morice pour la raison donnée, ci haut: l’inéluctable pauvreté des poètes. Vous vous rappelerez [sic] certainement que c’est lui qui le-premier signala à notre nomination, Verlaine. En hâte et a [sic] bientot [sic] Bien cordialement dévoué Henry van de Velde. carte lettre: Charles Morice hatte van de Velde am 18. Februar 1900 eine Briefkarte mit folgendem Inhalt zukommen lassen: »Cher Monsieur. Vous vous souvenez certainement que je vous ai parlé de mon désir de publier dans le Pan une étude importante sur un peintre suisse, Auguste
Briefe und Kommentare 189 Baud-Bovy récemment mort et de qui l’œuvre enfin va être exposé à Genève. La publication de cette étude devient urgente. Puis-je espérer de votre obligeance que vous voudrez bien, sans attendre votre voyage à Berlin, faciliter l’accès de cette revue par un mot de présentation – qu’il faudrait, dans l’espèce, vif! Merci [...] Charles Morice« (Charles Morice an Henry van de Velde, 18.2.1900, AML, FSX 504). Charles Victor Marius Morice (1860–1919), französischer Schriftsteller, Kunstkritiker, Essayist, Mitarbeiter der ›L’Art Moderne‹ und der ›La Revue Blanche‹. Charles Morice war seit 1896 in Brüssel ansässig und lehrte dort von 1899 bis 1901 an der Université Nouvelle. Morice und van de Velde kannten sich jedoch vermutlich schon seit den frühen 1890er Jahren aus dem Kreis um Edmond Picard und Émile Verhaeren. Morice hielt 1898 und 1899 zwei Vorträge im Salon der ›Libre Esthétique‹: ›Au temps des Van Eyck‹ und ›Le Christ de Carrière‹ (Maus 1926, S. 227, 231, 233, 236). Zu Baud-Bovy veröffentlichte er folgende Abhandlungen: Morice, Charles: Le peintre de la montagne, in: L’idée libre, Paris 1893, S. 146–153; Morice, Charles: Baud-Bovy – un peintre de la montagne, Genève 1899. Zu einem Artikel im ›Pan‹ kam es nicht, da die Zeitschrift im Jahr der Abfassung des Briefes eingestellt wurde. Van de Velde widmete er 1906 einen Artikel im ›Mercure de France‹: Morice, Charles: Exposition d’argenteries de (Henry) van de Velde, in: Mercure de France, 17. Jg., 59. Bd., Paris 1906, S. 456–458. Auguste Baud-Bovy (1848–1899), Schweizer Maler und Zeichner. Baud-Bovy, dessen Gemälde unter dem Einfluss von Gustave Courbet und Camille Corot standen, war im Juni 1899 verstorben. Paul Verlaine (1844–1896), französischer Dichter. Es war vermutlich Charles Morice, der 1895 den Kontakt zwischen Kessler und Verlaine hergestellt hatte. In Mission der Kunstzeitschrift ›Pan‹ besuchte Kessler den Dichter mehrere Male im Juli 1895 in Paris und erhielt sogar Kopien seiner Gedichte. Am Todestag von Verlaine hielt Kessler im Tagebuch fest: »Gestern ist der arme Verlaine gestorben; er war von allen lebenden Dichtern, der, dessen Poesie ich am meisten mit dem Herzen geliebt habe.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.1.1896). Van de Velde hatte Verlaine bereits im Frühjahr 1893 während einer Vortragstournee in Belgien kennengelernt und ihn im Hause seines Vaters in Antwerpen logieren lassen (Velde 1962, S. 71 ff.; Velde 1992, S. 193 ff.; Velde 1999, S. 39 ff.).
34 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 9.3.1900 AML, FSX 504/4, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher monsieur et ami, je vous remercie des candélabres qui sont, en vérité, admirables; je compte vous remercier de vive voix ce soir. Madame Richter me demande de vous prier de venir chez elle ce soir après votre conférence, pour faire la connaissance de madame Cosima Wagner.
190 Edition und Kommentar
Agréez, cher monsieur, l’expression de tout mon dévouement. HdeKessler. 9.III.1900 candélabres: Vgl. Anm. Brief 19. Madame Richter: Cornelie Agathe Richter (geb. Meyerbeer, 1840–1922), Salonnière. Cornelie Richter war die Tochter des Komponisten Giacomo Meyerbeer und Frau des Malers Gustav Richter. Ihre Söhne Raoul und Gustav waren seit Studienzeiten mit Kessler befreundet. Dank ihres Vermögens führte Cornelie Richter in Berlin einen exklusiven, von der Hautevolee frequentierten Salon. Die erste Begegnung mit van de Velde datiert aus dem Jahr 1898. Kessler hatte ihn am 4. Februar 1898 vorgestellt (Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.2.1898). Es geht auf die Initiative von Kessler zurück, dass Cornelie Richter van de Velde als Vortragsgast einlud. votre conférence: Van de Velde kam dem Wunsch von Cornelie Richter nach und besuchte sie im Beisein von Kessler unmittelbar nach seinem Vortrag in der Galerie Keller & Reiner am 9. März 1900. Seiner Frau schrieb van de Velde am Tag darauf: »Sache que la conférence fut brillante et que la salle fut d’une élégance rare. […] J’ai été invité après la conférence chez Mde Richter qui donnait un grand dîner le même soir […]. L’invitation de Madame R[ichter]. portait qu’elle voulait me présenter Madame Cosima Wagner.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 10.3.1900, AML, FSX 784). Cosima Wagner (geb. de Flavigny, seit 1844 Liszt, 1857–1870 verh. von Bülow, 1837–1930), von 1883 bis 1906 Leiterin der Bayreuther Festspiele. Cosima Wagner, Tochter von Franz Liszt und Gräfin Marie d’Agoult, war in zweiter Ehe mit Richard Wagner verheiratet. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm sie im Jahr 1883 die Leitung der Bayreuther Festspiele. Sie lebte in der ›Villa Wahnfried‹ in Bayreuth. Kessler war Cosima Wagner erstmals im Februar 1893 im Salon Richter begegnet (Tagebuch Harry Graf Kessler, 26.2.1893). Über die im Brief angekündigte Begegnung von van de Velde mit Cosima Wagner hielt er fest: »VandeVeldes erster Vortrag bei Keller & Reiner. Nachher mit ihm zu Frau Richter, wo ihn der Cosima Wagner vorgestellt. Quartett von Beethoven. VandeVelde sagt von der Cosima, wie sie dasitzt: C’est vraiment comme la Musique incarnée.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.3.1900). Seiner Frau schrieb van de Velde: »J’ai eu devant cette femme la sensation de la majesté qu’elle dégage réellement.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 10.3.1900, AML, FSX 784).
35 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], [14.3.1900] AML, FSX 504/5, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher monsieur et ami Pourriez-vous et voudriez-vous répéter ce que vous avez dit hier soir devant une cinquantaine de personnes du monde de la cour? Il me semble d’une importance capitale de gagner autant que possible, ces gens qui donnent le »ton« (oh horreur!) ici, et comme madame Cosima Wagner, par sa
Briefe und Kommentare 191
présence à Berlin, les a empêchés d’aller à votre conférence, je crois qu’il y aurait utilité à aller à eux. Dans le cas, où vous seriez du même avis, madame Richter mettrait à votre disposition son salon et elle y réunirait par invitation ce qu’il y a de plus intelligent dans ce monde très spécial; Elle s’est prêtée très gracieusement à ce plan, dont je lui ai parlé hier soir, encore tout enthousiasmé par votre admirable conférence. Nous avons pensé à samedi à 4 heures de l’après-midi. Si vous êtes trop fatigué ou si vous avez d’autres raisons pour ne pas refaire votre conférence, il n’y a rien de fait. Je vous remercie encore une fois des moments inoubliables que j’ai passés à vous entendre hier soir[.] Votre très dévoué HdeKessler. Je pense que madame Cosima Wagner assisterait à votre conférence. 14.3.1900: Dem Inhalt und zeitgenössischen Quellen zufolge, datiert der Brief vom 14. März 1900. Er ist von anderer Hand mit »Berlin mars 1900 Cte. Kessler« bezeichnet. hier soir: Bezieht sich auf van de Veldes Vortrag vom 13. März 1900. sa présence: Die Gegenwart von Cosima Wagner erregte großes Aufsehen innerhalb der Berliner Gesellschaft. Kessler notierte hierzu: »Cosima ist hier gesellschaftlich souverän; eine solche Stellung ist einzig; die Fürstinnen, Botschafterinnen, Comtessen, Alles zittert vor ihr und wird rot vor Freude, wenn Cosima sie gnädig anredet. Diese gesellschaftliche Macht ist ebenso wunderbar wie ihre künstlerischen Leistungen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 15.3.1900). madame Richter: Der erste Vortrag van de Veldes fand am 9. März 1900 in der Galerie Keller & Reiner statt. Seinen zweiten Vortrag hielt van de Velde am 13. März. Aufgrund der unerwartet großen Resonanz wünschte Kessler eine zweite Vortragsrunde, nunmehr jedoch »pour les gens de la cour«. Cornelie Richter stellte zu diesem Zwecke ihren Salon zur Verfügung. Der Vortrag mit dem Titel ›La renaissance actuelle des arts décoratifs et ses causes‹ war Eberhard von Bodenhausen gewidmet und wurde am 17. März 1900 einer illustren Hofgesellschaft vorgetragen. Kessler notierte: »Ratibors, Henckels, Harrachs, Hindenburgs, Lascelles, Knesebeck etc. etwa 100 Menschen. Erfolg und Widerspruch, aber Interesse.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.3.1900). Van de Velde berichtete am Folgetag seiner Frau: »Hier – j’ai parlé devant tout le ›moyen âge‹ d’ici avec habileté – sans feu; avec une correction qui vaut et procède de la leur [...] et leurs cervelles se sont laissés faire; et maintenant elles vont de mettre en travail.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 18.3.1900, AML, FSX 784). Baronin Spitzemberg äußerte sich skeptisch: »Vieles war sehr geistreich, was er vorbrachte, vieles unklar, übertrieben, sehr vieles für uns alle keineswegs neu, die wir im großen und kleinen nach bestem Wissen im Rahmen unserer Mittel der Schönheit nachstreben.« (Vierhaus 1961, S. 395). son salon: Nach dem Tod ihres Gatten Gustav Richter führte Cornelie Richter ab 1890 zunächst in der Bellevuestraße in Berlin, dann am Pariser Platz am Brandenburger Tor einen angesehenen Salon. Darüber hinaus empfing sie engere Freunde in ihrem Landhaus am Kleinen Wannsee. enthousiasmé: Tatsächlich war Kessler vollauf begeistert. Van de Velde resümierte stolz gegenüber seiner Frau: »Elle fut vraiment brillante – cette conférence, et aura profondément
192 Edition und Kommentar impressionnée le public. […] De Kessler était d’un enthousiasme débordant et c’est devant toute la salle qu’il me secourait des deux bras. […] Voici qu’on m’interromps, c’est une lettre de de Kessler qui m’annonce que Madame Richter veut organiser Samedi à 4 heures une seconde édition de cette conférence dans ses salons ›pour les gens de la cour‹.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 14.3.1900, AML, FSX 784). samedi: Sonnabend, der 17. März 1900.
36 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 14.3.1900 AML, FSX 504/6, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher ami je suis vraiment ravi, de ce que vous acceptiez cette conférence. Je suis sûr que vous ferez le même effet sur ce monde spécial que vous avez fait sur nous hier soir, si vous leur montrez la vie, l’aspiration à la joie, dont découle votre art; voilà surtout le point sur lequel je compte pour faire l’impression. C’est bien demain, jeudi, à 1 heure que vous m’avez promis le plaisir de vous voir chez moi, ainsi que samedi à 1 heure, si ça ne vous fatigue pas trop. Votre très dévoué HdeKessler. 14.III.1900 conférence: Es handelt sich um den Vortrag vor der Hofgesellschaft am 17. März 1900 im Salon von Cornelie Richter (vgl. Anm. Brief 35). demain, jeudi: Betrifft die Einladung zum Frühstück am Donnerstag, den 15. März 1900: »Van de Velde, Tschudi, Hermans, Hindenburg bei mir gefrühstückt. Soiree bei der Gräfin Schlippenbach für Cosima.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 15.3.1900). Van de Velde klagte ob der vielen Einladungen gegenüber seiner Frau: »J’ai hâte, j’ai hâte de sortir du chaos des fêtes, des affaires et quel infini repos je vais goûter près de toi, des miennes!« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 15.3.1900, AML, FSX 784). samedi: Am Samstag, den 17. März 1900, war van de Velde erneut bei Kessler zu Gast. Er kündigte gegenüber seiner Frau das Programm eines Tages »größter Strapazen« an: um 1 Uhr Frühstück bei Kessler, um 4 Uhr Vortrag bei Frau Richter, um 6 Uhr Diner bei Frau Daum, um 8 Uhr Premiere ›Wenn wir Toten erwachen‹ von Ibsen (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 16.3.1900, AML, FSX 784).
Briefe und Kommentare 193
37 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], 3.4.1900 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE. 53, RUE GRAY, BRUXELLES.
3 avril 1900 Mon cher ami, Je vous écris sur ma table à dessiner dont je me suis à peine levé depuis mon retour de Berlin. Votre souvenir m’y est présent à tous moments, celui de vos bontés – sans fin – pour moi, de l’appui que vous accordez à mon œuvre et du choix exquis des personnes avec lesquelles vous me mettez en relation chez vous, ailleurs. Vous ne savez pas quelles forces je puise chaque fois que je me trouve à Berlin et quelle énorme part est la votre [sic] dans cette accumulation dont se ressent mon travail chaque fois que j’en reviens. Après chacune [sic] de mes voyages c’est un saut en avant, très notable dans mon œuvre et dans tous les domaines. Au fond de moi se tassent tant de reconnaissance pour vous et tant de remerciements. Bien merci aussi de m’avoir envoyé cet article sur »Napoléon et les architectes«. Il est en effet précieux pour moi de constater cette prédilection chez lui pour les ingénieurs et le mérite n’est pas mince, à cette époque, de cette question à l’Institut pourquoi le canal de St Quentin etc ne furent pas considerés [sic] comme des œuvres d’architecture. J’en pourrai tirer des conclusions et des effets dans mes prochaines conférences. Dois-je vous renvoyer ces articles? Ou bien me les laissez-vous? Je me suis mis immédiatement – en rentrant – à écrire mon livre – celui dont les 3 conférences de Berlin étaient un résumé. Les Cassirer l’éditeront j’ai signé le contrat et j’espère pouvoir travailler tant que ce livre paraisse en Octobre prochain. Je voudrais leur recommander un traducteur, croyez-vous que Flaischlen pourrait et accepterait de faire cette traduction. Cette question est si grave. C’est tant regrettable quand on a trouvé un adjectif exact de le voir mal traduit et annihiler par ce fait la seule joie d’écrire presque. Que ne puis-je écrire aussi en Allemand et comme j’envie votre supériorité. Je pense à votre travail, au résultat que vous espérez de ce maudit examen et espère tant moi-même vous voir réussir. Maria vous présente également ses vœux et ses affectueuses salutations.
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Croyez en [sic] mon dévouement très affectueux. Henry van de Velde. mon livre: Henry van de Velde fasste die Berliner Vorträge in dem Buch ›Die Renaissance im modernen Kunstgewerbe‹ zusammen, das 1901 und 1903 im Verlag von Bruno und Paul Cassirer erschien. Er widmete dieses Buch Cornelie Richter, »die es mir im Februar 1900 ermöglichte, den Ideengang, den ich in diesem Buch entwickele, im Kreise ihrer Freunde kurz darzulegen.« Van de Velde dankte auch explizit Eberhard von Bodenhausen, »auf dessen überzeugter und uneigennütziger Mitarbeit mein Werk auf dem Gebiet der angewandten Kunst beruht« (Vorwort: Velde 1901). Cassirer: Bruno Cassirer (1872–1941)/ Paul Cassirer (1871–1926),Verleger, Kunsthändler. Seit 1898 führten die Vettern Bruno und Paul Cassirer eine Galerie für zeitgenössische Kunst in der Berliner Viktoriastraße 35, die van de Velde im gleichen Jahr ausgestattet hatte, sowie den Bruno und Paul Cassirer Verlag. 1901 kam es nach einem Streit zur geschäftlichen Trennung. Paul Cassirer übernahm die Galerie und Bruno Cassirer, der 1902 zudem die Zeitschrift ›Kunst und Künstler‹ gründete, den Verlag. Van de Veldes Buch ›Die Renaissance im modernen Kunstgewerbe‹ erschien unter beider Namen. contrat: Van de Velde berichtete am 19. März 1900 seiner Frau, dass ihm 500 Mark für die Publikation seiner Vorträge angeboten worden seien: »500 mks me sont offert p[ou]r. la publication de ces conférences.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 19.3.1900, AML, FSX 784). Cäsar Otto Hugo Flaischlen (1864–1920), Schriftsteller, Dichter. Als promovierter Germanist war Flaischlen seit September 1895 als Redakteur und Schriftführer beim ›Pan‹ tätig. Zunächst für den literarischen Teil zuständig, war er ab Mai 1896 für die gesamte Redaktion verantwortlich. maudit examen: Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaft (November 1888 bis September 1891) mit dem Ablegen des Ersten Staatsexamens im November 1891 und des Doktorexamens im Dezember 1891 begann Harry Graf Kessler im gleichen Monat mit dem Referendariat und seiner Promotion zum Thema ›Die geschichtliche Entwicklung des modernen Hochverratsbegriffs‹, die er im Januar 1894 beendete. Die Arbeit im Justizdienst war vom Zeitpunkt der Anmeldung Ende 1891 bis zum erfolgreichen Ablegen des Assessorexamens am 10. Oktober 1900 durch den Einjährig-Freiwilligen-Dienst im 3. Garde Ulanen-Regiment in Potsdam (Oktober 1892 bis Oktober 1893), einer sechsmonatigen Weltreise 1892 und längeren Auslandsaufenthalten (Reise nach Mexiko 1896/97) unterbrochen.
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38 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Brüssel], Mai 1900 [Poststempel: 11.5.1900] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Briefkarte, Briefkopf (gedruckt): Vignette mit Schriftzug ›BLOEMENWERF‹, 80, AVENUE VAN DE RAEY UCCLE-CALEVOET
Mai 1900 On m’a écrit de trois cotés [sic] différents, mon cher ami, de votre étude, et aussi d’Amérique. Et voilà que je ne sais même pas qu’elle a paru; qu’a-t-il? Et aurais-je démérité? Bien affectueusement Henry van de Velde. Briefkarte: Die Briefkarte ist adressiert an »Monsieur le Comte H. de Kessler 28 Köthenerstrasse Berlin.« und gestempelt mit »Bruxelles 11 Mai 21-22 00 Départ«. étude: Kesslers Aufsatz ›Kunst und Religion. Die Kunst und die religiöse Menge‹ war bereits im Dritten Heft des 5. Jahrgangs im ›Pan‹ erschienen (Kessler 1899). Kessler plante eine Fortsetzung mit dem Titel ›Rythme et travail‹ folgen zu lassen, die er zu Beginn des Jahres 1900 zu schreiben begann, jedoch nie fertig stellte. Er ließ van de Velde am Entstehungsprozess des Aufsatzes teilhaben, indem er ihm die erste Hälfte zu lesen gab (vgl. Briefe und Briefkarte 39, 44, 61).
39 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 14.5.1900 AML, FSX 504/7, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher ami Puisque vous me le demandez, je vous envoie mon article; mais j’aurais préféré attendre qu’il soit terminé; ce n’en est que la moitié, et malheureusement bien longue! Je ne sais si il [sic] vous intéressera; il touche à des sujets que nous avons discutés ensemble. Enfin, si vous avez le temps d’y jeter un coup d’œil, nous pourrons peut-être en reparler quand nous nous verrons. Pour le moment, je suis surméné [sic] de travail pour mes examens; c’est un bien vilain été à passer. Je voudrais bien aller jeter un coup d’œil sur votre jardin, qui doit être exquis le printemps; mais me voilà rivé à Berlin pour des mois et des mois. N’y passerez vous [sic] pas, cet été? Veuillez présenter mes hommages à Madame van de Velde.
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En sincère amitié HdeKessler. ce, 14 mai 1900. mon article: Vgl. Brief 38. mes examens: Vgl. Anm. Brief 37. jardin: Bezieht sich auf den Garten von Haus Bloemenwerf in Uccle bei Brüssel.
40 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], 18.7.1900 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE. 53, RUE GRAY, BRUXELLES.
ce 18 Juillet 1900. Ce mot, en toute hâte, cher ami; Je m’inquiète sérieusement au sujet de M[onsieur] von Nostitz. Est-il en chine ou non? Je vous serais si reconnaissant si vous pouviez m’enlever cette inquiétude et si vous pouviez m’excuser de ne vous avoir rien écrit au sujet de votre livre. Je n’ai pas lu le livre, cher ami! J’ai tant, tant travaillé! Je partirai, j’espère, en vacance [sic] au commencement d’Aout [sic]. Je l’emporte et le lirai avec recueillement. Je pense bien souvent à vous et aux travaux qui vous retiennent à Berlin. Bien affectueusement Henry van de Velde. ( J’ai trouvé hier dans ma correspondance une lettre d’un coiffeur de Berlin qui me demande de vouloir l’installer. Si cela se précise, je serai bientot [sic] à Berlin!) von Nostitz: Alfred von Nostitz-Wallwitz (1870–1953), Jurist, Politiker, Gesandter. Alfred von Nostitz-Wallwitz (alias ›Nutsch‹) und Harry Graf Kessler (alias ›Ratte‹) waren seit ihrer Studienzeit in Leipzig eng befreundet und blieben es lebenslang. Alfred von NostitzWallwitz, der zu den Mitgliedern des ›Pan‹ zählte, legte 1899 sein Examen ab und bekleidete fortan höhere Ämter im Staatsdienst. Er war Regierungsrat in Dresden von 1904 bis 1908 (u. a. Spezialkommissar für die Weltausstellung in St. Louis 1904), Vortragender Rat im Weimarer Staatsministerium von 1908 bis 1910, Amtshauptmann ab 1910 in Auerbach und ab 1913 in
Briefe und Kommentare 197 Leipzig, Sächsischer Gesandter während des Ersten Weltkrieges in Wien, Sächsischer Minister für Kultus und Unterricht 1918 in Dresden und Leiter der Zweigstelle der Sozialen Arbeitsgemeinschaft (SAG) in Berlin von 1922 bis 1925. Seinen Lebensabend verbrachte er in Bassenheim bei Koblenz. Alfred von Nostitz-Wallwitz war seit dem 26. Oktober 1904 mit Helene von Beneckendorff und von Hindenburg verheiratet. Aus Anlass der Hochzeit schenkte Kessler ein Silbertablett von van de Velde (vgl. Föhl/ Neumann 2009, S. 183 f., Nr. I.2.59). Van de Velde und Alfred von Nostitz-Wallwitz kannten sich seit 1897 (vgl. Korrespondenz Alfred von Nostitz-Wallwitz an Henry van de Velde, AML, FSX 615; Henry van de Velde an Alfred von Nostitz-Wallwitz, DLA). 1898 hegte von Nostitz-Wallwitz den Wunsch, von van de Velde ein Schloss in der Lausitz projektieren zu lassen (Alfred von Nostitz-Wallwitz an Harry Graf Kessler, 10.11.1898, DLA). Schließlich betraute er van de Velde 1899 mit der Ausstattung seiner Berliner Wohnung (vgl. Anm. Brief 46). Es folgten weitere kleinere Aufträge, u. a. im Rahmen des Umzugs nach Weimar. en chine: »Nach meinem bestandenen Examen«, so Alfred von Nostitz-Wallwitz an Kessler im Januar 1899, »übrigens so etwa October denke ich mich nach Indien und Japan aufzumachen. Vielleicht gehe ich vorher um mein so mangelhaftes Englisch ein wenig aufzubessern noch auf einige Wochen nach England oder Schottland.« (Alfred von Nostitz-Wallwitz an Harry Graf Kessler, 8.1.1899, DLA). Aufgrund einer Masern-Erkrankung konnte Alfred von NostitzWallwitz die geplante Reise erst im Folgejahr antreten. Ende Juli 1900 hielt er sich in Shanghai auf (vgl. Brief 42). Ende November war er in den USA unterwegs und beabsichtigte, von dort aus nach Mexiko zu reisen, um auf Kesslers Spuren zu »wandeln« (vgl. Brief 48; Alfred von Nostitz-Wallwitz an Harry Graf Kessler, 1.11.1900, DLA). Im April 1901 war er »wieder im Lande« (Alfred von Nostitz-Wallwitz an Harry Graf Kessler, 28.4.1901, DLA; vgl. Brief 42). vacance: Vgl. Anm. Briefkarte und Brief 45, 51. coiffeur: François Haby (1861–1938), Friseur, Parfümeur. Es handelt sich um François Haby, den Hoffriseur Kaiser Wilhelms II., der für seine gewitzten Werbekampagnen bekannt war und mit einem ebenso originellen Auftrag an van de Velde herantrat. Er betraute den Belgier mit der Neueinrichtung und dem Corporate Design seines Berliner Frisiersalons in der Mittelstraße 7. Van de Velde schuf mit den sieben Damen- und zwölf Herrenfrisierplätzen ein harmonisches Gesamtkunstwerk aus rötlichem Mahagoni, grünem Marmor, schillerndem Messing und spiegelndem Glas. Der Frisiersalon, ein Meisterwerk aus van de Veldes Frühzeit, ist leider nicht mehr vollständig erhalten. Teile davon befinden sich in den USA, in Privatbesitz sowie in der Stiftung Stadtmuseum Berlin, der Klassik Stiftung Weimar und dem Deutschen HygieneMuseum Dresden.
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41 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], 26.7.1900 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, MEUBLES, TAPIS, TISSUS, VITRAUX, LUMINAIRES ET OBJETS USUELS EN METAL – BIJOUX. Etc; H. VAN DE VELDE, SOCIÉTÉ ANONYME, ARTS D’INDUSTRIE ET D’ORNEMENTATION. 88-90, RUE DE LA COURONNE, BRUXELLES. (Téléphone: 4020)
Le 26 juillet 1900 Monsieur le Comte H. de Kessler, boulevard Montmorency, 19 Paris Mon cher ami, On me remet à l’instant le télégramme m’annonçant que vous remettez votre voyage. Je serais charmé si vous vouliez bien nous dire que vous logerez chez nous et m’annoncer [sic] votre arrivée afin que je puisse vous prendre à la gare. J’avais pensé pouvoir vous accompagner à Berlin où je suis appelé mais voila [sic] que je reçois une lettre reculant mon voyage, ce qui n’est que mieux, puisque je pourrai rester plus longtemps avec vous chez nous. Bien cordialement dévoué [Künstlermonogramm] Brief: Der Brief traf zu spät in Paris ein. Kessler befand sich bereits auf dem Weg nach Brüssel. Daraufhin wurde der Brief nach Berlin weitergeleitet, wo ihn Kessler nach seiner Rückkehr aus Brüssel vorfand (vgl. Brief 42). Briefkopf: Es handelt sich um die neue Anschrift von van de Veldes Werkstätten in der rue de la Couronne 88–90 in Brüssel (vgl. Brief 27). télégramme: Das Telegramm hat sich nicht erhalten. votre voyage: Harry Graf Kessler hielt sich vom 30. Juni bis zum 28. Juli 1900 in Paris auf. Von dort aus fuhr er nach Brüssel, um van de Velde am 28. und 29. Juli zu besuchen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 28./29.7.1900; Harry Graf Kessler an Alice Gräfin Kessler, 5.8.1900, DLA). logerez: Kessler nahm das Angebot an und wohnte »draussen« bei van de Velde in Uccle (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.7.1900). mon voyage: Das Vorhaben, zusammen mit Kessler von Brüssel nach Berlin zurückzureisen, kam nicht zustande. Kessler fuhr direkt von Brüssel nach Hannover, um dort an den Hochzeitsfeierlichkeiten seines Freundes Lothar Freiherr von Spitzemberg am 1. und 2. August 1900 teilzuhaben (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.7.1900–1.8.1900). Seiner Mutter berichtete er: »I spent two very days with Vandevelde, went to see old Meunier and came back here just
Briefe und Kommentare 199 for two nights, before starting again for Hannover, where the wedding was, as all weddings are, a great deal of eating, […].« (Harry Graf Kessler an Alice Gräfin Kessler, 5.8.1900, DLA). Van de Velde indes hielt sich am 2. August 1900 in Köln bei Eberhard von Bodenhausen auf (vgl. Tagebuch Eberhard von Bodenhausen, 2.8.1900). Aufgrund eines Nervenzusammenbruches, der van de Velde Anfang August ereilte, fuhr er nicht nach Den Haag, sondern legte eine Ruhepause in Pretzfeld bei Curt und Sophie Herrmann ein (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 5.8.1900, AML, FSX 786). Von dort aus reiste er zusammen mit Eberhard von Bodenhausen am 30. August 1900 nach Berlin (vgl. Tagebuch Eberhard von Bodenhausen, 30.8.1900).
42 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], [Anfang August 1900] AML, FSX 504/11 [Signatur doppelt vergeben], Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher ami, J’apprends que Nostitz est resté à Shanghai, à cause des troubles à Pekin; il ne court donc aucun danger, à moins de complications dans le Sud; et, du reste, je pense que s’il en prévoit, il ne les attendra pas, mais s’embarquera pour le Japon – Je pense toujours avec Heimweh aux deux journées que je viens de passer chez vous. Veuillez présenter mes compliments très respectueux à madame Vande Velde, Votre très dévoué HdeKessler Je n’ai reçu qu’ici votre aimable lettre du 26 juillet; excusez donc que je n’y aie pas répondu. Anfang August 1900: Es ist davon auszugehen, dass Kessler den Brief unmittelbar nach der Rückkehr aus Hannover Anfang August 1900 verfasst hat (vgl. Brief 41). Nostitz: Vgl. Anm. Brief 40. deux journées: Kessler war am 28. und 29. Juli 1900 bei van de Velde in Brüssel zu Gast (vgl. Brief 41). lettre: Es ist Brief 41 gemeint.
43 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, undatiert [August 1900] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1900–1908, Briefentwurf
J’ai dû légèrement sourire de la petite polémique engagée contre mon article, vers la fin du votre (sans que vous y aviez songé, sans doute, cher ami.); j’ai été agréablement chatouillé, dans ma combativité, de vous y
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voir répéter au sujet des rapports du Gothique avec la religion, ce qui est, ne vous en déplaire, une erreur matérielle. Je vous prie de croire, qu’il ne s’agit nullement d’un ou de plusieurs observateurs »superficiels«, comme vous le dites dans votre article, mais de ce que vous, cher ami, vous vous en tenez avec une fidélité trop touchante à une science vieille d’un demi-siècle et abandonnée, depuis, par toutes les personnes qui s’occupent sérieusement de l’art du Moyen Âge. Il s’agit de faits et de documents prouvés, publiés et abondamment commentés, de toute l’histoire spirituelle du Moyen Âge retrouvée et reconstituée, depuis que Viollet le Duc eut l’idée [unleserliches Wort] ingénieuse de se servir du Libéralisme Louis Philippe pour protéger et restaurer les Cathédrales. Mais ce qui était permis à Viollet le Duc vers 1840 n’est plus guère admissible, à cette heure. Je vous engage à vous adresser à n’importe quel savant s’étant occupé sérieusement de l’Histoire de l’Art au Moyen Âge, à Thode, à Justi, à Mame, à Michel, à Gebhard [sic] (de l’Institut); ou plus simplement à lire le livre de Mame sur la Cathédrale, paru il y a deux ou trois ans et qui résume la plupart des travaux antérieur ou bien celui de Thode sur Giotto et St. François (je vous les prêterai volontiers); vous y verrez, à n’en pas pouvoir doutes, l’influence prépondérante qu’a eue l’évolution de la pensée religieuse au 12ème et 13ème siècle sur l’éclosion de l’Art Gothique. Il en ressort avec une clarté absolue la part qui dans cette éclosion revient à chacun, à l’esprit religieux d’un côté et à l’esprit bourgeois de l’autre; on voit, documents en main, le sentiment religieux créer un idéal, un monde de formes et de tendances artistiques, tandis que l’esprit civique et l’orgueil bourgeois fournissent tout au plus les moyens de réaliser ces formes et cet idéal. J’ai tâché, vers la fin de mon article sur l’Art et la Religion, d’expliquer succinctement, comment s’est opérée la transformation de l’ancienne basilique romaine en cathédrales gothique sous la poussée de l’idéal religieux. Si jamais vous disposez d’une demi heure pour lire quelques pages, vous y verrez que chaque détail qui éclot et renouvelle les formes anciennes se ramène à une nouveauté religieuse, qui en est donc la cause et l’explication suffisante; par contre, il n’y a absolument rien dans l’orgueil bourgeois du 13ème siècle qui vise à telle forme ou à telle transformation plus particulière [?] qu’à telles autres, qui aurait pu tout aussi bien exprimer la richesse et la liberté conquises. Si les abbayes et les riches monastères restant en arrière, c’est que justement eux ne sont pas touchés par le renouveau religieux, celui-ci s’accomplissent tout entier dans la bourgeoisie et sous l’influence des ordres mendiants. Cette particularité prouve donc tout le contraire de ce que Viollet le Duc en a voulu tirer. Il s’agit ici de questions de fait, cher ami, appartenant au domaine des recherches documentaires et de l’histoire [unleserlicher Teil] Mais même en laissant de côté tout document, je ne crois pas que vous admettiez que le banquier quelconque qui vous commande à vous, cher ami, une maison, s’attribue l’œuvre que vous aurez mise sur pied, même si
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cette œuvre est commandée expressément pour épater les concurrents du dit banquier. Le bourgeois du 13ème siècle et l’artiste religieux, clerc ou laïque, dans l’esprit duquel la cathédrale évolue vers un idéal nouveau, en harmonie avec l’esprit religieux nouveau du 13ème siècle, se trouvent vis à vis l’un de l’autre précisément dans ce support de banquier à architecte; c’est l’un qui prie et l’autre qui crée; je ne comprends pas, mais là, je ne comprends pas, qu’on veuille attribuer la gloire majeure au banquier; même nous odieux capitalistes, nous n’attribuerions pas à Durand Ruel ni à monsieur de Camondo les toiles de Monet ou de Degas. Briefentwurf: Zu diesem Briefentwurf existiert kein zugehöriges Schreiben. mon article: Kessler bezieht sich auf seinen Aufsatz ›Kunst und Religion. Die Kunst und die religiöse Menge‹ (vgl. Anm. Briefkarte 38). du votre: Kessler bezieht sich auf van de Veldes Aufsatz ›Allgemeine Bemerkungen zu einer Synthese der Kunst‹ (vgl. Anm. Brief 31). Darin schreibt van de Velde gegen Ende: »Wir haben mit einer gewissen Unüberlegtheit das Entstehen der Tempel und der Kathedralen allzu ausschließlich dem Einfluß der Religionen zugeschrieben. Man wird hiervon abkommen müssen im Hinblick auf die geschichtlichen Thatsachen, die den Erweis erbringen, daß sowohl Tempel als Kathedrale keineswegs nur aus Kulturbedürfnissen heraus entstanden, sowie im Hinblick auf die philosophische Erkenntnis, die den Beweis giebt, daß auch die verschiedenen Glaubensentwicklungen selbst aus dem Bedürfnis nach Glück und Schönheit hervorgegangen sind. Ich sehe in den Kathedralen ebensowenig den christlichen Gedanken, wie in den griechischen Tempelresten die hellenische Glaubenswelt oder etwa den sozialistischen Gedanken in den Bauwerken, die ihm gewidmet sind; oberflächliche Beobachter finden hier überall Glaubenszwecke, ich lese aus allem immer nur: Gedankenarbeit und Geistesrichtung.« (Velde 1899 [Pan], S. 270). Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc (1814–1879), französischer Architekt, Kunsthistoriker. Louis Philippe I. (1773–1850), französischer König, gen. ›Bürgerkönig‹. Henry (eigentlich Heinrich) Thode (1857–1920), Kunsthistoriker, 1886 bis 1889 Privatdozent in Bonn, von 1893 bis 1911 Professor für Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg, von 1889 bis 1891 Direktor am Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt a. M. Ludwig Justi (1876–1957), Kunsthistoriker, Museumsdirektor, von 1901 bis 1903 als Privatdozent und späterhin Professor an der Universität Halle, 1904 Direktor des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt a. M., danach Erster Sekretär der Akademie der Künste in Berlin, von 1909 bis 1933 Direktor der Berliner Nationalgalerie. Mame: Vermutlich bezieht sich Kessler hier auf den Verleger und Buchdrucker Alfred-HenriAmand Mame, in dessen Verlag in mehrfacher Auflage das von Jean-Jacques Bourassé veröffentlichte Werk ›Les plus belles Cathédrales de France‹ erschien (vgl. Bourassé, Jean-Jacques: Les plus belles Cathédrales de France, Tours, Alfred Mame et fils, 1896). Bruno Gebhardt (1858–1905), Historiker, Lehrer an der Städtischen Realschule Berlin, Herausgeber und Mitverfasser des ›Handbuch der deutschen Geschichte‹ (1891/92).
202 Edition und Kommentar celui de Thode: Kessler bezieht sich auf die 1899 von Henry Thode veröffentlichte Publikation ›Giotto‹ (vgl. Thode, Henry: Giotto, Bielefeld/ Leipzig 1899). Giotto di Bondone (1266–1337), italienischer Maler, Baumeister. Paul-Marie Joseph Durand Ruel (1831–1922), französischer Kunsthändler, Galerist, Inhaber der Pariser Kunsthandlung Durand-Ruel. Isaac Comte de Camondo (1850–1911), französischer Bankier, Kunstsammler, Mäzen, Musiker. Edgard Degas (eigentlich Hilaire Germain de Gas, 1834–1917), französischer Maler, Bildhauer.
44 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], Mardi-soir [von anderer Hand: 4.9.1900] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Briefkarte, Briefkopf (gedruckt): EULE, ICH WACH! HOTEL BRISTOL BERLIN U. D. LINDEN 5. U. 6.
Mardi soir, Pardonnez-moi, cher ami, de n’avoir pu vous voir ni hier ni aujourd’hui! Je suis à bout de forces; demain j’aurai encore une journée si pleine que je crains de ne pouvoir vous voir. Peut-être pourrions-nous n[ou]s rencontrer chez Paechter vers 5 heures? J’attends Maria içi [sic], Jeudi! Merci de m’avoir envoyé l’étude »Rythme et travail«[.] affectueusement Henry v. d. V. 4.9.1900: Der Brief datiert vom Dienstag, den 4. September 1900. Hermann Paechter: Kessler hielt sich tatsächlich am Folgetag, den 5. September 1900, in der Kunsthandlung von Paechter auf und kaufte eine japanische Holzfigur. Ob van de Velde zugegen war, geht aus dem Tagebucheintrag nicht hervor (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.9.1900). Maria van de Velde: Als van de Velde den Brief verfasste, hielt sich Maria van de Velde noch in Pretzfeld, im Schloss des befreundeten Malers Curt Herrmann auf. Sie reiste jedoch schon am Mittwoch, den 5. September 1900, mit ihrer Tochter Nele zu ihrem Mann nach Berlin, um das zukünftige Wohnumfeld der neuen Stadt zu erkunden (vgl. Anm. Brief 45; Maria van de Velde an Lina Herz, 5.9.1900, Privatarchiv). »Rythme et travail«: Vgl. Anm. Briefkarte 38.
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45 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], Jeudi [6.9.1900] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Briefkarte, Briefkopf (gedruckt): EULE, ICH WACH! HOTEL BRISTOL BERLIN U. D. LINDEN 5. U. 6.
Jeudi Cher ami, Pardon de ne pas vous avoir pu rencontrer hier – longue conférence avec Hirschwald et le soir arrivée de Maria et de Nele! Je ne [sic] n’avais pas reçu votre message téléphonique et avertis aussitot [sic] von Bodenhausen. Je me propose (mais puis-je me proposer quelquechose [sic], en ce moment?) de vous rendre visite dans l’après-midi vers 5 heures. Mais ne restez donc pas à la maison si vous avez autre chose à faire. J’aurai bien la chance dans ce cas de vous voir demain. Bien affectueusement Henry v. d. Velde. Jeudi: Es handelt sich um Donnerstag, den 6. September 1900. Der Brief trägt fälschlicherweise die von fremder Hand nachträglich notierte Datierung »5-IX-1900«. Hermann Hirschwald (1846–1906), Berliner Unternehmer, ›Königl. Preuss., K. u. K. Oesterr. und Grosshzgl. Badischer Hoflieferant‹, Kaufmann, Inhaber des ›Hohenzollern Kunsthaus‹ (ab 1901 ›Hohenzollern Kunstgewerbehaus‹). Der Berliner Kunsthändler Hirschwald, dessen Firma seit 1879 als GmbH organisiert war, vertrieb seit Mitte der 1890er Jahre japanische Kunst sowie Werke der englischen Arts & Crafts-Bewegung. Seit 1904 vertrat er auch die Wiener Werkstätten. Hirschwald erwarb im September 1900 die ›Henry van de Velde G.m.b.H.‹. Im Frühjahr 1901 erfolgte der Umzug in die Leipziger Straße 13 und die Umbenennung von ›Hohenzollern Kunsthaus‹ in ›Hohenzollern Kunstgewerbehaus‹. Die Auflösung des Vertrags mit van de Velde im Herbst 1901 sicherte Hirschwald das Recht, die bisherigen Entwürfe des Künstlers für weitere vier Jahre, nach anderen Quellen hingegen bis Ende 1906 zu nutzen. Inwieweit er hiervon Gebrauch machte, lässt sich heute nicht mehr nachweisen. conférence avec Hirschwald: Spätestens seit der gescheiterten Neuformierung der ›Henry van de Velde G.m.b.H.‹ im Sommer 1900 sahen sich Bodenhausen und van de Velde gezwungen, die belastete GmbH an das Berliner ›Hohenzollern Kunsthaus‹ zu verkaufen. Van de Velde durchlebte die erste Krise seit seinem Durchbruch in Deutschland. Ein Nervenzusammenbruch mit anschließend leichter Lähmung setzte ihn Anfang August 1900 außer Gefecht. Trotz seines Bedürfnisses nach Ruhe und Erholung musste er sich auf Druck von Eberhard von Bodenhausen den Liquidations- und Verkaufsverhandlungen seiner GmbH stellen, die ab dem 3. September 1900 nahezu täglich stattfanden. Am 8. September 1900 kam es schließlich zur Vertragsunterzeichnung mit Hermann Hirschwald. Einhergehend mit den Verhandlungen reifte in van de Velde der Entschluss, nach Berlin überzusiedeln. Unsicher, ob der materiellen Zukunft
204 Edition und Kommentar beschloss er, die freistehende Wohnung von Eberhard von Bodenhausen in der Brückenallee 27 vorübergehend zu mieten und den Versuch zu wagen, mit seiner Familie ein neues Leben im ›Ausland‹ zu beginnen (vgl. Tagebuch Eberhard von Bodenhausen, 24.9.1900; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 2./3.9.1900, AML, FSX 784/00/12, 13; vgl. Anm. Briefe 27, 46). arrivée de Maria et de Nele: Vgl. Anm. Brief 44. message téléphonique: Die Wohnung von Bodenhausens verfügte über einen eigenen Telefonanschluss mit der Nummer ›140‹ (Berliner Adreßbuch 1900). rendre visite: Kesslers Tagebuch zufolge waren Maria und Henry van de Velde am späten Nachmittag des gleichen Tages bei Kessler zu Gast (Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.9.1900).
46 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Brüssel], 5.10.1900 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, 80, AVENUE VAN DE RAEY, UCCLE. 53, RUE GRAY, BRUXELLES.
ce 5 oct. 1900 Il m’arrive une chose bien désagréable, très cher ami, et je me vois obligé – malgré le vif désir que j’ai de vous laisser bien tranquille en ce moment – d’implorer votre aide. M[onsieur]. Gutbier (de Dresde) revendique le droit de priorité sur l’exposition des meubles de M[onsieur]. von Nostitz. Il s’est adressé, à cet effet, à la Mère de M[onsieur]. v[on]. Nostitz et il me copie un passage d’une lettre dans laquelle Frau Ex[zellenz]. v[on]. N[ostitz]. lui recommande de »s’opposer énergiquement à l’exp[osition]. de ces meubles à Berlin!« Ceci ferait crouler tous mes projets! Si je pouvais atteindre par correspondance M[onsieur]. v[on]. N[ostitz]. je suis certain qu’il m’accorderait d’exposer d’abord ces meubles à Berlin; car, en somme, c’est bien plutot [sic] moi qu’il voulait soutenir que M[onsieur]. Gutbier! De plus, il n’a été question d’une exposition à Dresde que parceque [sic] M[onsieur]. v[on]. N[ostitz]. prévoyait son installation à Bautzen. Mais le jour même de son départ, il m’a déclaré que son installation là-bas était plus que problématique et qu’il viendrait peut-être, à Berlin! J’ai écrit hier à M[onsieur]. Gutbier qu’une exp[osition]. à Dresde était impossible pour plusieurs raisons matérielles qui sont vraies mais auxquelles il ne voudra pas croire! Si quelqu’un soit lui, soit Frau Exc[ellence]. v[on]. Nostitz (non renseignée ou plutot [sic] mal renseignée par M[onsieur]. Gutbier) pouvait empêcher
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cette exposition à Berlin elle serait en tous les cas, impossible à Dresde; pour les raisons materielles déclarées vraies plus haut. Votre aide me serait précieuse, bien cher ami; et peut-être pouvez-vous me dire où je peux atteindre M[onsieur]. v[on]. Nostitz? Peut-être connaissez-vous Madame v[on]. Nostitz-Walwitz [sic] et pouvez-vous lui expliquer mon cas. Je dois vous éclaircir ce point qui vous paraîtrait peu clair: en quoi une exp[osition]. est possible à Berlin et impossible à Dresde. Voici; avant le départ de M[onsieur]. v[on]. Nostitz il n’a pris de décision ni au sujet des chaises et fauteuils (qui ne sont pas faits, par conséquent) ni au sujet des tissus, papiers-peints et tapis. M[onsieur]. Hirschwald est averti de ce point mais il fera les frais d’exécuter et d’acheter les choses manquantes; M[onsieur]. Gutbier ne peut faire ces frais! De plus je ne peux prendre aucune responsabilité au sujet de ce voyage à Dresde, de meubles si fragiles tandis que M[onsieur]. H[irschwald]. est responsable du transport à Berlin et pendant de l’exposition. Il s’agit surtout, cher ami, d’agir selon les intentions de M[onsieur]. von Nostitz et ne croyez-vous pas, comme moi, qu’il lui tient à cœur surtout de m’aider dans mes efforts et dans la lettre que je soutiens. Je crois que je peux attendre en toute confiance cet appui de lui, en les circonstances materielles [sic] particulièrement difficiles du moment, avec autant de confiance que j’attends votre affectueux appui. Un mot, n’est-ce pas? le 11–12–13 oct je serai à Weisenthurm (Andernach) »Gut Nettehammer« – dès le 15 oct. à Berlin – 27 Brücken allée. A [sic] quand le résultat de votre examen? Bien, bien cordialement Henry van de Velde Ludwig Wilhelm Gutbier (1873–1951), Kunsthändler. Ludwig Wilhelm Gutbier, gebürtig aus Dresden, war seit 1891 aktiv im Kunsthandel tätig. Während sein Vater Adolf Gutbier die renommierte ›Königlich Sächsische Hofkunsthandlung Ernst Arnold‹ in der Schloßstraße 34 in Dresden leitete, führte Ludwig Gutbier den gleichnamigen Kunstsalon in der Wilsdrufferstraße 1. Nach dem Tod des Vaters übernahm er die väterliche Kunsthandlung und führte seinen eigenen Salon bis 1907 weiter. Sein Hauptaugenmerk lag auf der Präsentation und dem Handel von zeitgenössischer Kunst. Kessler kannte Gutbier seit Mitte der 1890er Jahre. Van de Velde lernte »den liebenswerten Gutbier« vermutlich 1897 im Zusammenhang der ›Internationalen Kunst-Ausstellung Dresden‹ kennen (Henry van de Velde an Sophie Herrmann, 22.6.1897, in: Bothe 1989, S. 533). In der Folge kam es mehrfach zur Zusammenarbeit. Der im Jahr 1898 gefasste Plan, ein gemeinsames Geschäft mit Gutbier zu gründen, wurde jedoch nicht realisiert (Tagebuch Harry Graf Kessler, 19.6.1898). Stattdessen bedachte Gutbier van de Velde sukzessive mit kleineren Auftragsarbeiten. Eine Bilanz vom 23. Dezember 1899 vermerkt Arbeiten für Gutbier im Wert von 1163 Francs (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, undat., DLA). Weitere raumkünstlerische Auftragsarbeiten für die Kunsthandlung erfolgten 1904 und
206 Edition und Kommentar wiederum 1906/07 im Zuge der Vergrößerung der Kunsthandlung in der Schloßstraße. Gutbier organisierte darüber hinaus kleinere Wechselausstellungen zu kunstgewerblichen Arbeiten van de Veldes. Teile der Ausstattung der Galerie Arnold befinden sich im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart sowie verstreut in deutschem Privatbesitz. Der schriftliche Nachlass liegt im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. exposition des meubles de M[onsieur]. von Nostitz: Entgegen seinen ursprünglichen Absichten, ein eigenes Schloss in der Lausitz von van de Velde projektieren zu lassen (Alfred von NostitzWallwitz an Harry Graf Kessler, 10.11.1898, DLA), gab Alfred von Nostitz-Wallwitz Ende 1899 eine umfangreiche Wohnungsausstattung in Auftrag. Er war zu dieser Zeit in Bautzen wohnhaft. Noch während der Ausführung des Auftrags und einer längeren Weltreise von Sommer 1900 bis Frühjahr 1901 standen jedoch die Berufung und ein damit verbundener Umzug nach Berlin in Aussicht. Wie aus dem vorliegenden Brief hervorgeht, reklamierte der Kunsthändler Ludwig Wilhelm Gutbier das Recht, die Möbel von Alfred von Nostitz-Wallwitz als erster ausstellen zu dürfen. Er berief sich dabei auf eine Anweisung von Anna von Nostitz-Wallwitz, die sich dieser Angelegenheit angenommen hatte, da sich ihr Sohn gerade auf Weltreise befand. Am 1. November 1900 schrieb von Nostitz-Wallwitz aus New York an Kessler: »Meine Mutter hat mir dieser Tage kurz die Angelegenheit Gutbier-van de Velde und ihre Antwort auf deinen Brief mitgeteilt. Ich bin ganz froh daß mir ein Eingreifen erspart geblieben ist, denn es liegt mir wenig daran, v. d. Velde gegenüber unfreundlich zu erscheinen; und doch hätte auch ich keinen anderen Ausweg als den von meiner Mutter an[ge]ratenen empfehlen können. Ich thue v. d. V. gern alles zu liebe; aber ich kann seinetwegen nicht ein klipp und klar gegebenes Wort zurücknehmen und damit Gutbier plantieren - ganz abgesehen davon daß letzterer bei seinem harten Bemühen, Dresden für moderne Kunst zu gewinnen sich Unterstützung verdient. Ich hoffe daß die Angelegenheit inzwischen zu beiderseitiger Zufriedenheit geregelt worden ist.« (Alfred von Nostitz-Wallwitz an Harry Graf Kessler, 1.11.1900, DLA). Wie es in dem Brief weiter heißt, sollte sich Kessler fernerhin darum bemühen, dass »Hirschwald die Möbel möglichst lange behält« und dass das Mobiliar danach bei einem Berliner Spediteur untergebracht wird. Den überlieferten Quellen zufolge wurde ein Kompromiss ausgehandelt. Demnach wurden Teile der Ausstattung von Nostitz sowohl bei Gutbier in Dresden als auch bei Hirschwald in Berlin gezeigt. Das Mobiliar gelangte nach langem Hin und Her schließlich 1901 in die Berliner Wohnung von Alfred von Nostitz-Wallwitz in der Viktoriastraße 12. Es handelte sich um Möbel für Salon, Arbeitszimmer, Speise- und Schlafzimmer sowie um kleinere kunstgewerbliche Arbeiten. Die gesamte Wohnungsausstattung fiel Anfang 1944 den Bomben zum Opfer (Alfred von Nostitz-Wallwitz an Henry van de Velde, 15.1.1949, AML, FSX 615). la Mère de M[onsieur]. v[on]. Nostitz: Anna von Nostitz-Wallwitz (geb. Freiin Wilkens von Hohenau, 1842–1923). Anna von Nostitz-Wallwitz, Ehefrau von Oswald von Nostitz-Wallwitz und Mutter von Karl Neale, Benno und Alfred von Nostitz-Wallwitz, lebte auf dem Familiengut in Schweikershain (Oberlausitz). Sie leitete dort eine Haushaltungsschule und war darüber hinaus als Verfasserin von Lehrbüchern zur Haushaltskunde bekannt (Nostitz-Wallwitz, Anna von: Die Haushaltungsschule, Bd. 1: Leipzig 1893, Bd. 2: Leipzig 1894). Weisenthurm (Andernach) »Gut Nettehammer«: Gut Nettehammer, eine ehemalige Nagelfabrik, in Weißenthurm bei Andernach war seit 1846 im Besitz der Familie Backhausen. Dort lebten der Jurist Dr. Fritz Backhausen und seine Gattin Eleonore ›Elly‹ (geb. von Scheel). Henry van de Velde lernte das Ehepaar vermutlich durch Vermittlung von Curt Herrmann kennen, der Ellys Schwester Erica in seiner Berliner ›Mal- und Zeichenschule für Damen‹ unterrichtete. 1899 bekam van de Velde den Auftrag zur Ausgestaltung einiger Wohnräume auf dem Gut
Briefe und Kommentare 207 Nettehammer. Historische Photos zeigen die sogenannten Bloemenwerf-Möbel im Speisezimmer und Mobiliar für das Arbeitszimmer und den Salon. Als Gast logierte van de Velde des Öfteren auf dem ›Hammer‹, erstmals im Frühjahr 1899 (Gästebuch, Privatbesitz; Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 6.5.1899, DLA). Mit Erica von Scheel (verh. Hauptmann), der Schwester Elly Backhausens, verband van de Velde eine lebenslange Freundschaft (vgl. Brief 172). dès le 15 oct. à Berlin – 27 Brücken allée: Am Dienstag, den 16. Oktober 1900, bezog van de Velde mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Töchtern die geräumige Sechszimmerwohnung in der Berliner Brückenallee 27 im Hansaviertel. Eberhard von Bodenhausen hatte die Wohnung großzügig zur Verfügung gestellt, während seine Frau Dora die meiste Zeit auf Schloss Eybach bei Geislingen zubrachte und Bodenhausen selbst zwischen Eybach, Köln und Berlin pendelte. Van de Velde war das Interieur vertraut, hatte er doch die Wohnung 1897/98 ausgestattet. Am 1. März 1901 zog van de Velde mit seiner Familie in die Nürnberger Straße 36 um, wo er bis zur Übersiedlung nach Weimar im Frühjahr 1902 wohnhaft blieb (vgl. Briefe 47, 53).
47 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Andernach, 14.10.1900 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Gut Nettehammer bei Weissenthurm
ce 14 oct[obre] 1900 Je vous félicite bien sincèrement, cher ami, d’être débarassé [sic] des soucis et des travaux que vous imposaient ces examens. Vous voila [sic] donc délivré et libre de vous consacrer à ce que vous aimez et à ce que nous attendons de vous! -Merci d’avoir écrit à Madame von Nostitz, je ne doute pas que votre intervention aura tout remis en place. Merçi [sic]! -J’aurais tant voulu vous accompagner à Röcken! Mais je n’arriverai à Berlin que le 16, au matin et j’eus précipité mon arrivée si je ne m’étais entendu avec ma femme et arrangé mon voyage de facon [sic] à ce que je puisse la rencontrer lundi soir à Cologne où Elle arrive avec mes enfants et leur bonne. Je les aiderai ainsi à accomplir le voyage et au débarquement à Berlin. Dès Mardi, donc, nous serons installés Brücken allée. Et je me réjouis à la pensée que vous n’aurez pas encore quitté la ville. Jeudi dernier, cher ami, j’ai quitté notre »Bloemenwerf« pour toujours. Mon cœur se déchire chaque fois que je pense à cette séparation et je pense maintenant au titre formel de l’album que nous lui consacrerons n’est-ce pas? »In memoriam«
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-Vous me direz si je peux vous aider en quoi que ce soit pour le tombeau de Nietsche [sic]. A bientot [sic] et bien affectueusement Henry v[an]. d[e]. Velde. examens: Harry Graf Kessler hatte am 10. Oktober 1900 sein Assessorexamen bestanden (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.10.1900; vgl. Anm. Brief 37). Röcken: Wenige Tage nach der bestandenen Prüfung traf sich Kessler am 15. Oktober 1900 mit Elisabeth Förster-Nietzsche in Weißenfels, um mit ihr zusammen Friedrich Nietzsches Grab in Röcken zu besuchen (Tagebuch Harry Graf Kessler, 15.10.1900). Brücken allée: Vgl. Anm. Briefe 24, 53. »Bloemenwerf«: Haus Bloemenwerf, Avenue Van de Raey 80, Uccle. Haus Bloemenwerf war in vielfacher Weise ein Schlüsselwerk. Das junge Ehepaar verbrachte darin von 1896 bis 1900 die ersten gemeinsamen Ehejahre. Gleichzeitig war es das erste selbst entworfene Haus von Henry van de Velde. Dank der großzügigen finanziellen Unterstützung seiner Schwiegermutter Louise Sèthe konnte van de Velde bei der Konzeption viele Freiheiten genießen. Er entwarf nicht nur die Außenhaut, sondern auch die komplette Innenausstattung (vgl. Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 255 ff.). Das außergewöhnliche Gesamtkunstwerk wurde zum Ausgangspunkt der architektonischen und raumkünstlerischen Entwicklung van de Veldes und zum ersten visuell erfahrbaren Werk seiner künstlerischen Mission. Gleich einer Pilgerstätte erregte es höchste Aufmerksamkeit, vornehmlich unter einer begüterten Klientel von deutschen Kunstliebhabern. Auch Kessler mochte dieses Haus. Ihn faszinierten besonders die dort üblichen, einfachen Tischsitten (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 22./23.3.1898). Zeit seines Lebens maß van de Velde diesem ersten Haus eine besondere Bedeutung bei und verband es stets mit glücklichen Zeiten. Umso schwerer gestaltete sich der Abschied von Haus und Garten im Oktober 1900 (vgl. Anm. Brief 53; Velde 1962, S. 111 ff.; Velde 1992, S. 281 ff.; Velde 1999, S. 77 ff.).
48 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 22.10.1900 AML, FSX 504/8, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher ami Je vous remercie infiniment de l’article que vous avez eu la bonté de m’envoyer; les impressions que vous avez eues à Paris sont très caractéristiques de votre personnalité et, donc, de toute valeur. J’espère que vous pourrez réaliser cette réforme de l’architecture ici à Berlin, qui vous a tant manqué à Paris. Il me semble bien que la France commence à s’oublier dans son propre passé; tandis qu’ici il y a au moins la vie, qui peut créer. – J’ai remis mon départ à aujourdhui [sic]; je vais directement en Crète et de là à Athènes, où je serai (Poste restante) du 10 au 24 novembre. Je tâcherai de
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trouver des photographies qui pourraient vous intéresser. Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde. Votre très dévoué HdeKessler. ce 22 oct[obre]. 1900 J’apprends à l’instant que Nostitz a son adresse à: Deutsches Generalkonsulat; New York. article: Es handelt sich um den ersten Teil des Aufsatzes ›Pariser Eindrücke‹, der am 6. Oktober 1900 in Maximilian Hardens Zeitschrift ›Die Zukunft‹ erschienen war (Velde 1900 [Die Zukunft], S. 14–23). Der zweite Teil folgte am 2. Februar 1901. Ausgangspunkt war die Pariser Weltausstellung, die van de Velde zusammen mit Paul Signac im Frühsommer 1900 besichtigt hatte. Seiner Ansicht zufolge zeigte die Ausstellung, »welchen Grad der Zersetzung die architektonischen Vorstellungen Ende des neunzehnten Jahrhunderts erreicht haben« (Velde 1900 [Die Zukunft], S. 19). Der Aufsatz liegt dem Briefkonvolut nicht mehr bei. départ: Nach dem bestandenen Assessorexamen ging Kessler vom 24. Oktober 1900 bis 27. Januar 1901 auf eine dreimonatige Reise, die ihn von Wien über Fiume (Rijeka) nach Kreta (Chania, Rethymnon, Gortyn) führte und von dort aus nach Athen, Delphi, Chalkis, Theben, Mykene, Argos, Nauplia, Tripolis, Sparta, Smyrna (Izmir), Priene, Ephesos, Laodikeia, Hierapolis, Somat, Pergamon, Troja, Konstantinopel (Istanbul) und Belgrad (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.10.1900–27.1.1901).
49 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Athen, 25.11.1900 AML, FSX 504/9, Brief
Cher ami Je vous envoie quelques photographies d’ornements Mycéniens, c’est[-]à[-] dire d’objets appartenant à la plus ancienne civilisation de la Grèce; ce sont tous des ornements développés sur des variations d’objets naturels, chenille, abeille, palmiers etc. mais complètement transformés par le sens ornemental, que moi j’appelle sens rhythmique [sic]. Vous trouverez là je crois quelques formes, qui pourraient vous intéresser et qui, du reste, se rapprochent beaucoup de celles que vous avez trouvées vous aussi en étudiant la nature, mais des parties de la nature totalement différentes, les vagues de la mer. Ne vous semble-t-il pas qu’il y a là la preuve que l’ornement est en quelque sorte en nous et pas dans la nature; que nous nous servons de la nature (et que nous devons nous servir de la nature), pour découvrir quelles possibilités sont cachées en nous? Que ce que je dis du rhythme [sic] est donc vrai; et qu’il y a des lois im-
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muables de la sensibilité humaine. Voilà des documents sur cette sensibilité qui ont plus de trois mille ans (la culture Mycénienne date d’environ 1500 avant J[ésus-]. Ch[rist].) et qui nous montrent cette sensibilité tellement voisine de la notre, que vous, le premier vrai »Rhythmiker« de l’œil que notre temps ait produit, vous êtes arrivé à des ornements tout à fait analogues à ceux des grecs Mycéniens. En croyant découvrir la nature par l’art nous ne faisons que nous découvrir nous-mêmes, voilà la conclusion que j’en tire. Ce qui n’empêche pas que vous comme tous les vrais artistes ne s’apprendront eux-même que par la nature. Pour complètement suivre le développement de l’ornement supérieur, il faut du reste connaître les vases de terre, qui montrent l’évolution de la chenille jusqu’à la spirale ornementale pas à pas; de même pour les autres ornements; ce que vous voyez sur les photographies que je vous envoie sont surtout les résultats de cette évolution. Je joins quelques photographies de bijoux et de vases aux autres. Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde et aux demoiselles. Votre très dévoué HdeKessler. Athènes, ce 25 novembre 1900. photographies: Sämtliche Photographien liegen dem Briefkonvolut nicht mehr bei. Dieser Brief steht am Anfang einer Reihe von Briefen, in denen sich Kessler vorrangig mit kunstästhetischen Fragen beschäftigt (vgl. Briefe 54, 56; vgl. Anm. Brief 48; vgl. ausführlich zu Kesslers Kunstästhetik: Kostka 1997a). ornements: Kessler hielt seine Griechenlandreise in aller Ausführlichkeit im Tagebuch fest. Seine kunstästhetischen Betrachtungen finden sich dort noch detaillierter und geschlossener (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.11.1900).
50 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, 9.12.1900 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, BERLIN
27 Brücken allée 9 dec[embre] [sic] 1900. Merci, cher ami, de m’avoir envoyé ces photographies du plus haut interet [sic] pour moi et merci de votre bonne lettre. Vos graves et sincères paroles me viennent à un moment où je me [sic] sens ce besoin d’appui moral et de compréhension. Il y a autour de moi rien que des louanges ridicules et des haines. Je ne peux m’appuyer ni sur les unes ni sur les autres; et, en pensée, j’ai tant tendu vers vous!
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Votre lettre m’arrive et dit ce qu’il faut dire de mon exposition et cela sans que vous l’ayez vu [sic]. Des tas de choses écrites, elle seule restera et l’impression formulée par quelques femmes qui ont prononcé les mêmes paroles que celles que vous m’avez transcrites et qu’avait prononcé [sic] Mademoiselle votre Sœur lors del’ [sic] Exp[osition]. de Munich. Pour du recueillement et dela [sic] sérenité [sic] je pense à vous parceque [sic] je sens que vous en imprégnez là-bas; pour la découverte de moi. Même aussi je pense à vous, parceque [sic] vous m’y aidez en y travaillant vous-même! Et au moyen de quels matériaux! C’est mieux, à tous égards, que vous ne soyez pas içi [sic], en ce moment; quand vous reviendrez le calme se sera rétabli autour de moi et de mon œuvre et nous méditerons beaucoup ensemble, que le Rythme soit l’âme même de l’ornement et qu’il l’ait toujours été, c’est certain, mais, n’est-ce pas, que les conditions changeant, la sensibilité humaine change elle-même et qu’elle percoit [sic] différemment ce Rythme? Je ne suis pas sûr, que vous pensez ainsi! Mais ceci vous le professez qu’il y a décadence ornementale, quand celui-ci est dépourvu de R[ythme]. [?] – ce qui veut dire un ornement sans vie. Ce qui changerait votre proposition: »il y a des lois immuables dela [sic] sensibilité humaine« et »la sensibilité humaine a des droits immuables sur l’art et elle impose à toutes ses expressions le Rythme[«]. Vous me donnerez une grande joie, cher ami, chaque fois que vous me donnerez quelques mots. Je vous envoie ma conférence sur la »Künstlerische Hebung der Frauentracht«[.] Il y a pourtant bien des raisons pour que vous ne la lisiez pas maintenant, jetez cela dans vos malles. Vous le retrouverez toujours ici, et en temps. Maria et les petites miennes vous saluent et vous complimentent bien cordialement. Je vous serre fort les mains. Henry van de Velde. Briefkopf: Unmittelbar nach dem Umzug in die Reichshauptstadt verwendete van de Velde einen neuen Briefkopf, der außer dem Künstlersignet den schlichten Schriftzug ›Berlin‹ aufweist. Van de Velde wohnte zunächst temporär in der Brückenallee 27. exposition: Es handelt sich vermutlich nicht um die am 12. November 1900 eröffnete Ausstellung im Berliner ›Hohenzollern Kunsthaus‹ (vgl. Anm. Briefe 46, 54), sondern um die ›Sonderausstellung moderner, nach Künstlerentwürfen ausgeführter Damenkleider‹, die im August 1900 im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum eröffnet worden war (vgl. Föhl/ Neumann 2014 , S. 422).
212 Edition und Kommentar Exp[osition]. de Munich: Van de Velde nimmt hier Bezug auf die Münchner Secessions-Ausstellung von 1899, auf der er mit mehr als 60 Ausstellungsobjekten vertreten war. Kessler hatte die Ausstellung zusammen mit seiner Schwester Wilma besichtigt (vgl. Brief 29). conférence »Künstlerische Hebung der Frauentracht«: Van de Velde verweist hier auf seinen Vortrag ›Künstlerische Hebung der Frauentracht‹, den er auf Initiative von Friedrich Deneken anlässlich des Deutschen Schneidertages (8. bis 13. August 1900) in Krefeld gehalten und in Dresden, Berlin, Hamburg und Wien wiederholt hatte. Der Vortrag erschien unter demselben Titel 1900 im Krefelder Verlag Kramer & Baum (vgl. Velde 1900). Van de Velde hatte die Gestaltung der Publikation übernommen (Brinks 2007, S. 84–87, 400).
51 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Smyrna, 12.12.1900 AML, FSX 504/10, Brief
Smyrne, ce 12 déc[embre]. 1900 Cher ami, Voici une lettre qui m’arrive ici pour vous et que je m’empresse de vous envoyer. Comment passez-vous votre hiver à Berlin? J’espère que vous n’avez pas trop le mal du pays; mais dans les brouillards de votre rue vous devez bien souvent penser à Uccle. Après quelques semaines de pluie, nous avons maintenant un temps magnifique; et l’Asie Mineure est un bien beau pays. Comme j’aurais voulu explorer toutes ces ruines de la culture grecque avec vous. Dans cinq ou six jours je serai à Pergame. Puis j’irai à Constantinople, où je resterai jusqu’à la fin du mois. Je serais bien content d’y avoir de vos nouvelles, si vous pouvez trouver deux minutes pour m’en donner, ainsi que de Madame et des Bébés. Votre très dévoué HdeKessler Mon adresse à Constantinople est simplement: Deutsche Post, Constantinopel. Smyrne: Kessler befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine knappe Woche in Smyrna (heute: Izmir). Er erreichte Pergamon am 20. Dezember 1900 und Konstantinopel (heute: Istanbul) am 1. Januar 1901 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.12.1900, 1.1.1901). lettre: Besagter Brief liegt dem Konvolut nicht mehr bei.
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52 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, [Poststempel: 13.12.1900] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Briefumschlag
Poststempel: »Berlin W. 13.12.00...« Kleinasien Ueber Konstantinopel à Monsieur le Comte H. de Kessler postlagernd Smyrna Briefumschlag: Der zugehörige Brief von Henry van de Velde hat sich nicht erhalten.
53 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, ›Christtag‹ [24.12.1900] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1897–1900, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, BERLIN
Christag [sic] Cher ami Je pense à vous aujourd’hui qui passez la Noël aussi seul que nous et vous envoie mes affectueux souhaits. Nous ne fêtons pas et je travaille! Nous ne fêtons pas parce que nous nous sentons incapables de goûter la joie intime d’une fête qui est celle du foyer et dela [sic] famille. Maria est aussi loin des Siens que moi des Miens. Heureusement que les enfants ne s’apercoivent [sic] de rien et qu’ils ne pensent pas comme nous au foyer vide de là-bas. Je ressens aujourd’hui immensément la perte de notre maison! Passons, cher ami et pardonnez moi [sic] de confesser cette faiblesse. Je vous ai écrit à Smyrne, mais je crains que cette lettre sera arrivée après votre départ. Quels noms vous prononcez: Smyrne, Pergame...! Et vous parlez de soleil! –Aujourd’hui j’aspire après lui comme un phtisique après dela [sic] chaleur et je suis, en pensée, vraiment avec vous. Je vous suis si reconnaissant du désir que vous exprimez, de voir ce que vous voyez avec moi. Je songe à la petite photographie de von Bod[enhausen]. et retrouve en
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elle comme la photographie de ce désir, plutot [sic] que d’une vue réelle. Je veux retrouver l’espoir aussi qu’un jour cela se réalisera un voyage, à voyager avec vous – de recueillement et d’études! Mais dans quel pays? N’est-ce pas, ce sera le plus reposant, le plus tranquille et plus serein et le plus silencieux! Quelle civilisation retrouverons-nous? Les vieilles Indes Javanaises? Où sera – ce peut-être dans votre appartement même ou dans le mien où nous nous reconnaîtrons nous-mêmes? Je répète mes remerciements au sujet des photographies, cher ami et je prévois que nous vous reverrons bientôt. Resterez-vous longtemps à Constantinople? Allez-vous à Rhodes encore et quel est votre itinéraire? Peut-être nous retrouverez-vous dans »notre« appartement. Nous esperons [sic] l’habiter le 15 Fév[rier]. prochain. Maria en a visité huit, avant de choisir celui-ci et vous pensez bien qu’il ne répond pas entièrement à nos désirs. Les plafonds sont ornés. C’est vous dire notre souffrance future; mais à part cela, les proportions des salles, des portes et des fenêtres sont plutot [sic] agréables. C’est au bout, tout au bout dela [sic] Nuremberger Str[aße].. Il y a là une nouvelle place à deux pas dela [sic] Kaiser allée et non loin, je crois, de Wilmersdorf. Je ne me suis pas décidé à habiter hors [de] Berlin, les environs avant d’être fixé sur ma situation matérielle et le degré de salubrité de ces lacs et de ces bois pourtant si tentants. La »Nuremberger Str[aße].« sera une transition entre Uccle et quoi? Le climat de Berlin plaît à Maria et moi je le trouve réconfortant. Les enfants se portent »mieux« içi [sic] qu’à Uccle. Il est vrai qu’ils vivent au Thiergarten [sic]. Les quelques personnes auxquelles j’ai présenté Maria, lui ont fait un cordial accueil et elle se réjouit de leur société. Je ne vous ai pas envoyé ma conférence »sur la Toilette« à Smyrne. Je l’envoie à Constantinople avec un article de Scheffler. Maria et mes enfants vous envoie [sic] leurs affectueux compliments et moi, je voyagerai encore, en pensée – avec vous, cher ami. Henry v[an]. d[e]. V[elde]. Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag trägt die Anschrift »à Monsieur le Comte H. de Kessler Deutsche Post Constantinople Turquie« sowie die Poststempel »Berlin W. 26.12.00« und »Constantinopel 29 12 00 a-9 Deutsche Post«. notre maison: Gemeint ist Haus Bloemenwerf in Uccle (vgl. Anm. Brief 47). écrit: Der betreffende Brief liegt dem Briefkonvolut nicht mehr bei. Es existiert lediglich der Briefumschlag (vgl. Briefumschlag 52). »notre« appartement: Bereits vor dem Einzug in die von Eberhard von Bodenhausen zur Verfügung gestellte Wohnung in der Brückenallee 27 stand fest, dass die Zeit genutzt werden musste, umgehend nach einem neuen Domizil Ausschau zu halten. Maria van de Velde fand schließlich
Briefe und Kommentare 215 eine passable Wohnung in der Nürnberger Straße 36 in Berlin-Wilmersdorf in unmittelbarer Nähe vom Kurfürstendamm und der Kaiserallee (heute Bundesallee). Der Einzug war für den 15. Februar 1901 avisiert, erfolgte jedoch erst am 1. März 1901. Van de Velde blieb mit seiner Familie ein Jahr bis zur Übersiedlung nach Weimar im Frühjahr 1902 dort wohnen (vgl. Briefe und Anm. 46, 47, 63, 113). Verwirrend und nicht zu erklären sind die Einträge im Berliner Adreßbuch. Demzufolge wohnte van de Velde 1901 im dritten Geschoß der Nürnberger Straße 39, 1902 dagegen in der Nürnberger Straße 36 (vgl. Berliner Adreßbuch 1901, 1902). ma conférence »sur la Toilette«: Vortrag über die ›Künstlerische Hebung der Frauentracht‹ (vgl. Anm. Brief 50). article de Scheffler: Karl Scheffler (1869–1951), Kunstkritiker, Kunstschriftsteller, Publizist. Karl Scheffler, ursprünglich als Kunstmaler ausgebildet und für kurze Zeit in diesem Beruf tätig, gehörte zu den bedeutendsten Publizisten und führenden Kunstkritikern seiner Zeit. Er galt als unermüdlicher Schreiber. Sein Themenrepertoire war zudem unerschöpflich. Ab 1896 veröffentlichte er in nahtloser Folge Aufsätze für die ›Vossische Zeitung‹, die ›Dekorative Kunst‹, ›Die Zukunft‹ oder ›Kunst und Künstler‹. Hinzu kamen Künstlermonographien sowie Schriften zur Architektur, zum Kunstgewerbe, zur Kunst, Dichtung und Kultur im Allgemeinen. Karl Scheffler förderte van de Veldes Bekanntheitsgrad gerade in der Anfangszeit in erheblichem Maße. Obgleich er auch Kritik zu üben vermochte, stand er dem Menschen und Künstler van de Velde stets sehr nahe. Im Jahr 1900 widmete er van de Veldes Schaffen mehrere Aufsätze. Bei dem hier erwähnten Artikel könnte es sich um den großen Beitrag in der Zeitschrift ›Die Zukunft‹ handeln, der am 15. Dezember 1900 erschienen war und 1913 in Schefflers Publikation ›Henry van de Velde – Vier Essays‹ anlässlich van de Veldes 50. Geburtstages erneut abgedruckt wurde (Scheffler 1900 [Die Zukunft]; Scheffler 1913, S. 11–32). Die darin geäußerten Gedanken waren visionär. Sie beschreiben van de Velde als Vorläufer einer kommenden Künstlergeneration bzw. als ›Columbus‹ in der Geschichte der Nutzkünste, wie es in dem Artikel ›Sozial angewandte Kunst‹ von Scheffler heißt, der ungefähr zeitgleich in der ›Dekorativen Kunst‹ 1900 erschienen war (Scheffler 1900 [Dekorative Kunst]; vgl. Scheffler 1946, S. 26–34).
54 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Smyrna, 24.12.1900 AML, FSX 504/11, Brief
24 dec[embre]. [sic] 1900 [van de Veldes Handschrift] Je vous remercie de votre bonne lettre; c’est en effet avec vous que je voudrais arriver à une compréhension plus profonde des lois de la sensibilité humaine en tant que sensibilité artistique. À propos de l’immuabilité de ces lois, voici ce que je pense. Il y a différence radicale entre les fonctions artistiques du rhythme [sic] et de l’harmonie, entre les touches de l’artiste qui combinent les »couleurs« des sentiments et celles qui en règlent le courant. Ce qui me semble inaltérable, sauf des vicissitudes (c’est à dessein que je n’emploie pas le mot progrès), sauf donc des vicissitudes de raffine-
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ment ou de décadence de la perception, ce sont les Rhythmes [sic], c’est[-] à[-]dire les lignes dans lesquelles peuvent se mouvoir et découler les courants des sentiments. Leurs couleurs, au contraire, sont changeantes; et c’est même cette transformation de la »couleur« de la sensibilité, ou, pour pousser l’image, de la base colorique sur laquelle la gamme des couleurs est édifiée, c’est cette transformation du ton général de la sensibilité par la religion qui me semble le trait d’union entre la religion et l’art. Je crois donc en effet à des qualités immuables de la sensibilité, qui ne permettent que des variations et des raffinements à l’artiste, et à des qualités changeantes, qui peuvent subir des transpositions radicales, par la religion surtout. Ces deux classes de qualités, celles qui appellent le rhythme [sic] et celles qui appellent l’harmonie, je les tiens pour psychologiquement indépendantes l’une de l’autre; ce sont pour ainsi dire les deux dimensions de la sensibilité artistique, elles sont de natures radicalement différentes, comme l’homme et la femme, sauf à la nécessité dans laquelle elles se trouvent de s’unir l’une à l’autre, pour produire la beauté profonde. C’est dans cette combinaison de qualités changeantes et de qualités immuables que me semblent fondées l’immobilité de ce qui est beau, et la vie toujours renouvelée, toujours en voie de création de ce que nous appelons l’Art. Je voudrais, que nous, puissions arriver à un vrai accord entre nos idées sur les points fondamentaux, comme je me sens d’accord avec vous pratiquement dans votre goût, dans ce que vous trouvez beau ou laid. – Et maintenant, permettez-moi de souhaiter à madame Van de Velde ainsi qu’à vous[-]même, cher ami, tout les succès possibles à Berlin dans l’année qui va s’ouvrir. Je regrette vivement de ne pas avoir vu votre exposition et je vous remercie bien de votre brochure, que vous avez la bonté de me promettre; je ne la mettrai pas »dans mes malles« mais, au contraire, je la lirai, dès qu’elle m’arrivera. Tout à vous HdeKessler ce 24 déc[embre]. 1900, Smyrne. lettre: Es handelt sich um van de Veldes Brief vom 9. Dezember 1900 (vgl. Brief 50). compréhension: Infolge des Aufsatzes ›Kunst und Religion‹ und angeregt durch die Griechenlandreise beschäftigte sich Kessler weiterhin intensiv mit der Ergründung der Gesetzmäßigkeiten im Verhältnis zwischen Kunst und Religion (vgl. Briefe 50, 56). vrai accord: Offenbar konnten sich van de Velde und Kessler nicht gänzlich einigen. Van de Velde legte in dem Antwortschreiben (vgl. Brief 55) seine Sichtweise noch einmal erklärend dar. Im Februar 1901 vermerkte Kessler jedoch im Tagebuch: »Bei Van de Veldes gegessen. Er will nicht daran glauben, dass erst eine religiöse Erneuerung die Kunst ganz erneuern könne; je dois me défendre de croire ça; das sei schrecklich für ihn, das zu glauben, es würde ihn lähmen.
Briefe und Kommentare 217 Er meint, dass auch die Erneuerung unserer wissenschaftlichen, sozialen etc. Begriffe das Gefühlsleben erneuern könne.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.2.1901). exposition: Bezieht sich auf die ›Sonderausstellung moderner, nach Künstlerentwürfen ausgeführter Damenkleider‹, die im August 1900 im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum eröffnet worden war (vgl. Anm. Brief 50).
55 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], 3.1.1901 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, BERLIN
3 Janv[ier]. 1901 Cher ami, Je n’ai pu répondre tout de suite à votre lettre partie de Smyrne parce que j’ai été souffrant d’influenza autant que toutes les Miennes. Tout le monde va mieux maintenant et il fait un froid sain et sec de 15 à 16 dég[ré]. sous zéro. –Ensuite, j’ai attendu que tout ce qui nous préoccupe en ce moment au sujet du Rythme et del’[sic] Harmonie m’apparut plus clairement. Je crois ne pas saisir assez nettement votre pensée et je crois aussi que vous ne l’avez pas suffisamment clairement exposée. Voici ma pensée: Vous dites »il y a différence absolue entre les fonctions artistiques du R[ythme]. et del’H[armonie].« – cela est certain! En temps que fonction art. Je crois que celle du R[ythme]. est plus particulière plus spontanée celle de l’H[armonie]. est plus générale plus volontaire et calculée le R[ythme]. est créateur. l’H[armonie]. est créée. Içi [sic] nos images se rencontreraient presque mais sommes[-nous] bien d’accord sur le sexe de chacun d’eux? Votre image dit »ils sont de nature différente comme l’Homme et la Femme«. Les images sont dela [sic] littérature dangereuse, cher ami, et restons secs – si nous le pouvons! Je poursuis les différences principales: le R[ythme]. est un phénomène naturel et matériel l’H[armonie]. = [est un phénomène] immatériel et divin. R[ythme]. et H[armonie]. = Beauté Dès lors, ma religion = sérénité dans la Beauté.
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Mais vous dites, les R[ythmes]. sont inaltérables. Voilà, ce que je ne peux admettre que dans ce sens-ci qui ferait de votre proposition celle-ci: »les R[ythmes]. existent tous dans la nature; mais les Hommes ne les percoivent [sic] pas tous et une évolution de leurs sensibilités permet qu’ils les reconnaissent successivement!« Mais alors il faut admettre une évolution dela [sic] sensibilité et vous dites aussi »il y a des qualités immuables de la sensibilité art[istique]. qui ne permettent que des variations à l’artiste [?] etc.« Je crois, moi, que ces variations tiennent à la sensibilité au point d’être elles mêmes des variations de notre sensibilité c. a. d. des évolutions de cette sensibilité. Facteurs? la [sic] Religion, je veux bien! Mais il en est d’aussi puissant à qu’elle! En ce moment, je serais en contradiction avec vous, cher ami, à moins que nous n’ayons diversement interprété les mots: sensibilité etc... Mais, je crois avoir besoin d’admettre une évolution de la sensibilité art, parce que sinon je ne peux m’expliquer que nous percevions d’autres R[ythmes]. de lignes de couleurs que nos ancêtres. La sensibilité art[istique]. est de même qualité, mais mille facteurs dont chacun d’eux a eu une action spéciale l’ont exercée, prévenue, développé! Un autre millier peut l’avoir atrophiée, anesthésiée! Y a-t-il là une divergence entre nous? et celle-là peut-elle nous amener à devoir conclure différemment? Je ne le crois pas! A présent, il y a de la confusion, chez moi, tout au moins et je crois qu’il faudrait d’établir la vraie signification des mots, avant d’aller plus loin. Je clôs [sic], cette lettre, cher ami, de peur qu’elle ne vous atteigne plus à Constantinople. – Hier, l’Impératrice a visité mon exposition. Je n’y étais pas et il paraît que malgré les efforts de sa suite, qui paraît conquise, elle-même ne s’est pas laissé conquérir. C’est dans l’ordre des choses ... mais ce qui ne l’est pas c’est que l’un de Mess[ieurs]. attachés à Sa personne, parlant devant Elle de ma conférence chez M[a]d[am]e Richter lui aurait dit que dans cette conférence j’aurais conclu: il faut rentrer chez vous et brûler vos anciens meubles! Ce n’est pas que cette conclusion m’effraie mais je la trouve trop ordinaire. Bien affectueusement et vœux sincères de nouvel an. Henry van de Velde
Briefe und Kommentare 219 Impératrice: Auguste Victoria Feodora Jenny, Deutsche Kaiserin und Königin von Preußen (geb. Prinzessin zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, 1858–1921). Die Kaiserin hatte am 2. Januar 1901 van de Veldes Ausstellung im Berliner ›Hohenzollern Kunsthaus‹ besichtigt. conférence: Es handelt sich um van de Veldes letzten Vortrag im Salon von Cornelie Richter am 17. März 1900 (vgl. Anm. Brief 35). Das Publikum, das sich in seinen Reaktionen eher widersprüchlich zeigte, bestand aus Damen und Herren der Hofgesellschaft. Zu ungewohnt schien van de Veldes missionarischer Eifer. Während sich Baronin Spitzemberg vor allem »über die Ziele seiner Mission« (Vierhaus 1961, S. 395) klarzuwerden suchte, hielt Helene von Nostitz im Rückblick fest, dass van de Velde »fanatisch in seiner Begeisterung, alle Möbel und Bilder, zwischen denen er stand, verurteilte und am liebsten aus dem Fenster geworfen hätte« (Nostitz 1925, S. 55).
56 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Konstantinopel, 9.1.1901 AML, FSX 504/2/1, 2, 3 (Mappe A, 1899), Brief
Constantinople, ce 9 janvier 1900. Cher ami Il doit certainement y avoir un malentendu, qui tient probablement à la difficulté que j’éprouve à exprimer mes idées dans une langue qui n’est pas la mienne. Commençons donc par un dictionnaire. J’entends par sensation (Vorstellung) ce que je perçois; par sentiment (Gefühl) l’émotion personnelle, qui accompagne la sensation; par sensibilité d’un homme toute la gamme des émotions ou des sentiments que cet homme est capable d’éprouver (une [?] relation dans laquelle elles se trouvent chez cet homme avec les sensations. Je fais donc deux parts dans les faits psychologiques, l’une étant la perception que j’extériorise comme appartenant au monde extérieur et que j’appelle sensation, et l’autre l’émotion que je ressens comme un état de ma personnalité et que j’appelle mon sentiment (=émotion), ou bien par un nom collectif pour toutes les émotions dont je suis, par ma constitution psychologique individuelle, susceptible: sensibilité. Voilà donc mes trois termes définis: 1) la sensation, 2) le sentiment ou émotion, et 3) la sensibilité, comme terme collectif pour toutes les émotions dont tel ou tel homme est capable. – Passons à la différence que j’établis entre le Rhythme [sic] et l’Harmonie; cette différence je l’appelle radicale, parce que le Rh[ythme]. [sic] et l’H[armonie]. se rapportent à deux fonctions radicalement différentes de chaque fait psychologique. Car chaque fait psych. ayant et une durée et certaines qualités (c’est[-]à[-]dire un contenu de sensation et d’émotion), le Rhythme [sic] se sert de la durée de ces faits et l’Harmonie de leurs
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qualités. Il n’y a donc rien de nuageux ou de mystérieux à cette différence; elle tient toute entière à ce fait excessivement simple, que les sensations et les émotions ont non seulement une qualité (un contenu), mais aussi une durée, et que l’Art se sert des deux; et de la qualité, par l’Harmonie, et de la durée, par le Rhythme [sic]. Voilà ce que j’ai essayé d’exposer aux pages 10–12 de mon essai sur l’Art et la Religion. – L’immuabilité du Rhythme [sic] je crois la constater dans l’histoire, par le retour constant de tous les peuples vers les mêmes rhythmes [sic] musicaux et ornementaux, et dans la nature, par l’effet qu’ont les rhythmes humains sur certains animaux. Certes on voit la perception des rhythmes [sic] se raffiner ou s’émousser; mais on ne trouve jamais que des variations sur des rhythmes [sic] fondamentalement semblables, variations qui du reste peuvent aller jusqu’au génie par leur audace ou leur raffinement. Les combinaisons des qualités des faits psychologiques (l’Harmonie), semblent au contraire admettre d’une variété presque infinie. Je m’explique cette différence par ceci, que les qualités elles-mêmes des faits psychologiques (leur contenu) sont [?] variables à l’infini, tandis que la matière du rhythme [sic], la durée, le [unleserliches Wort], n’est qu’une ligne et donc à peu près invariable: elle ne peut donc donner lieu [?] à ces combinaisons infinies que permet la matière éternellement changeante de l’harmonie. Vous dites: le Rhythme [sic] est un phénomène naturel, l’Harmonie un phénomène créé. Pour moi, tous les deux sont des phénomènes créés et naturels; naturels en tant que l’artiste ne peut que se servir de la matière d’âme que la nature lui offre dans son public; créés, en tant que c’est l’artiste qui doit découvrir ces combinaisons possibles dans l’âme de ses auditeurs. Mais tandis que les rhythmes [sic] à découvrir sont relativement aux harmonies peu nombreux, ou plutôt, relativement stables, chaque état nouveau de la sensibilité rend possibles des harmonies totalement neuves. Tout fait historique qui renouvelle la »sensibilité« rend donc possible de nouvelles harmonies et donc un art nouveau. Par contre, une fois qu’un mouvement d’art a épuisé toutes les harmonies que tel ou tel état de sensibilité rend possibles, pas d’harmonies nouvelles et, par conséquent, pas d’art nouveau complet, avant un renouvellement de la sensibilité, de l’âme humaine. Ceci me semble inéluctable. Par conséquent, qui cherche les causes qui ont donné naissance à un art nouveau doit chercher des faits ayant modifié la sensibilité, et l’ayant modifiée à l’époque qui a donné naissance au mouvement artistique. Voilà donc comment il faut à mon avis poser la question: quels sont les faits qui ont pu, à telle ou telle époque, modifier assez profondément la sensibilité, c’est[-]à[-]dire la gamme possible des émotions et leur relation avec les sensations, pour rendre possible l’art qui est né à cette époque? Sommes-nous d’accord sur cette formule, cher ami? C’est en me posant cette question et en lui cherchant une réponse, pour les deux mouvements artistiques qui nous sont le mieux connus, celui de l’art Grec,
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entre le 7ème et le 5ème siècle, et celui de l’art Européen, entre 1200 et 1500, que je suis arrivé à constater le rôle prépondérant joué par la religion. C’est bien le développement de nouvelles idées religieuses, (du culte Dionysiaque et de cultes semblables en Grèce, du mouvement Franciscain en Europe) que nous trouvons à l’époque où ces deux arts sont nés; et nous constatons en même temps, que ces mouvements religieux ont profondément modifié la sensibilité grecque et la sensibilité européenne; ceci est un fait absolument indéniable. Pour combattre ma thèse de l’influence prépondérante de la religion sur ces deux mouvements d’art, il faudrait donc apporter d’autres faits d’un autre ordre ayant pu modifier la sensibilité de ces deux époques autant ou plus que le renouvellement religieux. Car, cher ami, je le répète, voilà comment je crois que la question doit être posée. Il s’agit d’apporter des faits ayant modifié la sensibilité, voilà le fait central, fondamental, qui doit se trouver à la naissance de tout mouvement d’art et qu’il s’agit donc d’élucider. J’ai tâché d’en exposer la raison psychologique tout à l’heure. Mais l’expérience historique suffirait à prouver, que toutes les richesses du monde ne créeront pas un art complet et nouveau, à défaut de cette évolution intérieure, de ce renouvellement de l’âme humaine. Des époques immensément riches et qui ont consacré des sommes folles à leur glorification par l’art, comme l’empire romain, n’ont rien créé. Ce ne sont pas non plus les besoins nouveaux doublés de richesses qui donnent naissance à un art; ces besoins peuvent exister et s’exprimer, sans renouveler l’art; car, justement, la Rome païenne et, plus tard, la Rome chrétienne du 4ème et du 5ème siècle ont eu des besoins nouveaux à foison; amphithéâtres, bains, palais, basiliques; elles y ont pourvu de la façon la plus grandiose; tout le Midi et tout l’Orient est couvert de ces ruines, plus vastes, encore aujourd’hui, que toutes les cathédrales et tous les temples grecs réunis; mais aucun art nouveau n’est sorti de cette poussée de formes matérielles nouvelles; on n’a pu qu’adapter, tant bien que mal, ce que la Grèce avait créé, jusqu’au moment où, vers le 12ème siècle, une sensibilité nouvelle, une gamme neuve d’émotions, a jailli. L’histoire, comme la psychologie, nous apprend donc, que c’est bien un fait ayant affecté la sensibilité qui doit se trouver à la naissance de tout mouvement ayant créé un art nouveau complet; et pour l’art grec comme pour l’art gothique le fait, qui a le plus profondément bouleversé la sensibilité, vers l’époque de leur naissance, se trouve être une révolution religieuse. C’est pour cette raison, c’est[-]à[-]dire parce que je cherche un fait ayant modifié la sensibilité, que je ne puis attacher une importance fondamentale à la poussée de richesse et de fierté des villes à l’époque gothique; c’est là un fait extérieur ayant donné la possibilité matérielle de réaliser des œuvres d’art; mais jamais ce fait n’aurait suffi par lui-même à produire des formes d’art nouvelles; aussi peu que l’immense poussée de richesse et de luxe des villes de l’empire romain n’a suffi à produire un art
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nouveau; s’il n’y avait pas eu de formes nouvelles de l’émotion attendant et permettant de nouvelles harmonies, on n’aurait refait que ce que les ancêtres avaient déjà créé, adapté les formes anciennes de l’art aux besoins et aux désirs de glorification nouveaux; il se serait donc produit exactement le même phénomène que pour Rome, avec ses besoins et ses moyens de réalisation immenses, suivant et rééditant la Grèce. Pardonnez-moi, cher ami, de répondre à votre lettre par une brochure; mais je désire surtout qu’il n’y ait pas de malentendu entre nous. – Je vous remercie vivement de votre article, que vous avez bien voulu m’envoyer. Quel pas, dans le chemin de la vraie culture, celle de l’esprit et du corps, si on arrivait à rendre le costume moins hideux. Je fais quelques réserves sur la Logique proclamée comme seule déesse de l’Art; mais je crois que vous faites ces réserves vous-même. L’article de Monsieur Scheffler dit bien ce qu’il y avait à dire. Je regrette que vous et madame van de Velde ayez eu un temps de maladie à passer; puissiez-vous être complètement remis maintenant. La peste vient d’éclater ici, ce qui est bien ennuyeux pour mon voyage de retour; je crains tomber de quarantaine en quarantaine. Mais il paraît qu’un matelot a eu le mauvais goût d’en mourir sur le quai ce matin, et il n’y a donc plus de possibilité d’étouffer l’affaire. J’ai eu la bonne fortune de m’échapper de Smyrne juste à temps; il y avait des cas depuis une quinzaine, mais discrets et sans que la police fût forcée de s’en mêler. Veuillez, cher ami, présenter mes hommages à madame van de Velde, et croyez moi bien affectueusement votre très dévoué HdeKessler. Cher ami, Cross m’envoie très gentiment une carte de bonne année; mais pas d’adresse; puis-je vous prier de vouloir bien lui adresser la carte ci-incluse. Mille merci. – Mon adresse, à moi, est toujours Constantinople. Brief: Zu diesem Brief existiert ein zugehöriger Briefentwurf, der von Kessler statt auf den 8. Januar 1901 versehentlich auf den 8. Januar 1900 datiert ist (Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Konstantinopel, 8.1.1901, DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1900). 1900: Der vorliegende Brief datiert vom 9. Januar 1901. Kessler hatte sich versehentlich in der Jahresangabe geirrt. votre article: Vgl. Anm. Briefe 50, 53. L’article de Monsieur Scheffler: Vgl. Anm. Brief 53. peste: Am 10. Januar vermerkte Kessler im Tagebuch: »Gestern hier ein Pestfall.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.1.1901).
Briefe und Kommentare 223 Henri Edmond Cross (eigentlich Henri Edmond Delacroix, 1856–1910), französischer Maler. Van de Velde und Cross kannten sich seit der gemeinsamen Teilnahme am Salon der ›Les Vingt‹ im Jahr 1889 (Maus 1926, S. 81). Die erste Begegnung zwischen Kessler und Cross fand dagegen im März 1898 in Paris statt (vgl. Tagebuch Kessler, 28.3.1898). Gemälde von Cross befanden sich durch Vermittlung von van de Velde in den Sammlungen von Curt Herrmann, Alfred Wolff, Karl Ernst Osthaus, Kurt von Mutzenbecher, Eberhard von Bodenhausen, Sigurd Frosterus, Angus von Douglas und Paul Schulenburg. Van de Velde besaß privat ›Les Rochers des Baleines‹ (1898), ›La Plage de Saint-Clair‹ (1901) und ›Amandiers en fleurs‹ (Velde 1995, S. 270, Anm. 2; Neumann 2000, Abb. 79, 80; A: Curjel, Kasten 36, Bl. 222, DLA). Zu Kesslers Privatsammlung gehörten ›La plage ombragée‹ (1902), ›Rio di Noale – Venise‹ (1903/04), ›Le Lesteur‹ (1906), ›Pardigon, côte provençale, effet du soir‹ (1907), ›Les pins sur la plage‹ (1896), ›Baigneurs‹ (1906), ›Paysage de Bormes‹ (1907), ›Printemps rose‹, ›Paysannes de l’Ombrie‹ (1908/09) sowie die nicht näher identifizierten Werke ›Arbre en hauteur‹, ›Rote Boje‹, ›Landschaft mit Eseltreiber‹ und ›Landschaft mit Bäumen‹ (vgl. Walter 2001, S. 88). Kessler zeigte wiederholt Werke von Cross anlässlich der Neoimpressionisten-Ausstellungen in Weimar in den Jahren 1903, 1904 und 1905. Théo van Rysselberghe, der ebenso eng mit Cross befreundet war, fertigte nach dem frühen Tod des Malers eine Bronzeplakette für dessen Grab in Saint-Clair (Feltkamp 2003, S. 476, S-1; vgl. Briefe 120, 140, 167, 178, 204, 273, 274, 370).
57 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, 27.1.1901 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief [diktiert]
Berlin le 27 janvier 1901 Cher ami, Le dernier paragraphe de votre dernière lettre qui m’annonçait qu’un cas de peste avait éclaté à Constantinople, me faisait supposer que vous auriez quitté aussitôt Constantinople, mais n’entendant rien de votre arrivée ici à Berlin et, d’autre part, ayant su que le cas de peste était resté unique. Je m’imagine que vous êtes encore à Constantinople – ou dans les environs. Avant de répondre à votre précieuse lettre je voudrais savoir où vous vous trouvez en ce moment et si je peux vous attendre. J’ai envoyé à Krause la carte que vous m’aviez prié de lui adresser. J’espère que nous vous verrons bientôt ici, en temps peut-être pour que vous voyiez l’exposition des Neo-impressionistes [sic] ouverte chez Keller & Reiner. Il y a là quelques toiles de tout premier ordre qu’il me ferait de la peine de penser que vous ne verrez pas. Un mot au sujet de votre séjour et je m’empresserai de répondre à votre longue lettre. Bien affectueusement Henry van de Velde [von eigener Hand]
224 Edition und Kommentar à Constantinople: Kessler hatte Konstantinopel bereits am 25. Januar 1901 verlassen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 25.1.1901). Über Belgrad reisend erreichte Kessler am 27. Januar 1901 Berlin, d. h. am Tag des vorliegenden Briefes (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 25.–27.1.1901). répondre: Offenbar wurde die Diskussion über Kunstästhetik mit Kesslers Eintreffen in Berlin am 27. Januar 1901 mündlich fortgeführt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.2.1901). Krause: Gemeint ist die Karte an Henri Edmond Cross (vgl. Brief 56). Der vorliegende Brief wurde von van de Velde diktiert und offenbar nicht gegengelesen. l’exposition des Neo-impressionistes: Bezieht sich auf die Ausstellung belgischer und französischer Neoimpressionisten in der Berliner Galerie Keller & Reiner im Januar 1901. Zu sehen waren u. a. Werke von Théo van Rysselberghe (›Irma Sèthe au violon‹, 1894; ›Le cap Gris-Nez [Brumes d’été]‹, 1900), Henri Edmond Cross, Paul Signac und Maximilien Luce (vgl. Feltkamp 2003, S. 304, 331, 478).
58 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 18.3.1901 AML, FSX 504/12, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Paris, 19 Boulevard Montmorency ce 18 mars 1901. Cher ami Vous m’aviez promis quelques notices sur votre vie; et comme vous m’aviez permis de vous rappeler cette promesse, j’espère ne pas être importun. Je vais commencer à travailler à mon article ces jours[-]ci. – J’espère que vous êtes revenu de Vienne de bonne santé et que vous êtes complètement installé, maintenant, à la Nurnbergerstrasse [sic]. Veuillez dire bien des choses de ma part à madame Van de Velde et aux bébés. Votre très dévoué HdeKessler article: Wie aus den nachfolgenden Briefen und zwei Tagebucheinträgen vom 15. Februar und 7. März 1901 hervorgeht, arbeitete Kessler im Frühjahr und Sommer 1901 an einem ausführlichen Porträt über den Künstler und Menschen van de Velde, das jedoch nie erschien (vgl. Briefe 59–62; Tagebuch Harry Graf Kessler, 15.2.1901, 7.3.1901). Vienne: Van de Velde hielt sich Anfang März 1901 wegen eines Vortrags in Wien auf. Am 9. März 1901 erschien in der Wiener Zeitschrift ›Die Zeit‹ ein Abdruck seines Aufsatzes ›Was ich will‹ (vgl. Velde 1901 (Die Zeit), S. 154–155).
Briefe und Kommentare 225 santé: Van de Veldes Gesundheit war wegen der sich anbahnenden Differenzen mit Hermann Hirschwald bereits angeschlagen (vgl. Eberhard von Bodenhausen an Henry van de Velde, 5.4.1901, in: Bodenhausen 1955, S. 203).
59 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 8.5.1901 AML, FSX 504/15, Brief
Paris ce 8 mai 1901. Cher ami Je vous remercie de votre réponse, que votre secrétaire m’envoie. Je n’ai rien reçu de Cassirer. Peut-être ce livre est-il à Berlin? Je rentrerai vers le 20 mai; mais je vous serai tout de même reconnaissant, si, par une réponse à mon interminable questionnaire, vous me rendiez possible de continuer mon travail avant. Je vous prie de me recommander à madame Van de Velde Votre très dévoué HdeKessler réponse: Das Antwortschreiben liegt dem Briefkonvolut nicht mehr bei. livre: Es handelt sich um van de Veldes Buch ›Die Renaissance im modernen Kunstgewerbe‹, das 1901 im Cassirer-Verlag erschienen war (vgl. Anm. Briefe 37, 61). vers le 20 mai: Kesslers Tagebuch gibt keine Auskunft darüber, ob und wann sich Kessler zwischen dem 16. und dem 22. Mai 1901 in Berlin aufhielt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 16./22.05.1901; vgl. Brief 61). questionnaire: Vgl. Brief 58.
60 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 9.5.1901 AML, FSX 504/15, Brief
Paris ce 9 mai 1901. Cher ami Votre lettre m’a profondément ému; croyez bien que je traiterai tout ce que vous voudrez bien me confier avec tout le respect dû à une belle franchise. Mais comment égalerai-je jamais l’éclat et la profondeur du portrait que vous tracez inconsciemment de vous[-]même par la concentration et
226 Edition und Kommentar
l’énergie de votre style et de votre sentiment! Vous égalez par votre style, dans ces notes fugitives et sans recherches vos plus beaux ornements. C’est à regretter l’influence Mallarmiste qu’on croit percevoir dans ce que vous avez écrit pour être imprimé. Merci, merci de tout mon cœur cher ami de ce don royal de tout ce qu’il y a dans votre cœur! Quand ce cœur a une telle force on n’appartient pas à la race des vaincus; soyez – en bien assuré cher ami; vous ne finirez pas, comme vous le racontez d’une façon si touchante, en berger. Je crois à la force morale, comme à ce qu’il y a de plus puissant sur terre; et de cette force[-]là vous en avez à revendre; c’est même ça, précisément, ce que vous revendez; excusez ce calembour, qui est cependant très sérieux. Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde et une révérence à Nele. Votre très dévoué HdeKessler Votre lettre: Dieser offensichtlich sehr gefühlsbetonte und offenherzige Brief von van de Velde liegt dem Briefkonvolut bedauerlicherweise nicht mehr bei. Der Brief entstand vermutlich im Zuge bzw. als Antwort auf Kesslers Fragen, die im Zusammenhang mit einem geplanten Artikel über van de Velde standen (vgl. Brief 58). berger: Das Bild und die Metapher des Schäfers, der ein von Einfachheit und Entbehrungen gezeichnetes Leben führt, beschäftigte van de Velde seit seiner Pariser Studienzeit 1884. Damals fungierte Jean-François Millet als Vorbild. Wie Millet suchte van de Velde das Wesen des einfachen Landlebens künstlerisch zu erfassen und persönlich zu durchdringen. Er siedelte 1885 in das flämische Dorf Wechel der Zande über, wo er mehrere Jahre als junger Maler verbrachte. Seiner Mutter vertraute er damals an: »Maman, si je devais en être réduit à mes propres moyens avant que le succès n’ait couronné mes efforts, je me ferais berger!« (Velde 1992, S. 109).
61 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 12.5.1901 AML, FSX 504/16, Brief
Paris 12 mai 1901. 19 Boulevard Montmorency. Cher ami Je reçois à l’instant votre Renaissance i[m]. K[un]stgewerbe. Je vous remercie infiniment de me l’avoir envoyé, et je compte en tirer grand profit pour mon article. Je me réjouis surtout d’en ressentir l’influence vivifiante, comme de tout ce qui provient de vous. – Je reste à Paris jusqu’à jeudi et serai à l’Hotel Cecil à Londres de vendredi à lundi.
Briefe und Kommentare 227
Veuillez me recommander à madame Van de Velde. Votre très dévoué HdeKessler. Renaissance im Kunstgewerbe: Es handelt sich um van de Veldes Publikation ›Die Renaissance im modernen Kunstgewerbe‹, das 1901 im Cassirer-Verlag erschienen war (vgl. Anm. Briefe 37, 59). article: Vgl. Anm. Brief 58. jeudi: Donnerstag, den 16. Mai 1901.
62 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], undatiert [1901] Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher ami Je me trouve devant la nécessité de vous demander des éclaircissements sur un ou deux points, auxquels vos lettres ne répondent pas. Voici: 1. Votre intimité avec Elskamp s’est[-]elle continuée à l’époque de 1886– 1892 que vous avez passée à la campagne? 2. Quand avez[-]vous connu Mallarmé? À quelle époque a-t-il exercé cette grande influence sur vous? Je vous remercie infiniment d’avance des réponses que vous voudrez bien me donner. Tout se tient si parfaitement dans votre évolution qu’on ne peut passer des points de cette importance, sans sentir un trou. Veuillez présenter mes respects à Madame Van de Velde. Votre très dévoué HdeKessler. undatiert [1901]: Der Brief steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Kesslers Projekt, eine ausführliche Porträtstudie über van de Velde zu verfassen (vgl. Anm. Brief 58). Obwohl ein nachträglicher Vermerk von fremder Hand auf »Juli 1901« verweist, könnte der Brief auch in den Monaten März bis Juni 1901 verfasst worden sein. Eine exakte Datierungshilfe gibt es nicht, zumal das Antwortschreiben von van de Velde nicht überliefert ist. vos lettres: Diese Briefe liegen dem Briefkonvolut nicht mehr bei. Max Elskamp (1862–1931), flämischer Dichter französischer Sprache, Jurist. Van de Velde und Elskamp lernten sich 1876 im Antwerpener Gymnasium Atheneum kennen. Seitdem verband sie ein »magisches Band« der Freundschaft (Max Elskamp an Henry van de Velde, 16.11.1884, in: Velde 1933, S. 14). Gemeinsam entdeckten sie die symbolistische Literatur,
228 Edition und Kommentar das flämische Volksleben und erlebten eine Zeit gemeinsamer Inspirationen. Elskamp studierte zunächst Jura und arbeitete danach kurzzeitig als Advokat in Antwerpen. Als Sekretär betreute er die Künstlergruppen ›L’Art Indépendant‹ (1886) und ›Association pour l’Art‹ (1891), zu deren Gründungsmitgliedern auch van de Velde gehörte. Zu Beginn der 1890er Jahre wandte er sich unter dem Einfluss des Symbolismus endgültig der Dichtkunst und Schriftstellerei zu. Die komplexe buchkünstlerische Zusammenarbeit zwischen van de Velde und Elskamp datiert aus jener Epoche. Van de Velde gestaltete die Umschläge zu Elskamps Werken ›Dominical‹ (1892), ›Salutations, dont angéliques‹ (1893), ›En symbole vers l’Apostolat‹ (1895) sowie die Typographie von ›Six Chansons de pauvre homme pour célébrer la semaine de Flandre‹ (1895). Darüber hinaus fertigte Elskamp selbst Holzschnitte zur Illustration eigener Werke sowie für private Zwecke, wie z. B. die Brief-Vignette von van de Veldes Haus Bloemenwerf oder den Holzschnitt für die Geburtsanzeige von Helen van de Velde (vgl. Anm. Brief 28). Elskamp durchlebte ein wechselhaftes und von wiederkehrenden Depressionen gezeichnetes Leben. Als er 1931 starb, setzte van de Velde dieser außergewöhnlichen Freundschaft, die über 50 Jahre währte, ein Denkmal (vgl. Velde 1933). Ein Teil der Briefe von Elskamp an van de Velde ist im Archief en Museum voor het Vlaams Culturleeven in Antwerpen und in der AML (FSX 379) verwahrt, der andere Teil ist verstreut. Stéphane [eigentlich: Étienne] Mallarmé (1842–1898), französischer Schriftsteller und Lyriker. Van de Velde bezeichnete Stéphane Mallarmé als »Meistermagier« (Velde 1962, S. 70). Er hatte Mallarmé im Februar 1890 persönlich kennengelernt, als dieser mit Vorträgen durch Belgien reiste. Van de Velde war damals 26 Jahre alt und ›jeune Vingtiste‹. Er erhielt von Octave Maus den ehrenvollen Auftrag, Mallarmé im Rahmen dieser Tournee nach Antwerpen zu begleiten. Eigenen Aussagen zufolge stattete er dem hoch verehrten Dichter auch einige Besuche in Paris ab. Van de Velde hielt den Eindruck an die Begegnungen mit Mallarmé ausführlich in seinen Memoiren fest (Velde 1962, S. 68–71; Velde 1992, S. 153–159; Velde 1999, S. 37–39).
63 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Grünheide], Vendredi Juillet 1901 [5.7.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefkarte, Briefkopf gedruckt: BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
Vendredi. Juil[let] 1901 Cher ami, Est-il vrai que vous soyez rentré à Berlin? Nous nous sommes installés à Grünheide (Mark) Hotel Petersen. Bien affectueusement. [Künstlermonogramm] Vendredi Juillet 1901: Dem Antwortschreiben Kesslers zufolge (vgl. Brief 64) datiert diese Briefkarte vom 5. Juli 1901. NÜRNBERGERSTRASSE 36 II: Der Umzug in die Mietwohnung in der Nürnberger Straße 36 war bereits am 1. März 1901 erfolgt (vgl. Briefe 46, 53). Der zugehörige Briefkopf fand erstmals im Frühjahr 1901 auf Briefbögen und Karten van de Veldes Verwendung. Die Wohnung in der
Briefe und Kommentare 229 Nürnberger Straße 36 diente 1901 als Kulisse für eine Serie von Photoaufnahmen, die Maria van de Velde, Sophie Herrmann, Elly Backhausen und Alma Warburg in van de Veldes neuesten Modeschöpfungen zeigen. Grünheide: Der idyllisch in der Mark Brandenburg gelegene Ort Grünheide (ca. 36 km südöstlich vom Berliner Stadtzentrum) wurde um 1900 zur beliebten Sommerfrische. Van de Velde hatte Grünheide erstmals im Frühjahr 1901 aufgesucht und in der Villa Schulze logiert. Es folgte ein längerer Aufenthalt von Anfang Juli bis Ende September 1901 in der Pension Petersen. Auch Maria war über den Umstand, einige Zeit mit ihrer Familie in der Natur zu verbringen, sehr glücklich (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 4.7.1901, Privatarchiv). Sie war zu diesem Zeitpunkt im vierten Monat schwanger und fühlte sich ohnehin sehr geschwächt. Während Henry diesen Aufenthalt mehrmals durch geschäftliche Fahrten nach Berlin und auswärts unterbrach, weilte Maria van de Velde mit ihren Töchtern Lene und Nele bis Ende September 1901 in Grünheide (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 27.9.1901, Privatarchiv).
64 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 11.7.1901 AML, FSX 504/17, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
ce 11 juillet 1901. Oui, cher ami, je suis à Berlin depuis quinze jours; mais on m’avait dit que vous étiez à la campagne et je n’ai pu apprendre votre adresse. Vous et madame Van de Velde me feriez un grand plaisir, si vous pouviez venir déjeuner ou dîner chez moi un jour que vous avez des commissions à faire à Berlin. Je ne soupçonne même pas, où peut se trouver Grünheide. Je suis en train de travailler très sérieusement à votre portrait; j’espère faire quelque chose de bien. Veuillez présenter mes sentiments les plus sincères à madame Van de Velde. Votre très dévoué HdeKessler. Grünheide: Vgl. Anm. Briefkarte 63. votre portrait: Vgl. Anm. Brief 58.
230 Edition und Kommentar
65 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], [Poststempel: 12.7.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefumschlag
Poststempel: »Berlin 12 7 01« à Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Berlin. Köthenerstr 18. verso: Poststempel: »Bestellt vom Postamte 12/7.01 6 ½ – 7 ¼ N« Briefumschlag: Zu diesem Briefumschlag existiert kein zugehöriges Schreiben.
66 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, mercredi matin [14.7.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Briefkarte, Briefkopf gedruckt: BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
Mercredi matin, Merci, cher ami et bien volontiers. Maria et moi nous réjouissons de cette soirée. Avec H[irschwald]. nous piétinons sur place et il se pourrait bien que je me rende tantot à Hamburg p[our]. conférer avec Päechter [sic]. Il faut que j’arrive à une solution; je perds vraiment trop de forces. Affectueusement [Künstlermonogramm] Connaissez-vous l’adresse du C[om]te Harrach[?] Je voudrais reproduire sa coupe et obtenir une grande photographie. mercredi matin: Es handelt sich um Mittwoch, den 14. Juli 1901 (vgl. Brief 64). Hirschwald: Vgl. Briefe 68, 78, 80, 81, 89. Harrach: Van de Velde bezieht sich hier entweder auf Ferdinand Graf von Harrach (1832– 1915) oder auf dessen Sohn Hans Albrecht Graf von Harrach (1873–1963). Helene Gräfin von Harrach, Mutter von Hans und Ehefrau von Ferdinand Graf von Harrach, hatte 1899 auch Möbel bei van de Velde in Auftrag gegeben (vgl. Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, Juni 1899, DLA).
Briefe und Kommentare 231
67 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Grünheide], [Poststempel: 30.7.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefumschlag
Poststempel: »Grünheide 30.7.01 Mark« à Monsieur le Cte H[arry]. de Kessler Berlin. 28 Köthenerstr. verso: Poststempel: »Bestellt vom Postamt 30/ 7.01 7 ½- 8 ½ N« Briefumschlag: Zu diesem Briefumschlag existiert kein zugehöriges Schreiben.
68 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Grünheide, Samedi matin [3.8.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefkarte, Briefkopf gedruckt: BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
Samedi matin Grünheide/ Mark Bien cher ami, La marche m’est devenue tout à fait impossible! Je ne peux malgré mon vif désir ni venir à Berlin ni aller à Wannsee, demain. Je vais être condamné à l’immobilité pendant quelques 4 ou 5 jours, certainement. Je m’excuserai, par lettre, près de Mde Richter, autant que je m’excuse près de vous. Cette partie ne peut être que remise si vous–même songez à vous rétablir vite. Comment vous sentez-vous et avez-vous, au moins, choisi les mains les plus habiles pour une prompte mise en ordre de tout cela? Bien affectueusement H[enry].v[an].d[e].V[elde]. Samedi matin: Der Brief datiert vermutlich vom 3. August 1901. marche: Van de Veldes körperliche Reaktionen auf physische und psychische Überlastung waren extrem. Sie konnten sich in Form von Nervenzusammenbrüchen, Lähmungserscheinungen, Furunkelbildung, Migräne, Ermattung oder Depressionen äußern. Er selbst sprach von einem nervlichen (neurasthenischen) Leiden, das ihn wiederkehrend in besonders anstrengenden Zeiten befiel und ihn psychisch sehr belastete. Bereits ein Jahr zuvor, im August 1900, hatte van de Velde einen Nervenzusammenbruch erlitten (vgl. Anm. Brief 41). Der
232 Edition und Kommentar Grund zu diesem neuerlichen Leiden lag in der seit Mai 1901 schwelenden Auseinandersetzung mit Hermann Hirschwald (vgl. Anm. Brief 78). Wannsee ... Richter: Cornelie Richter besaß am Kleinen Wannsee ein Landhaus, in das sie oft Freunde einlud (vgl. Anm. Brief 34). rétablir: Kessler plagten Beschwerden an der Leber. Mutter und Schwester rieten ihm wiederholt zu einer Kur in Karlsbad (Wilma Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 11./22./29.7.1901, DLA; Alice Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 19.7.1901, DLA).
69 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Grünheide], lundi matin [Poststempel: 5.8.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefkarte mit Umschlag, Briefkopf gedruckt: Firmensignet, BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
lundi matin Je suis vraiment touché, très cher ami du soin que vous avez pris de me faire parvenir ce remède, et je vous en suis bien profondément reconnaissant. Moi-même j’avais oublié de passer chez le pharmacien et en rentrant Samedi soir j’en étais vraiment désespéré d’autant plus que mon mal avait changé totalement d’aspect et est devenu aujourd’hui – je présume – un énorme abcès! J’ai pris aussitot de la levure et depuis lors le travail semble s’activer fort. Je suis étendu et incapable de marcher aussi ai-je fait mander le médecin. Rien dans votre lettre au sujet de votre état de santé! Peut être, avez-vous échappé aux douleurs qui nous guettaient vendredi; faites-nous le plaisir de nous dire que vous allez mieux! Avez-vous été à Wannsee, Dimanche? Avez-vous écrit à Madame FörsterNietzsche? Et qu’avez-vous décidé à ce sujet? Aller à Weimar la semaine prochaine me parait impossible puisque vous serez, je l’espère bien à Bayreuth, le 15 et jours suivants. Dans ce cas, arrangez le voyage de Weimar de facon [sic] à le combiner avec celui de Darmstadt. Mais veuillez vous entendre avec Madame F[örster]-N[ietzsche], et me prévenir, n’est-ce pas? Si Madame van de Velde peut se rendre en ville pour me remplacer en quelques petites occasions pressantes, Elle tâchera d’aller s’informer de votre santé chez vous. Encore bien bien merci et affectueusement Henry van de Velde.
Briefe und Kommentare 233 Umschlag: Der Umschlag zur zugehörigen Briefkarte trägt die Aufschrift »à Monsieur le Comte H. de Kessler Berlin/ W. Köthenerstr. 28« sowie zwei Poststempel »Grünheide 5.8.01 Mark« und »Bestellt vom Postamt 6/8.01. 7 ¼-8 ½ N«. état de santé: Vgl. Anm. Briefkarte 68. Madame Förster-Nietzsche: Therese Elisabeth Alexandra Förster-Nietzsche (1846–1935), Gründerin und Leiterin des Nietzsche-Archivs, Schriftstellerin. Elisabeth Förster-Nietzsche wuchs zusammen mit ihrem zwei Jahre älteren Bruder Friedrich Nietzsche in Naumburg auf. Ihre grenzenlose Bewunderung für den Bruder konnte umgekehrt von Friedrich Nietzsche nicht geteilt werden. Elisabeth Förster-Nietzsche heiratete 1885 den deutschnationalen, antisemitischen Lehrer Dr. Bernhard Förster und übersiedelte mit ihm ein Jahr später nach Paraguay, um dort die deutsche Kolonie ›Neu Germania‹ (›Nueva Germania‹) zu gründen. Nach dem Scheitern dieses Projekts und dem Freitod ihres Ehemannes 1889 kehrte sie im September 1893 endgültig nach Naumburg zurück, wo sie ihren Bruder in völliger Umnachtung vorfand. Sie begann sich ihrer Lebensaufgabe zu widmen: der Nachlassverwaltung und der Herausgabe der Schriften ihres Bruders. 1894 gründete sie das Nietzsche-Archiv in Naumburg und verlegte es 1896 nach Weimar. 1897 ließ sie ihren kranken Bruder nach Weimar bringen, wo sie ihn bis zu seinem Tod im August 1900 pflegte. Das 1897 erworbene Haus in der Luisenstraße 36 (heute Humboldtstraße) wurde fortan zur eigenen Wirkungsstätte und zum Treffpunkt der Nietzsche-Verehrer. Nach dem Tod ihres Bruders erteilte Elisabeth Förster-Nietzsche im April 1902 den Auftrag zur Umgestaltung der Beletage an Henry van de Velde (vgl. Anm. Brief 114). Sie war van de Velde im März 1901 erstmals in Berlin begegnet, kannte jedoch bereits seine buchkünstlerischen Entwürfe für die im Entstehen begriffene Prachtausgabe ›Also sprach Zarathustra‹ (Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 15.3.1901, in: Föhl 2013, S. 295f.). Die Bekanntschaft war selbstredend durch das Engagement von Kessler erfolgt, der seit Ende 1895 persönliche Kontakte zu Elisabeth Förster-Nietzsche unterhielt. Der gemeinsame Besuch von Kessler und van de Velde im Sommer 1901 in Weimar diente nicht nur zum Ausbau der neugeknüpften Verbindung, sondern darüber hinaus zur zaghaften Sondierung neuer Wirkungsfelder. Am 29. August 1901 hielt Kessler fest: »Frau Förster hat in diesen Tagen den Vorschlag gemacht, dass Van de Velde sich als Direktor der Kunstschule in Weimar anstellen lasse.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.8.1901). Wie der Briefwechsel eindrücklich belegt, war Elisabeth Förster-Nietzsche aus den Weimarer Unternehmungen Kesslers und van de Veldes nicht wegzudenken. Wenngleich ihre Rolle mitunter nicht klar besetzt war, wurde Elisabeth Förster-Nietzsche von Kessler und van de Velde sehr geschätzt. Der Briefwechsel von Kessler und Förster-Nietzsche wurde 2013 veröffentlicht (Föhl 2013). Aller à Weimar … Bayreuth … Darmstadt: Kessler und van de Velde kamen auf Einladung von Elisabeth Förster-Nietzsche Ende August 1901 nach Weimar, d. h. etwas später als ursprünglich geplant. Während Kessler noch in München weilte, reiste van de Velde am 25. August 1901 über Leipzig nach Röcken, um dort mit Elisabeth Förster-Nietzsche und einigen Nietzsche-Verehrern am Grab Nietzsches zusammenzutreffen. Am 26. August 1901 nahm er an der Gedächtnisfeier anlässlich des einjährigen Todestags des Philosophen im Nietzsche-Archiv teil. In einer Gesellschaft von 20 Anwesenden wurde aus dem ›Zarathustra‹ rezitiert, Brahms gespielt und eine unbekannte Komposition aus der Feder Nietzsches vorgestellt. Am Abend dinierte Elisabeth Förster-Nietzsche zusammen mit van de Velde und Hans Pogge im Archiv. Van de Velde logierte am gleichen Ort. Kessler traf am 27. August aus München kommend in Weimar ein und bezog ein Hotel. Zunächst besichtigte er mit van de Velde das Goethehaus, späterhin
234 Edition und Kommentar fuhren sie zusammen mit Elisabeth Förster-Nietzsche nach Tiefurt. Am Abend sprach man während eines Diners erstmals von einer möglichen Anstellung van de Veldes in Weimar. Der Tag darauf begann mit einer morgendlichen Lesung aus Nietzsches ›Umwertung aller Werte‹. Kessler und van de Velde besichtigten am Nachmittag den Naumburger Dom, und Elisabeth Förster-Nietzsche las abends aus Nietzsches letzten Briefen. Am 29. August fuhren sie zusammen zu Max Klinger nach Leipzig. Kessler und van de Velde reisten am 30. August aus Weimar ab. Sie legten einen Zwischenstopp in Eisenach ein und fuhren tags darauf nach Frankfurt weiter, um das Städelsche Kunstinstitut zu besichtigen. Am 31. August erreichten sie Darmstadt und besuchten auf der Mathildenhöhe die Ausstellung ›Ein Dokument deutscher Kunst‹ und die daraus entstandene Persiflage ›Das Überdokument‹. Am 2. September 1901 reiste Kessler weiter zu Richard Dehmel nach Heidelberg. Van de Velde begab sich wiederum nach Hagen, um die Innenausstattung des Folkwang-Museums zu begutachten (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 23.8.1901–2.9.1901; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27./28.8.1901, AML, FSX 784; Harry Graf Kessler an Wilma Gräfin Kessler, 29.8.1901, DLA; Henry van de Velde an Curt Herrmann, 25.8.1901, in: Bothe 1989, Brief 231, S. 570). Van de Velde hielt den Aufenthalt in Weimar in seinen Memoiren unter dem Titel ›Besuch bei Elisabeth Förster-Nietzsche‹ (›Visite chez Elisabeth Förster-Nietzsche‹) fest. Die Darstellung ist jedoch fehlerhaft, da van de Velde verschiedene Aufenthalte in Weimar aus dem Jahr 1901 ineinander verwebt (Velde 1962, S. 187 ff.; Velde 1995, S. 59 ff.; Velde 1999, S. 130 ff.).
70 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Grünheide, 10.8.1901 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefkarte mit Umschlag, Briefkopf gedruckt: Firmensignet, BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
Samedi 10 Aout [sic] 1901. Grünheide/ Mark. Je m’inquiète de vous, cher ami! Allez- vous mieux et partirez-vous p[our]. Bayreuth? – Je suis toujours couché et souffre énormément; j’attends ma délivrance pour dans deux ou 3 jours seulement; maintenant mon furoncle s’est ouvert! Avez-vous écrit à Mad[ame]. F[örster]-N[ietzsche].? Et qu’avez-vous décidé au sujet du voyage? Bien affectueusement, [Künstlermonogramm] Umschlag: Der Umschlag zur zugehörigen Briefkarte trägt die Aufschrift »à Monsieur le Comte H. de Kessler Berlin/ W Köthenerstr. 28.« sowie den Poststempel »Bestellt vom Postamte 10.8.01 7 ½-8 ½ N«. Bayreuth: Kessler reiste erst am 18. August 1901 nach Bayreuth (Tagebuch Harry Graf Kessler, 19.8.1901; vgl. Brief 71). écrit: Wie aus einem Brief von van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche hervorgeht, hatte
Briefe und Kommentare 235 Kessler bis zum 10. August 1901 noch nicht geantwortet (Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 10.8.1901, GSA 72/BW 5599,1).
71 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 10.8.1901 AML, FSX 504/19, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
10.VIII.1901. Cher ami, C’est bien plutôt à moi de m’inquiéter de vous. Je vous plains beaucoup, car, pour moi, la douleur m’est plus haïssable que la mort, c’est[-]à[-] dire que le danger. Mais avez-vous un médecin sérieux? et qui vous soigne bien? Puis-je faire quelquechose pour vous, ici à Berlin, des commissions, des courses? Je vous prie très sincèrement de m’en charger, ça me sera un plaisir de penser que je fais quelquechose pour vous. Quant à moi, je ne pense pas que j’irai à Bayreuth pour le Ring, peut-être le 19 et le 20, pour le Vaisseau Fantôme et Parsifal. Mad[ame]. Förster m’écrit et me fait les propositions suivantes: de nous rencontrer avec elle le 25 (anniversaire de la mort de son frère) à Röcken, où nous irons par Leipzig, de retourner de là avec elle à Weimar, et d’y assister, le 27, à une cérémonie absolument intime pour le bout de l’an de son frère dans l’Archiv. Elle vous prie, en outre, de vouloir bien accepter son hospitalité dans sa villa. Si ce plan vous convenait nous irions de là à Darmstadt et nous reviendrions alors à Berlin vers le 30 ou le 31. Qu’en pensez[-]vous? Et que dois-je répondre? Veuillez présenter tous mes respects à madame Van de Velde, que je remercie bien de l’aimable pensée qu’elle a, de venir me voir. Je n’ose pas vous déranger, sans cela, il y a longtemps que je serais venu prendre de vos nouvelles à Grünheide. Votre très dévoué HdeKessler. Mad[ame]. Förster m’écrit: Der Brief von Elisabeth Förster-Nietzsche an Kessler datiert vom 9. August 1901 (Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 9.8.1901, in: Föhl 2013, S. 305f.). propositions: Tatsächlich änderte sich der Ablauf minimal (vgl. Anm. Briefkarte 69; Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 9.8.1901, in: Föhl 2013, S. 305f.).
236 Edition und Kommentar cérémonie: Die Gedächtnisfeier zum einjährigen Todestag von Friedrich Nietzsche fand schließlich am 26. August 1901 in Anwesenheit von van de Velde und in Abwesenheit von Kessler statt (vgl. Anm. Briefkarte 69).
72 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Grünheide], [11.8.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefkarte mit Umschlag [12.8.1901], Briefkopf gedruckt: BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
Grünheide, Dimanche Nos projets de voyage comme vous me les détaillez me plaisent beaucoup et je vous prie, cher ami, de dire à Madame F[örster]. N[ietzsche]. que je m’y conforme volontiers. Je passe la journée d’aujourd’hui au balcon mais étendu et souffrant toujours. Oui, les souffrances là sont ignobles précisément parce qu’elles sont sans danger. J’espère bien pouvoir venir à Berlin Mardi dans ce cas, je v[ou]s préviendrai p[our] vous demander à déjeuner. Bien affectueusement Henry v[an].d[e].V[elde]. [Künstlermonogramm] [11.8.1901]: Es handelt sich um die Antwortkarte auf Kesslers Brief vom 10. August 1901 (vgl. Brief 71). Umschlag: Der Umschlag zur zugehörigen Briefkarte trägt die Aufschrift »à Monsieur le Cte H. de Kessler Berlin/ W. Köthenerstr. 28.« sowie die Poststempel »Grünheide 12.8.01 Mark« und »Bestellt vom Postamte 12.8.01 7 ½-8 ½ N«.
73 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 9.9.1901 AML, FSX 504/20, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
9. septembre 1901. Cher ami Êtes-vous de retour? Vous avez bien fait de ne pas venir à Heidelberg. Le
Briefe und Kommentare 237
château n’en vaut pas la peine. Par contre, j’ai vu à Karlsruhe quelquechose d’absolument hors ligne, la crucifixion de Grünewald. C’est bien une des choses les plus immenses que j’ai jamais vues. Quand vous viendrez à Berlin, veuillez donc me le faire savoir. J’ai à vous entretenir, de la part de Dehmel; il désire que vous vous occupiez de son installation. J’ai les plans de sa maison chez moi; avec les renseignements nécessaires. – J’espère que vous avez retrouvé madame Van de Velde en bonne santé. Viele Grüsse votre très dévoué HdeKessler. J’ai écrit à Werthern, vendredi, ainsi qu’à Bodenhausen[.] Heidelberg: Kessler weilte vom 2. bis zum 5. September 1901 in Heidelberg (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.–5.9.1901). Karlsruhe: Kessler hielt sich am 3. September 1901 allein sowie am 5. September 1901 zusammen mit Richard und Ida Dehmel in Karlsruhe auf (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 3./5.9.1901). crucifixion de Grünewald: Matthias Grünewald (Mathis Gothart Nithart, 1475/80–1528), Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes (Kreuzigung Christi), Vorderseite des Tauberbischofsheimer Altars, um 1523/24 (Mischtechnik auf Tannenholz, 195,5 x 142,5 cm, Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe, Inv.Nr. 994). Am 3. September 1901 hielt Kessler im Tagebuch fest: »Grünewalds Kreuzigung ist die vollkommenste Verwirklichung der dem heroischen vorfranziskanischen Kruzifix entgegengesetzten Vorstellung.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.9.1901). Richard Fedor Leopold Dehmel (1863–1920), Jurist, Lyriker, Dramatiker. Richard Dehmel war Mitbegründer und Mitglied des Aufsichtsrats als auch des Redaktionskomitees des ›Pan‹. Dehmel war seit 1895 mit Harry Graf Kessler bekannt. Arbeiten von Henry van de Velde hatte er erstmals 1897 auf der Dresdner ›Internationalen Kunst-Ausstellung‹ gesehen. installation: Am 22. Oktober 1901 heirateten Richard Dehmel und Ida Auerbach (geb. Coblenz) in London. Kurz vor ihrer Abreise besuchte sie Harry Graf Kessler in Heidelberg. Vermutlich empfahl Kessler dem Paar, die neu zu beziehende Hamburger Wohnung in der Parkstraße 22 von van de Velde ausstatten zu lassen. Wenngleich Richard Dehmel auf den Vorschlag einging und konkrete Pläne knüpfte, kam der Auftrag nicht zustande. Am 4. November 1901 gab er Kessler zu verstehen: »Wegen van de Velde ist es nicht mehr nötig; die Umstände waren hier so, daß wir unsre künftigen Möbel, um einstweilen fertige zu bekommen, einem Hamburger, übrigens sehr tüchtigen Fabrikanten in Auftrag geben mußten.« (Richard Dehmel an Harry Graf Kessler, 4.11.1901, in: Kamzelak 2004, S. 130 f.). Wie aus dem Antwortbrief Kesslers hervorgeht, waren wohl auch finanzielle Aspekte ausschlaggebend: »Ob VandeVelde für 7000 M. die Einrichtung schaffen könnte, hieng nämlich davon ab, ob es, wie er wollte und jetzt auch seit drei Tagen durchgesetzt hat, seinen Kontrakt mit Hirschwald würde lösen können. Er hatte sich zwar auch ohnedem bereit erklärt; ich glaubte aber nicht, daß es mit Hirschwalds Dazwischenkunft wirklich bei 7000 geblieben wäre, und habe deshalb lieber warten wollen, bis die Lösungsverhandlungen Erfolg gehabt hatten. Dieser sollte immer in den
238 Edition und Kommentar allernächsten Tagen eintreten; und so hat sich denn die Sache zwei Monate lang hingezogen. Jetzt könnte Van de Velde; nun sind aber Sie wieder nicht mehr bereit. Ich bedaure das für beide Teile und namentlich für Frau Isi sehr.« (Harry Graf Kessler an Richard Dehmel, 9.11.1901, Dehmel Archiv Hamburg, in: Kamzelak 2004, S. 131 f.). Ida und Richard Dehmel bezogen in Hamburg eine Mietwohnung in der Parkstraße 22 (heute: Am Kiekeberg) und ließen sich 1911 in unmittelbarer Nähe ein Haus von Walther Baedeker bauen. Das von wohlhabenden Freunden finanzierte Haus wurde mit Möbeln von Peter Behrens, Tapeten von Emil Orlik und Beleuchtungskörpern von Henry van de Velde ausgestattet. J’ai écrit à Werthern, vendredi, ainsi qu’à Bodenhausen: Der Gedanke, van de Velde nach Weimar zu holen, wurde bereits im August 1901 ausgesprochen (vgl. Anm. Briefkarte 69). Spätestens im September 1901 nahm er konkrete Gestalt an. Hans 3. Graf und Herr von Werthern-Beichlingen war ein guter Freund von Harry Graf Kessler und außerdem der Schwager von Oberhofmarschall Aimé Charles von Palézieux-Falconnet. Mit Unterstützung von Eberhard von Bodenhausen, der wiederum Wertherns Gattin Melanie Gräfin von Werthern-Beichlingen (geb. Gräfin Hue de Grais) gut kannte, gelang es unter Mithilfe von Harry Graf Kessler und Elisabeth Förster-Nietzsche ein Netzwerk von Personen zu etablieren und aktivieren, das für die Anstellung van de Veldes in Weimar zweifelsohne begünstigend wirkte. Die hier erwähnten Briefe Kesslers an Hans von Werthern-Beichlingen und Eberhard von Bodenhausen datieren vom Freitag, den 6. September 1901. In dem Brief an Bodenhausen heißt es: »Ich bin heute von einer längeren Tour durch Deutschland zurückgekehrt, auf der ich eine Zeit lang mit Van de Velde gereist bin. Von diesem handelt sich auch eigentlich dieser Brief. In Weimar hörten wir nämlich, daß dort die Stelle des Kunstschul Direktors augenblicklich nicht besetzt ist und daß, nachdem verschiedene Maler, u. A. Kalckreuth, sie abgelehnt haben, man jetzt einen Künstler berufen will, der mehr das Kunstgewerbe und die Industrie des Landes heben könnte. Van de Velde wäre nun geneigt, diese Stelle anzunehmen, wenn man sie ihm anböte, und Du sollst dazu behülflich sein, indem Du an die Gräfin Werthern schreibst, die wieder auf ihre Schwägerin Palézieux (geb. Gräfin Werthern) wirken soll. Also ein richtiges Intriguenspiel.« (Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, 6.9.1901, in: Simon 1978, Brief 119, S. 61 f.). Hans Graf von Werthern-Beichlingen antwortete Kessler wiederum am 19. September 1901: »Ich habe Ihren Brief meinem Schwager geschickt und dieser hat ihn dem Großherzog und dem Minister Rothe vorgetragen, letzterer ist beauftragt, sich weiter mit der Frage zu beschäftigen. Ich habe auch vorgeschlagen, daß man Ihnen ermöglichen möge, Ihre Gedanken dem Großherzog persönlich vorzutragen; darauf ist bis jetzt noch nichts erfolgt.« (Hans Graf von Werthern-Beichlingen an Harry Graf Kessler, 19.9.1901, DLA, in: Wahl 2007, Dok. 4, S. 63). Auch Ottobald Freiherr von Werthern-Beichlingen, der jüngere Bruder von Hans, fungierte als Vermittler. Er war mit Kessler seit der Studienzeit befreundet, hatte als Gymnasiast ein Jahr im Hause der Familie Nietzsche in Naumburg verlebt und verfügte über ebenso einflussreiche Kontakte zum Weimarer Hof. Im November 1901 ging er an die Deutsche Botschaft in London. Hans 3. Graf und Herr von Werthern-Beichlingen (1864–1918), Regierungsassessor und Fideikommißherr auf Beichlingen.
74 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Grünheide, Mardi [10.9.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefkarte, Briefkopf gedruckt: BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
Briefe und Kommentare 239
Mardi, Grünheide Je n’ai pu rentrer que hier soir de Westphalie, cher ami! Je me propose d’aller répondre demain Mercredi à 1 heure, chez vous, à vos questions. Cela vous convient-il? J’ai recu [sic] une lettre de Madame Förster-Nietzsche que [je] vous apporterai. Bien cordialement, [Künstlermonogramm] Mardi [10.9.1901]: Dem Inhalt zufolge datiert die Briefkarte vom 10. September 1901. Westphalie: Henry van de Velde arbeitete seit Ende 1900 für Karl Ernst Osthaus an der Innengestaltung des Folkwang-Museums in Hagen/ Westfalen. Am 2. September 1901 reiste er im Anschluss an den Ausstellungsbesuch der Darmstädter Mathildenhöhe nach Hagen (vgl. Briefkarte 69). lettre: Dieser Brief von Elisabeth Förster-Nietzsche an Henry van de Velde ist offenbar nicht erhalten. Aus dem Jahr 1901 sind lediglich drei Briefe von Elisabeth Förster-Nietzsche an Henry van de Velde überliefert. Sie datieren vom 11. Juli, vom 25. Juli und vom 15. November 1901 (vgl. Elisabeth Förster-Nietzsche an Henry van de Velde, 11./25.7.1901, 15.11.1901, AML, FSX 403).
75 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Grünheide, 13.9.1901 [Poststempel: 14.9.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Postkarte
Grünheide, Vendredi. Sept[embre] 1901 En hâte, cher ami Je suis appelé demain Samedi à Berlin! Je me propose d’aller vous demander à déjeuner mais si pourtant ceci vous gêne vous me le direz ou ferez dire au moment où je me présenterai chez vous [à] Midi et ½. Affectueusement Henry v[an]. d[e]. Velde. Postkarte: Die Postkarte ist adressiert an »Monsieur le C[om]te H[arry]. de Kessler Berlin/ W Köthenerstr 28.« und gestempelt mit »Grünheide [unleserlich] Mark« und »Bestellt vom Postamte 14/9.01«. déjeuner: Kesslers Tagebuch gibt keine Auskunft darüber, ob es am 14. September 1901 zu einem Treffen zwischen van de Velde und Kessler in Berlin kam. Kessler besuchte van de Velde dagegen am 20. September 1901 in Grünheide (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.9.1901).
240 Edition und Kommentar
76 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Briefkopf: Dresden], undatiert [26.9.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief, Briefkopf (gedruckt): HÔTEL BELLEVUE, DRESDEN-A. DIREKTOR R. RONNEFELD.
Jeudi 5 h Je viens d’arriver à l’Hotel [sic], cher ami, et me suis renseigné aussitot [sic] de ce que l’on joue demain au théatre [sic]. C’est si vague que je ne sais même plus, à présent – et pourtant il n’y a que quelques minutes que j’aie lu le titre. Je serai probablement à l’Hotel [sic] au moment de votre arrivée demain; sinon je laisserai là les indications nécessaires afin que nous puissions – si vous le desirez [sic] – nous retrouver aussitot [sic] ensemble. Bien affectueusement Henry van de Velde. undatiert [26.9.1901]: Der Brief datiert vom Donnerstag, den 26. September 1901. l’Hotel: Van de Velde reiste bereits am Donnerstag, den 26. September 1901, anlässlich der Kunsterziehungstage in Dresden an und stieg wie Kessler, der am Tag darauf eintraf, im Hotel Bellevue ab (vgl. Visitenkarte 77).
77 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, undatiert [28.9.1901] AML, FSX 504-2/56, Visitenkarte, gedruckt: Henry van de Velde Nürnbergerstr. 36
au H[arry]. Graf Kessler. Cher ami, Excusez-moi de ne pouvoir vous attendre [et] attendre M[onsieur]. de Nostitz. Excusez-moi près de ceux qui seront autours de vous, ce soir. J’ai été au lit cette après-midi et ne me sens pas assez résistant p[our]. rester tard, ce soir. À demain et bien affectueusement Henry v[an]. d[e]. V[elde]. undatiert [28.9.1901]: Kessler und van de Velde hielten sich anlässlich des Kunsterziehungstags (28. und 29. September 1901) zeitgleich in Dresden auf (vgl. Brief 76). Während van de Velde wegen Unwohlseins das Bett hütete, reiste Kessler am Nachmittag des 28. September ins 55 km
Briefe und Kommentare 241 entfernte Kamenz zu Alfred von Nostitz, um mit ihm am Abend nach Dresden zurückzukehren. Am Tag darauf trafen sich Kessler, von Nostitz und van de Velde auf einen gemeinsamen Ausstellungsbesuch (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 28./29.9.1901). Visitenkarte: Die Visitenkarte wurde anhand der in Brüssel verwahrten Kopie erfasst.
78 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 2.10.1901 AML, FSX 504/21, Brief
Cher ami Voudriez vous et madame Van de Velde me faire le grand plaisir de venir dîner chez moi demain, jeudi, à 7 ½ du soir? Il n’y aura que Bodenhausen. – Je vous envoie les épreuves de chez Drugulin. Il faudra maintenant s’occuper du format de la page. – J’espère que vous aboutissez avec Hirschwald. Votre dévoué HdeKessler ce 2 octobre 1901. Drugulin: Gemeint ist die Offizin Wilhelm Drugulin in Leipzig und deren Inhaber Egbert Johannes Baensch-Drugulin. Am 6. Oktober 1901 hielt Kessler hierzu im Tagebuch fest: »Den ganzen Tag bei Van de Veldes. Mit ihm Format, Druckspiegel u.s.w. des Zarathustra festgesetzt. Wir arbeiten so dass ich angab, welche Linien und Maasse zu einander in ein ›Schönheits‹ Verhältnis gesetzt werden sollten und dass er dann mit Hülfe des Goldenen Schnitt Zirkels das Verhältnis ausrechnete.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.10.1901). Im Januar 1900 war die neue Schrifttype des ›Zarathustra‹ in der Offizin Wilhelm Drugulin als Stempel geschnitten und im Frühjahr 1901 gegossen worden (vgl. Anm. Briefe 13, 30). aboutissez avec Hirschwald: Die Querelen mit Hermann Hirschwald schwelten seit Anfang 1901 und wurden im Mai 1901 virulent. Als Inhaber des ›Hohenzollern Kunstgewerbehauses‹ hatte Hirschwald sein Versprechen gegenüber van de Velde nicht einhalten können, ausreichend qualifizierte Werkstätten und Handwerker für die Ausführung der Entwürfe zur Verfügung zu stellen. Vormals exklusiv gefertigte Produkte wurden nunmehr preisgünstig und qualitativ minderwertiger hergestellt. Van de Velde bewegte sich fortan in einem Dilemma zwischen den Ansprüchen der Auftraggeber und dem gewinnorientierten Unternehmen Hirschwalds. Die Situation eskalierte spätestens im Mai 1901 durch das beherzte Auftreten von Karl Ernst Osthaus. Dieser hatte im Jahr zuvor einen umfangreichen Auftrag ausgelöst. Die Inneneinrichtung des Folkwang-Museums in Hagen sollte von van de Velde entworfen werden. Just an den unzureichend ausgeführten Türen des Kellergeschosses entfachte sich der Streit und trieb die Beziehungen auf die Spitze. Osthaus reiste nach Berlin und drängte auf Klärung. Van de Velde bezog Position zu seinem Auftraggeber. Hirschwald untersagte daraufhin van de Velde Anfang Juni 1901 jegliche weitere Betreuung dieses lukrativen Auftrages und beschränkte
242 Edition und Kommentar seinen Mitarbeiterstab auf einen Zeichner und einen Bildhauer. Der verzweifelte Belgier bat seinen Freund Hermann Paechter um Hilfe. Unter der Bedingung, 20% des Künstlerhonorars an Hirschwald zu zahlen, bewirkte Paechter Anfang Juli 1901 die weitere Ausführung des Auftrags durch van de Velde. Geplagt von den langwierigen Verhandlungen und den damit einhergehenden Schikanen erlitt van de Velde im Sommer 1901 eine schwere seelische Krise. Von körperlichen Leiden gezeichnet reiste er mit seiner Familie nach Grünheide und verbrachte dort den ganzen Sommer. Die Gespräche mit Hirschwald wurden im Herbst wieder aufgenommen und in zähen Unterredungen zu Ende geführt. Wieder war es Paechter, der die Geschicke in die Hand nahm und die Vertragsauflösung am 5. November 1901 bewirkte. Wenngleich van de Velde damit vom »Joch Hirschwalds« (Velde 1962, S. 187) befreit war, blieb ein heikler Vertragspunkt bestehen. Hirschwald behielt für weitere vier bzw. fünf Jahre das Copyright an all jenen Entwürfen, die van de Velde bis 1901 gefertigt hatte (vgl. weiterführend Föhl 1992, S. 169–229; Föhl 2010, S. 37).
79 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 7.10.1901 AML, FSX 504/22, Brief
Cher ami Je m’aperçois qu’il y a une erreur dans les marges; pas très importante, mais dont je voudrais vous entretenir, avant d’écrire à Drugulin. Puis-je venir chez vous à quatre heures aujourd[’]hui? ou à quelle heure entre 4 et 6. Je dois être chez moi à sept heures. Votre dévoué HdeKessler ce 7. oct[obre]. 1901. Berlin: Kessler befand sich zum Zeitpunkt der Abfassung des Briefes in Berlin (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 7.10.1901).
80 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], Vendredi Soir [11.10.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefkarte, Briefkopf gedruckt: BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
Vendredi Soir, 11.X.1901 [von anderer Hand] Cher ami Je n’ai rien pu vous annoncer au sujet de l’etat [sic] des negociations [sic] avec H[irschwald]. parce qu’il se dérobe tout le temps.
Briefe und Kommentare 243
En fin de comptes, Päechter [sic] et moi n[ou]s lui avons fixé comme dernier délai lundi prochain à midi. Je prévois qu’il trouvera encore quelque échappatoire – mais, dans ce cas, je me refuserai à toute nouvelle discussion et attendrai des inéluctables événements ma délivrance! Bien affectueusement Votre Henry v[an]. d[e]. V[elde], [Künstlermonogramm] Avez-vous des nouvelles de Drugulin et travaillons-nous dimanche? [11.10.1901]: Das Datum wurde von anderer Hand hinzugefügt, stimmt aber mit der Tagesangabe »Freitag« überein. négociations avec H.[irschwald]: Die vertragliche Bindung an Hirschwald konnte schließlich erst am 5. November 1901 gelöst werden (vgl. Anm. Brief 78, Telegramm 81, 89). dimanche: Kessler und van de Velde besichtigten an diesem Tag das Völkerkundemuseum (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 13.10.1901).
81 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, [16.10.1901] AML, FSX 504/50, Visitenkarte, gedruckt: Henry van de Velde Nürnbergerstr. 36.
Cher ami, nous sommes également invités ce soir, à dîner. Puis-je vous rencontrer demain? Fixez vous-même l’heure, un mot demain matin me renseignera. Nous serions très heureux si vous vouliez venir chez nous demain soir à 7 ½ heures. J’ai des propositions formelles de H[irschwald]. auxquelles je devrai bien répondre aussi avant mon départ. Affectueusement Henry. 16.X.1901 [von anderer Hand] J’ai des propositions formelles de H[irschwald].: Anfang Oktober 1901 erwirkte Hermann Paechter in Zusammenarbeit mit dem Rechtsanwalt Bernhard Saenger eine Neuregelung des Vertrags zwischen Hirschwald und van de Velde. Die Verhandlungen waren zu diesem Zeitpunkt jedoch keinesfalls abgeschlossen, und es musste noch immer um eine akzeptable Lösung gerungen werden (vgl. Briefe von Maria van de Velde an Henry van de Velde, 22.10.1901; 27./28.10.1901, AML, FSX 786; vgl. Anm. Briefe 78, 80, Telegramm 89). départ: Henry van de Velde reiste nach Hagen, um dort die Arbeiten für das Folkwang-Museum zu betreuen (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 22.10.1901, AML, FSX 786).
244 Edition und Kommentar
82 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, [Berlin], 22.10.1901 AML, FSX 504/23, Brief
Chère madame On me demande de montrer à Weimar des œuvres de Henry. J’emporte donc quatre ou cinq luminaires que le Hohenzollern Bazar me prête (sans que j’aie spécifié le but, qu’il vaut mieux laisser ignorer); mais je voudrais aussi beaucoup montrer la poignée de porte que j’ai tant admirée chez vous, l’autre jour. Est-elle disponible et me permettriez-vous de la faire prendre? Je pars vendredi soir; j’enverrais donc demain ou après-demain, si vous m’en donniez la permission. Naturellement, il est très important qu’on ne parle pas de cette entrevue, qui ne sera du reste malheureusement que préparatoire, le grand-duc et mons[ieur[. de Palézieux étant à la Haye; je ne verrai donc vraisemblablement que le ministre. Agréez, chère madame, l’expression de mes sentiments dévoués. HdeKessler. ce 22. oct[obre]. 1901 à Weimar des œuvres de Henry: Während van de Velde in Hagen die Arbeiten am FolkwangMuseum betreute, bereitete Kessler akribisch die Reise nach Weimar vor. Sein Ziel bestand darin, einige Arbeiten van de Veldes in Weimar vorzustellen, um den Großherzog Wilhelm Ernst und die Weimarer Hofgesellschaft für van de Veldes Anstellung zu gewinnen. Hohenzollern Bazar: Gemeint ist Hermann Hirschwalds ›Hohenzollern Kunstgewerbehaus‹ in der Leipziger Straße 13 in Berlin. quatre ou cinq luminaires … la poignée de porte: Es ist nicht überliefert, um welche Beleuchtungskörper und um welchen Türgriff es sich hierbei handelte. Kessler beabsichtigte, die Metallarbeiten vom ›Hohenzollern Kunstgewerbehaus‹ zu entleihen, das für den Vertrieb derartiger Waren zuständig war. Den Türgriff wollte er am darauf folgenden Tag bei Maria van de Velde abholen (vgl. Maria van de Velde an Henry van de Velde, 22.10.1901, AML, FSX 786). Walter Elkan, der ein ›Atelier für kunstgewerbliche Arbeiten‹ in Berlin besaß, führte von 1901 bis 1903 Metallarbeiten für van de Velde aus, so vermutlich auch diesen Türgriff. Je pars vendredi soir: Tatsächlich reiste Kessler erst am Samstag, den 26. Oktober 1901, nach Weimar (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 26.10.1901). grand-duc: Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach (1876–1923, vollständig: Wilhelm Ernst Carl Alexander Friedrich Heinrich Bernhard Albert Georg Herrmann regierender Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, Landgraf zu Thüringen, Markgraf zu Meißen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Herr zu Blankenhain, Neustadt und Tautenburg
Briefe und Kommentare 245 und Königlich Preußischer Oberst à la suite des 1. Garde-Regiments zu Fuß, Chef des 5. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 94 [Großherzog von Sachsen], Königlich Sächsischer Oberst à la suite des Kaiserlich Russischen Dragoner-Regiments Nr. 10). Wilhelm Ernst durchschritt von 1895 bis 1898 eine klassische preußische Militärausbildung und absolvierte einige Semester in den Fächern Staatswissenschaften und Jura in Bonn und Jena. Nach dem Tod seines Großvaters Großherzog Carl Alexander wurde er am 5. Januar 1901 mit nur 24 Jahren inthronisiert. Am 30. April 1903 heiratete er Caroline Prinzessin Reuß ä.L., die jedoch schon Anfang 1905 verstarb. In zweiter Ehe heiratete er 1910 Feodora Prinzessin von SachsenMeiningen. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor. Mit dem Verzicht auf den Thron siedelte Wilhelm Ernst 1918 mit seiner Familie ins schlesische Heinrichau über (vgl. weiterführend Post/ Werner 2006). Großherzog Wilhelm Ernst wurde 1902 der Dienstherr van de Veldes und blieb es bis 1915. Die anfänglich wohlwollende Unterstützung schwand schnell und schlug mit dem Tod von Prinzessin Caroline weitestgehend in Desinteresse um. Den modernistischen Aktivitäten Kesslers und van de Veldes stand Wilhelm Ernst sehr kritisch gegenüber. Aimé Charles Vincent von Palézieux genannt Falconnet (1843–1907). Der gebürtige Schweizer Palézieux trat nach seiner Ausbildung im Frankfurter Bankhaus Schmidt-Polex und einem begonnenen Chemiestudium in die preußische Armee ein und legte dort eine mustergültige Karriere ab. Auf Empfehlung von Kaiserin Augusta, der Schwester Carl Alexanders, wurde Palézieux 1870 zum Flügeladjutant und 1897 zum Generaladjutant desselben berufen. Er avancierte gleichzeitig zum engsten Vertrauten der Weimarer großherzoglichen Familie. 1896 ehelichte er Elisabeth (geb. Freiin von Werthern-Beichlingen), die Schwester von Hans und Ottobald von Werthern-Beichlingen. Mit der Inthronisierung von Großherzog Wilhelm Ernst wurde Palézieux zum Oberhofmarschall ernannt. Er gründete 1880 die ›Permanente Kunstausstellung‹ am Weimarer Karlsplatz (heute Goetheplatz), aus der 1903 unter ehrenamtlicher Leitung von Harry Graf Kessler das Museum für Kunst und Kunstgewerbe hervorging. Im Zuge des Rodin-Skandals 1906 kam es zu heftigen Debatten, die in einem unausgetragenen Duell zwischen Kessler und Palézieux gipfelten. Der plötzliche Tod von Palézieux am 10. Februar 1907 gab viele Rätsel auf. Während sich hartnäckig das Gerücht hielt, Palézieux habe sich vergiftet, war er offiziellen Angaben zufolge an Influenza gestorben (vgl. Anm. Brief 269; vgl. weiterführend Post/ Werner 2006, S. 45–47; Zeitung Deutschland, 11.2.1907). étant à la Haye: Großherzog Wilhelm Ernst und Oberhofmarschall Aimé Charles von Palézieux befanden sich Ende Oktober 1901 auf dem niederländischen Besitztum, dem Palais Buitenrust in Den Haag. Kessler reiste am 26. Oktober 1901 nach Weimar. Er frühstückte zunächst allein mit Elisabeth Förster-Nietzsche. In der darauf folgenden Unterredung unterbreitete er Staatsminister Rothe seine Vorstellungen bezüglich van de Veldes Anstellung in Weimar. Am Abend präsentierte Kessler in Gegenwart von Elisabeth Förster-Nietzsche, Ottobald Graf von Werthern-Beichlingen, Elisabeth von Palézieux und den Freifrauen Annemarie und Margarete von Thüna van de Veldes Beleuchtungskörper (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 26.10.1901). Erst am 5. November 1901 gelang es Kessler, dem Großherzog persönlich die mitgebrachten Lampen zu zeigen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.11.1901). ministre: Staatsminister Dr. Karl Friedrich Otto Rothe (1848–1921). Dr. Karl Rothe wurde 1899 Staatsminister und Nachfolger von Rudolph Gabriel Freiherr von Gross. Er war Leiter des Departments für Finanzen, für Innere und Äußere Angelegenheiten, Leiter des Kultus und Vorsteher des Kirchenrates. Er blieb bis zum Ausbruch der Novemberrevolution 1918 Staatsminister im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. Rothe setzte sich maßgeblich für van de Veldes Berufung nach Weimar ein und war bis 1906 auch Kesslers Aktivitäten wohlwollend
246 Edition und Kommentar zugetan. Rothe und seine Frau Luise (vgl. Brief 105) gehörten zum ›inner circle‹ der Weimarer Gesellschaft. Kessler traf Minister Rothe am 26. und 27. Oktober 1901 in Weimar (Tagebuch Harry Graf Kessler, 26./27.10.1901; vgl. Anm. Brief 86).
83 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, [Berlin], 23.10.1901 AML, FSX 504/24, Rohrpostkarte
Chère madame, J’ai quelques renseignements à demander à Henry que j’ai oubliés l’autre jour. Voudriez-vous avoir la bonté de m’écrire son adresse? En outre, je voudrais emporter quelques dessins d’architecture. J’ai pensé aux petits magasins de Westende et à cette maison de Westende que nous étions d’accord à trouver la meilleure, celle avec le tuyau de cheminée sur vue des façades. Je voudrais aussi les plans intérieurs. J’enverrai mon domestique demain matin, si vous permettez. Agréez, chère madame, l’expression de mes sentiments très dévoués HdeKessler. 23.X.1901 Rohrpostkarte: Die Rohrpostkarte ist adressiert an »Frau Henry Van de Velde Nürnbergerstrasse 36 Hier.« und gestempelt mit »Berlin W. 23.X.01 P9 (R6)«. dessins d’architecture: Kessler bezieht sich hier auf Architekturzeichnungen, die van de Velde im Frühjahr 1900 im Auftrag des vermögenden Unternehmers Paul Otlet angefertigt hatte. Nach derzeitigem Wissensstand gelten die Entwürfe als verschollen. Wie aus der Korrespondenz zwischen van de Veldes Sekretärin A. Tordeur und Paul Otlet zu entnehmen ist, plante van de Velde den Bau einer Villa im Rahmen der Baumaßnahmen der Société anonyme ›La Westendaise‹, die Westende seit 1897 erschloss und zu einem mondänen Badeort verwandelte (vgl. Korrespondenz A. Tordeur an Paul Otlet, Mundaneum, doos 9: Westende 1899–1911). Van de Velde wurde von Otlet in das groß angelegte Bauprojekt einbezogen, indem er mit dem Entwurf von zwei Geschäftslokalen, zwei Villen und einer Kapelle betraut wurde. Unklar bleibt, welche Gebäude tatsächlich ausgeführt wurden. Erhalten geblieben ist die Einrichtung eines Esszimmers von 1898/99, bestehend aus zwei Einbaubüffets, der Kaminverkleidung und Holzvertäfelung (heute zu besichtigen in der Villa ›Les Zéphyrs‹ in Middelkerke). Westende: An der belgischen Küste gelegener Badeort in der Provinz West-Flandern, heute zur Gemeinde Middelkerke gehörend.
84 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 24.10.1901 AML, FSX 504/25, Brief
Briefe und Kommentare 247
Berlin. 24. oct[obre]. 1901 Cher ami Une question que j’ai oublié [sic] de vous poser et à laquelle je vous prie de répondre. Si vous alliez à Weimar, vous voudriez, je crois, organiser des ateliers. Je suppose donc qu’il vous faudrait des contremaîtres, et des contremaîtres capables d’instruire les élèves dans le côté technique du métier. Veuillez me faire savoir 1° quels métiers vous semblent indispensables et lesquels vous désireriez en outre faire enseigner? 2° quel serait approximativement le prix de chaque contremaître à l’année? Comme métiers j’ai pensé à ceux[-]ci comme indispensables: 1. menuisier ébéniste. 2. sculpteur en bois. 3. ciseleur en métaux. 4. potier; comme très désirables: 5. bijoutier 6. imprimeur. Je m’imagine qu’on aurait de bons contremaîtres pour environ 2000 marks par an. Qu’en pensez[-]vous? Veuillez me répondre chez madame Förster, Nietzsche Archiv, Weimar. Il serait très important que j’aie la réponse samedi, comme c’est ce jour[-]là que je dois voir le ministre. J’emporte quatre ou cinq luminaires à Weimar avec moi. C’est le Hohenzollern qui les fournit, sans que je lui aie indiqué le but, comme vous pensez bien. J’ai vu madame Van de Velde hier soir, pour la tranquilliser autant que possible, au sujet de quelques »corrections« que Hirschwald avait apportées au contrat de rupture. Affectueusement HdeKessler organiser des ateliers: Im März 1901 äußerte Elisabeth Förster-Nietzsche gegenüber Kessler erstmals die Idee, eine Schule mit Werkstätten zur Hebung des Thüringer Kunstgewerbes zu gründen (Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 22.3.1901, in: Föhl 2013, S. 297f.). Der Gedanke, van de Velde nach Weimar zu berufen, nahm im August 1901 Gestalt an. Damals war der Direktorenposten an der Kunstschule frei. Van de Velde sah vor, die Schule in ein Laboratorium seines Stils (»un laboratoire pour mon style«) umzuwandeln und unter seine Direktion zu stellen (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27.8.1901, AML, FSX 784). Im Herbst 1901 konkretisierten sich die Pläne. Zwar sollte nicht mehr die Kunstschule transformiert werden, jedoch auf van de Veldes Wunsch eine Art kunstgewerbliche Versuchsanstalt ins Leben gerufen werden, in der Schüler unter seiner Regie Entwürfe und Modelle für
248 Edition und Kommentar Weimarer und Thüringer Kunsthandwerker erstellen bzw. bearbeiten sollten. Die Ausbildung der Schüler hatte wiederum den Werkmeistern der einzelnen Werkstätten zu unterstehen. chez madame Förster: Harry Graf Kessler erreichte Weimar am Samstag, den 26. Oktober 1901. Er frühstückte zunächst mit Elisabeth Förster-Nietzsche, besuchte danach das Ehepaar von Werthern und traf sich am Nachmittag mit Staatsminister Rothe, um Vorschläge für die Anstellung van de Veldes zu unterbreiten. Primär ging es dabei um die Etablierung des Gedankens, das Thüringer Kunsthandwerk durch die Gründung einer Ausbildungsstätte zu fördern. Am Abend dinierte Kessler in Anwesenheit von einflussreichen Weimarer Persönlichkeiten im Nietzsche-Archiv (vgl. Brief 82). ministre: Staatsminister Dr. Karl Friedrich Rothe (vgl. Brief 82). contrat de rupture: Vgl. Anm. Brief 78.
85 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], [25.10.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf gedruckt: Firmensignet, BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
Vendredi matin, 25.X.1901 [von anderer Hand] Au moment de partir p[our]. Düsseldorf et de là à Krefeld – où mon adresse est »Kaiser Wilhelm Museum« jusque lundi. Cher ami, merci de votre dévouement, permettez moi – sans plus – de répondre à vos questions – oui – sans ateliers – l’enseignement ne pourrait porter que sur des »projets«. Il serait »einseitig« – suffisamment important p[our]. amener à Weimar des élèves mais de partie moins immédiat p[our]. les industriels, auxquels je souhaite pouvoir fournir des modèles exécutés par l’Académie, et les ouvriers et élèves y travaillant. 2°) les métiers sont ceux que vous dites et dans l’ordre 1 menuisier et ciseleur de métaux 2 sculpteur en bois 3 potier 4 bijoux, imprimeur. 3°) Pour la question du prix des contremaîtres je ne peux que vous dire que 2000 Mks me paraissent suffisants. Qu’il ne faut pas absolument de contremaîtres p[our]. Sculpteur sur bois Ciseleur en métaux Imprimeur
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L’enseignement de ces branches n’étant pas élémentaire mais de perfectionnement. Cela est vrai aussi p.[our] le meuble, le bijou et la poterie mais là, il y a le besoin absolu qu’il y ait à coté de moi – un bon ouvrier expérimenté (c’est plus exacte que contre maître.) Plutard nous ajouterions une ouvrière p[our]. les tapis au point noué, et un ouvrier relieur. Je crois qu’il faut avoir en vue plutôt le perfectionnement que l’enseignement élémentaire. Le but est de faire d’un ouvrier – un artisan. Les moyens – le perfectionnement de son savoir manuel et une culture appropriée. En toute hâte, bien cher ami et avec la prière d’exprimer mon dévouement respectueux à Madame Förster-Nietzsche. Affectueuse poignée de mains Henry v[an].d[e].Velde Lundi – je serai à Grenzhausen. Mardi ici à Hagen Jeudi à Berlin. Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag trägt die Anschrift »à Monsieur le Comte H. de Kessler chez Madame Förster-Nietzsche Nietzsche-Archiv. Weimar« und die Poststempel: »Hagen-Cassel 25.10.01« und »Weimar 25.10.01 10-11N«. Düsseldorf: Van de Velde reiste vermutlich in Vorbereitung der ›Deutsch-Nationalen-Kunstausstellung‹ nach Düsseldorf, an der er vom 17. Mai bis 20. Oktober 1902 mit zahlreichen kunstgewerblichen Arbeiten teilnahm. Krefeld: Van de Velde reiste des Weiteren zu Sondierungsgesprächen nach Krefeld. Friedrich Deneken, Direktor des dortigen Kaiser Wilhelm Museums, plante, van de Velde im Zuge der Reform der Krefelder Textilindustrie an Krefeld zu binden. Das Vorhaben wurde im Dezember 1901 konkretisiert, scheiterte jedoch an van de Veldes Entscheidung für Weimar. Grenzhausen: Wie Peter Behrens erhielt van de Velde Ende 1901 vom preußischen Handelsministerium den Auftrag, die Westerwälder Steinzeugindustrie in Höhr-Grenzhausen mit zeitgemäßen Modellen neu zu beleben. Ausschlaggebend waren der Misserfolg auf der Pariser Weltausstellung 1900 und die Eingabe des Landrats von Montabaur an das preußische Handelsministerium in Berlin. Van de Velde hielt sich im Oktober 1901 für kurze Zeit in Höhr-Grenzhausen auf, um sich ein Bild zu verschaffen, im Februar 1902 entwickelte er zusammen mit den Töpfern vor Ort insgesamt 28 Modelle, die schließlich kurz darauf auf der ›DeutschNationalen-Kunstausstellung‹ in Düsseldorf gezeigt wurden. Van de Velde lieferte ab 1901/02 Modelle für die Westerwälder Keramikproduzenten Merkelbach & Wick, Marzi & Remy, Simon Peter Gerz und Reinhold Hanke (vgl. Anm. Brief 106).
250 Edition und Kommentar
86 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 28.10.1901 AML, FSX 504/26, Brief
Cher ami Merci de votre bonne lettre et des renseignements y contenus. Tout est dans une très bonne voie ici; c’est[-]à[-]dire que j’ai vu beaucoup de monde et que tous, y compris le ministre, me semblent dans de très bonnes dispositions envers vous. Vos luminaires ont eu un vrai succès d’enthousiasme. Maintenant tout dépend de mons[ieur]. de Palézieux, que je n’ai pas vu, comme il est en voyage avec le Gr[and]. Duc, et du Gr[and]. D[uc]. lui même, la Kunstschule étant une institution dépendant du Grd. Duc personnellement, et non pas de l’État. Mad[ame]. de Palézieux, la sœur du C[om]te. Werthern est très partisan de l’idée et entraînera, je pense, son mari. Le vrai point incertain est donc le Gr[and]. Duc lui[-]même, qui est très têtu; il s’agira donc de l’amener à vouloir. On voudrait faire votre connaissance ici (on, c’est la Cour), et je dois donc vous proposer de revenir ici avec moi dans environ quinze jours. En ce moment-ci le Grand Duc est absent; ça ne serait donc pas la peine de vous déranger. À Berlin je vous ferai faire la connaissance du baron Werthern, frère cadet du C[om]te. Celui ci, le baron, est le meilleur partisan, que vous avez ici, et celui qui y met le plus d’initiative personnelle. Je vous prierai, ainsi que madame Van de Velde, de venir dîner tout seul avec lui, chez moi, le 8 ou le 9 novembre. Le jour de son arrivée à Berlin n’est pas encore tout à fait fixé. – J’ai vu le ministre deux fois, une fois pendant une heure, pendant laquelle j’ai fait une vraie conférence, et la seconde fois hier pendant plus de deux heures, un tête à tête chez madame Förster. Sa femme assistait aux deux entrevues, et s’est vraiment engagée pour vous. Mais, je le répète, tout est absolument incertain, il n’y a rien de fait, tant que le Gr[and]. Duc n’aura pas donné son assentiment. Tout à vous, en hâte HdeKessler Weimar, ce 28.X.1901 ministre: Staatsminister Dr. Karl Friedrich Rothe (vgl. Anm. Brief 82). luminaires: Um van de Veldes Werk in Weimar an Beispielen präsentieren zu können, hatte Kessler aus Berlin einige Arbeiten des Künstlers, d. h. einen Türgriff und Beleuchtungskörper, mitgebracht (vgl. Anm. Brief 82). Diese Objekte stellte er an diesen Tagen mehrfach in Weimar vor (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 26./27.10.1901).
Briefe und Kommentare 251 en voyage: Großherzog Wilhelm Ernst und Oberhofmarschall Aimé von Palézieux befanden sich zu diesem Zeitpunkt in Den Haag (vgl. Anm. Brief 82). Kunstschule: Die Großherzoglich-Sächsische Kunstschule war 1860 als Privateinrichtung von Großherzog Carl Alexander gegründet worden. Nach dessen Ableben unterstand sie noch bis 1902 der Privatschatulle von Großherzog Wilhelm Ernst. 1902 wurde die Kunstschule verstaatlicht. Sie wurde dem Ministerialdepartement des Großherzoglichen Hauses unterstellt, durch die Haupthofkasse finanziert und 1910 zur Großherzoglich-Sächsischen Hochschule für Bildende Kunst erhoben. Mad[ame]. de Palézieux: Elisabeth von Palézieux-Falconnet (geb. Freiin von WerthernBeichlingen, 1866–1941). Elisabeth von Palézieux, Schwester des Grafen Hans und des Freiherrn Ottobald von Werthern-Beichlingen, war seit 1896 mit Charles Aimé von Palézieux verheiratet. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Elisabeth von Palézieux blieb nach dem Tod ihres Gatten im Jahre 1907 in Weimar wohnhaft und war u. a. mit Gräfin Daisy Dohna und Erika von Watzdorf-Bachoff befreundet. revenir ici: Van de Velde und Kessler hielten sich vom 20. bis 22. Dezember 1901 in Weimar auf. baron Werthern: Ottobald Friedrich Freiherr und Herr von Werthern-Beichlingen (1868– 1907), Diplomat. Ottobald von Werthern-Beichlingen, von 1898 bis 1904 als Legationsrat in Stockholm, Konstantinopel, St. Petersburg, Buenos Aires, London und München tätig, war mit Kessler und Elisabeth Förster-Nietzsche befreundet. Seine Mutter Gertrud lebte in Weimar. Sein Schwager Aimé von Palézieux war dortiger Oberhofmarschall. Aufgrund seiner vorzüglichen Kontakte zum Weimarer Hof betrachtete es Kessler als förderlich, van de Velde schnellstmöglich mit seinem ehemaligen Studienfreund bekannt zu machen (vgl. Anm. Brief 73). dîner: Das besagte Treffen kam am 12. November 1901 in Berlin zustande, nachdem Kessler von der ersten Begegnung mit Großherzog Wilhelm Ernst aus Weimar zurückgekehrt war. Kessler vermerkte im Tagebuch: »Vande Veldes mit Otto Werthern bei mir gegessen. Nachher alle zusammen in Schall & Rauch.« (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 12.11.1901). deux fois: Es handelt sich um die persönlichen Unterredungen am 26. und 27. Oktober 1901 mit Staatsminister Karl Rothe (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 26./27.10.1901).
87 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 5.11.1901 AML, FSX 504/27, Brief
Weimar 5 nov[embre]. 1901. Cher ami Excusez ce griffonnage; je vous écris en hâte et n’ai pas d’encre. Ma journée d’hier s’est donc passée en thés et discours. J’ai commencé par déjeuner chez mons[ieur]. de Palézieux seul avec le ministre, mad[ame]. de Palézieux étant malade. C’étaient donc les deux hommes tout puissants de Weimar que je tenais ensemble, et il a été tout de suite question de vous. Au com-
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mencement mons[ieur]. de Palézieux m’a semblé un peu réservé et même grincheux, sur la question d’argent. Mais le ministre est venu à mon secours et nous avons réussi à faire sortir la question de ce terrain, qui, après tout, ne doit se régler que quand on sera plus avancé. Palézieux ne veut et déclare ne pouvoir donner que 6000 marks d’appointements, moi, j’en demandais 8000. Enfin, nous avons laissé la question, pour ne pas enouminer [?] la discussion de premier abord. La seconde question que Palézieux m’a posée, et à laquelle il attache réellement de l’importance, c’est que vous ne soyez pas absolument radical vis à vis de l’art ancien, pour vos élèves. Ils ont tous peur que vous ne veniez tout briser ici. Je lui ai dit ce que je vais répétant à tout le monde ici, depuis qu’il est question de vous faire venir, que vous pour votre personne, vous avez votre stile [sic] personnel, naturellement, mais que vous n’avez aucunement l’intention de forcer les gens à accepter votre stile [sic] comme le seul possible, mais au contraire que vous voulez leur apprendre à exprimer d’une façon artistique et belle leur personnalité et même leurs anciennes formes etc. La raison intime pour laquelle ceci tient tant à cœur à mons[ieur]. de P[alézieux]. c’est son musée qu’il a formé (le musée japonais et d’arts industriels) qu’il voudrait voir utiliser pour l’enseignement que vous donneriez. Comme ce musée contient des exemples admirables d’exécution française et japonaise, j’ai pu le rassurer de bonne conscience sur ce point. Son attitude a changé très considérablement, dans le courant de la journée, et il a fini par me déclarer, dans le courant de la soirée, qu’il ferait tout son possible pour qu’on vous crée la place que vous voulez ici, c’est[-]à[-]dire comme directeur d’une Handwerker Hochschule qui se fonderait en rapport avec son musée d’arts industriels. Vous seriez donc en même temps directeur de ce musée. Le soir, le Grand Duc m’a donné un dîner, arrangé exprès pour cette occasion, ce qui est tout de même un réellement bon signe. J’étais à gauche du Grand Duc et j’ai donc pu lui parler très longuement. Il s’intéresse très vivement à l’idée. Il a commencé par m’exprimer, qu’il ne pensait pas que vous voudriez vraiment venir à Weimar. Je l’ai rassuré là dessus. Ensuite il m’a répété à trois ou quatre reprises, dans le courant de la conversation »Das wäre ja wunderschön, wenn sich das wirklich machen liesse« que vous venez. Mais il ne m’a pas jusqu’à présent fait de proposition formelle pour vous; et c’est ce que nous attendons, c’est[-]à[-]dire le ministre et moi. Je vais revoir le Grand Duc aujourdhui à midi, pour lui montrer vos luminaires. Il m’a exprimé ce désir, de voir de vos objets, sans que je lui en ai parlé. J’ai donc la sensation, que [unleserliches Wort] à quelques jours l’affaire devra se décider, et d’une façon ou d’une autre. Pour vous montrer que le Grand Duc s’intéresse réellement à l’affaire, je puis vous dire, que lui le premier m’a parlé de ceci: qu’il se construit à Jéna [sic] une maison du peuple (oui, pensez-donc, une maison du peuple!) et que, si vous veniez à Weimar, ce serait ceci le premier travail qu’on vous demanderait
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d’entreprendre, c’est[-]à[-]dire l’installation (la bâtisse étant malheureusement debout). Il a ajouté »Das wäre doch Etwas für Herrn Van de Velde, nicht wahr?« et il m’a entraîné vers le ministre pour lui en parler. Après le dîner au château mons[ieur]. de Palézieux est venu me retrouver à l’Hotel [sic] et il est resté jusqu’à passé minuit, à me raconter l’histoire de son musée, qu’il a formé personnellement, et avec un vrai mérite. Il y tient énormément, je vous dis ceci, car c’est le côté par lequel il faut le prendre. Il m’a du reste dit, que si vous veniez à Weimar, il se ferait le plaisir de vous introduire, lui personnellement, à la société de Weimar. Comme il est le premier [deputarie; deputaire] de l’Empire et de la Cour de Weimar, c’est beaucoup, et ça facilitera les premiers rapports. Enfin j’ai très bon espoir. J’ai vu madame Förster pendant un moment dans l’après-midi. Mais, comme vous pensez bien, j’ai tant de visites et de démarches à faire, que j’ai eu peu de temps, et nous n’avons fait que bavarder en peu. Elle vous demandera de commencer la construction de sa salle au printemps. Elle a déjà loué son second appartement, pour s’y transporter pendant les travaux. Veuillez dire bien des choses de ma part à madame Van de Velde. Votre très dévoué HdeKessler. en thés et discours: Harry Graf Kessler hielt sich kurzfristig am 4. und 5. November 1901 in Weimar auf, um erneut die Anstellung van de Veldes in die Wege zu leiten. Elisabeth Förster-Nietzsche hatte zu diesem Zwecke den Großherzog instruiert, der am 4. November zu einem Diner lud. Den Tagesablauf stellt Kessler in seinem Tagebuch ausführlich dar (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.11.1901). son musée: Die ›Permanente Kunstausstellung‹ wurde am 12.12.1880 auf Basis eines Vereins mit dem Ziel begründet, die bildende Kunst und das Kunstgewerbe zu fördern. Die ›Permanente Kunstausstellung‹, ab 1886 ›Permanente Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe‹, befand sich am Karlsplatz (heute Goetheplatz) und wurde von Aimé von Palézieux geleitet, der seine dortige Arbeit als »Lebenswerk« verstand (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.11.1901). Anlässlich der Goldenen Hochzeit von Großherzog Carl Alexander und Großherzogin Sophie im Jahr 1892 erhielt das Ausstellungsgebäude einen Oberlichtsaal. Das Museum diente als Ausstellungsort für altes und neues Kunstgewerbe sowie zeitgenössische Malerei. Desgleichen konnten Kunstgegenstände – vornehmlich Werke der Kunstschule bzw. ›Weimarer Malerschule‹ – käuflich erworben werden. Aus der sogenannten ›Permanenten‹ ging unter ehrenamtlicher Leitung von Harry Graf Kessler 1903 das Museum für Kunst und Kunstgewerbe hervor, das im Zuge der Umstrukturierung verstaatlicht und der Oberaufsicht des Ministerialdepartements des Großherzoglichen Hauses unterstellt wurde. Handwerker Hochschule: Über die Art und den Namen der in Aussicht stehenden Institution hatte man sich offensichtlich noch keinerlei Gedanken gemacht. Van de Velde selbst sprach von einem »laboratoire pour mon style« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27.8.1901, AML, FSX 784) und Kessler von einer »kunstgewerblichen Versuchsanstalt« (Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, Weihnachten 1901, in: Simon 1978, Brief 124, S. 65 f.).
254 Edition und Kommentar revoir le Grand Duc: Vgl. Anm. Brief 82. Jéna … une maison du peuple: Die Errichtung des ›Volkshauses‹ in Jena geht auf Anregung von Ernst Abbe und Otto Schott zurück. 1901 wurde der Leipziger Architekt Arwed Roßbach mit der Projektierung des Baus betraut. Die Bauarbeiten erfolgten in verschiedenen Bauabschnitten von 1901 bis 1903 unter organisatorischer Federführung von Siegfried Czapski. Die feierliche Eröffnung des ›Volkshauses‹ fand am 1. November 1903 statt. Wie aus dem vorliegenden Brief von Kessler hervorgeht, stellte der Großherzog gegenüber Kessler in Aussicht, van de Velde für die Inneneinrichtung zu gewinnen. Dieses Vorhaben kam jedoch nicht zustande. Erich Kuithan übernahm die künstlerische Ausgestaltung, und für die Möblierung des Großen Saales griff man auf Thonet-Stühle zurück. Das ›Volkshaus‹ (heute Carl-Zeiss-Platz 15) beherbergte die Großherzogliche Gewerbeschule, den Jenaer Kunstverein, das Schaeffermuseum und den Lehrlingsverein. Im Oberlichtsaal wurden Ausstellungen des Jenaer Kunstvereins gezeigt (vgl. Liebold/ Franz 2003; Ploegaerts/ Puttemans, S. 296, Nr. 52). Über sein Treffen mit dem Großherzog notierte Kessler am 4. November 1901: »Nach Tisch beim Cercle sprach er [Großherzog] sehr lange wieder darüber mit mir; erzählte mir vom Zeisschen Volkshaus in Jena, von dem ich noch Nichts wusste, und sagte: wenn V[elde]. herkäme könne er ja das gleich einzurichten bekommen.« (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.11.1901). Hotel: Kessler residierte im Weimarer Hotel ›Erbprinz‹ am Markt. Das 1749 eröffnete Hotel war nach Erbprinz Ernst August II. Constantin benannt (vgl. Briefkopf Brief 88). Das Hotel wurde 1989 abgerissen. la construction de sa salle au printemps: 1896 war Elisabeth Förster-Nietzsche von Naumburg nach Weimar gezogen. Sie wohnte zunächst in der Wörthstraße 5 (heute: Thomas-Müntzer-Straße) und bezog 1897 zusammen mit ihrem kranken Bruder Friedrich Nietzsche die von Meta von Salis-Marschlins erworbene Villa ›Silberblick‹ in der Luisenstraße 36 (heute Humboldtstraße 36). Elisabeth Förster-Nietzsche begründete dort das Nietzsche-Archiv, das zu einem geistig-kulturellen Zentrum der Stadt wurde. Elisabeth Förster-Nietzsche äußerte im November 1901 vermutlich erstmals den Gedanken, den sogenannten ›Frühlingsraum‹ im NietzscheArchiv von Henry van de Velde ausgestalten zu lassen. Der tatsächliche Auftrag erging jedoch erst im Februar 1902 an van de Velde und weitete sich auf die Ausgestaltung der gesamten unteren Etage der Villa ›Silberblick‹ aus, die zusammen mit dem Grundstück am 1. April 1902 in das Eigentum von Elisabeth Förster-Nietzsche überging. second appartement: Elisabeth Förster-Nietzsche wohnte 1902 während der Umbauarbeiten des Nietzsche-Archivs im Nachbarhaus in der Luisenstraße 38. Ob es sich um die genannte Wohnung handelt, bleibt unklar.
Briefe und Kommentare 255
88 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 5.11.1901 AML, FSX 504/28, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL ERBPRINZ WEIN-HANDLUNG. Eduard Schmidt. Weimar
5.XI.1901 Cher ami J’ai revu le Grand Duc à midi; mais il n’y a toujours rien de formel. Après l’audience mons[ieur]. de Palézieux m’a dit; qu’il »croyait« que l’affaire se ferait; mais que le Gr[and]. D[uc]. voulait prendre le temps de réfléchir; que S[on]. Altesse Royale partait en voyage à la fin de la semaine, qu’Elle revenait au commencement de décembre, et qu’alors très probablement, on vous demanderait de venir vous-même ici, vous présenter. J’ai donc beaucoup d’espoir, et je trouve assez juste, que le Grand Duc veuille attendre quelques semaines, avant de se décider à un parti en somme assez grave. Il m’a beaucoup interrogé sur Darmstadt, hier soir, et je n’ai pas caché mon opinion, tout en faisant la part belle du Grand Duc de Hesse, pour donner courage au notre [sic]. J’ai beaucoup insisté sur l’opposition absolue qu’il y a entre votre art et ce qu’on fait à Darmstadt, et aussi bien le ministre que mons[ieur]. de Palézieux ont très bien compris; car ils ont repris mes arguments. Le Grand Duc aussi semblait parfaitement éclairé, à ce sujet. Enfin, ce sont quelques semaines qu’il faudra attendre la décision, qui, à moins d’imprévu, sera, j’en ai le très ferme espoir, favorable. Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde. Votre très dévoué HdeKessler. revu: Vgl. Anm. Brief 82. en voyage: Großherzog Wilhelm Ernst beabsichtigte, von Mitte November bis Anfang Dezember 1901 auf sein Besitztum nach Heinrichau in Niederschlesien zu fahren. demanderait: Henry van de Velde kam auf vielfachen Wunsch am 20. Dezember 1901 persönlich nach Weimar. sur Darmstadt: Mit dem Ausruf »Non, quel dégout, quel dégout!« (»Nein, wie scheußlich!«) soll van de Velde im August 1901 die Ausstellung auf der Darmstädter Mathildenhöhe dokumentiert haben (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.9.1901). Kessler und van de Velde hatten im Sommer 1901 die von Großherzog Ernst Ludwig initiierte Ausstellung ›Ein Dokument deutscher Kunst‹ besichtigt (vgl. Anm. Briefkarte 69). Beide lehnten den dortigen
256 Edition und Kommentar ornamentalen Überfluss vehement ab, van de Velde schwor sogar, zwei Jahre lang kein Ornament mehr zu machen. »De deux ans, je ne ferai plus d’ornement. Je suis vraiment content d’avoir vu ça. On voit ce qu’il ne faut plus faire. Je vais encore me simplifier.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.9.1901).
89 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, [Poststempel: 6.11.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Telegramm
Danke für briefe. kontract mit h. [Hirschwald] unterzeichnet. wann kommen sie zurück? vandevelde Telegramm: Das Telegramm trägt die Vermerke »graf kessler hotel erbprinz«, »Aufgenommen aus Bln den 6/11 um 1 Uhr 46« und »Telegramm aus Berlin 50 17W. 1901 den 6ten 11 um 1 Uhr 55 Min«. kontract: Am 5. November 1901 wurde der Vertrag mit Hermann Hirschwald und dem ›Hohenzollern Kunstgewerbehaus‹ aufgelöst. Van de Velde notierte in seinen Memoiren: »Viele, scheinbar widersprechende Gründe veranlaßten Hirschwald zu dieser Entscheidung: der fanatische Antisemitismus Karl Ernst Osthaus’; die Gefahr die Kundschaft aus den Kreisen der Aristokratie und der hohen Beamtenschaft des Reiches zu verlieren, die auf meiner Seite standen, und die Furcht, sich zu sehr in einer künstlerischen Richtung vorgewagt zu haben, welcher der Kaiser ablehnend gegenüber stand.« (Velde 1962, S. 203; vgl. Anm. Brief 78).
90 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 6.11.1901 AML, FSX 504/29, Brief, Briefkopf (gedruckt): Hôtel Erbprinz Wein-Grosshandlung. Gegr. 1749 Weimar. Gegr. 1749. Besitzer: Fritz Langenberg. Telephon No. 21 Weimar.
6. Nov[embre]. 1901. Cher ami Je reçois votre télégramme à l’instant, en rentrant de déjeuner chez la Grande Duchesse Héritière, mère du Grand Duc actuel. Celle[-]ci est tout à fait gagnée à votre cause, ce qui est du reste, malheureusement, plutôt mauvais, comme son fils tend à faire toujours le contraire de ce qu’elle veut. Enfin, elle m’a exprimé l’espoir que son fils vous appellerait à Weimar et, en même temps, le très vif désir de faire votre connaissance. Vous devrez donc vous inscrire chez elle, quand vous viendrez à Weimar, et elle vous invitera à déjeuner ou à dîner. Elle a fondé une tisserie de lin et soie à Weimar qui produit des matières vraiment admirables et dont je rapporte des échantil-
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lons, que la Grande Duchesse m’a confiés, pour vous les montrer. C’est la matière idéale pour linge de table et surtout pour nos couvertures intérieures du Zarathustra. Je lui ai parlé de cette affaire, et elle m’a nommé des chiffres approximatifs auxquels elle pourrait nous livrer ces matières, avec dessins en noir et or tissés dans la matière. Ces chiffres ne me semblaient pas exagérés; et je pense que nous pourrons nous mettre d’accord avec sa femme d’affaires, une madame Mérian à Weimar, qu’elle m’a indiquée pour traiter des détails. Je pense aussi lui commander du linge de table. Vous verrez comme cette matière est vraiment belle; malheureusement employée maintenant à des broderies assez ineptes. Je serai à Berlin demain, et espère vous voir au concert, le soir. Votre dévoué HdeKessler Grande Duchesse Héritière: Erbgroßherzogin Pauline Ida Marie Olga Henriette Katharina von Sachsen-Weimar-Eisenach (geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach, 1852–1904). Erbgroßherzogin Pauline, Tochter von Prinz Hermann von Sachsen-Weimar-Eisenach, war seit 1873 mit Erbgroßherzog Karl August (II) von Sachsen-Weimar-Eisenach verheiratet, der nie regierte und bereits 1894 verstarb. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor: Wilhelm Ernst (1876–1923) und Bernhard Heinrich (1878–1900). Erbgroßherzogin Pauline gründete 1886 das Paulinenstift, eine Mädchenbildungsanstalt in der Schröterstraße. Nach dem Tod ihres Gatten lebte Pauline vorwiegend in Italien und residierte während ihrer Weimarer Aufenthalte im Schloss Belvedere. Kessler beschrieb Großherzogin Pauline als »eine gemütliche, dicke, lebhafte Frau« (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.11.1901). son fils: Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach. tisserie de lin et soie: Großherzogin Pauline gründete 1886 in Weimar eine Mädchenbildungsanstalt und Mägdeherberge, das sogenannte Paulinenstift, und in diesem Zusammenhang eine Leinen- und Seidenweberei, die vom ›Verein für weibliche Kunstindustrie‹ (auch ›Verein für weiblichen Hausfleiß‹) unter Vorstandsleitung von Emilie Merian-Genast geleitet wurde. Der Verein mit Sitz im Jägerhaus (Marienstraße 7) unterstand dem Protektorat von Erbgroßherzogin Pauline. Das Ziel des Vereins bestand darin, all jenen Mädchen und Frauen eine Ausbildung auf dem Gebiet der Handarbeit zu ermöglichen, denen es aufgrund ihrer Familienpflichten versagt war, einem außerhäuslichen Erwerb nachzugehen. Die Frauen wurden vergütet und konnten in jeder Technik der Handarbeit höchste Kunstfertigung erlangen (Dekorative Kunst, Bd. II, 1898, S. 38). Im Zuge seiner Beratungstätigkeit widmete van de Velde dem Verein besonderes Interesse, indem er Vorträge hielt und als künstlerischer Berater fungierte. Am 6. November 1902 wurden die ersten Arbeiten nach seinen Ideen vom Verein öffentlich präsentiert (Weimarische Zeitung, 8.11.1902). Es folgten weitere Beteiligungen an größeren Ausstellungen, u. a. an der Dresdner Kunstgewerbeausstellung 1906 oder an der Ausstellung von Schülerarbeiten van de Veldes im Museum für Kunst und Kunstgewerbe 1907. Harry Graf Kessler zeigte sich besonders am Erwerb von Tischwäsche für die Weimarer Wohnung und seine Schwester Wilma überdies an Miederwaren des Vereins interessiert (vgl. Brief 135; Föhl/ Neumann 2014, S. 414).
258 Edition und Kommentar couvertures: Die Luxusausgabe ›Also sprach Zarathustra‹ wurde nicht in Stoff, sondern in Pergament, die Vorzugsausgabe dagegen in Leder gebunden. Clementine Eleonore Emilie Merian-Genast (1833–1905), Sängerin. Emilie Merian-Genast, die jüngste Tochter des Hofschauspielers Eduard Genast, war Schülerin und langjährige Freundin von Franz Liszt und wurde als Liedsängerin bekannt. 1863 ging sie die Ehe mit Dr. Emil Merian ein, aus der zwei Kinder hervorgingen. Nach dem Tod ihres Mannes engagierte sich Emile Merian-Genast vornehmlich für soziale Belange. So gründete sie 1876 den hier erwähnten ›Verein für weibliche Kunstindustrie‹, der unter dem Protektorat von Erbgroßherzogin Pauline stand.
91 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 11.11.1901 AML, FSX 504/30, Brief
Berlin, ce 11. nov[embre]. 1901. Cher ami Voici une nappe, ainsi qu’une serviette pliée, de la façon dont je les fais généralement plier. Vous voyez comme l’ourlet continu est laid. – J’ai parlé à mons[ieur]. de Tschudi à propos des piédestaux. Il se rappelait très bien vous en avoir entretenu et vous prie de passer à la National Gallerie [sic] pour qu’il s’entende avec vous. Je lui ai dit que vous ne restiez probablement plus très longtemps ici, pour le presser, mais je ne lui ai pas dit où vous comptiez aller ni ce que vous comptiez faire. À revoir, à demain à 7 ½. Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde. Votre dévoué HdeKessler. Avez[-]vous écrit en Angleterre pour les échantillons de papier? Ou voulez vous me donner les adresses? de Tschudi: Hugo Egidius von Tschudi (1851–1911), Schweizer Jurist, Kunsthistoriker, 1896 bis 1908 Direktor der Berliner Nationalgalerie, 1909 bis 1911 Direktor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Autor der Kunstzeitschrift ›Pan‹. Der gebürtige Schweizer Hugo von Tschudi gehörte neben Wilhelm von Bode, Alfred Lichtwark und Justus Brinckmann zu den einflussreichsten Museumsdirektoren seiner Zeit. Als Abkömmling der Familie Schnorr von Carolsfeld studierte Tschudi zunächst Jura, bevor er zur Kunstgeschichte wechselte und 1884 als Assistent von Wilhelm Bode (ab 1914 Wilhelm von Bode) nach Berlin kam. Tschudi, der von 1896 bis 1908 erfolgreich die Berliner Nationalgalerie leitete, wechselte aufgrund der sogenannten ›Tschudi-Affäre‹ und der einhergehenden Überwerfung mit Kaiser Wilhelm II. 1909 an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Er verstarb 1911. Tschudi hatte Kessler 1896 und van de Velde 1897 in Berlin kennengelernt. Immer wieder kam es in den Folgejahren zu
Briefe und Kommentare 259 gemeinsamen Begegnungen in Berlin, Paris, Dresden oder Weimar. Kessler, der sich im Kontext der ›Tschudi-Affäre‹ klar gegen Anton von Werner bekannte, würdigte Tschudi, dem er u. a. seinen ersten Hund (Dackel ›Fip‹) verdankte, als »eine ganz unegoïstische, unstreberhafte, aufrechte, durch und durch edle Natur« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 27.11.1911; vgl. weiterführend Maaz 2003, S. 162–164, 182–196). piédestaux: Ungeklärt bleibt, um welche Sockel es sich hier handelt.
92 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, 26.11.1901 [Poststempel: 27.11.1901] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Postkarte
Mardi Soir Cher ami, Si vous êtes rentré et libre Mercredi Soir pourquoi ne dîneriez-vous pas chez nous? Les de H. seront nos hôtes! Excusez que j’écrive sur une carte mais c’est en grand’ hâte. Affectueusement Henry v[an]. d[e]. Velde. Postkarte: Die Postkarte hat vorderseitig die Anschrift »M. le Comte H. de Kessler Berlin/ W. 28 Köthenerstr.« sowie die Poststempel »Berlin W. 27.11.01 35« und »Bestellt vom Postamte 27/11/01«. rentré: Kessler konnte auf die Einladung nicht eingehen, da er sich bis zum 29. November in Spanien und danach bis zum 3. Dezember 1901 nachweislich in Paris aufhielt. Der erste Berliner Eintrag nach seiner Reise datiert vom 6. Dezember 1901 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.11.1901–6.12.1901). de H.: Vermutlich handelt es sich hier um das Ehepaar Helene Gräfin und Ferdinand Graf von Harrach.
93 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], 6.12.1901 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Visitenkarte, gedruckt: Henry van de Velde Nürnbergerstr. 36.
Bien cher ami, Je voudrais beaucoup vous voir après que n[ou]s décidions quelque chose au sujet du voyage à Weimar. Êtes-vous libre demain Samedi soir –
260 Edition und Kommentar
ou bien nous souperions à la maison à 7 h ou bien nous irons à la dernière de Sadda Yakko? Si rien de cela ne pouvait se réaliser, faites[-]moi donc savoir à quelle heure je peux vous causer demain Bien affectueusement Henry v[an].d[e].V[elde], 6.XII.1901 voyage à Weimar: Die hier angesprochene Reise nach Weimar war sehr bedeutungsvoll für van de Veldes Karriere. Während Kessler durch zwei vorangegangene Reisen den Weg bereits geebnet hatte, konnte van de Velde nun persönlich in Erscheinung und vor allem mit dem Weimarer Hof, insbesondere dem Großherzog, in Kontakt treten. Van de Velde reiste am 20. Dezember 1901 nach Weimar. Am 21. Dezember traf Kessler hinzu und gemeinsam besuchten sie Elisabeth Förster-Nietzsche, Dr. Karl Rothe und Aimé von Palézieux. Während des Diners beim Großherzog im Kreise der Hofgesellschaft wurde van de Veldes Anstellung in Weimar von Seiten des Großherzogs besiegelt. Am darauf folgenden Tag besichtigten Kessler und van de Velde die ›Permanente Kunstausstellung‹, besuchten Erbgroßherzogin Pauline und später Elisabeth Förster-Nietzsche und Dr. Karl Rothe. Van de Velde reiste noch am gleichen Tag nach Antwerpen, da sein Vater an den Folgen eines Schlaganfalls plötzlich verstorben war. libre: Kessler und van de Velde schrieben am 6. Dezember 1901 aneinander vorbei und unterbreiteten gegenseitig Vorschläge für Samstag, den 7. Dezember (vgl. Brief 94). Während Kessler vorschlug, mit Dehmels und dem Ehepaar van de Velde auszugehen, wollte van de Velde zusammen mit Kessler die anstehende Reise nach Weimar besprechen. Man fand schließlich, wie aus Brief 95 und Briefkarte 96 hervorgeht, einen Mittelweg. Sadda Yakko: Sada Koyama (Künstlername: Sada Yakko, Sada Yacco oder Sadayakko, 1871–1946), japanische Schauspielerin, Tänzerin und Geisha. Vom 11. November 1901 bis zum 2. April 1902 gastierte die japanische Schauspielerin und Tänzerin Sada Yakko mit der Kawakami-Theatergruppe im Deutschen Reich. Ebenso wie Isadora Duncan faszinierte sie europaweit ein breites Publikum und inspirierte zahlreiche Künstler, wie Pablo Picasso, Emil Orlik oder Max Slevogt. Anfang Dezember 1901 trat Sada Yakko zusammen mit Loie Fuller in Berlin auf, wo sie Kessler und van de Velde am 7. Dezember sahen. (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 7.12.1902).
94 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 6.12.1901 AML, FSX 504/31, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher ami Les Dehmel sont ici, et j’ai promis de me tenir à leur disposition pendant
Briefe und Kommentare 261
leur séjour. Je les vois ce soir et peut-être pourrions nous arranger quelque chose ensemble. Mais je ne sais pas, si madame Van de Velde sort? Vous aurez un telegramme [sic] de moi demain matin. Votre très dévoué HdeKessler. ce 6.XII 1901. Les Dehmel sont ici: Richard und Ida Dehmel waren am 6. Dezember 1901 zu Gast bei Kessler: »Dehmels bei mir gegessen mit Edvard Munch.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.12.1901). si madame Van de Velde sort: Maria van de Velde war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger und konnte nicht mehr ausgehen (vgl. Briefkarte 96). Am 14. Dezember 1901 kam Tochter Anne zur Welt (vgl. Telegramm 99).
95 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 7.12.1901 AML, FSX 504/34, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher ami Je suis à votre disposition ce soir, les Dehmel étant engagés autre part. Si vous voulez que nous nous retrouvions à Sada Yacco je vous prie donc de me faire dire un mot, pour que je prenne une place. – Les Dehmel déjeunent ici à 1 heure. Je n’ose vous inviter, ni madame Van de Velde, à si court délai. Mais si par hasard vous passez près de chez moi vers cette heure, vous me feriez grand plaisir en vous joignant à nous. Nous pourrions nous entendre pour Weimar, les Dehmel désirant y être en même temps que nous. Votre très dévoué HdeKessler. ce 7.XII.1901. en même temps: Das Vorhaben, zeitgleich nach Weimar zu fahren, kam nicht zustande. Richard und Ida Dehmel waren gezwungen, schon am 11. Dezember 1901 nach Weimar zu fahren (Richard Dehmel an Harry Graf Kessler, 11.11.1901, DLA, in: Kamzelak 2004, S. 133). Kessler begleitete das Ehepaar und arrangierte einen Besuch bei Elisabeth Förster-Nietzsche (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.12.1901). Van de Velde fuhr dagegen erst am 20. Dezember 1901 nach Weimar (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 21.12.1901, AML, FSX 784).
262 Edition und Kommentar
96 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], 7.12.1901 DLA Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefkarte, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
Samedi Matin, Merci, cher ami, de votre lettre et de votre invitation. Malheureusement nous ne pouvons accepter. Maria ne »sort« vraiment plus et moi j’ai pris un engagement avec mon beau-frère. Si vous le permettez je passerai néamoins [sic] chez vous – tantot [sic] – à 12 ½ h et nous ferons des plans p[our]. ce soir et pour le voyage de Weimar. Bien affectueusement Henry v[an].d[e].V[elde]. beau-frère: Dr. Samuel Saenger (gen. Sam, 1864–1944), Philosoph, Schriftsteller, Journalist, Sozialpolitiker, Diplomat, Hochschullehrer, langjähriger Redakteur und Herausgeber der Zeitschrift ›Die neue Rundschau‹. Es handelt sich um van de Veldes Schwager Samuel Saenger, der seit 1898 mit Maria van de Veldes Schwester Irma verheiratet war und zusammen mit ihr und Tochter Elisabeth (1907 kam die zweite Tochter Magdalene zur Welt) in Berlin lebte und im Frühjahr 1902 van de Veldes Wohnung in der Nürnberger Straße 36 übernahm. Der promovierte Philosoph Saenger war von 1908 bis 1933 als Redakteur der Zeitschrift ›Die neue Rundschau‹ tätig und musste, da er jüdischer Abstammung war, zusammen mit seiner Familie 1939 emigrieren. Für Saengers 1900 erschienene Monographie ›John Ruskin. Sein Leben und Lebenswerk‹ hatte van de Velde Einband und Titelblatt entworfen (vgl. Brinks 2007, S. 82, 398).
97 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 13.12.1901 AML, FSX 504/32, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
13.XII.1901. Cher ami Voici le moulage en bronze d’une coupe chinoise rapportée par un ami, de Pékin. Je l’ai trouvée intéressante, et vous prie de l’accepter comme No 1 de votre futur musée des belles formes. Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde. Votre très dévoué HdeKessler.
Briefe und Kommentare 263 une coupe chinoise: Van de Velde besaß nachweislich ein zeitgenössisches chinesisches Weihrauchgefäß aus Bronze oder Messing, das auf einer historischen Aufnahme in der Weimarer Wohnung Cranachstraße 11 zu sehen ist. Ob es sich um die im Brief genannte Schale handelt, bleibt fraglich. futur musée des belles formes: Hierzu äusserte sich van de Velde 1928 wie folgt: »Kurz vor Ausbruch des Krieges von 1914 kam mir der Gedanke eines ›Museums der reinen Form‹. Eine Sammlung von Objekten aus den frühesten Zeiten der Kultur und solchen, die im Lauf der Jahrhunderte diesen ersten Kundgebungen des Erfindungsgeistes nachfolgten. Eine solche Sammlung hätte anschaulich das Vorhandensein eines vernunftgemäßen und zeitlosen Stiles in Formgebung und Architektur zu zeigen gehabt. Der Krieg hat die Verwirklichung dieses Museums verhindert, dessen Idee in dem Augenblick begeistert aufgenommen wurde, in dem ich mich in Deutschland von allen Plänen zurückziehen mußte. Aber die Idee scheint mir nicht gealtert, und ihre Verwirklichung bleibt im Bereich des Möglichen. Vielleicht wird es eines Tages in irgend einem Land entstehen, und in den Sälen wird die Luft der Reinheit und Schönheit wehen, deren Freuden ungebrochen und deren Genüsse von einer Heiterkeit ohnegleichen sein werden.« (Velde, Henry van de: Das Neue: Weshalb immer Neues?, in: Velde 1955, S. 235). Wie diesem und dem nachfolgenden Brief zu entnehmen ist, datiert die Idee tatsächlich schon von 1901.
98 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], 13.12.1901 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief und Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
ce 13 Dec[embre]. 1901 Bien cher ami, Vous me comblez vraiment, cette coupe est vraiment admirable! Elle en impose à tout ce qui se trouve dans notre appartement – où Elle se dresse comme un monument! – Monument que Vous aurez travaillé à édifier dans mon cerveau et dans mon cœur: l’intense Désir de créer à mon tour des Formes – Pures! – Merci en mon nom, merci au nom des Miennes qui jouiront de la présence de cette Chose Belle. Voila [sic] donc le premier numéro du Musée des belles formes comme vous l’avez dénommé; la recherche des autres numéros nous promet de belles heures de communion artistique encore. Je Vous suis immensément reconnaissant, bien cher ami; vous croyez bien, n’est-ce pas, à ma profonde affection. Henry v[an].d[e].V[elde].
264 Edition und Kommentar Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag trägt die Anschrift »à Monsieur le Comte H. de Kessler Berlin/W. 28 Köthenerstr.« sowie die Poststempel »Berlin W. 13.12.01« und »Bestellt vom Postamte 14.12.01«. cette coupe: Es handelt sich um die von Kessler geschenkte chinesische Schale (vgl. Anm. Brief 97).
99 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, 15.12.1901 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Telegramm
Tochter gestern Abend geboren Vandevelde Telegramm: Das Telegramm trägt den Poststempel: »Berlin. W. 15.XII.01« sowie folgende Bezeichnung: »graf kessler 28 Köthenerstr Berlin; Telegramm aus Berlin W15 10W. 1901 den 15ten 10 um 35 Uhr ... Min«. Tochter: Anne Sophie Alma van de Velde wurde am 14. Dezember 1901 in Wilmersdorf (Berlin) geboren. Ihren zweiten und dritten Vornamen erhielt sie nach den Patinnen Sophie Herrmann und Alma Warburg. Anne van de Velde studierte in Delft Chemie und ließ sich zur Laborantin ausbilden. Sie heiratete am 25. Februar 1927 Joachimus van Houweninge (1899–1968). Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Nele, Lucie (gen. Luus) und Gerard. Anne lebte zusammen mit ihrer Familie in Indonesien, da ihr Mann in verschiedenen Gummiplantagen, u. a. in Turen und Kediri, für die ›The Handels Vreeniging Amsterdam‹ tätig war. Im Zuge der japanischen Besetzung von Niederländisch-Indonesien (1942–1945) wurde die Familie in einem japanischen Konzentrationslager in Surabaya gefangen genommen, wo Anne van Houweninge 1944 an den Folgen von Mangelernährung starb.
100 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 19.12.1901 AML, FSX 504/33, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher ami Je regrette beaucoup de vous avoir manqué d’autant plus que je dois vous voir. Je viendrai chez vous entre 5 et 6 ce soir. J’espère que madame Van de Velde continue à bien se porter.
264 Edition und Kommentar Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag trägt die Anschrift »à Monsieur le Comte H. de Kessler Berlin/W. 28 Köthenerstr.« sowie die Poststempel »Berlin W. 13.12.01« und »Bestellt vom Postamte 14.12.01«. cette coupe: Es handelt sich um die von Kessler geschenkte chinesische Schale (vgl. Anm. Brief 97).
99 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, 15.12.1901 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Telegramm
Tochter gestern Abend geboren Vandevelde Telegramm: Das Telegramm trägt den Poststempel: »Berlin. W. 15.XII.01« sowie folgende Bezeichnung: »graf kessler 28 Köthenerstr Berlin; Telegramm aus Berlin W15 10W. 1901 den 15ten 10 um 35 Uhr ... Min«. Tochter: Anne Sophie Alma van de Velde wurde am 14. Dezember 1901 in Wilmersdorf (Berlin) geboren. Ihren zweiten und dritten Vornamen erhielt sie nach den Patinnen Sophie Herrmann und Alma Warburg. Anne van de Velde studierte in Delft Chemie und ließ sich zur Laborantin ausbilden. Sie heiratete am 25. Februar 1927 Joachimus van Houweninge (1899–1968). Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Nele, Lucie (gen. Luus) und Gerard. Anne lebte zusammen mit ihrer Familie in Indonesien, da ihr Mann in verschiedenen Gummiplantagen, u. a. in Turen und Kediri, für die ›The Handels Vreeniging Amsterdam‹ tätig war. Im Zuge der japanischen Besetzung von Niederländisch-Indonesien (1942–1945) wurde die Familie in einem japanischen Konzentrationslager in Surabaya gefangen genommen, wo Anne van Houweninge 1944 an den Folgen von Mangelernährung starb.
100 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 19.12.1901 AML, FSX 504/33, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher ami Je regrette beaucoup de vous avoir manqué d’autant plus que je dois vous voir. Je viendrai chez vous entre 5 et 6 ce soir. J’espère que madame Van de Velde continue à bien se porter.
Briefe und Kommentare 265
Votre dévoué HdeKessler. ce 19.XII. 1901. ce soir: Kessler und van de Velde trafen sich am selben Tag, wie aus Kesslers Tagebuchnotiz vom 19. Dezember 1901 hervorgeht (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 19.12.1901).
101 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, [Berlin], 24.12.1901 AML, FSX 504/35, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
24.XII.1901. Chère madame Permettez-moi de vous souhaiter une bonne et heureuse année par le Christmas-card ci[-]joint. Il est bien triste que ces jours, qui inaugurent vraiment, pour vous, un nouveau chapitre de votre vie et de celle de Henry, soient obscurcis par les mauvaises nouvelles que vous aurez sans doute apprises au sujet de monsieur votre beau-père. Mais j’espère que les grands espoirs, que permettent les succès de Henry à Weimar, et les travaux si intéressants que vous aurez à partager avec lui, là-bas, vous aideront à surmonter ces tristesses. Je serais venu moi-même vous exprimer et ma sympathie et mes félicitations, si Henry ne m’avait pas dit, que vous ne pourriez certainement pas me recevoir. Mais je désire, tout de même, vous dire, que la situation que vous trouverez à Weimar sera la meilleure possible, au point de vue social, et artistiquement, je ne doute pas de la rapidité avec laquelle Henry saura prendre une influence prépondérante sur les personnes que vous approcherez. J’ai donc toute confiance que ce sont les fondements d’une œuvre vraiment définitive, que nous aurons posés à Weimar. Agréez, chère madame, l’expression de mes sentiments les plus respectueux. HdeKessler. Je pars pour Paris, ce soir, lundi. beau-père: Guillaume Charles van de Velde (1825–1901), Chemiker, Apotheker, Secrétaire de la Commission provinciale d’Anvers, vice-président de la Commission administrative de la Maison de sûreté, membre de la Commission sanitaire de l’Escaut. Henry van de Veldes Vater Guillaume van de Velde war am 19. Dezember 1901 an den Folgen eines Schlaganfalls im Alter von 76 Jahren verstorben. Geboren 1825 in Brüssel, hatte Guillaume van de Velde bis 1849 Chemie und Pharmazie studiert. Nach dem Diplom widmete er sich mit besonderem Engagement
266 Edition und Kommentar der Verbesserung des Gesundheitswesens, speziell der Vorbeugung und Bekämpfung von Epidemien. Im Nachruf wurde Guillaume van de Velde als »meilleur chimiste de son époque« gewürdigt ( Journal de Pharmacie d’anvers, 58. Jg., Januar 1901, S. 31). Er bekleidete wichtige Ehrenämter in Antwerpen, führte eine Apotheke am Falconplein 23, betrieb chemische Analysen für die Forschung und engagierte sich auf vielen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens. Dementsprechend hoch war seine Reputation. 1867 erhielt er von König Léopold II. das Kreuz 1. Klasse, 1881 wurde er zum Ritter des Léopold-Ordens und 1893 zum Offizier ernannt. Aus der 1851 geschlossenen Ehe mit Jeanne Aimée Aurore de Paepe (1826–1888) gingen acht Kinder hervor: Félix, Elisabeth, Héliodore, Marie, Guillaume, Jeanne, Henry und Laurent. Neben seiner beruflichen Tätigkeit gehörte die Musik zu seinen großen Leidenschaften. Als Präsident der ›Société de musique‹ und enger Freund von Peter Benoît war Guillaume van de Velde im Musikleben von Antwerpen tief verwurzelt und mit den neuesten Musikströmungen bestens vertraut. Die großen Musikfestivals unter Leitung der ›Société‹ zählten zu den kulturellen Höhepunkten der Stadt. Henry van de Velde verehrte seinen Vater in hohem Maße, wenngleich er gelegentlich unter dem zurückgezogenen und nach außen hin kühlen Wesen seines Vaters litt. 1893 vertraute er seiner späteren Gattin Maria Sèthe an: »Toujours cette retenue dont j’ai souffert depuis que j’étais enfant […].« (Henry van de Velde an Maria Sèthe, mercredi, AML, FSX).
102 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Berlin], [Poststempel: 1.1.1902] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefkarte mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
Merci, cher ami – Viendrez-vous dimanche matin? bien affectueusement [Künstlermonogramm] Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag trägt die Anschrift »à Monsieur le Cte de Kessler Berlin W. Köthenerstr. 28.« sowie den Poststempel »Berlin 1.1.02«.
103 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], [14.1.1902] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief, Briefkopf (gedruckt): WALTER ELKAN ATELIER FÜR KUNSTGEWERBLICHE METALLARBEITEN. SPECIALITÄT: METALLFÄRBUNG. PARIS WELTAUSSTELLUNG 1900 SILBERNE MEDAILLE. DRESDEN. INTERN. KUNSTAUSSTELLUNG 1901. EHRENURKUNDE. BERLIN SW., DESSAUERSTR. 37II.
Briefe und Kommentare 267
Mardi soir 5h Cher ami, j’ai enfin des nouvelles de vous. D’abord je suis rentré de Belgique dans un état de délabrement absolu, ensuite j’ai souffert le martyre d’un abcès dans le nez. Je sors pour la première fois, prendre de vos nouvelles et j’apprends par votre domestique que l’invitation au bal du Gr[and]. Duc ne vous a pas été remise et que C[om]tesse, Madame votre Mère a renvoyé mon télégramme. Je vous annoncais [sic] dans ce télégramme qu’au bal de ce Soir le Gr[and]. duc voulait vous faire des propositions formelles. Madame Förster-N[ietzsche]. m’avait annoncé cela par lettre et j’avais cru ne pas devoir négliger de vous avertir. Elle[-]même m’écrit-elle ce matin, a télégraphié aussi à Paris. Enfin – il est trop tard! Maintenant pour parer à tous ennuis et conséquences j’ai télégraphié tantot [sic] à Madame F[örster]-N[ietzsche]. afin qu’elle fasse savoir indirectement au Gr[and] Duc que cette invitation ne vous a pas atteint! et que [vous] reveniez ici demain matin. Mais avant d’apprendre tout cela, cher ami, j’avais pris rendez-vous avec le ministre Rothe et je dois être à W[eimar]. demain a[près]-m[idi]. p[our]. la discussion du contrat. Je pars donc pour Weimar demain et serai parti de quelques minutes quand vous débarquerez à Berlin. Mais n’y viendrez-vous pas aussitôt? Dans la lettre que j’ai de Mad[ame]. F[örster]-N[ietzsche]. elle me déclare formellement que le Gr[and]. Duc vous demandera d’accepter la place de directeur dela Kunstschule! -Pensez-donc comme ce serait heureux de pouvoir décider de cela bientôt! Je ne compte rester à W[eimar]. que deux jours, je demanderai au ministre Rothe, si je dois m’inscrire à la Cour – ce dont [?] je doute puis que je suis en deuil. Voulez-vous me télégraphier aussitot [sic] que vous aurez lu cette lettre, soit gare W[eimar]. bureau télégraphique où je m’informerai; soit chez M[adame]. Förster qui vient me prendre à la gare. Je veux me choisir une habitation. Comme je serais heureux si vous acceptiez cette place! Bien affectueusement Henry l’invitation: Elisabeth Förster-Nietzsche und van de Velde hatten vergebens versucht, Kessler von der Einladung zum Weimarer Hofball am 14. Januar 1902 in Kenntnis zu setzen (Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 12./13./14.1.1902, GSA, Bestand NA, 72/653;
268 Edition und Kommentar Elisabeth Förster-Nietzsche an Henry van de Velde, 13.1.1902, AML 403). Kessler nahm schließlich am 24. Januar 1902 am Weimarer Hofball teil (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.1.1902). votre Mère: Alice Harriet Gräfin Kessler (geb. Blosse-Lynch, 1844–1919). Alice Harriet Kessler (seit 1879 von Kessler; seit 1881 Gräfin Kessler), geboren in Bombay, lebte seit der Heirat mit Adolf Wilhelm Kessler im August 1867 vornehmlich in Paris. Sie galt als allseits umschwärmte Schönheit, führte einen kleinen Salon, verfasste unter Pseudonym Dramen und Romane und trat als passionierte Laienschauspielerin in ihrem eigenen Liebhabertheater auf. Kessler liebte und verehrte seine Mutter sehr. Sie wurde nach dem Tod des Vaters im Mai 1895 neben der Schwester Wilma zur wichtigsten Bezugsperson in Kesslers Leben. Kessler widmete ihr ein ausführliches Kapitel seiner Memoiren (vgl. Anm. Brief 398). mon télégramme: Das aus Paris nach Berlin aufgegebene Telegramm von Alice Gräfin Kessler an ihren Sohn hat folgenden Wortlaut: »VANDEVELDE TÉLÉGRAPHIE: GRANDE IMPORTANCE ETRE DEMAIN MARDI BAL COUR WEIMAR PROPOSITIONS FORMELLES SERONT FAITES=MAMAN=«. (Alice Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 13.1.1902, DLA). ce matin: In besagtem Brief schreibt Elisabeth Förster-Nietzsche an van de Velde: »Auch ich habe gestern nach Paris telegraphiert, aber mir sieht es fast so aus, als ob Graf Kessler auch dort nicht ist, weil ich noch keine Antwort erhalten habe.« (Elisabeth Förster-Nietzsche an Henry van de Velde, 13.1.1902, AML 403). Paris: Harry Graf Kessler hatte den Jahreswechsel in Paris bei seiner Mutter und seiner Schwester verbracht und traf erst am 15. Januar 1902 wieder in Berlin ein. Kaum angekommen reiste er unverzüglich weiter nach Weimar (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 15.1.1902). discussion du contrat: Henry van de Velde hatte offensichtlich in eigener Sache Minister Rothe kontaktiert, um einen Termin hinsichtlich der Vertragsgestaltung zu vereinbaren. Das Treffen fand im Beisein von Kessler am 15. Januar 1902 in Weimar statt. Van de Veldes Anstellungsvertrag wurde noch einmal leicht abgeändert und schließlich unterschrieben (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 15.1.1902). directeur dela Kunstschule: Bereits Anfang Dezember 1901 gab Elisabeth Förster-Nietzsche in einem Brief an Kessler offenkundig zu: »Die verschiedenen Kreise Weimar’s, vorzüglich der Hofkreis und die wissenschaftlich-künstlerischen Leute interessiren sich auf das lebhafteste für die ganze Sache, doch muß ich Ihnen verrathen, lieber Graf Kessler, der Hofkreis interessirt sich noch mehr für Sie als für van de Velde und ich bin wirklich neugierig, was dieser Kreis zusammenbrauen wird, um auch Sie hierher zu locken.« (Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 6.12.1901, DLA, in: Föhl 2013, S. 337). Im Januar 1902 wurde schließlich erwogen, Kessler zum Direktor der Kunstschule zu berufen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 15.1.1902). Auch Bodenhausen wusste an seine Frau zu berichten: »Harry würde es ev. annehmen, würde dann sehen, beide Posten, Kunstschule und Museum zu übernehmen und letzteres an mich abzugeben.« (Eberhard von Bodenhausen an Dora von Bodenhausen, 28.1.1902, in: Simon 1978, S. 162). Aus diesem Ansinnen wurde jedoch nichts. Hans Olde übernahm zum 1. April 1902 die Leitung der Kunstschule und weilte bis 1911 in diesem Amt. habitation: Seit November 1901 befasste sich van de Velde mit der Frage, wohin er in Weimar ziehen könne. Unterstützung erhielt er von Elisabeth Förster-Nietzsche, die sich aktiv an der Wohnungssuche beteiligte. Im Januar 1902 konkretisierte van de Velde seine Wünsche: »ein
Briefe und Kommentare 269 bescheidenes und altes Haus in einem Garten: das kleine komfortable Landhaus von früher, das wenig kostet! [...] Andernfalls, ein Appartement mit Garten.« (Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 2.1.1902, GSA, Bestand NA, 72/653). Am 23. Januar 1902 beauftragte er Elisabeth Förster-Nietzsche, einige von ihm verfasste Annoncen »in 1 oder 2 Zeitungen von Weimar« zu setzen und berichtete von den schwierigen Verhandlungen mit Herrn Sömmering um eine zum Verkauf stehende Villa (Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 23.1.1902, GSA, Bestand NA, 72/653). Van de Velde fand schließlich eine Wohnung in der Cranachstraße 11 in unmittelbarer Nähe zum Nietzsche-Archiv, die er Ende März 1902 mit seiner Familie bezog (vgl. Anm. Brief 103).
104 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [16.1.1902] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1900–1908, Entrefilet in Form eines Manuskripts [mit zahlreichen Streichungen und unleserlichen Hinzufügungen], Briefkopf (gedruckt): HOTEL ERBPRINZ WEIN-HANDLUNG. Eduard Schmidt. Weimar.
[van de Veldes Handschrift]: loyer – terrain 85 x 75 6400 M intérêt – hyp[othèque]. 1900 [?] chauffage 1200 concierge – surveillant 1200 matériaux terre, plâtre 1000 éclairage entretien locaux assurances subside v.d.V. Etat 2000 3000 Rentrés – élèves souscriptions [verso[-]Kesslers Handschrift]: Wie wir aus sicherer Quelle vernehmen, ist Henry van de Velde vom Großherzog von Sachsen nicht als Leiter der Kunstschule sondern als künstlerischer Beirat für die Industrie und das Kunstgewerbe des Großherzogtums nach Weimar berufen worden. Er wird von der Kunstschule vollkommen unabhängig sein. Auch ist jede Konkurrenz gegen das bereits bestehende Weimarische Kunstgewerbe ausgeschlossen, da der Künstler keine eigenen Werkstätten begründen wird. Seine Kraft wird im Großteil in den Dienst der einheimischen Unternehmung in das Land gerufen [unleserlicher Satz]. Die so geschaffene Stellung ist aber etwas durchaus Neues. Es besteht die Absicht zur Beihilfe dieser Aufgabe auch eine kunstgewerbliche Versuchsanstalt ins Leben zu rufen, an deren neue
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Modelle entworfen und neue Formen der Technik durchprobiert werden können. Entrefilet: Die Flüchtigkeit und der Duktus der Handschrift Kesslers verraten, dass es sich hier um ein schnell verfasstes Schriftstück handelt. Offensichtlich entstand diese Notiz für die Presse in Form eines Manuskripts im Zug auf der Rückfahrt von Weimar nach Berlin am 16. Januar 1902. »Abends mit Van de Velde nach Berlin zurück. Mit ihm unterwegs das Entrefilet aufgesetzt, das in die Zeitungen lanciert werden soll.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 16.1.1902). Das Entrefilet nimmt Bezug auf einige, kurz zuvor erschienene Presseartikel, in denen es fälschlicherweise hieß, van de Velde werde als Leiter der Kunstschule nach Weimar berufen (vgl. Zeitung Deutschland, 10.1.1902). Das von Kessler und van de Velde aufgesetzte Entrefilet ringt um klare Formulierungen und um eine eindeutige Stellungnahme. Es wurde mit nahezu exaktem Wortlaut am 18. Januar 1902 in der Weimarischen Zeitung veröffentlicht (vgl. Weimarische Zeitung, 18.1.1902). Das Dokument zeichnet sich dadurch aus, dass es sowohl Kesslers als auch van de Veldes Handschrift trägt. Kessler formulierte die Pressenotiz, van de Velde erstellte indes eine kleine Aufstellung der Kosten für die neu zu gründende kunstgewerbliche Versuchsanstalt.
105 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 26.1.1902 AML, FSX 504/36, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W
26.I.1902. Cher ami Il n’y a encore rien! Mais la comtesse Werthern m’a parlé très longuement et m’a dit vouloir faire des démarches, pour qu’on se décide d’une façon ou d’une autre. On m’a beaucoup parlé de vous au bal. Surtout madame Rothe, qui est très sincère, dans son enthousiasme, à ce qu’il me paraît. Le Grand Duc m’a appris, qu’il y avait eu une attaque à fond de train contre vous dans un sale petit journal de là[-]bas, par un monsieur dont vous avez pris la place, sans le savoir; la place rêvée par lui; un certain juif Malkowski [sic]. Il paraît que j’y reçois des amabilités par ricochet. Mais le Grand Duc m’a parlé de ça de telle façon que j’ai vu qu’il n’y attachait aucune importance. Par contre, il m’a répété, qu’il était très content que vous vous soyez décidé à venir et qu’il espérait de vous quelquechose de grand pour Weimar.– Dehmel m’écrit, que si vous aviez l’intention d’aller le voir, à Hambourg, il vous prie de l’avertir, pour qu’il aille vous chercher à la gare, sa maison étant assez difficile à trouver. Il vous invite très cordialement à ne pas l’oublier, quand vous irez à Hambourg. Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde.
Briefe und Kommentare 271
Votre dévoué HdeKessler. Il paraît, qu’il y a deux raisons qui les empêchent de se décider à Weimar; ils voudraient un peintre, ou tout au moins un ›ausübender Künstler‹, et ils me trouvent trop jeune. J’ai dit à la comtesse, que j’étais flatté de cette deuxième raison, mais que je ne pouvais y souscrire, me sentant pas si petit garçon que ça, et que je n’avais aucunement peur des vieux messieurs peintres de là[-]bas, qu’ils ne m’en imposaient pas le moins du monde. la comtesse Werthern: Gertrud Sophie Auguste Adolphine Gräfin von Werthern-Beichlingen (geb. von Bülow, 1841–1919). Gertrud Gräfin von Werthern-Beichlingen war seit 1863 mit Georg, 2. Graf und Herr von Werthern-Beichlingen verheiratet, lebte seit 1902 in Weimar in der Wörthstraße 33 E und gehörte zur einflussreichen Hofgesellschaft. Ihre Kinder waren: Hans, Georg, Ottobald und Elisabeth (verh. von Palézieux). Die Gräfin setzte sich Anfang des Jahres 1902 ernsthaft dafür ein, auch Kessler für Weimar zu gewinnen. »Nachher bei der Gräfin Werthern, die lange mit mir über meine Berufung zum Direktor der Kunstschule; Bedenken: man möchte einen ausübenden Künstler haben, und zweitens, man hält mich für zu jung.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 25.1.1902). bal: Kessler nahm am 24. Januar 1902 am Weimarer Hofball teil. Seine Beobachtungen hielt er detailliert im Tagebuch fest (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.1.1902). madame Rothe: Friederike Henriette Luise Rothe (geb. Eggeling, 1865–1923). Luise Rothe stammte aus Braunschweig und war Tochter des Pfarrers und Kunstkritikers Otto Eggeling, der zugleich eine Professur für Ästhetik und Kunstgeschichte an der Weimarer Kunstschule innehatte, an der Luise zeitweise Malunterricht von Heinrich Ludwig Freiherr von GleichenRusswurm erhielt. Luise Rothe war seit 1886 mit Staatsminister Dr. Karl Friedrich Rothe verheiratet. Van de Velde beschrieb sie als wohlwollend und aufrichtig. Seiner Meinung nach übe sie auf ihren Gatten einen positiven Einfluss aus. »Et puis, sa femme est bienveillante et exerce sur lui une surveillance de droiture.« (Henry van de Velde an Alfred Walter von Heymel, 3.5.1907, DLA). attaque: Grund des Ärgernisses war ein zweiteiliger, am 19. und 21. Januar 1902 in den ›Weimarischen Neuesten Nachrichten‹ erschienener, im Übrigen nicht signierter Artikel mit dem Titel ›Herr Henry van de Velde und seine Berufung nach Weimar. Ein seltsames Project‹. Der in hohen Maße polemische Artikel richtete sich vornehmlich gegen van de Veldes belgische Nationalität und kritisierte die Neuartigkeit seines Schaffens. Darüber hinaus nahm er Bezug auf eine umfangreiche Ausarbeitung zur Neuetablierung einer Zentralstelle für das Thüringische Kunsthandwerk, die im Auftrag von Großherzog Carl Alexander bereits am 1. Juli 1901 von Dr. Georg Malkowsky verfasst worden war (Weimarische Neueste Nachrichten, Nr. 16/1902, 19.1.1902; Nr. 17/1902, 21.1.1902, in: Wahl 2007, S. 76–78). journal: Es handelt sich um das Weimarer Lokalblatt ›Weimarische Neueste Nachrichten‹ mit Sitz in der Geleitstrasse 19. Verantwortlicher Redakteur der ›unabhängigen volkstümlichen Zeitung für Stadt und Land‹ war Dr. Emil Kindler. Malkowski: Dr. Georg Malkowsky (1851–1921), Kunsthistoriker, Kunstschriftsteller, Redakteur, Verleger. »Herr Dr. Malkowsky ist«, so der Presseartikel vom 21. Januar 1902,
272 Edition und Kommentar »Kunstschriftsteller von Beruf und hat sich die Kenntnis der kunstgewerblichen Verhältnisse durch langjährigen Aufenthalt in England, Frankreich, Rußland, Holland, Skandinavien etc. erworben. Er edirte zwei Jahre hindurch die Wochenzeitschrift ›Deutsche Kunst‹, war mehrere Jahre Chefredakteur der ›Modernen Kunst‹, und hat außer anderen Arbeiten unter Mitwirkung von zahlreichen Professoren und Fachmännern ›Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild 1900 (Verlag von Kirchhoff a Co., Berlin)‹ redigirt.« (Weimarische Neueste Nachrichten, Nr. 17/1902, 21.1.1902, in: Wahl 2007, S. 78). Georg Malkowsky galt als konservativer Kunstkritiker und lebhafter Befürworter der Kunstpolitik Kaiser Wilhelms II. 1899 hatte er sich vergebens um den Posten des Geschäftsführers der Berliner Secession beworben. Van de Velde bezeichnete Malkowsky in einem Brief an Elisabeth Förster-Nietzsche spöttisch »Mâle Kowsky« (Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 7.3.1902, GSA, Bestand NA 72/ BW 5599,2). des amabilités: In Bezug auf Kessler heißt es in dem Artikel: »Henry van de Velde kam, wie gesagt, vor etwa vier Jahren nach Berlin, wo ein begeisterter Verehrer von ihm, ein Graf Keßler, die Henry v. d. Velde-Gesellschaft begründen half.« (Weimarische Neueste Nachrichten Nr. 16/1902, 19.1.1902, in: Wahl 2007, S. 76). Dehmel: »Auf van de Veldes Besuch freue ich mich recht. Ich bat ihn eben um rechtzeitige Anmeldung, damit ich ihn vom Bahnhof abholen könne, und auch Sie bitte ich darum für den Fall Ihres Besuches; unser Haus ist ziemlich schwer zu finden.« (Richard Dehmel an Harry Graf Kessler, 24.1.1902, in: Kamzelak 2004, S. 137). se décider: Diese Anmerkung bezieht sich auf Kesslers mögliche Berufung als Direktor der Kunstschule (vgl. Anm. Brief 103).
106 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Berlin], [2.2.1902] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief und Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, BERLIN NÜRNBERGERSTRASSE 36 II
Dimanche Soir 2.II.1902 [von anderer Hand] Je comptais partir ce matin p[our]. Königsberg où je dois conférencier demain soir, cher ami. Mais Bodenhausen nous ayant donné à espérer que vous et lui passeriez la soirée aujourd’hui içi [sic] je me suis décidé à ne partir que cette nuit. J’ai peur de ce long voyage et d’autant plus que je souffre énormément dela main gauche. J’y ai une fois de plus un énorme furoncle. Il faut que je me décide à tenter quelque chose car voilà que depuis quatre ans, je m’épuise vraiment trop. Je me sens très-très fatigué et je viens de dresser la liste de tout ce que je dois faire [unleserliches Wort durch Lochung], elle est écrasante et je ne vois pas comment j’en arriverai à bout, ici à Berlin, où je ne peux plus raisonnablement louer un local plus grand p[our]. y installer des dessinateurs, n’y trouver de nouveaux collaborateurs que je devrais renvoyer après deux mois.
Briefe und Kommentare 273
J’ai tenté de vous voir hier soir et ceci au sujet de quelque chose qui m’inquiète et dont je suis en somme responsable! Vendredi soir, à dîner chez Stern, j’y ai rencontré Bierbaum, sa femme et d’autres artistes! Il n’est pas curieux que j’y aie exprimé mon enthousiasme p[our]. le beau pays dans lequel je pourrai faire vivre les miens et vivre moi-même. J’y aurai parlé avec émotion de ce que j’y veux tenter! Or, après le dîner Bierbaum m’exprimait cette pensée qu’en somme, il pourrait bien s’installer à Weimar. Comme j’avais exprimé que le décor était beau, etc… Je ne pouvais ni songer à dire le contraire, ni à le décourager. Pourtant songeant au danger de sa présence à W[eimar]. je lui ai dit que vous seul pouviez le conseiller dans cette affaire. Au reste, l’émotion est grande parmi les artistes et je sens qu’ils me considère avec un intérêt significatif! Rosenhagen m’a formellement déclaré qu’il désire aller à W[eimar]. et d’autres ont posé leur candidature… Il faudra vraiment être prudent et il ressort de ce dîner une lecon [sic] p[our]. moi: Je ne parlerai plus des beautés de W[eimar].. Maria y vient Mercredi dernier et fut très satisfaite. Nous avons trouvé et loué une villa. Elle est un peu plus grande que la petite et juste à coté [sic]; elle conviendra mieux que la petite et avec quelques changements, elle sera très habitable. J’aspire après avril, cher ami et aussi après vous revoir. Malheureusement j’ai beaucoup à voyager encore; ne serai à Berlin que du 5 au 8 puis je serai absent jusqu’au 21 de ce mois. Je veux passer deux jours à Weimar avec Maria probablement du 8 au 10; delà j’irai seul à Krefeld où je resterai deux jours, puis je veux me rendre chez mes potiers du Westerwald et y vivre parmi eux pendant 4 ou 5 jours; le 19. J’ai une conférence à Mannheim. Je vous ai porté hier mon étude sur Serrurier; mais vous ferez mieux d’attendre le texte français qui doit paraître bientôt. Il ne faut qu’il y ait erreur; il faut considérer ces œuvres reproduites comme de mauvais exemples et dans mon but rien autre que d’établir un point d’histoire et un point de départ. Ma deuxième étude ne laissera aucun doute sur mes préférences. Mais vous – comment allez vous vous-même? Bien affectueusement Henry v[an].d[e].V[elde]. Briefumschlag: Der Briefumschlag trägt die Aufschrift »à Monsieur le Comte H. de Kessler Berlin/ W 28 Köthenerstr.« und die Poststempel »Berlin 3.2.02 12« sowie »Bestellt vom Postamte 3/2.02«.
274 Edition und Kommentar Königsberg: Van de Velde hielt am 3. Februar 1902 einen Vortrag in Königsberg (heute Kaliningrad). Julius Stern (1858–1914), Bankier, Direktor der Nationalbank für Deutschland, Kunstsammler, Mäzen. Als Bankier gehörte Julius Stern zu Berlins einflussreichsten und reichsten Bewohnern. Durch Vermittlung von Curt Herrmann hatte Stern um 1897 Bekanntschaft mit van de Velde geschlossen und seitdem kleinere Gelegenheitsarbeiten des Künstlers erworben. Julius und Malgonia Stern erteilten van de Velde 1901 den Auftrag zur Ausgestaltung der Wohnung Bellevuestraße 6a in Berlin-Tiergarten sowie 1912 den Auftrag zur Ausstattung des Landhauses ›Bergschlößchen‹ in Geltow bei Potsdam. Stern beteiligte sich darüber hinaus an der Finanzierung der Berliner Secession und der Villa Romana in Florenz sowie 1911 mit einem Darlehen am Erwerb eines Grundstückes für das Nietzsche-Stadion in Weimar (vgl. Briefe 317, 318, 328, 350, 353, 360, 362). Julius Stern beging 1914 Selbstmord. Otto Julius Bierbaum (Pseudonym: Martin Möbius, 1865–1910), Schriftsteller, Publizist, Lyriker. Otto Julius Bierbaum gehörte bis zu seinem Rücktritt 1895 zu den Gründungs- und Vorstandsmitgliedern des ›Pan‹. Zudem war er in unterschiedlichen Funktionen für die Zeitschriften ›Die Insel‹, ›Simplicissimus‹, ›Modernes Leben‹, ›Die freie Bühne‹ und ›Die Neue Rundschau‹ tätig. Kessler kannte Bierbaum seit 1894 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.2.1902). sa femme: Gemma Bierbaum (geb. Pruneti-Lotti, 1877–1925). Otto Julius Bierbaum und die gebürtige Italienerin Gemma Pruneti-Lotti waren seit 1901 verheiratet. Kessler beschrieb Gemma Bierbaum als »entzückend hübsch; der reinste florentinische Typus« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.2.1902). Hans Victor Rosenhagen (1858–1943), Kunstkritiker, Journalist. Hans Rosenhagen gehörte seinerzeit zu den angesehensten Kunstkritikern und Journalisten. Er war Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift ›Das Atelier‹ und Kunstreferent der ›Täglichen Rundschau‹. Rosenhagen kannte Kessler seit 1895 und van de Velde durch die Vermittlung von Curt Herrmann seit 1897. Rosenhagen widmete van de Velde einige wohlwollende Artikel, u. a. 1902 in der ›Dekorativen Kunst‹ und 1903 in ›Der Tag‹ (vgl. Telegramm 169). une villa: Dank der tatkräftigen Unterstützung von Elisabeth Förster-Nietzsche konnte das Ehepaar van de Velde schnell eine Wohnung in Weimar finden (vgl. Anm. Brief 103). Maria van de Velde war am 29. Januar 1902 nach Weimar gereist, um die Wohnung zu inspizieren und den Mietvertrag zu regeln. Am 9. Februar 1902 suchte van de Velde zusammen mit Elisabeth Förster-Nietzsche eine Küchenhilfe und ein Kindermädchen aus. Am 22. März 1902 erfolgte schließlich der Umzug von Berlin nach Weimar (Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, lundi [1902], GSA; Henry van de Velde an Karl Ernst Osthaus, 15.3.1902, Osthaus Museum Hagen). mes potiers: Gemeint sind hier die Westerwälder Töpfer aus Höhr-Grenzhausen, mit denen van de Velde seit kurzem zusammenarbeitete (vgl. Anm. Brief 85). conférence: Van de Velde hielt den Vortrag am 19. Februar 1902 im Kunstgewerbeverein Mannheim. mon étude sur Serrurier: Bezieht sich auf van de Veldes Aufsatz ›G. Serrurier-Bovy, Liège/ Lüttich‹, der im Februar 1902 in der ›Innen-Dekoration‹ erschienen war (Velde 1902).
Briefe und Kommentare 275
107 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 10.2.1902 AML, FSX 504/37, Brief
Casino, 10.II.1902. Cher ami Le baron Benno de Herman, frère du baron de H[erman]., votre voisin, va être nommé à une des grandes charges de la cour a [sic] Stuttgart. Il devra donc s’aménager un apartement [sic] là[-]bas et désire, que ce soit vous qui vous en chargiez. Je crois, que ce sera très avantageux pour vous de pouvoir montrer un ensemble là bas (en opposition avec Obrist & Pankok), dans ces conditions; et je m’en réjouis sincèrement. Le baron Herman, qui ne reste ici que jusqu’à jeudi, vous prie de lui indiquer une heure, à laquelle vous pourriez le voir ou le visiter à l’Hotel Bristol. Nous dînons ensemble au Palast Hotel demain soir à 7 heures. Je pars pour Paris, après, et ne serai de retour qu’à la fin du mois. Si vous n’êtes pas à Berlin, je vous prie d’écrire au baron Herman à l’Hotel Bristol, pour que l’affaire soit entamée. J’ai rassuré Herman sur les prix! Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde, que je crains ne pas pouvoir aller voir, avant mon départ. Votre dévoué HdeKessler. Je vous prie de m’aviser, si vous avez reçu cette lettre. Benno de Herman: Benedikt Reinhard Xavier Freiherr von Herman-Wain (gen. Benno, 1862– 1932), Württembergischer Fideikommißherr und Kammerherr. Benno von Herman, der Bruder von Kesslers Freund Walther von Herman-Wain, wurde 1902 als Kammerherr an den Stuttgarter Hof berufen. Durch den Ortswechsel ergab sich die Gelegenheit, eine neue Wohnung in Stuttgart ausstatten zu lassen. Benno von Herman-Wain dachte dabei, wie aus diesem Brief hervorgeht, an van de Velde. Am 20. Februar 1902 trafen sich Eberhard von Bodenhausen, Franz König und Henry van de Velde mit Benno von Herman-Wain in Stuttgart. Dieser bot u. a. Bodenhausen einen Posten als Unterstaatssekretär im Kultusministerium an (vgl. Tagebuch Eberhard von Bodenhausen, 20.2.1902). Am 30. April 1902 bekam van de Velde während der Ausstellungsvorbereitungen zur ›Deutsch-Nationalen Kunstausstellung‹ in Düsseldorf ein Telegramm, er solle sich in Stuttgart einfinden (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 30.4.1902, AML, FSX 786). Van de Velde ließ sich daraufhin die Zeichnungen und Skizzen der Wohnungsausstattung sowie zwei Aktenordner mit Photographien aus Weimar nach Düsseldorf zukommen und fuhr nach Stuttgart. Ob der Auftrag zur Ausführung kam, bleibt fraglich. Bei den Entwürfen handelte es sich um Pläne für eine komplette Wohnungsausstattung samt Halle (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 30.4.1902, AML, FSX 786).
276 Edition und Kommentar frère du baron de H[erman]: Walther Gerhard Julius Freiherr von Herman-Wain (gen. Watsch, 1866–1940), Regierungsrat, Kammerherr. Walther von Herman-Wain gehörte dem Leipziger Kreis der ›Canitzer‹ an und kannte Kessler seit seiner Jugend. Er war seit 1906 im Auswärtigen Amt des Königlich Württembergischen Ministeriums in Stuttgart beschäftigt und wurde im gleichen Jahr zum Kammerherrn des Württembergischen Königs berufen. Walther von HermanWain wanderte 1931 nach Mallorca aus. Walther von Herman-Wain wohnte bis 1900 in Berlin am Prager Platz in der Villa Schulemann und ab 1901 in der Lutherstraße 31, 32 II, nur einige Straßen von van de Veldes Wohnung in der Nürnberger Straße 36 entfernt (vgl. Berliner Adreßbuch 1900, 1901, 1902). Der Kontakt zwischen van de Velde und Walther von Herman-Wain war über Kessler zustande gekommen. Laut einer Tagebuchnotiz hatte u. a. am 13. Dezember 1901 ein Zusammentreffen stattgefunden (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 13.12.1901). Hermann Obrist (1863–1927), Schweizer Kunstgewerbler, Bildhauer, Kunstpublizist. Bernhard Pankok (1872–1943), Maler, Graphiker, Kunstgewerbler, Architekt. demain soir: Van de Velde konnte zu besagtem Diner am 11. Februar 1902 im Palast Hotel erscheinen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.2.1902; vgl. Brief 108).
108 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 10.2.1902 AML, FSX 504/38, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
10.II.1902. Cher ami En rentrant du club, je relis votre lettre, et je vois que vous ne devez pas être à Berlin. Mais voici! Le grand désir du baron Herman est, que vous veniez à Stuttgart aussitôt que possible, comme il a loué une maison neuve dans laquelle vous pourriez encore corriger les portes, fenêtres etc. Comme vous êtes a [sic] Mannheim, le 19, pour votre conférence, vous pourriez facilement passer par Stuttgart, en revenant à Berlin. Je vais donc annoncer votre visite a [sic] Herman, pour le 20 ou le 21, et je vous ferai savoir son adresse là[-]bas demain. Excusez cette mainmise sur vous; mais j’attache une très grande importance à ce que vous preniez pied là[-]bas, d’une façon si marquante. – Comment va votre santé? Je serai à Paris, 19 boulevard Montmorency, du 13 au 15, et à Londres, Hotel Cecil, du 16 au 18. Je compte être de retour le 20 ou le 21. Votre dévoué HdeKessler.
Briefe und Kommentare 277
À l’instant, je reçois votre télégramme. J’espère très vivement que vous viendrez dîner au Palast à 7h. Mais ne pourriez[-]vous venir me prendre vers 6 ½, pour que nous puissions causer ensemble quelques minutes, ce qui sera presque impossible, je crains, au Palast? Excusez, cher ami, cet empiétement sur votre temps, que je sais si pris; mais je ne vous verrai pas de quinze jours; et nous avons tant a [sic] nous dire! baron Herman: Bezieht sich auf Benedikt Freiherr von Herman-Wain (vgl. Anm. Brief 107). Mannheim: Van de Velde musste am 19. Februar 1902 einen Vortrag im Mannheimer Kunstgewerbeverein halten (vgl. Brief 106). le 20: Van de Velde besuchte Benno von Hermann-Wain am 20. Februar 1902 im Beisein von Eberhard von Bodenhausen in Stuttgart (vgl. Anm. Brief 107). télégramme: Das Telegramm befindet sich nicht im Nachlass Kesslers. dîner au Palast à 7h: Kessler notierte dazu: »Abends Benno Herman, VandeVelde, Kerssenbrock mit mir im PalastHotel gegessen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.2.1902).
109 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Berlin], 11.2.1902 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief mit Briefumschlag
Mardi matin, 11.II.1902 [von anderer Hand] Cher ami, J’ai trouvé votre lettre en rentrant hier soir de Weimar. Merci tant de votre continu dévouement! J’écris aussitot au B[aron]. de H[erman]. J’ai tant désir de vous voir que je risque d’être importun et vous propose de vous rejoindre soit à dîner soit après dîner au Palast, ce soir! Franchement – cela vous [sic: ne] vous gênerait-il pas? Je serais tant reconnaissant d’un mot de réponse à ce sujet. Bien affectueusement Henry v[an].d[e].V[elde], Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag trägt die Anschrift »à Monsieur le Comte H. de Kessler Berlin/W. 28 Köthenerstr.«.
278 Edition und Kommentar Weimar: Van de Velde hielt sich am 9. und 10. Februar 1902 in Weimar auf. B[aron]. de H[erman]: Gemeint ist Benedikt Freiherr von Herman-Wain (vgl. Anm. Brief 107).
110 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 16.2.1902 AML, FSX 504/39, Brief
Paris, 16.II.1902. Cher ami Je vous remercie de la lettre [unleserliches Wort], qui m’a beaucoup intéressée. C’est à peu près, je crois, ce que moi je vous avais dit, à propos de votre même mot: une ligne est une force. C’est donc flatteur, que ce ›Regierungsbauführer a. D. und Studierender der Philosophie‹ soit tombé sur les mêmes idées. Je vous remercie aussi, aussi que mademoiselle de Brouckère, des papiers et des adresses; je m’en occuperai, à Londres, où je compte rester (Hôtel Cecil) jusqu’à jeudi soir, au moins. – Excusez, cher ami, que je vous aie fait intervenir à ce dîner tumultueux et inepte, mardi dernier; J’en suis encore tout marri! Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde. Affectueusement HdeKessler. lettre: Besagter Brief befindet sich nicht im Nachlass Kesslers. une ligne est une force: Seit 1886 setzte sich van de Velde sowohl praktisch als auch theoretisch mit dem Wesen der Linie auseinander. Der Satz ›Die Linie ist eine Kraft‹ wurde zum künstlerischen Kredo des Belgiers und entstammt den 1902 veröffentlichten ›Kunstgewerblichen Laienpredigten‹, darin es heißt: »Eine Linie ist eine Kraft, die ähnlich wie alle elementaren Kräfte tätig ist; mehrere, in Verbindung gebrachte, sich aber widerstrebende Linien bewirken dasselbe wie mehrere gegen einander wirkende elementaren Kräfte. Diese Wahrheit ist entscheidend, sie ist die Basis der neuen Ornamentik, aber nicht ihr einziges Prinzip.« (Velde 1955, S. 130 f.). mademoiselle de Brouckère: ›Mlle J. de Brouckère‹, deren Name nicht vollständig zu ermitteln ist, gehörte 1899 und 1900 zu den ausstellenden Künstlern des Brüsseler Salons ›La Libre Esthétique‹. Unter anderem stellte sie Silberarbeiten aus (vgl. Ausst. Kat. Libre Esthétique, Catalogue de la septième Exposition à Bruxelles du 1er au 31 Mars 1900, S. 14; Maus 1926, S. 233, 241;). Londres: Kessler hielt sich vom 19. Februar 1902 bis zum 9. März 1902 in London auf (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 19.2.1902–9.3.1902). dîner: Kessler hatte zusammen mit van de Velde, Kerrsenbrock und Herman-Wain am
Briefe und Kommentare 279 11. Februar 1902 im Berliner Palast Hotel zu Abend gespeist. Was exakt vorgefallen war, geht aus Kesslers Tagebuchnotiz nicht hervor (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.2.1902).
111 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 8.3.1902 AML, FSX 504/40, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Londres. 8.III.1902 Cher ami Je me porte bien, à présent, et vous remercie de votre lettre. Je pense être de retour à Berlin, dans environ huit jours. Les affaires, pour lesquelles j’ai été appelé à Paris et à Londres, se sont éternisées, et puis j’ai eu une espèce d’influenza. Je retourne à Paris demain, et de là à Berlin, où je compte bien encore vous trouver. Veuillez dire bien des choses de ma part à madame Van de Velde ainsi qu’aux enfants. Affectueusement HdeKessler. lettre: Besagter Brief befindet sich nicht im Nachlass Kesslers. retour à Berlin: Kessler kehrte erst am 30. März 1902 mit einem Umweg über Brüssel nach Berlin zurück. Les affaires … à Paris et à Londres: Kessler bemühte sich nach wie vor um eine Anstellung im diplomatischen Dienst, vorzugsweise in der Londoner Botschaft (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 15.4.1902). Kesslers Plan ging nicht auf. Weder in Berlin noch in London wollte man ihm eine Anstellung verschaffen. à Berlin: Kessler reiste von Paris nicht nach Berlin, sondern erneut nach London, wo er vom 13. bis 28. März 1902 blieb.
112 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 26.3.1902 AML, FSX 504/41, Brief
Londres le 26.III.1902. Cher ami Je compte être de retour à Berlin samedi. Y serez vous encore? Vous verrai-je avant votre départ? Ne pouvez vous pas venir déjeuner ou dîner avec moi un de ces jours, ainsi que madame Van de Velde? Je me réjouis
280 Edition und Kommentar
intensément de vous revoir. Et ce n’est que pour ça que je retourne à Berlin avant ces lamentables jours fériés. Mais j’ai craint de ne plus vous y trouver. Je passe un jour à Bruxelles, vendredi, et verrai Lemmen. Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde et à mesdemoiselles Nele et Lene. Votre dévoué HdeKessler. samedi: Tatsächlich war Kessler am Samstag, den 29. März 1902, noch in Brüssel und erst am Tag darauf wieder in Berlin. votre départ: Kessler konnte van de Velde nicht mehr in Berlin antreffen, denn van de Velde war am 22. März nach Weimar gezogen (vgl. Anm. Brief 106). à Bruxelles: Kessler war am 29. März 1902 in Brüssel. Im Tagebuch präzisierte er: »Lemmen bei mir. Type besprochen. Nachher mit ihm gefrühstückt und in der Libre Esthétique.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.3.1902).
113 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Brüssel/Berlin, 29./30.3.1902 AML, FSX 504/42, Brief
Bruxelles ce 29 mars 1902. Cher ami Merci de votre bonne lettre, de la ›Ansichtspostkarte‹ et du télégramme, que je reçois en arrivant ici. J’ai appris avec beaucoup de plaisir et quelques regrets votre installation à Weimar. J’avais compté passer quelques bonnes soirées avec vous à Berlin, avant votre départ. Il faudra maintenant que je vienne à Weimar me les faire accorder par madame VandeVelde, dans son nouveau home. Car c’est un vrai home, cette fois, et non pas un campement comme à Berlin; je l’espère, et j’en suis sûr. Olde me paraît très bien choisi pour la Kunstschule. Comme homme, c’est un parfait gentleman et un être de valeur. Comme artiste, il apprendra de vous; il faudra que vous l’influenciez; c’est maintenant un de vos principaux devoirs envers Weimar et envers la culture que vous rêverez. Et comme il est intelligent et chercheur, vous aurez sans trop de difficultés de la prise sur lui. Egoïstement parlant, je vois en Olde cet autre avantage, que c’est le seul artiste allemand de valeur qui serait possible à la Kunstschule, avec moi comme directeur général au ministère, si jamais on y pensait, pour coordonner l’enseignement artistique supérieur, l’enseignement primaire, les musées et les commandes officielles. Je crois que dans deux ou trois ans, quand vous l’aurez suffisamment travaillé, il formerait très bien groupe avec nous. Et aussi comme
Briefe und Kommentare 281
artiste, je crois qu’il a de l’étoffe et que sous l’impulsion qu’il recevra de vous, il produira des choses qui auront une valeur d’art en elles-mêmes. J’ai été très frappé à la Libre Esthétique de ce que vous avez fait de Curt Hermann [sic]. Son ›Château de Pretzfeld‹ est presque d’un artiste. Et Dieu sait s’il promettait peu. L’exposition est du reste intéressante. Quelques très beaux Minne, dont une grande statue de bourgmestre pour l’Hotel de Ville de Bruxelles, une belle collection de Lautrec, quelques artistes anglais de talent, malheureusement toujours un peu trop peigné, comme tout ce qui est anglais. Une tâche très désagréable à l’exposition, c’est une formidable collection d’un certain Willy Schlobach, qui rappelle ce qu’il y a de pire chez Schulte. Enfin, c’est toujours une des expositions les mieux faites que je connaisse. Lemmen n’y a pas exposé. Mais il paraît qu’il est en train de faire des tapis de toute beauté. Berlin, ce 30 mars 1902. Cher ami, je rentre à l’instant et trouve votre lettre. Je suis très flatté des bonnes intentions de ces messieurs. Mais je ne tiens pas du tout à me présenter à Weimar, tous les deux mois, en candidat perpétuel. Qu’on me fasse des propositions, et je répondrai. Mais pour le moment, je considère tout comme absolument rompu, et si je viens à Weimar, c’est uniquement pour vous voir et voir madame FörsterNietzsche. Je tiens beaucoup à ce qu’il n’y ait aucun malentendu à ce sujet. Le ridicule ne m’agrée aucunement et je ne suis pas fait aux rôles de parent pauvre; je n’en ai ni l’habitude ni talent. Vous pouvez, du reste, répéter ceci à qui vous voudrez. Maintenant parlons ›affaires‹. Il me semble absolument nécessaire que nous nous voyions et que je voie madame Förster-Nietzsche. Je préférerais infiniment que ce ne fût pas à Weimar. Mais si nous ne pouvons nous donner rendez-vous autre part, je viendrai à Weimar, pourvu qu’il soit absolument entendu et dit à Rothe, Palézieux etc. que ce n’est pas en candidat, mais uniquement pour des affaires ayant rapport au Zarathoustra [sic] et au buste Nietzsche, qui demandent à être traitées de vive voix. J’attends votre réponse, pour préciser les dates. Je vous envoie, du reste, ma lettre de Bruxelles, telle quelle, pour que vous voyiez que j’approuve pleinement le choix de Olde, sans aucune arrière pensée. Veuillez présenter mes respects, cher ami, à madame Van de Velde ainsi qu’à madame Förster et saluer très sincèrement Olde, de ma part. Très affectueusement HdeKessler. lettre ... Ansichtspostkarte ... télégramme: Diese drei Dokumente sind im Nachlass Kesslers nicht überliefert.
282 Edition und Kommentar nouveau home: Ende März bezog die damals noch fünfköpfige Familie van de Velde ihre neue Wohnung in der Cranachstraße 11 (ab 1906 Nr. 23). Das Haus befand sich im wohlsituierten Villenviertel Weimars, war gerade bezugsfertig geworden und wurde von der Eigentümerin Frau Kindorf an die Familie vermietet. Aufgrund der prekären Geldknappheit musste van de Velde mit der zeittypischen Surrogat-Architektur des Hauses und dem konventionellen Zuschnitt der Räume vorlieb nehmen (vgl. Velde 1962, S. 207). Olde: Hans Olde (1855–1917), Maler, Mitglied der Berliner Secession, Gründungsmitglied des Deutschen Künstlerbundes (1903). Hans Olde wurde nach langen Verhandlungen und auf Empfehlung von Leopold Graf von Kalckreuth als Nachfolger von Werner Graf von Schlitz (gen. von Görtz) zum neuen Direktor der Weimarer Kunstschule berufen. Sein Dienstantritt erfolgte am 1. April 1902. Kessler kannte Olde seit 1897 im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe an Olde, den kranken Philosophen Friedrich Nietzsche für die Kunstzeitschrift ›Pan‹ zu porträtieren. directeur général au ministère: Während seines Aufenthalts in Weimar schreibt Kessler am 4. April 1902 dazu: »[...] Palézieux [...] erzählte mir von der Absicht, die Permanente Ausstellung in ein ganz modernes Museum umzuwandeln und fragte mich, ob ich nicht in das Curatorium eintreten wolle. Man wolle mich gern in Weimar haben, das sei dann ein Anfang, an den sich Weiteres schliessen lasse. Ich sagte ihm, dass ich zwar gern in das Curatorium eintreten wollte, aber mit dem A. A. in Unterhandlungen stünde und daher nicht ganz frei sei. – Abends die Unterredung mit Rothe. Er fragte mich, welche Stellung ich in Weimar wünschen würde und bot mir sofort eine Professur in Iena an. Diese lehnte ich ab und skizzierte ihm, was ich mir denke, nämlich eine Art Oberleitung aller Kunstbestrebungen im Grossherzogtum. [...] Die Thätigkeit würde also dreifach sein: organisatorisch (Schulen), administrativ (Museen), akademisch (Vorträge).« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.4.1902). la Libre Esthétique: Bezieht sich auf die Ausstellung der ›Libre Esthétique‹ in Brüssel, die jährlich im März stattfand (vgl. Maus 1926, S. 267). Curt Herrmann: Curt Herrmann hatte durch Vermittlung van de Veldes erstmals 1898 am Salon der ›Libre Esthétique‹ in Brüssel teilgenommen. 1902 reichte er aktuelle Arbeiten ein, die Kessler Anfang Februar 1902 begutachten sollte (Curt Herrmann an Harry Graf Kessler, 31.1.1902, in: Bothe 1989, Brief 57, S. 357). Minne: Eines dieser Werke von Georges Minne war die Statue ›Le Bourgmestre Francquaert‹, über die Madeleine Maus schrieb: »Cette oeuvre, ainsi qu’une figure de jeune garçon, confirme l’évolution de Minne vers un art toujours plus vivant.« (Maus 1926, S. 272). collection de Lautrec: Henri de Toulouse-Lautrec war am 9. September 1901 verstorben. Die ›Libre Esthétique‹ gedachte seiner mit einer Serie von Werken (Maus 1926, S. 267). Willy Schlobach (1864–1951), deutsch-belgischer Maler. Der gebürtige Deutsche Schlobach gehörte seit 1884 zu den Gründungsmitgliedern der belgischen Künstlergruppe ›Les Vingt‹ und war 1884, 1886 bis 1889, 1893, 1902 und 1908 mit eigenen Werken im Salon der ›Libre Esthétique‹ in Brüssel vertreten (vgl. Maus 1926, S. 15, 39, 51, 61, 81, 141, 267, 381). 1902 präsentierte er u. a. die Gemälde ›Hiver; Nuit‹ und ›L’aurore‹ (vgl. Ausst. Kat. Libre Esthétique, 1902, o. S.). Schulte: Kessler bezieht sich auf die prominente Berliner ›Kunsthandlung Eduard Schulte‹ (Unter den Linden 1), die von den Inhabern Hermann und Max Schulte sowie Adolf Paulus geführt wurde.
Briefe und Kommentare 283 lettre: Der Brief van de Veldes ist im Nachlass Kesslers nicht überliefert. buste Nietzsche: Seit Ende Januar 1902 arbeitete Max Klinger an einer Bronzebüste von Friedrich Nietzsche. Sie wurde auf Basis der Totenmaske in ›verlorener Form‹ hergestellt und im Oktober 1902 in der Galerie Keller & Reiner erstmalig ausgestellt. Zugleich schwebte Kessler etwas anderes vor: »Es besteht der Plan, an das Nietzsche-Archiv einen Saal anzu bauen, in dem die Handbibliothek Nietzsches und seine Manuskripte Aufstellung finden würden. In diesem Saal sollte eine Nietzsche Büste stehen, um das Ganze zu einer Art von Nietzsche Denkmal zu gestalten. (Ich denke mir das Ganze als einen einzigen bis zum Erdboden reichenden Marmorblock in Gestalt einer Stele, auf der der Kopf als Büste sitzt. Die Preisfrage müsste im voraus entschieden werden, da es gilt, das Geld zusammenzubringen.« (Harry Graf Kessler an Max Klinger, 23.1.1902, StAN; vgl. Anm. Brief 114).
114 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 6.4.1902 AML, FSX 504/43, Brief
Berlin. 6 avril 1902. Cher ami Klinger me dit qu’il préfère ajuster son travail à l’éclairage que vous aurez créé que de faire régler l’éclairage de la pièce d’après le buste projeté. Mais il vous prie de lui faire parvenir une esquisse de la pièce et surtout de l’éclairage (des fenêtres). Le monument sera un grand bloc de marbre, de 2,25 de haut; le buste et le socle d’une seule pièce. Je pense qu’il faudra peut être faire une espèce de maquette, pour essayer l’éclairage, et aussi les proportions de l’installation et du buste, dans la salle même, avant les travaux définitifs d’aménagement. Il faudra aussi décider à quel bout de la salle devra se placer le buste. À moi, personnellement, il me semble que le bout qui est maintenant salon serait meilleur que le bout salle à manger, parcequ’on apercevrait le buste tout de suite en entrant, on entrerait vis[-]à[-]vis du buste, par l’autre bout de la salle; tandisque, s’il se trouvait du bout salle à manger, il faudrait faire un demi[-]tour à droite, en entrant, pour l’apercevoir. Autre question: ne faudrait-il pas surélever le bout de la salle où se placerait le buste, d’une marche, pour le séparer un peu du reste de la salle? Je vous prie d’étudier toutes ces questions, et d’envoyer, alors, à Klinger votre esquisse. Je me permets aussi de vous rappeler le Wasserzeichen pour le papier Zarathustra. Je suis encore sous le charme de votre installation, à Weimar. Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde.
284 Edition und Kommentar
Affectueusement HdeKessler. Je n’ai encore pas de nouvelles de Heymel ni de son homme d’affaires. Max Klinger (1857–1920), Maler, Radierer, Bildhauer, Professor der Kgl. Akademie der graphischen Künste in Leipzig, Aufsichtsrat ›Pan‹, Gründungsmitglied und Vizepräsident des Deutschen Künstlerbundes, Begründer der Villa Romana in Florenz. Kessler erachtete Max Klinger als eines »der grössten lebenden Genies« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.12.1894). Er kannte Klinger seit 1894 persönlich, besaß auch einige Arbeiten von ihm und widmete Klinger die erste Ausstellung im Rahmen seiner 1903 begonnenen Museumstätigkeit in Weimar (vgl. Anm. Brief 167). Die erste Begegnung zwischen van de Velde und Klinger dürfte Anfang 1901 in Leipzig stattgefunden haben (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.2.1901). Im Zuge der Neugestaltung des Weimarer Nietzsche-Archivs und der Gründung des Deutschen Künstlerbundes 1903 in Weimar unterhielten Klinger, Kessler und van de Velde fortan intensivere Kontakte. Diese sollten in weiteren gemeinschaftlichen Projekten gipfeln, die jedoch nie zur Ausführung gelangten. Klinger wünschte sich van de Velde für die Innengestaltung und Einrichtung des 1905 gegründeten Florentiner Atelierhauses Villa Romana, Kessler und van de Velde wiederum suchten Klinger 1911 für die Gestaltung der Reliefs für das geplante Nietzsche-Stadion zu gewinnen (vgl. Briefe 306, 308, 312). Einzig an der Ausführung des Abbe-Denkmals (1909–11) waren Klinger mit der Porträtbüste von Ernst Abbe und van de Velde als federführender Architekt ein weiteres Mal gemeinschaftlich beteiligt (vgl. Anm. Brief 202). une esquisse de la pièce: Im Februar 1902 äußerte Elisabeth Förster-Nietzsche gegenüber Henry van de Velde erstmals die Idee, das Erdgeschoss des Nietzsche-Archivs neu gestalten zu wollen. Im April hatte sie das Haus in der Luisenstraße 36 (heute Humboldtstraße), in dem sie seit 1897 wohnte, von ihrem Cousin Adalbert Oehler erworben. Anfang Mai 1902 wurde der Bauantrag zur Umgestaltung eingereicht. Der Architekt Rudolf Zapfe übernahm die architektonischen Detailzeichnungen, musste sich jedoch nach den Entwürfen van de Veldes richten, der als federführender Architekt den Auftrag erhalten hatte. Das gesamte Erdgeschoss wurde in seinen Strukturen innen und außen verändert und als Gesamtkunstwerk konzipiert. Im April 1903 fand die bauamtliche Schlussabnahme statt, im Juli waren die letzten Arbeiten beendet und am 15. Oktober 1903 erfolgte die feierliche Einweihung. Die hier erwähnte Skizze bezieht sich auf den Hauptraum des Archivs, den neuen Bibliotheks- und Vortragsraum. Dieser Raum galt als das eigentliche Zentrum des Archivs. Hier sollte die geplante Nietzsche-Herme einen zentralen und würdigen Platz erhalten. monument: Max Klinger, Friedrich Nietzsche, 1905 (Seravezza-Marmor, 238,5 x 46 x 37,5 cm, Eigentum: Klassik Stiftung Weimar, Inv. Nr. KPl/02140, Standort: Nietzsche-Archiv, Weimar: Bibliotheks- und Vortragsraum). Kessler erteilte Klinger im Februar 1902 den Auftrag für die Nietzsche-Herme. Dabei hatte er, wie aus diesem Brief hervorgeht, genaue Vorstellungen über Ausführung, Art und Aufstellung der Plastik. Sie sollte durchgehend aus einem Marmorblock gearbeitet, 2,25 m hoch, an einem zentralen Punkt im Raum platziert und durch eine Stufe erhöht werden. Klinger sah ursprünglich auf Kesslers Wunsch Paros-Marmor vor, den er persönlich in Griechenland auszuwählen gedachte, verwendete schließlich jedoch den kostengünstigeren Seravezza-Marmor aus der Toskana. Die Herme wurde erst 1905 fertig, weshalb Klinger zwischenzeitlich eine aus seinem Besitz stammende Büste Nietzsches zur Verfügung
Briefe und Kommentare 285 stellte und provisorisch installierte. Die feierliche Enthüllung der eigentlichen Archivherme im Bibliotheks- und Vortragsraum des Nietzsche-Archivs fand schließlich im Herbst 1905 statt. Zuvor war die Herme auf der Zweiten Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Berlin zu sehen. Van de Velde bezog die Marmor-Herme von vornherein konzeptionell in die Gesamtgestaltung ein. Gemäß dem Wunsch Kesslers erhielt sie einen erhöhten Platz auf einem flachen Holzpodest an der Westwand des Raumes vor einer matt durchleuchteten Fensterwand (vgl. Dietrich/ Erbsmehl 2004, S. 144–147, 156 f.). Wasserzeichen: Im Sinne einer Corporate Identity erhielt das Nietzsche-Archiv ein eigenes Logo, das von van de Velde gestaltete ›N‹ in einem Kreis. Es befand sich als Messingapplikation über dem Kamin des Bibliotheks- und Vortragsraums, auf den Knöpfen der Diener-Livreen, auf Broschüren, Tischkarten und auf Streichholzschachteln sowie schließlich auch als Wasserzeichen im Büttenpapier des ›Zarathustra‹. Alfred Walter (seit 1907: von) Heymel (geb. Walter Hayes Misch, 1878–1914), Dichter, Verleger, Mitbegründer der Münchner Zeitschrift ›Insel‹ und des Insel-Verlags, Sammler, Mäzen. Alfred Walter Heymel hatte Kessler und van de Velde im März 1900 während eines Aufenthalt in Berlin näher kennengelernt. Dank des großzügigen Erbes seines Adoptivvaters war Heymel seit 1898 sehr vermögend. Obwohl er zeitlebens einen überaus mondänen Lebensstil führte, subventionierte er im Gegenzug mäzenatisch Kulturprojekte, wovon auch Weimar in höchstem Maße profitierte. So stellte Heymel 1902/03 eine Hypothek in Höhe von 49.000 Mark für die Neugestaltung des Nietzsche-Archivs zur Verfügung, übernahm 1904/05 die Kosten für die Großherzog-Wilhelm-Ernst-Ausgabe und spendete 1905 insgesamt 50.000 Mark für den Ankauf von Kunstwerken für das Großherzogliche Museum für Kunst und Kunstgewerbe im Rahmen der ›Alfred-Walter-Heymel-Stiftung‹. Heymel wurde 1907 durch den bayrischen König in den Adelsstand gehoben. Als Mitbesitzer des Insel-Verlags förderte er die deutsche Buchkunst nachhaltig. Darüber hinaus war er selbst dichterisch tätig. Heymel erkrankte Ende 1913 schwer an Lungentuberkulose. In den letzten Tage vor seinem Tod wurde er von van de Velde gepflegt (vgl. Anm. Briefe 191, 368; Ausst. Kat. Marbach 1978; Neteler 1995).
115 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 8.4.1902 AML, FSX 504/44, Brief
Berlin 8 avril 1902 Cher ami Le cousin de Heymel m’écrit qu’il veut bien avancer les 30,000 M pour vos ateliers, si c’est une ›vernünftige Kapitalanlage‹. Il faudra donc que nous nous mettions d’accord sur la façon dont nous concevons l’affaire, pour pouvoir négocier avec Rothe, d’abord, et avec ce monsieur Voigt, ensuite. Voici ce qui m’apparaît comme équitable et possible pour les trois parties contractantes. 1° Verpachtung (bail) du terrain pour 30 années à vous à un taux fixe de mille Marks, par la Stiftung.
286 Edition und Kommentar
2° Permission de faire inscrire une hypothèque de 30 000 Marks en première place 3° Au bout de 30 ans vous auriez le droit a) ou de racheter le terrain à un taux qu’il faudra fixer d’avance, maintenant, b) ou bien de le laisser échoir à la Stiftung avec les bâtiments que vous aurez construits. 4° Assurance sur la vie qui met madame Van de Velde à l’abri, en cas de votre décès. Ceci vous donnerait donc, à vous, des ateliers ce vous grèvait d’un ›loyer‹ d’environ 2000 Marks par an (1000 M[ark] pour la Stiftung et 1000 pour l’hypothèque); et ne ferait courir aucun risque aux votres [sic], en cas de votre mort. La Stiftung y verrait son profit, en recevant tout de suite et pendant trente ans (à moins d’abandon de votre part; ce qui d’autre part lui rapporterait les bâtiments) un loyer très suffisant pour des terrains, aujourdhui [sic] sans valeur. Heymel est assuré par l’hypothèque. Le seul risque serait pour la Stiftung, au cas où vous ne pourriez pas payer les intérêts de l’hypothèque. Mais, au pis aller [sic], je suis prêt à donner ma garantie à la Stiftung contre cette perte. Quant au choix du terrain, si la Stiftung vous donnait une route d’accès, je preférèrais [sic] presque ceux sur la hauteur derrière la chapelle anglaise. Vous y pourriez prendre un terrain plus vaste (je pense que vous devriez avoir environ 5000 mètres), ce qui vous permettrait de vous étendre, en cas de besoin, et rassurerait mieux Heymel pour son Hypothèque. Le petit coin derrière votre maison n’a que 2500 ou 2700. En outre, la situation est infiniment plus belle sur la hauteur. Le cousin de Heymel viendra à Weimar vers la fin du mois. Je tâcherai d’y être un jour avant lui, pour pouvoir tout arranger avec Rothe. Et je vous prie de vouloir bien réfléchir aux propositions ci-dessus et de m’en donner votre avis. – Je joins une petite note en allemand contenant les conditions que je m’imagine avec un peu plus d’exactitude et de détail que dans cette lettre. – L’amortisation [sic] de l’hypothèque me semble indiquée. Cela vous grèverait de 1500 Marks par an à partir de la dixième année (1912), ce qui ne vous embarrassera pas beaucoup, alors, je pense. Présentez mes respects je vous en prie à madame Van de Velde et à madame Förster. Affectueusement HdeKessler. Vertragspunkte: 1. Verpachtung eines Grundstücks durch die Stiftung an Van de Velde auf 30 Jahre unkündbar seitens der Stiftung zu 1000 M[ark]. jährlich. 2. Einwilligung seitens der Stiftung zur Eintragung von 30000 M Hypothek an erster Stelle.
Briefe und Kommentare 287
3. Nach 30 Jahren wird entweder a) das Grundstück der Stiftung abgetragen zu einem jetzt sofort festzustellendem Preis oder b) es fällt an sie zurück mit den Gebäuden, die darauf stehen. Um diese zu sichern, steht der Stiftung in den letzten 10 Jahren das Recht zu, die Instandhaltung der Gebäude [zu] überwachen 4. Eintragung einer Hypothek von 30000 M zu 4ten an erster Stelle für Heymel, die vom 10ten Jahre ab in 20 Jahren zu amortisieren sein wird. 5. Lebensversicherung Van de Veldes über 30000 M[ark]. 6. Herrn Van de Velde soll jederzeit das Recht zustehen a) der Stiftung gegenüber, das Grundstück zu kaufen zu festgelegtem Preise b) Herrn Heymel gegenüber, die Hypothek mit 6 monatlicher Kündigung zurückzuzahlen. P.S. Il y aura bien, je pense, aussi à un petit traité spécial avec le Grand Duc, par lequel celui ci prendrait l’obligation de reprendre les ateliers et toutes vos charges y ayant trait au cas où il romprait ou ne renouvellerait pas son traité avec vous. Mais je pense qu’il y consentira sans peine, pour voir créer ces ateliers. Berlin, 8. April 1902 cousin … monsieur Voigt: Dr. jur. Robert Voigt (1865–1933), Rechtsanwalt und Notar, Gesellschafter des Insel-Verlags. Gemeint ist Robert Voigt, Stiefcousin von Alfred Walter Heymel und Schwager von Rudolf Alexander Schröder. les 30,000 M pour vos ateliers … Stiftung … hypothèque: Mit Arbeitsbeginn am 1. April 1902 besaß van de Velde zwar eine Anstellung jedoch noch keine eigenen Werkstätten. Offensichtlich bemühte sich vor allem Kessler gezielt um eine finanzielle Unterstützung. Wie aus dem vorliegenden Schreiben hervorgeht, fasste Kessler den Plan, eine Stiftung zu gründen und mit Hilfe einer von Alfred Walter Heymel zugesicherten Hypothek über 30.000 Mark Werkstätten zu errichten. Bereits im Januar hatten Kessler und van de Velde im Beisein von Staatsminister Rothe ein Grundstück hinter dem Blindenheim besichtigt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 16.1.1902). Auch ein kleines Areal hinter van de Veldes Haus in der Cranachstraße 11 (später 23) kam wohl in Betracht. Schon am 11. April 1902 nahm Kessler von seinem ursprünglichen Plan Abstand und ging auf van de Veldes Einwand ein, dass 6.000 Mark zur Gründung eigener Ateliers ausreichend und mit anteiliger Unterstützung von Karl Ernst Osthaus, Lina Herz und ihm selbst tragbar seien (vgl. Kartenbrief 116). Kurz darauf würdigte Kessler van de Veldes »Sinn für Realität« (vgl. Brief 117). Der Belgier wollte offensichtlich keine Risiken eingehen und sich keinesfalls an eine längerfristige Hypothek binden. Im Juli 1902 bekam van de Velde unabhängig von der Kunstschule im nahegelegenen Prellerhaus und im Atelier Martersteigs eigene Atelierräume zugewiesen (vgl. Brief 126; Wahl 2007, S. 14 f.). Am 17. September 1902 vermeldete die Weimarische Zeitung, dass das Kunstgewerbliche Seminar über ein Privatatelier, ein Schüleratelier und ein Seminar für die Hebung des Kunstgewerbes verfüge. Am
288 Edition und Kommentar 15. Oktober 1902 erfolgte schließlich die offizielle Eröffnung. Van de Velde erhielt ein Jahresgehalt von 6.000 Mark. Seine Anstellung war zunächst auf drei Jahre befristet. la chapelle anglaise: Von Rudolf Zapfe entworfene und 1899 eingeweihte englische bzw. anglikanische Kirche ›Saint Michael and All Angels‹ (heute Kreuzkirche). Das Bauland hatte Großherzog Carl Alexander kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Kirche befand sich im Westen von Weimar in der Kirschbachstraße (heute William-Shakespeare-Straße) und war von Ackerland umgeben.
116 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 11.4.1902 AML, FSX 504/45, Kartenbrief
Berlin ce 11 avril 1902. Cher ami, 6000 M[ark]. me semblent devoir amplement suffire à l’établissement que vous créeriez. Mais, évidemment, cette charge est lourde, pour vous, et je vous propose donc ceci. Je suis prêt à m’engager à vous payer 1000 (mille) Marks par an, pendant un certain nombre d’années, si vous trouvez deux autres souscripteurs pour payer la même somme pendant le même temps. Je pense que Olshausen [sic] (je veux dire, le jeune homme de Hagen) ne peut pas vous refuser ce sacrifice, minime pour sa fortune, en vue du but à atteindre. Comme troisième, je proposerais Hermann [sic] (c’est[-]à[-]dire, madame Herz), qui aussi vous doit tant pour son art. Si le gouvernement de Weimar vous subventionne de 1500 Marks (ce qui me semble portable) vous n’auriez donc plus à supporter que 1500 M[ark]. qui seraient amplement couverts par vos élèves. Je trouverais opportun, que vous parliez à Olshausen [sic] de ceci maintenant, pour savoir à quoi s’en tenir vis[-]à[-]vis de Heymel quand son représentant viendra à Weimar. Le Wasserzeichen me satisfait pleinement. La page assure la grandeur que nous avons mesurée ensemble, c’est[-]à[-]dire celle du Probedruck, que vous devez avoir. Affectueusement HdeKessler. Kartenbrief: Der Kartenbrief ist vorderseitig adressiert an »Herrn Henry van de Velde. Cranachstrasse. Weimar. Gh. Sachsen« und trägt neben den Poststempeln »Berlin W. 11.4.02/1112V.« und »Weimar 11.4.02-5-6N« den Vermerk »Per Eilboten bestellen. Bote bezahlt«. l’établissement: Den Traum einer Lehranstalt konnte van de Velde erst ab 1905/06 mit dem Bau eines eigenen Lehr- und Werkstattgebäudes, der 1908 gegründeten Kunstgewerbeschule, verwirklichen. Bis 1906 musste van de Velde mit einem Provisorium im Prellerhaus vorlieb
Briefe und Kommentare 289 nehmen, das jedoch neben einem Privatatelier über ein Schüleratelier und Werkstätten für Zeichner und Modelleure verfügte. Olshausen [sic]: Karl Ernst Osthaus (1874–1921), Kunstvermittler, Kulturhistoriker, Sammler, Mäzen, Verleger. Karl Ernst Osthaus, Gründer des Folkwang-Museums in Hagen und Begründer des sogenannten ›Hagener Impulses‹, gehörte zu den wichtigsten deutschen Kunstmäzenen und Kulturpolitikern des beginnenden 20. Jahrhunderts. Dank seines elterlichen und großelterlichen Vermögens konnte er in Hagen zahlreiche städtebauliche und kulturelle Projekte verwirklichen und namhafte Künstler dafür gewinnen. Karl Ernst Osthaus wurde durch die ›Dekorative Kunst‹ auf van de Velde aufmerksam, dem 1898 das Oktoberheft in Gänze gewidmet war. Osthaus, seit 1899 mit Gertrud Colsman (vgl. Brief 298) verheiratet, besuchte van de Velde im Frühjahr 1900 erstmals in Haus Bloemenwerf und beauftragte den Künstler daraufhin mit dem Innenausbau und der Ausstattung seines im Rohbau befindlichen FolkwangMuseums, das schließlich im Juli 1902 mit großem öffentlichen Interesse eröffnet wurde. Es folgte der Auftrag zum Bau des eigenen Hauses ›Hohenhof‹ (1906–08), das van de Velde als stilvolles Gesamtkunstwerk konzipierte. Zudem vermittelte Osthaus eine Vielzahl weiterer Aufträge an den Künstler und organisierte im Zusammenhang mit dem 1909 gegründeten ›Deutschen Museum für Kunst in Handel und Gewerbe‹ zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, an denen auch van de Velde und Schüler der Weimarer Kunstgewerbeschule immer wieder mit eigenen Arbeiten vertreten waren. Im Gegenzug profitierte Osthaus in nicht geringem Maße von van de Veldes exquisitem Sachverstand auf dem Gebiet der zeitgenössischen Malerei und verdankte dem Belgier zahlreiche Künstlerkontakte. Osthaus verehrte van de Velde in hohen Maße und widmete ihm aus diesem Grund 1920 die erste van de VeldeMonographie (Osthaus 1920). Kessler lernte Osthaus, dessen Namen er im vorliegenden Brief noch falsch schreibt, erst im November 1902 persönlich kennen. Die Kontakte hielten sich fortan eher in Grenzen. Als Kessler Osthaus im Dezember 1907 in Hagen besuchte, notierte er: »Bei Osthaus. Melancholie der Stadt, des Rauchs, der Menschen, der Osthaus selbst. Er, seine Frau, Harkorts, wie lauter Schemen, überzüchtet, fin de race.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 15.12.1907). madame Herz: Lina Herz (geb. Kohn, 1848–1934), Kunstsammlerin, Geschäftsfrau. Lina Herz, Schwiegermutter des Malers Curt Herrmann, gehörte als vermögende Bankierstochter und früh verwitwete Gattin des Rechtsanwalts Dr. Joseph Heinrich Herz zu van de Veldes frühen Berliner Kundinnen und förderte von 1897 bis 1900 mehrfach die Henry van de Velde-G.m.b.H. durch größere Darlehen.
117 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 15.4.1902 AML, FSX 504/46, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
le 15 avril 1902. Cher ami C’est vous qui avez raison, et j’admire une fois de plus votre sens de la réalité. Il vaut mieux commencer sans éclat et sans risques, pour fonder, ce qui
290 Edition und Kommentar
devra se fonder plus tard, plus profondément et plus surement [sic]. Mais il ne faudra pas perdre de vue que le but ne sera atteint, que quand votre conception de vie et votre conception du travail seront réalisées de nouveau dans une nouvelle demeure et de nouveaux ateliers, visibles et non pas seulement intelligibles. Car je crois que rien ne vaut l’exemple, la réalité visible et viable. Et ce ne seront toujours que des reflets plus ou moins pâles de votre pensée que vous pouvez enseigner, tant que cette réalité ne sera pas là, pour susciter la foi. Enfin, ajournons ce rêve de deux ou trois années, et nourrissons[-]nous de ce qui peut se faire, en attendant. J’espère que vous aurez l’amitié de m’informer, dès que vous serez fixé sur le choix de vos ateliers. Je ne pourrai probablement pas venir à Weimar avant la seconde moitié de la semaine prochaine (le 25 ou le 26). Y serez-vous encore, alors? Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde et à madame Förster. Affectueusement HdeKessler. ateliers: Vgl. Anm. Briefe 115, 116.
118 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 19.4.1902 AML, FSX 504/47, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
19.IV.1902. Cher ami Le cousin de Heymel, le docteur Voigt, m’écrit qu’il vient à Berlin mercredi et qu’il sera à Weimar dans la seconde moitié de la semaine. Je dois donc lui dire que momentanément il n’y a pas lieu de donner l’hypothèque pour vos ateliers, n’est[-]ce pas? – J’ai, en outre, à vous dire de la part de mons[ieur]. de Mutzenbecher, qu’il sera à Berlin du 5 au 12 mai, avec sa jeune femme, et qu’il désirait beaucoup vous voir ici un de ces jours. Il pense peut-être pouvoir se défaire de son architecte, et alors pouvoir vous confier l’exécution de ses salons, en plus de la salle à manger. Je l’ai beaucoup engagé à s’arrêter à Weimar au cours de son voyage de noces, pour voir votre installation et se rendre compte de ce que vous faites maintenant. Veuillez présenter mes compliments à madame Van de Velde et aux bébés.
Briefe und Kommentare 291
Affectueusement HdeKessler. Voigt: Vgl. Anm. Brief 115. de Mutzenbecher: August Victor (ab 1903: Freiherr) von Mutzenbecher (1857–1918), Rittergutsbesitzer des Guts Polgsen bei Wohlau, Geschäftsmann, Kunstsammler. Victor von Mutzenbecher, Korpsbruder von Kessler und Bodenhausen sowie Freund von Julius MeierGraefe, hatte van de Velde bereits 1898 mit der Teilmöblierung seiner Berliner Junggesellenwohnung in der Roonstraße 1 beauftragt. Nach der Heirat mit Pauline Emilie (ab 1903: Freifrau) von Mutzenbecher (geb. Levé) und dem Umzug in die Herwarthstraße 3a erweiterte er das Ensemble 1902. Wie aus einem Brief vom 30. April 1902 an Maria van de Velde hervorgeht, erstellte van de Velde in Zusammenarbeit mit seinem schwedischen Mitarbeiter Hugo Westberg hierzu Zeichnungen (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 30.4.1902, AML, FSX 786). Bei dem im Brief genannten Esszimmer handelt es sich um das 1903 in der ›Innen-Dekoration‹ abgebildete und mit ›Herr M. Berlin‹ betitelte Speisezimmer (Innen-Dekoration 1903, XIV, S. 258 f.).
119 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 22.4.1902 AML, FSX 504/48, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher ami Puisque vous venez à Berlin, je préfère vous y attendre, à moins qu’il n’y ait nécessité que j’aille à Weimar pour l’Hypothèque de madame Förster[-]Nietzsche; ce que je ne pense pas. Si je dois faire le voyage, je vous télégraphierai. Sans ça, je vous attends vendredi. Pouvez-vous déjeuner ou dîner, ou les deux, ce qui serait tout à fait charmant de votre part, vendredi? Nous irions ensemble alors à l’ouverture de la Sezession, samedi. Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde. Affectueusement HdeKessler. ce 22.IV 1902. Hypothèque de madame Förster Nietzsche: Alfred Walter Heymel gewährte Elisabeth FörsterNietzsche eine Hypothek von zunächst 26.000 Mark für die Umgestaltung des NietzscheArchivs und erhöhte diese 1903, nachdem die Umbaukosten höher ausfielen, auf insgesamt 40.000 Mark (Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 23.6.1903, DLA, in: Föhl 2013, S. 455).
292 Edition und Kommentar vendredi: Van de Velde leistete Kesslers Einladung Folge und fand sich am Freitag, den 25. April 1902, zusammen mit Robert und Lina Voigt bei Kessler zum Essen ein (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 25.4.1902). ouverture de la Sezession: Bezieht sich auf die 5. Kunstausstellung der Berliner Secession in Berlin.
120 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 4.5.1902 AML, FSX 504/ohne Signatur, Brief
Paris ce 4 mai 1902. Cher ami Je reviens de ma première visite au Salon des Indépendants. J’en suis très frappé. Il y a trois ou quatre œuvres de tout premier ordre. La plus belle de toutes, un Cross absolument inouï; des petites femmes nues se baignant dans un grand paysage de mer et de pins parasols. Il y a la même différence entre ce tableau et ceux de chez moi et de C[urt]. Herrmann qu’entre ceux-ci et les Cross, d’avant. Il me semble que Cross s’est élevé ici à une hauteur que n’avait pas encore atteinte le Néo Impressionnisme. Il a résolu un problème dont Cézanne s’est préoccupé toute sa vie, sans le résoudre; la beauté de couleur d’un corps nu vibrant dans un grand paysage ensoleillé [sic]. C’est extraordinaire. Malheureusement ce tableau est déjà vendu; sans ça il aurait fallu voir à nous l’assurer d’une façon ou d’une autre pour Weimar. La seconde toile qui m’a frappé comme une œuvre exceptionnelle, est un Signac, une matinée brumeuse sur la Seine. Il me semble que Signac n’a jamais fait rien d’aussi parfait, d’aussi raffiné de lignes et de couleurs. C’est d’une délicatesse colorée et d’une noblesse de composition que certes personne n’a dépassées. Tertio, il y a un Vuillard, une toute petite vue de Cannes, qui est une pure merveille. Trois chefs d’œuvre pour une exposition, il faut convenir que c’est beaucoup, je crois, et jamais les ›Salons‹ n’ont atteint ce chiffre. J’ajoute une petite toile de Maurice Denis, une jeune femme nue donnant à manger des raisins à un amour, dans un intérieur d’un raffinement de couleurs extraordinaire. Et tout autour, il y a toute une phalange de jeunes talents. Cette vitalité de l’art français me ravit vraiment et me stupéfait. Que n’avons[-]nous quelquechose [sic] d’approchant, en Allemagne! La jeune école de Berlin promet; mais pour quand? Vivrons[-]nous encore? Et, ici, le public est d’une indifférence telle, qu’il ne mérite vraiment pas cette richesse. Presque rien n’est vendu; et on n’entend que propos [?] idiots et rires, aujourd’hui; dimanche. Veuillez saluer madame Vandevelde et les bébés.
Briefe und Kommentare 293
Votre dévoué HdeKessler. Salon des Indépendants: Anlässlich seines Besuches des ›Salon des artistes indépendants‹ notierte Kessler am 4. Mai 1902 in sein Tagebuch: »Nachmittags in die Indépendants Ausstellung. Einige sehr bedeutende Werke. Von Signac Brume du Matin (Samois), das ich gleich für 1000 frcs kaufte. Von Cross eine Landschaft mit nackten badenden Frauen von höchster Leuchtkraft. [...] Von Vuillard eine ganz kleine Ansicht von Cannes, die entzückend delikat Weiss, Blau und Rosa gegeneinander abstimmt. Von Denis eine nackte liegende Frau, die einem Amor Trauben reicht. Auch sonst viel Interessantes und Bedeutendes.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.5.1902). Die ›Exposition de la Société des artistes indépendants‹ fand vom 29. März bis zum 5. Mai 1902 in der Grande serre de l’Alma am Cours-la-Reine statt. Cross: Henri Edmond Cross, La plage de Saint-Clair, 1901 (Öl auf Leinwand, 68 x 92 cm, sign. u. dat.: »Henri Edmond Cross 1901«, Privatbesitz, Compin 1964, Nr. 96, S. 190 f.) Cross verkaufte ›La plage de Saint-Clair‹ an Felix Fénéon und führte 1902 in Anlehnung an dieses Gemälde ›La plage ombragée‹ für Kessler aus (vgl. Brief 131). Nach derzeitigem Kenntnisstand gehörte auch van de Velde zu den Besitzern von ›La plage de Saint-Clair‹. Er erwarb das Gemälde zusammen mit ›Les Rochers – Les Baleines‹ für 8.000 Francs (vgl. Velde 1995, S. 270, Anm. 2). un Signac: Paul Signac, Samois. Brume du Matin, 1901 (Öl auf Leinwand, 74 x 92,5 cm, sign. u. dat.: »P. Signac 1901«, Nationalgalerie Prag, Inv. Nr. 011032, Meier-Graefe 1904, Bd. III, S. 105; Cachin 2000, S. 253, Kat. Nr. 370; Walter 2001, S. 92). Kessler erwarb das Gemälde am 4. Mai 1902 für 1.000 Francs (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.5.1902). Er stellte es für die von Cassirer initiierte und von Curt Herrmann organisierte Wanderausstellung ›Deutsche und Französische Neo-Impressionisten‹ zur Verfügung, die im Winter 1902/03 in Berlin, im Januar 1903 in Hamburg und im August 1903 unter Kesslers Ägide in Weimar Station machte (vgl. Cachin 2000, S. 253). une petite toile de Maurice Denis: Maurice Denis, Femme nue (auch: ›Femme couchée‹), 1901/02 (Technik und Maße nicht bekannt, Kriegsverlust, Bothe 1989, S. 76; Schäfer [Diss. in Bearbeitung]). Curt Herrmann erwarb das Gemälde ›Femme nue‹ 1902 nach der Ausstellung des ›Salon des Indépendants‹ (Nr. 565) direkt von Maurice Denis (vgl. Denis, Maurice: Carnet de dons et ventes, Heft 1 und 2, Privatbesitz). Auch unter dem Titel ›Nach dem Bade‹ bekannt, wurde das Bild 1903 in der Berliner Galerie Cassirer ausgestellt und von Hans Rosenhagen als eines der schönsten dort ausgestellten Werke gewertet (Der Tag, 19.2.1903; vgl. Bothe 1989, S. 76).
121 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 15.5.1902 AML, FSX 504/49, Brief
Paris ce 15.V.1902. Cher ami Bien merci de votre lettre et les photographies, qui m’ont désiré un grand
294 Edition und Kommentar
plaisir de voir les originaux. Il y a des détails et des formes de chapiteaux de premier intérêt. Quel dommage que ça soit caché dans ce coin perdu! Ce que vous m’écrivez de Stuttgart m’a assez vivement surpris. Je ne pense pas à y aller! Qu’y ferais-je, sans vous, sans connaissances, sans artistes, sans sympathies, sans rien? Ce serait une folle aventure. Et du reste les Wurtembergeois (je ne connais pas le pays) me sont peu sympathiques! Ils sont épais et retors, d’une sentimentalité qui n’empêche pas beaucoup de calcul, et d’une lourdeur, qui elle, malheureusement, n’est atténuée par aucun dessous. Les Hermans et les Spitzembergs sont des exceptions, et du reste, nullement de jeune race Souabe. Si je fais quelque chose [sic], ce sera avec vous et, j’espère, à Weimar. Mais je crois qu’il ne serait pas mauvais que vous parliez un peu de ce projet de Stuttgart à Weimar. Ça facilitera mes négociations et ma position. Je vous en serais reconnaissant. Madame VandeVelde m’a écrit une lettre très aimable, à laquelle il m’a été impossible de répondre jusqu’aujourdhui [sic]. Je compte lui écrire et la remercier de la bonté qu’elle a eue de me chercher un appartement, demain. Vous ne vous imaginez pas le tourbillon dans lequel j’ai vécu. J’ai accompagné Tschudi et Curt Herrmann dans leurs courses, et maintenant, ils m’ont laissé leurs achats pour que je les réunisse et les expédie. Ça me fait une vie de petit commis emballeur, en sens de ce que j’ai à faire pour moi même. Tschudi a acheté des esquisses et des toiles à Signac (7 esquisses de toute beauté), à Vuillard, à Denis; il est en train d’acheter, par mon entremise, un Toulouse Lautrec; et il a commandé l’Age d’Airain à Rodin. C’est tout un petit musée moderne! Herrmann aura une très belle exposition, je pense. Il a été très bien accueilli partout. Nous avons eu une aventure extraordinaire avec le Natanson de l’Avenue du Bois de Boulogne. Il nous a pour ainsi dire mis à la porte, Tschudi, Herrmann et moi. Nous avons beaucoup ri. C’est un goujat d’une espèce rare, et il s’est montré dans sa plus belle manière pour notre plus grand plaisir. Bien affectueusement HdeKessler. Je serai à Londres, Hotel Cecil, de dimanche à jeudi, et à Berlin, vendredi ou samedi. de Stuttgart: Das Schreiben von van de Velde aus Stuttgart ist in Kesslers Nachlass nicht nachweisbar. Van de Velde hielt sich Ende April und Anfang Mai 1902 in Düsseldorf auf, um seinen Saal für die ›Deutsch-Nationale Kunstausstellung‹ einzurichten, und reiste von dort aus weiter nach Stuttgart zu Benno von Herman-Wain (vgl. Anm. Brief 107). Dort wurde ihm offensichtlich kolportiert, Kessler habe Ambitionen, an den Stuttgarter Hof zu gehen. Hermans: Bezieht sich auf die württembergische Familie von Herman-Wain aus Wain in der Nähe von Biberach (vgl. Anm. Brief 107). Spitzembergs: Kessler bezieht sich hier auf die Familie von Spitzemberg, namentlich auf Hildegard Freifrau von Spitzemberg, die als gebürtige Schwäbin mit ihrem Ehemann, dem württembergischen Gesandten Carl Freiherr Hugo von Spitzemberg, in Berlin lebte und seit 1870 einen
Briefe und Kommentare 295 eigenen, exklusiven Salon in Berlin führte (vgl. Vierhaus 1961). Ihr Sohn, Lothar Freiherr von Spitzemberg, war mit Kessler eng befreundet (vgl. Anm. Briefe 35, 41, 55). lettre: Der Brief von Maria van de Velde hat sich nicht erhalten. un appartement: Seit April 1902 stand Kesslers Entschluss fest, sich ebenfalls in Weimar niederzulassen. Van de Velde vertraute deshalb am 30. April 1902 seiner Frau an: »Ceci un secret (de Kessler viendra cet hiver à W[eimar]. et il voudrait que tu t’informes s’il y a dans l’une ou l’autre villa près de nous, un rez de chaussée de préference [sic] à louer).« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 30.4.1902, AML, FSX 984). Maria van de Velde hielt daraufhin nach einer geeigneten Wohnung für Kessler Ausschau und berichtete am 1. Mai 1902 ihrem Mann: »Il y a dans la villa entre la gde et la pte de Sömmering un rez de chaussée à 700 m et un premier à 800 m à louer. Le r.d.ch. habitable dans 3 semaines; le 1er étage dans 15 jours. Le rez de ch. de la grande villa est aussi à louer.« (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 1.5.1902, AML, FSX 786). Kessler entschied sich schließlich für eine Mietwohnung in der Cranachstraße 3 (vgl. Anm. Brief 124). demain: Kessler antwortete Maria van de Velde am 18. Mai 1902 (vgl. Brief 122). accompagné: Kessler begleitete Hugo von Tschudi und Curt Herrmann Anfang Mai 1902 auf eine ›Künstlertournee‹ nach Paris (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 5./6./8.–11.5.1902). à Signac: Hugo von Tschudi erwarb Ölstudien der ›Seine bei Samois‹ (Neue Pinakothek, München) sowie aquarellierte Landschaftszeichnungen (Kupferstichkabinett SMPK, Berlin) von Paul Signac (vgl. Ausst. Kat. Berlin 1996/1997, S. 200–203). à Denis: Maurice Denis, Landschaft bei Fiesole, 1897/98 (Öl auf Pappe, 18,3 x 41,2 cm, bez. u. re.: »MAVD«, München, Neue Pinakothek, Inv. Nr. 8655, Ausst. Kat. Berlin 1996/1997, S. 240f). l’Age d’Airain: Auguste Rodin, Das Eherne Zeitalter, 1875/76 (Bronze, 180 x 66 x 52 cm, Berlin, SMPK, Nationalgalerie, Inv. Nr. B I 197, Ausst. Kat. Berlin 1996/1997, S. 166f). Die Bronze ›Das Eherne Zeitalter‹ konnte schließlich 1903 als Geschenk von Karl von Wesendonk für die Berliner Nationalgalerie erworben werden (vgl. Ausst. Kat. Berlin 1996/1997, S. 166). Natanson: Alexandre Natanson (1867–1936) französischer Kunstkritiker polnischer Herkunft, Anwalt, Kunstsammler. Alexandre Natanson war Mitbegründer und Mitinhaber der einflussreichen französischen Kunst- und Literaturzeitschrift ›La Revue Blanche‹ und lebte in einem vornehmen Pariser Privathaus in der Avenue du Bois de Boulogne 60 (heute Avenue Foch), wo ihn Kessler, Herrmann und von Tschudi Anfang Mais 1902 besuchten. Van de Velde hatte dort 1899 zwei Zimmer ausgestaltet. Londres: Kessler kam am Montag, den 19. Mai 1902, in London an und blieb dort bis Anfang Juni 1902 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler). Berlin: Kessler reiste im Mai 1902 nicht mehr nach Berlin zurück (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler).
296 Edition und Kommentar
122 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, Paris, 18.5.1902 AML, FSX 504/50, Brief
Paris ce 18 mai 1902. Chère madame Je vous remercie infiniment de la peine que vous vous êtes donnée pour mon logis, et je vous demande pardon de ne vous répondre qu’aujourdhui [sic]; mais j’ai été véritablement écartelé par tout ce que j’ai dû faire ici. Je pense être à Weimar dans 10 à 12 jours, pour, alors, prendre mes résolutions. Les expositions sont très intéressantes, cette année[-]ci, à Paris. Les Indépendants ont été tout à fait remarquables, et nous avons, en ce moment, une exposition d’ensemble de l’œuvre de Toulouse Lautrec, chez Durand Ruel, qui augmentera encore l’admiration qu’on doit avoir pour ce très grand artiste. En outre, il y a eu deux premières Maeterlinck: l’une, hier soir, de son nouveau drame, Monna Vanna, que je n’aime pas énormément: et l’autre de Pelléas et Mélisande, mis en musique par Debussy, qui est une pure merveille. C’est l’Opéra Comique qui l’a montré, et j’ai rarement vu une représentation, où tout, paroles, musique, acteurs, décors, ont été si parfaits et si un. La musique de Debussy me semble tout à fait remarquable. C’est peut-être ce qui a été écrit de plus intéressant et de plus nouveau pour la scène depuis Parsifal. Ça découle de Wagner, surtout du troisième acte de Tristan. Mais la facture en est tout de même très différente, plus souple, moins rigide, impressionniste dans le sens exact du mot. La mélodie, ainsi que nous l’entendions, est presque absente; mais je n’ai pas eu un seul moment d’ennui ou d’inattention. Et cette grisaille musicale, qui ne se hausse presque jamais jusqu’à la mélodie, convient bien à la psychologie mobile et rudimentaire des êtres de Maeterlinck. Ça m’a un peu rappelé Ansorge, que, probablement, vous connaissez. Il faudrait que Vignaux [sic] monte ce drame à Weimar. J’espère que Henry vous est revenu en bonne santé et qu’il prendra un peu de repos, après ses courses en chemin de fer. Agréez, chère madame, l’expression de mes sentiments les plus respectueux. HdeKessler. Je serai à Londres, à l’Hotel Cecil de lundi à samedi. mon logis: Vgl. Anm. Briefe 121, 124. Les Indépendants: Vgl. Anm. Brief 120. Toulouse Lautrec, chez Durand Ruel: Die retrospektive Werkschau mit dem Titel ›Éxposition H.
Briefe und Kommentare 297 de Toulouse-Lautrec‹ fand vom 14. bis 31. Mai 1902 in der Pariser Kunsthandlung DurandRuel statt. Maurice Polydore Marie Bernard Maeterlinck (1862–1949), belgischer Schriftsteller, Lyriker und Dramatiker, 1911 Nobelpreisträger für Literatur. Van de Velde hatte seinen belgischen Landsmann erstmals 1889 anlässlich einer Lesung aus dem Drama ›La Princesse Maleine‹ erlebt (Velde 1992, S. 401). 1916 druckte er in Eigenregie Maeterlincks ›La Puissance des Morts‹ auf Kesslers Weimarer Cranach Presse (vgl. Anm. Brief 369). Als »grotesk komisches Schauspiel« beschrieb Kessler ein Festessen, das im Januar 1903 zu Ehren und in Anwesenheit von Maeterlinck in Berlin ausgerichtet wurde, dem Kessler und van de Velde beiwohnten (vgl. Anm. Brief 149; Tagebuch Harry Graf Kessler, 18.1.1903). Monna Vanna: Maurice Maeterlinck, Monna Vanna, Schauspiel 1902, Uraufführung: Paris, Opéra Comique, 17. Mai 1902. Anlässlich seines Besuches der Uraufführung von ›Monna Vanna‹ hielt Kessler am 17. Mai 1902 im Tagebuch fest: »Ein unangenehmes Stück mit einer Syrupartig süsslichen Moral übergossen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.5.1902). Pelléas et Mélisande: Maurice Maeterlinck, Pelléas et Mélisande, Schauspiel 1892; Claude Debussy, Oper, 1902, Uraufführung: Paris, Opéra-Comique, 30. April 1902. Kessler wohnte den Aufführungen von ›Pelléas et Mélisande‹ am 8. und am 15. Mai 1902 bei (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.5.1902). Claude Debussy (1862–1918), französischer Komponist. Kessler wusste, dass Maria van de Velde die Musik von Claude Debussy überaus schätzte. Edwin Redslob bemerkte hierzu: »Die Musik war im Haus van de Velde die Domäne der Frau, die eine geschulte Pianistin war. Da er, der Belgier wallonischer Prägung, die französische Kunst besonders gut kannte, ist zu verstehen, daß der Komponist ihrer Wahl Claude Debussy war, dessen Werke Frau van de Velde uns mitunter noch vor dem Druck aus der Handschrift vorspielte.« (Redslob 1972, S. 373). Conrad Ansorge (1862–1930), deutscher Pianist, Komponist, Meisterschüler von Franz Liszt. Hippolyt [auch: Hippolith] von Vignau (1843–1926), Major, Theaterintendant. Hippolyt von Vignau war von 1895 bis 1908 Generalintendant des Weimarer Hoftheaters. Er galt allerdings als Gegner sämtlicher moderner Strömungen. Londres: Vgl. Anm. Brief 121.
123 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 1.6.1902 AML, FSX 504/51, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
1er juin 1902. Cher ami J’ai encore dû remettre mon départ; mais, maintenant, je suis sûr de partir mardi matin, je serai donc à Berlin mercredi, et je compte me rendre à Weimar jeudi. Je resterai à Weimar jusqu’à dimanche, et j’espère que je pourrai m’y entendre sur les diverses questions pendantes. Je voudrais
298 Edition und Kommentar
voir Rothe et Palézieux; mais je ne sais, s’il faudrait leur annoncer mon voyage à W[eimar].? Qu’en pensez[-]vous? Je dois être à Potsdam mardi prochain, pour prendre mon service au régiment. Le Gr[and]. Duc sera-t-il à W[eimar]. entre jeudi et dimanche? Je vous serais reconnaissant, si vous pouviez me le faire savoir à Berlin. Veuillez présenter mes respects à madame VandeVelde. Affectueusement HdeKessler. mon départ: Entgegen seinen ursprünglichen Ankündigungen konnte Kessler erst Anfang Juni 1902 von London nach Deutschland zurückkehren. mon voyage à Weimar: Wie aus dem Tagebuch hervorgeht, war Kessler am 8. Juni 1902 anlässlich der Taufe von Palézieux’ Sohn Georg von Palézieux in Weimar (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.6.1902). mon service au régiment: Laut Tagebucheintrag trat Kessler seinen Dienst am Dienstag, den 10. Juni 1902, an: »Zur Einziehung nach Potsdam. Mich gemeldet.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.6.1902).
124 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 21.6.1902 AML, FSX 504/52, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
ce 21 juin 1902. Cher ami Si je n’ai pas répondu de suite à votre bonne lettre, c’est que je me lève à trois heures, tous les matins, pour rentrer absolument éreinté à midi ou à une heure, ce qui ne me donne pas, comme vous pensez bien, de grands loisirs pour méditer mon avenir. Mais vos coupures de journaux me décident. Puisqu’il y a mouvement, il y a vie; et puisqu’il y a bataille, il y aura victime. Je veux en être, et je viendrai. Je vais donc écrire à Hickethier, que je loue l’appartement de la Cranachstr[aße]., à partir du 1er octobre et je vous prie de vouloir bien faire préparer des devis. Je ne voudrais pas dépenser plus de 4000 Marks cette année. Si les devis de ce que nous avions projeté dépassent cette somme, il faudra laisser une partie pour l’année prochaine, et ne faire que le juste nécessaire cette année-ci. – Je voudrais qu’on comprenne bien à Weimar, que c’est un pied à terre que j’y prends, à preuve que je garde mon installation de Berlin. Je serai moins à la merci des Weimarois, de cette façon. Je compte naturellement sur les conditions que Rothe vous avait proposées et que vous m’aviez détaillées
Briefe und Kommentare 299
dans votre dernière lettre. J’espère aussi pouvoir suivre des cours à Jena. Estce possible? Jena n’est qu’à une demi heure, à ce qu’on m’a dit. – Je vous félicite, du reste, de ces attaques de journaux. Ce qui était à craindre, c’était l’indifférence, ou bien, que les bons Thuringeois ne s’aperçoivent pas, que ce que vous faites est différent de ce qu’ils ont admiré jusqu’ici. Mais maintenant je suis rassuré. Il faudra s’arranger de façon à ce que les journaux vous attaquent encore beaucoup plus. Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde. Affectueusement HdeKessler. Je veux en être, et je viendrai: Bereits seit Dezember 1901 liebäugelte der Weimarer Hofkreis mit dem Gedanken, auch Kessler nach Weimar zu holen. Im Januar 1902 wurde deshalb die Möglichkeit erwogen, Kessler zum Direktor der Kunstschule zu berufen, was schließlich jedoch an Kesslers Alter und Profession scheiterte (vgl. Anm. Briefe 103, 105, 113). Anfang April unterbreitete ihm Palézieux das Ansinnen, die sogenannte ›Permanente Ausstellung‹ in ein modernes Museum umzuwandeln. Kessler sollte dem Kuratorium beitreten, außerdem eine Professur in Jena begleiten. Kessler lehnte zunächst mit der Begründung ab, ihm schwebe »eine Art Oberleitung aller Kunstbestrebungen im Großherzogtum« vor (Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.4.1902). Mit der Absage vom Auswärtigen Amt Ende April 1902, eine Anstellung im Diplomatischen Dienst ausüben zu können, konzentrierte sich Kessler von nun an verstärkt auf das Weimarer Unternehmen. Zusammen mit Alfred Lichtwark entwarf er neue Pläne und umriss inhaltlich die neue Stelle (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 22.4.1902). Im Juni hieß es dann, Kessler solle in Weimar zum Kammerherrn berufen und beauftragt werden, die ›Permanente Ausstellung‹ bei ihrem Übergang in Staatsbesitz zu reorganisieren (Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, 14.6.1902, in: Simon 1978, Brief 135, S. 163). Max Hickethier (1864–1945), Max Hickethier war Bauunternehmer, Eigentümer des Neubaus in der Cranachstraße 3 und somit Kesslers Weimarer Vermieter. Max Hickethier wohnte 1903 in der Gartenstraße 21 und ab 1904 in der Henßstraße 9 (Adreßbuch Weimar, 1903–1906). l’appartement de la Cranachstraße: Ende April 1902 hatte Kessler beschlossen, neben seinem Berliner Domizil eine Wohnung in Weimar zu mieten. Maria van de Velde bot daraufhin ihre Hilfe an, hielt nach einer Wohnung Ausschau und unterbreitete mehrere Vorschläge (vgl. Anm. Brief 121). Kesslers Wahl fiel schließlich auf einen Neubau in der Cranachstraße 3 (ab 1906: 15), nur einen Steinwurf von van de Veldes Wohnung in der Nummer 11 entfernt. Kessler mietete zunächst das Ober- und Dachgeschoss und ab 1905 das gesamte Haus, das er 1920 vom Hauseigentümer, dem Bauunternehmer Max Hickethier, erwarb. Die Ausgestaltung übertrug er im August 1902 van de Velde und veranlasste 1926/27 weitere Umbauten (vgl. Anm. Briefe 131, 135, 137, 153, 164, 384, 388). Kesslers Weimarer Haus ging im Zuge der Zwangsversteigerung am 6. Juli 1936 an den Staat über. dernière lettre: Sowohl van de Veldes Brief als auch die beigefügten Zeitungsartikel haben sich in Kesslers Nachlass nicht erhalten.
300 Edition und Kommentar ces attaques de journaux: Van de Veldes Tätigkeit in Weimar war von Anbeginn an höchst umstritten, und die Diskussion wurde nicht nur landesweit, sondern auch auf nationaler Ebene ausgetragen (vgl. Zeitung Deutschland, 11.6.1902).
125 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Potsdam, 4.7.1902 AML, FSX 504/53, Brief
Potsdam, ce 4 juillet 1902 Jägerallée 28. Cher ami Je suis toujours tout aussi désireux de passer l’hiver à Weimar. Mais, évidemment, comme de toutes les propositions que Rothe avait censément faites par votre entremise, il ne reste que la réorganisation de la Permanente Ausst[ellung]., je dois y mettre mes conditions, tant pour le côté matériel que pour le côté personnel. J’ai donc écrit à Rothe pour lui demander, quelles seraient ces conditions. Sa réponse décidera de l’affaire. Si ces conditions ne sont pas satisfaisantes, je préférais venir à Weimar, sans aucune attache officielle; car il serait désastreux de me fourrer dans une entreprise destinée à échouer. Veuillez présenter mes respects à madame VandeVelde et croyez[-]moi, cher ami, bien affectueusement à vous. HdeKessler. Sa réponse: Vgl. Anm. Brief 126.
126 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Potsdam, 20.7.1902 AML, FSX 504/54, Brief
Potsdam, ce 20 juillet 1902. Jägerallée 28. Cher ami Je vous félicite vivement et de l’inauguration de votre musée et de vos locaux enfin trouvés, à Weimar. Je me réjouis de voir bientôt les commencements de cet institut dont tant de beauté doit sortir. Quant à moi, j’ai reçu une communication officielle du gouvernement de W[eimar]. me demandant, si je voulais accepter de réorganiser la Permanente. J’ai répondu que oui, sous telles et telles conditions, qui me semblent indispensables. Je pense, du reste, qu’on les acceptera. Pour le reste, je n’ai guère le temps de m’oc-
Briefe und Kommentare 301
cuper de mes affaires; je suis tout au sport et aux exercices corporels. J’ai fait un pari, l’autre soir, de courir 10 kilomètres en une heure, et je l’ai gagné de sept minutes. Potsdam en a parlé pendant 24 heures; et j’ai été assez content de montrer à tout [sic] ces beaux cavaliers qu’on pouvait s’intéresser à l’art et ne pas être un éclopé. Hier j’ai dû faire une course à cheval d’une centaine de kilomètres. Et tout ça me va à merveille; je me sens de la force et de la santé pour tout l’hiver, et nous allons lutter ensemble, je l’espère, avec acharnement. Je compte vous voir, à Weimar, vers le 6 ou le 7. Y serez[-]vous, à cette époque? Veuillez présenter mes respects à madame VandeVelde. Votre très dévoué HdeKessler. votre musée: Es gehörte zu van de Veldes Amtsaufgaben, eine Art Schausammlung zu begründen, die im Sinne eines Archivs sowohl Muster und Modelle verwahren als auch Vorbilder für Handwerker und Gewerbetreibende vorhalten sollte. Es handelt sich dabei noch nicht um das geplante ›Museum der Schönen Formen‹ (vgl. Brief 97). locaux: Vgl. Anm. Brief 115. cet institut: Gemeint ist das ›Kunstgewerbliche Seminar‹ unter Leitung von Henry van de Velde, das am 15. Oktober 1902 offiziell eröffnet wurde. la Permanente: Vgl. Anm. Brief 87. l’autre soir: Am 14. Juli 1902 vermerkte Kessler diesbezüglich im Tagebuch: »Nach Tisch im Kasino gewettet, dass ich 10 km. in einer Stunde zu Fuss zurücklegen würde. Strecke nach der Karte von Kaserne bis hinter Bassewitz Denkmal und zurück abgemessen. [...] Ich kam in 53 Minuten wieder ein.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 14.7.1902). vers le 6 ou le 7: Kessler reiste am 7. August 1902 nach Weimar: »Nach Weimar, wo Vandevelde gesehen und über meine Einrichtung gesprochen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 7.8.1902).
127 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Brighton, 25.9.1902 AML, FSX 504/55, Brief, Briefkopf (gedruckt): THE GORDON HOTELS, METROPOLE BRIGHTON
25 Sept[embre]. 1902 Cher ami Merci de votre bonne lettre. Je suis sans nouvelles jusqu’à présent, au sujet de Weimar. Je pense donc encore prolonger mon séjour ici de quelques jours, je passerai ensuite une huitaine à Paris (du 4 au 11 environ) et pense être à Weimar vers le 15. Mais ce ne sera que pour quelques jours, à
302 Edition und Kommentar
moins de nécessités résultant de la Permanente etc. Entre Paris et Weimar, je compte m’arrêter à Düsseldorf et à Berlin. – Je me sens tout prêt au combat. Nous aurons beau jeu, je pense. Quant à la Revue, il faudra voir! Presque tout dépendra de la personnalité de mons[ieur]. de Münchhausen. Je serai ici ou à Londres jusqu’à jeudi, et vous prie, si vous avez à m’écrire, d’adresser à l’Hotel Cecil Londres. À partir de jeudi à Paris, 19 boul[evard]. Montmorency. Veuillez présenter mes respects à madame VandeVelde. Affectueusement HdeKessler lettre: Van de Veldes Brief an Kessler ist im Kessler-Nachlass nicht vorhanden. ici: Kessler führte im September und Oktober 1902 kaum Tagebuch. Den lückenhaften Einträgen und dem vorliegenden Brief zufolge hielt sich Kessler am 19. und 20. September als auch am 25. September 1902 in Brighton auf. Ferner belegen Einträge und Briefe Aufenthalte am 8. und 11. Oktober in London, am 15. Oktober in Paris und am 31. Oktober 1902 in Weimar (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 19./20.9.1902, 11./31.10.1902; vgl. Briefe 128–130). à Weimar vers le 15: Kessler kam erst am 31. Oktober 1902 nach Weimar. Revue: Im Sommer 1902 konkretisierte sich das Vorhaben, eine dem Nietzsche-Archiv gewidmete Zeitschrift unter Beteiligung von Max von Münchhausen, Harry Graf Kessler und Henry van de Velde ins Leben zu rufen. Es sollte sich dabei nach Aussage von Max von Münchhausen um eine »geistig-fortschrittliche universelle Revue« handeln, »die von höchsten Gesichtspunkten aus geleitet, alle vorwärtsstrebenden Geister zu antireaktionär-geschlossener Wirkung in und um sich versammelt« (Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 29.8.1902, GSA, Bestand NA, 72/BW 3742). In einem Nebenteil mit dem Titel ›Das Neue Weimar‹ »würde die Zeitschrift in leichterer Form, wie alle Bestrebungen des Weimarer Kulturkreises, so im besonderen die des Nietzsche-Archivs und der von ihm geförderten künstlerischen Richtung vertreten.« (Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 29.8.1902, GSA, Bestand NA, 72/BW 3742). Die Revue kam aufgrund zwischenmenschlicher Spannungen zwischen Kessler und von Münchhausen und Vorbehalte seitens von Elisabeth Förster-Nietzsche nicht zustande. de Münchhausen: Max Bodo Bernhard Achatius Freiherr von Münchhausen (1868–1920), Journalist, Schriftsteller, Dramatiker. Max von Münchhausen war wie Kessler und van de Velde ein glühender Verehrer Friedrich Nietzsches. Er lebte um die Jahrhundertwende in Berlin, wo er neben Ernst Wachler als Mitherausgeber der ›Deutschen Zeitschrift‹ fungierte. Mit Elisabeth Förster-Nietzsche stand Max von Münchhausen bereits frühzeitig in regem Briefkontakt (vgl. Briefe von Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, GSA). Zunächst in der Wörthstraße 9 wohnhaft, siedelte Max von Münchhausen mit seiner Frau Editha (geb. Müller von Schönaich) 1904 von Berlin nach Weimar über. Als Archivmitarbeiter arbeitete er zeitweise im Nietzsche-Archiv, ansonsten war er als freischaffender Schriftsteller tätig. Wenngleich Max von Münchhausen dem Kreis um das ›Neue Weimar‹, insbesondere Harry Graf Kessler, kritisch gegenüber stand, ließ er sich 1904 die Wohnung in der Cranachstraße 1b (ab 1906: 9) von Henry van de Velde ausstatten. Max von Münchhausen verließ Weimar bereits 1907 und
Briefe und Kommentare 303 lebte später mit seiner Familie in Reifnitz am Wörthersee und ab 1913 in Florenz (vgl. Föhl/ Sembach 1999; Föhl 2009). Nur wenige Wochen nach Abfassen dieses Briefes veröffentlichte Max von Münchhausen in der ›Weimarischen Zeitung‹ einen wohlwollenden Artikel über van de Velde (Weimarische Zeitung, 25.10.1902). Gegenüber Elisabeth Förster-Nietzsche konnte er jedoch seine Skepsis nicht verhehlen: »Van de Velde ist unglaublich einseitig, und hat ein Recht als Künstler einseitig zu sein, aber Graf Kessler wird sich auf eine gewisse Höhe und Objektivität der Anschauung hinaufschrauben müssen, die ich bei van de Velde vermisse. Aber vielleicht thue ich Grf. Kessler Unrecht, indem ich ihn zu sehr mit van de Velde in Parallele setze?« (Max von Münchhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, 6.10.1902).
128 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [London], 8.10.1902 AML, FSX 504/56, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W.C.
8. oct[obre]. 1902. Cher ami Je vous remercie de votre bonne lettre et du tracas que je vous donne, pour mon installation. Je compte certainement être à W[eimar]. avant le 20, et il sera temps alors de compléter l’installation par les tentures, les papiers etc. nécessaires. Je suis encore retenu ici par des affaires, tant privées que de Mad[ame]. Förster; mais j’espère être à Paris après[-]demain. – La rentrée de la Kunstschule ne s’effectue que vers le 20, je suppose, comme des Universités. – Je vous envoie une petite brochure de Cobden Sanderson, autant pour la reliure et l’impression que pour son contenu. C’est dans ce style qu’il faudra publier vos livres, en allemand; je suis hors de moi quand je pense à cette horrible édition de Cassierer [sic]. Veuillez présenter mes respects à madame VandeVelde et aux bébés. Affectueusement HdeKessler mon installation: Auch seine neue Weimarer Mietwohnung in der Cranachstraße 3 wünschte Kessler von van de Velde als exquisites Gesamtkunstwerk ausgestalten zu lassen. Am 7. August 1902 kam es daher zu einer ersten Unterredung in Weimar (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 7.8.1902). Laut van de Velde bestand »die Möglichkeit, noch einige Änderungen vorzunehmen, so daß wenigstens im Inneren eine gewisse Haltung geschaffen werden konnte, die Kesslers aristokratischer Lebensführung entsprach.« (Velde 1962, S. 225). Der Auftrag bezog sich auf das Ober- und Dachgeschoss und umfasste die Gestaltung und Möblierung des Arbeits-, Musik-, Schlaf- und Speisezimmers, des großen und kleinen Salons, des Vor- und Badezimmers, des Ateliers, der Halle mit Treppenhaus und des Gästezimmers (vgl. Briefe 131–135, 137, 142, 148, 153, 154, 164). Die Wohnung, von Kessler als »Schlösschen aus Tausend und Einer Nacht voll von allerlei Schätzen« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.8.1918) beschrieben, war im März 1903 bezugsfertig und wurde erstmals 1903 in einer Serie von Aufnahmen im
304 Edition und Kommentar Oktoberheft der ›Innen-Dekoration‹ publiziert (Innen-Dekoration 1903, Jg. XIV, S. 251–254, 260 f., 264). Bis 1909 erfolgten diverse Umgestaltungen. So wurden z. B. das Speisezimmer verlegt und die Salons umstrukturiert. Einige Grundrisse und Möbelzeichnungen haben sich erhalten und werden im Fonds Henry van de Velde in La Cambre/ Brüssel verwahrt (LC/S 3875, 3878, 3879, 3880, 3881, 3883, 3884, 3888, 3889, 3903, 3906, 3910). Die Einrichtung dagegen gilt bis auf die Stühle aus dem Speisezimmer (Klassik Stiftung Weimar) als verschollen. avant le 20: Kessler kam erst am 31. Oktober 1902 nach Weimar (vgl. Anm. Brief 127). rentrée: Das Semester begann am Mittwoch, den 15. Oktober 1902. Thomas James Cobden Sanderson (1840–1922), englischer Buchdrucker, Typograph und Buchbinder. Thomas James Cobden-Sanderson, von Beruf studierter Jurist, leitete seit 1900 zusammen mit Emery Walker die Doves Press in Hammersmith, eine der wichtigsten englischen Privatpressen. Kessler konnte Cobden-Sanderson 1904 für die Großherzog Wilhelm-Ernst-Ausgabe und später für die Cranach Presse gewinnen (vgl. Brief 193). Van de Velde kannte Cobden-Sanderson seit 1899 und widmete ihm ein eigenes Kapitel in den Memoiren (vgl. Velde 1962, S. 172 f.). Besagte Broschüre liegt dem Brief nicht mehr bei. édition de Cassirer: Es handelt sich um van de Veldes Buch ›Die Renaissance im modernen Kunstgewerbe‹, das 1901 im Cassirer-Verlag erschienen war (vgl. Anm. Briefe 31, 37, 61).
129 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [London], 11.10.1902 AML, FSX 504/57, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W.C.
11 oct[obre]. 1902. Cher ami J’apprends avec beaucoup de peine que vous êtes souffrant. Qu’avez[-] vous [sic] donc? Est-ce cette maudite neurasthénie qui vous reprend? Faites moi donc parvenir de vos nouvelles à Paris, 19 boul[evard]. Montmorency, où je serai à partir de lundi. Je serai inquiet jusqu’à ce que j’aie eu un mot de vous ou de madame VandeVelde. – Mad[ame]. Förster m’écrit aussi, que Rothe prétend m’avoir envoyé ma nomination à Weimar. Je n’ai certainement rien reçu; pas un mot, depuis une lettre cet été, me demandant si je voulais accepter de réorganiser la Permanente, si on m’y conviait. J’ai répondu que, sous certaines conditions, oui. Depuis lors je n’ai rien entendu. Mais je vous prie de ne pas faire de démarches auprès de Rothe ou de Palézieux, comme je serai moi[-]même à Weimar vers le 21 ou le 22. Veuillez présenter mes respects à madame Vandevelde. Bien affectueusement HdeKessler.
Briefe und Kommentare 305 lettre: Dieser Brief von van de Velde an Kessler hat sich nicht erhalten (vgl. Brief 126).
130 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 15.10.1902 AML, FSX 504/58, Brief
Paris ce 15. octobre 1902. Cher ami Je viendrai à Weimar, je viendrai certainement; je viendrai surtout, s’il y a bataille, intrigues, danger pour l’œuvre que vous devez y réaliser. Mais je suis moins pessimiste que vous. Que voulons[-]nous, en somme? Produire. Comment des intrigues nous en empêcheraient-elles? Vous êtes souverain dans vos ateliers; moi, je le serai dans mon musée, ma salle de conférences. Nous mettrons sur pied ce que nous entrevoyons, un enseignement clair, sain, fortifiant [et] producteur; que les autres emboîtent le pas ou nous fassent grise mine, ça ne changera pas grand chose. C’est plutôt pour eux que les conséquences de leur choix seront graves. Si vraiment nous produisons quelque chose, comment le Néant, qu’ils peuvent seul nous opposer, nous blesserait-il? Ce qu’il faut, c’est que nous soyons fruchtbar. Notre fécondité intellectuelle et artistique est un point qui est absolument inaccessible à des intrigues. C’est donc à cette productivité que j’entends m’efforcer, à produire personnellement et à faire produire les autres. Devant cette réalité, les fantômes s’évanouiront; c’est fatal. Ce sont vos nerfs qui vous font prendre ces fantômes pour des dangers véritables. Dans huit jours, quant vous aurez repris vos forces, vous en rirez vous[-]même. Et je compte bien réaliser avec vous des choses encore plus belles que tout ce que nous pouvons entrevoir, à présent! En attendant, je crois qu’il faudrait tâcher de ne pas rompre avec ceux[-]même que nous savons nous être opposés. Des rapports même absolument formels et sans profondeur nous faciliteront énormément notre tâche. Pour moi, je tâcherai de les conserver aussi cordiaux que possible, sans transiger d’un i sur les idées qui nous sépareraient. Je crois que c’est ça la ligne de conduite que nous devons tenir. Si la Kunstschule ne rend pas ce que nous en avions espéré, laissons la de côté, ne nous en occuperons pas, faisons comme si elle n’existait plus, tout en conservant nos rapports personnels avec les professeurs; et produisons à côté; c’est un moyen absolument sûr de nous en rendre maîtres dans un temps relativement court. – Je serai à Weimar lundi et j’espère bien vous trouver en meilleure santé et remonté moralement. Je vous aviserai de mon arrivée par dépêche. Veuillez présenter mes respects à madame Van deVelde et aux bébés
306 Edition und Kommentar
Affectueusement HdeKessler Le 19, dimanche, est la fête de madame de Palézieux, qui sera de retour. Je viendrai à Weimar […]: Unter dem Titel ›Graf Kessler in Weimar‹ (›Le comte Kessler à Weimar‹) widmete van de Velde seinem Freund und Gönner Kessler, »der wie keiner durch sein optimistisches Wesen die muffige gesellschaftliche Atmosphäre zu beleben in der Lage war«, ein eigenes Kapitel in den Memoiren und zitierte auszugsweise den vorliegenden, programmatischem Brief (vgl. Velde 1962, S. 224; Velde 1995, S. 131; Velde 1999, S. 155). mon musée, ma salle de conférences: Kessler bezieht sich hier auf das Weimarer ›GroßherzoglichSächsische Museum für Kunst und Kunstgewerbe‹, dessen ehrenamtlichen Vorsitz er im März 1903 offiziell übernahm. produire personnellement: Zu diesem Thema bemerkte Kessler im Tagebuch: »Ein kultivierter Mensch ist ein produktiver Snob. Ein Mensch, der fruchtbar ist, ohne Snob zu sein, ist ein Genie.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 27.3.1902). Si la Kunstschule ne rend pas ce que nous en avions espéré: Mit Bestürzung musste van de Velde Anfang Oktober 1902 erfahren, dass Paul Schultze-Naumburg durch Vermittlung von Hans Olde eine Dozentur für Maltechnik an der Weimarer Kunstschule erhalten hatte. Gegenüber Elisabeth Förster-Nietzsche bekannte van de Velde offenkundig: »C’est un caca déposé sur le seuil de mon Institut!« (Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 13.10.1902, GSA, Bestand NA 72/ BW 5599,2). Er wünschte zunächst eine Unterredung mit Förster-Nietzsche und Kessler, um daraufhin weitere Schritte unternehmen zu können (vgl. Müller-Krumbach 2002, S. 22). fête: Elisabeth von Palézieux beging am Sonntag, den 19. Oktober 1902, ihren 36. Geburtstag.
131 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, o. O., 4.11.1902 AML, FSX 504/59, Brief
4. Nov[embre]. 1902. Cher ami J’espère que vous ne vous trouvez pas trop fatigué de votre voyage de Berlin et que vous en aurez les résultats que nous désirons tant. – Vous aurez trouvé le Van Gogh chez vous, je pense. Plus je cherche à me le représenter dans la salle de musique, plus il me semble que celle-ci devrait être peinte en bleu et non en vert, avec seulement l’étoffe des rideaux et des meubles d’une note verte prédominante. Je ne le vois plus du tout sur un fond vert. Le bleu, le noir (du piano) et le gris des meubles feraient une très belle harmonie, il me semble, et iraient mieux que le vert avec les couleurs de la salle à manger (violet et gris). Je vous laisse seul juge, bien entendu; mais je vous soumets ces appréciations. Si la salle de musique est bleue, il
Briefe und Kommentare 307
faudra que l’antichambre soit du même bleu, avec des lambris noirs, bien entendu, et un petit pochoir vert peut-être. Dans quelques jours, je vous expédierai aussi le Signac, auquel il faudra certainement un nouveau cadre. Peut-être un cadre comme celui de mon Cross irait-il, blanc avec bordure en bois de la même couleur que les meubles de ma salle de travail. Veuillez, cher ami, présenter mes respects à madame VandeVelde et saluer les bébés. Affectueusement HdeKessler. votre voyage de Berlin: Henry und Maria van de Velde beabsichtigten, am 31. Oktober 1902 nach Berlin zu reisen (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 30.10.1902, Privatarchiv). le Van Gogh: Vincent van Gogh, La plaine d’Auvers, 1890 (Öl auf Leinwand, 73 x 92 cm, Carnegie Museum of Art, Pittsburgh, Inv. Nr. 68.18, Walter 2001, S. 89). Es handelt sich bei dem genannten Gemälde sehr wahrscheinlich um ›La plaine d’Auvers‹ von Vincent van Gogh, das mit dem Verweis ›Sammlung Graf Kessler, Weimar‹ 1904 in Meier-Graefes ›Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst‹ abgebildet ist (Meier-Graefe 1904, S. 38). Das Gemälde hing in Kesslers Weimarer Bibliothek. salle de musique: Nach derzeitigem Wissensstand sind vom Musiksalon in der Cranachstraße 3 (ab 1906: 15) keine historischen Aufnahmen überliefert. Signac: Hier kommen zwei Gemälde von Paul Signac in Betracht: ›Samois. Brume du Matin‹ von 1901 (vgl. Anm. Brief 120) oder ›Le Chaland. Samois‹ (›Lastkahn‹), 1901, Privatbesitz (vgl. Ausst. Kat. Münster/ Grenoble/ Weimar 1996, S. 87; Ausst. Kat. Weimar 1999.2, S. 108 f.; Cachin 2000, Kat. Nr. 375). mon Cross: Henri Edmond Cross, La plage ombragée, 1902 (Öl auf Leinwand, 114 x 146 cm, sign.: »Henri Edmond Cross«, Privatbesitz, Compin 1964, Nr. 97, S. 192 f.). Es handelt sich um das Gemälde ›La plage ombragée‹, das Kessler 1902 nach dem Besuch des ›Salon des artistes indépendants‹ bei Cross in Auftrag gegeben hatte (vgl. Anm. Brief 120; Compin 1964, S. 193).
132 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Poststempel: Berlin], 5.11.1902 AML, FSX 504/60, Postkarte
5 Nov[embre]. 1902. Cher ami, Je suis tellement indécis à propos de l’antichambre et du salon de musique, que je vous prie de ne pas faire faire les murs (les peintures) de ces deux pièces, avant que nous ne nous soyons reparlé [sic]. Je compte passer quelques heures à Weimar au commencement de la semaine prochaine. Encore un Bedenken: ne vaudrait-il pas mieux peindre les murs de
308 Edition und Kommentar
l’atelier en blanc qu’en orangé? Je crains que cet accord bleu-orangé ne soit trop fort, pour les tons très atténués de l’appartement. Peut-être suffirait-il d’un ornement orangé pour égayer l’escalier avec le tapis bleu. Affectueusement HdeKessler. Postkarte: Die Postkarte trägt vorderseitig die Anschrift »Herrn Professor Henry van de Velde Weimar. Cranachstrasse 11.« sowie die Poststempel »Berlin W. 5.11.02 2-3N« und »Weimar 5.11.02. 10-11N«. l’antichambre … salon de musique … l’atelier: Nach derzeitigem Wissensstand existieren von den benannten Zimmern, die sich bis auf das Atelier offensichtlich alle in der ersten, repräsentativen Etage befanden, keine historischen Aufnahmen oder Zeitzeugnisse.
133 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, o. O., 7.11.1902 AML, FSX 504/61, Brief
7.XI.1902. Cher ami Je vous expédie ces jours le Signac, le Minne, la tête antique et une grande chaise tressée pour ma chambre de bain. Je vous encombre votre maison; mais j’espère que les travaux permettront bientôt de transporter tous ces colis dans mon appartement. Pour le Signac, il faudra certainement un nouveau cadre; et pour la tête antique un socle. Mais pour ce socle, peut-être quelques planches recouvertes en toile suffiraient-elles, pour le moment. J’apprends à l’instant, que l’expéditeur a expédié le Signac en port dû. Je vous en demande infiniment pardon, et vous prie de me faire savoir ce que je vous dois. Je n’ai pas appris, non plus, ce que coutaient [sic] les grès de Hancke [sic], que vous avez bien voulu me céder. Auriez-vous l’obligeance de me le faire savoir. Je compte venir à Weimar jeudi ou vendredi prochain. Veuillez saluer madame Van de Velde. Affectueusement HdeKessler. le Signac: Vgl. Anm. Brief 131. le Minne: Georges Minne, L’agenouillé (Kniender Jüngling), um 1898 (Marmor oder Gips, H: ca. 83 cm, Verbleib nicht bekannt, vgl. Walter 2001, S. 91). Historischen Photographien zufolge befand sich die Statue in Kesslers Arbeitszimmer, dort mitunter an verschiedenen Stellen.
Briefe und Kommentare 309 la tête antique … un socle: Es handelt sich hier vermutlich um den Abguss des Griechischen Jünglingskopfes, der auf einem weißen, von van de Velde entworfenen Sockel zunächst im Speisezimmer, späterhin im Salon stand. Der Sockel fand auch für die Bronze ›Le coureur cycliste‹ (1907/08) von Aristide Maillol Verwendung. Die holzbelassene Variante dieses Modells befand sich im Arbeitszimmer (vgl. Pecher 1981, S. 204, 206, 297, Nr. 1726). nouveau cadre: Kessler trennte sich gelegentlich von den konventionellen Rahmen seiner Gemälde und ließ neue Rahmen mit einer einfachen weißen Leiste von van de Velde anfertigen, um Disharmonien im Raum zu vermeiden und die Leuchtkraft der Gemälde zu unterstreichen. les grès de Hanke: Gemeint sind die nach Entwürfen von van de Velde entstandenen Steingutgefäße der Westerwälder Firma Reinhold Hanke, die unter Leitung von August Hanke in Höhr ausgeführt wurden.
134 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, o. O., 9.11.1902 AML, FSX 504/62, Brief
9. nov[embre]. 1902. Cher ami Merci de vos soins si dévoués. Je brûle d’apprendre, comment s’est passée votre conférence. Je déjeunerai jeudi avec vous chez madame Werthern et je compte bien y entendre sonner vos louanges par la Gr[ande]. Duchesse. – Klinger, auquel j’ai demandé: si 8000 Marks lui agréeraient, pour faire votre buste en bronze, m’a télégraphié que oui; c’est donc à Osthaus de décider, s’il veut la commande à ces conditions, qui me semblent en somme pas exagérées, quand on pense qu’un peintre de second ordre demande autant pour un portrait, qui ne lui coûte rien que le travail; tan disque [sic] pour le buste il y a la fonte, le voyage de Paris, etc. Je pense, que si Osthaus le désirait, il pourrait payer en deux fois, quatre mille une année et quatre mille la seconde. Seulement, avec Klinger, qui est tellement fantasque, je crois qu’il ne faudrait pas tarder. Il m’a dit, à Weimar, qu’il pourrait probablement trouver le temps de quelques séances maintenant, en novembre, avant son départ pour la Grèce. – Veuillez saluer madame Van de Velde de ma part, et les bébés. Affectueusement HdeKessler. L’[unleserliches Wort] est partie samedi. Le bain devait être livré par Schmidt, à ce que j’ai compris; mais je peux tout aussi bien le choisir ici ou à Weimar jeudi.
310 Edition und Kommentar votre conférence: Vom 6. bis 9. November 1902 präsentierte eine Ausstellung des Weimarer ›Vereins für weibliche Kunstindustrie‹ (vgl. Anm. Brief 90) auch Arbeiten nach Entwürfen van de Veldes. Im Kontext dieser Ausstellung, die unter dem Protektorat von Erbgroßherzogin Pauline stand, hielt van de Velde einige Vorträge, u. a. am 18. November 1902 einen Vortrag über die ›Grundlegenden Prinzipien für den neuen Stil‹ im Erholungssaal für den ›Verein Frauenbildung – Frauenstudium‹ (Weimarische Zeitung, 21.11.1902, in: Wahl 2007, S. 88–91). madame Werthern: Gertrud Gräfin von Werthern-Beichlingen (vgl. Anm. Brief 105). commande: Der Gedanke, eine Bronzebüste von van de Velde bei Klinger in Auftrag zu geben, ging von Osthaus aus. Kessler bemühte sich lediglich um die Vermittlung des Auftrages, der letzten Endes jedoch nicht zur Umsetzung kam. Erst 1913 griff Osthaus erneut dieses Projekt auf. Anlässlich der Weltausstellung in Gent und van de Veldes 50. Geburtstag – beide Ereignisse fielen auf das Jahr 1913 – beauftragte er Georg Kolbe mit der Ausführung einer Bronzebüste. Van de Velde erhielt ein Exemplar geschenkt, das Osthaus mittels Spenden von Freunden finanziert hatte (vgl. Osthaus 1920, S. 7; Velde 1962, S. 347 f.).
135 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Paris], 23.11.1902 AML, FSX 504/63, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CHATHAM PARIS
23 novembre 1902. Cher ami, Serait-il possible d’envoyer de suite à moi ou à ma sœur des échantillons des tissus pour linge de table du Verein et des ornements en deux gris que nous projetons pour moi? Dans le cas, où vos dessins pour ces ornements ne seraient pas prêts, il suffirait d’envoyer des échantillons des tons gris projetés. Ma sœur voudrait aussi beaucoup voir le corsage que le Verein tisse sur vos dessins en blanc et gris. Il faudrait aussi un devis pour le linge de table, par mètre carré, par exemple, et le prix du corsage. L’affaire presse beaucoup, comme ma sœur doit se décider bientôt, sur son linge de table. – Pour le pochoir japonais, dans la chambre à coucher, je vous prie de ne faire qu’un essai sur une petite étendue; je voudrais me rendre compte par moi[-]même de l’effet, avant de le faire exécuter complètement. – Je suis descendu à l’Hotel [sic] Chatham, mes chambres au boulevard Montmorency étant sens dessus dessous, pour des remaniements. Je prie donc d’adresser les lettres à l’Hotel [sic] Chatham, rue Danou. – J’espère que vous avez trouvé un coin tranquille, pour travailler votre conférence, et j’attends avec un peu d’impatience les résultats de votre entretien avec Liebermann. – Veuillez saluer madame Van de Velde de ma part. Affectueusement HdeKessler.
Briefe und Kommentare 311
Je pense prendre le Vuillard et le Cézanne dans le salon. Je trouve, qu’ils se font valoir mutuellement. Il faudra donc un bois qui ne détonne pas avec le Ahorn gris; mais pas nécessairement un bois gris, cependant; peut[-]être un bois roux irait-il très bien. [Notiz von van de Velde: Tissu une table 119 x 100 de 10 à 12 Mks.] sœur: Wilma Gräfin Kessler stand unmittelbar vor ihrer Hochzeit, die im Juli 1903 stattfand (vgl. Anm. Briefe 29, 166). Im Zuge der Vorbereitungen bestellte sie ihren zukünftigen Hausrat, darunter auch einige Gebrauchsgegenstände nach Entwürfen van de Veldes, wie Silber, Porzellan oder Tischwäsche (vgl. Briefe 138, 159, 208, 224, 280). Verein: Vgl. Anm. Brief 87. chambre à coucher: Kesslers Schlafzimmer befand sich im Dachgeschoss, zeigte zur Cranachstraße und war von einem Ankleidezimmer und einer weiteren Dachkammer flankiert (vgl. Grundriss, LC/S 3889, La Cambre, Brüssel). Hôtel Chatham: Das Hotel Chatham lag in der rue Daunou 17–19 in unmittelbarer Nähe zur Place Vendôme. boulevard Montmorency: Kessler besaß in der Wohnung seiner Schwester am boulevard de Montmorency 19 eigene Zimmer. Aufgrund der anstehenden Hochzeit wurde die Wohnung offenbar umgebaut. votre conférence: Vgl. Anm. Brief 134. entretien avec Liebermann: Bezieht sich auf die Vorverhandlungen mit Max Liebermann in Bezug auf die Gründung des ›Deutschen Künstlerbundes‹ (vgl. Anm. Brief 174). Ende 1902 noch als »Club« bezeichnet, bestand das Ziel der Vereinigung darin, »dass die paar Kulturmenschen, die unter den Barbaren lebten, sich organisierten. Vor allem gegen die offizielle Kunst, gegen die Siegesallee.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 19.1.1903). le Vuillard: Kessler hatte nachweislich am 9. Mai 1902 von Edouard Vuillard zwei kleine Kartons zum Preis von 700 Francs erworben (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.5.1902). Außerdem hatte am 4. Mai 1902 eine »ganz kleine Ansicht von Cannes« sein Interesse im Pariser ›Salon des artistes indépendants‹ geweckt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.5.1902; vgl. Anm. Brief 120). Ob es sich bei dem genannten Werk um eines dieser Arbeiten handelt, ist nach derzeitigem Wissensstand nicht belegbar. le Cézanne: Paul Cézanne, Nature morte; Assiette et fruits, um 1890 (vermutl. Öl auf Leinwand, 24 x 35 cm, Privatbesitz England, Venturi 1989, Bd. 1: Nr. 206, S. 111; Bd. 3: plate 55; Walter 2001, S. 87). Es handelt sich hier vermutlich um das Fruchtstilleben ›Assiette et fruits‹ von Paul Cézanne, das Kessler am 14. Februar 1902 von Ambroise Vollard erworben hatte und das auf einer historischen Aufnahme des großen Salons zu identifizieren ist (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 14.2.1902; Walter 2001, S. 71, 87).
312 Edition und Kommentar
136 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Paris], 24.11.1902 AML, FSX 504/64, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CHATHAM PARIS
24.XI.1902. Cher ami je vous expédie ce soir ›l’Âme Païenne‹ de Brewster et un volume sur les Théâtres Anglais, qui vient de paraître. Je ne l’ai pas encore lu; mais si [sic] il est bien fait, peut[-]être y trouverez[-]vous des renseignements utiles, pour votre voyage à Londres. Pourriez[-]vous, par contre, me faire savoir, où je puis me procurer l’édition française de votre Musée de Hagen? J’entrevois une possibilité de faire publier là[-]dessus et sur Weimar un article dans un grand journal, ici. Mais, pour ça, je voudrais pouvoir montrer des documents à la personne qui lancerait l’article. Et cette personne n’entend pas l’Allemand. Comme je ne sais pas si je resterai ici après la fin de la semaine, il serait urgent d’envoyer le numéro Hagen aussitôt que possible. La personne et le journal en question entreront peut[-]être en relations suivies avec notre entreprise de Weimar. Il s’agit donc d’une affaire passablement importante. Veuillez saluer de ma part madame Vandevelde que j’espère complètement rétablie. Affectueusement HdeKessler. ›l’Âme Païenne‹ de Brewster: Henry B. Brewster (1850–1908), englischer, philosophischer Schriftsteller. Brewster, Henry B.: L’âme païenne, Paris 1901. l’édition française: Kessler bezieht sich auf eine zweiteilige Artikelserie, die 1902 unter dem Titel ›Le musée de Hagen en Westphalie Folkwang‹ bzw. ›Das Museum Folkwang in Hagen‹ im Oktober- und Novemberheft der ›L’art décoratif‹ bzw. ›Innen-Dekoration‹ erschienen war.
137 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Paris], 29.11.1902 AML, FSX 504/65, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CHATHAM PARIS
29.XI.1902. Cher ami Je vous remercie de vos envois. La disposition du hall et du salon me plaît absolument: vous avez trouvé là exactement ce qu’il fallait. Je ne vous
Briefe und Kommentare 313
demanderais qu’une seule chose, c’est de ne faire exécuter que deux tabourets, pour le piano et d’ajouter un dos aux trois autres. Ce seraient donc trois chaises, que je désirerais aussi légères que possible, legères [sic] d’aspect et surtout de poids, pour qu’on puisse les manier aisément. Je pense qu’un dos ajouté au tabouret ferait parfaitement l’affaire; dos très léger, naturellement. Pour le reste, je suis tout à fait d’accord avec vous. Seulement, je vous demanderais de me faire faire un devis de la chaise marquise, de la double marquise, et des vitrines, avant d’en ordonner l’exécution, comme je ne dois tout de même pas dépasser une certaine mesure, pour le moment. – Le tissu de table est de toute beauté. Ma sœur en est tout à fait charmée. Avant de donner une commande, elle voudrait savoir ce que coûteraient: une nappe de 3,40 de long sur 1,60 de large, avec ornement en deux gris au milieu (autour de la pièce du milieu), et des serviettes de 75 cm sur 95 cm, avec petit ornement, gris aussi. Les ornements pourraient être les mêmes pour ma sœur que pour moi. Elle n’aurait donc pas à payer les frais de modèle. Quant à moi, c’est vous qui pouvez déterminer les mesures de mes nappes. Il m’en faudrait un format petit, pour la table ronde, et un format grand, pour la table avec deux rallonges. – À ce propos, je vous prie de ne pas oublier les morceaux à rajouter sous les rallonges, pour continuer l’ornement du pourtour de la table. – J’écris à Benson, pour qu’il vous envoie son catalogue. Veuillez présenter mes respects à madame VandeVelde. Affectueusement HdeKessler. Je ferai expédier le papier brun, quand je serai à Londres. À ce propos, ne serait–il pas possible de faire courir une tringle en messing à la limite [?] supérieure du papier [?] brun, dans le salon, pour y accrocher les tableaux? On pourrait la relier au papier par l’ornement en or au pochoir. – Je reste à Paris jusqu’à dimanche prochain, la santé de ma mère laissant beaucoup à désirer. vos envois: Bezieht sich vermutlich auf Entwürfe für Kesslers Wohnungsausstattung in der Cranachstraße 3, die verschollen sind. hall: Die Halle war über das Treppenhaus zu erreichen und fungierte als zentraler Scharnierraum im repräsentativen Wohnbereich des Obergeschosses. Kessler ließ sämtliche Türen aushängen und teilte die Zimmer durch Vorhänge ab. Von der Halle gingen der (Musik-)Salon (später: Empfangssalon), das Speisezimmer (später: großer Salon), das Arbeitszimmer sowie die Küche (später: Speisezimmer) ab. Eine Photographie von 1909, die nach der Neuanordnung der Räume entstanden ist, zeigt den Blick vom Empfangssalon durch die Halle in das Speisezimmer.
314 Edition und Kommentar salon: Der Salon bzw. Musiksalon zeigte zur Cranachstraße und lag auf der Achse zwischen Bibliothek und Speisezimmer (später: großer Salon). Eine frühe historische Aufnahme von 1903 zeigt den Blick auf eine Sitzgruppe und auf die Durchgänge zu Speisezimmer (links) und Halle (rechts). Weitere Aufnahmen, die Rückschlüsse auf die Position der anderen Einrichtungsgegenstände zulassen könnten, haben sich nicht erhalten. chaise marquise … double marquise: Kessler besaß nachweislich eine einfache sowie eine doppelte Chaise marquise (vgl. Pecher 1981, S. 202 f., 277, Nrn. 1238, 1239; Innen-Dekoration 1903, S. 253; Album van de Velde, Nr. 11). table: Kessler bezieht sich hier auf den ausziehbaren Schleiflacktisch aus dem Speisezimmer (vgl. Pecher 1981, S. 210, 281, Nr. 1331; Album van de Velde, Nr. 9). William Arthur Smith Benson (1854–1924), britischer Architekt und Designer. William Benson, Gründungsmitglied der ›Art Worker’s Guild‹, stand unter dem Einfluss der englischen Arts & Crafts-Bewegung um William Morris und gehörte zu den innovativen Designern für modernes Hausgerät aus Metall, insbesondere für elektrische Beleuchtungskörper. Er leitete eine Fabrik in Hammersmith und führte ein Ladenlokal in der Bond Street in London. la santé de ma mère: Kesslers Mutter litt an einem starken Augenleiden und unter Rheumatismus. Im Sommer 1902 hatte sie zusätzlich einen eiergroßen Abszess am Bein (Alice Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 29.8.1902, DLA). Der Zustand der Augen hatte sich derart rapide verschlechtert, dass sich Kesslers Mutter zu einem Augenspezialisten nach Lausanne begeben musste (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 22.11.1902; vgl. Brief 140). »O Schreckensjahr 1904«, beschrieb Kesslers Mutter das eigene traurige Schicksal, »da eine furchtbare hinterlistige Krankheit, die langsam herangeschlichen kam, mitten im Leben über mich herfiel und wie ein Blutegel mir das Blut aus dem Herzen saugend an Stelle einer schönen, lebenslustigen, feinnervigen Frau einen elenden Kadaver zurückließ. Gefällt von einem einzigen, tückischen Streich. Gelähmt! Unfähig, das Geringste für mich zu tun! Ein hilfloser, armer menschlicher Fetzen, für alles abhängig von anderen, angewiesen auf die Gnade anderer, Tag für Tag. Jedes Jahr eine neue Bedrohung, ein neuer Fortschritt der erbarmungslosen Krankheit. Lähmung, Blindheit, gestörte Sprache, die ganze Meute menschlicher Leiden auf einen zarten Körper losgelassen, um ihn zu foltern und dann durch einen furchtbaren Tod zu vernichten.« (Kessler 1962, S. 98 f.).
138 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 4.12.1902 AML, FSX 504/67, Brief
Paris ce 4 déc[embre]. 1902. Cher ami Ma sœur désirait avoir un corsage comme celui de madame Van de Velde, mais à sa mesure naturellement. Je vous enverrai ces mesures, dès que je les aurai, demain ou après[-]demain. Je réexpédie aujourdhui [sic] le corsage et l’échantillon de linge de table. Je n’ai pas encore les devis pour celui-ci. – Ma sœur a un autre besoin d’un plateau; mais elle ne veut pas y mettre plus de
Briefe und Kommentare 315
300 frcs. Il le faudrait de 40 cm sur 30 de large. Est[-]il possible de l’avoir en argent à ce prix? Müller pourrait-il faire un devis? L’argent étant à un si vil taux, aujourd’hui [sic]; peut[-]être serait-ce possible. – Je pars pour Londres samedi. Je compte rester à Londres environ huit jours. Hotel [sic] Cecil. Veuillez saluer madame VandeVelde de ma part. Affectueusement HdeKessler. le corsage et l’échantillon de linge de table: Die Korsage und die Tischwäsche wurden vom Verein für weibliche Kunstindustrie nach Entwürfen van de Veldes gefertigt (vgl. Briefe 90, 135). un plateau: Kesslers Schwester Wilma besaß nachweislich ein Tablett mit den Maßen 57 x 31 cm sowie einen Teller mit einem Durchmesser von 35 cm, der auch als Tablett oder Anbietteller genutzt werden konnte. Kessler selbst bekam am 30. Juli 1903 ein rundes Silbertablett zum Preis von 260 Mark nach einem Entwurf van de Veldes von Hofjuwelier Theodor Müller geliefert (Fa. Theodor Müller an Harry Graf Kessler, 30.7.1903, DLA). Möglicherweise handelt es sich hier um den oben aufgeführten Teller. Henry van de Velde, Tablett, 1902/03 (Silber, 57 x 31 cm, bez.: Halbmond, Reichskrone, unleserlich, »800«, »TH. MÜLLER, WEIMAR«, 1.800 g, Privatbesitz, Hersteller: Koch & Bergfeld, Bremen; Theodor Müller, Weimar; Föhl/ Neumann 2009, S. 150, Nr. I.2.27). Henry van de Velde, Teller, 1902/03 (Silber, Ø 35 cm, bez.: Halbmond, Reichskrone, »925«, »TH. MÜLLER«, Künstlermonogramm; Allianzwappen Kessler/Brion, 476 g, Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, Hersteller: Koch & Bergfeld, Bremen; Theodor Müller, Weimar; Föhl/ Neumann 2009, S. 147, Nr. I.2.22). Theodor Müller (1839–1908), Silberschmied, Hofjuwelier, Gründer der gleichnamigen Firma. Theodor Müller gründete 1863 einen Juwelierladen am Graben in Weimar. Mit wachsendem Erfolg verlegte er sein Geschäft 1867 in die Wielandstraße (Ecke Geleitstraße) und 1878 in die prominente Schillerstraße 5 (heute HypoVereinsbank). Theodor Müller wurde 1873 von Großherzog Carl Alexander zum Großherzoglich-Sächsischen Hofjuwelier ernannt. Er übergab 1901 die Geschäftsleitung an seine Söhne Hans und Wilhelm Müller. 1904 entstand neben der Goldschmiedewerkstatt eine größere Silberwerkstatt. Seit 1902 arbeitete van de Velde mit der Firma Müller eng zusammen. Die Firma führte Arbeiten nach Entwürfen van de Veldes zum Großteil in den eigenen Werkstätten aus und leitete überdies den Vertrieb von Bestecken und Korpusware aus der Produktion der Silberfirma Koch & Bergfeld in Bremen. Einer der größten Aufträge war sicherlich die Anfertigung des 353-teiligen Tafelsilbers nach Entwürfen des Belgiers anlässlich der Vermählung von Großherzog Wilhelm Ernst mit Caroline, Prinzessin Reuß ä. L. 1903 und die Ausführung des Silbergeschirrs für den Linienkreuzer ›Thüringen‹ (vgl. Föhl/ Neumann 2009, S. 94–103, 236–238).
316 Edition und Kommentar
139 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 6.12.1902 AML, FSX 504/68, Brief
Paris ce 6 déc[embre]. 1902. Cher ami Voici les mesures pour le corsage de ma sœur, que me fait envoyer sa couturière. Je pense qu’il faudra réduire tout le dessin, ma sœur étant beaucoup plus mince que le corsage original. Le dessin, dans sa grandeur originale, l’écraserait. – Je vous prie, en outre, de vouloir bien commander pour moi à Müller un second peigne, exactement comme le premier, qu’il m’a fait (or et écaille blonde). Il me le faudrait pour le 20 au plus tard. Je compte être à Weimar vers cette époque. Veuillez saluer madame Van de Velde. Affectueusement HdeKessler. Je serai à Londres, Hotel [sic] Cecil, à partir de lundi. Mais je préfère que la société à Weimar, (les Werthern, Palézieux etc) n’apprennent pas ce déplacement, comme je ne compte pas aller à l’Ambassade à Londres, ayant beaucoup à faire et ne voulant pas perdre de temps. peigne: Nicht identifizierbar. vers cette époque: Kessler kam erst am 8. Januar 1903 nach Weimar (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 9.1.1902 [1903, Anm. d. Verf.], DLA).
140 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 7.12.1902 AML, FSX 504/66, Brief
Paris ce 7. déc[embre]. 1902. [Anmerkung von van de Velde: ›Gide, etc. ...‹] Cher ami Que faire? Il faudra tout de même voir à avoir de grands métiers, pouvant tisser des étoffes d’au moins 1,60 de large; sans ça toute cette industrie n’a aucune issue. Je ne vois pas des nappes recousues. Assurément, deux femmes pourraient servir un tel métier, si une était trop faible. Il faudra reparler de cette question, quand je serai à Weimar. Je crois que, vraiment,
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de telles nappes auraient un grand avenir, vu la beauté de la matière. On pourrait facilement les ›lancer‹, ce me semble. Quant aux serviettes, il faudra attendre ce qui adviendra des nappes; car elles ne pourraient servir seules. – Je vous remercie de vos inquiétudes pour ma mère, qui est malheureusement bien souffrante. Elle est partie pour Lausanne, où elle doit se mettre entre les mains d’un spécialiste. – J’ai déjeuné aujourdhui [sic] chez les van Rysselberghe, avec lesquels nous avons forgé des plans pour cet été à Weimar. Que diriez-vous d’une espèce de Quinzaine artistique, avec représentations dans le Parc de Belvédère, auditions musicales à Belvédère ou à Weimar (Debussy, Ansorge), conférences, par Gide, par exemple, qui s’intéresse énormément, à ce qu’il paraît, à notre expérience de Weimar, et qui accompagnera, je l’espère, les Rysselberghe à Weimar? Il faudrait alors organiser, à la même époque, une exposition de vos œuvres et des peintres néoimpressionnistes, ainsi que du groupe Maurice Denis, Vuillard. Ce serait, je pense, au commencement de juillet, pour être sûr, que la Gr[ande]. Duchesse soit de retour. Ne voilà-t-il pas de beaux projets? Qu’en dites[-] vous? Ça vaudrait bien Darmstadt, et comme ça serait plus artistique! Ça marquerait le réveil de Weimar. On aurait facilement toutes les personnalités vraiment intéressantes de l’Allemagne, pour 8 à 15 jours, et je pense, aussi suffisamment de Français intéressants. Si on donnait l’›Intérieur‹ je songe bien que Maeterlinck viendrait. Pensez donc ce que se serait, une vingtaine d’esprits d’élite, réunis pendant huit jours, dans ce cadre de Weimar, de Belvedère, uniquement pour s’occuper de beauté et de choses de l’esprit. Quelle vie en jaillirait! C’est presque trop beau. Veuillez saluer madame VandeVelde Affectueusement HdeKessler. Je serai à Londres demain, Hotel [sic] Cecil. Jusqu’à lundi prochain. vos inquiétudes pour ma mère: Vgl. Anm. Brief 141. déjeuné: Kessler war am 7. Dezember 1902 bei Théo und Maria van Rysselberghe in deren Villa Aublet in der rue Laugier 44 zu Gast (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 7.12.1902). Théo van Rysselberghe unterrichtete seinerseits van de Velde am Tag darauf: »Nous avons eu l’agréable surprise de la visite de M. de Kessler, qui a déjeuné avec nous hier; il nous a longuement et bien parlé de Weimar, de toi, de ta situation et de tout ce qui pouvait nous intéresser. Et comme conclusion, notre voyage à Weimar est décidé pour le moi de juillet: L’on fera coïncider avec cela une exposition que je m’efforcerais de rendre aussi intéressante et aussi intense que possible par la collaboration du groupe Denis-Vuillard et du nôtre. Ce stimulerai les uns et les autres pour le choix de œuvres à envoyer. […] M. de Kessler m’a dit que pour l’instant tu regardais avec la plus grande curiosité les antiquités grecques: c’est une fameuse école que celle-là!« (Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 9.[8., Anm. d. Verf.]12.1902, AML, FSX 800). les van Rysselberghe: Maria Philomène-Andrée van Rysselberghe (geb. Monnom, gen. Matata, 1866–1959)/ Théophile van Rysselberghe (gen. Théo, 1862–1926), belgischer Maler,
318 Edition und Kommentar Graphiker, Typograph, Mitbegründer der Künstlergruppe ›Les Vingt‹. Maria und Henry van de Velde hatten sich 1893 im Hause van Rysselberghe in Brüssel kennengelernt und daraufhin Theó van Rysselberghe zu ihrem Trauzeugen bestimmt. Seitdem bestand eine enge Freundschaft zwischen beiden Ehepaaren. Kessler kannte van Rysselberghe seit 1898. Er nutzte van Rysselberghes vorzügliche Kontakte zur französischen Kunstszene, um u. a. 1902 Bekanntschaft mit André Gide zu schließen. Van Rysselberghe folgte der Einladung Kesslers und reiste im Juli 1903 nach Weimar, um die Ausstellung ›Deutsche und französische Impressionisten und Neo-Impressionisten‹ im Museum für Kunst und Kunstgewerbe mit sieben Gemälden zu bereichern. Quinzaine artistique: Kessler schwebte vor, Weimar während eines zweiwöchigen SommerKunstfestes, das unter dem Protektorat von Erbgroßherzogin Pauline stehen sollte, in einen »Hof der Renaissance« zu verwandeln (vgl. Brief 147). Unter Teilnahme von namhaften Künstlern, wie André Gide, Conrad Ansorge, Claude Debussy, Théo van Rysselberghe und Maurice Maeterlinck, plante Kessler musikalische Darbietungen, Lesungen, Vorträge und Ausstellungen. Das Vorhaben wurde teilweise umgesetzt. Am 1. August 1903 eröffnete die von Kessler übernommene Ausstellung mit Werken der deutschen und französischen (Neo-) Impressionisten, am 5. August 1903 hielt André Gide einen Vortrag, und auch Théo van Rysselberghe war in Weimar zu Gast. conférences, par Gide: André Paul Guillaume Gide (1869–1951), französischer Schriftsteller. Der Vortrag ›De l’importance du public‹ von André Gide fand am 5. August 1903 im Schloss Belvedere statt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.8.1903). Gide hielt sich zusammen mit Théo und Maria van Rysselberghe in Weimar auf. Er war seit 1899 mit dem Ehepaar befreundet, namentlich mit Maria van Rysselberghe, die nach dem Tod Gides ein gemeinsames Tagebuch mit dem Titel ›Les cahiers de la petite dame. Notes pour l’histoire authentique d’André Gide 1929–1937‹ veröffentlichte. Trotz seiner homosexuellen Veranlagung wurde Gide 1923 Vater. Mutter seiner Tochter Catherine war Elisabeth (gen. Dabeth) van Rysselberghe, die Tochter von Théo und Maria van Rysselberghe. exposition: Die Ausstellung wurde am 1. August 1903 unter dem Titel ›Deutsche und französische Impressionisten und Neo-Impressionisten‹ im Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar eröffnet. Kessler übernahm die Ausstellung von den Initiatoren Paul Cassirer und Curt Herrmann (vgl. Anm. Brief 120). Beteiligte Künstler waren Paul Baum, Pierre Bonnard, Henri Edmond Cross, Maurice Denis, Charles Guérin, Curt Herrmann, Maximilien Luce, Hippolythe Petitjean, Odilon Redon, Ker-Xavier Roussel, Théo van Rysselberghe, Paul Signac und Edouard Vuillard (vgl. Ausst. Kat. Weimar 1999.2, S. 90 ff.). Darmstadt: Bezieht sich auf die Ausstellung ›Ein Dokument deutscher Kunst‹ auf der Darmstädter Mathildenhöhe von 1901 (vgl. Anm. Briefkarte 69, Brief 88). ›Intérieur‹: Maurice Maeterlinck: L’Intérieur, Drama 1894.
141 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Paris], 9.12.1902 AML, FSX 504/69, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CHATHAM PARIS
Briefe und Kommentare 319
9.XII.1902. Cher ami Je dois encore vous ennuyer pour un renseignement. Il s’agit des poignées de porte. J’en ai trouvé [sic]. Seulement il faudrait savoir 1) si les portes, dans mon appartement, ont des serrures appliquées, c’est[-]à[-]dire visibles, (boîtes collées sur la porte) ou bien, si ces serrures sont à l’intérieur de la porte (invisibles). 2) de quel côté ouvrent les portes, c’est[-] à[-]dire, si la serrure est à droite ou à gauche. Il s’agit bien entendu de toutes les portes, aussi bien au premier qu’au second étage. Si la boîte n’est appliquée que d’un côté, il faudrait savoir duquel. Je pense que ce qu’il y a de plus simple à faire, c’est de faire faire [unleserlich]relevé de tous ces détails par le serrurier. Mais il faudrait qu’il se dépêche; car je devrais avoir ce relevé ici samedi matin. Je vous remercie à l’avance de vos démarches. Saluez, je vous prie, madame VandeVelde de ma part. Affectueusement HdeKessler. poignées de porte: Um die Sichtachsen innerhalb der Wohnung zu erweitern, ließ Kessler sämtliche von der Halle abgehenden Türen aushängen und durch Vorhänge ersetzen. Andere Türen, wie z. B. vom Arbeitszimmer zum Esszimmer (später: großer Salon), beließ er. Historische Aufnahmen zeigen zeittypische Drehknäufe bzw. Türöffner mit eingelassenen Schlössern.
142 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [London], 16.12.1902 AML, FSX 504/70, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
16. déc[embre]. 1902. Cher ami Je ne viendrai à Weimar que vers la fin du mois, c’est[-]à[-]dire après le Noël, ma mère et son état de santé très peu satisfaisant réclament ma présence à Lausanne. En attendant, je n’entends plus rien de Scheidemantel. Il ne m’a pas envoyé de devis pour l’antichambre, et je suppose donc que tous ces travaux sont en suspens. Pourriez-vous, cher ami, le hâter un peu pour ce devis. Voilà bien quinze jours qu’il aurait pu me l’envoyer. Je vous prie de le faire adresser à Lausanne, Suisse, Hotel [sic] Beaurivage. – Je serais aussi bien content d’avoir des nouvelles de vous et de madame Van de Velde.
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Affectueusement HdeKessler Je serai à Paris samedi et dimanche. Si donc le devis partait vendredi, on pourrait l’adresser à Paris, 25 rue Drouot. Ça serait deux jours de gagnés. ma présence à Lausanne: Kessler reiste am 25. Dezember 1902 nach Caux sur Territet, um seine kranke Mutter und seine Schwester zu besuchen. Am 30. Dezember 1902 reiste er wieder zurück nach Paris (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 25./30.12.1902). Heinrich Scheidemantel (1833–1910)/ Friedrich Scheidemantel (gen. Fritz, 1867–1933), Möbel- und Kunsttischler, Inhaber der Weimarer ›Hofmöbelfabrik H. Scheidemantel‹. Die geschäftliche Verbindung zwischen van de Velde und den Inhabern der Weimarer ›Hofmöbelfabrik H. Scheidemantel‹ ergab sich unmittelbar nach van de Veldes Dienstantritt im April 1902 (vgl. Weimarische Zeitung, 9.4.1902). Binnen kurzer Zeit avancierte die Hofkunsttischlerei, die später dem Deutschen Werkbund beitrat, zum Generalunternehmen für van de Velde, indem sie nahezu sämtliche Möbelarbeiten nach seinen Entwürfen zwischen 1902 und 1917 ausführte (vgl. Denkschrift Henry van de Veldes, 27.5.1914, in: Wahl 2007, S. 298). Das Geschäftslokal der Hofmöbelfabrik befand sich in der Schillerstraße 14, die Fabrik lag indes am Schwansee.
143 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [London], 18.12.1902 AML, FSX 504/71, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
18.XII.1902 Cher ami Je vais encore vous ennuyer. Faites donc, si vous le voulez, lire cette lettre seulement à Melle Paul, qui a la bonté de s’occuper de mes affaires avec tant de dévouement. Voici donc. Je voudrais donner à la Noël des vases de Hancke [sic] aux personnes suivantes: Mme Richter Mme Förster Mme Werthern et Mme de Palézieux. Pour Mme Richter et Mme Förster, j’ai pensé au grand vase, que vous, et moi aussi, nous trouvons le plus beau. [Skizze] Pour Mme Werthern et Mme de Palézieux à quelquechose [sic] de moins important. Je vous prierais de choisir les quatre vases. Ensuite, il faudrait expédier celui pour Mme Richter à
Briefe und Kommentare 321
Blumenhandlung J. C. Schmidt Unter den Linden Berlin en mon nom. Les trois autres, je vous prierais de les faire fleurir à Weimar, et de me faire adresser la note par le fleuriste. Schmidt devrait les envoyer chez ces dames le 24. S’il était matériellement impossible d’avoir les vases pour cette date, on pourrait attendre le jour de l’An. Je suis honteux de vous demander de faire de telles commissions. Mais je suis dans une impossibilité absolue de m’arranger autrement, si je veux donner des vases de Hancke [sic]. Et je tiens à ceci, pour qu’on commence à les voir, dans les bonnes maisons. Je vous remercie infiniment, d’avance. Je serai à Lausanne, Hotel [sic] Beaurivage, mardi; à Paris, 25 rue Drouot, jusqu’à lundi. Veuillez saluer madame VandeVelde de ma part. Affectueusement HdeKessler. Melle Paul: Vally Paul (Lebensdaten nicht bekannt). Vally Paul war vermutlich schon seit 1901 bei van de Veldes privat beschäftigt, zunächst in Berlin und seit 1902 auch in Weimar (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 22.10.1901, AML, FSX 786). Sie half Maria van de Velde im Haushalt, kümmerte sich um organisatorische Angelegenheiten, erledigte die Buchhaltung sowie diverse Übersetzungen für van de Velde und fertigte gelegentlich Pausen für ihn (vgl. Maria van de Velde an Henry van de Velde, 30.4.1902, 1.5.1902, undat., 10.8.1902, AML, FSX 786; Schulte 1992, S. 104, Anm. 55; Bothe 1989, S. 575, Anm. 3). Außerdem unterstützte sie Harry Graf Kessler bei der Abwicklung einiger privater Geschäfte (vgl. Brief 150). Hanke: Vgl. Anm. Briefe 85, 133. personnes suivantes: Gemeint sind Cornelie Richter (vgl. Anm. Brief 34), Elisabeth FörsterNietzsche (vgl. Anm. Briefkarte 69), Gertrud Gräfin von Werthern-Beichlingen (vgl. Anm. Brief 105) und Elisabeth von Palézieux (vgl. Anm. Brief 86). grand vase: Kesslers schlichter Skizze zufolge kommen drei Vasentypen in Betracht. Da Kessler von einer »großen Vase« spricht, könnte es sich um die 59 cm hohe Vase mit der Modellnummer 2048 handeln, von der ein Exemplar im Nachlass von Elisabeth Förster-Nietzsche überliefert ist. Alternativ könnten aber auch die Modellnummern 2043 oder 2095 mit 24 und 28 cm Gesamthöhe gemeint sein. Schmidt: Es handelt sich um die Berliner Blumen- und Pflanzenhandlung ›Blumenschmidt‹, Unter den Linden 16, offiziell: ›J. C. Schmidt aus Erfurt, Hoflieferant Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs u. anderer Höfe‹ (vgl. Berliner Adreßbuch 1903).
322 Edition und Kommentar
144 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [London], 19.12.1902 AML, FSX 504/72, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
19.XII 1902 Cher ami Je viens de voir une exposition historique d’argenterie de table anglaise, qui vous intéresserait vivement, j’en suis sûr. Il y a surtout la collection de Whistler, qui vaut la peine d’être vue, et en elle[-]même, et pour le goût avec lequel il l’a présentée. Cette exposition reste ouverte jusqu’au 15 janvier. Pourquoi ne venez[-]vous pas à Londres pour quelques jours entre la Noël et le jour de l’An? Vous devriez vraiment étudier la construction des théâtres ici. Et puis, comment peut on [sic] exister, sans avoir jamais vu les frises du Parthénon? Je quitte Londres malheureusement demain, pour Paris, et puis pour Lausanne, Hotel [sic] Beaurivage, où je resterai jusque vers le 30. Je vous souhaite, en attendant, une bonne fête de Noël, joyeuse et en bonne santé. Veuillez saluer de ma part madame VandeVelde et les bébés, auxquels j’expédie deux ou trois petits bouquins d’images. Affectueusement HdeKessler. L’exposition de l’argenterie est à 148 Bond street. exposition: Es handelt sich um die Ausstellung ›Exhibition of Old Silver Table Plate‹ in der ›Fine Art Society‹ in der Bond Street 148, London. Die Ausstellung fand von November 1902 bis Januar 1903 statt. Whistler hatte Silber aus der eigenen Sammlung zur Verfügung gestellt. James Abbot Mc Neill Whistler (1834–1903), amerikanischer Maler, Graphiker, Radierer. Whistler, dessen Werk in hohem Maß von der japanischen Kunst beeinflusst war, gilt als Vorläufer des dekorativen Jugendstils. Seine Arbeiten und Errungenschaften, die auch auf dem Gebiet des Wohndesigns lagen, wurden von van de Velde und Kessler durchaus geschätzt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 25.4.1902).
145 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, Paris, 22.12.1902 AML, FSX 504/73, Brief
Paris, ce 22 décembre 1902. Chère madame, Je me permets, en vous souhaitant une fête de Noël joyeuse et un Nouvel
Briefe und Kommentare 323
An heureux, de vous envoyer un des derniers livres de Cobden Sanderson. J’espère que la vue de ce caractère, si noble et si blond [profond], vous encouragera à penser sérieusement au caractère que vous nous devez. C’est le vœu que je me fais à moi[-]même, pour l’année prochaine. Agréez, chère madame, l’expression de mes sentiments les plus respectueux. HdeKessler. un des derniers livres: Folgende zwei Publikationen könnten gemeint sein: Cobden-Sanderson, Thomas James: The Ideal book or book beautiful – a tract on calligraphy, printing, and illustrations & on the book beautiful as a whole, London-Hammersmith 1900; Cobden-Sanderson, Thomas James: Ecce Mundus. Industrial ideals and the book beautiful, London-Hammersmith 1902.
146 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 22.12.1902 AML, FSX 504/74, Brief
Paris, ce 22 décembre 1902 Cher ami, Voici un petit bout de papier que je me permets de mettre sous l’arbre de Noël de votre Institut, en lui souhaitant beaucoup de retours heureux de cet anniversaire, presque de sa naissance, et en vous remerciant des soins si dévoués que vous avez bien voulu porter à mon installation. J’aurais désiré me rencontrer avec vous à Londres (que vous devez visiter avant le 15 janvier). Que d’instants émouvants nous aurions vécu [sic] ensemble. Les Musées de Londres et la Race anglaise me sont des sources profondes de force et d’espoir; Race arriérée aujourd’hui [sic], si on veut, mais si admirable par la force accumulée, latente et qui certainement reconquerra sa place dans l’évolution spirituelle. Et cette force, ici, se manifeste en Beauté, qui réjouit les yeux jusque dans ces rues brumeuses et grises de l’immense ville. Je ne pense pas que depuis Sparte il y ait eu Race si belle, tant d’individus d’une même souche si uniformément beaux par la Santé, et par la noblesse du Regard. Moi, ça m’importe plus que la beauté individuelle, que le charme personnel des traits chez Quelquesuns [sic], qui couronne nos races continentales. Je puise plus de joie à cette beauté de race, sans cesse refleurissante. Car je crois fermement, que cette Beauté ci [sic] peut se créer à volonté. Nous en avons une semblable, chez nous, en Allemagne, dans certains clans de Junkers Brandebourgeois ou Poméraniens. Et l’Angleterre prouve que cette beauté n’est pas nécessairement
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un privilège dévolu à quelquesuns [sic] seulement. Une race d’êtres forts et harmonieux, donc beaux, au moral et au physique, voilà, tout de même, à quoi aboutissent nos rêves. C’est presque le rêve Byronien, Romantique. Mais ce, en quoi chez nous ce rêve se spécialise, c’est que nous voulons ces êtres adaptés au milieu moderne, tirant leur force des forces de la vie présente. Voilà ce qui vous sépare, vous et Nietzsche et Goethe, du Romantisme. J’en ai eu la sensation aiguë en voyant la collection d’argenterie de Whistler. Toute sa personnalité, si moderne, si parente de la vôtre, se reflète dans ce qu’il a choisi de la beauté ancienne. Allez donc à Londres voir ça. C’est réconfortant, parce que ça montre de [sic] moderne et de [sic] vivant dans cette beauté ancienne, et de traditionnel, de sainement engendré dans notre beauté moderne. C’est d’un enseignement autrement profond que les choix capricieux qu’a faits Morris, qui n’a jamais cessé d’être un Romantique, et qui n’a jamais rien compris à la vie moderne, tout socialiste qu’il se disait. Mais voilà un immense sermon, et je ne vous ai pas encore remercié de votre lettre, qui m’a fait bien du plaisir par les nouvelles qu’elle me donne de vos travaux pour Lübeck et pour la P[rin|cesse Reuss. Je serai à Weimar le 3 janvier, à moins que vous ne vous décidiez à partir pour Londres avant, dans quel cas je vous prie de m’en aviser à Lausanne, Hotel [sic] Beaurivage. Je vous remercie de l’intérêt que vous voulez bien porter à la santé de ma mère. J’espère beaucoup de la cure qu’elle entreprend, mais, en attendant, elle est toujours bien souffrante. – Je joins à cette lettre quelques cartes de visite, que je prie de faire parvenir au fleuriste, pour qu’il les joigne aux envois pour Mme Förster, Mme Werthern et Mme de Palézieux, dont je vous avais parlé dans une de mes dernières lettres. Veuillez saluer de ma part madame VandeVelde. Bien affectueusement HdeKessler. votre Institut: Betrifft das Kunstgewerbliche Seminar unter Leitung von van de Velde. William Morris (1834–1896), englischer Buchdrucker, Maler, Kunstgewerbler, Graphiker, Sozialreformer, Schriftsteller. Van de Velde und Kessler verehrten William Morris als Begründer und Führer der englischen Arts & Crafts-Bewegung. Insbesondere van de Velde, der Morris als seinen tatsächlichen Vorläufer betrachtete, ließ sich von Morris’ sozialreformerischen Ideen und kunstgewerblichem Schaffen nachhaltig und sichtbar beeinflussen. So verwendete van de Velde mit Vorliebe für seine frühen Möbel und Vorhänge Stoffe von Morris. Im Gegensatz zu van de Velde gelang es Kessler, Morris persönlich kennenzulernen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.6.1895, 2.6.1896). votre lettre: Van de Veldes Brief befindet sich nicht im Nachlass Kesslers. pour Lübeck: Es handelt sich um den Auftrag zur Einrichtung der Lübecker Kanzlei von Dr. Ernst Wittern, den van de Velde Anfang 1902 erhalten hatte und der weitere Aufträge, u. a. für den Lübecker Senator Emil Possehl, nach sich zog. Einige Innenraumaufnahmen der Kanzlei
Briefe und Kommentare 325 waren zusammen mit Aufnahmen von Kesslers Wohnungseinrichtung 1903 im Oktoberheft der ›Innen-Dekoration‹ abgebildet (vgl. Innen-Dekoration 1903, S. 155–157; Folkers 1983). pour la P[rin]cesse Reuss: Marie Alexandrine Anne Sophie Auguste Helene Prinzessin Reuß VII (gen. Zitta, geb. Prinzessin Sachsen-Weimar-Eisenach, 1849–1922). Seinen ersten Auftrag aus Hofkreisen erhielt van de Velde Anfang Dezember 1902 von Prinzessin Marie Alexandrine. Sie stammte aus dem Weimarer Fürstenhaus, war Tochter von Großherzog Carl Alexander und Tante des regierenden Großherzogs Wilhelm Ernst. Durch Vermittlung von Gertrud Gräfin von Werthern-Beichlingen hatte van de Velde Mitte Dezember die Pläne des Bauprojekts erhalten. Geplant war der Bau eines Sanatoriums bzw. einer ›Physikalischen und diätischen Kuranstalt‹ in Trebschen in der Neumark (heute Trzebiechów) unter dem Protektorat von Prinzessin Marie Alexandrine. Als federführender Architekt des umfangreichen Gebäudekomplexes, bestehend aus Patienten- und Arzthaus und diversen Nebengebäuden, zeichnete Max Schündler verantwortlich. Van de Velde erhielt dagegen den Auftrag zur Innenausstattung des Arzt- und Patientengebäudes, den er bis 1904 umsetzte (vgl. Neumann/ Reuter 2007). à Weimar le 3 janvier: Kessler war erst am 8. Januar 1903 in Weimar (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 9.1.1903, DLA).
147 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Caux sur Territet, 27.12.1902 AML, FSX 504/75, Brief
Caux sur Territet ce 27 décembre 1902. Cher ami J’ai reçu hier votre livre et aujourdhui [sic] votre lettre, qui m’a fait de nouveau ressentir l’intime sympathie qui m’unit à vous. Puissent nos vœux pour l’œuvre que vous devez accomplir et à laquelle j’ai tant de joie à aider se réaliser! Je l’espère et j’y crois. Mais surtout, ne vous surmenez pas. C’est le seul point noir que j’entrevois dans l’avenir. Il faudra absolument que vous facilitiez votre travail matériel, en vous servant des modèles déjà créés, dans une plus large mesure. C’est, du reste, ce qui deviendra de plus en plus facile. Et vous devez en profiter. À Paris, j’ai rencontré partout l’intérêt le plus vif pour Weimar. J’ai déjà nombre d’adhésions, entre autres de Gide, Maurice Denis, Odilon Redon, Vuillard, qui ont promis d’exposer, et plus ou moins promis de venir personnellement, si les représentations chez la Gr[ande]. Duchesse se réalisent. C’est donc ce qu’il faudra voir, et je vais tâcher de relancer cette idée, dès que je serai à Weimar. Je vous prierai seulement, si vous voyez la Gr[ande]. Duchesse, de l’en entretenir à nouveau, pour qu’elle n’oublie pas les projets qu’elle avait formés. Nous pourrons alors faire de Weimar une vrai [sic] cour de la Renaissance, pendant 15 jours. Et c’est bien cela, cependant, ce qu’on réclamait. Le 3 étant un
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samedi, je préférerais n’arriver à Weimar que dimanche soir ou lundi matin, 5, à moins qu’il n’y ait une raison importante, qui demande ma présence le 3. Dans ce cas, je vous prierais de m’écrire à Paris, Hotel [sic] Chatham, où je serai mercredi et jeudi. Je dois faire ce détour pour arranger quelques affaires, qu’y [sic] a ma mère, des questions de placement etc. et qu’elle ne peut résoudre d’ici. Ma mère vous remercie de l’intérêt que vous témoignez à sa santé, qui malheureusement, est toujours mauvaise. Mais j’espère bien que le régime et l’air finiront par avoir raison de sa faiblesse. Veuillez présenter mes respects à madame Van de Velde et aux bébés. Affectueusement HdeKessler. Je vous remercie infiniment des soins que vous avez eus la bonté de donner à mes étrennes. Vous voyez par le télégramme que le vase a eu un très grand succès, chez mad. Richter. – Je suis inquiet au sujet de la santé de mad[ame]. Förster! Je me réjouis pour Rohlfs – et pour Weimar. votre lettre: Der Brief befindet sich nicht in Kesslers Nachlass. pour Weimar: Vgl. Anm. Brief 140. Gide, Maurice Denis, Odilon Redon, Vuillard: Gide hielt am 5. August 1903 einen Vortrag in Weimar. Die Ausstellung ›Deutsche und französische Impressionisten und Neo-Impressionisten‹ eröffnete am 1. August 1903 (vgl. Anm. Brief 140). Die drei genannten Künstler nahmen mit folgenden Werken an der Ausstellung teil. Maurice Denis: Nr. 14 ›Moses‹, Nr. 15 ›Familienbild‹, Nr. 16 ›Ein Laden in der Bretagne‹, Nr. 17 ›Rom‹, Nr. 18 ›Terrasse‹, Nr. 19 ›Morgenlandschaft‹; Odilon Redon: Nr. 41 ›Blumen‹, Nr. 42 ›Dornenkrone‹, Nr. 43 ›Der Ballon-Verkäufer‹, Nr. 44 ›Alpdrücken‹, Nr. 45 ›Der Tag‹, Nr. 46 ›Brunhilde‹; Edouard Vuillard: Nr. 87 ›Offenes Fenster‹, Nr. 88 ›Landschaft‹, Nr. 89 ›Im Park‹, Nr. 90 ›Dame in Schwarz‹, Nr. 91 ›Besuch‹, Nr. 92 ›Die Näherin‹, Nr. 93 ›Intérieur‹, Nr. 94 ›Intérieur‹ (vgl. Ausst.Kat Weimar 1999.2, S. 90–92). Grande Duchesse: Erbgroßherzogin Pauline von Sachsen-Weimar-Eisenach (vgl. Anm. Brief 90). mes étrennes: Vgl. Anm. Brief 143. télégramme: Das Telegramm befindet sich nicht in Kesslers Nachlass. Christian Rohlfs (1849–1938), Maler, Graphiker. Rohlfs, von 1870 bis 1884 Schüler der Großherzoglichen Kunstschule in Weimar und ab 1894 als freischaffender Künstler tätig, erhielt am 25. Dezember 1902 durch Großherzog Wilhelm Ernst und Hans Olde nachträglich den Professorentitel zuerkannt. Rohlfs war 1901 durch Vermittlung von van de Velde und auf Wunsch von Karl Ernst Osthaus nach Hagen gezogen.
Briefe und Kommentare 327
148 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 10.1.1903 AML, FSX 504/76, Brief
Weimar, 10.I.1903. Cher ami Je vous remercie encore des deux journées que je viens de passer avec vous et madame van de Velde et qui m’ont donné à nouveau tant de réconfort intellectuel. Je regrette seulement de vous avoir fait perdre encore une de vos précieuses journées. J’ai vu l’étoffe chez Scheidemantel. Mais ce n’est qu’une minime proportion de soie qui y entre. Ne sera-ce pas bien sévère pour un salon, et le fabricant ne pourrait[-]il pas exécuter ce dessin complètement en soie? Quant au dossier de chaise, je me suis rendu compte de la cause principale, je crois, qui m’empêche d’aimer cette classe de formes. Vues d’en haut, toutes ces formes pour ainsi dire coniques (pyramidales) présentent à l’œil des lignes tombantes; c’est[-]à[-]dire, que cette impression de la ligne tombante est la sensation la plus forte qui s’en dégage. Et il doit y avoir là un rapport symbolique, que je n’arrive pas à dominer, et qui me fait paraître ces formes là [sic] tristes. Vous rirez peut[-]être de ce ›symbolisme‹; mais il ressemble un peu à celui par lequel vous avez débuté. Et, du reste, il n’a rien d’intellectuel, de littéraire, puisque je l’ai senti, bien avant de pouvoir me l’expliquer. – Je pars à midi, mais n’ai pas voulu vous déranger. Présenter, je vous en prie, mes respects à madame van de Velde. Affectueusement HdeKessler. L’impression, que la ligne tombe, est moins forte, est pour ainsi dire complémentairement atténuée quand la ligne, avant de descendre, commence par remonter ou par s’élargir; et, alors, la sensation de tristesse disparaît. deux journées: Kessler hielt sich vom 8. bis zum 10. Januar 1903 in Weimar auf, um seinen bevorstehenden Einzug in die neue Wohnung vorzubereiten (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.1.1903; Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 9.1.1902 [1903, Anm. d. Verf.], DLA). Scheidemantel: Möbelfirma H. Scheidemantel, Weimar (vgl. Anm. Brief 142). symbolisme: Kessler verfolgte seit 1901 das Projekt, ein Porträt über van de Velde zu verfassen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 7.3.1901).
328 Edition und Kommentar
149 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 18.1.1903 AML, FSX 504/77, Brief
18.I.1903. Cher ami Je vous prie de venir chez moi à 6 heures au lieu de 6 ½. 1° J’ai à vous rendre compte de mon interview avec Liebermann, et je tiens à le faire avant le banquet, auquel L[iebermann]. s’est résigné à assister, pour vous voir. 2° J’ai à vous faire quelques observations à propos de votre conférence, dont je viens de terminer la traduction. 3° Nostiz [sic] vient chez moi à 6 ½ pour se rencontrer avec vous à propos de S[ain]t Louis. À 6 heures donc, n’est[-]ce pas cher ami! Affectueusement HdeKessler. Berlin: Laut Tagebucheintrag befand sich Kessler am 18. Januar 1903 in Berlin (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 18.1.1903). mon interview avec Liebermann: Bezieht sich auf die Gründung eines ›Secessionsclubs‹, des späteren Deutschen Künstlerbundes, und die damit verbundenen Verhandlungen mit Max Liebermann (vgl. Anm. Briefe 135, 174; Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.1.1903). banquet: Am 18. Januar 1903 fand zu Ehren von Maurice Maeterlinck ein Festessen im Berliner Hotel de Rome statt, an dem Kessler und van de Velde teilnahmen (vgl. Anm. Brief 122). Eine ausführliche Beschreibung dieses grotesk anmutenden Banketts gibt Kessler in seinem Tagebuch wieder (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 18.1.1903). Ob Liebermann auch zugegen war, geht aus dem Eintrag indes nicht hervor. Belegt ist jedoch, dass es am Tag darauf zu einem Treffen zwischen Liebermann, Georg Simmel und van de Velde kam (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 19.1.1903). votre conférence: Es handelt sich um den Vortrag ›Die Belebung des Stoffes als Schönheitsprinzip‹, den van de Velde am 28. Januar 1903 in Hamburg und später in Berlin hielt. Kessler übersetzte den Vortrag ins Deutsche und lieferte den Titel dazu (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.1.1903; vgl. Brief 150). Der Vortrag wurde im 12. Heft der Zeitschrift ›Kunst und Künstler‹ abgedruckt (vgl. Velde 1902/1903, S. 453–463). Nostitz … Saint Louis: Die Vorbereitungen für die Weltausstellung in Saint Louis (USA), die vom 30. April bis zum 1. Dezember 1904 stattfinden sollte, liefen auf Hochtouren. Im Auftrag der sächsischen Regierung fungierte Alfred von Nostitz-Wallwitz als sogenannter ›Specialkommissar für die Weltausstellung zu St. Louis 1904‹ und als Vermittler zum Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. Sein und Kesslers Ziel bestand darin, van de Velde einen Raum im
Briefe und Kommentare 329 deutschen Pavillon zu sichern. Am 24. Januar 1903 richtete daher Alfred von Nostitz-Wallwitz einen Brief an den Dresdner Königlichen Staatsminister für auswärtige Angelegenheiten und bat darum, im Sinne von van de Velde an der Delegiertenkonferenz in München am 3. Februar 1903 teilnehmen zu dürfen, die die Ausgestaltung der kunstgewerblichen Ausstellung zum Thema haben sollte. In seinem Brief führte von Nostitz-Wallwitz aus: »Die Ausstellung des weimarischen Kunstgewerbes in St. Louis soll wesentlich in einem nach den Entwürfen und unter der Leitung van de Velde’s einheitlich auszustattenden Zimmer – wahrscheinlich einem Esszimmer – bestehen. Soweit möglich, sollen die zugehörigen Möbel, Stoffe und Geräte selbstredend von der Industrie des Grosshherzogtums geliefert werden. [...] Das weimarische Kunsthandwerk hat, wie Eurer Excellenz nicht entgangen sein wird, mit dem Eintritt van de Velde’s in den Grossherzoglichen Dienst einen ungeahnten Aufschwung genommen. Die Kunsthandwerker allein der kleinen Residenzstadt verdanken seiner Wirksamkeit nach wenigen Monaten bereits Aufträge im Gesamtwerte von 50 000 M; und auf dem platten Lande beginnen halb erstorbene Industrien sich unter seinem Einfluss neu zu beleben.« (Abschrift: Alfred von Nostitz-Wallwitz, 24.1.1903, DLA). Van de Velde wurde schließlich kein eigener Raum auf der Weltausstellung zugestanden. Er war lediglich mit einigen Keramiken vertreten (vgl. Briefe 152, 153).
150 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 24.1.1903 AML, FSX 504/78, Brief
Berlin, ce 24.I.1903. Cher ami J’envoie la traduction de votre conférence par ›Eilboten‹ et j’espère donc que vous l’aurez en même temps que cette lettre. Excusez, je vous prie, que je n’aie pas effacé les traces de mon travail sur le manuscrit de Mlle Paul; mais il n’en était plus temps, si je voulais vous expédier le tout aujourdhui [sic]. Je vous félicite de l’apport considérable de votre conférence vers une esthétique scientifique. Evidemment, je ne suis pas d’accord avec vous sur certains détails, ni, peut-être, sur le fond même de vos idées. Votre point de vue me semble rester fondamentalement ›objectif‹, tandisque [sic] le mien est fondamentalement ›subjectif‹ (psychologique), toute esthétique ›objective‹ étant, à mon sens, fatalement vouée à se trouver en contradiction avec les faits de l’évolution artistique. Peut-être ne voudriez-vous pas que votre esthétique soit objective, et ne le croyez[-]vous pas; mais il me semble pourtant hors de doute qu’elle l’est. Le fait que vous proclamez comme fondamental, la Vie de matière, n’est pas un fait psychologique, mais bien un fait objectif, un attribut de l’œuvre d’art, non pas une formule d’›état d’âme‹ du spectateur. À mon sens, il ne saurait donc être le fait fondamental de l’esthétique, celui-ci ne pouvant être qu’une certaine constellation des forces de l’ âme‹ (sentiments,
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sensations etc.). Il faudrait donc d’abord traduire, pour ainsi dire, ce que vous appelez la vie de la matière, en faits psychologiques, c’est[-]à[-]dire décrire, quels mouvements des sensations et des sentiments cette ›vie‹ de la matière suscite, et ensuite chercher, quel rapport ces effets psychologiques ont avec le phénomène psycho-esthétique. Je ne crois pas qu’on les trouverait identiques au fait psycho-esthétique fondamental, mais qu’on découvrirait plutôt, que celui-ci les contient, mais les déborde. Donc, je ne suis pas d’accord avec vous. Mais je vois très bien, par où vos idées se relient aux miennes et viennent, pour ainsi dire, s’y enchâsser. Et c’est donc avec un très grand intérêt que j’ai lu votre travail. J’ai cru faire œuvre vraiment utile en le traduisant, de telle façon, je l’espère, que le public allemand puisse vraiment le comprendre et le goûter. J’ai ajouté quelques noms, que vous distinguerez aisément, et j’ai apporté un petit changement à votre entrefilet sur l’évolution de la pierre (traduction, page 18) qui me parait le mettre le plus en rapport avec les faits historiques en substituant le Temple mortuaire égyptien et le Tonnengewölbe Romain à ce que vous aviez écrit, et en retranchant la fin de l’entrefilet. – C’est donc lundi que je vous verrai, cher ami, n’est[-]ce pas? Je vous prierai [sic] de dîner avec moi à 6 heures au Palast Hotel, où Nostitz viendra nous rejoindre. Je vous prie de présenter mes respects à madame VandeVelde, que j’espère complètement remise de son rhume. Affectueusement HdeKessler. votre conférence: Kessler bezieht sich auf van de Veldes Vortrag ›Die Belebung des Stoffes als Schönheitsprinzip‹ (vgl. Anm. Brief 149). Mlle Paul: Vally Paul (vgl. Anm. Brief 143). sur certains détails: Im Tagebuch hielt Kessler hierzu gesondert fest: »An Vandeveldes Vortrag weiterübersetzt. Er führt aus, dass das einzige Schönheitsprinzip in der Kunst die Belebung des Materials sei, und dass der ›Inhalt‹ und die geistigen Dinge diesen Zweck der Kunst nie und in Nichts gefördert hätten. Das erscheint mir in dieser Allgemeinheit teils unrichtig teils willkürlich. Ad. 1. unrichtig, weil, wie er selber beim Naturalismus ausführt, der Gegenstand und eine Veränderung der Gegenstände die Technik doch fördern kann. Ad. 2. willkürlich, weil die Behauptung, dass die Belebung des Materials das einzige echt künstlerische Schönheitsprinzip sei, sich nur auf seinen persönlichen Geschmack stützt; die Allgemeingültigkeit dieser psychologischen Thatsache nicht bewiesen wird. Aber der Vortrag ist doch höchst lehrreich und wertvoll, weil er gerade durch diese Übertreibung der Wichtigkeit der Stoffbelebung für die Kunst sehr eindringlich predigt.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.1.1903). lundi: Bezieht sich auf Montag, den 26. Januar 1903: »Abends mit Vandevelde bei Kroll die Isadora Duncan gesehen. Die ganze Berliner Gesellschaft dort. [...] Nachher mit Vandevelde und Simmel soupiert.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 26.1.1903).
Briefe und Kommentare 331
151 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 26.1.1903 AML, FSX 504/79, Brief
26.I.1903. Cher ami Merci de votre bonne et charmante lettre, qui renverse tout à fait les rôles. Je suis bien convaincu, moi aussi, que nous finirons par découvrir un fond pareil à nos idées. Ce qui fait la différence, c’est que vous êtes artiste et voyez en artiste, tandisque [sic] moi je ne suis malheureusement que psychologue et dois m’en tenir à ce point de vue là. Je ne désire donc pas trop vous convaincre, je craindrais de vous enlever de votre spontanéité. Pour vous, le principal, c’est que vous avez l’esthétique qui favorise le plus votre production. Tout le reste est, pour vous, secondaire. – C’est donc à 6 heures que nous nous rencontrons, au Palast Hotel. On me dit, que toute la société assistera à la soirée de Mlle Duncan et que c’est donc en habit qu’il faut y aller. Je vous communique ce renseignement. Affectueusement. HdeKessler Berlin: Laut Tagebucheintrag befand sich Kessler an diesem Tag in Berlin (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 26.1.1903). lettre: Der Brief befindet sich nicht in Kesslers Nachlass. les rôles: Meint die inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf van de Veldes Vortrag ›Die Belebung des Stoffes als Schönheitsprinzip‹, den Kessler übersetzt hatte (vgl. Anm. Briefe 149, 150). soirée de Mlle Duncan: Isadora (eigentlich Dora Angela) Duncan (1878–1927) amerikanische Tänzerin, Choreographin. Isadora Duncan, die 1904 zusammen mit ihrer Schwester Elizabeth in Berlin-Grunewald eine eigene Tanzschule gründete, stand 1903 noch am Beginn ihrer Karriere als Tänzerin. Gemeinsam mit Loie Fuller gastierte sie 1903 mit der Gruppe der ›Serpentinen-Tänzerin‹ in einigen deutschen Städten, u. a. in Berlin, wo sie Kessler und van de Velde sahen (vgl. Anm. Brief 149). Ihr tragischer Tod im Jahr 1927 animierte Kessler zu folgendem Rückblick: »Die unglückliche Isadora Duncan ist gestern Abend im Auto von ihrem eigenen Shawl, der sich in ein Hinterrad verwickelt hatte, erdrosselt worden. [...] Ihr Requisit und Sklave hat sich an ihr gerächt. Selten ist eine Künstlerin so tragisch umwittert gewesen und so aus ihrem eigensten Lebensschicksal heraus tragisch geendet: ihre beiden kleinen Kinder in einer Auto Katastrophe umgekommen, ihr Mann, Jessenin, durch Selbstmord geendet, sie selbst jetzt in dieser Weise durch ihr eigenes Requisit, fast wie aus Rache, umgebracht.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 15.9.1927).
332 Edition und Kommentar
152 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 31.1.1903 AML, FSX 504/80, Brief
31.I.1903. Cher ami Pour toutes sortes de raisons j’ai remis mon voyage. J’espère, maintenant, venir lundi. En attendant, voici quelques nouvelles. Nostitz ne va pas à Munich. Son gouvernement ne lui donne pas l’autorisation d’assister à cette conférence, ce qui n’entame du reste pas sa situation comme représentant pour S[ain]t. Louis. Mais il y a là dessous [sic] les intrigues des bureaux qu’il ne peut neutraliser en temps utile. Il voudrait que j’y assiste à sa place. Peut-être pourriez[-]vous y faire envoyer un de vos employés, comme représentant du Weimarer Kunstgewerbeverein ou du gouvernement de Weimar ou bien un Beamte[r] de Weimar? C’est mardi matin à 11 heures que la conférence aura lieu. En attendant, Nostitz va revoir le commissaire Lewald, qui préside la conférence, et lui rappeler, que vous désirez toute une chambre, bien claire, à vous, pour y exposer des meubles et des objets Saxons et Weimarois. Je crois donc que vos intérêts seront passablement sauvegardés. Et, vraiment, je ne vois pas ce qu’il y aurait de mieux à faire, dans l’état actuel des choses. La seule question, c’est celle de la répartition de la subvention accordée par l’Empire, qui se fera peut-être à Munich et dont vous ne profiteriez donc probablement pas, si vous n’êtes pas représenté. Peut-être pourriez[-]vous voir Rothe à ce sujet. Mais alors il faudrait le faire immédiatement. – Autre affaire. Mon[sieur]. Arnhold m’a appris que Mlle Dumont construit un théâtre à Berlin, tandisque [sic] Brahm a abandonné ce projet, ayant loué le Lessing Theater. J’ai donc écrit à Bodenhausen, qui par sa femme a des relations que je crois très proches avec Mlle Dumont, de tâcher de l’influencer, pour que ce soit vous qu’elle prenne comme architecte, ou pour que, tout au moins, elle vous impose comme artiste un Baumeister qu’elle a peut[-]être déjà engagé. – Simmel ne m’a toujours pas écrit. Mais je le vois demain. En attendant, j’ai parlé au Prince de Salm-Horstmar, un des vice présidents de la Chambre des Pairs, pour lui demander d’entrer au comité. Ce P[rince] serait un personnage très décoratif, et il s’intéresse, vaguement du reste, à l’art moderne. C’est un camarade de régiment et de deux ou trois ans plus âgé que moi, donc facile à mener. Comme c’est un très grand nom et une grande position sociale, il aiderait beaucoup. Il m’a semblé vouloir accepter. J’aurai sa réponse dans le courant de la semaine. – L’article de Bodenhausen contient un aperçu qui me semble très intéressant et très juste, de votre art. Mais, comme article, c’est beaucoup trop encombré, et c’est mal écrit. Il faudra qu’il le retravaille
Briefe und Kommentare 333
complètement, qu’il en dégage la pensée maîtresse, qui est vraiment très belle, et qu’il laisse le reste dans son tiroir. Ce qu’il dit sur le Rhythme [sic] est parfaitement faux. Ça ne tient pas debout. Et ça n’a du reste aucune importance pour le reste de l’article. Je lui ai écrit très longuement, et j’espère qu’il mettra la main aux opérations nécessaires, pour faire ressortir ce qu’il y a de bien et de neuf dans son travail. À lundi, donc, cher ami. Je vous prie de transmettre mes remerciements à madame VandeVelde pour son renseignement. Affectueusement HdeKessler. de Scholz a écrit très bien sur votre livre dans le Tag. L’avez[-]vous vu? mon voyage: Bezieht sich auf die Reise nach Weimar, die Kessler auf Dienstag, den 3. Februar 1903, verlegte. à Munich: Betrifft die Delegiertenkonferenz am 3. Februar 1903 in München, an der Alfred von Nostitz-Wallwitz teilnehmen wollte (vgl. Anm. Brief 149). Thema der Konferenz war die Ausgestaltung und Präsentation der Sektion Kunstgewerbe des Deutschen Reiches auf der Weltausstellung in Saint Louis und die Festlegung der Künstler. le commissaire Lewald: Dr. Theodor Lewald (1860–1947), Jurist, Reichskommissar, Sportfunktionär. Der studierte Mediziner und Jurist Theodor Lewald war seit 1891 im Reichsamt des Innern beschäftigt und seit Oktober 1902 als verantwortlicher Reichskommissar für die Weltausstellung in Saint Louis zuständig. Zuvor hatte er bereits an der Organisation der Weltausstellungen in Chicago 1893 und in Paris 1900 mitgewirkt. Monsieur Arnhold: Eduard Arnhold (1849–1925), Berliner Kaufmann, Kunstsammler, Kunstförderer, Stifter der ›Villa Massimo‹ in Rom. Als erfolgreicher Steinkohlehändler gehörte Eduard Arnhold zu den reichsten Berliner Industriellen. Dank seines Vermögens war er nicht nur Mäzen und Finanzier für die Berliner Museen, sondern verfügte über eine ausgesprochen exquisite Kunstsammlung. Mlle Dumont ... théâtre: Louise Dumont (eigentlich Louise Maria Hubertine Heynen, verh. Lindemann, 1862–1932), deutsche Schauspielerin, Theaterleiterin. Louise Dumont, seinerzeit vornehmlich als Darstellerin von Ibsen-Stücken bekannt, plante zunächst in Berlin am Schiffbauerdamm ein eigenes Schauspielhaus zu gründen, das sie mit Hilfe von van de Velde umzusetzen suchte. Als der Plan bereits im April 1903 an baupolizeilichen Bestimmungen scheiterte, verlegte Dumont das Theaterprojekt nach Weimar. Wiederum engagierte sie van de Velde, der zusammen mit Sigurd Frosterus 1903/04 verschiedene Entwürfe und Modelle ausarbeitete. Kessler nahm in den Entwurfsprozessen eine nicht unwesentliche Rolle ein, denn er beriet van de Velde, wie aus den nachfolgenden Briefen zu entnehmen ist, in vielen baupraktischen und ästhetischen Fragen. Das Vorhaben von Louise Dumont und ihrem späteren Gatten Gustav Lindemann, in Weimar ein reizvolles Sommertheater nach dem Vorbild von Bayreuth zu gründen, zerbrach schließlich an der Engstirnigkeit der reaktionären Weimarer Kreise und dem Unvermögen des Großherzogs, der öffentlichen Pressekampagne Einhalt zu gebieten. Louise Dumont zog sich am 5. April 1904 von dem Weimarer Projekt zurück und leitete schließlich
334 Edition und Kommentar ab 1905 das Düsseldorfer Schauspielhaus (vgl. Velde 1962, S. 255–258; Schulze 1992, S. 341– 357; Barzantny 2002, S. 94–109; vgl. Briefe 154, 162, 178, 179, 180, 186, 243). Otto Brahm (eigentlich Abrahamsohn, 1856–1912), Dramaturg, Literaturhistoriker, Theaterkritiker, Theaterleiter. Louise Dumont beendete 1903 ihr Engagement bei Otto Brahm am Deutschen Theater in Berlin, das sie seit 1898 innehatte, und ging eigene Wege. Otto Brahm leitete ab 1904 das Berliner Lessingtheater. écrit: Vgl. Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, 30.1.1903, in: Simon 1978, Brief 140, S. 164. Georg Simmel (1858–1918), Philosoph, Soziologe. Prince de Salm-Horstmar: Wilhelm Prinz zu Salm-Horstmar (1872–1919). L’article de Bodenhausen: Bezieht sich auf den Aufsatz ›Van de Velde und die Eisenkonstruktion‹, veröffentlicht im Oktoberheft der ›Innen-Dekoration‹ 1903 (vgl. Innen-Dekoration 1903, S. 237–248). écrit très longuement: Vgl. Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, 30.1.1903, in: Simon 1978, Brief 140, S. 164. de Scholz: Wilhelm von Scholz (1874–1969), Schriftsteller, Dramaturg, Journalist, Vorsitzender der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste Berlin. Wilhelm von Scholz lebte von 1900 bis 1907 als Schriftsteller und Journalist in Weimar (zunächst am Kegelplatz 5, später in der ehemaligen Villa von Friedrich Preller an der Belvederer Allee 8) und verkehrte im Kreis um das Nietzsche-Archiv. »Der wichtigste Mann«, schrieb Wilhelm von Scholz in seinen Lebenserinnerungen, »dem ich – neben dem Kunstfreund Grafen Harry Keßler, dem Romanschriftsteller Wilhelm Hegeler, Max Klinger, dem Schöpfer der repräsentativen Büste des unsichtbaren Hausherrn, neben Ludwig von Hofmann und klugen geistvollen Frauen – dort oben zuerst begegnet bin, war der strenge Umgestalter des Hauses auf dem Silberblick, der belgische Baumeister und Kunstgewerbler Henry van de Velde. Er war wohl der zielbewußteste, gedankenklarste, freilich gewiß auch abstrakteste und oft nüchterne Vertreter eines Geschlechts von neuen Kunstanregern.« (Scholz 1939, S. 99). Wilhelm von Scholz berichtete auch über beide Weltkriege hinaus stets wohlwollend über das Leben und Wirken des Belgiers, so auch 1962 anlässlich der Neuerscheinung von van de Veldes Lebenserinnerungen mit dem Titel ›Geschichte meines Lebens‹ (Wilhelm von Scholz an Hans Curjel, Nov. 1962, DLA: Curjel; Wilhelm von Scholz, Prosa, A: Scholz, DLA).
153 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 1.2.1903 AML, FSX 504/81, Brief
1.II.1903. Cher ami Je devrai probablement encore retarder mon voyage. Mais mardi je serai à Weimar sans faute. Nostitz me communique le plan du pavillon Allemand
Briefe und Kommentare 335
[sic] à S[ain]t. Louis. Il a parlé à Lewald et pense pouvoir vous réserver un cabinet très convenable de la partie allouée à la Saxe. Ces cabinets ont 9 mètres de profondeur sur 4,75 ou 3,60 ou 5,30 de large. Ce sera un de ces cabinets qu’on pense vous réserver. La fenêtre semble être sur le côté étroit (si, – ce que je ne déchiffre pas très bien, – ce ne sont pas des Oberlichtsäle). Nostitz me prie de vous écrire pour des photographies de mes chaises de salle à manger et de mes grands fauteuils de cabinet de travail. – Puis-je aussi vous prier de faire préparer les pochoirs pour ma salle de musique et pour la chambre à coucher? Nous pourrions alors les essayer. – J’ai vu Mommsen, qui paraît vouloir accepter, non seulement d’être au comité, mais de signer la toute première lettre avec vous, Liebermann, Hofmann, Simmel et moi. Je verrai Simmel cet après[-]midi. Saluez, je vous en prie, madame VandeVelde et les bébés. Affectueusement HdeKessler. mon voyage: Vgl. Anm. Brief 148. pavillon Allemand … à St. Louis: Vgl. Anm. Brief 149. chaises: Henry van de Velde, Stuhl, 1902/03 (Birke, Schleiflack, violettfarbener Stoffbezug, H: 98 cm, Hersteller: Hofkunsttischler Scheidemantel, Weimar; Klassik Stiftung Weimar, Inv. Nr. BV Möbel 1975/I Nr. 348–358, insg. 11 Stühle). Die Grundharmonie des Weimarer Speisezimmers ergab sich nach Kesslers eigenen Aussagen aus den Tönen Grau und Violett (vgl. Brief 131). Die Speisezimmerstühle, von denen 11 Exemplare erhalten sind, waren weiß gefasst und mit einem violettfarbenem Stoffbezug bespannt. Die Entwürfe zeigen Vorder- und Seitenansicht des äußerst eleganten Stuhlmodells (vgl. Album van de Velde, Nr. 9; La Cambre, LC/S 3011, LC/S 3012; Pecher 1981, S. 210, 272, Nr. 1131; Innen-Dekoration 1903, S. 254, 251). fauteuils: Henry van de Velde, Sessel, 1902/03 (vermutl. Buche, Leder, H: 94,5 cm, B: 85,5 cm, Hersteller: Hofkunsttischler H. Scheidemantel, Weimar; Verbleib unbekannt; vgl. Album van de Velde, Nr. 71; Pecher 1981, S. 208, 273, Nr. 1138; ID 1903, S. 251. Theodor Mommsen (1817–1903), Jurist, Historiker, Politiker. Kessler suchte Mommsen für das Komitee des ›Secessionsklubs‹ zu gewinnen und vermerkte hierzu am 31. Januar 1903 im Tagebuch: »Bei Mommsen draussen, um ihn für unser Club Comité zu gewinnen. [...] Einen solchen Club habe er schon vor 20 Jahren mit seinem Freund Delbrück zusammen gründen wollen. [...] Schliesslich sagte er doch zu, einer Vorbesprechung bei Liebermann beizuwohnen. ›Wenn Sie vor 10 Jahren gekommen wären, dann hätte ich gleich ja gesagt. Jetzt bin ich zu alt. Aber ich will nicht Nein sagen.‹« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 31.1.1903). cet après[-]midi: Kessler besuchte am 1. Februar 1903 die Vorlesung von Georg Simmel über Friedrich Nietzsche (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.2.1903).
336 Edition und Kommentar
154 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 8.2.1903 AML, FSX 504/82, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
8.II.1903. Cher ami Je vous remercie de votre lettre et du dessin, que j’ai donné à Powell. Il y a, à ce qu’il paraît, une difficulté; c’est exécuter le plan incliné du haut [?]. Il faudra le couper après coup. Mais Powell me promet un modèle pour mercredi soir. Je pourrai donc le discuter avec lui. Comme matière, il propose un verre opaque blanc. Aucune couleur n’irait avec toutes les glaces. Il a aussi pensé à un verre vert. Que préfériez[-]vous? Je vous ai aussi fait expédier un catalogue de White & Sons pour les boutons de porte etc. Vous disiez pouvoir les utiliser. Aujourdhui [sic] je reçois une lettre de Flaischlen, me disant que Mlle Dumont désirait me parler, aujourd’hui [sic], à propos de son théâtre et de vous. J’ai télégraphié à Flaischlen, que j’étais absent; mais qu’il me semblait indiqué, qu’elle vous demande une entrevue, à vous, mercredi; que ça ne la lierait du reste d’aucune façon. J’espère que vous la verrez, et, surtout, que vous la persuaderez, l’emballerez. À revoir, samedi, cher ami Affectueusement HdeKessler Harry James Powell (1853–1922). Powell war Firmenchef der renommierten englischen Glasfabrik James Powell & Sons in Whitefriars/ London, die Gebrauchsgläser, optisches Glas und gefärbtes Fensterglas herstellte. son théâtre: Bezieht sich auf das Theaterprojekt von Louise Dumont (vgl. Anm. Brief 152).
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155 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 8.2.1903 AML, FSX 504/83, 84a, 84b, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
8.II.1903. Cher ami Voici quelques croquis d’un fauteuil américain exceptionnellement confortable que j’ai trouvé dans le wagon salon, hier. Il ressemble un peu, peut être, au fauteuil que vous avez créé pour Cassierer [sic] à Berlin, je crois. Mais il me semble plus confortable, parceque [sic] plus exactement adapté à la forme humaine. Le dossier est plus haut et plus droit, quoiqu’incliné aussi; et plus courbé, de façon à mieux prendre le dos tout en étant très suffisamment large. Mais ce qui est le plus remarquable, ce sont les appuis pour les épaules, au[-]dessous desquels il y a un retrait pour le coude. C’est tout à fait agréable. Aussi la forme du bras. Ce me semblerait tout à fait le fauteuil d’orchestre idéal pour un théâtre. On y reste assis des heures sans fatigue. Les lignes du fauteuil n’étaient pas laides, quoique pas très pures. C’est par cette pureté des lignes et des formes que vous pourriez en faire un petit chef d’œuvre. Veuillez saluer madame Vandevelde et les bébés. Affectueusement HdeKessler J’ai beaucoup admiré votre petit salon de passage chez Cassierer [sic], à Hambourg. La grande salle Empire est bien agréable aussi. C’est curieux, parce que les détails sont banals et d’un travail médiocre. Mais les proportions sauvent le tout. – Dehmel a des projets, assez vagues, du reste, mais vastes et intéressants, auxquels il vous mêle. Avez-vous vu Mlle Dumont? fauteuil: Kessler bezieht sich auf den Armlehnstuhl aus dem Lesezimmer der Berliner Kunsthandlung Cassirer (vgl. Velde 1899, Geschäftskatalog Brüssel/ Berlin, S. 1, 2, 24, 32, Modell V, No. 1; Pecher 1981, S. 117, 131 f., 270, Nr. 1113). Der Form nach zu urteilen, käme jedoch auch der Marquise-Sessel von 1895/97 in Betracht (vgl. Velde 1899, Geschäftskatalog Brüssel/ Berlin, S. 5, 7, 8, Modell V, No. 4; Pecher 1981, S. 103, 138, 155, 218, 270 f., Nr. 1109). petit salon de passage: Paul Cassirer unterhielt in Hamburg am Neuen Jungfernstieg 16 kurzzeitig eine Dependance seiner Berliner Kunsthandlung. Er hatte van de Velde 1901/02 mit der Ausstattung des Salons beauftragt.
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Skizze zu Brief 155 (FSX 504/84a)
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Skizze zu Brief 155 (FSX 504/84b)
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156 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 11.2.1903 AML, FSX 504/84, 90a, 90b, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
II.II.1903 Cher ami Voici deux petits croquis qui, malgré leur caractère informe, pourront vous donner une idée du théâtre anglais. Voici quelques points sur lesquels je voudrais attirer votre attention. 1.° Il n’y a pas de colonnes supportant visiblement le Balcon et les galleries [sic], donc rien qui obstrue la vue. C’est donc essentiellement une construction en fer dont il s’agit, le balcon et la gallerie [sic] supérieure, malgré leur très grande profondeur, planant pour ainsi dire dans le vide, ce qui n’est possible que par la force d’immenses leviers en fer intérieurs. Ceci, du moins, me paraît évident. 2.° Les ›fauteuils d’orchestre‹, le balcon et la gallerie [sic] sont à trois angles d’inclinaisons différents. La raison en est, que chaque rang doit être un peu en retrait sur le rang audessous [sic] et que pour faire tenir une même surface entre ce point plus rapproché du fond et le mur de fond, il faut donc une élévation plus aiguë. 3.° Les fauteuils d’orchestre sont au[-]dessous de la rue, dans les caves. Il y a même un théâtre à Londres (Le Criterion) qui est complètement souterrain, avec des Restaurants etc. sur la rue. Il me semble, qu’il devrait être possible de trouver des éléments de rhythmes [sic] poignants 1°) dans l’inclinaison relative des galleries [sic] 2°) dans la courbe des balcons et dans son rapport à la forme totale de la salle 3°) dans les rangs de fauteuils, en forçant les fauteuils à faire vraiment des rangs, et à ne pas rester vaguement et désordonnément [sic?] isolés, comme dans nos théâtres. C’est[-]à[-]dire en recréant cet élément du théâtre antique, dont celuici [sic] tirait presque toute sa beauté. 4) dans les passages en forme de rayons, qui couperaient II les rangs de fauteuils transversalement. Mais il faudra absolument que vous voyiez ces théâtres de Londres par vous-même. J’ai été agréablement surpris en retrouvant, pour ainsi dire, mon fauteuil de Pullman dans le fauteuil des dignitaires du théâtre de Dionysos à Athènes.
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Skizze zu Brief 156 (FSX 504/90a)
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C’est presque le même dossier. Les bras manquent. Mais je pense que ceux[-]ci étaient rapportés en bois avec les coussins dont on garnissait le théâtre pour les représentations. Je fais du reste faire un modèle du fauteuil Pullman à votre usage. Il me semble devoir vous être utile et pour le théâtre et pour le cercle et pour le steamer. J’espère que vous avez vu Mlle Dumont. Saluez, je vous prie, madame Vandevelde. Affectueusement HdeKessler. Ce qui est si intéressant dans ces théâtres anglais, c’est que c’est bien quelque chose de fondamentalement nouveau; le théâtre de fer succédant au théâtre de pierre de l’Antiquité et des temps modernes, du 17ème et du 18ème siècle. Voilà pourquoi je voudrais tant, que ce fût vous qui soyez le premier à dégager les possibilités artistiques de ce mouvement nouveau et si immensément important pour notre civilisation de cabotins. À Londres, ce sont les vieux moyens et les vielles formules artistiques du théâtre de pierre défunt qu’on gâche sous l’admirable corps de fer. Toute cette vieille défroque, c’est le manteau troué et Arlequin sur les membres merveilleux et fiers du jeune Siegfried. Le Criterion: Gemeint ist das 1874 eröffnete Theater ›The Criterion‹ am Piccadilly Circus in London. Architekt des Gebäudes war Thomas Verity. Das Theater lag im Untergeschoss. In den Hauptgeschossen befanden sich Räumlichkeiten für Gastronomie und Unterhaltung. fauteuil de Pullman: Prototyp eines bequemen Sessels für Schlafwagen der amerikanischen, 1867 von George Mortimer Pullman gegründeten Schlafwagenfirma ›Pullman Palace Car Company‹. Allgemein bezeichnet ein Pullman-Sessel einen bequemen Ohrensessel bzw. Schlafsessel.
157 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 11.2.1903 AML, FSX 504/85, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
II.II.1903. Cher ami J’ai oublié tout à l’heure une observation, que peut-être les croquis ne suffiront pas à vous transmettre. C’est, qu’une des conséquences fatales de la nouvelle construction est de morceler la Salle. Chaque rang ne voit que luimême et un petit morceau du reste. C’est peut-être la difficulté artistique la plus formidable que présente la forme nouvelle du théâtre. Mais comme
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toute difficulté artistique fondamentale, je pense que ce sera là le germe de beauté particulière à cette forme du théâtre. Ce sont en vérité trois salles qu’il s’agit de construire, avec des échappées de l’une dans l’autre et un point de contact et de réunion, dans la Scène. Je pense que voilà ce qu’il faudra reconnaître bravement, audacieusement, pour en tirer des conséquences artistiques toutes nouvelles, et qui trancheront d’emblée sur tout ce que nous avons vu auparavant. Ces conséquences constitueront-elles une plus grande intimité? Ou utiliseront-elles au contraire la sensation de la foule vue par échappées, à moitié masquée, se perdant dans des salles et des lointains invisibles, et suggérant ainsi son immensité? Une immensité humaine entourant mystérieuse le spectateur, l’absorbant, l’emportant, l’exaltant de toute la force de sa grandeur voilée, ce serait l’apogée d’une des conditions fondamentales de l’émotion dramatique, qui est essentiellement une émotion sociale. La construction en fer mènerait donc à suggérer ce que le théâtre grec montrait réellement au spectateur, la foule immense, sur laquelle il se sentait porté à des hauteurs d’émotion que nul autre art ne saurait atteindre. Et le Rhythme [sic] aussi trouvera peut[-]être une indication précieuse dans ce morcellement, en ce que toutes les formes et les lignes devront nécessairement accentuer ou contrarier, en se jouant, un mouvement convergeant vers le point de contact des trois salles, la Scène. La clef de voute [sic] du Rhythme [sic] se trouve donc posée d’avance. Ce qui était bien moins le cas dans la salle ancienne. Affectueusement HdeKessler. à l’heure: Vgl. Brief 156 vom selben Tag.
158 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 12.2.1903 AML, FSX 504/86, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
12.II.1903. Cher ami À propos de la ›Vie de la matière‹ j’entrevois une solution qui nous mettrait tous les deux d’accord. Ce que vous appelez la vie de la matière serait ce qui se produit, lorsque les sensations et les émotions éveillées par une ›matière‹ ne restent pas invariables et inertes jusqu’à leur disparition, mais se modifient et se combinent entre elles dans l’âme du sujet qui les perçoit, créant ainsi un petit remous organisé, un petit organisme de vue circonscrit et fugitif, dans la grande vie générale, qu’est l’âme dans laquelle
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elles évoluent. Tandisque [sic] la matière ›morte‹ n’éveillerait que des sensations restant absolument objectives et étrangères au sujet, qui les perçoit, la matière ›vivante‹ créerait donc un ›organisme‹ subjectif, tirant toute sa matière de vie du sujet, de l’âme du sujet, éveillerait un remous de vie essentiellement subjectif. Et alors, me voilà arrivé exactement à ce que mois aussi je définis comme étant l’essence même de l’action artistique, c’est[-]à[-]dire la ›Gestaltung‹ de l’âme du spectateur en de tels organismes momentanés et fugitifs, la cristallisation passagère de l’âme du sujet en une forme prévue et voulue par l’artiste. C’est précisément là l’idée maîtresse de mon essai sur l’Art et la Religion. Seulement, il me semble qu’alors on ne peut pas restreindre cette ›Vie‹ à l’action de la matière. Il y a d’autres sources de sensations et d’émotions. Et les émotions et les sensations éveillées par ces autres excitants de l’âme peuvent elles aussi se combiner en des petites vies organisées et prévues par l’artiste. Mais, en somme, il ne s’agirait que d’un élargissement de l’idée que vous prônez. Et sur cette idée même nous serions absolument et presque merveilleusement d’accord. – Il y a du reste un exemple topique de cette vie subjective des sensations et des émotions, un exemple auquel personne n’a songé, dans ce sens, et qui permet d’expliquer à n’importe qui, ce que c’est que cette ›Vie‹ dont nous parlons. Cet exemple, c’est le Rire. Celui[-]ci naît du rapprochement de deux sensations incongrues. Ces deux sensations se combinent en un état psychologique nouveau, qui est précisément le Rire, qui évolue d’une vie propre, d’une vie subjective et pour ainsi dire détachée des sensations mères. C’est vraiment un état psychologique nouveau qui naît à la vie. Voilà bien le prototype de tout effet artistique, de toute vie subjective des sensations et des émotions. Je vous écris tout ceci quoique devant vous voir quelques heures après que vous aurez reçu cette lettre. – Mais je crois m’expliquer plus clairement ainsi. J’arriverai à Weimar samedi à 6 heures et tâcherai de vous voir avant d’aller chez les de Palézieux. Saluez madame VandeVelde, je vous prie. Affectueusement HdeKessler. Vie de la matière‹: Vgl. Anm. Briefe 149, 150. samedi: Kessler reiste am Samstag, den 14. Februar 1903, nach Weimar (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 14.2.1903). chez les de Palézieux: Aimé und Elisabeth von Palézieux luden am Abend des 14. Februar 1903 zum Ball ein. Neben Kessler war auch Großherzog Wilhelm Ernst zugegen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 14.2.1903).
Briefe und Kommentare 345
159 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 23.2.1903 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
ce 23 fév[rier]. 1903 Bien cher ami, Je viens de rentrer de mon voyage: Berlin – Chemnitz – Dresde et Meissen et je me suis précipité chez Müller p[our]. voir encore avant leur départ la jardinière et les chandéliers [sic] destinés à Melle la Ctesse votre Sœur. J’ai tremblé à la minute où il sortit ces objets de leur couverture ouatée! Vous savez tout ce que j’ai tenté de mettre en ces objets en plus de la reconnaissance que je ressens p[our]. la Ctesse votre Sœur p[our]. ces belles paroles qu’Elle prononca [sic] à Munich. J’ai éprouvé une grande joie, bien cher ami, et un peu de fierté! Pas trop, puisque enfin ça n’est pas bien difficile de faire bien p[our]. quelqu’un qui veut si formellement que vous, que ce soit bien et beau! Il y a deux places (pas plus) dans la jardinière dont l’exécution ne me satisfait pas tout à fait. En ces endroits la ciselure s’est alourdie et toutes les valeurs des blancs et des noirs sont égales! Je crois que vous vous déciderez – et obtiendrez qu’il en fut fait ainsi – à rapporter cette jardinière içi [sic] – afin que je puisse faire reprendre ces deux petites places. Au reste, ceci me désespère que Müller n’ait pas signé de mon Monogramme ces pièces! Il faut que cela soit fait, n’est-ce pas? Les chandeliers m’ont paru irréprochablement exécutés! Maintenant que va penser Melle la Ctesse votre Sœur de ces objets, qu’en pensera Son Fiançé [sic]? Je reviens de Berlin bien désenchanté; j’appris là-bas que les architectes ›Kremer [sic] et Wolffenstein‹ doivent présenter ses projets p[our]. la bâtisse de la Sécession! Liebermann et Cassirer m’ont paru également embarassés [sic]. Ils bafouillent tous les deux, parlent de moi tantot [sic], tantot [sic] d’une concurrence entre Wagner, Messel et moi et puis avouent que ce Wolffenstein fait des esquisses. Tout cela est indémèlable [sic]; il faut attendre! D’autre part, les difficultés que la Baupolizei fait à Melle Dumont lui rendront l’exécution de son projet irréalisable, et M[onsieur]. de Palézieux me dit que le Gr[an]d. duc ne songe plus à rien d’autre qu’à se marier. Avec Meissen tout est reglé [sic], hormis la question de l’honoraire. Bien bien cordialement Henry v[an]. d[e]. V[elde].
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Vu ce matin chez Max Klinger, son buste de Nietzsche, grande allure et simplicité; mais un jugement définitif est prématuré. Il apportera son œuvre ici vers la fin-Mai! ce 23 février 1903: Van de Velde war am 19. Februar 1903 zusammen mit dem Ehepaar Curt und Sophie Herrmann nach Bozen und von dort über Mailand nach Genua gereist und befand sich zum Zeitpunkt des Abfassens des vorliegenden Briefes bereits an Bord des Luxusschiffes ›Kaiserin Auguste Victoria‹ vor Nizza. Auf Einladung von Albert Ballin, Generaldirektor der ›Hamburg-Amerika-Linie‹, führte ihn die knapp zweimonatige Reise nach Griechenland und Kleinasien. Hintergrund der Reise war ein lukrativer Auftrag. Um den nächsten Ozeandampfer fachgerecht und zweckmäßig ausstatten zu können, sollte sich van de Velde während dieser Studienreise, die zu weiten Teilen von Curt und Sophie Herrmann mitfinanziert wurde, umfassende Kenntnisse über Aufbau, Wesen und Funktion eines Schiffes aneignen. Wie viele Aufträge wurde auch dieser noch vor Ausarbeitung der Entwürfe im Keime erstickt. Grund war der »Affront des Kaisers« anlässlich der ›Deutsch-Nationalen Kunstausstellung‹ in Düsseldorf (vgl. Velde 1962, S. 233–240). Van de Velde kehrte am 11. April 1903 nach Weimar zurück. Seine Tochter Nele fasste später die Reisenotizen unter dem Titel »Voyage de mon père en Orient« in Form eines Typoskripts zusammen (Nele van de Velde, AML, FSX 785; vgl. Velde 1905). la jardinière et les chandéliers: Aus Anlass ihrer Hochzeit im Juli 1903 bestellte Wilma Gräfin Kessler bei van de Velde Silbergerät für die Tafel. Es handelte sich dabei nachweislich um Besteckteile, Kerzenleuchter und einige Korpusgegenstände. Die hier erwähnte Jardinière sowie die Kandelaber waren Erstanfertigungen aus der Werkstatt von Hofjuwelier Theodor Müller. Wie aus Kesslers Brief vom 12. Mai 1903 hervorgeht, wurden die Stücke im Nachgang punziert (vgl. Brief 167; vgl. Föhl/ Neumann 2009, S. 162 f., I.2.40, S. 550 f., I.4.1.6). ces belles paroles: Vgl. Brief 29. ›Cremer et Wolffenstein‹: Von 1882 bis 1919 bestehendes Berliner Architekturbüro unter Leitung der Architekten Richard Wolffenstein und Wilhelm Cremer. la bâtisse de la Sécession: Bezieht sich auf das zu planende Secessions-Gebäude in Berlin, das als Ausstellungsforum für die Kunst der Berliner Secessionisten dienen sollte. Max Liebermann leitete die Auftragsvergabe, Kessler fungierte mitunter als Vermittler. Im Hinblick auf die Gestaltung der Fassade befürwortete Liebermann eine Zusammenarbeit zwischen van de Velde und Otto Wagner oder Alfred Messel (vgl. Brief 162). Ihm schwebte folgende Aufteilung des Gebäudes vor: Das Untergeschoss sollte die Räume des ›Secessions-Clubs‹ beherbergen, wohingegen das Obergeschoss Ausstellungen vorbehalten war. Mithilfe von verschiebbaren Trennwänden in Anlehnung an japanische Paravents sollte die Halle des Obergeschosses unterteilt werden. Wenngleich van de Velde mit dem Auftrag wenig Hoffnung verband, fertigte er zusammen mit seinem Mitarbeiter Sigurd Frosterus im Sommer 1904 einige Entwürfe zur Fassade und inneren Aufteilung des Gebäudes (La Cambre, Brüssel, LC/S 1500; Grundrisse des Erd- und Obergeschosses verschollen). Van de Velde verlor schließlich die Abstimmung am 15. August 1904 gegen Bruno Jautschus, einem Schützling des Berliner Stadtbaurats Ludwig Hoffmann (vgl. Velde 1962, S. 260; Velde 1995, S. 187; Velde 1999, S. 169; Sembach 1989, S. 83; vgl. Briefe 161, 163, 180, 190, 192–196). Otto Koloman Wagner (1841–1918), österreichischer Architekt.
Briefe und Kommentare 347 Alfred Messel (1853–1909), Architekt. son projet: Betrifft den Bau eines Theaters für Louise Dumont in Berlin (vgl. Anm. Brief 152). se marier: Die Vermählung von Großherzog Wilhelm Ernst mit Caroline Prinzessin Reuß ä. L. fand am 30. April 1903 in Bückeburg statt. Die Weimarer Feierlichkeiten begannen am 2. Juni 1903 mit dem Einzug des Brautpaares und dauerten bis zum 5. Juni 1903. Meissen: Van de Velde hatte Ende 1902 von der Meißner Porzellanmanufaktur den Auftrag erhalten, ein 42-teiliges Tafel-, Kaffee- und Teeservice zu entwerfen. Die Entwürfe lieferte er in Etappen, u. a. im Dezember 1903 und März 1904. Das Service war 1905 komplett und wurde 1906 auf der ›Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung‹ präsentiert. Auf Verlangen der Porzellanmanufaktur trat van de Velde am 2. Juni 1904 sämtliche Rechte an den Entwürfen und Modellen an die Meißner Firma ab (vgl. Revers, 2.6.1904, AA III K12, Staatl. PorzellanManufaktur Meißen; Just 1983, S. 66 f.). son buste de Nietzsche: Max Klinger, Friedrich Nietzsche, 1903 (Paros-Marmor, H: 63 cm, sign. u. dat.: »MK 1903«, Eremitage, St. Petersburg, Inv. Nr. 2240, Dietrich/ Erbsmehl 2003, S. 144). Die hier erwähnte Hermenbüste wurde 1903 von Klinger vollendet und am 15. Oktober 1903 anlässlich der feierlichen Eröffnung des umgebauten Nietzsche-Archivs enthüllt. Sie stellte jedoch ein Provisorium dar, denn die eigentliche, von Kessler in Auftrag gegebene Herme wurde erst 1905 von Klinger fertiggestellt (vgl. Anm. Brief 114; Dietrich/ Erbsmehl 2003, S. 144 ff.).
160 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 28.3.1903 AML, FSX 504/87, Brief
Weimar 28.III.1903. Cher ami D’abord je vous félicite de votre anniversaire, pour ne pas manquer à cet usage, qui me semble, du reste, assez ironique et cruel. Ensuite, je vous remercie d’avoir trouvé le temps de m’écrire une si bonne lettre, qui m’a réjoui, en me montrant que je ne m’étais pas trompé sur l’effet que vous ferait la Grèce. Tertio, je vous envoie, ci[-]inclus, un petit croquis qui a rapport à des constructions projetées pour mon musée et dont je dois vous demander les plans. La partie au crayon noir est celle qui existe et que vous connaissez; la partie en rouge sont les constructions projetées ultérieurement; la partie à l’encre, ce qui devra se faire, probablement, tout de suite (cet été). On veut faire du côté de la Bürgerschulstrasse en rez[-]de[-]chaussée de [sic] magasins et, au[-]dessus, ou des salles d’exposition (deux étages) ou bien des appartements de rapport, des bureaux à louer etc. Dans le premier cas nos finances nous forceraient à ménager des magasins aussi dans la façade, vers le Karlsplatz; dans le second, j’espère pouvoir éviter cette nécessité plutôt fâcheuse. De l’avis de la commission et de Rothe il faudrait arrêter les plans du tout (toute la partie rouge) de prime abord (mainte-
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nant, tout de suite), et, après, construire par morceau, en commençant par la partie à l’encre, qui représente une vieille petite maison, que nous allons acheter ces jours-ci. Les magasins devraient avoir une largeur sur la rue de 3 ½ à 5 mètres chacun (avec la porte); peut[-]être pourrait on varier cette largeur. Il faudrait aussi, si on construit par morceau ménager tout de suite un accès aux étages supérieurs dans la partie à l’encre; donc une porte d’entrée et un escalier, qui ensuite serviraient pour le reste de cette aile, si on louait les étages supérieurs. Pour la façade, qui aura donc toute la largeur du bloc du coté [sic] du Karlsplatz (ce sera un nouvel aile, formant complètement la cour, et à deux étages, qui serviront, eux certainement, de salles d’exposition) vous aurez toute liberté, si nous arrivons à supprimer les magasins de ce côté. Ce sera donc la première occasion qui vous sera offerte de développer votre style monumental à l’extérieur. Evidemment, nous ne pouvons pas dépenser beaucoup d’argent; mais je pense que vous pourrez tout de même trouver quelquechose [sic] qui soit en même temps et monumental, et simple, et bien musée, c’est[-]à[-]dire accusant le caractère de ›laboratoire de beauté‹ que vous avez si bien nommé. Puisque vous allez à Naples, je vous engage à pousser jusqu’à Pompée. Vous y verrez des bains, des magasins, tout un reste de vie de province bien amusant, et un théâtre intéressant. Bien affectueusement HdeKessler J’ai vu ce matin madame Vandevelde, qui se portait admirablement au milieu d’un invraisemblable battage de tapis et lavage de maison. Les bébés aussi font plaisir à voir de santé et de joie. Je rouvre la lettre, pour vous dire, que la partie à l’encre, à construire de suite, a 19 ½ mètres de façade, sur la Burgerschulstrasse [sic], et 11 mètres de profondeur, environ. On pourra construire jusqu’à une hauteur de 15 mètres. La totalité de la longueur sur le côté de la Bürgerschulstrasse est de 45 mètres. anniversaire: Van de Velde beging am 3. April 1903 seinen 40. Geburtstag. lettre: Der Brief befindet sich nicht im Nachlass Kesslers. un petit croquis: Die Skizze liegt dem Brief nicht mehr bei. mon musée: Mit der Verstaatlichung des ›Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe‹ im März 1903 plante Kessler, der nunmehr als ehrenamtlicher Direktor fungierte, weitgreifende Veränderungen in und an dem Gebäudekomplex zwischen Karlsplatz (heute Goetheplatz), Bürgerschulstraße (heute Karl-Liebknecht-Straße) und Rollgasse vorzunehmen. Die diesem Brief ursprünglich beiliegende Skizze hat sich leider nicht erhalten. Wie jedoch dem Brief zu entnehmen ist, musste Kessler zeitlich versetzte Entwurfs- und Bauetappen vorsehen. Angesichts der Wiedereröffnung des Museums im Juni 1903 mit der Ausstellung zu Werken Max Klingers konzentrierte sich Kessler zunächst nur auf das Nötigste und beauftragte van de
Briefe und Kommentare 349 Velde am 7. April 1903 mit der Renovierung und Veränderung des Oberlichtsaals (vgl. Brief 162). Schließlich gestaltete van de Velde im Laufe des Jahres 1903 weitere Räumlichkeiten aus und um, u. a. das Lesezimmer (vgl. Brief 173; vgl. Weimarische Zeitung, 8.11.1903; Jenaische Zeitung, 15.11.1903; Föhl 2010, S. 102). Im Dezember 1903 legte er Kessler neue Pläne vor, und Kessler skizzierte daraufhin in einem Brief vom 12. Februar 1904 seine Vorstellungen bezüglich des Vortrags- und Skulpturensaales sowie der Eingangshalle mit dem Gemälde ›L’heure embrasée‹ von Théo van Rysselberghe (vgl. Brief 184). Von Sommer 1904 bis Frühjahr 1905 fertigte van de Velde gemeinsam mit Sigurd Frosterus weitere Entwürfe aus, die sich im Fonds Henry van de Velde in La Cambre/ Brüssel erhalten haben (LC/S 2102, 4385–4390, 4392). Danach integrierte er die venezianische Fassade, den Oberlichtsaal und einzelne Räume des alten Museums in einen neuen, dreigeschossigen Gebäudekomplex mit Innenhof. Wie viele Projekte verlief auch dieser Auftrag im Sande. Die vorgeschobene Begründung lautete: »Seine Königliche Hoheit wollen indessen der Frage des Museumsneubaus nicht näher treten, bevor der Bau und die Einrichtung der Schule für Handwerkskunst u.s.w. zum Abschluß gelangt sind.« (Karl Rothe an das Großherz. Hofmarschallamt, 28.8.1905, GSA; Ploegaerts/ Kostka 1995, S. 288 f.; vgl. Briefe 162, 178, 179, 184, 186, 193, 195, 196, 211).
161 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, Berlin, 7.4.1903 AML, FSX 504/88, Brief
Chère madame Auriez-vous l’obligeance de remettre la lettre ci-incluse à Henry à son retour? Je vous en remercie d’avance. Agréez, chère madame, l’expression de mes sentiments respectueux. HdeKessler. Berlin ce 7.IV.1903. Ludwig von Hofmann va probablement accepter de venir à Weimar comme professeur. Ceci est naturellement confidentiel, et je vous prierais de n’en parler qu’à Henry. – Je vous prierais, aussi ainsi que Henry, de ne pas dire à Weimar que je vais à Londres mais seulement à Paris. On ne comprend pas ces déplacements, dans ce milieu, et on se fait là[-]dessus des idées extraordinaires. la lettre ci-incluse: Brief 157a. Hofmann: Ludwig von Hofmann trat im Oktober 1903 eine Professur an der Großherzoglichen Kunstschule in Weimar an (Weimarische Zeitung 13.4.1903; vgl. Anm. Brief 22).
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162 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Berlin], 7.4.1903 AML, FSX 504/89, Brief
7 avril 1903. Cher ami Il m’est impossible de vous attendre. Mon temps serait trop restreint, sans ça. Mais voici ce que j’ai à vous dire. J’ai vu Liebermann à propos de la Sezession et j’ai obtenu ce résultat. Il veut vous confier complètement toute la bâtisse et toute la disposition intérieure, dès à présent. Mais il n’est pas encore décidé à vous confier tout seul la façade. Il désirerait que vous vous entendiez ou avec Messel ou avec Wagner (de Vienne) à ce sujet. Mais ceci est une cura posterior. Pour le moment, ce qui presse beaucoup, c’est la bâtisse. Et à ce propos, il faudra que vous veniez à Berlin au plus tôt (dans les tout premiers jours de la semaine prochaine) pour vous entendre avec les artistes et surtout avec les sculpteurs, qui ont des désirs très arrêtés pour l’installation et l’emplacement de leurs salons d’exposition, à cause du poids que peuvent avoir certaines œuvres. D’après ce que m’a dit Liebermann, on désirerait faire les salles du club au rez[-]de[-] chaussée et les salons d’exposition au premier. Mais il y a cette question du poids de grands monuments qu’on aura peut[-]être à exposer; et c’est ça la difficulté. Quant aux salons d’exposition, Liebermann désirerait, si c’est possible, un seul immense hangar; qu’on aménagerait différemment pour chaque exposition, avec des parois internes mouvantes (comme font les Japonais dans leurs maisons et à ce qu’il paraît, la Sezession de Vienne.). Ceci me semble très bien, et je pense que vous aussi serez de cet avis. Mais, évidemment, il s’en suit certaines difficultés pour l’éclairage, surtout si on est obligé de faire les salons d’exposition au rez[-]de[-]chaussée. Enfin, le principal, c’est que vous vous fassiez donner définitivement et officiellement la commande. Je vous prie donc d’écrire de suite à Liebermann, quel jour vous pourrez venir à Berlin, pour qu’il convoque les sculpteurs, avec lesquels vous devrez vous entendre. Quant à la façade, je crois qu’il vaut mieux en parler aussi peu que possible en ce moment. Une fois que vous aurez fait les plans de la bâtisse et que la construction sera entamée, il sera bien difficile que ce ne soit pas vous qui ayez le dernier mot à ce sujet. Je vous engage aussi à aller trouver Mlle Dumont, quand vous serez à Berlin. Il paraît qu’il y a un accroc avec la police Berlinoise, qui peut forcer les acteurs à dégager le théâtre des bâtisses voisines, ce qui entraîne une forte perte de terrain. Enfin, je crois que vous devriez tâcher de reparler de l’affaire sous ce nouvel aspect avec Mlle Dumont. Je vais passer 8 à 10 jours en Angleterre, à Pâques, Hotel Cecil, et puis je serai à Paris, Hotel [sic]
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Chatham, à partir du 23 ou 24 environ. Je compte être de retour à Weimar vers le 15 mai. Entre le 15 et le 30 mai je veux rénover complètement ma grande salle du Musée (Oberlichtsaal) et je vous serais très reconnaissant de votre concours. Je pense à des boiseries claires (peut être comme dans ma chambre à coucher) avec une tenture grise et une Stange en Messing tout autour en haut, pour accrocher les tableaux. Ce qui est très laid, c’est la rencontre du toit de verre avec les murs. Je ne sais pas s’il n’y aurait pas moyen, d’interposer une espèce de voûte blanche qui formerait une transition, au[-]dessus de la Stange en métal. Mais, évidemment, il ne faudrait pas que cette voûte prenne trop sur le toit en verre, ni qu’elle jette des ombres sur les murs. Elle devrait donc être très légèrement courbée seulement. Je vous serais reconnaissant, si vous vouliez commencer vos travaux pour le Musée en étudiant cette question. Quant aux plans du Gr[and] Duc, madame Van de Velde vous en a déjà instruit, je pense, et aussi de ce que je vous conseille de faire, à ce propos. Pour S[ain]t Louis, la lettre de Nostitz, que j’ai remise à madame Van de Velde, vous mettra au courant. Affectueusement HdeKessler. Il paraît (Heymel me l’a dit hier) que ce pauvre Meyer[-]Graefe fait de mauvaises affaires. toute la bâtisse: Bezieht sich auf den Bau des Secessions-Gebäudes in Berlin (vgl. Anm. Brief 159). à Berlin: Van de Velde kehrte erst am 11. April 1903 von seiner Orientreise nach Weimar zurück. Wie er Kessler in einem Brief vom 16. April mitteilte, plante er am 18. April nach Berlin zu reisen (vgl. Brief 163). l’affaire: Gemeint ist das Theaterprojekt von Louise Dumont in Berlin (vgl. Anm. Brief 152). retour à Weimar: Obgleich Kessler seit dem 24. März 1903 das ›Großherzogliche Museum für Kunst und Kunstgewerbe‹ offiziell leitete, hielt er sich vom 10. April bis zum 25. Mai 1903 mehr als sechs Wochen in Paris und London auf. Erst anlässlich der Weimarer Hochzeitsfeierlichkeiten des Großherzogpaares Anfang Juni kehrte er nach Weimar zurück (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.4.1903–25.5.1903, 2.6.1903). ma grande salle du Musée: Seit 1892 befand sich im Gebäude der ehemaligen ›Permanenten Kunstausstellung‹ ein Oberlichtsaal. 1897 wurde der Hoffront eine venezianische Palastfassade vorgesetzt. Im Auftrag von Kessler modifizierte van de Velde bis Juni 1903 den Oberlichtsaal in einigen wirksamen Details. Er veränderte nicht nur das Oberlicht, sondern installierte eine neue Hängevorrichtung nach dem Vorbild des Hagener Folkwang-Museums. Zudem erhielt die Wand nach Kesslers Wünschen einen unifarbenen Ton sowie einen Holzsockel mit zugehörigem Schablonenfries. Die Arbeiten waren Mitte Juni 1903 abgeschlossen, sodass die Eröffnung der Klinger-Ausstellung mit zweiwöchiger Verspätung erst am 23. Juni 1903 erfolgen konnte (vgl. Weimarische Zeitung, 28.6.1903; vgl. Briefe 163, 164, 167, 168).
352 Edition und Kommentar plans du Gr[and] Duc: Im Zuge seiner Vermählung mit Caroline Prinzessin Reuß ä. L. plante Großherzog Wilhelm Ernst, das Weimarer Residenzschloss einem Umbau zu unterziehen (vgl. Anm. Brief 163). la lettre de Nostitz: Der Brief befindet sich nicht im Nachlass van de Veldes.
163 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 16.4.1903 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): KGS KUNSTGEWERBLICHES SEMINAR WEIMAR, KUNSTSCHULSTRASSE 6.
Ce 16 avril 1903 Bien cher ami, Je suis rentré depuis Samedi Soir et voilà que je gèle içi [sic]. Nous jouissons ici de températures qui jouent autour de zéro leur mauvais jeu. Mais comme bien vous pensez il y a de la joie aussi au retour. D’abord j’ai regardé du coté [sic] de mes travaux et de mes ateliers comme un chien regarde le baton [sic] ou le pied de son maître. Je me suis approché prudemment; les journées de Pâque[s] engageaient ma prudence, aujourd’hui je suis pris et repris! En somme, j’ai trouvé aux ateliers des choses qui avaient bien mûri et qui justifient un peu mon audace d’aller contempler les plus belles choses et mon désir de découvrir à mes œuvres des liens de parentée [sic] avec elles! Il y a que l’argenterie p[our]. le Gr[an]d. Duc promet et que j’ai une ou deux formes p[our]. de la porcelaine qui auréoleront mon nom de quelque dignité. Maintenant qu’il y a deux mois entre moi et mes dernières créations, je peux mieux les juger et je crois vraiment que dans les derniers temps, je m’étais rapproché un peu de notre Idéal. La ›N[ietzsche]archiv‹, votre chambre de travail, les meubles de Melle. Colsman et ceux de Cassirer justifient cette appréciation. En rentrant j’ai trouvé votre lettre, bien cher ami; j’ai écrit aussitot [sic] à Liebermann et voici la réponse que je reçois de lui. Je ne crois pas que cette remise soit provoquée par d’autres raisons que celles que me donne Liebermann. Songez pourtant à l’ardeur avec laquelle je désire construire ce ›Palais de la Secession‹! Ce serait ma premiere [sic] œuvre, bien cher ami; tout le reste n’étant que la préparation à cette œuvre et mon voyage le complément indispensable à cette préparation! Je ne crains pas que quelqu’un d’autre que moi fasse la facade [sic]. Cette collaboration apparaitra [sic] impossible à Liebermann, lui-même et dès qu’il me parlera officiellement de cette intention, j’obtiendrai bien de lui
Briefe und Kommentare 353
qu’avant de prendre quelqu’engagement avec un autre architecte, il me permette de lui présenter une maquette en plâtre! Malgré que L[iebermann]. remette notre entrevue j’irai Samedi à Berlin. J’y verrai Nostitz avant Son départ p[our]. la Grèce, je veux entendre de lui où en sont les affaires de ›S.[alle] Weimar‹ près de l’Exp[osition]. de St. Louis! Je tâcherai d’y rencontrer Melle Dumont. De Berlin je me rends à Chemnitz et de la [sic] à Dresde (Salon Bondi) et Meissen. Voilà qui m’éloigne encore de mes travaux d’ateliers et p[our]. quand vous reviendrez, j’aurai tout perdu de la bonne mine que j’ai cherchée en voyage; J’ai la figure presque grosse, cher ami! Je me suis rendu, avant hier à votre Musée, j’ai examiné la Salle d’Exp[osition]. Il sera bien simple de lui donner un aspect frais et vivant et d’améliorer la distribution dela [sic] lumière. Il y a pourtant un encadrementRenaissance en pierre à la porte d’entrée de cette Salle qui luttera contre nous de tout le poids de ses pierres et dela [sic] dévotion qu’elles auront conquise içi [sic]! J’ai regardé la maison achetée et j’ai reunirai [sic] ce que serait possible sur ce complexe! Evidemment [sic] tout. Mais l’argent, l’argent....! Nous examinerons cela de plus près dès que vous serez ici. – Et maintenant, il reste à parler des changements que projetterait le Gr[an]d. Duc au Palais. Maria m’a mis au courant de ce que vous lui en aviez dit et de ce que vous aviez fait et tenté près de de Palézieux. Cette affaire me paraît mal-emboitée! Une collaboration entre Ihne et moi me paraît impossible. Non pas qu’elle ne soit pas désirable, en cette circonstance. Mais comment ménager les susceptibilités réciproques? Lui étant féroce contre moi et moi n’ayant de l’orgueil précisément que devant lui! Je vais écrire à de Palézieux p[our]. lui demander une audience au sujet de cette question. Momentanément, je n’entrevois que cette solution. Le Gr[an]d. Duc m’exprimerait ses désirs formels au sujet de la transformation du palais. Ensuite il me demanderait les plans de l’installation et de la distribution intérieures. Celles-ci décidées et admises, il me demanderait de me mettre en rapport avec un architecte, M. Ihne qui mettrait cette nouvelle facade [sic] en rapport avec celles existantes. Dans ce cas, c’est moi qui demanderais officiellement à Ihne, au nom du Gr[an]d. Duc, ce travail – qui de telle façon serait tout à fait distinct du mien et ne mettrait pas mes projets ni à la merçi [sic] de la facade [sic], ni à la merci d’un autre architecte. – Vous m’aiderez aussi dans une autre question – très mal emboitée [sic] aussi celle-là – celle de la construction de la nouvelle Université de Jena! Rothe m’en a parlé l’autre jour et il résulte de son entretien qu’il s’agit d’une concurrence à laquelle serait [sic] conviés six artistes. Il se rend compte
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que cette disposition m’éloigne de ces travaux et il voudrait trouver une solution! Je vous envoie cette lettre à Londres, cher ami espérant bien qu’elle vous atteindra là. Votre bien dévoué Henry. J’ai lu aussitot [sic] votre brochure sur le ›Néo Impressionisme‹! Cet article est parfait; le plus parfait, le plus net et le plus persuasif que vous ayez écrit. Il portera assurément! Briefumschlag: Der Briefumschlag trägt die Aufschrift: »à Monsieur le Comte H. de Kessler Hotel Cecil London England.« sowie die Stempel »Weimar 16.4.03« und »London 7.15.AM Ap 18.03 20«. Samedi Soir: Van de Velde war am 11. April 1903 von seiner Orientreise nach Weimar zurückgekehrt (vgl. Anm. Brief 155). l’argenterie pour le Grand Duc: Bezieht sich auf das 353-teilige, von van de Velde entworfene Tafelsilber, das als Landesgeschenk der Thüringer Beamtenschaft dem frisch vermählten Großherzogpaar am 5. Juni 1904 im Weimarer Residenzschloss überreicht wurde. Das Tafelgerät war für eine »intime« Tafel bestimmt und bestand aus einer 250-teiligen Essbesteck- und Vorlegegarnitur für zwölf Personen sowie 103 Korpusteilen, die sich aus drei Jardinieren, acht Leuchtern, sechs Saucieren, zwölf Salzschalen, 18 Bratenplatten und 56 Tellern zusammensetzte. Die Ausführung oblag Hofjuwelier Theodor Müller sowie der Bremer Silberwarenfabrik Koch & Bergfeld. Der Verbleib des Silberschatzes ist nicht bekannt (Föhl/ Neumann 2009, S. 94–103, 274–279; vgl. Anm. Brief 134). porcelaine: Vgl. Anm. Brief 155. Melle. Colsman: Dorothea Hedwig Colsman (verh. Fröse, 1878–1962). Aus Anlass der Eheschließung mit Dr. Aderhold Fröse 1903 bestellte Dorothea Hedwig Colsman, Schwester von Gertrud Osthaus, Möbel für ihre Aussteuer bei van de Velde. 1910 kam der Auftrag zum Bau eines Hauses in Hannover hinzu. Chemnitz: Im Frühjahr 1902 bekam van de Velde den bisher umfangreichsten Auftrag aus Deutschland übertragen: den Bau und die Innenausstattung der Villa Esche in Chemnitz. Auftraggeber waren der Textilunternehmer Herbert Esche und seine Frau Johanna (gen. Hanni). Van de Velde reiste daher 1903 regelmäßig nach Chemnitz, um die Bauarbeiten zu betreuen (vgl. Metz/ Richter/ Schmückle von Minckwitz 2002). Salon Bondi: Im zeichnerischen Nachlass von van de Velde in La Cambre/ Brüssel befinden sich Möbelzeichnungen zu einem Auftrag »Bondi«. Es handelt sich um einen Nähtisch und um ein Sofa nebst Heizkörperverkleidung (La Cambre, LC/S 3520, 3360). Auftraggeber war möglicherweise der Dresdner Justizrat und Sammler Dr. Felix Bondi (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 1.6.1904, AML, FSX 784).
Briefe und Kommentare 355 la Salle d’Exposition: Bezieht sich auf den Oberlichtsaal im Weimarer ›Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe‹ (vgl. Anm. Brief 157). des changements … au Palais: Die Idee, die Dreiflügelanlage des Weimarer Stadtschlosses mittels eines weiteren Flügels zu schließen, ging auf Oberhofmarschall Aimé von Palézieux zurück und datiert bereits von 1903. So schreibt Palézieux in einem Brief vom 17. März 1903 an die Herzogin Elisabeth zu Mecklenburg-Schwerin: »Je songe toujours au plan de construire une aile qui reliera la Chapelle au Luisenzimmer. L’architecte Ihne est venu pour cela dernièrement et le Grand Duc l’a chargé d’établir un plan, mais il n’est aucun point décidé de construire. Cependant c’est toujours un pas en avant.« (Aimé von Palézieux an Elisabeth, Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin, 17.3.1903, LHA Schwerin). Bedingt durch den frühen Tod von Großherzogin Caroline Anfang 1905 griff Großherzog Wilhelm Ernst das Projekt erst nach der Hochzeit mit Feodora 1910 wieder auf und übertrug den Bau des Südflügels 1911 an die Münchner Firma ›Heilmann & Littmann‹. Ernst Eberhard (seit 1906: von) Ihne (1848–1917), Wirklicher Geheimer Oberhofbaurat, Hofarchitekt des deutschen Kaisers. la construction de la nouvelle Université de Jena: Der im Brief angesprochene Architekturwettbewerb für das neue Hauptgebäude der Friedrich-Schiller-Universität in Jena wurde 1903 ausgerufen. Die Wahl fiel im Januar 1904 auf den Stuttgarter Architekten Theodor Fischer. Das Gebäude wurde im August 1908 anlässlich des 350. Gründungsjubiläums der Universität eingeweiht (vgl. Wahl 1988, S. 24, 107). votre brochure sur le ›Néo Impressionisme‹: Bezieht sich auf die Abhandlung ›Über den Kunstwert des Neo-Impressionismus. Eine Erwiderung‹ (Kessler 1903), die auch am 12. März 1903 in der Zeitschrift ›Der Tag‹ erschien (vgl. Kessler, Harry Graf: Über den Kunstwert des Neo-Impressionismus. Eine Erwiderung, in: Der Tag. Berlin. [Ausgabe A] Nr. 119 vom 12. März 1903, S. 1–3).
164 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 18.4.1903 AML, FSX 504/90, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
18.IV.1903 Cher ami Je vois par votre lettre que vous êtes rentré en bonne santé. C’est le principal. Je vous remercie d’avoir jeté un coup d’œil sur ma salle d’exposition. Le travail que je vous demanderais sur ce point n’est que peu considérable. Il consiste en ceci: 1. choisir avec moi l’harmonie de couleurs de la salle. Je désirerais tendre les murs en gris, comme dans ma salle à manger, ou plus clair, si c’est possible. Voilà donc le point de départ. Reste à choisir le bois. J’ai pensé au Kiefer, si ce ton ne jure pas avec le gris, ce que je crains. Il y aurait, alors, le Buchen. Mais serait-ce l’idéal, et ne serait[-]ce pas bien cher?
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2. dessiner un petit socle en bois (un profil tout à fait simple) pour le bas des murs, courant tout autour de la salle, haut d’environ 20 à 30 cm. 3. dessiner une espèce de voûte, (en fil de fer recouvert de stuc) pour relier les murs au plafond vitré et bien régler la lumière sur les murs. Peut-être pourrait[-]on faire des essais avec des maquettes en carton. En ce cas, je vous serais reconnaissant de faire préparer les maquettes. Voilà tout le travail nouveau. Quant au reste voici. Je pense demander à Elkan de refaire les modèles de Hagen pour la poutre en Messing à accrocher les tableaux avec ornements. Il m’envoie un devis de 540 Marks pour ceci. Pensez[-]vous que je doive faire la commande? Je veux dire, ces modèles vous conviendraient[-]ils? En outre, j’ai besoin de piédestaux en bois pour les sculptures. Je pense employer le modèle que vous avez créé pour ma salle à manger à Weimar. Mais Scheidemantel devra faire des prix absolument exceptionnels. De même pour quelques chaises. Pour celles-ci, je pense que le modèle de ma chambre à coucher conviendrait. Qu’en pensez[-] vous? Il en faudrait environ 6. – Pour le reste du Musée, il faudra dresser des plans complets, quitte à l’exécuter par morceaux, ensuite. Saluez, je vous prie, madame VandeVelde et les bébés. Affectueusement HdeKessler Je reste à Londres jusqu’à jeudi matin. Après à Paris, Hotel [sic] Chatham. ma salle d’exposition: Bezieht sich auf den Oberlichtsaal im Museum für Kunst und Kunstgewerbe (vgl. Anm. Brief 157). Walter Elkan (1868– nach 1938), Bronzegießer, Kunstgewerbler, Kunsthändler. Walter Elkan, Inhaber des ›Ateliers für kunstgewerbliche Metallarbeiten‹ in der Landshuter Straße 7 in Berlin, war seit 1901 als Bronzegießer für van de Velde tätig. Er führte neben Türgriffen, Beschlägen und Hängeschienen auch Korpusgerät und Beleuchtungskörper für van de Velde aus (vgl. Briefe 16, 80). piédestaux: Der von Kessler gewünschte Holzsockel befand sich in unterschiedlicher Ausführung im Arbeitszimmer sowie im Speisezimmer seiner eigenen Wohnung in Weimar. Er ist in van de Veldes Möbelkatalog (Möbelkat. van de Velde, BR, FSX 1034, Nr. 19) sowie in der ›Innen-Dekoration‹ abgebildet (Innen-Dekoration 1903, S. 204, 206; vgl. Pecher 1981, S. 204, 206, 297, Nr. 1726; vgl. Brief 129). le modèle de ma chambre à coucher: Es handelt sich um ein vergleichsweise schlichtes Stuhlmodell, das sich in Kesslers Weimarer Schlafzimmer befand. Die Entwurfszeichnungen dazu haben sich im Fonds Henry van de Velde in La Cambre/ Brüssel erhalten (LC/S 3030–3033). Das ausgeführte Stuhlmodell ist in van de Veldes Möbelkatalog (Möbelkat. van de Velde, BR, FSX 1034, Nrn. 22, 71) abgebildet (vgl. Pecher 1981, S. 212, 247, 252, 273, Nr. 1143; vgl. Brief 129).
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165 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Weimar], [Poststempel: 24.4.1903] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefumschlag
à Monsieur le Comte H. de Kessler Hotel Chatham Paris Rue Daunou [Rückseite von anderer Hand:] Hotel Cecil London Briefumschlag: Der Briefumschlag wurde am 24. April 1903 von van de Velde in Weimar aufgegeben und nach Paris verschickt. Kessler hielt sich jedoch noch in London auf, weshalb man den Brief nach London an das ›Hotel Cecil London‹ weiterleitete. Das zugehörige Schreiben ist nicht mehr erhalten. Der Briefumschlag besitzt folgende drei Stempel: »Weimar 24.4.03«, »25-4-03 Etranger« und »London W.C. 7.15.AM AP 27 03 25«.
166 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Weimar], 5.5.1903 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
ce 5 Mai 1903 Bien cher ami, Nous sommes vraiment inquiets. Nous n’entendons rien de vous, de la noce dela [sic] C[om]tesse votre Sœur. A chaque poste, j’attends un mot de vous. D’abord, c’était p.[our] me rassurer sur l’envoi des objets en argent. Mais maintenant je ne pense plus à cela craignant que quelque chose de plus grave n’entraîne vos pensées ailleurs! L’Etat de santé dela [sic] C[om]tesse votre Mère laisserait-il à désirer? Un mot, je vous en prie. Rassurez-nous bien vite. Bien affectueusement Henry.
358 Edition und Kommentar Briefumschlag: Der Umschlag zum zugehörigen Brief trägt die Aufschrift: »à Monsieur le Comte H. de Kessler Hotel Chatham Rue Daunou Paris« sowie vier Poststempel »Weimar 5.5.03«. noce: Kesslers Schwester Wilma verfolgte seit Sommer 1901 ernsthafte Heiratspläne. Die Wahl des Ehegatten bereitete ihr jedoch zunächst Schwierigkeiten und beschäftigte von 1901 bis 1903 auch Alice und Harry Kessler in höchstem Maße. Während die Mutter eine reiche Heirat favorisierte und Anfang 1902 noch klagte »[...] there are no serious hopes of a good mariage for my poor little Darling« (Alice Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 26.2.1902, DLA), wankte Wilma zwischen Gefühl, Anspruch, Wunsch und Wirklichkeit. Ein in Spanien ansässiger Herr namens »Torre« kam aufgrund der gesellschaftlichen Stellung und seines fragwürdigen Charakters 1901 nicht in Betracht (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 25.11.1901). Auch Jacques de Beaufort wurde als Heiratskandidat abgewählt, da er katholisch war (Alice Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 12.4.1902, DLA). Als schließlich Christian Marquis de Brion während eines Aufenthalts in Rigi-Scheidegg im Sommer 1902 vorstellig wurde und seine Konkurrenten im Laufe der nächsten Monate erfolgreich ausstach, wurde die Hochzeit für März 1903 beschlossen. Gerüchte über Brions Vorleben, sein aufbrausendes Temperament, die damit verbundenen, möglichen Probleme für Wilma und letztlich auch der schlechte Gesundheitszustand von Alice Kessler, führten zu einer unbeabsichtigten Verzögerung. Die Hochzeit fand schließlich Anfang Juli 1903 in Paris statt (vgl. Korrespondenz zwischen Alice Gräfin, Wilma Gräfin und Harry Graf Kessler aus den Jahren 1901 bis 1903, DLA). objets en argent: Es handelt sich hier um den Versand der Silbergegenstände für Kesslers Schwester Wilma (vgl. Anm. Brief 155).
167 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Paris], 12.5.1903 AML, FSX 504/91, Brief Briefkopf (gedruckt): HOTEL CHATHAM PARIS
ce 12 mai 1903. Cher ami Je suis confus de ne pas vous avoir écrit depuis si longtemps. Mais il y a eu à ça plusieurs raisons. D’abord, je voulais vous remercier du magnifique travail que vous avez fait pour ma sœur, en connaissance de cause, c’est[-] à[-]dire après avoir vu les objets. Mais ceux[-]ci étaient ou chez Jannemann [?] ou à la monnaie, et nous ne les recevions pas. L’expéditeur s’excuse, en disant que Müller lui avait écrit, que je désirais assister personnellement au poinçonnage à la Monnaie! Enfin, hier nous les avons reçu [sic], et c’est là le principal. Je vous remercie et vous félicite de ce travail vraiment admirable. Ma sœur en était enthousiasmée et m’a prié de vous dire toute la reconnaissance qu’elle en ressent pour vous. Du reste, je crois qu’elle va vous écrire, comme elle m’a dit ne pas se fier à ce que j’exécute sa commission de façon à vraiment vous faire sentir, quelle admiration elle a pour ce travail. Le retard n’a pas été de très grande conséquence, le mariage de ma sœur ayant dû être, comme je m’y étais un peu attendu, retardé. Ma
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mère, dont vous avez eu la bonté de vous inquiéter, a été bien souffrante. Mais elle va mieux maintenant, et me dit de vous remercier de votre sollicitude. – J’ai vu chez Signac un tableau qui m’a paru devoir vous intéresser et je l’ai retenu pour vous; c’est[-]à[-]dire, qu’il viendra à Weimar pour l’exposition, en juillet, et que je vous en ai assuré le Vorkaufsrecht. J’ai vu aussi les Rysselberghe et déjeuné chez eux avec Cross. Ce m’a été une grande joie de constater le succès définitif qu’a eu Rysselberghe avec sa toile pour Solvay. Il paraît, qu’il peut s’attendre sûrement à des commandes officielles, en Belgique. – Je serai à Weimar le 20 au matin, pour sûr, c’est[-] à[-]dire donc mercredi. Je vous serais très, très reconnaissant, si les profils et la voûte de la salle d’exposition étaient préparées dès ce jour, pour que nous puissions en commencer aussitôt l’exécution. Il y a très peu de temps. L’exposition Klinger devant être ouverte avant le 6 juin. Je retourne par Londres où je serai demain, jeudi et que je quitterai lundi soir. Hotel [sic] Cecil, comme toujours. – Je vous envoie une lettre de Hermann [sic], qui vous intéresse. Veuillez présenter mes respects à madame VandeVelde. Affectueusement Kessler. Ne pourrons[-]nous organiser une exposition de vos œuvres pour la même époque? Pensez–y, je vous en prie. magnifique travail: Bezieht sich auf die Silbergegenstände für Kesslers Schwester Wilma anlässlich ihrer Hochzeit (vgl. Anm. Brief 155). Müller: Gemeint ist das Weimarer Hofjuweliergeschäft Theodor Müller mit den Inhabern Hans und Wilhelm Müller. le mariage: Vgl. Anm. Brief 162. chez Signac un tableau: Paul Signac, Saint–Tropez. La Ville et les pins, 1902 (Öl auf Leinwand, 65 x 81 cm, sign. u. dat.: »P. Signac 1902«, Privatbesitz, Cachin 2000, S. 258, Kat. Nr. 383). Es handelt sich vermutlich um das Gemälde ›Saint–Tropez. La Ville et les pins‹ (1902), das van de Velde im Austausch gegen kunstgewerbliche Arbeiten im August 1903 von Paul Signac erwarb (vgl. Ausst. Kat. Münster/ Grenoble/ Weimar 1996, S. 91 [Nr. 17], 63; Velde 1995, S. 270, Anm. 2). Kessler hatte Signac am 8. Mai 1903 besucht (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.5.1903). toile pour Solvay: Théo van Rysselberghe, Une lecture au jardin, 1902 (Öl auf Leinwand, maroufliert, 320 x 448 cm, sign. u. dat. »19VR02«, Hôtel Solvay, Wittamer-De Camps, Brüssel, Feltkamp 2003, S. 91, 337, Bild-Nr. 1902–005). Es handelt sich um das Auftragswerk ›Une lecture au jardin‹ (1902) von Théo van Rysselberghe. Das Wandgemälde war zentraler Bestandteil des von Victor Horta entworfenen ›Hôtel Solvay‹, Privathaus des belgischen Industriellen Armand Solvay, wo es im Treppenhaus angebracht war. In einem Brief vom 3. März 1903 schrieb Théo van Rysselberghe an van de Velde: »Si tu passes à Bruxelles après Paris (Paul DuBois me dit que telle est ton intention) je te prie d’aller regarder mon panneau chez Solvay. Octave Maus
360 Edition und Kommentar t’y conduira – ou n’importe qui – mais lui sait comment faire manœuvrer les éclairages, etc.« (Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 3.3.1903, AML, FSX 800). le 20: Laut Tagebuch hielt sich Kessler nachweislich bis zum 25. Mai 1903 in London auf, möglicherweise auch noch länger. Der erste Eintrag in Weimar datiert vom 2. Juni 1903 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 25.5.1903, 2.6.1903; vgl. Anm. Brief 157). L’exposition Klinger: Die Ausstellung ›Max Klinger. Gemälde, Graphik, Plastik‹ mit 60 Exponaten wurde am 23. Juni 1903 mit zweiwöchiger Verspätung eröffnet und war bis August 1903 im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe zu sehen. une lettre de Hermann: Der Brief von Curt Herrmann ist verschollen.
168 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Weimar], 16.5.1903 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Dict. Den 16./5./03/ Lieber Freund, Sie werden am Mittwoch die Zeichnungen fuer die Permanente Ausstellung hier vorfinden. Ich selbst werde an dem Tage in Chemnitz sein und komme erst abends oder Donnerstag morgen zurueck. Ich habe mit dem Stuckteur [sic], der die Gewoelbe-Arbeiten ausfuehren soll, gesprochen, und hat er mir erklaert, dass er 3 Wochen dazu noetig hat, und das im mindesten. Ich mache mir klar, dass man hier wirklich diesen Zeitraum fuer diese Arbeit noetig hat. Ich berichte Ihnen dies nur in aller Eile, damit Sie sich keine Illusionen machen. Bis Mittwoch – und herzliche Gruesse Henry v.d.V. [handschriftlich] Permanente: Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe. Gewoelbe-Arbeiten: Bezieht sich auf die Umgestaltung des Oberlichtsaals im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe im Zuge der Vorbereitungen zur Klinger-Ausstellung (vgl. Anm. Briefe 156, 157).
Briefe und Kommentare 361
169 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 22.5.1903 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Telegramm
=Quand arrivez[-]vous Rosenhagen ici = Velde.+ Telegramm: Das Telegramm ist an »Comte Kessler Hotel Cecil London« adressiert und wurde von van de Velde am Fürstenhaus in Weimar aufgegeben. Es trägt die Beschriftung »+ de Weimar Fuerstenhaus 292 11 22/5 2,17 S=« sowie den Poststempel »Strand B.C. B MY22 03 W.C.«. Rosenhagen: Der Journalist und Kunstkritiker Hans Rosenhagen (vgl. Anm. Brief 100) hielt sich Ende Mai 1903 in Weimar auf, um sich umfänglich über die Weimarer Bestrebungen zu informieren. Hintergrund seines Aufenthaltes war ein Artikel für die konservative Berliner Zeitung ›Der Tag‹, der am 15. Juli 1903 mit dem Titel ›Das neue Weimar‹ erschien. Rosenhagen konstatiert darin: »Van de Velde, der seit über einem Jahr in Weimar wirkt, hat sich außerordentlich entwickelt. Seine Arbeiten haben, ohne Einbuße an Originalität, alles Provokante, alles Barocke verloren. Der Künstler ist zu einer schlichten, vornehmen und heiteren Schönheit gekommen, die fast an die Antike gemahnt, durch Klarheit der Absicht und Reinheit des Ausdrucks, und über die seine Imitatoren todunglücklich sein werden, weil dieser Stil unnachahmlich ist.« (Hans Rosenhagen, Das Neue Weimar, in: Der Tag, Nr. 325, 15.7.1903). Van de Veldes schätzte Rosenhagens Artikel in derart in hohem Maße, dass er ihn in den Memoiren auszugsweise zitierte (vgl. Velde 1962, S. 245–250; Velde 1995, S. 159–163; Velde 1999, S. 175–177).
170 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 20.7.1903 AML, FSX 504/92, Brief
Berlin, 20.VII.03 Cher ami Une nouvelle bien ennuyeuse, pour moi surtout. Une attaque plus forte de mon mal de foie agrémenté de rhumatismes m’ayant décidé à revenir par Berlin, pour voir mon docteur, celui[-]ci me dit, que si je ne veux pas courir des risques très graves, je dois immédiatement me mettre en traitement, douches chaudes, massages etc., et ce traitement me force de rester à Berlin pendant plusieurs semaines, ne pouvant m’absenter qu’un ou deux jours par semaine. C’est très, très ennuyeux. Mais comme ce mal me fait souffrir vraiment cruellement, je vais m’exécuter, et j’ai commencé ce traitement, qui m’estropie à moitié, aujourd’hui. Je viendrai donc à Weimar seulement jeudi, pour y rester jusqu’à samedi. Puis, la semaine prochaine, pour prendre l’exposition des Néo Impr[essionnistes]. et en faire l’ouverture. Entre
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temps, jeudi, Meier[-]Graefe vient, pour voir vos travaux et l’exposition Klinger, à propos d’un gros livre sur l’Art moderne (amplification de son article de la Zukunft) qu’un éditeur lui à [sic] commandé. Je voudrais le faire recevoir par le Gr[and]. Duc et je pense écrire à Palézieux à ce propos. Qu’en pensez[-]vous? C’est moi qui lui ai dit, qu’il ne pouvait pas faire son livre, sans avoir vu le Nietzsche Archiv et les nouvelles sculptures de Klinger. Il fait donc le voyage de Paris exprès pour se renseigner. Je serais heureux, si vous vouliez lui témoigner quelque amabilité. Il vous croit très fâché et monté contre lui. Veuillez saluer madame Vandevelde et Monsieur et madame Van Rysselberghe, s’ils sont à W[eimar]. Affectueusement deKessler. Meier[-]Graefe descend chez moi. mon mal de foie: Kessler litt seit seiner Mexikoreise an einem chronischen Leberleiden (vgl. Anm. Briefkarte 70). Bereits im Mai 1903 hatte Wilma ihren Bruder ermahnt, aufgrund seines bleichen Aussehens auf seine Leber zu achten (Wilma Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, 23.5.1903, DLA). In Kesslers Tagebuch findet sich lediglich ein Eintrag hierzu. Am 17. Juli 1903 heißt es: »Fast den ganzen Tag krank zubett.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.7.1903). jeudi: Kessler konnte nicht am 23. Juli 1903 in Weimar sein. Er kam eine Woche später, am 30. Juli 1903 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.7.1903). l’exposition des Néo Impressionnistes: Die ursprünglich von Paul Cassirer und Curt Herrmann initiierte und von Kessler übernommene Ausstellung zu Werken der ›Deutschen und französischen Impressionisten und Neo-Impressionisten‹ wurde am 1. August 1903 im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe eröffnet. livre: Bezieht sich auf das epochale, dreibändige Werk ›Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst‹ von Julius Meier-Graefe, das 1904 erschien (vgl. Meier-Graefe 1904). quelque amabilité: Julius Meier-Graefe und van de Velde hatten sich Ende 1899 überworfen. Grund war die verspätete Fertigstellung der Pariser Kunsthandlung ›La Maison Moderne‹. Selbst nach einem Besuch bei Meier-Graefes im Dezember 1901 hielt Kessler hierzu fest: »Das Weibchen Meier Graefe versucht, gegen Van deVelde giftig zu sein, während M.G. selbst trotz seines Streits sachlich gerecht bleibt.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.12.1901).
Briefe und Kommentare 363
171 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Weimar], 20.7.1903 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Ce 20 Juillet 1903 Est-il vrai, bien cher ami, que vous soyez souffrant et arrêté à Londres? Dites-moi donc un mot, à ce sujet! Théo v[an]. R[ysselberghe]. est içi [sic] et toutes les toiles sont déballées! Au second étage, on vient de terminer les tentures; les meubles sont achevés. Mais pourquoi Bosse n’a-t-il donc pas placé de tringle p[our]. accrocher les tableaux dans toutes ces salles? 1˚) Faut-il en faire placer? 2˚) Puis-je faire peindre des pochoirs? Un mot vite affectueusement Henry. Briefumschlag: Van de Velde wusste nicht, dass Kessler bereits nach Berlin zurückgereist war. Er adressierte daher den Brief nach London an »Monsieur le Comte H. de Kessler Cecil Hotel London Strand«. Dort wurde die Adresse durchgestrichen und an Kesslers Berliner Adresse »Kuthenstrasse [sic] 28 Berlin« umgeleitet. Auf der Vorderseite des Umschlags finden sich die Poststempel »Weimar 22.7.03 10-11 N.« und »London W.C. 12.15.PM JY 22 03 34«, auf der Rückseite »Bestellt vom Postamte 23/7.03« und »London 7.15. AM JY 22 03 25«. toutes les toiles: Aufgrund von Kesslers Abwesenheit musste van de Velde die Vorbereitungen zur Ausstellung ›Deutsche und französische Impressionisten und Neo-Impressionisten‹ weitestgehend allein leiten und das Eintreffen der über 90 Werke überwachen (zu den einzelnen Werken vgl. Ausst. Kat. Weimar 1999.2, S. 90 ff.). Friedrich August Bosse (1850–1917), Raumausstatter, seit 1879 ›Großherzoglich-Sächsischer Hof-Tapezier‹, Inhaber der Firma ›Weimarische Korbkunst-Industrie‹. Gemeint ist der Weimarer Innenausstatter August Bosse mit den ›Werkstätten für Innenausbau‹ und dem Weimarer Einrichtungshaus Bosse am Theaterplatz, Ecke Wielandstraße. Bosse belieferte van de Velde mit sämtlichen Ausstattungsdetails für Inneneinrichtungen, fertigte Polster und ließ darüber hinaus Korbmöbel nach Entwürfen van de Veldes in Tannroda/ Thüringen ausführen.
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172 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 28.7.1903 AML, FSX 504/93, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
28.VII.03. Cher ami Voici une notice que je lis dans la Vossische Z[ei]t[un]g. d’aujourdhui [sic]. Ne deviez vous pas prendre part à cette concurrence? Qu’arrive-t-il. Veuillez me faire savoir par un mot, si tout est en ordre. Je suis très inquiet. Presentez [sic], je vous prie, mes respects à madame Vandevelde ainsi qu’à monsieur et madame van Rysselberghe. Affectueusement Kessler. une notice: Die Notiz liegt dem Brief nicht mehr bei. van Rysselberghe: Théo und Maria van Rysselberghe waren zusammen mit ihrer Tochter Elisabeth (gen. Dabeth) seit Mitte Juli 1903 bei Familie van de Velde in Weimar zu Gast (vgl. Briefe 140, 171).
173 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 31.10.1903 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Samedi soir, Cher ami, en hâte avant de partir. Je n’ai pas pu placer l’argenterie cette après-midi. Elle n’était pas au Musée. J’y ai mandé M[onsieur]. Müller et lui ai donné quelques indications. Je lui ordonnai de s’informer près de vous s’il était correct d’exposer les derniers objets en argenterie (ceux qui n’appartiennent par conséquent pas au Gr[and]. Duc) dans la même salle. 2.) J’ai prié M[onsieur]. Schmidt d’exposer dans cette salle un foyer blanc semblable au nôtre. 3.) Je crois qu’il faut exposer les photographies (l’Exp[osition]. de Berlin) dans les deux salles du bout de l’étage. c. à. d. dans la derniere [sic] salle de chacun des cotés [sic] droite [sic] et gauche!
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4.) Des meubles-empire dans la salle Gleichen font horriblement mal! Ne relèguerez-vous pas l’Empire au premier étage? 5.) Scheidemantel a placé des chaises et une petite table dela [sic] salle des aquarelles et pastels – Gleichen. La couleur de ces meubles s’harmonisent [sic]. Mais les chaises ne peuvent pas être vues de devant! Les pieds de devant sont très laids et ces chaises sont de salle à manger ou de salle de lecture c. à. d. p[our]. être placées sous la table et vues de dos. Cachez leur devant s. v. p.! Après tout ce tohu-bohu et toutes ces alternatives sera-ce le recueillement? Bien affectueusement Henry 6.) Ne pas oublier d’attirer l’attention par une étiquette sur les poteries nouvelles exécutées à Burgel [sic], et de signaler que celles sur le dernier rayon sont du Westerwald. Les 3 à droite de Melle v[on]. Scheel. N’exposez pas mes grès-flambés du Westerwald maintenant. Nous organiserons dans les vitrines qui servent à l’argenterie une Exp[osition]. de céramique vers la Noël. 31.10.1903: Diese Datierung ergibt sich aus dem Kontext. placer: Es handelt sich um die Vorbereitungen für die Ausstellung ›Henry van de Velde, Kunstgewerbliche Gegenstände und Intérieur-Photographien‹ im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar. Die Ausstellung wurde am 7. November 1903 eröffnet und am 8. November 1903 von Großherzogin Caroline besichtigt. In der Presse hieß es hierzu: »Im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe bildet seit einigen Tagen das dort ausgestellte Tafelsilber, nach Entwürfen von Professor van de Velde – das Landesgeschenk für Ihre Königlichen Hoheiten den Großherzog und die Großherzogin – einen besonderen Anziehungspunkt. [...] Gleichzeitig ist das neue Lesezimmer seiner Bestimmung übergeben worden. Die Tiefe künstlerischer Ruhe, welche die stilvolle Ausstattung der Zimmer durch die Flucht der Räume verbreitet, bemächtigt sich jedes Besuchers. Entsprechend dem Zwecke der einzelnen Zimmer, sind die Wände mit mehr oder weniger farbig getönten Stoffbezügen versehen. Die Schränke, die Stühle und Tische sind in ihren einfachen künstlerischen Formen von gleicher wohltuender Ruhe und ganz geeignet, die Aufmerksamkeit des Beschauers zu größtmöglicher Konzentration auf die Kunstgegenstände gelangen zu lassen. [...] Eine besondere Zierde der neueröffneten Ausstellung ist die Sammlung künstlerischer Photographien.« (Weimarische Zeitung, 8.11.1903). Hermann Schmidt (1855–1913), Hoftöpfer. Hermann Schmidt war Großherzoglich-Sächsischer Hoftöpfer der ›Ofenfabrik J. F. Schmidt, Weimar‹ und Lieferant für Öfen, Kamine, Heizkörperverkleidungen und Stuckarbeiten nach Entwürfen van de Veldes. Heinrich Ludwig Freiherr von Gleichen-Rußwurm (1836–1901), deutscher Maler, Vertreter der Weimarer Malerschule.
366 Edition und Kommentar les poteries nouvelles: Vgl. Brief 180. Erica von Scheel (gen. Scheelchen, verh. Hauptmann, 1881–1966), Keramikerin, Bildhauerin, Mode- und Textildesignerin, (Werbe-)Graphikerin, Buchgestalterin. Die in Metz geborene Erica von Scheel, jüngste Tochter des Generals Heinrich von Scheel, lebte seit 1896 in Berlin. Dort lernte sie an der Berliner Malschule für Damen bei Martin Brandenburg, Hans Baluschek, George Mosson und Ulrich Hübner. 1902 bewarb sie sich durch Vermittlung von Curt Herrmann am Kunstgewerblichen Seminar in Weimar. Als eine der ersten Schülerinnen Henry van de Veldes war sie maßgeblich am Auf- und Ausbau dieser noch im Entstehen begriffenen Institution beteiligt. Henry van de Velde erkannte ihr Talent und förderte es mit Nachdruck. »Sie war meine erste Schülerin und wie Sigurd Frosterus mit größter Begeisterung bei der Sache. Und wie Sigurd trat sie in freundschaftliche Beziehungen zu meiner Frau und den Kindern, die sie vergötterten. Das Wichtigste aber: sie war hochbegabt.« (Velde 1962, S. 300). Erica von Scheel wurde Meisterschülerin und Assistentin van de Veldes, späterhin sogar Lehrerin an der Weimarer Kunstgewerbeschule. Als typische Kunstgewerblerin ihrer Zeit war sie ähnlich wie Gertrud Kleinhempel oder Margarete Junge gesamtkünstlerisch tätig und über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. So wurden ihre künstlerischen Arbeiten auf nationalen und internationalen Ausstellungen präsentiert und prämiert: 1904 Weltausstellung St. Louis, 1906 Dritte Deutsche Künstlerbund-Ausstellung Weimar, 1908 Oslo. Darüber hinaus half sie Henry van de Velde bei der Vollendung der Luxusausgaben ›Zarathustra‹ und ›Ecce Homo‹. Erica von Scheel war stets bestrebt, ihre Ausbildung zu vertiefen und weitere Fertigkeiten zu erlangen. Sie lernte 1905 bei dem Bildhauer Paul Dubois in Brüssel, 1903 bei dem Keramiker Reinhold Hanke in Höhr-Grenzhausen, wo sie ab 1903 eine Vielzahl ihrer Steinzeugarbeiten ausführen ließ, und bei den Textilwerkstätten in Krefeld. Außerdem arbeitete sie 1910 als freiberufliche Textildesignerin für den renommierten Pariser Modeschöpfer Paul Poiret. 1912 heiratete sie den Maler Ivo Hauptmann, den ältesten Sohn Gerhart Hauptmanns. Ihr Kontakt zu Henry van de Velde währte bis 1957, dem Todesjahr des Künstlers.
174 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 15.11.1903 AML, FSX 504/94, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
[van de Veldes Handschrift: congrès Néo-Impr.] 15.XI.03. Cher ami L’assemblée aura donc lieu le 15 déc[embre]. Vous recevrez l’invitation dans une huitaine. Nous aurons donc besoin de tables pour placer environ 50 personnes, en fer à cheval [Skizze] je pense. Ces tables devront être recouvertes de toile grise. On pourra louer les tables, mais il faudra que Bosse commande aussitôt la toile. Puis[-]je vous demander de lui le faire faire? Les chaises nous les louerons aussi, je pense. Tout semble bien marcher. Je pars à l’instant même pour Londres, Hotel [sic] Cecil. Je serai à Paris,
Briefe und Kommentare 367
Hotel [sic] Chatham jeudi. Veuillez saluer Madame VandeVelde. Affectueusement HdeKessler. Pourra-t-on louer des tables convenables? L’assemblée: Am 15. und 16. Dezember 1903 erfolgte die Gründung des Deutschen Künstlerbundes‹ in Weimar als überregionaler Zusammenschluss von Künstlern aus den unterschiedlichen Sezessionen und Kunstfreunden. Der noch heute existierende Bund zielte im Wesentlichen gegen die offizielle Kunst- und Ausstellungspolitik Kaiser Wilhelms II. Die Ziele waren nach Kesslers Worten: »Befreiung vom Gewissenzwang in der Kunst, Freiheit der Kunst, absolute Toleranz des Staats, Freiheit vom künstlerischen Gewissenszwang« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 22.10.1903). Zum Programm des Künstlerbundes gehörte ferner die Organisation einer jährlich stattfindenden ›Künstlerbund-Ausstellung‹. Die ersten drei Stationen waren 1904 München, 1905 Berlin und 1906 Weimar (vgl. Briefe 242, 250, 252). Auf Initiative von Kessler, der neben Leopold Graf von Kalckreuth erster Vizepräsident wurde, fand die Gründungssitzung unter dem Protektorat des jungen Großherzogs im Oberlichtsaal des Weimarer Museums für Kunst und Kunstgewerbe statt. Van de Velde arrangierte hierzu die Tische wie gewünscht in Hufeisenform und ließ sie mit Leinen umspannen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 15./16.12.1903; Sigurd Frosterus an Ida Frosterus, 17.12.1903, AML, FSX 411; Lichtwark 1924, Bd. 2, S. 70–72; vgl. weiterführend Lyra-Wex 1988, S. 27–48). Bosse: Vgl. Brief 171.
175 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 18.11.1903 AML, FSX 504/95, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
18.XI.03. Cher ami Je suis très étonné de la lettre de Signac, ayant donné des ordres formels, pour qu’on écrive à tous les exposants etc. J’écris une lettre détaillée à Payern à ce sujet, et je vous serais très reconnaissant, d’insister auprès de lui, pour qu’il exécute ces ordres immédiatement. – J’ai fait nommer Bodenhausen et Curt Herrmann pour le Comité. Je pense qu’ils nous fortifieront les mains, surtout quand la construction du nouveau Club sera en question. J’espère que Bodenhausen acceptera, et qu’il viendra à W[eimar]. le 15. Je pars pour Paris demain. Veuillez saluer madame VandeVelde ainsi que Ottobald quand vous le verrez.
368 Edition und Kommentar
Affectueusement deKessler. Arthur von Payern: Gemeint ist Arthur von Payern, Geschäftsführer der ›Permanenten Ausstellung‹ unter Aimé von Palézieux und seit März 1903 Sekretär und Concierge des Museums für Kunst und Kunstgewerbe unter der Ägide von Harry Graf Kessler. Arthur von Payern übernahm sämtliche organisatorische Aufgaben des Museums und leitete das Sekretariat, so auch im Dezember 1903 für den ›Deutschen Künstlerbund‹ (vgl. Briefe 177, 196, 199, 204, 230, 252, 255, 256, 268, 276, 279). le Comité: Eberhard von Bodenhausen und Curt Herrmann gehörten als Mitglieder dem Gründungskomitee des ›Deutschen Künstlerbundes‹ an. Club: Kessler bezieht sich hier auf den Bau des Secessions-Gebäudes (vgl. Brief 159). Ottobald Friedrich Freiherr und Herr von Werthern-Beichlingen (vgl. Brief 86).
176 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 27.11.1903 AML, FSX 504/96, Brief
Paris ce 27 Nov[embre]. 1903. Hotel Chatham. Cher ami J’ai reçu votre lettre. D’abord, j’ai voulu, comme vous le recommandez, répondre tout de suite à Mons[ieur]. de Palézieux, pour le rassurer sur les bruits ridicules que vous me rapportez. Il ne peut, naturellement, être question d’une démonstration contre l’Empereur, puisque nombre de fonctionnaires officiels, comme Bode, Seydlitz [sic], le directeur de l’Académie Royale de Königsberg, Dettmann, Treu, Lehrs etc. y prennent part. Ce bruit est aussi bête et mal inventé qu’il est injurieux, et je compte bien sur vous pour le déclarer bien haut, si l’occasion s’en présente. Il s’agit exactement d’une nouvelle organisation des artistes Allemands; rien de moins, et rien de plus. Mais je ne vois pas, quel but utile pourrait être atteint, par une lettre de moi à mons[ieur]. de Palézieux en ce moment. Je lui annoncerai les noms des personnages, quand nous aurons non seulement, comme maintenant, de simples adhésions, mais les réponses de ceux qui viendront vraiment à Weimar. Mais, en attendant, veuillez le rassurer, en lui nommant les personnages officiels Prussiens et Saxons qui ont adhéré. Je viens d’apprendre l’adhésion de Lehrs et de Pauli de Brême. Les bons intrigants n’ont vraiment pas de chance. Ils s’arrangent toujours pour monter des bateaux que les évènements mêmes s’empressent de démonter. J’espère que vous vous portez bien, ainsi que madame Van de Velde. Je vais déjeuner chez
Briefe und Kommentare 369
Claude Monet à Giverny demain avec Rysselberghe. Vous pourriez indiquer à de Palézieux, quelle drôle d’impression ça ferait dans toute l’Allemagne, si, les premiers artistes et écrivains d’art se réunissant à Weimar, le Grand Duc manquait de les voir. On ne se priverait pas dans les journaux de faire des rapprochements avec son absence de la Goethe Gesellschaft, qui n’auraient rien de flatteur. À vous affectueusement deKessler. Je serai à Londres, Hotel Cecil, à partir de mardi. bruits: Die von van de Velde an Kessler übermittelten Nachrichten in Bezug auf Gerüchte, die von Palézieux ausgingen, haben sich nicht erhalten. Kessler führte hierzu Anfang November in seinem Tagebuch an: »Palézieux geht herum und jammert, dass ich sein Lebenswerk zerstört hätte. Als auch die Gräfin Werthern mir dies mit thränenerstickter Stimme wiederholte, sagte ich ihr sehr derb die Wahrheit. Im Übrigen wäre ich bereit zu gehen und Palézieux sein Museum wieder allein zu überlassen. Sie wurde fast ohnmächtig, musste sich setzen etc. Aber die Wirkung wird wohl erreicht sein.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.11.1903). Arnold Wilhelm (seit 1914: von) Bode (1845–1929), Kunsthistoriker, Jurist, seit 1890 Direktor der Berliner Gemäldegalerie, von 1906 bis 1920 Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin, von 1895 bis 1900 Mitglied im Aufsichtsrat und in der Redaktionskommission des ›Pan‹. Woldemar von Seidlitz (1850–1922), Kunsthistoriker, Vortragender Rat im Generaldirektorium der Dresdner Museen, seit 1895 Mitglied im Aufsichtsrat und in der Redaktionskommission des ›Pan‹. Ludwig Dettmann (1865–1944), Maler, von 1900 bis 1916 Direktor der Kunstakademie in Königsberg. Georg Treu (1843–1921), Archäologe, seit 1882 Direktor der Skulpturensammlung im Dresdner Albertinum. Max Lehrs (1855–1938), Kunsthistoriker, von 1896 bis 1904 und von 1908 bis 1923 Direktor des Dresdner Kupferstich-Kabinetts. Gustav Pauli (1866–1938), Kunsthistoriker, von 1899 bis 1914 Direktor der Kunsthalle Bremen, von 1914 bis 1933 Direktor der Kunsthalle Hamburg, Mitglied der Genossenschaft ›Pan‹. chez Claude Monet: »Früh mit Rysselberghe nach Giverny, Monet besuchen. [...] Monet sieht etwas Rodin ähnlich, kurz, breit, kräftig mit einem grossen fast weissen Bart und franken, dunkelbraunen Augen. Er spricht und gebärdet sich einfach und bestimmt wie ein Landmann aus gutem Hause, und macht insbesondre ›keine Umstände‹. Das schlaue Blinzeln von Rodins Augen ist seinem Gesichts Ausdruck ganz fremd. [...] Eine schöne, offene Natur, der nie Sonne und Luft gefehlt zu haben scheinen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.11.1903).
370 Edition und Kommentar
177 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 3.12.1903 AML, FSX 504/97, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
Cher ami Voici une lettre que je reçois de Raoul Richter. Puis-je vous prier de lui faire envoyer les trois vases? Je ne sais pas à qui m’adresser. – Payern m’a envoyé la correspondance avec Hagen. J’apprendrai avec intérêt ce que vous aurez débattu avec lui. Veuillez saluer madame VandeVelde. Affectueusement deKessler ce 3. déc[embre]. 03. London: Kessler hielt sich am 3. Dezember 1903 in London auf (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.12.1903). lettre: Der Brief von Raoul Richter an Kessler hat sich im Nachlass van de Veldes nicht erhalten. Raoul Michael Hermann Richter (1871–1912), Philosoph. Raoul Richter, Sohn von Gustav und Cornelie Richter, war seit Studienzeiten mit Kessler befreundet und gehörte seit 1908 zum Vorstand der Stiftung Nietzsche-Archiv. 1911 trat er dem Komitee zur Errichtung des Nietzsche-Denkmals in Weimar bei (vgl. Briefe 177, 306, 311, 350). Theodor Hagen (1842–1919), Maler, Zeichner, Graphiker. Theodor Hagen, einer der Hauptvertreter der Weimarer Malerschule, lehrte seit 1871 an der Kunstschule in Weimar, der er von 1877 bis 1881 auch als Direktor vorstand. Hagen wurde anlässlich der Gründung des ›Deutschen Künstlerbundes‹ zum Schriftführer ernannt.
178 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 6.12.1903 AML, FSX 504/98, Brief
Londres, ce 6. déc[embre]. 1903. Cher ami Je suis très heureux de ce que vous m’écrivez à propos de Mlle Dumont. Espérons. J’ai, en attendant, aussi des plans pour l’Été, qui, s’ils s’accomplissent, élargiront singulièrement nos premiers projets pour Belvedere. C’est trop long à écrire, et je sais que vous n’avez du reste pas le temps de lire de longues lettres. Je suis très impatient aussi de voir les plans du Musée.
Briefe und Kommentare 371
Je vous remercie d’avoir répondu en mon nom à Hagen pour la salle. Leistikow ou Liebermann refusent Graul. Je leur ai télégraphié et écrit à ce propos, et, après deux jours, ils m’ont répondu par dépêche »Non«. C’est donc une affaire réglée. Ç’a [sic] été de même pour Muther, que j’avais proposé. Je reste ici jusqu’à mercredi. Je serai vendredi à Berlin et samedi ou dimanche à Weimar. Je vois par les journaux ici que le Grand Duc a décidé de conserver le mur Goethe. Je suis un peu fâché surtout pour vous, parceque [sic] cette affaire vous intéressait. À moi, je vous l’avoue, elle m’a toujours paru une chinoiserie, une querelle de mandarins et elle me laisse totalement indifférent. Enfin, puisque vous y teniez, cher ami, je vous exprime mes regrets avec une nuance de sourire autour des lèvres. Veuillez saluer madame Van de Velde et les amis à Weimar. J’ai beaucoup vu ce bon Van Rysselberghe à Paris. Il s’est vraiment mis en quatre pour me montrer des galeries particulières etc. Quel charmant garçon en plus de son admirable talent de décorateur et de portraitiste. – Vous ai-je raconté que Claude Monet, tout en rejetant le Neo [sic] Impressionnisme pour le tableau au chevalet, nous a exprimé à Rysselberghe et à moi son opinion, que pour la grande décoration ce procédé était »obligatoire«. C’est là son propre mot! C’est intéressant, n’est-ce pas, et ça démolit un peu Heilbuth, qui est plus Impressionniste que l’Impressionniste par excellence lui[-] même, paraît[-]il. Si Mlle Dumont fait son théâtre, il faudra de toutes façons réserver une place et un peu d’argent pour des décorations Neo [sic] Impressionnistes, des décorations étant nécessaires de toute façon au foyer et dans l’escalier. Cross ferait ça admirablement. Et pour l’escalier on pourrait peutêtre [sic] demander à Signac et Rysselberghe de collaborer. Le Rideau serait de Hoffmann [sic]! Quel ensemble intéressant et unique on pourrait créer, avec peu d’argent. Ces artistes feraient ça au prix coûtant, je pense. Affectueusement deKessler. Quand on fait des Chateaux en Espagne, on ne saurait en faire de trop beaux. Pour la décoration du théâtre, quelle admirable chose, si on pouvait faire exécuter des bustes de Ibsen et de Hauptmann par Klinger! Peutêtre [sic] trouverait-on l’argent! les plans du Musée: Bezieht sich auf den Neubau des Weimarer Museums für Kunst und Kunstgewerbe (vgl. Brief 160). Walter Leistikow (1865–1908), Maler, Radierer, Mitglied des ›Pan‹, Mitbegründer der Berliner Secession und des Deutschen Künstlerbundes. Richard Graul (1862–1944), Kunsthistoriker, Redakteur der Kunstzeitschrift ›Pan‹, von 1896 bis 1929 Direktor des Leipziger Kunstgewerbemuseums, 1911 Mitglied des Komitees für die Errichtung des Nietzsche-Denkmals in Weimar.
372 Edition und Kommentar Richard Muther (1860–1909), Kunsthistoriker, Mitglied des Aufsichtsrats der Genossenschaft ›Pan‹. le mur Goethe: Die Mauer um Goethes Weimarer Hausgarten am Frauenplan stand seit Juli 1903 im Fokus einer öffentlichen Debatte, aus der auch van de Velde nicht ungeschoren davon kam. Auslöser war ein Artikel von Oskar Graf von Wedel, darin sich der pensionierte Oberhofmarschall a. D. für den Abriss der Mauer aussprach und im Zuge der sich rasch entfaltenden Kampagne eine Petition aufsetzte, zu deren Unterzeichnern neben Kessler und weiteren prominenten Weimarer Kulturvertretern auch van de Velde gehörte. Die öffentliche Diskussion wurde von regionalen und überregionalen Zeitschriften begleitet und gipfelte in einer Karikatur in der Berliner Satirezeitschrift ›ULK‹, die am 4. Dezember 1903 van de Velde auf unsanfte Weise kompromittierte. Zu sehen ist van de Velde als dünnes Männlein in Schlossermontur, wie er erfolgreich die Goethe-Mauer eingeschlagen und einen ornamental verschnörkelten, schmiedeeisernen Zaun errichtet hat. Vor der Übergewalt des mächtigen Dichters, dessen steinernes Antlitz von oben herabblickt, hält er inne. »Qu’en dit Monsieur Goethe?« (»Was würde Herr Goethe dazu sagen?«) heißt es in der Bildunterschrift, worauf van de Velde mit dem Ausspruch antwortet: »Pietät? Ick 'aben keine Pietät.« (Ulk, 4. Dezember 1903; vgl. weiterführend Wahl 2008, S. 328–354). exprimé: Am 28. November 1903 fuhren Kessler und van Rysselberghe nach Giverny, um Claude Monet zu besuchen. Nicht nur der Aufenthalt, auch die Worte Monets wurden von Kessler minutiös im Tagebuch festgehalten, insbesondere Monets ablehnende Meinung gegenüber der Stilrichtung des Neoimpressionismus (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.11.1903). Ferdinand Heilbuth (1826–1889), deutscher Porträt– und Genremaler (später französische Staatsbürgerschaft). Si Mlle Dumont fait son théâtre: Hierzu schrieb van de Veldes Mitarbeiter Sigurd Frosterus am 28. November 1903 an seine Mutter: »Nous travaillons en ce moment à un projet puissant: un théâtre d’été pour Weimar, pour l’art dramatique ce que Bayreuth est pour l’Opéra. V. d. Velde espère que Hauptmann et Hofmannsthal se chargeront de diriger l’entreprise, sinon de s’établir ici. Ceci est un grand secret, V. d. Velde a beaucoup d’curieux, il faut travailler en cachette jusqu’à ce que nous puissions présenter des plans définitifs. Ce Théâtre représentera un tout nouveau type: d’une part un développement des Théâtres de l’antiquité, de l’autre, du Théâtre de Bayreuth, mais beaucoup plus hardi. Une expérience qui, si elle réussit, révolutionnera l’art de construction du Théâtre. Si la construction ne revient pas plus chère que celle de théâtres projetés pour la même qualité de spectations, le succès est donné. Les esquisses doivent être terminées pour le 1ier février 1904, mais déjà ce mois-ci nous devons mettre au clair le Musée.« (Sigurd Frosterus an Ida Frosterus, 28.11.1903, AML, FSX 411).
Briefe und Kommentare 373
179 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Paris], 24.12.1903 AML, FSX 504/99, Brief
24.XII.03. Mon cher ami Hofmannsthal me rappelle la photographie de l’endroit où devrait avoir lieu la représentation à Belvedere. Pourrais-je vous demander le sacrifice, d’aller vous même un jour avec Held à Belvedere pour lui indiquer la vue à prendre? Il faudrait même que ça se passe avant les neiges pour que les formes ne soient pas brouillées. Held pourrait alors expédier les photogr[aphies]. directement à H[ofmannsthal]. – Je n’ai pas pu parler à Liebermann au sujet de l’argenterie, lui étant arrivé très tard au milieu dans une discussion et étant reparti sans que j’aie eu l’occasion de lui parler en particulier. Mais je lui envoie votre lettre. – Le plan du Musée à Weimar prend forme. Leistikow y est acquis et m’a promis de chercher de l’argent de son côté. Nous sommes d’accord, que tout doit être arrangé avant le Printemps, pour qu’on puisse commencer à construire et à acheter cet été. Saluez, je vous prie, madame Vandevelde. Affectueusement En hâte deKessler Il faut absolument pousser le plan du Théâtre parallèlement à celui du Musée. Paris: Laut Tagebucheintrag befand sich Kessler über Weihnachten in Paris (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.12.1903). Hugo von Hofmannsthal (eigentlich Hugo Laurenz August Hofmann, Edler von Hofmannsthal, 1874–1929), österreichischer Schriftsteller, Dramatiker, Lyriker, Librettist. Hugo von Hofmannsthal war sowohl mit van de Velde, noch enger jedoch mit Kessler befreundet. Im August 1903 hielt sich von Hofmannsthal zum ersten Mal in Weimar auf. Statt des ursprünglichen Planes, im Naturtheater von Belvedere den ›Tod des Tizian‹ von Hofpagen auf die Bühne zu bringen, las von Hofmannsthal vor ausgesuchter Gesellschaft aus seinem Drama ›Das Kleine Welttheater‹. In regelmäßigen Abständen kehrte er nach Weimar zurück, zumeist als Gast von Kessler. 1908 reiste er zusammen mit Kessler und Aristide Maillol nach Griechenland. Das freundschaftliche Verhältnis zwischen Kessler und von Hofmannsthal wurde 1911 empfindlich gestört, als von Hofmannsthal Kesslers Beteiligung am Entstehungsprozess des ›Rosenkavalier‹ nicht umfänglich zu würdigen verstand (vgl. Anm. Brief 358; vgl. Burger 1968).
374 Edition und Kommentar l’endroit: Es handelt sich hier um das Possenbachtal im Park von Belvedere bei Weimar. Kessler gibt in einem Brief an Hugo von Hofmannsthal eine genauere Beschreibung des Ortes: »Ich habe im Belvedere Park, ein enges, langes Wiesenthal mit üppiger Vegetation und den fabelhaftesten Pinien außerhalb Italiens entdeckt, das absolut für einen masque, eine faithful shepherdess, das absolute Ideal ist. So schön habe ich einen nordischen Garten nicht für möglich gehalten. Sie sollen entzückt sein. Auch ist ein kleines Wassergerinsel mit einer Brücke darin. Und die ansteigenden Thalwände, die dichte Vegetation ringsherum, geben ein Gefühl der Intimität, daß die Welt tausend Meilen entrückt.« (Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 8.9.1903, in: Burger 1968, Brief 53, S. 54). la représentation à Belvedere: Kessler setzte sich 1903 maßgeblich dafür ein, Hugo von Hofmannsthal als Theaterintendanten für Weimar zu gewinnen. Gleichzeitig beauftragte er seinen Freund, ein Theaterstück für sommerliche Freilichtaufführungen im Park von Belvedere zu schreiben. Edward Gordon Craig sollte als »stagedesigner« das Stück ausstatten und in Szene setzen. Leider wurde das Vorhaben nie umgesetzt. Einerseits führten die divergierenden Meinungen der Künstler bezüglich der Kosten zu keinem vernünftigen Ergebnis, und andererseits machte der plötzliche Tod der Erbgroßherzogin Pauline im Mai 1904 die Pläne zunichte. Carl Heinrich Louis Held (1851–1927), Weimarer ›Hof-Photograph‹, Lichtbildner. Louis Held, vom Berliner Hofphotographen Schaarwächter ausgebildet, war nach kurzer Zeit der Selbständigkeit in Liegnitz seit 1882 als Photograph in Weimar ansässig, wo er zunächst in der Schillerstraße 16 und ab 1886 in der Marienstraße 1 ein eigenes Atelier unterhielt. 1912 gründete er zusätzlich ein Kino, die sogenannten ›Reform-Lichtspiele‹. Held, der frühzeitig in der Gunst des Hofes stand, wurde 1886 zum Großherzoglichen Hof-Photographen ernannt. Der Titel wurde ihm 1905 entzogen, als eines seiner Photos von der verstorbenen Großherzogin Caroline in die Presse gelangte. Dennoch blieb Held Weimars wichtigster Bildreporter und Filmpionier. So dokumentierte Held u. a. für van de Velde sämtliche Neuschöpfungen aus der Zeit zwischen 1902 und 1914. Nach derzeitigem Wissensstand ist nicht bekannt, ob Held eine Aufnahme des im Brief erwähnten Ortes angefertigt hat (vgl. Brief 180). l’argenterie: Max Liebermann besaß nachweislich eine Besteckausstattung nach Entwürfen Henry van de Veldes. Anlässlich der ›Weimarischen Kunstgewerbe- und Industrie-Ausstellung‹ 1905 stellte er leihweise ein dreiteiliges Dessertbesteck aus dieser Serie zur Verfügung (vgl. Ausst. Kat. Weimar 1904).
180 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 1.1.1904 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief
Ce 1 Janvier 1904. Weimar J’ai été fort surpris hier soir, bien cher ami, de recevoir p[our]. le »Kunstgewerbe Seminar« un si somptueux cadeau. Vous me comblez vraiment et m’embarrassez fort. Comment employer au mieux cet argent? Le repartir en acquits d’expériences se reportant aux différentes branches de l’Industrie du Gr[an]d.
Briefe und Kommentare 375
Duché? J’ai peur que les résultats ne nous donne [sic] une satisfaction aussi grande que si j’employais cet argent [pour] une seule expérience, une plus vaste entreprise sur une seule branche. J’ai médité hier soir s’il fallait agir sur l’imprimerie ou sur la poterie? -C’était tentant de penser à organiser dans mes nouveaux locaux l’atelier d’imprimerie et d’y consacrer cette belle somme! Mais quand aurai-je les locaux? Cette question n’est pourtant pas péremptoire! Cet argent peut bien attendre son emploi. Et voila [sic] que je pense que nous pourrions diviser cette somme en deux parts égales et réserver l’une à l’imprimerie; l’autre à la poterie populaire de Bürgel. Ce que je n’obtiens pas du bon vouloir des potiers, je l’obtiendrai d’eux par des commandes. Si vous le permettez, je vais agir ainsi p[our]. obtenir d’eux une série d’objets (en plusieurs exemplaires). Ainsi au bout de l’an nous aurions une nouvelle vitrine de poteries au Musée. Si j’obtiens d’eux ces pots, je leur démontrerai facilement qu’ils se vendent et dès lors, ils seront tentés d’agir »proprio motu«. Prenez mes plus affectueux remerciements p[our]. avoir pensé à m’aider à ce qui me tient tant à cœur. Il me reste maintenant à vous démontrer, bien cher ami, que votre intention profite! Je n’ai pu vous donner satisfaction au sujet des photos à prendre dans les fonds de Belvédère. Je m’y suis rendu, le matin dela [sic] Noël, afin de fixer les endroits. Je les ai trouvés tellement autres, en hiver; que je ne crois pas que ces photos puissent être de quelque valeur p[our]. de Hofmannsthal. Le soir même dela [sic] Noël, la neige s’est mise à tomber et maintenant tout est blanc dans la campagne. C’est bien à vous, cher ami, de souhaiter qu’un monument s’érige cette année que j’aurais conçu. Cette idée et ce besoin ont acquis dans ces derniers temps une intensité telle que j’en éclate presque. Pensez à la série de monuments que j’ai conçus dans ces derniers mois: le palais de la Secession d’abord, ensuite votre Musée (dont les esquisses sont terminées) et finis 3 Théatres [sic]. Hier j’ai conçu le troisième et tous les trois sont bien différents. Ils réalisent 3 types. Le premier est celui que vous connaissez (isolement du spectateur et concentration sur la scène) superposition d’amphithéatres [sic]. Le deuxième est celui du Hoftheater. ( J’ai un plan de Salle qui est d’une harmonie et d’un rythme que je crois parfaits) parquet combiné avec amphithéatres [sic] [,] loges et loges royales. Le troisième est celui du théatre [sic] d’Eté. La Salle ne contient qu’un amphithéatre [sic] et des loges (Bayreuth) mais j’ai trouvé une disposition dela [sic] Scène, tout à fait nouvelle, la Scène enveloppante. Cette disposition entraînerait une conception nouvelle et simplifiée dela Scène et dela décoration. Elle réduit beaucoup les batiments
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[sic] affectés à la Scène et aux magasins et utilise une place perdue absolument dans les théatres [sic] de Bayreuth et de Munich. Ce théatre [sic], je le prévois réalisable p[our]. bien moins que la moitié dela somme indispensable p[our]. les autres théatres [sic]. Il me faudra deux mois p[our]. les plans les plus indispensables de ces 3 types de théatre [sic]. Ces plans pourraient composer un album, plutard [sic]. Aussi je serai pret [sic] à satisfaire à l’une des trois éventualités qui se présentera. Sur les instances de Rothe, j’ai remis mon rapport, modifié dans le sens du personnage nouveau auquel il s’adressait à M. de Palézieux. Le Grand Duc doit donc être renseigné à l’heure qu’il est. C’était urgent car aujourd’hui même von Scholz annonce la création de ce théatre [sic] dans le »Tag«. Par qui a-t-il été renseigné? J’attends donc des propositions formelles de la part du Gr[an]d. Duc et de l’Etat. Dès que quelqu’un me fera »officiellement« des propositions de combinaison dans le genre de celle que M[onsieur]. de Palézieux sugérait [sic], je pourrai agir sur Mlle Dumont. Aurais-je l’occasion aujourd’hui de parler au Gr[an]d. Duc? Me parlera-t-il dans le cas »théatre« [sic]? Je vous promets de ne pas agir dans les circonstances présentes autrement qu’un capitaine de navire qui donne le coup de barre dans la direction où il prévoit le port. Cette fois mon idéal d’artiste pourrait se trouver en travers du bien commun de Weimar et de notre œuvre d’ensemble. Je ne m’apitoyerai [sic] pas sur le sacrifice de cet idéal et je ferai ce qu’il faut faire p[our]. notre œuvre commune. Atteindre dans cette question du théatre [sic] mon idéal, ceci ne serait que remis et tout ce que j’aurai fait avant ne pourra que me servir à le mieux atteindre. Mais il faut que les »officiels« se prononcent et s’engagent. Aujourd’hui il apparaît nettement qu’il faut à Weimar: Un musée, combiné avec des Salles d’expositions. Une Salle de concert (p[our]. celle-ci l’Etat pourrait s’engager.) Un théatre [sic] d’été. Dans le cas d’une combinaison j’ai découvert à l’entrée de l’allée de Belvédère une superbe place qui conviendrait tout aussi bien à un théatre [sic] d’hiver que d’Eté. Mes souhaits d’année nouvelle vont vers la réalisation de ces choses qui implique de la joie, de l’action et des Honneurs p[our]. vous; bien cher ami. Votre bien dévoué Henry
Briefe und Kommentare 377 cadeau: Es handelt sich um ein Geldgeschenk in unbekannter Höhe. la poterie populaire de Bürgel: Gemeint ist die traditionsreiche Töpferstadt Bürgel bei Jena. Van de Velde untergliederte die Bürgeler Produktpalette in die populäre und traditionelle Töpferei sowie in die Luxustöpferei (vgl. Henry van de Velde, Spezialbericht über Bürgel, ThHStaW Weimar, Staatsministerium, Departement des Großherzoglichen Hauses Nr. 71, Mappe 1, Bericht I, in: Wahl 2007, S. 108–111). photos: Vgl. Anm. Brief 179. le palais de la Secession: Vgl. Anm. Brief 159. votre Musée: Vgl. Anm. Brief 160. 3 Théatres: Der Theaterbau gehörte zu van de Veldes bevorzugten Bauaufgaben. Mit Leidenschaft und Enthusiasmus widmete er sich daher seinem ersten großen Theaterprojekt, dem Entwurf des Sommertheaters für Louise Dumont (vgl. Anm. Brief 152). Zusammen mit seinem finnischen Mitarbeiter Sigurd Frosterus entwarf van de Velde mehrere Modelle, auf die er im vorliegenden Brief Bezug nimmt und von denen sich einige Schnitte, Perspektiven und Grundrisse erhalten haben (La Cambre, LC/S 4366–4383). Die Modelle sahen unterschiedliche Lösungen vor: ein dreistöckiges Amphitheater, einen dem Hoftheater entlehnten Typus, ein Sommertheater nach dem Vorbild von Bayreuth sowie ein rechteckiges Amphitheater mit Logen. Außerdem entwickelte er bereits die Idee der dreigeteilten Bühne (vgl. Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 285 f.; Schulze 1992, S. 341–357; vgl. Anm. Brief 178). von Scholz: Um voreiligen Gerüchten vorzubeugen und die in Aussicht stehende Verwirklichung des Theaterprojekts nicht zu gefährden, arbeitete van de Velde heimlich an der Ausarbeitung der Pläne (Sigurd Frosterus an Ida Frosterus, 28.11.1903, AML, FSX 411). Bis 1. Februar 1904 sollten die Entwürfe fertig vorliegen. Erst dann sollte die Presse informiert werden. Wilhelm von Scholz (vgl. Anm. Brief 152) kam dem jedoch zuvor. Am 1. Januar 1904 gab er in der Berliner Zeitschrift ›Der Tag‹ die Theaterpläne preis, woraufhin sich eine polemische Debatte um den Theaterneubau entspann und schließlich dazu führte, das Louise Dumont Anfang April 1904 von ihrem Projekt für Weimar Abstand nahm (vgl. Barzantny 2002, S. 94–109). une superbe place: Van de Velde bezieht sich auf das Areal am äußersten Zipfel der Glockenwiese im Weimarer Ilmpark, das an der gegenüberliegenden Seite des ehemaligen Schanzenwäldchens direkt an der Belvederer Allee lag.
181 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 10.1.1904 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Briefumschlag, Brief
Ce 10 Janv[ier]. 1904 Bien cher ami, J’apprends à l’instant que vous rencontrerez le C[om]te Kalkreuth Mardi prochain à Berlin.
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Combien il serait profitable que nous nous rencontrions non officiellement içi [sic] avec lui! Lui – vous, v. Hoffmann [sic], Olde et moi. Bien affectueusement Henry v.d.V, N[ous]. venons de fonder à Jena le »club« et j’ai découpé du telegramme [sic] votre nom p[our]. le coller au bas dela [sic] liste des signataires. – de Münster sera pensionné prochainement. N’y a-t-il pas lieu de faire des démarches p[our]. votre ami de Potsdam. Briefumschlag: Der Briefumschlag trägt die Anschrift: »au Comte H. de Kessler Berlin/W. 28 Köthenerstr.« sowie die Poststempel »Weimar 11.1.04 6-7V« und »Bestellt vom Postamte 11/1 04 11/4 3 N«. Comte Kalkreuth: Karl Leopold Walter Graf von Kalckreuth (1855–1928), Maler, Graphiker. Kalckreuth lehrte von 1885 bis 1890 an der Weimarer Kunstschule und von 1895 in Karlsruhe und Stuttgart. 1903 übernahm er den Vorsitz des ›Deutschen Künstlerbundes‹ und übte das Amt lebenslang aus. Zudem unterstützte Kalckreuth 1905 die Gründung der ›Villa Romana‹ in Florenz. Van de Veldes Vorschlag, die Künstlerbundmitglieder Olde, Kalckreuth und von Hofmann inoffiziell zu treffen, stand mit der bevorstehenden Budgetdebatte des Reichstages und der geplanten Pressekampagne in Verbindung, die Kessler umtriebig vorbereitete (vgl. Brief 184). le »club«: In Jena wurden im Winter 1903/04 zwei Kunstvereinigungen gegründet: der ›Jenaer Kunstverein‹ am 20. Dezember 1903 und die ›Gesellschaft der Kunstfreunde von Jena und Weimar‹ am 6. Februar 1904. Van de Velde bezieht sich im vorliegenden Brief auf die Gründung der ›Gesellschaft der Kunstfreunde von Jena und Weimar‹ (vgl. Irene Eucken an Harry Graf Kessler, 5.1.1904, DLA). Neben Kessler und van de Velde traten auch Hans Olde und Ludwig von Hofmann der Gesellschaft bei (vgl. Jenaische Zeitung, 9.2.1904).
182 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 28.1.1904 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Telegramm
avez-vous rencontré mlle. dumont? vandevelde Telegramm: Das Telegramm ist an »graf kessler berlin köthenerstrasze« gerichtet und wurde von van de Velde in Weimar aufgegeben. Es trägt die Vermerke »Weimar 11W. 1904 den 28 ten 1 um 9Uhr 50Min« und »Berlin W. 28.1.04 1010V.«.
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183 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, o. D. [1904] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
p[our]. le C[om]te. de Kessler Mardi, matin Cher ami, Voulez-vous penser au projet d’Exp[osition]. combiné [sic] céramique et bijoux? Bijoux Céramique Lalique. Finch. Ashbee. Keller. Cranach. Dela Herche. Wolfers. Bigot. v. d. Velde X. Paris. céramique anglaise? qui. Mutz, Hambourg. Scharvogel, Munich. Höhr-Grenzhausen. Bürgel. Melle de Scheel quelques japonais. etc. Avez-vous pris une décision au sujet de ce qu’il faut faire au 2ème étage avec le linoléum? Il faudrait là des nattes de coco. solides. Brief: Der Brief ist nicht datiert, stammt aber aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Jahr 1904. projet d’Exp[osition].: Das hier genannte Ausstellungsprojekt, ursprünglich für Kesslers Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe geplant, kam nicht zustande. René Jules Lalique (1860–1945), französischer Schmuck- und Glaskünstler. Charles Robert Ashbee (1863–1942), britischer Architekt, Innenarchitekt, Silberschmied, Kunsthandwerker, Kunsttheoretiker. Wilhelm Lucas von Cranach (1861–1918), Schmuckkünstler. Wolfers frères: 1850 in Brüssel gegründetes Familienunternehmen für Gold- und Silberwaren. Finch: Vgl. Anm. Brief 282.
380 Edition und Kommentar Keller: Van de Velde bezieht sich hier vermutlich auf die französische Manufaktur ›Keller et Guérin‹ aus Luneville. Félix Auguste Delaherche (1857–1940), französischer Keramiker. Alexandre Bigot (1862–1927), französischer Keramiker. Richard Mutz (1872–1931), Keramiker, Mitglied des Deutschen Werkbundes. Jakob Julius Scharvogel (1854–1938), Keramiker, Gründungsmitglied des Deutschen Werkbundes. 2ème étage: Bezieht sich auf die Ausgestaltung der zweiten Etage des Weimarer Museums für Kunst und Kunstgewerbe.
184 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 12.2.1904 AML, FSX 504/100, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
12.II.04. Cher ami Je suis toujours retenu ici par les débats du Reichstag sur le Künstlerbund qui ne viennent pas, parcequ’on [sic] pérore si longtemps sur d’autres sujets. Mais j’espère qu’ils passeront demain. En attendant, je vous envoie une esquisse de la façon dont moi je me figurerais à peu près le musée. La partie blanche ne serait qu’en rez de chaussée [sic], la rouge aurait un étage supérieur. – Pour la salle de conférences B je la désirerais si c’est possible en forme d’amphithéatre [sic], c’est[-]à[-]dire avec des bancs s’élevant vers le fond. Celle[-]ci devrait contenir 200 places. – Je m’imagine l’escalier avec un palier faisant vis[-]à[-]vis à la porte d’entrée, sur lequel on monterait les »Baigneuses« de Rysselberghe – puis il reviendrait en deux parties, à droite et à gauche. [Skizze] La grande salle de sculpture devrait être vitrée (Oberlicht) et avoir en outre des fenêtres descendant jusqu’à 2 mètres environ du sol des trois côtés libres; c’est pour ça que je l’ai placée tout au fond. – Ce n’est qu’une illustration de mon idée que je vous envoie; mais je pense que ça nous facilitera de nous entendre. La superficie etc étant à peu près connue, ne pourrait[-]on faire les calculs? Je serai à Weimar dimanche. – J’ai beaucoup regretté de ne pas pouvoir accepter votre invitation. Saluez, je vous prie, madame VandeVelde.
Briefe und Kommentare 381
Affectueusement HdeKessler les débats du Reichstag: Die betreffenden Reichstagsdebatten fanden erst am 15. und 16. Februar 1904 statt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 15./16.2.1904; Harry Graf Kessler an Alfred von Nostitz-Wallwitz, 9.2.1904, DLA). une esquisse: Kesslers Skizze liegt dem Brief nicht mehr bei. »Baigneuses« de Rysselberghe: Théo van Rysselberghe, L’heure embrasée, 1897 (Öl auf Leinwand, 228 x 329 cm, Klassik Stiftung Weimar, Inv. Nr. G 540, Feltkamp 2003, S. 20, 62 ff., 66 f., 96, 101, 103, 163, 185, 211, 231, 236, 315 f., 496, Nr. 1897–001). Es handelt sich um das großformatige Gemälde ›L’heure embrasée‹ von Théo van Rysselberghe, das im August 1903 unter dem Titel ›Badende Frauen bei Sonnenuntergang‹ in der Ausstellung ›Deutsche und französische Impressionisten und Neo-Impressionisten‹ in Weimar zu sehen war (Kat. Nr. 59). Kessler erwarb das Gemälde im Juli 1905 für 8.000 Mark aus den Mitteln der ›AlfredWalter-Heymel-Stiftung‹ für das Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 30.6.1905, AML, FSX 784; Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 1.7.1905, AML, FSX 800; Harry Graf Kessler, Schreiben vom 7./14.7.1905, KGM 9, GSA; Johannes Hunnius, Schreiben vom 8.7.1905, GSA 9, KSW; Abschrift des Großherzogl. Sächsischen Staatsministeriums, Departement des Großherzogl. Hauses, 28.8.1905, KGM 9, GSA; vgl. Anm. Brief 191).
Skizze zu Brief 184 (FSX 504/100a)
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Brief 184 (FSX 504/100)
Briefe und Kommentare 383
185 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 9.4.1904 AML, FSX 504/101, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
9 avril 04. Cher ami Voici la réponse de Kalckreuth. J’espère donc que vous exposerez. Je rencontre ici des difficultés assez considérables pour l’exposition Anglaise, expositions rivales, voyages des artistes etc. Je ne pourrai donc quitter ici avant mercredi soir, je serai à Paris jeudi et vendredi (Hotel [sic] Chatham) et à Weimar dimanche ou lundi matin. J’espère que vous avez trouvé madame Vandevelde tout à fait remise. Affectueusement Kessler la réponse: Das Schreiben von Leopold Graf von Kalckreuth hat sich nicht erhalten. l’exposition Anglaise: Kessler war mit den organisatorischen Vorbereitungen zur Ausstellung ›Jung-englische Kunst: Gemälde, Graphik, Glas, Metall‹ beschäftigt, die vom 11. Mai bis zum 15. Juni 1904 im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe stattfand (vgl. Ausst. Kat. Weimar 1999.2, S. 93). remise: Maria van de Velde hatte am 13. März 1904, zum Geburtstag der ältesten Tochter Nele, das Zwillingspärchen Thylbert (gen. Thyl) und Thylberthe (gen. Thylla, Tilla) in Weimar zur Welt gebracht.
186 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 10.4.1904 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Ce 10 avril 1904. Bien cher ami, Mlle. Dumont vient de renoncer publiquement à son idée dela [sic] création d’un théatre [sic] d’Eté à Weimar. Elle a écrit officiellement au Grand-Duc. – Le modèle p[our]. le Musée Karlsplatz sera terminé lundi prochain. Il faudra se hâter par conséquent de convoquer le Kuratorium. Le découragement qui se fait jour içi [sic] au sujet de ces avortements consécutifs Restaurant, Théatre [sic] etc pourrait bien nous servir et
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décider le Gr[an]d. Duc à faire quelque chose ... enfin. – Votre »Seurat« vient d’arriver içi [sic] il est plus beau que je ne l’ai cru à Bruxelles. Il a des finesses tout à fait particulière. – Bodenhausen m’annonce l’envoi de plusieurs Valtat, à vue. Je ne suis pas du tout remis de mon refroidissement, mes os ne veulent pas dégeler. Affectueusement Henry Merci de m’avoir depêcher [sic] de Londres au sujet de l’Exp[osition]. du Künstlerbund à Munich. Mais quelles dimensions ont ces vitrines et seront-elles réellement placées dans les salles des tableaux et sculptures? théâtre d’Eté: Vgl. Anm. Brief 152. écrit: Louise Dumont teilte am 5. April 1904 Großherzog Wilhelm Ernst offiziell mit, sich vom geplanten Weimarer Theaterprojekt zurückzuziehen. Eine Abschrift dieses Schreibens hat sich im Theatermuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf erhalten (Louise Dumont an Großherzog Wilhelm Ernst, 5.4.1904, TMD/SHD VIII 17714; vgl. Barzantny 2002, S. 108 f.). le Musée Karlsplatz: Vgl. Anm. Brief 160. Kuratorium: Gemäß Beschluss vom 18. März 1903 gehörten folgende Mitglieder dem Kuratorium des Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe an: Oberhofmarschall Aimé von Palézieux, Regierungsrat Constantin von Goeckel, Kunstschuldirektor Hans Olde und Professor Henry van de Velde. Kessler fungierte als ehrenamtlicher Vorsitzender (Beschluss vom 18.3.1903, KGM 4, GSA). Restaurant: Zu den ersten offiziellen Aufträgen, die van de Velde 1903 vom Staat SachsenWeimar-Eisenach übertragen bekam, gehörte auch der Entwurf eines Restaurants. Als Ausflugslokal konzipiert, sollte das Restaurant im Weimarer Webicht, einem Laubwaldareal unweit von Tiefurt, angesiedelt werden. Zusammen mit seinem finnischen Mitarbeiter Sigurd Frosterus entwickelte van de Velde neben Lageplan, Grundrissen und Längsschnitten auch ein Gipsmodell des Gebäudes (La Cambre, LC/S 1545–1550). Wie viele Weimarer Projekte scheiterte dieses Vorhaben an der Unentschiedenheit des Großherzogs und vorbestimmten Verwicklungen im Verfahrensweg (vgl. Velde 1962, S. 260; Hüter 1967, S. 219, 232, 254, 269; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 286 f.). Der ebenso enttäuschte Sigurd Frosterus, zwischenzeitlich in Finnland tätig, richtete am 25. Mai 1904 van de Velde gegenüber sein Bedauern aus: »Mit größter Erbitterung höre ich das Schicksal des Teaters [sic], Museums und Restaurants. Es ist unglaublich, unbegreiflich, es ist gemein und niederträchtig! Und doch, die Zeit wird kommen, die Zeit des grossen, vollkommenen Sieges.« (Sigurd Frosterus an Henry van de Velde, 25.5.1904, AML, FSX, 411). Votre »Seurat«: Georges Seurat, Le Crotoy, aval, 1889 (Öl auf Leinwand, 70,5 x 86 cm, sign.: »Seurat«, Privatbesitz, Ausst. Kat. Paris/ New York 1991, S. 330 f.). Es handelt sich um das Gemälde ›Le Croytoy, aval‹ von Georges Seurat, das sich von 1892 bis 1904 im Besitz von
Briefe und Kommentare 385 Edmond Picard befand und nachweislich am 26. März 1904 als Nr. 54 in der ›Galerie J. et A. Le Roy Frères‹ in Brüssel verkauft wurde. Da sich Kessler zeitgleich mit van de Velde und Bodenhausen in Brüssel aufhielt, ist davon auszugehen, dass Kessler das Gemälde vor Ort erwarb. 1908 verkaufte er es über das Hôtel Drouot in Paris (vgl. Henry van de Velde an Félix Fénéon, 23.12.1908, AML, FSX 393; Ausst. Kat. New York 1991, Nr. 211, S. 331; Walter 2001, S. 92). plusieurs Valtat: Es handelt sich um eine Sendung verschiedener Zeichnungen und Gemälde des französischen Malers Louis Valtat. Ein Brief von van de Velde an Bodenhausen vom 19. April 1904 gibt näheren Aufschluss: »En hâte, parce que [sic] tu me demande des nouvelles des Valtat, bien cher ami. Parmi ceux qui me furent envoyés pas un, malgré que 2 ou 3 sont tout à fait bien, ne parvient à me faire oublier celui de Bruxelles. Et j’ai acheté celui-la, Vollard m’en demandé 700 francs sans le cadre. Je vais envoyer ceux que tu as choisi à Curt Herrmann, j’espère qu’il gardera ou bien le petit ›les laveuses‹ ou bien ›l’arbre se détachant sur la mer‹ celui-là rappelle le plus celui de Bruxelles. Même harmonie, mêmes qualités.« (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 19.4.1904, DLA). Kessler besaß nachweislich folgendes Gemälde von Louis Valtat: Louis Valtat, Pins en bord de mer, Anthéor, um 1899 (Öl auf Leinwand, 82,5 x 100,3 cm, Eigentümer nicht bekannt, Lovenberg 2004 [FAZ], Nr. 26, 23.1.2004, S. 45). l’Exposition du Künstlerbund à Munich: Die Eröffnung der ›1. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes‹ fand am 31. Mai 1904 im Ausstellungsgebäude der Münchner Secession am Königsplatz statt.
187 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, o. O., 10.7.1904 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief
(1903)? Cher ami, Dehmel m’a déclaré hier soir qu’il ne permettrait pas que son portrait soit publié dans la ›Woche‹ si Scherl ne s’engageait pas à réunir tous [sic] les photos ›Weimarer Woche‹ en un ensemble, qu’un court article réunirait. Il proposait Paul Ernst p[our]. cet article. Par cela, il va contrarier beaucoup le photographe Held et nous-mêmes. Qui peut écrire à Scherl? Tout au plus le photographe Held. Voulez-lui [sic] lui dire qu’il ne publie donc rien avant que nous en ayons conféré. Affectueusement à demain Henry. (1903)?: Die nachträgliche Datierung »(1903)?« stammt von van de Velde und ist nicht korrekt. Der Brief datiert vom 10. Juli 1904. hier soir: Van de Velde bezieht sich mit der Angabe »gestern Abend« vermutlich auf den 9. Juli 1904. Kessler hatte zu einer Klaviersoiree mit Conrad Ansorge geladen, an der rund 40
386 Edition und Kommentar Personen teilnahmen. Zu den Gästen zählten neben Henry und Maria van de Velde auch das Ehepaar Dehmel (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.7.1904). August Hugo Friedrich Scherl (1849–1921), Verleger, Inhaber des ›August Scherl Verlags‹, Zeitungsverleger von ›Der Tag‹, ›Die Woche‹, ›Berliner Lokal-Anzeiger‹ u. a.. Carl Friedrich Paul Ernst (1866–1933), Schriftsteller, Dramatiker, Nationalökonom. Paul Ernst, von 1904 bis 1914 als freischaffender Schriftsteller in Weimar wohnhaft, verkehrte im Kreis des Weimarer Nietzsche-Archivs und war mit Wilhelm von Scholz befreundet. Er schrieb für den Insel-Verlag in Leipzig sowie für diverse Zeitungen.
188 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Weimar], Juli 1904 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Ce Vendredi matin Bien cher ami, A quelle heure puis-je vous rencontrer au Musée? Quels sont vos plans p[our]. aujourd’hui? J’ai tant souffert de vous voir souffrir hier soir, que je propose formellement de ne pas vous envahir ce soir. Vous nous passeriez M[eier].-G[raefe]. et ne resteriez que p[our]. autant et p[our]. aussi longtemps que cela vous est possible. Henry de ¼ avant 12 à 3 h je suis pris par la visite de Madame Eucken d’Jena. Juli 1904: Dem Inhalt zufolge datiert der Brief von Juli 1904. Meier-Graefe: Julius Meier-Graefe war ab dem 10. Juli 1904 in Weimar zu Gast (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.7.1904).
189 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 29.7.1904 AML, FSX 504/102, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
29.VII.04 Cher ami En toute hâte, pour vous dire que je suis à Londres pour déposer devant la Chambre des Lords (Chambre des Pairs) dans l’affaire contre la Royal
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Academy pour l’emploi scandaleux de l’argent de Lys [?] Chantrey. C’est une très grosse affaire, qui soulève autant de poussière ici que l’affaire de S[ain]t Louis au Reichstag. Je pense que l’Académie sera certainement condamnée. Je dépose aujourd’hui, et c’est assez impressionnant devant cette auguste assemblée. Je serai ici jusque vers mercredi. Je n’entends plus de vos nouvelles! Veuillez présenter mes hommages à Madame Vandevelde et aux bébés. Bien affectueusement deKessler. l’affaire: Die hier angesprochene Debatte im House of Lords in London bezieht sich auf den Disput um den sogenannten ›Chantrey-Trust‹. Sir Francis Leggatt Chantrey hatte der Royal Academy ein Vermögen von 150.000 Pfund testamentarisch überlassen und bestimmt, zum Zweck des »Encouragment of British Fine Art and Sculpture« die Zinsen dieses Kapitals zum Erwerb von zeitgenössischen englischen Kunstwerken (»works of Fine Art of the highest merit executed within the shores of Great Britain«) für die National Gallery zu verwenden. Wenngleich die Royal Academy dem Willen Chantreys nachkam, machte sich 1903 Unmut darüber breit, dass die Akademie immer wieder das Vermächtnis eigenmächtig interpretierte und die Erwerbungspolitik nach eigener Façon gestaltete. Dies führte zu einer Debatte, die von Juni bis August 1904 im House of Lords abgehalten wurde. Vorgeladen waren Vertreter der Royal Academy und anderer Kunstinstitutionen als auch Kunstkritiker. Ein am 8. August 1904 veröffentlichter Bericht gab der Akademie Empfehlungen zur Vermeidung ehemaliger administrativer Fehler. Kessler war am 29. Juli 1904 als Zeuge vorgeladen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.7.1904). Sir Francis Leggatt Chantrey (1781–1841), englischer Bildhauer.
190 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 2.8.1904 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Ce 2 Aout [sic] 1904. Bien cher ami, J’ai dû ramasser tout ce qui me restait de forces p[our]. terminer le projet »Secession«. Entretemps je me suis senti souvent tout à fait à bout et j’ai bien peur que mon travail ne trahisse cette fatigue et la peur qui me prit souvent de ne pouvoir arriver à bout de cette tâche. J’ai bien peur aussi que mon projet n’en dise qu’à ceux qui sont éclairés sur mon vouloir et mes tendances. Vous reconnaîtrez sûrement mon projet malgré que j’ai retravaillé tout ce que vous en avez pu voir.
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Je me suis attardé au plan surtout, que je crois enfin presque irréprochable. Quant aux facades [sic], je n’ai fait que lutter contre la plus grande difficulté: celle qu’il y avait à relier tous ces bâtiments entre eux. Je crois qu’elles sont équilibrées dégagent quelque clarté et ont juste la quantité de »monumentalité« que pouvaient avoir des batiments [sic] d’Exp[osition]. de cette proportion! Je n’ai pas besoin de vous dire, cher ami, combien je compte sur vous p[our]. la défense et d’adoption de mon projet, mais je n’ai pas besoin de vous dire non plus que je n’attends cela de vous et de mes amis que vous influencerez certainement que juste jusqu’au point où votre conviction vous dira d’aller dans cette voie. De la façon dont nous voulons nous soutenir dans la vie, il y a à la base de cette décision que nous ne nous soutiendrons qu’en ce que nous ferons de bien. L’absence de sentimentalité nous a aidé [sic] en ceci jusqu’à présent et une fois de plus je vous supplie de ne pas m’apporter dans votre jugement sur le projet que je soumettrai au jury dela [sic] Secession. Je pars demain p[our]. Bayreuth et delà [sic] je me rends à »Kesselfall alpen [sic] Haus« Kaprunerthal Tyrol [sic]. Je vous écrirai aussitot [sic] delà [sic] et j’y attendrai de vous le résultat dela [sic] concurrence. Vous me donnerez des nouvelles, n’est[-]ce pas de votre Comparution devant la chambre des Lords. Bien, bien affectueusement Henry. projet »Secession«: Vgl. Anm. Brief 159. Je pars: Van de Velde reiste am 3. August 1904 allein über Bayreuth ins Kapruner Tal, wo er sich längere Zeit in Kesselfall, Moserboden und Zell am See aufhielt. Er unternahm lange Wanderungen, um Abstand zu gewinnen und Kraft zu schöpfen. Außerdem widmete er sich den Illustrationen der Luxusausgabe des ›Zarathustra‹, schrieb, las und zeichnete viel. Das Angebot von Walter Elkan, eine mehrtägige Tour in das Fuschertal und nach Ferleiten zu unternehmen, schlug er nach anfänglicher Begeisterung schließlich aus und reiste weiter über Meran und Trafoi in den Badeort Bormio und von dort aus über Pretzfeld zurück nach Weimar, wo er am 12. September 1904 wieder eintraf (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, Briefe vom 8.8.1904 bis 9.9.1904, AML, FSX 784). Comparution: Vgl. Brief 189.
Briefe und Kommentare 389
191 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 6.8.1904 AML, FSX 504/103, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
6 aout 04 Cher ami Je me réjouis que vous soyez enfin à même de vous reposer un peu, et j’espère bien, que vous prendrez tout le temps nécessaire pour vous remettre complètement. Je reste ici jusqu’à mardi, et, en passant par Paris, je compte être à Berlin Samedi. J’ai grand espoir dans notre triomphe. J’ai vu des choses intéressantes ici, dont je vous rendrai compte, notamment pour la reliure. Douglas Cockerell, celui qui va faire et surveiller la reliure de la Wilhelm Ernst Ausgabe, est un homme très remarquable et il parle comme vous d’une façon tout à fait frappante. La »raison«, la »logique« est tout, etc. J’espère bien qu’il viendra me voir à Weimar; il a de l’expérience dans l’installation d’ateliers comme les votres [sic] et pourrait vous rendre des services. À propos de cette reliure, je voudrais vous demander, si vous avez jamais pensé à faire un monogramme pour le Grand Duc? On pourrait peut[-]être l’utiliser sur la reliure. Je vous envoie la photographie d’une reliure de Cockerell qui va lui servir de point de départ pour notre reliure; c’est[-]à[-]dire les côtés, pas le dos. Mais au lieu des initiales A.H.H. il veut mettre ou les armes du Gr[and]. Duc ou ses initiales. Il faudrait une espèce de combinaison en rond avec la couronne: [Skizze] Si, par hasard, vous y avez pensé, on fait des essais, il serait vraiment très bien que ceci au moins soit de vous, comme manquant vraiment le style et le goût personnel [sic] que la légende attribuera au Gr[and]. Duc. Si jamais il y a légende. – Je vous envoie le rapport de ma comparution, une lettre de moi aux »Times« et une interview qui a paru dans le Daily Mail, le Lokal Anzeiger de Londres. Bien affectueusement deKessler Douglas Cockerell (1870–1945), englischer Buchbinder, Buchdrucker, Buchkünstler. Kessler besuchte Cockerell, dem er die Einbandgestaltung der ›Großherzog Wilhelm Ernst Ausgabe Deutscher Klassiker‹ übertrug, am 3. August 1904. »[...] zu Douglas Cockerell wegen des Einbandes. Er spricht ganz wie Vandevelde immer davon, dass in erster Linie die Dinge ›reasonable‹ sein müssten, dann würden sie von selbst künstlerisch. Er meint, im Kunstgewerbe brächten es eigentlich nur studierte Männer zu Etwas.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.8.1904). Wilhelm Ernst Ausgabe: ›Großherzog Wilhelm Ernst Ausgabe Deutscher Klassiker‹ (34 Bände). Das Erscheinen der mehrbändigen, dem Weimarer Großherzog gewidmeten KlassikerAusgabe ging auf Heymel, maßgeblich jedoch auf Kessler zurück. Während Heymel das
390 Edition und Kommentar Buchprojekt finanziell ermöglichte, kümmerte sich Kessler im Alleingang um Konzeption und Gestaltung. Er engagierte die besten englischen Buchkünstler: Emery Walker für den Druck, Edward Johnston und Eric Gill für die Zeichnung der Titel sowie Douglas Cockerell für den Einband. Die 34-bändige Klassiker-Ausgabe wurde von der Druckerei Poeschel & Trepte in Leipzig gedruckt und erschien im Insel-Verlag. Die Bände waren dank des praktischen Taschenbuchformats, des dünnen Oxford India Papers und der schmiegsamen Kalbsledereinbände sehr handlich. Alfred Walter von Heymel stiftete den Reingewinn in Höhe von 50.000 Mark dem Ankauf von Gemälden für das Großherzogliche Museum für Kunst und Kunstgewerbe. Kessler erwarb u. a. Rysselberghes ›L’heure embrasée‹ (vgl. Brief 184) für 8.000 Mark sowie Monets ›Kathedrale von Rouen‹ für 16.000 Mark (vgl. Müller-Krumbach 1971; MüllerKrumbach 2000). monogramme: Nach derzeitigem Wissensstand ist kein Monogramm für Großherzog Wilhelm Ernst nach Entwürfen van de Veldes bekannt. la photographie: Es handelt sich um das Photo eines Bucheinbandes von Douglas Cockerell. Auf dem Vorderdeckel befinden sich die Initialen ›ahh‹ (Arthur Henry Hallam) in einem kreisförmigen Rankenmotiv, auf dem Rückdeckel ›obit 1899‹ und auf dem Buchrücken die Prägung ›in memoriam by alfred tennyson 1900‹ (Tennyson, Alfred: In memoriam A.H.H., London 1899). comparution: Vgl. Anm. Brief 189. »Times«: Bezieht sich auf einen Artikel in: The Times, Saturday, July 30, 1904, S. 4.
192 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Kesselfall, [10.8.1904] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Kesselfall Alpen Haus. Mercredi, aout [sic] Bien cher ami Je trouve votre lettre de Londres en arrivant içi [sic]. J’ai peur maintenant que la photographie vous arrive en retard. C’est que moi je me suis attardé un peu en route. Les documents au sujet de votre comparution devant la chambre des Pairs et la lettre du Times m’ont vivement interessé [sic] et je me réjouis beaucoup de ce que par ce fait l’attention ait été attiré [sic] sur Weimar. Je songerai au monogramme du Gr[an]d Duc. Je ne pense pas que je pourrai rester içi [sic] plus de 4 ou 5 jours. C’est trop bruyant. En hâte, j’aurai de vos nouvelles au sujet dela [sic] Secession, n’est-ce pas? Affectueusement Henry.
Briefe und Kommentare 391 10.8.1904: Das Datum erschließt sich aus der Korrespondenz zwischen Henry van de Velde und seiner Frau Maria (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, Briefe vom 8.8. bis 9.9.1904, AML, FSX 784). Kesselfall Alpen Haus: Das noch heute existente Kesselfall Alpenhaus gehört zur österreichischen Gemeinde Kaprun (vgl. Brief 190). lettre: Bezieht sich auf Brief 191. comparution: Vgl. Anm. Brief 189.
193 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Moserboden, [17.8.1904] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Moserboden Mercredi Aout [sic] 1904. Merci, bien cher ami, de vos dépêches et de vos soins dévoués. Si vraiment ce résultat n’est pas une défaite et si je peux croire ce que vous m’en dites – car j’ai peur qu[’]en raison de ma fatigue, vous vouliez me ménager[–], si vraiment les artistes m’ont appuyé jusqu’au bout je me réjouis presque du résultat. Cela me soulage de penser que ce n’est pas avec ce monument là [sic] que j’aurais à me produire comme architecte, au grand public. La donnée était hybride et ce que j’en avais fait, tout justement – propre! C’est mieux que je me consacre au Musée de Weimar. Je me suis mis hier, à ce travail après avoir reçu votre seconde dépêche. Je pense au »Zarathustra« aussi et vous écrirai à ce sujet. Dites[-]moi où je puis vous attendre? Moi-même je quitterai le Moserboden aujourd’hui, descendrai vers Zell am See et de là me rendrai à Bormio. J’en ai trop vu – jusqu’à en vomir – de femmes en nage, en indéfinissables [sic] accoutrements – la soi-disante [sic] tenue de marche; d’hommes marchant sans col et en manches de chemises. Le contraste entre la tenue des montagnes et ceux qui les escaladent est si injurieux que je ne comprends plus la bienveillance de ces roches! Du nerf, au moins, les montagnes, des avalanches et les lessivantes hécatombes. À Bormio, je me souviens d’avoir vu il y a deux ans des italiennes – objets d’art: peau de gris-mat et démarche dolente. Je me souviens de terrasses le long des quelles [sic] grimpent de longs lézards; d’un jet d’eau poignardant la nuit bleue ... et qu’il y a un coiffeur à l’Hotel [sic]. Il y a surtout les bains, les bains d’eau bleue et transparente et il ce [sic] fait
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que ces eaux sont propices à mon genou. Un mot là, bien cher ami et affectueuses poignées de main à de Mutzenbecher qui doit être prêt de vous, en ce moment. [Briefschluss fehlt] 17.8.1904: Der Brief datiert vom 17. August 1904. Das Datum erschließt sich aus den zeitgleich an Maria van de Velde gerichteten Briefen. vos dépêches: Kessler telegraphierte van de Velde mehrere Male bezüglich der Abstimmung um das Berliner Secessions-Gebäude nach Moserboden (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, Briefe vom 8.8. bis 9.9.1904, AML, FSX 784). ce résultat: Bezieht sich auf die Wahl des Architekten für das Berliner Secessions-Gebäude. Kessler überbrachte van de Velde die Ergebnisse der Abstimmung vom 14. und 15. August 1904 telegraphisch. Im Tagebuch hielt er fest: »Vormittags bei Cassirer Sitzung der Jury für das Ausstellungshaus. Dort Kalckreuth, Leistikow, Tuaillon, Ludw. v Hofmann, Baurat Hoffman, Klimsch, Corinth, Cassirer und ich. Sehr schwere Kämpfe, bis schliesslich Vandevelde mit 5 von 9 Stimmen als Sieger hervorgieng; in zweiter Linie mit 4 Stimmen Jautsch, Hoffmans Protégé. Nachher Diner Alle zusammen mit Guthmann im Palast Hotel.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 14.8.1904). Einen Tag später stand das endgültige Ergebnis zu ungunsten van de Veldes fest: »Der Aufsichtsrat hat Jautsch gewählt. Anwesend waren nur Kalckreuth, Leistikow, Guthmann und Rosenberg. Kalckreuth und Leistikow stimmten für Vandevelde, die Beiden Andren für Jautsch, und da Rosenberg als Präsident bei Stimmengleichheit die Entscheidung gab, so hatte Jautsch gesiegt.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 15.8.1904; vgl. Anm. Brief 159). de Mutzenbecher: Robert Kurt (auch: Curt) von Mutzenbecher (1866–1938), Jurist, Theaterintendant, Kunstsammler, Mitglied der Genossenschaft ›Pan‹. Kurt von Mutzenbecher, Intendant des Königlichen Hoftheaters in Wiesbaden und passionierter Kunstsammler, war mit Kessler seit seiner Studienzeit bekannt. Van de Velde dürfte er dagegen im Kontext der Mitgliedschaft im ›Pan‹ kennengelernt haben. Kurt von Mutzenbecher gehörte wie sein Bruder Victor (vgl. Brief 118) zum engeren Auftraggeberkreis van de Veldes. 1902 übertrug er dem Belgier die Teilausstattung seiner Berliner Wohnung. Ab 1903 ließ er die Ausstattung für die neue Wohnung in Wiesbaden (Viktoriastraße 6) komplettieren und neu arrangieren. Das Mobiliar wurde erstmals im November 1904 in Weimar und mit dem ergänzten Musiksalon 1906 auf der ›Dritten Deutschen Kunstgewerbeausstellung‹ in Dresden ausgestellt. Gelegenheitsarbeiten aus Silber waren zwischenzeitlich 1905 auch auf der Weimarer ›Kunstgewerbeund Industrie-Ausstellung‹ zu sehen. Van de Velde half Mutzenbecher außerdem maßgeblich beim Aufbau einer eigenen Kunstsammlung (Schäfer 2001; vgl. Anm. Briefe 5, 194, 196, 199, 240, 243, 252, 278). Kurt von Mutzenbecher war am 16. August 1904 zu Gast in Weimar und reiste zusammen mit Kessler am 17. August nach Paris, um die Künstler Denis und Maillol zu besuchen und bei Vollard Gemälde zu kaufen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.–24.8.1904).
Briefe und Kommentare 393
194 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 21.8.1904 AML, FSX 504/104, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CHATHAM PARIS
ce 21. août 04. Cher ami C’est bien comme je vous l’ai télégraphié. Le jury d’artistes vous a présenté vous comme celui qu’il recommandait pour exécuter le bâtiment, après avoir éliminé complètement trois des concurrents, et en dernier lieu aussi Olbrich. Il ne restait donc plus que vous, qu’on présentait comme vainqueur de la concurrence, et Jautsch [sic], qu’on n’avait pas éliminé. Le Aufsichtsrat dont les seuls membres présents étaient Kalckreuth, Leistikow, Rosenberg et Guthmann a voté sur cet Antrag. Kalckreuth et Leistikow ont voté pour vous, Guthmann et Rosenberg ont repêché Jautsch [sic]; et comme Rosenberg en sa qualité de président avait le Ausschlag en cas d’égalité des voix, c’est Jautsch [sic] qui l’a emporté. – Mutzenbecher est ici, et nous allons voir Maurice Denis aujourd’hui. J’espère que Bormio et »l’eau bleue« vous fera du bien pour votre fatigue et que vous ne rentrerez pas trop tôt. Je reste ici jusqu’à la fin du mois, puis j’espère aller à Londres. À Weimar j’ai trouvé madame VandeVelde en très bonne santé. Elle m’a fait le plaisir de passer une soirée chez moi avec von Pöllnitz [sic] et l’imprimeur Poeschel, qui est un très gentil garçon qui pourra beaucoup vous aider. Bien affectueusement deKessler. Le jury d’artistes: Kessler führt im vorliegenden Brief noch einmal genau den Abstimmungshergang bezüglich der Wahl des Architekten für das Berliner Secessions-Gebäude aus (vgl. Anm. Briefe 159, 193). Maria van de Velde unterrichtete ihren Mann am 17. August 1904: »Kessler vint hier après-midi m’apprendre le résultat de la concurrence qu’il t’a télégraphié. Je souhaite que tu ne t’en affliges point car ce résultat est sans doute très-semblable à celui de toute concurrence. Il paraît toutefois qu’il soit dommage que la voix de Stern ait manqué. Ce dernier se trouve en Suède actuellement. Il me console mieux de tout cela car Kessler me dit que si tu avais eu ce travail à faire on t’aurait rappelé tout de suite.« (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 17.8.1904, AML, FSX 786). Joseph Maria Olbrich (1867–1908), österreichischer Architekt, Kunstgewerbler, Maler, Typograph, Gründungsmitglied der Wiener Secession, 1899 bis 1908 Mitglied der Darmstädter Künstlerkolonie. Bruno Jautschus (1869–nach 1929), Architekt, Schüler des Berliner Stadtbaurats und späteren Stadtbaudirektors Ludwig Hoffmann, Stadtbaumeister in Berlin. Adolf Carl Rosenberg (1850–1906), Kunsthistoriker, Publizist.
394 Edition und Kommentar Dr. Johannes Guthmann (1876–1956), Kunsthistoriker, Schriftsteller. Mutzenbecher est ici: Kurt von Mutzenbecher war mit Kessler nach Paris gereist. Am 21. August 1904 besuchten sie Maurice Denis (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.8.1904). une soirée chez moi: Bezieht sich auf eine Soiree am 16. August 1904 im Hause Kessler in Weimar. Gäste waren Carl Ernst Poeschel, Rudolf von Poellnitz, Kurt von Mutzenbecher, Léon Werth und Maria van de Velde, die ihrem Gatten über diesen Abend schrieb: »Le soir j’ai dîné chez Kessler avec Mutzenbecher et l’éditeur et l’imprimeur de la Insel ainsi qu’avec un jeune homme parisien, Mr. Léon Werth, homme de lettres et dramaturge qui vient habiter deux mois chez de Kessler pour faire une étude sur Weimar. Kessler venant de Berlin a repris le train aujourd’hui vers Paris. A dîner on a esquissé des projets de création d’une presse à la main pour éditions de luxe. Ces messieurs de Pöllnitz et Poeschel se sont enthousiasmés à l’idée de faire cela à Weimar. Mutzenbecher a bu à ta santé. Tous te font bien saluer.« (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 17.8.1904, AML, FSX 786; vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 16.8.1904). von Pöllnitz: Rudolf von Poellnitz (1865–1905), Verleger, von 1901 bis 1905 Geschäftsführer des Insel-Verlags. Carl Ernst Poeschel (1874–1944), Buchdrucker, Typograph, Verleger, Leiter der Druckerei Poeschel & Trepte in Leipzig, 1905/06 kommissarischer Leiter des Insel-Verlags, 1907 Gründer der Privatpresse ›Janus-Presse‹.
195 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 14.9.1904 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Ce 14 Sept[embre]. 04 Bien cher ami, Je suis rentré avant-hier soir à Weimar. J’y rapporte quelques forces qui me permettront d’aller plus loin et qui iront bien – un petit temps! J’y rapporte aussi une compréhension encore bien plus sûre de la Beauté des formes, et il parait [sic] bien que je me suis retrouvé. Il m’apparaît clairement aussi que je vais énormément souffrir. Le contact que j’ai repris avec les choses et les gens, après avoir vécu seul et entouré de montagnes, me fait monter le cœur jusqu’au gosier. Je me sens tout à fait mûr p[our]. vivre dans le décor que je me suis imaginé et si pénétré de tout ce que je me suis imaginé que je déclinerai de jour en jour si je n’arrive pas à donner à mes yeux et à mon cerveau les aliments que je travaille à donner aux autres. La construction des bâtiments dela [sic] »Secession« m’eut donné matériellement les moyens d’atteindre plutot [sic] ce but. Mon insuccès le recule.
Briefe und Kommentare 395
Içi [sic], je repense à cet insuccès qu’en route j’avais oublié. Je vais me mettre aux plans du Musée. Si nous décrochons cette timbale, mon projet de me construire une villa içi [sic] p[our]. moi reprendra corps. Cher ami, je ne voulais pas du tout vous dire tout cela et voilà bien un ton qui ne convient pas, je m’arrête d’écrire aujourd’hui ..... Je voulais vous dire seulement que je suis rentré et que vous pouvez disposer de moi si vous pouvez m’employer à préparer ou à diriger quoique ce soit au Musée. – Le »Goldene Schnitt« vous est expédié. – Faites[-]vous une exposition de Néo [Impressionnistes] cette année? Mais comment se fait-il que nous n’entendions rien de Madame votre Sœur. Au moins, tout est bien? Votre bien attaché Henry. Briefumschlag: Der Briefumschlag trägt die Anschrift »à Monsieur le Comte H. de Kessler Cecil Hotel London.« und die Poststempel »Weimar 14/9.04 5-6N.« sowie »London 7.15 AM SP 16 04 13«. plans du Musée: Bezieht sich auf die Entwürfe für das Großherzogliche Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar (vgl. Anm. Brief 160). une villa: Der Plan zum Bau einer eigenen Villa, dem späteren Haus ›Hohe Pappeln‹, konnte erst im Juli 1906 in Angriff genommen werden (vgl. Briefe 275, 281, 333, 368). Madame votre Sœur: Wilma de Brion hatte am 12. September 1904 einen Jungen geboren. Kessler war sofort nach Paris gereist, um seine Schwester und seinen Neffen Jacques Christian Gérauld Harry zu besuchen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 12.–14.9.1904).
196 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 16.9.1904 AML, FSX 504/105, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
16 Sept[ember]. 04 Cher ami Je trouve ici votre lettre, qui me parait [sic] tout de même respirer plus de joie que d’ennui. Vous savez bien que la décision de la Sezession a été un désappointement presque aussi grand pour moi que pour vous. Mais il n’y a pas à y revenir, et je me suis fait une loi dans la vie, c’est de ne jamais avoir de regrets, c’est à cette condition qu’est la possibilité de tirer le plus possible du moment présent, qui est après tout le seul bien dont nous soyons sûrs. Si j’avais des regrets, je me consolerais du reste avec la pensée du Musée, qui doit aboutir. J’aurais bien voulu vous avoir à Londres la
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semaine passée. J’y avais amené Maillol, qui y est resté huit jours avec moi, et qui est un homme tout à fait intéressant. Pour sûr, vous l’auriez goûté, et son enthousiasme réfléchi aurait réchauffé le vôtre, si celui[-]ci en avait eu besoin. Jamais je n’ai vu homme plus emballé d’une race. Il est parti de Paris à corps défendant, et avec l’idée que toutes les Anglaises avaient les dents longues et les pieds plats. Vous ne vous imaginez pas sa désillusion, toute agréable bien entendu. Il a rempli un carnet de profils de petites Anglaises qu’il trouvait absolument grecques, et grecques d’après ses idées de sculpteur, le cou fort et large, les plans de la figure puissants, la couronne de cheveux ordonnée comme pour une statue. Ça m’a beaucoup expliqué, de ce que j’avais toujours senti instinctivement. Et puis il n’en revenait pas de ces corps sveltes, durs et nerveux. Du reste, Londres elle[-]même lui a fait cette même impression colorée, immense et mystérieuse qui me charme et m’hypnotise. En somme, il est presque devenu Anglais en ces huit jours, et compte revenir ici longuement pour travailler d’après ces modèles, qui lui donnent, dit[-]il tout ce qu’il a toujours cherché, sans le trouver, en France. Il m’a, du reste, promis de venir me voir à Weimar, et semble tout disposé à accepter une place là[-]bas, sous certaines conditions (travaux à exécuter, vacances etc.). Nous faisons ensemble une édition des Eclogues de Virgile, qu’il illustrera. – Je vous remercie bien de votre Zirkel, que je renverrai demain ou plus tard. Je vous serais très reconnaissant de vouloir bien faire un petit tour au Musée, de temps en temps, Payern étant en vacances. – J’ai oublié de vous dire hier, je crois, que les 60,000 frcs que veut dépenser ma mère, si elle construit [?], doivent englober aussi les honoraires. Je vous prie donc de vous laisser une marge et au moins 10 % pour ceux-ci. Veuillez saluer madame VandeVelde et les bébés, affectueusement HdeK. lettre: Vgl. Brief 187. Aristide Joseph Bonaventure Maillol (1861–1944), Maler, Bildhauer, Graphiker. Nach einem klassischen Studium der Malerei an der École des Beaux-Arts und einem Besuch der École des Arts Décoratifs in Paris war Maillol bis in die 1890er Jahre als Maler tätig. 1893 schloss er sich den Nabis an, fertigte vor allem Tapisserien und wechselte erst ab 1900 zur Bildhauerei über. 1902 wurde der Kunstkritiker Octave Mirbeau auf Maillol aufmerksam und empfahl ihn für die Ausführung des Zola-Denkmals in Paris (vgl. Briefe 213, 216). Kesslers erstes Zusammentreffen mit Maillol fand am 21. August 1904 statt, als Kessler den Künstler in Marly-le-Roi besuchte (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.8.1904). Fasziniert von der direkten und unprätentiösen Art des Künstlers kaufte Kessler umgehend ein kleines Modell und gab die große Steinskulptur ›La Méditerranée‹ in Auftrag (vgl. Brief 225). Unmittelbar darauf verhandelte er über die Illustrationen von Vergils Eclogen (siehe unten) und unternahm mit dem Künstler vom 2. September 1904 einen einwöchigen Bildungsausflug nach London. 1908 erfolgte im Beisein von Hugo von Hofmannsthal eine längere Reise nach Griechenland (vgl. Brief 283). Kessler avancierte zum engen Förderer und Auftraggeber Maillols. Er bestellte die Skulptur ›Le coureur cycliste‹ sowie das Relief ›Le Désir‹ und erwarb darüber hinaus kleinere Arbeiten (vgl. Briefe 133, 276). Maillol entwickelte ferner in Zusammenarbeit mit Kessler und seinem
Briefe und Kommentare 397 Neffen Gaspard ein eigenes Papier für die Drucke der Cranach-Presse. Das handgeschöpfte Kessler-Maillol-Bütten wurde in der Papiermühle von Montval unter Leitung von Gaspard Maillol hergestellt (vgl. weiterführend Walter 1995). Auch mit van de Velde stand Maillol im künstlerischen Austausch. Maillol entwarf diverse Skulpturen für Auftragsarbeiten van de Veldes, so u. a. für die Wohnungsausstattung von Kurt von Mutzenbecher, für den Garten der Villa ›Hohenhof‹ in Hagen sowie für das nicht ausgeführte Nietzsche-Stadion in Weimar. Van de Velde selbst besaß ein von Maillol geschaffenes Damenporträt aus Terrakotta (vgl. Briefe 201, 213, 216, 225, 240, 242, 276, 282, 283, 286, 293, 294, 306–310, 314, 316, 333, 347, 354, 355, 383, 384). une place: Maillol war 1904 nicht zu Gast in Weimar. Auch die in Aussicht gestellte Absicht, unter gewissen Bedingungen eine Stelle anzutreten, blieb unerfüllt. Maillol hielt sich das erste Mal im Juni 1930 in Weimar auf. une édition des Eclogues: Bei den ›Eclogen‹ handelt es sich um Kesslers umfangreichstes und erfolgreichstes Buchprojekt. Die Idee dazu wurde am 25. August 1904 geboren. »Wir kamen«, so Kessler im Tagebuch, »auf Illustrationen zu sprechen und ich schlug Maillol vor für meine projektierte Presse Vergils Eclogen zu illustrieren. Er nahm mit Begeisterung an: Je lis tout le temps Virgile.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 25.8.1904). Maillol fertigte daraufhin 43 Holzschnitte. Gill übernahm den Entwurf der Versalien und des Titelblatts. In der Übersetzung von Rudolf Alexander Schröder und Marc Lafargue konnten die Eclogen kriegsbedingt erst ab 1926 erscheinen. Die ersten Probedrucke datieren dagegen bereits von 1911. Kessler ließ die Ausgaben unter Verwendung der Jenson-Antiqua auf sogenanntem Maillol-Kessler-Bütten in der Cranach-Presse drucken (vgl. Brinks 2003, S. 395). Die Eclogen erschienen 1926 und 1927 in drei Versionen: lateinisch/deutsch, lateinisch/französisch und lateinisch/englisch (vgl. Brinks 2003, S. 86–110, 260–263, 309 f., 394–398, Nrn. 62–67; vgl. Briefe 322, 355, 361, 363, 381, 382, 384–387). les 60,000 frcs: Offenbar spielte Kesslers Mutter zwischenzeitlich mit dem Gedanken, sich von van de Velde ein Haus projektieren zu lassen. Das Vorhaben verlief sich jedoch rasch im Sande (vgl. Brief 197).
197 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 20.9.1904 AML, FSX 504/106, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
20. Sept[embre]. 04 Cher ami Je vous remercie bien de votre bonne lettre et vous prie d’excuser que je ne vous renvoie votre Zirkel qu’aujourdhui [sic]; ce n’est pas tout à fait de ma faute, l’artiste m’ayant laissé un plan. Je vous remercie aussi de la bonté que vous avez, de vous occuper des plans pour ma mère. L’impression de l’or est hors de question, cher ami; les essais ont été faits, par Drugulin, et c’est horrible; des Christmas Cards à deux sous! Il n’y a que l’application à la main qui soit possible, et celle[-]ci se pratique maintenant en Angle-
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terre très belle. Seulement, elle coûte assez cher, et elle prend beaucoup de temps; on ne pourra donc l’appliquer que sur 5 ou 6 pages, tout au plus; pour le reste, il faudra prendre un brun doré qui fera très bien avec le noir de l’impression. Le caractère de Lemmen est du reste lumineux, en lui[-] même. Je m’imagine très peu d’ornement, n’est[-]ce pas, et très léger; on a tant abusé de votre style, depuis cinq ans, dans la librairie, qu’il faudrait donner une impression nettement différente de tout ce qu’on a fait dans ce genre. C’est du reste ce qui se produira tout naturellement par le seul effet de notre goût. – Je ne crois pas être à Weimar avant la mi Octobre [sic]; je suis en train de faire photographier ici pour Bruckmann, et ça me retardera bien encore pendant quinze jours ou trois semaines. Je m’occupe, en outre, de la Wilhelm Ernst Ausgabe, qui promet d’être vraiment belle; plus belle même de beaucoup que les éditions Anglaises analogues, parce que nous employons les artistes mêmes que les éditeurs Anglais ont essayé de copier et dont ils ont tiré tout ce qui est bien dans leurs livres. Walker, qui est le chef de l’imprimerie de la Dove’s press, tandisque [sic] que Cobden Sanderson n’est que relieur, a accepté de diriger tout ce qui a rapport à l’imprimerie et de revoir les épreuves page pour page. Vous pensez, si nous obtiendrons avec ça un beau résultat! Ce sera certainement la plus belle édition courante des Classiques publiée depuis les Elzévir. – Je vous remercie de la lettre de Rosenhagen. Mais ce n’était vraiment pas pour ça que je vous avais envoyé les paperasses; ça ne pouvait pas intéresser le gros [sic (grand)] public en Allemagne, et je trouve que Ros[enhagen]. a parfaitement raison. – Veuillez, cher ami, saluer madame VandeVelde Bien affectueusement deKessler Je vous prie de vous faire expédier la chaise Américaine [sic] dont vous avez besoin. Le meilleur sera de donner l’ordre à un emballeur. lettre: Der erwähnte Brief von van de Velde hat sich nicht erhalten. Wie Kesslers vorliegendem Antwortschreiben zu entnehmen ist, hatte van de Velde offenbar die Verwendung des Golddrucks für den ›Zarathustra‹ vorgeschlagen, der 1908 umgesetzt wurde. des plans: Vgl. Anm. Brief 196. L’impression: Es handelt sich um die Arbeiten an der Luxusausgabe ›Zarathustra‹ (vgl. Anm. Brief 13). Drugulin: Bezieht sich auf die Offizin W. Drugulin in Leipzig bzw. deren Inhaber Egbert Johannes Baensch-Drugulin (vgl. Anm. Brief 78). pour Bruckmann: Hugo Bruckmann (1863–1941), Verleger, Inhaber des ›Verlags für Kunst und Wissenschaft‹ der ›F. Bruckmann KG‹, 1896 bis 1908 Herausgeber der Zeitschriften
Briefe und Kommentare 399 ›Dekorative Kunst‹ (›L’Art Décoratif‹) und ›Die Kunst‹. Kessler plante seit November 1903 eine opulente Ausgabe zu ›Meisterwerken der modernen Malerei‹ herauszugeben (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 7.11.1903). Als Verleger hatte er Hugo Bruckmann gewonnen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.11.1903). Das geplante Buch erschien erst 1908 in veränderter Form als Mappenwerk unter dem Titel ›Impressionisten. Die Begründer der modernen Malerei in ihren Hauptwerken‹ (Kessler 1908). Anstatt einer längeren Abhandlung steuerte Kessler lediglich eine vierzehnseitige Vorrede bei (vgl. Briefe 264, 280; Föhl 2003, S. 173). Im gleichen Jahr bezog Hugo Bruckmann zusammen mit seiner Frau Elsa die ehemalige Wohnung Wolff am Münchner Karolinenplatz 5. Er übernahm das von van de Velde konzipierte Mobiliar und ließ es durch weitere Möbel von van de Velde ergänzen (vgl. Föhl 2010, S. 197). Wilhelm Ernst Ausgabe: Vgl. Anm. Brief 191. Sir (seit 1930) Emery Walker (1851–1933), englischer Buchdrucker und Buchgestalter, enger Mitarbeiter von William Morris, neben Cobden-Sanderson Mitbegründer der ›Doves Press‹ in London-Hammersmith. Elzévir (auch: Elsevier, Elsevir, Elzevier): Im 17. Jahrhundert führende niederländische Buchdrucker- und Verlegerfamilie um den Gründer Louis (Lodewijk) Elsevier. Die Duodezausgaben, d. h. Bücher in Zwölftelbogengröße, gehörten wegen ihrer exklusiven typographischen Gestaltung und wegen des praktischen Formats zu den seinerzeit begehrten Buchausgaben. lettre de Rosenhagen: Der Brief von Hans Rosenhagen an van de Velde hat sich nicht erhalten. Dagegen existiert ein Schreiben von Rosenhagen an Kessler vom 4. August 1904 mit folgendem Wortlaut: »Mein lieber Graf! Nachdem ich mich vor drei Tagen beim Nachlesen der in meiner Abwesenheit eingegangenen Zeitschriften über Singers absolut verständnislose Aburteilung von v. d. V. Silber geärgert und erwogen hatte, unserem Freunde eine kräftige Ehrenrettung im ›Tag‹ zu Theil werden zu lassen, finde ich eben in ›Kunst und Künstler‹ Ihren wundervollen Aufsatz. Halten Sie es meiner Verehrung für v. d. Velde zu gute, wenn ich Ihnen meine ganz besondere Freude über die ganz ausgezeichnete Art ausspreche, mit der Sie unseres Freundes Leistung in die richtige Beleuchtung stellen. Sie haben mir aus der Seele gesprochen und müssen sich darob auch meinen Dank gefallen lassen.« (Hans Rosenhagen an Harry Graf Kessler, 4.8.1904, DLA). la chaise Américaine: Vgl. Brief 198.
198 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 7.10.1904 AML, FSX 504/107, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
7 Oct[obre]. 04 minuit. Cher ami Je reviens à l’instant d’une conférence à la »Art Workers Guild« (la société de Morris et de tout ce qu’il y a de meilleur dans cet ordre de travaux en Angleterre) sur »la Chaise«, la chaise Anglaise [sic], bien entendu, celle de
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Chippendale, Sheraton, Morris. J’en ai retenu un modèle, de Morris, qui me semble être le prototype de ma chaise Américaine [sic] et que je me hâte de vous transmettre, avant que la construction s’en soit obscurcie dans ma mémoire. La voici à peu près:
Le siège en est donc formé par la surface du support (B–E) reliant le pied de devant (F–B) avec le sol derrière. C’est ça l’idée maîtresse, qui supprime les pieds de derrière. Le dos est fixé en A dans ce support sur un gond en métal, sur lequel il peut se mouvoir comme une porte, pour permettre de l’adapter à l’angle voulu (comme dans ma chaise). Dans le bras (B–G) il y a en ccc des trous, pour permettre d’insérer une tige en métal transversale, qui supporte le dos et le retient à l’angle voulu (comme dans ma chaise). Voilà pour la part de Morris. Mais il paraît que même avec les petits supports verticaux qu’avait ménagé [sic] Morris entre les bras et le siège, cette construction n’était pas solide, parcequ’elle [sic] reposait tout entière sur l’angle que forment entre eux le support H–E et le pied B–F. Pour la perfectionner, il faudrait donc un support intermédiaire et transversal entre le bras et le siège, soit B–A, qui formerait [un] triangle au lieu de la construction en carré, peu solide, de la chaise Morris. – Le siège et le dos D–A sont »gepolstert«. – La ligne D–E est verticale, autant que possible – Peut[-]être pourrez-vous tirer quelquechose [sic] de ces renseignements. Affectueusement deKessler. On pourrait peut[-]être varier et rendre encore plus commode (pour le mouvement des jambes) cette chaise, en supprimant le morceau H–B du pied de devant, ce qui permettrait le jeu libre des jambes vers le côté, sous le bras, qui reposerait alors uniquement sur le support intermédiaire B–A, qu’on pourrait à la rigueur fortifier par un petit support vertical à moitié chemin [mi-chemin] entre B et A; ce qui donnerait au côté entre bras et siège à peu près cet aspect: [Skizze] Support vertical (ou courbé) I–K.
Briefe und Kommentare 401 une conférence: Am 7. Oktober 1904 notierte Kessler: »Abends in der Art Workers’ Guild in Clifford’s Inn. Vortrag über Stühle. Dort Walker, als Vorsitzender (master) und Douglas Cockerell.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 7.10.1904). Art Workers Guild: Die ›Art Workers Guild‹ wurde 1884 aus dem Zusammenschluss der Gruppen ›The Fifteen‹ und ›St George’s Art Society St George’s Art Society‹ in London gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten u. a. die Architekten Horsley, Lethaby, Macartney, Newton, Prior sowie der Maler und Buchkünstler Walter Crane. Die Vereinigung förderte die Theorie der gegenseitigen Abhängigkeit der Künste und bot eine Plattform für Künstler unterschiedlicher Professionen. Vorträge und Diskussionen wurden abgehalten, um Verständnis und Einblick in andere Kunstgattungen zu gewinnen. Die Gilde existiert noch heute. Thomas Chippendale (1718–1779), englischer Möbel- und Kunsttischler, Möbeldesigner, Urheber des ›Chippendale-Stils‹ und Herausgeber der 1754 erschienenen Vorbildersammlung ›The Gentleman and Cabinet Maker’s Director‹. Thomas Sheraton (1751–1806), englischer Möbeldesigner, Urheber des ›Sheraton-Stils‹ und Herausgeber des mehrbändigen Werks ›The Cabinet Maker’s and Upholsterers Drawing Book‹ (1791–1793). un modèle, de Morris: Kessler bezieht sich hier auf den sogenannten ›Morris-Chair‹. Dieser Typus eines Armlehnstuhls mit verstellbarer Rückenlehne und losen Polstern wurde erstmals 1861 in Anlehnung an den ›Sussex-Stuhl‹ von Philip Webb entworfen und ab 1866 von der Firma ›Morris, Marshall, Faulkner & Co.‹ hergestellt. Das Modell war aufgrund seiner bequemen Statik überaus populär und wurde vielfach kopiert und variiert. Vermutlich auf Kesslers Impuls hin entwarf van de Velde 1904 einen vergleichbaren Stuhltyp mit verstellbarer Rückenlehne und Messingrollen. Ähnlich wie der von Kessler skizzierte Stuhl besitzt van de Veldes Modell überstehende Armlehnen, die am hinteren Ende mit drei Kerben zum Arretieren der Metallstange versehen sind. Das Modell wurde in zwei Konstruktions- und diversen Materialvarianten hergestellt und war unter van de Veldes Kundschaft weit verbreitet. Van de Velde besaß ein eigenes Exemplar mit weißem Schleiflack und unifarbenem Bezug (La Cambre, Brüssel, LC/S 3001; Album van de Velde, Nrn. 117, 145, 150, 152; Pecher 1981, S. 214, 262 f., 274, Nr. 1146).
199 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 31.10.1904 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Ce 31 oct[obre]. 04. Bien cher ami, J’apprends par votre domestique que vous êtes rentré à Paris. Partout on s’inquiète de vous; içi [sic], à Berlin! Bodenhausen, Mutzenbecher et Meyer-Gräefe [sic] m’écrivent. Moi je ne sais rien et je n’étais pas inquiet au sujet de ce que vous aviez écrit à Madame Förster c. a. d. que vous étiez souffrant à Londres parceque
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[sic] je ne croyais pas à cette raison puisque vous m’aviez écrit presque en même temps qu’à Elle et ne faisiez entrevoir rien d’autres raisons à votre absence pendant ces fêtes à la N[ietzsche]. Arch[iv].. Mais à présent je commence à m’inquiéter aussi! Au Musée, on attend votre arrivée de jour en jour, me dit de Payern et Meyer-Gräefe [sic] m’écrit ce matin p[our]. me dire qu’il est inquiet à votre sujet. Bruno Cassirer m’a questionné à Berlin au sujet de vous. Il s’imagine que vous avez rompu toutes relations avec lui et Sa Revue parcequ’il [sic] ne recoit [sic] pas de réponse à des lettres, me dit-il! Qu’y a-t-il donc, cher ami et combien je désire que ce désir vous vienne d’une vie moins ambulante, plus recueillie, plus saine! Moi-même je serais heureux de vous parler des plans du Musée, auxquels [sic] je commence aujourd’hui définitivement. Depuis 6 semaines, je n’ai plus fait que cela: des travaux de préparations, d’études et de projets p[our]. ce travail. La sensation me paralyse, un peu que nous soyons seuls – içi [sic] – à désirer cette construction. Je m’imagine peut-être cela, et en tous les cas, cette sensation ne m’empêchera pas d’aller jusqu’au bout de ce travail. Je me propose de Vous demander officiellement – de m’accorder la disposition des Salles du 2ème Etage du Musée – du 15 Janv [ier]. au 1 Mars pour y organiser une Exp[osition]. de mes œuvres résumant mon action içi [sic] sur les artisans et industriels, précisant la direction dans laquelle je veux les conduire, et le style que je propose à notre époque. Pourrez-vous m’accorder ces Salles? Un mot, bien cher ami, qui me parle de vous, de vos projets. Bien affectueusement Henry on s’inquiète de vous: Während man sich in Berlin und Weimar um Kessler ernsthaft Sorgen machte, schottete sich dieser in London ab, um seine geplante Veröffentlichung (vgl. Brief 197) vorzubereiten und sich in ausgedehnten Kunstbetrachtungen zu ergehen, wovon die Tagebucheinträge ein beredtes Zeugnis ablegen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.9.1904–31.10.1904). ces fêtes à la Nietzsche Archiv: Bezieht sich auf die alljährlichen Geburtstagsfeierlichkeiten zu Ehren von Friedrich Nietzsches Geburtstag am 15. Oktober. des plans du Musée: Betrifft die Pläne für das Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe (vgl. Anm. Brief 160). une Exposition de mes œuvres: Die ›Weimarische Kunstgewerbe- und Industrie-Ausstellung‹ wurde am 11. Februar 1905 in der zweiten Etage des Weimarer Museums für Kunst und Kunstgewerbe eröffnet und dauerte bis zum 6. März 1905. Präsentiert wurden Objekte nach Entwürfen van de Veldes und des Kunstgewerblichen Seminars. Die Schau hatte zum Zweck, »den
Briefe und Kommentare 403 Grad der Vervollkommnung beurteilen zu können, den die Kunsthandwerker und den das Kunsthandwerk von Sachsen-Weimar augenblicklich erreicht hat« (Ausst. Kat. Weimar 1905). Es waren insgesamt 19 durch van de Velde geförderte Firmen aus dem Großherzogtum an der Schau beteiligt.
200 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 29.12.1904 AML, FSX 504/108, Brief
Paris ce 29 decembre [sic] 04. Cher ami Merci bien chaleureusement de la toute belle surprise que vous me faites; je serai dans la joie de posséder cette admirable coupe, qui complètera si bien les belles chose[s] que j’ai de vous. Je vous remercie aussi bien des bons souhaits pour ma mère et ma sœur, qui me chargent de vous les rendre en espérant bien que vous viendrez les voir quand vous serez ici la prochaine fois. L’état de santé de ma sœur semble bien meilleur, maintenant, celui de ma mère, par contre, reste malheureusement stationnaire. Je n’ai pas encore été voir les Golubew; mais ils sont [sic] déménagés de l’Hotel [sic], à ce que me dit Vollard. Les Rysselberghe sont à Bruxelles. Veuillez, cher ami, saluer madame VandeVelde de ma part. Bien à vous deKessler. Je vous envoie ci-inclus un petit billet qui vous servira dans votre Institut en attendant les millions du Gouvernement. Je vous ai fait adresser l’Histoire du mobilier, que je vous prie d’accepter, comme contribution à notre œuvre à tous, à Weimar. Car j’espère qu’elle pourra vous être utile à élucider des problèmes qui m’intéressent autant que vous, et je crois que les livres ne servent vraiment que quand on les a toujours sous la main. belle surprise: Vermutlich handelt es sich hierbei um eine runde Messingschale mit ostasiatischen Anklängen aus Kesslers Besitz, deren Gestaltung auf van de Velde zurückgeht (vgl. Föhl/ Neumann 2009, S. 138, Nr. I.2.13). les Golubew: Natascha (auch Nathalie, gen. Tata, Natascha) von Golubeff (auch Goloubeff, Golubew, Golubev, geb. de Cross, 1879–1941, Pseudonym: Donatella Cross), Übersetzerin, Sängerin, zwischenzeitlich Geliebte von Gabriele d’Annunzio. Victor von Golubeff (auch Goloubeff, Golubew, Golubev, 1878–1945), russisch-französischer Kunsthistoriker, Spezialist für asiatische Kunst, Schriftsteller, Kunstsammler. Der aus St. Petersburg stammende Kunsthistoriker Victor von Golubeff und seine Frau Natascha lernten van de Velde über Eberhard von Bodenhausen kennen. Bodenhausen schwärmte 1902 insgeheim für Natascha von Golubeff und beauftragte van de Velde im Mai 1903, ein Monogramm mit den Initialen ›NG‹ für sie zu
Briefe und Kommentare 403 Grad der Vervollkommnung beurteilen zu können, den die Kunsthandwerker und den das Kunsthandwerk von Sachsen-Weimar augenblicklich erreicht hat« (Ausst. Kat. Weimar 1905). Es waren insgesamt 19 durch van de Velde geförderte Firmen aus dem Großherzogtum an der Schau beteiligt.
200 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 29.12.1904 AML, FSX 504/108, Brief
Paris ce 29 decembre [sic] 04. Cher ami Merci bien chaleureusement de la toute belle surprise que vous me faites; je serai dans la joie de posséder cette admirable coupe, qui complètera si bien les belles chose[s] que j’ai de vous. Je vous remercie aussi bien des bons souhaits pour ma mère et ma sœur, qui me chargent de vous les rendre en espérant bien que vous viendrez les voir quand vous serez ici la prochaine fois. L’état de santé de ma sœur semble bien meilleur, maintenant, celui de ma mère, par contre, reste malheureusement stationnaire. Je n’ai pas encore été voir les Golubew; mais ils sont [sic] déménagés de l’Hotel [sic], à ce que me dit Vollard. Les Rysselberghe sont à Bruxelles. Veuillez, cher ami, saluer madame VandeVelde de ma part. Bien à vous deKessler. Je vous envoie ci-inclus un petit billet qui vous servira dans votre Institut en attendant les millions du Gouvernement. Je vous ai fait adresser l’Histoire du mobilier, que je vous prie d’accepter, comme contribution à notre œuvre à tous, à Weimar. Car j’espère qu’elle pourra vous être utile à élucider des problèmes qui m’intéressent autant que vous, et je crois que les livres ne servent vraiment que quand on les a toujours sous la main. belle surprise: Vermutlich handelt es sich hierbei um eine runde Messingschale mit ostasiatischen Anklängen aus Kesslers Besitz, deren Gestaltung auf van de Velde zurückgeht (vgl. Föhl/ Neumann 2009, S. 138, Nr. I.2.13). les Golubew: Natascha (auch Nathalie, gen. Tata, Natascha) von Golubeff (auch Goloubeff, Golubew, Golubev, geb. de Cross, 1879–1941, Pseudonym: Donatella Cross), Übersetzerin, Sängerin, zwischenzeitlich Geliebte von Gabriele d’Annunzio. Victor von Golubeff (auch Goloubeff, Golubew, Golubev, 1878–1945), russisch-französischer Kunsthistoriker, Spezialist für asiatische Kunst, Schriftsteller, Kunstsammler. Der aus St. Petersburg stammende Kunsthistoriker Victor von Golubeff und seine Frau Natascha lernten van de Velde über Eberhard von Bodenhausen kennen. Bodenhausen schwärmte 1902 insgeheim für Natascha von Golubeff und beauftragte van de Velde im Mai 1903, ein Monogramm mit den Initialen ›NG‹ für sie zu
404 Edition und Kommentar gestalten (vgl. Eberhard von Bodenhausen an Henry van de Velde, 3.5.1903, in: Bodenhausen 1955, S. 209). Victor und Natascha von Golubeff ließen sich 1904 in Paris nieder, wohnten zunächst jedoch im Hotel. Van de Velde wurde unterdessen mit der Ausstattung des großräumigen Appartements in der Avenue du Bois de Boulogne beauftragt. Während Natascha von Golubeff eine Ausstattung »en style Renaissance« vorschwebte, verwirklichte van de Velde ein Interieur, das in höchstem Maße luxuriös und vollkommen war (vgl. Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 26.11.1904, DLA). Zum Zeitpunkt des Abfassens des vorliegenden Briefes war van de Velde damit beschäftigt, die Möbel, Stoffe und Metallwaren in seinen Weimarer Werkstätten ausführen zu lassen. Teile der Tafelgarnitur wurden auf der ›Weimarischen Kunstgewerbe- und Industrie-Ausstellung‹ (11.2.1905–6.3.1905) präsentiert. Die äußerst kostspielige Ausstattung gelangte schließlich im Laufe des Jahres 1905 von Weimar nach Paris. Mit dem Bau und der Ausstattung einer Villa in Fontainebleau übertrug Victor von Golubeff 1910 einen weiteren Auftrag an van de Velde. Das Vorhaben gelangte jedoch nicht zur Ausführung. Aufgrund der Liebesbeziehung zwischen Natascha von Golubeff und dem italienischen Dichter Gabriele d’Annunzio trennte sich das Ehepaar 1908 und ließ sich später scheiden. Van de Velde richtete die neue Wohnung für Natascha von Golubeff, die sich fortan Donatella Cross nannte, in der Rue de la Faisanderie ein, wobei er teilweise auf das Mobiliar aus dem Appartement der Avenue du Bois de Boulogne zurückgriff. Der Bau eines ›Museums-Palastes‹ für Victor von Goulubeff konnte aufgrund des Krieges nicht vollendet werden. Das Gebäude musste 1919 als Rohbau verkauft werden. Die Entwürfe der verschiedenen Projekte befinden sich in den Beständen des Musée d’Orsay Paris, der Klassik Stiftung Weimar sowie im Fonds Henry van de Velde in La Cambre/ Brüssel (vgl. Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 296, 328 f., 331). Ambroise Vollard (1865–1939), französischer Kunsthändler, Kunstschriftsteller, Verleger. Kessler kannte Vollard seit 1895. Ein Gemälde von Pierre Bonnard aus dem Jahr 1907 zeigt ihn inmitten einer illustren Tischgesellschaft bei Ambroise Vollard (Cahn 2007, S. 22 f.). Wie van de Velde bezog Kessler eine Vielzahl von Gemälden über den Pariser Kunsthändler. Im Dezember 1897 erwarb er dort sein erstes großes Gemälde ›Les Poseuses‹ (1886/88) von Georges Seurat für 1.200 Francs (vgl. Briefe 3, 6, 13, 16). un petit billet: Hierbei handelt es sich erneut um einen von Kessler überlassenen Geldwert in unbekannter Höhe für van de Veldes Weimarer Institut. Bereits in den Jahren zuvor hatte Kessler van de Velde mit großzügigen Geldgeschenken bedacht (vgl. Briefe 146, 180).
201 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 2.1.1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Ce 2 Janvier 05, Bien cher ami, Je suis confus de votre générosité et les dons que vous faites à mon Institut s’amassent! Quand pourrai-je employer cet argent à la destination que vous entrevoyez? En attendant, laissez[-]moi vous remercier profondément de votre
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attention et de votre générosité. Je suis profondément touché et reconnaissant de la continuité de votre interet [sic] p[our]. mon œuvre. –Hier, au concert du [sic] cour, le Grand Duc fut particulièrement aimable p[our]. moi et m’annonca [sic] qu’il voulait conférer prochainement avec moi au sujet de ma proposition de la création d’un Institut p[our]. Arts Industriels! Je compte surtout sur l’intéret [sic] du Ministre Rothe p[our]. la chose et que cet interet [sic] vaincra la ladrerie de M[onsieur]. de Palézieux. J’ai tant de choses à vous raconter au sujet de ce qui se passe et s’est passé à Weimar. Et d’abord, que l’exposition de Corinth a fait scandale!! A un dîner, chez la c[om]tesse Werthern, où j’étais présent, l’indignation éclata; ce chœur était conduit par Palézieux p[our]. les hommes; Madame de Eichel p[our]. les femmes. Avec une perfidie cousue de gros fils, P[alézieux]. voulait entraîner Ludwig v[on]. Hoffmann [sic] dans la bande et mon dieu, celui-ci s’est bien mollement défendu. J’ai résisté – ouvertement, malgré mon peu de goût p[our]. les peintures de Corinth et comme je m’apercus [sic] vite qu’aucune subtilité de raisonnement, qu’aucune appréciation saine ne pouvaient porter sur ce public j’allai au plus gros moyen et déclarai à leurs Excellences qu’en somme c’était affaire à elles si elles voulaient se couvrir de ridicule jusqu’à la fin de leurs jours et que si les journaux de Berlin (voyez comme ce fut peu fin !) devaient apprendre que dans les cercles les plus cultivés (!!) de Weimar l’on discutait encore l’immoralité ou la moralité d’un tableau de nudités, ils feraient des gorges chaudes! Cette argumentation eut le don de les stupéfier! M[onsieur]. de P[alézieux]. hasarda encore quelques insinuations peu bienveillantes au sujet du rôle de Madame Förster qui ne rencontrèrent pas grande approbation et puis en joueur habile qui ne veut pas tout perdre, il finit par m’adresser de grands compliments et par trinquer avec moi. J’ai soutenu seul cet assaut – avec vers la fin un peu d’appui de la part de v[on]. Hofmann. J’y mis de belles formes, de l’assurance et de l’autorité. J’ai dit bien des choses que j’avais sur le cœur et au fond je crois bien que tout le monde fut heureux que j’eus tenu tête à de P[alézieux]. à cette soirée, je pris cette conviction que nous manquerions à nos devoirs si nous n’organisions pas au Musée une série de conférences. Vous, moi, Bodenhausen et d’autres, nous devons faire ce sacrifice. Il faut mater la mauvaise volonté de quelques-uns et nous le pouvons en conquérant tous ceux qui sont indécis! Le »oberlicht« [sic] est un vrai salon et notre public des vernissages nous sera fidèle – s’il est invité. Il faut p[our]. cet hiver une série de six conférences au moins et il faut commencer vite parce que le Gr[an]d. Duc et la Gr[an]de. Duchesse compte
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[sic] s’absenter mi-février p[our]. se rendre au Caire. Il faudrait l’Exp[osition]. des »Néo« également avant leur départ! Est-ce possible? -Depuis cette soirée, chez la ctesse Werthern – c’était avant la Noël – mon attitude et mes propos avaient changés [sic] d’une façon frappante et je ne pouvais m’empêcher de faire comprendre que j’en avais assez de n’entendre que des âneries autour de moi, d’avoir à lutter contre des préjugés abolis même dans la plus petite ville de Silésie, contre des niaiseries de critique et d’appréciations que nous avions victorieusement combattues ailleurs, il y a quelques douze ou quatorze ans! Je fus frondeur, sans méchanceté et sans amertume et comme un dont les malles sont prêts [sic] p[our]. un long voyage. Et l’effet fut que l’inquiétude se répandit à Weimar et que des ambassadeurs montèrent à la N[ietzsche]. Arch[iv]. p[our]. s’informer près de Mad[ame]. Förster. Celle-ci je l’avais préalablement stylée! Nous déclarons, en votre nom, en le mien et en le sien, que nous n[ou]s mettons à douter qu’en haut lieu, que dans la Société on éprouve quelque plaisir ou quelque satisfaction à nous voir réussir l’œuvre qu’on nous avait confiée, qu’on nous avait donné [sic] mission de faire réussir. Que nous en sommes à attendre le premier signe de contentement, etc.... Que pour le surplus, nous sommes liés, que nous; l’archive et tout le reste songe [sic] ou pourrait [sic] songer à s’établir ailleurs. Ottobald Werthern, Eggeling montèrent en mésagers [sic], en chargés d’affaires! Hier à la cour, je boudai ouvertement la Société, me tins éloigné et inaccessible; je flirtai avec ostentation jusqu’au moment où le Grand [Duc] me fit chercher. Il fut très cordial et délicat. Je prévois qu’il le fut »par ordre«! Bien cher ami, je n’ai cessé de penser pendant ces dernières semaines que votre situation est semblable à la mienne. On vous [a] blessé plus grossièrement, avec plus de préméditation. Mais ne le fus-je pas autant quand on vous intima l’ordre de faire enlever mes œuvres du second étage du Musée. Vous boudez maintenant depuis longtemps plus efficacement que moi par le fait de votre absence! Mais croyez-moi je ne vois vraiment qu’un homme qui se réjouirait de votre renonciation au rôle que vous avez accepté de jouer, içi [sic]! Les autres regretteraient votre départ et je prévois que ceux que vous et moi accepterions comme juges de notre conduite jugeraient sévèrement cet abandon. Il n’y a rien de perdu, si maintenant nous manœuvrons avec suite, avec persistance. Il faut que nous décidions par quelle brèche nous forcerons la place et il nous faut nous en tenir à cette seule brèche. Nous avons porté nos coups partout, sans ordre. Et c’est bien d’avoir agi
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ainsi. Ce qui contribuera à notre force, c’est que nous ne nous sommes pas départis de notre rôle »d’hommes du monde«. Maintenant que les coups ont portés [sic] au bon endroit c[’est]-à-d[ire]. que toutes les consciences et tous les cerveaux sont troublés il faut commencer l’assaut. Limitons nos efforts et ramassons nos forces: il faut que cet hiver, qu’avant deux ou 3 mois, nous ayons arraché au Grand Duc la création de mon Institut et commencé par des conférences au Musée la cathéchisasion [sic] de notre public. Acceptez, cher ami, mon plan de campagne. Mettons de l’eau dans notre vin. V[on]. Hofmann, Olde et Sascha Schneider – qui brûle de marcher avec nous, se comporte bien et pressent ce que nous pouvons p[our]. lui – marcheront avec nous. N’ont-ils pas autant à se plaindre que nous de l’indifférence et du manque d’encouragement pécunier [sic]? Revenez avec un plan meilleur, s’il vous en vient un meilleur à l’esprit; mais revenez avec la décision de »faire, de tenter quelque chose!« p[our]. consolider notre situation d’abord, p[our]. faire triompher notre influence ensuite. Avec du calme et de l’endurance, j’entrevois de beaux résultats. Nous avons trop d’atouts dans notre jeu à présent: Heÿmel [sic] et Mad[ame]. Förster-Nietzsche, pour ce qui en est des avantages pratiques et pécuniers [sic]. Je songe à mon exposition au Musée et vais faire en sorte de l’avancer de façon à pouvoir ouvrir vers le 1er février. – J’ai vu Madame Eucken Samedi dernier; elle ma prié d’ouvrir l’enveloppe contenant une lettre quelle vous adressait au sujet de la »Badeanstalt« de Jéna [sic]. J’ajoute cette lettre. Mais j’ai appris hier soir que les choses ne se présentaient pas exactement comme elle me les présentait. La Ville, la Banque d’épargnes et l’Institut-Zeiss aurait [sic] voix égale au chapitre. Je vais voir Rothe p[our]. lui demander si lui ou le Grand Duc, ou tous les deux, ne pourraient pas exercer une pression sur le Bourgmestre et sur la Banque. Les professeurs de l’Université qui me sont dévoués agiraient sur le Prof[esseur] Chapski [sic]. Vous-même m’aiderez près d’eux. Maria brûle d’impatience de voir le buste de Maillol que vous avez eu la gracieuseté de lui offrir. Mais moi – je ne me souviens pas; demain il sera entre ses mains. Comme je vous remercie! Je vais jouir de cette sculpture – immensément. Ces jours d’un peu de repos que je me suis forçé [sic] à prendre. J’ai appris à jouir de ce que nous avons. Et je me suis dit que vous n’en étiez pas encore arrivé à ce degré de calme
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et de quiétude. Allons, cela aussi viendra! foyer, foyer ... famille, ami très cher. Allez donc à votre destinée. Votre Henry. la création d’un Institut pour Arts Industriels: Im Oktober 1904 war der von van de Velde neu entworfene Teilabschnitt der Kunstschule eingeweiht worden. Neben einem geräumigen Oberlichtsaal befanden sich in diesem Gebäudekomplex Ateliers für Studenten und Professoren der Kunstschule, nicht aber des Kunstgewerblichen Seminars. Van de Velde hatte aus diesem Grund am 20. Juni 1904 ein offizielles Schreiben an den Großherzog unterbreitet und seine Vorschläge zur Errichtung eines separaten Gebäudes vis-à-vis der Kunstschule konkretisiert. Das neue Gebäude sollte das Kunstgewerbliche Seminar, die Bildhauerschule sowie van de Veldes Privatatelier vereinen und durch einen Garten mit der Kunstschule verbunden werden. Die Kosten der Gesamterrichtung bezifferte van de Velde auf 50.000 Mark (Immediatbericht von Henry van de Velde an Großherzog Wilhelm Ernst, 20.6.1904, ThHStaW Weimar, Hofmarschallamt Nr. 3720, Bl. 8–10, in: Wahl 2007, S. 156 ff.; Velde 1962, S. 254). Nach weiteren Verhandlungen erhielt van de Velde schließlich am 30. März 1905 von Großherzog Wilhelm Ernst die Erlaubnis, das Gebäude ausführen zu dürfen (Wahl 2007, S. 163 f.). Die Baugenehmigung erfolgte am 28. April 1905. Der erste Bauabschnitt wurde im November 1905, der zweite Bauabschnitt im Oktober 1906 bezogen (Wahl 2007, S. 163–179; Föhl 2010, S. 164–180). l’exposition de Corinth: Van de Velde bezieht sich hier auf die Ausstellung ›Jung-Berliner Künstler‹, die am 29. November 1904 im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe eröffnet worden war. Neben Walter Leistikow, Konrad von Kardoff, Robert Beyer und Emil Nolde war Lovis Corinth mit folgenden Werken vertreten: ›Der Verlorene Sohn‹ (Nr. 2), Porträts (Nrn. 19, 20, 26), ›Studie zu König Ödipus‹ (Nr. 16), ›Der Teufel in Verlegenheit‹ (Nr. 25), ›Ruhepause‹ (Nr. 23), ›Weibliche Akte‹ (Nrn. 18, 22), (vgl. Ausst. Kat. Weimar 1999.2, S. 94). Marie Rosalie Sylvie Ernestine Luise von Eichel (geb. von Reden, 1858–nach 1929). Marie von Eichel war die Gattin von Karl von Eichel, der bis 1904 als Hofmarschall der Erbgroßherzogin Pauline und von 1904 bis 1910 als Oberstallmeister am Weimarer Hof tätig war. la Grande Duchesse: Großherzogin Caroline Elisabeth Ida von Sachsen-Weimar-Eisenach (geb. Reuß ä. L., 1884–1905). Caroline war die Tochter von Fürst Heinrich Reuß XXII. ä. L. und Fürstin Ida (geb. Schaumburg-Lippe). Sie wuchs mit ihren fünf Geschwistern in Greiz auf und genoss eine unkonventionelle Erziehung. Caroline verlor im Alter von sieben Jahren ihre Mutter. Im 18. Lebensjahr wurde sie Vollwaise. Fürst Georg zu Schaumburg-Lippe nahm sie in Bückeburg auf und machte sie dort Anfang Dezember 1902 mit dem jungen Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach bekannt. Bereits am 9. Dezember 1902 erfolgte die Verlobung. Am 30. April 1903 fand die Hochzeit in Bückeburg statt. Anfang Juli 1903 traf das Brautpaar in Weimar ein und bezog das nahe gelegene Schloss Ettersburg. Van de Velde und Kessler waren gleichermaßen von der stolzen Sanftmut und dem angenehmen, klugen Wesen Carolines angetan. Umso mehr befürworteten sie ihre Aufgeschlossenheit gegenüber den neuen Kunst- und Kulturbestrebungen. »Die Grossherzogin naiv und spontan im Kunstgenuss;
Briefe und Kommentare 409 zuerst immer kleiner Kampf zwischen Etikette und impulsiver Hingabe; diese dann immer siegreich. Grosse Natürlichkeit.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 23.6.1903). Auch van de Velde rühmte ihren »Liebreiz«, ihre »ungewöhnliche Schönheit« und ihre »ebenso stolze und entschlossene Natur« (Velde 1962, S. 240 f.). Caroline lebte nur eineinhalb Jahre in Weimar. Sie starb am 17. Januar 1905, d. h. nur wenige Tage nach Abfassung des vorliegenden Briefes, im Alter von 20 Jahren an den Folgen einer Influenza und Lungenentzündung. Ihr früher Tod hinterließ bei van de Velde und Kessler eine tiefe Wunde. »Harry und ich folgten aufs tiefste erschüttert ihrem Sarg, der in der Weimarer Fürstengruft beigesetzt wurde. Wir hatten in der Großherzogin Karoline die Frau verloren, die eine ideale Schutzherrin aller unsrer Wünsche hätte werden können.« (Velde 1962, S. 255; vgl. weiterführend Egloffstein 1905; Post/ Werner 2006, S. 82–112). l’Exposition des ›Néo‹: Gemeint ist die ›Dritte Neo-Impressionisten-Ausstellung‹ vom 26. Februar bis 1. April 1905 im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe. Die Ausstellung zeigte Werke von Pierre Bonnard, Lucie Cousturier, Henri Edmond Cross, Maurice Denis, Paule Gobillard, Maximilien Luce, Ker-Xavier Roussel, Théo van Rysselberghe, Paul Signac und Edouard Vuillard (vgl. Ausst. Kat Weimar 1999.2, S. 94). Prof. Ferdinand Karl Friedrich Otto Eggeling (1836–1913). Otto Eggeling war seit 1893 Professor für Kunstgeschichte und Ästhetik an der Weimarer Kunstschule und schrieb häufig Rezensionen für die ›Weimarische Zeitung‹. Seine Tochter Luise (vgl. Anm. Brief 105) war mit Staatsminister Karl Rothe verheiratet. Eggeling, ein guter Freund des Malers Curt Herrmann, galt als Befürworter der von Kessler und van de Velde ausgehenden Bestrebungen. votre absence: In einem Brief an Eberhard von Bodenhausen hatte sich van de Velde bereits Anfang November 1904 über die permanente Abwesenheit Kesslers beklagt: »Il y a 4 mois qu’il est absent d’içi [sic]!« (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 10.11.1904, DLA). Selbst mit dem Tagebuchschreiben kam Kessler nicht mehr hinterher. Anfang Februar 1905 vermerkte er: »Seit zwei Monaten infolge sehr bewegten Lebens nichts notiert.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.2.1905). Alexander (gen. Sascha) Schneider (1870–1927), Maler, Graphiker, Buchillustrator. Nach seiner abgebrochenen Ausbildung an der Dresdner Kunstakademie und einer glanzvollen Würdigung auf der Dresdner ›Internationalen Kunstausstellung‹ wurde Sascha Schneider 1904 an die Weimarer Kunstschule berufen. Er erhielt eine Professur für Aktmalerei. Schneider flüchtete 1908 aufgrund einer homosexuellen Liebesaffäre aus der kleinbürgerlichen Enge Weimars in die Villa Romana nach Florenz und arbeitete dort freischaffend. Von 1914 bis zu seinem Tod 1927 lebte er in Dresden. Schneider galt nicht nur wegen seiner monumentalen, den Körperkult verherrlichenden und oftmals allegorischen Werke als moderner Exot. »Er ist in Geist und Manieren die vollkommenste Verkörperung dessen, was der Franzose ›une brute‹ nennt; eine Art Caliban.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 7.7.1905). Zum Zeitpunkt des vorliegenden Briefes fand im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe eine Ausstellung von Werken Sascha Schneiders statt. Die Ausstellung dauerte von Dezember 1904 bis Januar 1905. mon exposition au Musée: ›Weimarische Kunstgewerbe- und Industrie-Ausstellung‹ vom 11. Februar 1905 bis 6. März 1905 im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe (vgl. Anm. Brief 199). lettre: Vermutlich handelt es sich um folgenden von Irene Eucken an Harry Graf Kessler adressierten Brief vom 29. Dezember 1904, in dem es heißt: »Sehr geehrter Herr Graf. Unseren
410 Edition und Kommentar dicken Bürgermeister habe ich, wie ich Ihnen versprach für unsere Gesellschaft gewonnen. Ich sagte ihm, daß wir ihn für einen Mann mit weitem Blick und weichen Interessen hielten, und daß unsere Stadt noch manches von ihm erwarte. Das ist ihm glatt heruntergegangen. Er ist auch ein ganz kluger und keineswegs kurzsichtiger Mann[,] er ist nur sehr unfein und ihm fehlt zuweilen der Mut seine Ansichten durchzusetzen. Ich glaube, daß die Sachen mit dem Volksbad so liegen, daß wenn wir jetzt eine interessante Ausstellung von Veldes Architectur bekämen und dann einen geschickten Vortrag über moderne Architectur haben, die Sachen günstig für unsere Wünsche liegen. Der Bürgermeister brennt darauf Sie kennen zu lernen. Merken Sie wohl. Der Bürgermeister hat nur den Bauplatz für das Bad zu geben, wenn er ihn giebt wird der Bau sofort beginnen. Er will bis jetzt einen Platz geben, den Czapsky nicht will, bis jetzt wollte er auch den Stadtbaumeister zum Architecten, er hat darüber nichts zu bestimmen. Czapsky will den Stadtbaumeister nicht, und Czapsky ist der Leiter der Zeiss-Stiftung. Ich rate Ihnen dringend herüberzukommen und die Velde Ausstellung zu bewirken. Leider ist im Februar der Oberlichtsaal mit einer Ausstellung von Bildern und Möbeln hiesiger Künstler belegt, denen der Raum schon lange vorher versprochen war.« (Irene Eucken an Harry Graf Kessler, 29.12.1904, DLA). ›Badeanstalt‹ de Jéna: Der Gedanke, in Jena ein Volksbad zu errichten, wurde Ende 1903 publik. Geldgeber und Stimmberechtigte waren die Kommune, die Sparkasse und die Zeiss-Stiftung. Im Januar 1905 gründete sich zu diesem Zweck ein Komitee unter Vorsitz von Oberbürgermeister Heinrich Singer, dem Physiker Siegfried Czapski und dem Rechtsanwalt Hermann Zeiß. Wenngleich bereits erste Baupläne von Stadtbaudirektor Oskar Bandtlow vorlagen, wurde van de Velde auf Empfehlung Hans Oldes im Frühjahr 1905 in das Projekt eingebunden und am 19. November 1905 von Czapski endgültig gebeten, Entwürfe vorzulegen (vgl. Brief 240). Nach einigen Verzögerungen und auf Drängen von Czapski und Otto Binswanger präsentierte van de Velde erst im Januar 1906 die Entwürfe. Kessler hatte ihm bereits am 23. November 1905 seine Glückwünsche zum »Resultat von Jena« überbracht und den Vorschlag für die Anbringung eines Sandsteinfrieses von Maillol unterbreitet (vgl. Brief 242). Van de Velde legte zwei Entwürfe vor, die im Februar 1906 vom Komitee abgelehnt wurden. Stattdessen wurde der Architekt Wilhelm Werdelmann aus Barmen mit der Ausführung des Baus beauftragt. Das im späthistoristischen Stil errichtete Volksbad wurde am 31. März 1909 eröffnet (vgl. Irene Eucken an Harry Graf Kessler, 18.6.1905, DLA; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 14.12.1905, AML, FSX 784; Weigel-Schieck 1996, S. 34–44). le Professeur Chapski: Siegfried Czapski (1861–1907), Optiker, Physiker, ab 1891 Mitglied der Geschäftsleitung der Firma Zeiss, ab 1903 Nachfolger Ernst Abbes als Bevollmächtigter der Carl-Zeiss-Stiftung in Jena. le buste de Maillol: Vermutlich handelt es sich um folgende Büste von Aristide Maillol, die sich im Besitz von Maria und Henry van de Velde befand: Aristide Maillol, Damenporträt, um 1903/04 (Terrakotta, H: 34,3 cm, Privatbesitz)
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202 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 6.1.1905 AML, FSX 504/109, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
6.I.05 Cher ami, Vous avez mal interprété la cause de mon pessimisme. Ce n’est pas du tout à Weimar que je pensais, mais bien à la situation politique qui me paraît incertaine et assez sombre. Non que je partage tout à fait le pessimisme outrancier de la presse française, mais je vois des forces dangereuses, et dont on ne peut pas mesurer exactement la portée, s’agiter en France et en Angleterre pour amener la guerre, ou tout au moins un état de choses dont il n’y aurait d’issue que par une guerre. Voilà ce qui me rend inquiet. Weimar n’aurait plus la force de m’agiter grandement; c’est plutôt avec ironie que j’y vois toutes ces petites révolutions de petite cour, avec les pantins grotesques ou odieux qui s’y agitent; ça me donne des nausées, mais ça ne me paraît pas d’une très grande importance, même pour vous ni pour moi personnellement. Je serai de retour dans une dizaine de jours et je compte bien passer à Weimar environ deux mois alors, comme j’y ai passé six semaines avant la Noël, pendant votre absence. D’après ce que m’a dit Hildebrand à Munich, c’est bien Brütt qui doit avoir le monument Abbé. Ce bon Olde! C’est lui aussi qui a fait acheter la tartine Schneider au Grand Duc. Il l’en a complimenté devant moi, à ma table, avec un tact exquis. Malgré tout ça, il me semble que nos affaires à nous marchent, et que si seulement nous nous ancrons à Weimar, en nous fichant de toutes les menées sournoises et sales qu’on a le plaisir d’y découvrir de temps en temps, »c’est nous qui serons les princesses«. C’est immanquable, mon cher, les choses finiront toujours par répondre aux forces vraies, si seulement on ménage à celles-ci le temps de se développer. Il n’y a qu’une chose qui peut empêcher ça, c’est le manque de courage et d’obstination; et maintenant, une fois toutes hontes bues, et la bonne ironie étant venue nous cuirasser le cœur, je n’en manquerai pas, croyez-le bien cher ami. La crapule et la médiocrité n’y pourront rien. Il me semble même que pour moi une situation officielle n’est pas du tout indispensable pour rester à Weimar. J’ai même de temps en temps de très fortes tentations d’y renoncer, simplement pour le plaisir de pouvoir ignorer complètement l’existence de certaines gens qui ne sentent pas bon et que cette situation me force à me fourrer sous le nez de temps en temps. Mais croyez bien que je suis tout à fait optimiste quant à la situation générale de notre mouvement, et que même, si ça peut intéresser quiconque, ce mouvement finira,
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par sa force même, par emporter toute la valetaille de cour avec lui, comme un torrent déchaîné. Saluez je vous prie Madame Vandevelde et veuillez remercier ses enfants de leur jolie carte postale. Affectueusement Kessler Adolf von Hildebrand (1847–1921), Bildhauer, Kunstschriftsteller. Adolf Brütt (1855–1939), Bildhauer. Der seit der Studienzeit mit Hans Olde befreundete Adolf Brütt gründete am 1. Oktober 1905 in van de Veldes neu errichtetem Flügel der Kunstgewerbeschule eine eigenständige Bildhauerschule, die er bis 1910 leitete und die 1910 von der Hochschule für bildende Kunst übernommen wurde. le monument Abbé: Bereits zu Lebzeiten Ernst Abbes wurde der Gedanke konkret, in Jena ein Denkmal für den Wissenschaftler zu errichten. Wie aus dem vorliegenden Brief hervorgeht, war dafür zunächst der Bildhauer Adolf Brütt vorgesehen. Wenngleich bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Entwürfe vorlagen, warf der plötzliche Tod Ernst Abbes am 14. Januar 1905 ein anderes Licht auf die Diskussion. Mit der Gründung eines Denkmalkomitees Anfang Februar 1905 verband sich der einmütige Wunsch, mittels öffentlicher Spenden ein Figurendenkmal auf dem Carl-Zeiss-Platz zu errichten. Ein Wettbewerb wurde ins Leben gerufen, an dem sich neben Adolf Brütt, Ernst Paul und Hermann Hahn auch Adolf von Hildebrand beteiligte. Aufgrund zahlreicher Querelen innerhalb des Ausschusses konnte das ursprünglich geplante Vorhaben nicht umgesetzt werden. Das Komitee konstituierte sich 1908 neu und forcierte die Etablierung einer komplexeren Gedenkstätte nach Entwürfen von Henry van de Velde. Das noch heute existierende Abbe-Denkmal wurde am 30. Juli 1911 eingeweiht. Als Teile des Gesamtkunstwerkes waren Abgüsse von Constantin Meuniers Relief für das ›Monument au travail‹ (›Denkmal der Arbeit‹) sowie die von Max Klinger gestaltete Porträtbüste von Ernst Abbe integriert (vgl. Briefe 209, 312, 327, 328; Henry van de Velde an Max Klinger, 27.2.1905, 10.3.1909, 21.7.1909, 28.7.1910, 3.8.1910, 17.9.1910, Stadtarchiv Naumburg, 701; Octave Maus an Henry van de Velde, 5.4.1909, AML, FSX 573; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 13.12.1905, 24.7.1911, AML, FSX 784; Velde 1962, S. 314–318; Wahl 1988, S. 130–147; Grohé 1996; Föhl 2010, S. 217–220).
203 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 7.2.1905 AML, FSX 504/110, Brief
Paris ce 7.II 05. Bien cher ami J’ai eu le grand regret de ne pas être tout à fait d’accord avec vous hier. Il me semble, en effet, qu’une grande assemblée du monde de la Cour, sur une invitation du Musée, en ce moment, pourrait paraître singulière
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et prête [sic] à toutes sortes d’insinuations et de racontars, qui ne manqueraient pas d’être servis avec commentaires au Gr[and]. D[uc]. C’est donc dans l’intérêt de la cause que nous servons tous les deux que je vous ai déconseillé ces invitations. Par contre, je ne vois aucun inconvénient moral à envoyer aux personnes que vous désirez intéresser et attirer un catalogue de votre exposition, qui aura le même résultat qu’une invitation et attirera l’attention sur cette exposition, qui me tient à cœur, croyez[-] le, autant qu’à vous. Si vous désirez tout de même passer outre, veuillez me le faire savoir par dépêche; vous n’aurez qu’à me télégraphier »tout de même«, et j’enverrai les instructions nécessaires à Payern. – L’état de ma mère m’inspire, malheureusement, des inquiétudes de plus en plus vives. Tout en n’étant pas alitée, elle est d’une faiblesse extrême, à ce point, que les médecins hésitent à lui permettre un voyage. Je suis donc dans une incertitude cruelle, mon désir étant, vu les inconstances, de l’accompagner, si elle part. Enfin, j’attendrai la fin de la semaine, à moins de raisons urgentes me rappelant à Weimar. Si le Gr[and]. D[uc]. devait être à Weimar et venir à votre Exposition, je vous prie instamment de me lancer une dépêche; je retournerai de suite, quitte à repartir le lendemain. – Notre situation à nous tous, ici, semble s’améliorer de plus en plus. Vous savez le succès inespéré de l’Exposition Signac. Il a vendu toutes ses aquarelles, excepté deux. C’est prodigieux! Denis est à l’apogée. Bonnard prépare un triomphe certain avec des toiles qui dépassent tout à fait ce qu’il a fait jusqu’à ce jour. En outre, je reçois tous les jours des marques tout à fait significatives d’approbation. Des personnes que je ne connaissais pas du tout, comme Duret, Denis [sic] Cochin, Mirbeau, Sainsère me font dire et écrire, qu’elles désirent se mettre en rapports avec nous; Mirbeau a accepté d’écrire une préface à la traduction française de mon ouvrage. Enfin, je sens que nous sommes aujourdhui [sic] aussi fortement appuyés en France et en Angleterre qu’en Allemagne. Nous tenons le monde artistique dans nos mains. À aucun prix, nous ne devons perdre ce pivot merveilleux qu’est Weimar. – À ce propos, Bonnard vient à Weimar vers le 5 mars, de Berlin, où il fait le portrait de Mme Hermann [sic]. Ne pourriez-vous [pas] lui faire avoir des portraits à Weimar? Mme Watzdorff [sic] (la jeune), Mme Förster; vous[-]même? Il demande 800 francs!!! Et il est en progrès immense, c’est devenu un maître! Ce qu’il fait maintenant, comme portraits, a la vigueur, la sûreté de modelé, le sens psychologique des Degas de la belle époque. Vraiment, vous et Mme Förster, au moins, devriez profiter de son séjour à Weimar. Saluez, cher ami, Mme Vandevelde et les Bébés [sic]. Bien à vous deKessler.
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Je serai sûrement à Weimar, lundi prochain. Si vous pouviez retarder l’ouverture jusqu’à lundi, j’y assisterais. Brief: Van de Velde zitierte den Brief auszugsweise in seinen Memoiren, datierte ihn allerdings versehentlich auf ›Mai 1905‹ (Velde 1962, S. 284; Velde 1995, S. 229; Velde 1999, S. 191). votre exposition: Aufgrund der Trauerfeierlichkeiten um die verstorbene Großherzogin Caroline erfolgte keine offizielle Eröffnung der von van de Velde organisierten ›Weimarischen Kunstgewerbe- und Industrie-Ausstellung‹, die vom 11. Februar bis 6. März 1905 im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe stattfand (vgl. Anm. Brief 199). Van de Velde befolgte jedoch Kesslers Rat und lud einzelne Personen, wie z. B. Elisabeth Förster-Nietzsche, persönlich ein (Henry van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 10.2.1905, GSA 72/553). Kessler, der sich in Paris aufhielt, konnte an der Ausstellungseröffnung nicht teilnehmen. Si le Grand Duc devait être à Weimar et venir à votre Exposition: Wie die Lokalpresse vermeldete, stattete Großherzog Wilhelm Ernst dem Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe am 2. März 1905 »einen mehr als einstündigen Besuch ab« (Zeitung Deutschland, 2.3.1905). »Sehr eingehend«, so die Pressemeldung, »besichtigte der Großherzog die Ausstellung der Neo-Impressionisten im Oberlichtsaale und die Kunstgewerbe- und Industrie-Ausstellung in der zweiten Etage. Herr Prof. van de Velde, der sich zufällig im Museum befand, hatte die Führung übernommen« (vgl. Brief 204). l’Exposition Signac: Kessler bezieht sich auf die Ausstellung von Werken Paul Signacs in der Pariser Galerie Druet, die vom 13. bis zum 31. Dezember 1904 in Paris stattgefunden hatte. Théodore Duret (1838–1927), französischer Kunstkritiker, Kunsthändler, Schriftsteller. Baron Denys Marie Pierre Augustin Cochin (1851–1922), französischer Politiker, Chemiker, Schriftsteller, Kunstsammler. Octave Mirbeau (1848–1917), französischer Kunst- und Literaturkritiker, Schriftsteller, Journalist. Durch Vermittlung von Octave Mirbeau, der 1895 anlässlich der Eröffnung von Bings Galerie ›Art Nouveau‹ van de Veldes Stil weidlich verrissen hatte, erhielt Maillol 1905 den Auftrag zur Ausführung des Blanqui-Denkmals (vgl. Briefe 213, 216). Olivier Sainsère (1852–1923), französischer Politiker, Kunstsammler, Mäzen. mon ouvrage: Bezieht sich auf die erst 1908 erschienene Veröffentlichung von Kessler: ›Impressionisten. Die Begründer der modernen Malerei in ihren Hauptwerken‹ (Kessler 1908; vgl. Anm. Brief 197). Bonnard vient à Weimar: Pierre Bonnard verbrachte drei Tage in Weimar. In einem Brief vom 25. März 1905 schrieb er an Curt Herrmann: »J’ai passé 3 jours très agréables à Weimar où il faisait un temps de printemps très favorable avec promenades que l’on m’a fait faire.« (Pierre Bonnard an Curt Herrmann, 25.3.1905, in: Bothe 1989, Brief 25, S. 316 ff.). Pierre Bonnard war mit einigen Werken auf der ›Dritten Neo-Impressionisten-Ausstellung‹ vertreten, die vom 26. Februar bis 1. April 1905 im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar stattfand. le portrait de Mme Hermann: Pierre Bonnard, Sophie Herrmann auf dem Sopha, 1905 (Öl auf Leinwand, 79 x 59,3 cm [später beschnitten], Privatbesitz, Bothe 1989, Kat. SLG 9, S. 93 (Abb.), S. 98, S. 100, Anm. 17). Curt Herrmann und Pierre Bonnard kannten sich seit 1902.
Briefe und Kommentare 415 Bonnard kam Ende Februar 1905 nach Berlin, um Sophie Herrmann zu porträtieren (Pierre Bonnard an Sophie Herrmann, 16.2.1905, in: Föhl 1996, Brief 5, S. 141). Es entstanden das Bildnis ›Sophie Herrmann auf dem Sopha‹ sowie zwei Studien in Öl (vgl. Bothe 1989, Kat. SLG 8, S. 100, Anm. 17). Mme Watzdorff: Erika von Watzdorf (geb. Freiin Bachoff von Echt, 1878–1963) Journalistin, Schriftstellerin. Erika von Watzdorf war 1904 mit ihrem Ehemann Werner Freiherr von Watzdorf, der einen Posten als Legationssekretär an der Sächsischen Gesandtschaft erhalten hatte, nach Weimar gekommen und gehörte fortan zur Weimarer Hautevolee (vgl. Briefe 261, 263). Sie ließ sich bereits 1909 von ihrem Mann scheiden. 1997 wurden ihre Memoiren ›Im Wandel und in der Verwandlung der Zeit. Ein Leben von 1878 bis 1963‹ veröffentlicht (Watzdorf-Bachoff 1997).
204 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 25.2.1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag
Weimar, Vendredi 25 fév[ier]. 05 Je m’inquiète de vous, bien cher ami, et je suis vraiment embarassé [sic] de répondre à ceux qui m’interogent [sic] à votre sujet. Je m’inquiète parce que si l’état de santé d[e]. Mad[ame]. la Ctesse votre mère vous retient si longtemps c’est que cet état est grave! Dites-moi donc ce qui en est. Le Grand Duc s’étonne et exprime son étonnement! Rothe m’a demandé plusieurs fois si vous ne comptiez pas revenir et Palézieux m’a très bien parlé de vous l’autre soir. Le Grand Duc visite souvent le Musée avec de Fritsch. Il s’est rendu deux fois à l’Exp[osition]. de v[on]. Hofmann et 3 fois déja [sic] à mon Exp[osition]. Il y rencontre Goekel [sic], Olde et moi et vous, il ne vous voit plus! Nous avons déjeuné l’autre jour chez le Grand-Duc: Olde, Brütt le sculpteur qui viendra à Weimar étaient présents. Après le déjeuner il nous a retenu longtemps. Mon Exp[osition]. attire beaucoup de monde, de Payern vous aura renseigné. Le Landtag en corps, du Gewerbe Verein du pays, etc ... Si je ne vous ai pas écrit plutot [sic] cher ami, c’est que depuis 3 semaines je travaille toutes les nuits jusqu’à 1 heure. Je viens de terminer un rapport p[our]. le Grand-Duc sur les plans du Théatre [sic] que son grand père [sic] avait fait faire. Ce rapport – très étudié – conclut très fermement à l’impossibilité de laisser exécuter ces plans. Avant-même qu’il fut terminé le Grand-Duc m’a prié de pousser plus loin maintenant mes études et mes critiques. Il m’a prié d’étudier les différents
416 Edition und Kommentar
emplacements. Entretemps [sic] j’ai dû me rendre à Munich p[our]. un jour. M[onsieur]. Wollf [sic] de Mannheim s’y installe et je travaillerai p[our]. lui. J’ai commencé ce matin à placer les toiles de l’ Exp[osition]. NéoImp[ressionnistes]. L’ Exp[osition]. sera belle, malgré que les Maurice Denis ne soient à part »Notre Dame de l’Ecole« aussi beaux que ceux de l’ Exp[osition]. dernière. Je songe à cause de cela à exposer votre »Ensevelissement«[.] Malgré aussi que 5 toiles de Théo manquent et que les Bonnards ne sont pas aussi beaux que d’autres connus. Signac et Cross dominent l’ Exp[osition]. et Mad[ame]. Cousturier a de très belles toiles. Je terminerai le placement demain! Viendrez- vous p[our]. montrer cette Exp[osition]. au Grand-Duc? Ottobald Werthern fut içi [sic]; aussi Hauptmann! Ottobald est navré de ce que vous lui en vouliez! Il désire profondément vous rencontrer et il espérait tant vous voir à W[eimar]. De Palézieux m’a longuement parlé l’autre jour de vous, du Musée, des dispositions du Grand Duc au sujet de Musée et de ... de Payern le pauvre homme est condamné p[our]. raisons d’économies mais aussi vraiment il est trop bête. J’ai trop souvent maintenant l’occasion de mesurer sa bêtise et je perds toute patience devant lui! Il aurait fallu un grand effort p[our]. la présentation des toiles de cette Exp[osition]. Il aurait fallu pouvoir faire quelques frais p[our]. faire quelque chose de modestement inattendu. Mais je me sens brisé d’énergie en ce moment. J’ai trop travaillé, trop travaillé avec agitation et cette idée me tourmente; aurai-je le Th[éâtre]. à construire? Et s’il me passait sous le nez, quelle attitude aurais-je à prendre? Ecrivez-moi, bien cher ami, et rassurez-moi au sujet de Mad[ame]. la C[om]tesse votre mère. Bien votre Henry.
Briefe und Kommentare 417 Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag ist an folgende Adresse gerichtet: »à Monsieur le Comte H. de Kessler Hotel Chatham Rue Daunou Paris. Cecil Londres«. Den Durchstreichungen zufolge wurde der Brief von Paris nach London weitergeleitet, wo sich Kessler seit dem 21. Februar 1905 aufhielt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.2.1905). Auf dem Briefumschlag sind folgende Poststempel vermerkt: »Weimar 25.2.05 11-12«, »Paris 96 16 45 05 Gd. Hotel« und »London W.C. 7/8.AM MR 2 05« (vgl. Abb. S. 416). Vendredi 25 févier 05: Der 25. Februar 1905 fiel auf einen Samstag, nicht auf einen Freitag. de Fritsch: Hugo Karl Alexander Freiherr von Fritsch (Fritsch-Seerhausen, 1869–1945), Oberhofmeister, Kammerherr, von 1907 bis 1919 Oberhofmarschall am Weimarer Hof. Hugo Freiherr von Fritsch war als Amtsnachfolger von Flügeladjutant Graf Schlieffen seit 1904 als Oberhofmeister und Kammerherr am Weimarer Hof angestellt (vgl. Briefe 243, 271, 275, 283). Nach dem Tod von Aimé von Palézieux im Jahr 1907 übernahm er das Amt des Oberhofmarschalls, das er bis zum 31. Dezember 1919 bekleidete. Von Fritsch unterstützte van de Velde in vielfacher Hinsicht und ebnete u. a. Alfred von Nostitz-Wallwitz den Weg nach Weimar. »Er sah hervorragend aus [...]. Reiche und vielseitige Begabung zeichneten ihn aus. Seine Haltung und sein Auftreten waren von der unnachahmlichen Sicherheit, Eleganz und Vornehmheit, die nicht erlernt werden kann.« (Post/ Werner 2006, S. 97 f., Anm. 96, S. 110). Alfred von NostitzWallwitz zufolge nahm sich der einst »liebenswürdige Oberhofmarschall« 1945 auf seinem Landgut in Sachsen nach Einmarsch der Russen das Leben (Alfred von Nostitz-Wallwitz an Henry van de Velde, 15.1.1949, AML, FSX 615). l’Exposition de von Hofmann: Im Februar 1905 fand zeitgleich eine Ausstellung mit Werken von Ludwig von Hofmann und Theodor Hagen im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe statt. mon Exposition: ›Weimarische Kunstgewerbe- und Industrie-Ausstellung‹ vom 11. Februar bis 6. März 1905 im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe (vgl. Anm. Brief 199). Goekel: Hugo Friedrich Constantin von Goeckel (1857–1908), Geheimer Regierungsrat. Constantin von Goeckel gehörte dem Kuratorium des Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe an und begleitete als Vertreter des Ministerialdepartements des Großherzoglichen Hauses bis zu seinem Tod im Jahr 1908 die Gründung der Weimarer Kunstgewerbeschule. Théatre: Seit 1892 bestand der Plan, das 1825 errichtete Hoftheater durch einen Neubau zu ersetzen. Unter der Regie von Großherzog Carl Alexander wurde das Wiener Architekturbüro Fellner & Helmer mit der Ausfertigung der Entwürfe beauftragt. Nach dem Tod von Carl Alexander griff Großherzog Wilhelm Ernst, vermutlich auf Drängen von Hippolyt von Vignau, 1904 das Projekt erneut auf und stellte die nötigen Kosten zum überwiegenden Teil aus der eigenen Schatulle zur Verfügung. Wie aus dem vorliegenden Schreiben hervorgeht, beauftragte er van de Velde in diesem Kontext mit der Begutachtung der Entwürfe, ließ ihn jedoch bezüglich der Wahl des Architekten lange im Unklaren. Van de Velde rechnete sich dagegen gewisse Chancen aus, die durch Kessler genährt und gestützt wurden (vgl. Briefe 212, 213, 215, 218, 230). Tatsächlich wandte sich jedoch Großherzog Wilhelm Ernst an den Münchner Architekten Max Littmann und überließ ihm nach Vorlage diverser Vorentwürfe am 16. Juni 1905 endgültig den Auftrag. Im Nachgang wurde schließlich auch van de Veldes letzte Hoffnung begraben, wenigstens das großherzogliche Foyer im Inneren des Neubaus ausgestalten zu
418 Edition und Kommentar dürfen. Das Theater wurde schließlich am 11. Januar 1908 eröffnet (Velde 1962, S. 264–267; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 296; vgl. weiterführend Hecht 2005). Wollf: Dr. Alfred Wolff (1866–1959), Jurist, Bankier. Alfred Wolff und seine Frau Hanna gehörten zu van de Veldes treuesten Kunden. Bedingt durch mehrere Umzüge ließ sich das Ehepaar drei verschiedene Wohnungsausstattungen von van de Velde konzipieren: 1905/06 für die Münchner Wohnung am Karolinenplatz 5, 1908 für die Berliner Wohnung am Pariser Platz 6a und 1911/12 für die Münchner Wohnung in der Widenmayerstraße 25. Alfred Wolff leitete von 1905 bis 1907 und von 1911 bis 1917 die Filiale der Deutschen Bank in München. 1907 ging er als stellvertretendes Vorstandsmitglied nach Berlin und war dort bis 1911 im Direktorium der Deutschen Bank tätig (vgl. Briefe 213, 273, 307). l’Exposition Néo-Impressionnistes: Betrifft die ›Dritte Neo-Impressionisten-Ausstellung‹ vom 26. Februar bis zum 1. April 1905 im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar. In der Ausstellung waren die Künstler Pierre Bonnard, Lucie Cousturier, Henri Edmond Cross, Maurice Denis, Paule Gobillard, Maximilien Luce, Ker-Xavier Roussel, Théo van Rysselberghe, Paul Signac und Edouard Vuillard vertreten (vgl. Ausst. Kat. Weimar 1999.2, S. 94 ff.). les Maurice Denis: Folgende Werke von Maurice Denis waren ausgestellt: ›Unsere Jungfrau der Schule‹ (Nr. 26), ›Porträt von Vater Lenz‹ (Nr. 27), ›Eurydice‹ (Nr. 28), ›Ceremonie in St. Laurent‹ (Nr. 29), ›Brücke über dem Lungaro‹ (Nr. 30), ›Eliézeo‹ (Nr. 31), ›Vesuv am Abend‹ (Nr. 32), ›Ruinen nahe Foligno‹ (Nr. 33), ›Villa Borghese‹ (Nr. 34), ›Villa Borghese‹ (Nr. 35), ›Verkündigung‹ (Nr. 36), ›Beerdigung‹ (Nr. 37), (vgl. Ausst. Kat. Weimar 1999.2, S. 95). votre »Ensevelissement«: Maurice Denis, Ensevelissement (auch: Mise au tombeau; Élévation du Christ), 1903 (Öl auf Leinwand, 145 x 165 cm, Verbleib unbekannt, Kessler 1908, Taf. 60; Schuster/ Pehle 1988, S. 215; Schäfer 1997, S. 185 f.; Walter 2001, S. 88). Das Gemälde ›Ensevelissement‹ von Maurice Denis befand sich seit März 1904 in Kesslers Besitz und hing in der Bibliothek von Kesslers Weimarer Wohnung. Van de Velde integrierte das Gemälde in die ›Dritte Neo-Impressionisten-Ausstellung‹. Im gleichnamigen Katalog erscheint es unter dem Titel ›Beerdigung‹ als Nummer 37 (vgl. Schäfer 1997, S. 185 f.). 5 toiles de Théo: Théo van Rysselberghe war mit folgenden Arbeiten vertreten: ›Porträt Frau van de Velde und ihren Töchtern‹ (Nr. 59), ›Die Geigenspielerin‹ [=Irma Sèthe] (Nr. 60), ›Das schlafende junge Mädchen‹ (Nr. 61), ›Anthemis in Blüte‹ (Nr. 62), ›Tannenwäldchen in Cavaliére‹ (Nr. 63), ›Die Landschaft von Layet in Cavaliére‹ (Nr. 64), ›Strand von Morgat‹ (Nr. 65), (vgl. Ausst. Kat. Weimar 1999.2, S. 95). Signac et Cross: Henri Edmond Cross war mit folgenden Arbeiten vertreten: ›Ostwind im Mittelländischen Meer‹ (Nr. 15), ›Segelschiff gestrandet‹ (Nr. 16), ›Ufer des Mittelländischen Meeres‹ (Nr. 17), ›Canal Guidella‹ (Nr. 18), ›Canal Guidella‹ (Nr. 19), ›Moro Brücke‹ (Nr. 20), Aquarelle (Nr. 21–25). Paul Signac stellte aus: ›Les Diablerets‹ (Nr. 66), ›Castellane‹ (Nr. 67), ›Hafeneinfahrt von Tropez‹ (Nr. 68), ›Venedig – S. M. de la Salute‹ (Nr. 69), ›Venedig – Laterna di Giorgia‹ (Nr. 70), ›Venedig – Isola di Giorgias‹ (Nr. 71), ›Antibes. Schöner Tag im Februar‹ (Nr. 72–77), ›Venedig – La Dogana‹ (Nr. 78), ›Venedig – Laguna‹ (Nr. 79), ›Samois‹ (Nr. 80), ›Venedig‹ (Nr. 81), ›St. Tropez‹ (Nr. 82), ›Grenelle‹ (Nr. 83), ›Blühende Bäume‹ (Nr. 84), ›Samois‹ (Nr. 85), ›Venedig‹ (Nr. 86), ›Les ›Diablerets‹ (Nr. 87), ›S. Gingolph‹ (Nr. 88), ›Venedig – Jesuiten -Kirche‹ (Nr. 89), ›Venedig – Canal von la
Briefe und Kommentare 419 Guidecca‹ (Nr. 90), ›Venedig – St. Giorgio‹ (Nr. 91), ›Venedig – La Dogana‹ (Nr. 92), ›Venedig – Des Voiles‹ (Nr. 93), ›Venedig – La Salute‹ (Nr. 94), ›Die ‚Hohenzollern’ in Venedig‹ (Nr. 95–98), ›Antibes‹ (Nr. 99), ›St. Tropez‹ (Nr. 100), ›St. Tropez‹ (Nr. 101), ›Le Pont Neuf‹ (Nr. 102), ›Pont de Grenelle‹ (Nr. 103), ›Asnières‹ (Nr. 104), Skizzen für die Dekoration des Rathauses von Asnières (Nr. 105–108), (vgl. Ausst. Kat. Weimar 1999.2, S. 95 f.). Lucie Cousturier (1876–1925), französische Malerin des Neoimpressionismus. Von Lucie Cousturier wurden folgende Gemälde präsentiert: ›Gemüse‹ (Nr. 6), ›Stilleben‹ (Nr. 7), ›Mutterliebe‹ (Nr. 8), ›Blumen‹ (Nr. 9), ›Ansicht von St. Tropez‹ (Nr. 10), ›Dessert‹ (Nr. 11), ›Landschaft in der Bourgogne‹ (Nr. 12), ›Sonnenuntergang‹ (Nr. 13), ›Morgen in der Provence‹ (Nr. 14), (vgl. Ausst. Kat. Weimar 1999.2, S. 95). Gerhart Johann Robert Hauptmann (1862–1946), Schriftsteller, Dramatiker, 1912 Nobelpreisträger für Literatur. Van de Velde und Kessler verehrten den Dramatiker Gerhart Hauptmann in hohem Maße. Hauptmann zog es in regelmäßigen Abständen nach Weimar, wo es zu häufigen Begegnungen untereinander kam. Neben dem befreundeten Ehepaar von Hofmann lebte dort von 1905 bis 1908 auch sein ältester Sohn Ivo, der später van de Veldes Schülerin Erica von Scheel heiratete (vgl. Anm. Brief 225). Gerhart Hauptmann gehörte 1911 zu den Mitgliedern des Komitees zur Errichtung des Weimarer Nietzsche-Stadions (vgl. Briefe 243, 246, 279, 289, 306, 333, 350, 355).
205 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Weimar], [Poststempel: 3.3.1905] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Briefumschlag
à Monsieur le Comte H. de Kessler Hotel Chatham Rue Daunou. Paris France. Briefumschlag: Der Briefumschlag trägt den Poststempel »Weimar 3.3.05«. Es fehlt das zugehörige Schreiben.
206 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Weimar], 4.3.1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Ce 4 Mars 05 Bien cher ami, Je recois [sic] votre depêche [sic] au moment même où je dois songer à
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quitter la maison p[our]. un voyage et un assez long séjour probablement à Travemünde. J’avais retardé jusqu’aujourd’hui mon départ dans l’espoir de vous voir et de conférer précisément au sujet de cette réunion à Dresde qui m’avait été annoncée. C’est grand dommage que cette conférence n’ait pu avoir lieu avant que vous paraissiez au comité; nous eussions pu nous entendre avec les exposants. Mon sentiment au sujet de ma participation – comment l’exprimer en peu de mots et avec une netteté qui ne paraisse pas une impertinence! Je tiens ma participation à l’ Exp[osition]. de Dresden 1897 comme un point de départ p[our]. le K[unst]g[e]w[erbe]. allemand. Vous avez vécu tout cela de trop près p[our]. ne pas en avoir mesuré toutes les conséquences. L’impulsion fut-elle assez fertile! Le fait d’avoir donné cette impulsion et marqué historiquement ce point de départ me donne des droits, n’est-ce pas? Des droits à la meilleure place, égards, etc ..... D’autre part, je sens quelle responsabilité pèse sur moi de réexposer – à Dresde – après ces 6 ou 7 années écoulées. Que compte faire le comité p[our]. moi? Reconnaît-il ma situation? Et compte-t-il me faire une part parmi ces plus privilégiés? Vous saurez bien prendre l’attitude, cher ami, que je prendrais moi-même. Informez-vous des privilèges que l’on offrira aux autres exposants et p[our]. le moins, exigez plus! Pour le cas, où vous sentez qu’il y a quelque reconnaissance de la part du comité de ce que j’ai fait p[our]. l’Industrie et l’art Ind[ustriel]. allemand vous pouvez marcher et promettre une Exp[osition]. très conséquente, une participation passionnée de ma part et de mon .... »orchestre«! Ecrivez-moi à Travemünde »Pension Schmidt, Kaiserallée«. Quand vous rencontrerai-je, bien cher ami? Votre Henry Je suis mort de fatigue et très agité. Amitiés bien cordiales à de Nostitz. Briefumschlag: Der zugehörige Eilbriefumschlag ist gerichtet an: »Monsieur le Comte H. de Kessler Hotel Bellevue Dresde«. Die Anschrift ist allerdings von fremder Hand mit Buntstift durchgestrichen. Des Weiteren finden sich drei Poststempel »Weimar 4.3.05« und ein weiterer Poststempel »Dresden 5.3.05. 11-12V. Altst.1« auf dem Umschlag. depêche: Das Telegramm hat sich nicht erhalten.
Briefe und Kommentare 421 Travemünde: Van de Velde reiste am 7. März 1905 nach Travemünde, um die Arbeiten an der Innenausstattung der Villa Possehl zu betreuen. comité: Kessler, vom Großherzoglich-Sächsischen Staatsministerium zum Kommissar und Jurymitglied der Dresdner ›Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung‹ von 1906 benannt, oblag die Aufgabe, die Ausstellungsvorbereitungen vor Ort zu begleiten und die Interessen des Großherzogtums adäquat zu vertreten. Das Ziel bestand darin, van de Veldes Schaffen und Einflussnahme auf die thüringische Gewerbe- und Kunstindustrie würdig und umfänglich zu präsentieren. Noch bestand im März 1905 keine konkrete Vorstellung darüber, auf welche Weise dies geschehen sollte. Während van de Velde zunächst als raumkünstlerischen Beitrag an dem Projekt eines aufwendig gestalteten Foyers für das zukünftige Hoftheater festhielt (vgl. Anm. Brief 204), wurde ihm Ende Juni 1905 vom Großherzog anempfohlen, den geplanten Raum in ein anderes Gebäude zu verlegen. Van de Velde konzipierte daraufhin die sogenannte ›Museumshalle‹, für deren Umsetzung Kessler die nötigen Voraussetzungen in die Wege leitete. Insgeheim verband sich damit auch der Wunsch, endlich dem lang ersehnten Museumsneubau für Weimar Gestalt zu geben. Van de Veldes ›Museumshalle‹, ab dem 12. Mai 1906 in Dresden zu sehen und von der Presse heftig kritisiert (vgl. Brief 251), gelangte nach der Ausstellung zurück nach Weimar und wurde im Reithaus eingelagert, wo sie schließlich verrottete. Erhalten blieben lediglich fünf der ursprünglich sechs Gemälde Ludwig von Hofmanns (vgl. Briefe 218, 220, 222, 227, 230, 251, 255). l’ Exposition de Dresden 1897: Van de Velde bezieht sich hier auf die ›Internationale KunstAusstellung‹ in Dresden von 1897 und auf seine bahnbrechende Teilnahme daran, die ihm zum endgültigen Durchbruch in Deutschland verhalf.
207 Maria van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, März 1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1901–1904, Einladungskarte
Monsieur et Madame Henry van de Velde prient Monsieur le Comte Kessler de dîner chez eux le samedi 18 mars à 7 heures. R.S.V.P. Einladungskarte: Die Einladungskarte ist vorderseitig adressiert an »à Monsieur le Comte Kessler«. Van de Velde hatte seine Frau am 13. März 1905 aus Travemünde gebeten: »Inviteras-tu p[our]. Vendredi ou Samedi (les de Eichel, Rothe, Thuna [sic] ou d’autres). P[our]. Lundi, ensuite tu pourrais inviter une autre série.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 13.3.1905, AML, FSX 784).
422 Edition und Kommentar
208 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Paris], 30.3.1905 AML, FSX 504/111, Brief
ce 30.III 05. Cher ami Ma sœur m’a prié de commander la porcelaine avec les écussons. J’écrirai donc à Meissen. Mais me permettez-vous de vous demander, s’il ne serait pas possible de faire un tant soit peu plus profondes les assiettes à soupe? Je crains beaucoup, que tout le service ne soit rendu un peu unpraktisch par les assiettes à soupe. Il suffirait, si le service était livré le 1er juin. Veuillez, cher ami, me faire renseigner sur ce point. – En outre ma sœur prendra très probablement l’argenterie; mais elle désirerait voir les modèles, avant de donner la commande définitive. – En attendant, cher ami, une nouvelle qui est pour moi un petit évènement. Je viens d’acquérir pour »rien«, pour 3000 frcs, un Courbet, un Courbet qui m’a bouleversé jusqu’au fond de l’âme. C’est certainement le plus beau Courbet que je connais après »l’Enterrement«, et je connais de Courbet tout ce qu’on peut voir couramment. Vous verrez bientôt ce tableau. Tout ce que je puis vous en dire, c’est qu’il réunit des qualités de matière qui ne se trouvent ensemble chez personne d’autre, une solidité de vieille fresque, une profondeur et une richesse de faïence chinoise, et la grâce la plus ailée la plus diaphane, comme chez Whistler. – C’est un peu de rochers et de pâturages à Ornans, vert sur vert, avec un ciel d’une limpidité, d’une transparence »impossibles«. Ce sera certainement ma plus belle toile; car c’est une vraie »merveille«, que personnes [sic] ni Monet, ni Renoir, ni Whistler n’ont [sic] dépassée. Ce qui est curieux, c’est que c’était un Courbet complètement inconnu, il y a encore deux jours. Vollard l’avait acheté avant-hier dans une vente obscure, et je l’ai trouvé par hasard dans le fond de sa boutique. – J’ai dîné dimanche, avant mon départ, chez le Grand Duc. Nous avons mangé dans votre argenterie, qui était d’un très bel effet. J’étais à côté du Gr[and]. Duc à table, et nous nous sommes expliqué [sic] sur quelques points. Il paraissait très bien disposé, ce dont j’ai été assez surpris, pour des raisons que je vous dirai de vive voix. Il m’a beaucoup parlé de vous. Je serai à Londres, Cecil, jusqu’à mercredi; à Weimar jeudi soir ou vendredi matin. Donnez-moi donc des nouvelles de madame Vandevelde. Bien à vous Kessler.
Briefe und Kommentare 423 la porcelaine avec les écussons: Es sind bislang keine Meißner Serviceteile mit dem Allianzwappen Kessler-Brion aus dem ehemaligen Haushalt von Wilma de Brion bekannt. Wohl aber geht aus der Korrespondenz zwischen Kessler und der Porzellanmanufaktur Meißen hervor, dass sich Kessler 1905 diverse Entwürfe vorlegen ließ. Ein Speiseteller mit Golddekor und einem Wappen im Fond kostete demnach 24 Mark, die einfache Ausführung dagegen nur 14 Mark (Porzellan-Manufaktur Meißen an Harry Graf Kessler, 15.11.1905, DLA; vgl. Briefe 211, 213, 224). l’argenterie: Vgl. Anm. Brief 159. un Courbet: Nach derzeitigem Kenntnisstand lässt sich das Gemälde nicht eruieren. Eine Liste von Druet mit Kesslers Neuerwerbungen verzeichnet eine Position mit »la toile de Courbet. Paysage« (Eugène Druet an Harry Graf Kessler, 10.6.1905, DLA). Möglicherweise handelt es sich um das von Kessler im vorliegenden Brief beschriebene Werk. »l’Enterrement«: Gustave Courbet, Un enterrement à Ornans, 1849/50 (Öl auf Leinwand, 315 x 668 cm, sign.: »G. Courbet«, Musée d’Orsay, Paris, Inv. Nr. RF 325). Ornans: Heimatort von Gustave Courbet in der Nähe von Besançon. J’ai dîné: Kessler war am 11. oder 18. März 1905 zu Gast bei Großherzog Wilhelm Ernst in Ettersburg. Bei dem erwähnten Silber handelt es sich um das 1903 anlässlich der großherzoglichen Hochzeit von van de Velde entworfene Tafelgerät (vgl. Brief 163; Föhl/ Neumann 2009, S. 94–103, 274–279).
209 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 2.4.1905 AML, FSX 504/112, Brief
Weimar ce 2.IV.05 Cher ami, voici l’Alkestis et l’encrier [?]. J’ai pensé à ceci. On me demande de contribuer au monument Abbé, et j’en ai tout à fait l’intention. Mais puisque l’argent global est assuré, je préférerais beaucoup contribuer plus tard à un résultat spécial, par exemple à payer Gill pour l’inscription. Ceci vous agréerait-il, cher ami? On pourrait alors peut-être à deux ou trois arriver à payer Gill sans rien demander au Denkmalsfond. Qu’en pensez-vous? Brief: Der Briefschluss fehlt. l’Alkestis: Drama ›Alkestis‹ von Euripides, 438 v. Chr. uraufgeführt. monument Abbé: Vgl. Anm. Brief 202. Arthur Eric Routon Gill (1882–1940), englischer Bildhauer, Graphiker, Typograph für Publikationen der Cranach-Presse. Kessler engagierte Eric Gill für folgende Buchprojekte: ›Groß-
424 Edition und Kommentar herzog Wilhelm Ernst Ausgabe Deutscher Klassiker‹, ›Eclogen‹, ›Gauguin‹, ›Die Odyssee‹, ›Das Hohe Lied Salomo‹ (vgl. Anm. Brief 191, 196). Das Abbe-Denkmal erhielt keine Inschrift.
210 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Weimar], Frühjahr 1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
11.III.05 Bien cher ami, Madame Förster m’avait prié de monter dîner chez Elle. Voulez-vous m’excuser près d’Elle. Le médecin a reconnu que Maria avait une vraie pneumonie (ce dont je me doutais plus qu’à peine puisqu’elle crachait du sang depuis ce matin)[.] Il me dit de ne pas m’alarmer pourtant et que tout ira normalement. Je viendrai après le dîner si tout va bien. Votre Henry. 11.III.05: Das von anderer Hand hinzugefügte Datum »11.III.05« ist nicht korrekt. Van de Velde hielt sich an diesem Tag auswärts auf (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 11.3.1905, AML, FSX 786). Der Brief datiert von Frühjahr 1905. Eine exakte Datierung ist nicht möglich.
211 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Weimar], 15.5.1905 AML, FSX 504/113, Brief, Briefkopf (gedruckt): CRANACHSTRASSE 3 WEIMAR
15.V.05. Cher ami Klinger me demande, si vous accepteriez d’aller à Florence en Septembre pour 3 mois? avec Mme Vandevelde, bien entendu. – J’ai été à Dresde, où j’ai parlé avec les chefs de la manufacture de porcelaine au ministère. On paraissait très bien disposé, mais on me dit, qu’il serait indispensable, que vous alliez à Meissen pour 15 jours, pour vous familiariser avec les procédés. Je crois que vous devez plus ou moins ce sacrifice et à la porcelaine, et à Nostitz, qui se donne énormément de mal, pour vous
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assurer une influence sur la porcelaine de Meissen. Pour faire les assiettes plus minces il faudrait à ce qu’il paraît corriger l’ornement sur le rebord; celui[-]ci étant trop profondément creusé. Je suis désolé de partir juste au moment où vous rentrez. Mais Hofmannsthal m’écrit des lettres vraiment désespérées de Paris. Je serai de retour dans les premiers jours de juin. Je chauffe le ministère pour Dresde et pour le Musée, dont les plans sont chez moi, sur ma table de travail. Tenez bon pour le Théâtre. Il paraît que Rothe va vous parler à ce sujet. La seule possibilité de compromis que je vois, c’est qu’on vous adjoigne un architecte pour l’extérieur, peut-être Bruno Schmitz. L’intérieur à vous seul. Cette fois[-]ci je crois que nous devons tous jouer va banque. C’est trop important. Disposez absolument de moi dans cette affaire, cher ami. Hofmann est aussi prêt à tout. Je serai au Chatham jusqu’à vendredi en huit (le 27), après à Londres, Cecil. Comment avez[-]vous trouvé madame Vandevelde? Bien à vous Kessler. Je préfère renoncer au Musée, que ne pas vous voir donner le théâtre. d’aller à Florence: Max Klinger hatte am 4. April 1905 die Villa Romana in Florenz zur Etablierung eines deutschen Künstlerhauses erworben. Am 16. Mai 1905, d. h. einen Tag nach Abfassung des vorliegenden Briefes, wurde van de Velde während der Vorstandssitzung des ›Deutschen Künstlerbundes‹ in Berlin und in Abwesenheit von Kessler neben Georg Kolbe, Fritz Erler, Kurt Tuch, Gustav Klimt, Ulrich Hübner und Thomas Theodor Heine zum Preisträger der Villa Romana gekürt und erhielt einen Studienaufenthalt in Florenz, den er jedoch nach mehrmaligem Verschieben nicht wahrnehmen konnte. In seinen Memoiren bezieht sich van de Velde wie folgt auf den vorliegenden Brief: »Harry m’avait écrit dès qu’il apprit la nouvelle et insistait vivement pour que j’accepte l’invitation et m’accorde ne fut-ce que quelques mois de recueillement et de repos.« (Velde 1999, S. 226). Wie aus einigen Briefen von Max Klinger an van de Velde hervorgeht, wurde van de Velde auch mit dem Entwurf von Möbeln für die Villa Romana betraut, die jedoch nicht zur Ausführung gelangten (Max Klinger an Henry van de Velde, 13.10.1905, 1./29.11.1905; undat., AML, FSX 507; Henry van de Velde an Max Klinger, 28.4.1905, 25.7.1905, StAN, 699; Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 19.8.1906, DLA; Velde 1995, S. 273 f.; Föhl 2005, S. 40–55). la porcelaine de Meissen: Neben Alfred von Nostitz-Wallwitz, der seit 1904 als Regierungsrat in Dresden tätig war, setzte sich nunmehr auch Kessler als Kommissar und Jurymitglied der Dresdner ›Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung‹ für van de Veldes Belange in Sachsen ein (vgl. Brief 206) Hierzu gehörten auch die Verhandlungen mit dem Sächsischen Landtag sowie der Meißener Porzellanmanufaktur um ein 42-teiliges Service, das van de Velde bereits im Dezember 1903 und März 1904 entworfen hatte, das jedoch mehrfach abgeändert werden musste. Das Service wurde im Juli 1905 erstmalig im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe (vgl. Zeitung Deutschland, 1.7.1905) und ab Mai 1906 auf der ›Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung‹ in Dresden ausgestellt. Die Einführung des Services von van de Velde war jedoch noch im September 1905 Thema im Sächsischen Landtag. Wie
426 Edition und Kommentar aus einem Brief von Alfred von Nostitz-Wallwitz hervorgeht, sträubten sich sämtliche Beamte gegen die Herstellung eines solchen Porzellans (Alfred von Nostitz-Wallwitz an Harry Graf Kessler, 26.9.1905, DLA). Hiergegen stand jedoch das Bestreben der Porzellanmanufaktur, die künstlerische Qualität der Gebrauchsporzellane zu heben und damit den Absatz zu steigern (vgl. Schreiben der Administration der Porzellan-Manufaktur Meißen an das Kgl. Sächsische Finanzministerium Dresden, 3.3.1905, Staatliche Porzellan-Manufaktur Meißen GmbH, AA IBb 45/92a, 96b, 97a). lettres: Am 13. Mai 1905 depeschierte Hugo von Hofmannsthal aus Paris an Kessler: »sehr verstimmt werde nur durch die liebe Hoffnung deines Kommens gehalten.« (Hugo von Hofmannsthal an Harry Graf Kessler, 16.5.1905, in: Burger 1968, Brief 107, S. 103). Grund der Verstimmungen waren Schwierigkeiten in Bezug auf die Ausstattungskosten der ›Elektra‹. Edward Gordon Craig, Hugo von Hofmannsthal, Eleonora Duse und Harry Graf Kessler waren in diese Angelegenheit verwickelt (vgl. Briefwechsel zwischen Hugo von Hofmannsthal und Harry Graf Kessler, in: Burger 1968; vgl. Briefwechsel zwischen Edward Gordon Craig und Harry Graf Kessler, in: Newman 1995). le Théâtre: Vgl. Anm. Brief 204. Bruno Schmitz (1858–1916), Architekt, Entwerfer zahlreicher Nationaldenkmäler: Kyffhäuser-Denkmal (1896), Porta Westfalica (1896), Deutsches Eck in Koblenz (1897), Völkerschlachtdenkmal in Leipzig (1898–1913).
212 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 22.5.1905 AML, FSX 504/114, 114a, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL RESTAURANT FOYOT PARIS
Paris, le 22 mai 1905 Cher ami Je crois que nous tenons le théâtre. Je viens de voir quelquechose [sic] qui, par une combinaison, vous le donnera, j’en ai la confiance, sûrement. Voici. Fortuny a construit pour madame de Béarn dans son Hotel [sic] ici une scène, qui est en train de se terminer, et qui est absolument extraordinaire, d’éclairage, de simplicité, de bon marché. L’idée de Craig, du ciel capote, y est réalisée; tout, tout y est. Enfin, je vous dis, c’est une merveille. Et bien, Fortuny a accepté de venir à Weimar avec ses plans, ses maquettes, ses effets d’éclairage, sur une petite scène modèle, où il peut montrer son ciel, ses nuages, ses éclairages etc., de vous soumettre tout ça, de vous l’offrir, pour ainsi dire, et de faire corps avec vous. Je me suis entendu avec lui sur les conditions suivantes: je le présente au Gr[and]. Duc, je fais tout pour qu’on s’intéresse à lui là[-]bas (ce qui arrivera infailliblement, ce ne fut ce [sic] que pour le bon marché): mais lui par contre s’engage à n’accepter de faire la scène qu’à la condition que vous fassiez le théâtre. Il sera à Weimar
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dans les premiers jours de Juillet. Mais je tiens pour indispensable que vous voyiez avant avec lui le Théâtre de madame de Béarn. Venez donc à Paris aussitôt que possible. Fortuny reste ici jusqu’à la fin de juin. Bien à vous, en hâte deKessler Mon adresse est Grand Hotel [sic], Paris jusqu’à vendredi. Mariano y de Madrazo Fortuny (1871–1949), spanisch-italienischer Maler, Bühnenbildner, Designer, Modeschöpfer, Buchkünstler, Photograph. madame de Béarn: Martine Marie Comtesse de Béarn (geb. Comtesse Pol de Béhague, 1869– 1939), Mäzenin, Musik- und Theaterliebhaberin. son Hôtel: Kessler bezieht sich auf das Pariser Stadthaus ›Hôtel de Béhague‹ (heute: Rumänische Botschaft) der Comtesse de Béarn in der Avenue Bosquet 22. Als Meister theatralischer Lichteffekte stattete Mariano Fortuny 1905 das hauseigene Theater im sogenannten ›Salle Byzantine‹ mit einem raffinierten, tiefenillusionistischen Kuppelsystem aus. Hugo von Hofmannsthal ermöglichte Kessler am Tag des Abfassens des vorliegenden Briefes, das Theater von Fortuny zu besichtigen (Hugo von Hofmannsthal an Harry Graf Kessler, 21.5.1905, in: Burger 1968, Brief 109, S. 103). Die von Kessler avisierte Zusammenarbeit zwischen Fortuny und van de Velde kam nicht zustande (vgl. Briefe 209, 214, 216), da schließlich Max Littmann mit der Ausführung des Weimarer Hoftheaters betraut wurde (vgl. Anm. Brief 204). Inwieweit es zu weiteren Absprachen zwischen Fortuny und van de Velde in Bezug auf die Einrichtung von Natascha von Golubeff kam, ist nicht bekannt. Belegt ist, dass Fortuny im Mai 1905 bei Natascha von Golubeff vorstellig war und dass er van de Velde hinsichtlich der Beleuchtung zu kontaktieren gedachte (Mariano Fortuny an Harry Graf Kessler, 31.5.1905, DLA). le théâtre: Vgl. Anm. Brief 204.
213 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Weimar], 24.5.1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Ce 24 Mai, matin [1905] Merci, bien cher ami, d’avoir laissé à Weimar une lettre p[our]. moi; de m’en avoir écrit [sic] une autre de Paris. Vous me communiquez votre enthousiasme mais non tout à fait votre belle confiance. Oui, si nous avions à faire avec des personnages différents, d’une nature plus éclairée, plus vibrante et plus haute. J’ai beaucoup entendu parler des tentatives de Fortuny et vous pensez
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bien que je m’y intéresse plus que personne. Mais comment concilier un nouveau voyage à Paris avec tous les voyages que j’ai à faire: Travemünde d’abord, Chemnitz et Munich ensuite et puis Dresde où vous me conseilliez d’aller et puis d’autres déplacements encore? Et de travaux – je suis surchargé, tous préssants [sic], nécessitant du recueillement et de l’application. Néanmoins, si je peux, je vais tâcher de m’échapper p[our]. deux jours pendant le mois prochain et me rendrai à Paris. Me donnerez-vous l’adresse de Fortuny et me renseignerez-vous quand vous serez à Paris. Entretemps [sic], vous aurez renseigné Rothe n’est-ce pas sur votre découverte et sur votre intention de lui présenter Fortuny. Il faut qu’ils ne fassent rien, içi [sic]; ne prennent aucune décision avant que Fortuny ait montré sa scène-modèle. Ne pas parler de moi, à présent; nous discuterons la marche à suivre. – Bien cher ami, il faut que tant que vous serez à Paris vous visitiez Mirbeau. La mort de C[onstantin]. Meunier remet toute cette affaire du monument Zola, en question. Je sais par la fille de Meunier, elle[-]même, que la famille ne permettra en aucun cas, l’execution [sic] par Charpentier de la maquette faite par Meunier. Il s’agit donc de mettre toutes les influences en branle p[our]. que Maillol obtienne, cette fois, le monument. Faites-vite et faites agir énergiquement. – Pouvez-vous me faire envoyer par Madame votre Sœur, les armoiries définitives p[our]. les assiettes de Meissen? N’oubliez pas ceci et dites mon regret à Madame votre Mère, à Madame votre Sœur de n’avoir pu attendre votre arrivée à Paris p[our]. me faire présenter, par Vous bien cher ami, à Elles. Maria et mes enfants, sont bien installés à Wenduÿne [sic]. Tous sont bien portants. Bien affectueusement Henry. les voyages: Van de Velde reiste zunächst nach Travemünde, am 10. Juni 1905 nach Chemnitz und am 30. Juni 1905 nach München, um seine Privataufträge für die Familien Possehl, Esche und Wolff zu betreuen. mort: Constantin Meunir war am 4. April 1905 im Brüsseler Stadtteil Ixelles verstorben. monument Zola: Constantin Meunier & Alexandre Charpentier, Denkmal Émile Zola, 1902– 1909, 1924 errichtet und 1942 zerstört, (Bronze, ehemaliger Standort: Paris, avenue Émile Zola). Kurz nach dem Tod von Émile Zola nahm die ›Ligue des droits de l’homme‹ unter Vorsitz von Françis de Pressensé die Planungen zur Errichtung eines Denkmals zu Ehren des französischen Schriftstellers für Paris in Angriff. Während sich der Vizepräsident Octave
Briefe und Kommentare 429 Mirbeau für Aristide Maillol einsetzte (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.1.1903; vgl. Anm. Brief 196), betraute die Kommission Constantin Meunier mit der Ausführung. Meunier zögerte jedoch und nahm schließlich den Auftrag unter der Bedingung an, einen französischen Bildhauer zur Seite gestellt zu bekommen. Alexandre Charpentier wurde sein Partner, und mit ihm stellte Meunier schließlich ein Modell vor, das nicht überzeugte und deshalb verändert werden musste. Zahlreiche Querelen und Uneinigkeiten zwischen beiden Künstlern führten dazu, dass Meunier allein weiterarbeitete. Sein plötzlicher Tod verhalf Charpentier gegen den Willen der Angehörigen Meuniers, das Werk allein zu vollenden. Das Monument konnte erst 1924 in der Avenue Émile Zola errichtet werden, wurde jedoch im Zweiten Weltkrieg zerstört. la fille de Meunier: Charlotte Catherine Marie Jacques (geb. Meunier, 1866–1942). Alexandre Charpentier (1856–1909), französischer Bildhauer, Medailleur, Dekorateur. Maillol: Maillol hatte sich 1903 vergebens am Wettbewerb um die Ausführung des Zola-Denkmals beteiligt, wenngleich sich einflussreiche Personen für ihn engagiert hatten: »Vollard erzählte mir gestern, dass Rodin und Mirbeau eine ›campagne acharnée‹ begonnen hätten, um Maillol den Auftrag zum Zola Denkmal zu verschaffen. Aber sie würden sicher scheitern, wegen der Eifersucht der andren Künstler et parcequ’il y a 50,000 francs à gagner.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.1.1903). Wenduyne: Um ihre Lungenentzündung vollständig auszukurieren, war Maria van de Velde auf Empfehlung ihres Weimarer Hausarztes Dr. Ruedel am 4. Mai 1905 zusammen mit ihren fünf Kindern an die belgische Küste aufgebrochen. Sie wurde bis Aachen von einem Mitarbeiter der Weimarer Möbelfirma Scheidemantel begleitet. Ab Aachen schloss sich Erica von Scheel als Reisegefährtin an, die gerade ein Praktikum im Bildhaueratelier von Paul Dubois absolvierte und Maria van de Velde gelegentlich bei der Kinderbetreuung aushalf. Ziel des viermonatigen Aufenthalts war das beliebte belgische Seebad Wenduine (frz. Wenduyne). Unterbrochen von Stippvisiten in Brüssel, Antwerpen und London hielt sich Maria van de Velde mit ihren Kindern in der ›Villa des Goëlands‹ auf. Henry van de Velde kam Ende Juli 1905 zu Besuch und verbrachte einige Urlaubstage im Beisein seiner Familie (vgl. Brief 222).
214 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Weimar], [Poststempel: 25.5.1905] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Briefumschlag
à Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Grand Hotel [sic] Paris France. Briefumschlag: Der Briefumschlag trägt die Poststempel »Weimar 25.5.05« und »Paris 26-5 05 Etranger«. Es fehlt das zugehörige Schreiben.
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215 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 26.5.1905 AML, FSX 504/114bis, Brief, Briefkopf (gedruckt): GRAND HÔTEL PARIS 12, Boulevard des Capucines
Le 26 mai 1905 Mais oui, cher ami, vous devez répondre tout de suite à Klinger. C’est même, peut[-]être, trop tard; car je vois, par les journaux, qu’on a déjà choisi trois des sept artistes. Ecrivez, je vous en prie, de suite. Ce que vous dites sur la façon de présenter Fortuny est peut-être juste; mais quelle que soit la forme, vous devez voir son théâtre chez Mme de Béarn et ses maquettes. J’ai une confiance presque absolue dans l’affaire, si nous manœuvrons adroitement. Lui, il est un très gentil garçon et un parfait galant homme. Je reste ici jusqu’à mardi, puis quelques jours à Londres. Les Hofmannsthal sont partis avant-hier. Lui se lie de plus en plus étroitement à nos intérêts. Il m’a dit qu’il se mettait à notre entière disposition, en tout. – J’ai tout de suite communiqué votre nouvelle à Mirbeau, que je sortais de voir en recevant votre lettre. J’ai déjà sa réponse. Il a vu Geffroy hier soir, qui lui a dit que Meunier s’était lié par traité à faire exécuter sa maquette par Charpentier; que les héritiers ne pourraient donc rien faire. Mais, par contre, Mirbeau a trouvé l’occasion de glisser à Geffroy l’idée de donner le monument Blanqui à Maillol. Il paraît que Geffroy dispose de la commande et qu’il est très bien entré dans les vues de Mirbeau. – Vous savez que Mirbeau est devenu mon collaborateur pour la France dans ma publication. – On a aussi retrouvé les bois de Noa Noa, et je vais en faire une édition du texte original, sans la sauce de Morrice [sic], à Weimar, avec les bois. 100 exemplaires à 100 frcs. C’est déjà tout arrangé. Je serai à Weimar mardi en huit. Bien amicalement Kessler. Excusez encore cette plume française, abominable; j’ai laissé les miennes à Weimar et suis donc condamné à faire des pattes de mouche pendant tout ce voyage. trois des sept artistes: Bei den genannten Künstlern handelt es sich um die ersten Villa-RomanaPreisträger Georg Kolbe, Kurt Tuch und Ulrich Hübner, die sich von Ende 1905 bis Frühjahr 1906 als Stipendiaten in Florenz aufhielten. Gustave Geffroy (1855–1926), Journalist, Literatur- und Kunstkritiker, Mitglied der Académie Goncourt, ab 1908 Direktor der Pariser ›Manufacture nationale des Gobelins‹. Geffroy widmete 1897 Louis Auguste Blanqui (gen. L’enfermé) den gleichnamigen Roman ›L’enfermé‹.
Briefe und Kommentare 431 sa maquette: Betrifft das Modell des Denkmals zu Ehren Émile Zolas (vgl. Anm. Brief 213). le monument Blanqui: Aristide Maillol, Action enchaînée, 1908 (Bronze, 215 x 97 x 90 cm, Standort: Puget-Théniers). Tatsächlich erhielt Maillol 1905 durch Vermittlung von Octave Mirbeau den Auftrag zur Ausführung eines Denkmals zu Ehren des französischen Sozialisten und Revolutionärs Louis Auguste Blanqui. Anlässlich des 100. Geburtstages sollte das Denkmal im Geburtsort von Blanqui in Puget-Théniers errichtet werden. Anstelle eines ganzfigurigen Porträts des Sozialrevolutionärs schuf Maillol einen großen weiblichen Akt mit dem Titel ›Action Enchaînée‹ (›Gefesselte Aktion‹). Die Errichtung des Denkmals gegenüber der Kirche von Puget-Théniers verursachte zahlreiche Kontroversen und führte dazu, dass die Statue zeitweise entfernt und erst nach den Neuwahlen 1911 wieder aufgestellt wurde. Seit 1923 befindet sie sich auf dem ehemaligen Marktplatz von Puget-Théniers, allerdings ohne den originalen Sockel (Héran 1999, S. 22 f.). Zu Kesslers Privatsammlung gehörte eine kleine Vorstudie der ›Action Enchaînée‹ (Walter 2001, S. 91). ma publication: Bezieht sich auf Kesslers Publikation ›Impressionisten. Die Begründer der modernen Malerei in ihren Hauptwerken‹, die 1908 nur auf Deutsch erschien und laut einer Rechnung an Curt Herrmann zum Preis von 360 Mark zu erwerben war (vgl. Anm. Brief 197; Rechnung an Curt Herrmann, 22.10.1908). les bois de Noa Noa: Nach der Rückkehr von seinem ersten Aufenthalt auf der Südseeinsel Tahiti, der von 1891 bis 1893 währte, hielt Paul Gauguin seine Eindrücke in dem autobiographischen Bericht ›Noa, Noa‹ fest, der mit einer Serie von zehn Farbholzschnitten in Zusammenarbeit mit dem Kunstkritiker und Schriftsteller Charles Morice veröffentlicht wurde. Das Manuskript tauchte 1904 wieder auf und befindet sich seit 1927 im ›Cabinet des Dessins‹ im Louvre. Wie aus dem vorliegenden Brief hervorgeht, gab sich Kessler offensichtlich dem Plan hin, den originalen Text von Paul Gauguin und die Farbholzschnitte »sans la sauce de Morice« (»ohne das Drumherum von Morice«) in Weimar zu drucken. Am 17. Februar 1905 hielt er fest: »Bei Fayet, Gauguin. Mit ihm zu Fabre und nachher zu de Monfreit. Über eine Ausgabe von Noa Noa und der nachgelassenen Schriften. Ich erbot mich, sie zu drucken.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.2.1905). Das Projekt kam nicht zustande. Stattdessen veröffentlichte Kessler 1906 die von Jean de Rotonchamp verfasste Monographie über Paul Gauguin. Das Buch wurde unter Leitung von Kessler von der Weimarer Druckerei R. Wagner Sohn in der Caslon-Antiqua und in der Caslon-Kursive in 300 Exemplaren gedruckt. Es erschien bei dem Pariser Kunsthändler Eugène Druet und wurde in Deutschland durch den Insel-Verlag vertrieben (vgl. Rotonchamp, Jean de: Paul de Gauguin 1848–1903, Paris 1906).
216 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Weimar], 28.5.[1905] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Ce 28 Mai [1905] matin, Bien cher ami, Merci de la lettre »écrite au Restaurant avec la plume abominable«. Je suis
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tout disposé à faire faire une maquette de Théâtre qui s’adapterait àla [sic] scène-Fortuny. – J’y travaillerai avec passion dès que j’aurai pu me renseigner sur cette scène. Je vous renseignerai au sujet de la date de mon déplacement possible. Dès à présent, je crois pourtant devoir attirer votre attention sur le danger qu’il y a que le Grd. Duc ne considère ma collaboration avec Fortuny comme une »pression« sur lui. Il faut lancer Fortuny seul d’abord et faire entendre ensuite au Grd. Duc qu’il existe une maquette complète, Fortuny-v.d.V. – Je remarque que j’ai oublié de vous parler dans ma dernière lettre de la proposition Klinger. Dois-je la considérer comme officielle et lui répondre? Comme ce serait le moment de décrocher ce Théatre [sic] et d’aller travailler avec mes collaborateurs à Florence! Affectueusement Henry Théâtre: Betrifft die Entwürfe für das Weimarer Hoftheater (vgl. Anm. Brief 212). la proposition Klinger: Betrifft den Studienaufenthalt in der Florentiner Villa Romana (vgl. Anm. Brief 211).
217 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 28.5.1905 AML, FSX 504/115, Brief, Briefkopf (gedruckt): GRAND HÔTEL PARIS 12, Boulevard des Capucines
Le 28.V.1905 Cher ami, je suis très heureux. Je reviens de déjeuner chez Rodin, où il a fait passer devant mes yeux des centaines de ses dessins, pour que j’en fasse un choix à destination du Musée. Il m’a promis de faire don d’une Salle Rodin au Musée, si je voulais lui en ménager la place à la reconstruction, c’est[-] à[-]dire d’une salle, où il réunirait, autour de l’âge d’airain, des dessins et surtout un grand nombre de ses petits modèles en plâtre qui sont peutêtre ce qu’il a fait de plus beau. Quelle admirable chose, si ça se réalise, ce qui ne dépend que de nous; car Rodin tient ses promesses. Il faudra donc songer à cette salle bien claire, bien placée etc. Il a été tout à fait charmant. Il voudrait que je l’accompagne en Grèce l’hiver prochain, pour faire un livre avec lui; c’est[-]à[-]dire non pas un livre sur lui, mais un résumé de ses idées sur l’Art, qu’on sténographierait tout en causant, et qu’il reverrait
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et éditerait comme un livre de lui-même. C’est extrêmement tentant, ne trouvez-vous pas? Mais pourrai-je m’absenter? Il y faudrait au moins six semaines, en décembre et janvier. Nous pourrions peut-être tous faire coïncider notre voyage avec cette époque? D’un autre côté il a des aperçus admirables, qui se perdront ou arriveront galvaudés à la »postérité«, si on ne s’occupe pas de faire une chose vraiment définitive. J’ai engagé Madame de Golubew à faire faire son buste par Rodin; elle y va demain avec moi. Bien cordialement deKessler Le 28.V.1905: Van de Velde zitierte diesen Brief in seinen Memoiren, wovon nachträgliche Anstreichungen auf dem Original zeugen (vgl. Velde 1962, S. 285 f.; Velde 1995, S. 229; Velde 1999, S. 191). Der Brief markiert den Ausgangspunkt zu einer knapp einjährigen Entwicklung, die in den sogenannten ›Rodin-Skandal‹ mündete und mit Kesslers Ausscheiden aus dem Weimarer Museumsbetrieb endete (vgl. Brief 253). déjeuner: Kessler hielt hierzu im Tagebuch fest: »Nach Tisch gehen wir in ein kleines Haus unten im Dorf hinunter, um Zeichnungen für Weimar auszusuchen. Da ich sie für mich nicht annehme, schenkt er sie dem Museum. Er will dort auch eine Salle Rodin stiften mit Gipsentwürfen etc. Er findet, dass Gips seine Intentionen am vollkommensten wiedergiebt, besser als Marmor oder selbst Bronce.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.5.1905). François Auguste René Rodin (1840–1917), französischer Bildhauer, Ehrenmitglied der ›Berliner Secession‹, 1905 Ernennung zum Ehrendoktor der Universität Jena. Kessler kannte Auguste Rodin seit 1897 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.10.1897). Rodin gehörte zu jenen Künstlern, denen Kessler gegenüber aufgeschlossen war, wenngleich er ihn nie förderte, wie er es mit Maillol tat. Kessler widmete Rodin zwei Ausstellungen im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe: im Sommer 1904 eine Ausstellung mit Skulpturen, Zeichnungen und Photographien und im Januar 1906 die verhängnisvolle Ausstellung mit 14 Aquarellzeichnungen. Privat besaß Kessler kleinere Arbeiten von Rodin, wie das ›Porträt von Helene von Nostitz‹ aus Glaspaste, den Kopf des ›Balzac-Denkmals‹ und die Bronze ›Le petit ombre‹ (vgl. Walter 2001, S. 92). 1902 gab Kessler eine Büste seiner Mutter Alice bei Rodin in Auftrag, die jedoch nie zur Ausführung gelangte, und vermittelte Helene von Nostitz-Wallwitz und Natascha von Golubeff als potentielle Auftraggeberinnen an Rodin. Van de Velde und Auguste Rodin wurden zeitgleich 1888 als Mitglieder in die Künstlergruppe ›Les Vingt‹ aufgenommen. Wie van de Velde in seinen Memoiren anführt, soll Rodin anlässlich seiner 1895 bei Bing ausgestellten Werke geäußert haben »van de Velde est un barbare« (»van de Velde ist ein Barbar«, vgl. Velde 1962, S. 109; Velde 1992, S. 275 ff.; Velde 1999, S. 84). Salle Rodin: Die hier beschlossene Stiftung mehrerer Zeichnungen für einen ›Salle Rodin‹ im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe führte 1906 zum sogenannten ›RodinSkandal‹ (vgl. Anm. Brief 253). Der Saal wurde in der beschriebenen Form nie ausgeführt. l’âge d’airain: Auguste Rodin, L’Âge d’Airain (Ehernes Zeitalter), 1875/76 (Bronze, H: 180 cm, Klassik Stiftung Weimar, Inv. Nr. G 981, vgl. Goldscheider 1989, Bd. 1, Nr. 95b, S. 116). Ein Gipsmodell dieser Bronze, die Kessler schließlich mit Unterstützung von Großherzogin Caroline für das Museum erwerben konnte, war bereits vom 6. Juli bis zum 15. August 1904 als Nr.
434 Edition und Kommentar 10 in der Ausstellung ›Rodin. 16 Skulpturen, 32 Zeichnungen, 50 Photographien‹ im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe zu sehen. livre: Kessler hielt hierzu im Tagebuch fest: »Ich schlage ihm vor ein Résumé aller seiner Kunstansichten zu machen, indem er Gespräche stenographieren lässt und dann exzerpiert und zusammenfasst. Er ist sehr damit einverstanden, schlägt vor, dieses in Athen im Winter zu machen; Dezember, Januar.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.5.1905). Weder das Buch noch die Fahrt nach Griechenland kamen zustande. son buste: Auguste Rodin, Büste Natascha von Golubeff, 1905/07 (Marmor, H: 71,9 cm, Hakone, Pola Museum of Art, Pola Art Foundation; Musée Rodin [Bronze]). Einen Tag nach Abfassen dieses Briefes vermerkte Kessler im Tagebuch: »Nachher mit der Golubew in Paris zu Rodin, um ihn zu bitten, ihre Büste zu machen. Er behielt uns über eine Stunde bei sich.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.5.1905).
218 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [in der Eisenbahn], 9.7.1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Dimanche en chemin de fer Bien cher ami, J’ai appris que le »terrain« en question appartient au fisc, et qu’il faudrait s’entendre à son sujet avec Hunnius. H[unnius]. est un rat et je ne prévois pas qu’il sera possible de lui arracher quelque chose »à bon marché«. Surtout il ne peut pas se douter qu’il s’agit de vous! Du coup, son appétit deviendrait pantagruélique! – Croyez [vous] utile de remettre dès à présent les plans du Musée au Ministère? Rothe – absent! Ne vaudrait-il pas mieux attendre son retour et appuyer alors personnellement? Peut-être en déciderez-vous autrement en prévision que vous ne serez pas à Weimar au moment du retour de Rothe. Pour ce cas, j’ai fait préparer les plans et vous les pouvez faire prendre à l’atelier. – Vous ne manquerez pas, n’est-ce pas de me renseigner au sujet de votre entrevue avec de Wurmb. J’y tiens énormément p[our]. savoir comment agir. J’ai rencontré à la gare de Weimar, tantot [sic], Vollert – qui me recommandait de demander (maintenant que Littmann a donné une réponse négative) au Gr[an]d. Duc d’aménager quelque salle de son palais. Ce serait l’idée de la »salle du bal« qui remonterait à la surface. Pourtant songez à la »Rotonde du Musée« si vous aviez à conférer avec le Gr[an]d. Duc. – Songez également à lui demander une audience, s’il est à Ettersburg
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encore, au sujet de l’Exp[osition]. de Dresde. Il faudrait pourtant qu’il fut [sic] éclairé! – En vacances, je pourrai songer à la nouvelle tactique qu’il faudra inaugurer l’hiver prochain. Je prévois que cet hiver sera p[our]. nous une saison de luttes âpres et décisives. Nous aurons à reconquérir du terrain, car incontestablement, nous en avons perdu! P[our]. cela, bien cher ami, il faudra prendre l’engagement d’être présent à Weimar dès ce 1er octobre et vous y fixer jusqu’à la Noël. Je vous éclaircirai la situation dans l’une ou l’autre lettre que je vous écrirai de Wenduyne. Affectueusement Henry Excusez mon écriture. 9.7.1905: Der Brief wurde nachträglich von fremder Hand auf den »13-7-1905« datiert, was nicht korrekt ist. Van de Velde verfasste den Brief am Sonntag, den 9. Juli 1905. Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag ist an »Monsieur le Comte H. de Kessler Weimar. 3 Cranachstr.« adressiert und trägt die Poststempel »Wiesbaden 10.7.05« und »Weimar 10.7.05«. terrain: Um welches Grundstück es sich hier handelt, geht aus dem Kontext nicht hervor. Dr. Aegidius Friedrich Hermann Karl Johannes Hunnius (1852–1943), Wirklicher Geheimer Rat, von 1901 bis 1918 Chef des Departements der Finanzen im Staatsministerium SachsenWeimar-Eisenach, Vorsitzender des Verwaltungsausschusses des Goethe- und Schiller-Archivs, nach 1918 Vermögensverwalter von Großherzog Wilhelm Ernst. Hans Lutze von Wurmb (1846–1907), von 1899 bis 1907 Chef des Departements des Innern und des Äußeren im Staatsministerium Sachsen-Weimar-Eisenach. Max Vollert (1861–1935), Stiftungskommissar der Carl-Zeiss-Stiftung in Jena, seit 1909 Kurator an der Universität Jena. Max Littmann (1862–1931), Architekt, mit Jakob Heilmann Leiter des Architekturbüros ›Heilmann & Littmann‹. Max Littmann, bekannt für das Münchner Prinzregententheater und Hofbräuhaus, das Stuttgarter Hoftheater, das Berliner Schillertheater und für die Kurhäuser von Bad Reichenhall und Bad Kissingen, erhielt inoffiziell im Juni 1905, offiziell im Januar 1906 den Auftrag zur Ausführung des Weimarer Hoftheaters (vgl. Brief 204). Ferner bestand seit 1903 der Plan, mit Hilfe des Architekten Ernst von Ihne das Weimarer Stadtschloss durch den Anbau eines Südflügels zu erweitern (vgl. Brief 163). Das Projekt ruhte jedoch seit dem Tod der Großherzogin Caroline und wurde erst 1910 durch die Auftragsvergabe an Max Littmann in Angriff genommen.
436 Edition und Kommentar son palais: Van de Velde, der nie den Auftrag zur Ausgestaltung eines großherzoglichen Raumes erhielt, bezieht sich hier entweder auf das Weimarer Stadtschloss oder auf das Schloss Ettersburg, wo Großherzog Wilhelm Ernst wohnte.
219 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Chemnitz, [13.7.1905] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Telegramm
Me demande en vain ce qui peut decider [sic] dame Foerster [fehlender Teil] vous faire revenir=Velde. Telegramm: Das Telegramm wurde von van de Velde in Chemnitz aufgegeben und ist an »Kessler Hotel Cecil London« adressiert. Es befinden sich zwei Poststempel darauf: »FR Chemnitz 1943 18 13 9725=«, »Strand 7 JU 13 05 [Rest unleserlich]«.
220 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 13.7.1905 FSX, AML 504/140, Brief, Briefkopf (gedruckt): CRANACHSTRASSE 3 Weimar
Cher ami, je viens de voir le Gr[and]. D[uc]. qui m’a dit, qu’il allait donner ordre à Hunnius, d’écrire à Littmann, qu’il tenait beaucoup à ce qu’il s’entendre avec vous à propos du petit foyer. Il va en outre peut[-]être voir Littmann lui-même à Munich. Il y a donc une possibilité que l’affaire s’arrange de cette façon. Je lui ai aussi parlé de la salle de repos au Musée. Mais il ne paraissait pas y mordre. Il s’est lamenté, qu’il n’avait pas d’argent etc. – Il a ratifié l’achat du Monet et du Rysselberghe, mais de très mauvaise grâce. – Les Gauguin l’ont mis en fureur, avant hier. Ça été un vrai scandale, à ce qu’il paraît. Aujourdhui, j’ai pu les lui expliquer, et il est, à ce qu’il m’a paru, un peu revenu sur son opinion. Mais tout ça est vraiment humiliant. – Il m’a déclaré, qu’il revenait ici en août. Si c’est nécessaire, je reviendrai, pour un jour ou deux en août, pour régler l’affaire de Dresde. L’état donne 10,000 Marks, ce qui m’a assez agréablement surpris. – J’ai une invasion de gens qui viennent me voir demain et après-demain: Craig avec un ami, Klinger et Heymel, le professeur Koetschau de Dresde avec deux (!) aides, pour explorer mes livres. Je compte quitter ici lundi. Je serai à Paris la semaine prochaine jusqu’à dimanche ou peut être lundi en huit – au Grand Hotel. Je ne sais pas encore, ce que je ferai après. Saluez, je vous prie, madame Vandevelde et les bébés. Affectueusement Kessler
Briefe und Kommentare 437 13.7.1905: Kessler hielt sich Anfang Juli 1905 in Weimar auf. Anlass war die Gauguin-Ausstellung, deren Eröffnung am 7. Juli 1905 stattfand. Unterbrochen von einer Kurzreise nach München am 9. und 10. Juli 1905 blieb Kessler bis zum 17. Juli 1905 in Weimar, um anschließend über Berlin nach Paris weiterzureisen, wo er im Grand Hôtel residierte. Craig besuchte Kessler am 14. Juli 1905 in Weimar. Der vorliegende Brief datiert daher vom 13. Juli 1905 (Harry Graf Kessler an Edward Gordon Craig, 8.7.1905, in: Newman 1995, Brief 65, S. 48; Edward Gordon Craig an Harry Graf Kessler, 9.7.1905, in: Newman 1995, Brief 66, S. 48 f.). voir: Großherzog Wilhelm Ernst hielt sich Mitte Juli 1905 für kurze Zeit in München auf. Anlässlich dieses Aufenthaltes kam es zu mehreren Begegnungen mit Max Littmann (Hecht 2005, S. 19, S. 45, Anm. 124). petit foyer: Bezüglich des großherzoglichen Foyers, das van de Velde im zukünftigen Neubau des Hoftheaters vorsah, jedoch nicht vermittelt bekam, hatte er am 24. Juni 1905 Staatsminister Rothe geschrieben: »Mein Vorschlag ist, das kleine Privat-Foyer S. K. Hoheit des Großherzogs, das als Vorzimmer der Großh. Loge zu denken ist, in Dresden auszustellen und so dessen Ausführung mir und demjenigen der Kunstschul-Maler zu überlassen, der am geeignetsten erscheint, diesem Foyer die Eleganz und reichen Charakter zu geben, den es haben muß, nämlich Ludwig v. Hofmann. [...] Der Stil dieses Foyers würde in keiner Weise das dekorative Gesamtbild des Theaters engagieren [sic: tangieren], da dieses Foyer für das Publikum geschlossen und dem Privatgebrauch S. K. Hoheit des Großherzogs vorbehalten ist. Ich bin mir wohl bewusst, Excellenz, des etwas eigenartigen Charakters, den dieser Vorschlag unter meiner Feder annimmt. Ich bitte Sie aber zu glauben, dass darin keine Unbescheidenheit und kein Druck liegt, sondern ein ganz natürlicher Vorschlag, zu dem ich gedrängt werde durch die Umstände, die verursachen, daß die künstlerische Verantwortlichkeit für die Ausstellung und für das Urteil durch das Publikum über die Versuche einer Neubelebung des Weimarischen Kunstgewerbes durch S. K. H. den Großherzog – auf mir ruht, ebenso wie die Verantwortlichkeit für das Gelingen des Ganzen in dieser Ausstellung auf dem Staatskommissar, dem Grafen Kessler ruht [...].« (Abschrift Henry van de Velde an Dr. Karl Rothe, 24.6.1905, ThHStAW, Generalintendanz 1413). du Monet: Claude Monet, Kathedrale von Rouen, 1894 (Öl auf Leinwand, 100 x 64,5 cm, sign. u. dat.: »Claude Monet 94«, Klassik Stiftung Weimar, Inv. Nr. G 541). Kessler erwarb das Gemälde ›Kathedrale von Rouen‹ von Claude Monet im Juli 1905 für das Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe. Der Kostenpunkt lag bei 16.000 Mark. Kessler finanzierte das Werk aus Mitteln der ›Alfred-Walter-Heymel-Stiftung‹ ( Johannes Hunnius, Schreiben vom 8.7.1905, KGM 9, GSA; Abschrift des Großherzogl. Sächsischen Staatsministeriums, Departement des Großherzogl. Hauses, 28.8.1905, KGM 9, GSA; vgl. Anm. Brief 191). du Rysselberghe: Es handelt sich um den Ankauf des Gemäldes ›L’heure embrasée‹ von Théo van Rysselberghe (vgl. Anm. Brief 184). Les Gauguin: Die Ausstellung mit 33 Werken des französischen Malers Paul Gauguin war am 7. Juli 1905 in Kesslers Anwesenheit im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe eröffnet worden (vgl. Ausst. Kat. Weimar 1905; Ausst. Kat. Weimar 1999.2, S. 96.f.). Die Laufzeit ging bis 15. September 1905 (vgl. Zeitung Deutschland, 7.7.1905, 9.7.1905). Am 11. Juli 1905 ließ sich Großherzog Wilhelm Ernst im Beisein eines Adjutanten von Kessler durch die Ausstellung führen. Nach Angaben der ›Zeitung Deutschland‹ dauerte der Ausstellungsbesuch des Großherzogs »etwa eine ½ Stunde« (Zeitung Deutschland, 12.7.1905). Die ›Weima-
438 Edition und Kommentar rische Zeitung‹ sprach dagegen von »einem einstündigen Besuch« (Weimarische Zeitung, 14.7.1905). Craig avec un ami: Edward Gordon Craig besuchte Kessler am 14. Juli 1905 zusammen mit dem Freund und Musiker Martin Fallas Shaw (Edward Gordon Craig an Harry Graf Kessler, 9.7.1905, in: Newman 1995, Brief 66, S. 48 f.).
221 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 16.7.1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Telegramm
Urgend [sic] venir pour exposition Dresde=Henry.+ Telegramm: Das Telegramm wurde von van de Velde in Weimar aufgegeben und ist an »Kessler Hotel Cecil London« adressiert. Es befinden sich zwei Poststempel darauf: »De Weimar’ 368 10 16 12/46 S’«, »Strand 7 JU 16 05 Southampton St.«.
222 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 20.7.1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Wenduÿne [sic] s/Mer ce 20 Juillet 05 Bien cher ami, Merci de votre lettre, me renseignant au sujet de votre entrevue avec le Grand-Duc. Elle me définit une fois de plus ce côté du caractère du Gr[an]d.-Duc qui deviendra la cause de la faillite de toutes nos espérances. Il ne désire ardemment rien et ne désirant rien il ne commandera jamais rien! Comment peut-il seulement songer à faire dire à Littmann qu’il »tient beaucoup« et ne sent-il pas qu’il y a là une humiliation p[our]. lui qui devrait dire qu’il veut et donner des ordres? Littmann l’enverra »humblement« selon la formule, aux cent mille diables et l’affaire et son désir seront enterrés! La patience commence à me manquer et les coups qu’on porte à mon »Institut« me font vraiment désespérer! À peine ai-je eu le dos tourné et quitté Weimar, la bande s’est réunie, non sans me convoquer, moi qu’ils savaient absent! et dans une réunion tenue à Ettersburg on est parvenu à convaincre le Grand-Duc de réduire l’importance du bâtiment, sous prétexte de ne pas dépasser la somme mis [sic] à ma disposition. Il avait bien été question déjà d’une pareille éventualité mais, dans ce cas, nous aurions réduit le bâtiment du côté où l’on
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aurait pu plutard [sic] le prolonger et l’achever. Cette idée fut admise aussi longtemps que je fus là; mais voila [sic] que maintenant c’est cette aile du bâtiment que le Gr[an]d-Duc ordonne d’achever et de couper le bâtiment dans l’aile qui contiendra mes propres ateliers. Cela est une mesure d’hostilité et de vexation! Il se peut qu’elle soit personnelle; mais aussi il se peut que le Gr[an]d-Duc n’ait rien vu de personnel dans cette mesure et n’ait fait qu’être le jouet de manœuvres calculées en vue de me décourager et de me nuir [sic]. Je n’entrevois pas à présent les conséquences de ce coup droit et ai paré momentanément le coup en ne réagisant pas à une invitation à me rendre à Weimar afin de prendre une décision. (Le procédé est-il assez peu galant de me rappeler quelques jours après que je fus parti en vacances?) De telle façon, je remets toutes décisions aux premiers jours de Septembre et entretemps, l’aile que le Gr[an]d-Duc nous a ordonné de construire telle qu’elle sera achevée et je pourrai établir exactement combien d’argent il me reste pour mon aile à moi. Mais tout cela est-il assez vexatoire et vous qui parlez »d’humiliation« à propos de l’attitude du Gr[an]d-Duc devant les toiles de Gauguin qu’allez-vous dire en pensant à ma situation? Je dis qu’elle est extraordinairement difficile et menacée! Mes adversaires ont bien vu que sur le terrain de mes travaux personnels, de mon action sur les industriels et artisans, j’étais à présent inattaquable, ils vont tout tenter maintenant sur le champ dangeureux [sic] d’estimations et de devis. Le Gr[an]d-Duc et son entourage semble [sic] plus disposé [sic] de ce côté à me blâmer que sur celui de mon action artistique et c’est une œuvre suffisamment facile de pousser à la dépense d’exagérer celles-ci d’un bâtiment dont je n’ai pas la direction matérielle, si j’en ai le contrôle. Celui-ci n’est pas seulement efficace, car toute économie que je préconiserai sera trouvée dangeureuse [sic], toute solution p[our]. éviter de grands frais compromettra la securité [sic], la solidité du bâtiment! Le piège fut grossier, mais je ne pouvais pas ne pas mettre pieds et mains dedans. Momentanément, il n’y a rien à faire, sinon que se ronger les poings! Ensuite tâcher d’intimider ceux qui travaillent avec tant de conséquence à ma chute. Quand je serai rentré à nouveau, la lutte s’engagera définitive; mais entretemps [sic] je ne jouirai d’aucun repos en vacances et cela est à l’actif de mes ennemis qu’ils m’ont gâté ces vacances! Cher ami, il me paraît absolument indispensable que vous soyez en août à Weimar, p[our]. quand le Gr[an]d-Duc y sera. L’affaire de l’Exp[osition]. de Dresde doit être réglée alors et si ma présence était indispensable vous me rappeleriez [sic]. Mais seulement s’il y a à traiter avec le Gr[an]d-Duc, lui-même! Je refuse tout à fait de raccourcir ou d’interrompre mes vacances si ce n’est p[our]. traiter définitivement! Et vous approuverez
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cela! J’ai besoin de reprendre bien des forces, bien cher ami, que j’ai perdues surtout à lutter contre des misères, des misères d’envie, des chicanes administratives. Klinger fut-il chez vous et avez-vous parlé de mon séjour à Florence? Maintenant que j’ai appris que Maria veut bien y aller, je vais plus longuement écrire à Klinger. Maria et les enfants se portent à merveille et tout mon monde vous salue bien cordialement. Présenterez-vous mes hommages à Madame la C[om]tesse votre mère et à Madame la Marquise votre sœur. Affectueusement à vous Henry. Irez-vous à Anvers p[our]. l’Exp[osition]. Jordeans [sic]? Briefumschlag: Der Brief ist adressiert an »Monsieur le Comte H. de Kessler au Grand Hôtel. Paris. (France)« und trägt die Poststempel »Wenduyne 20 Juillet 11-12 05« und »Paris 2 Distribution 21 7 05«. Wenduyne: Henry van de Velde reiste Ende Juli 1905 nach Wenduine, um seine Familie zu besuchen, die seit Mai 1905 dort Urlaub machte (vgl. Anm. Brief 213). réunion: Es ist nicht bekannt, wann die Zusammenkunft stattfand und wer daran teilnahm. Ettersburg: Dorf unterhalb des Ettersbergs nördlich von Weimar. Großherzog Wilhelm Ernst lebte vorzugsweise im dortigen Schloss Ettersburg. bâtiment: Seit Juni 1905 befand sich der langgestreckte Ostflügel der zukünftigen Kunstgewerbeschule im Bau. Der erste Abschnitt wurde Ende 1905 abgeschlossen und war den Bildhauern vorbehalten. Der angrenzende Südflügel mit van de Veldes Privatatelier und den Werkstätten der Kunstgewerbeschule wurde erst im Sommer 1906 in Angriff genommen und bis Oktober 1906 abgeschlossen. Florence: Van de Velde nimmt Bezug auf das Angebot eines Studienaufenthaltes in der Florentiner Villa Romana (vgl. Anm. Brief 211). Am 25. Juli 1905 schrieb er hierzu an Klinger aus Wenduine: »Je suis confus de n’avoir pas encore répondu à Votre lettre, celle dans la quelle [sic] vous aviez inséré un [sic] photo de la villa de Florence et les plans de la villa. Avant de pouvoir Vous répondu à la question: quand je pourrais profiter de la généreuse proposition du ›Künstlerbund‹ [.] Je voulais conférer de vive voix avec ma femme qui se trouve ici depuis le mois de Mai, avec tous nos enfants, en Belgique. A peine installé, ici, près d’eux je me vois rappelé à Weimar et je compte rentrer an Allemagne le 1er Aout [sic] et y rester quelques quinze jours. Pourrais-je aller Vous trouver quelque part, cher Maître et conférer avec Vous de vive voix au sujet de ce séjour à Florence dont j’attends pour moi de si heureux résultat? Dans ce cas, seriez-Vous assez aimable de me fixer un rendez-vous, à Leipzig ou ailleurs et de m’écrire un mot à ce sujet à Weimar?« (Henry van de Velde an Max Klinger, 25.7.1905, Stadtarchiv Naumburg, 700).
Briefe und Kommentare 441 l’Exposition Jordeans: Die Ausstellung zum Werk des flämischen Malers Jacob Jordaens fand vom 27. Juli bis zum 15. Oktober 1905 in Antwerpen statt.
223 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 21.7.1905 AML, FSX 504/116, Brief, Briefkopf (gedruckt): GRAND HÔTEL PARIS 12, Boulevard des Capucines
Le 21.VII.1905. Cher ami, si c’est nécessaire pour faire aboutir l’affaire de Dresde, j’irai à Weimar en août, soyez tranquille. Mais, alors, il me paraît indispensable, que vous y soyez aussi, puisque c’est de vous et de vos projets qu’il s’agit. – Quant à Florence, je ne sais rien. Il n’en a pas été question, du moins à votre propos, entre Klinger et moi. Saluez, je vous prie, madame Vandevelde et les bébés. J’ai été heureux des bonnes nouvelles que vous m’en donnez. Amicalement Kessler. affaire: Kessler bezieht sich hier auf die Vorbereitungen zur ›Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung‹ in Dresden 1906 und auf die von van de Velde geplante Museumshalle (vgl. Anm. Brief 206). Die entscheidende Unterredung hierzu fand am 8. September 1905 mit Dr. Johannes Hunnius statt. Dieser teilte Kessler und van de Velde mit, dass der Großherzog die Museumshalle mit 20.000 Mark zu subventionieren beabsichtige (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.9.1905). Florence: Betrifft van de Veldes Aufenthalt als Preisträger in der Florentiner Villa Romana (vgl. Anm. Brief 211). Kessler reiste mit van de Velde in dieser Angelegenheit am 11. September 1905 zu Klinger nach Leipzig (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.9.1905).
224 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Wenduyne, 24.7.1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Wenduÿne ce 24 Juillet 05. Bien cher ami, Je me rendrai à Weimar à la fin de ce mois; y serai dès le 1er aout [sic] vraisemblablement.
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Hunnius s’obstine à me rappeler et je ne veux pas lui donner avantage sur moi en refusant de me rendre à son invitation. Il faut que je voie le Gr[an]d-Duc à ce moment. Tâchons d’être ensemble à Weimar et réglons aussi l’Exp[osition]. de Dresde. – Mais il faut que vous et moi nous informions quand le Gr[an]d-Duc sera rentré. – Le modèle de l’assiette Meissen sera jeudi à Weimar (en biscuit). J’ai reçu l’esquisse des armoiries. Où faut-il l’envoyer, afin qu’elle vous soit remise. Je n’ose pas l’inclure dans cette lettre, parce que j’ai peur que cette lettre ne vous atteigne pas. Je n’ai pas besoin de vous dire, cher ami, que ce contretemps de devoir retourner dès maintenant à Weimar me gâte tout à fait mes vacances. Bien affectueusement Henry. Précisément, j’avais pris rendez-vous avec Théo v[an]. R[ysselberghe]. p[our]. un séjour à Londres pendant cette première dizaine du mois d’aout [sic]. Cela encore une fois m’échappe. y serai: Vgl. Anm. Brief 223. Hunnius: Vertreter des abwesenden Staatsministers Karl Rothe war Dr. Johannes Hunnius als Chef des Finanzdepartements (vgl. Brief 218). modèle: Bezieht sich auf das Modell des Suppentellers aus van de Veldes Meißner Porzellanservice und auf das Wappen für Wilma de Brion (vgl. Brief 208). un séjour à Londres: Théo van Rysselberghe hatte seinen gestressten Freund mehrfach brieflich zu einer Fahrt nach London ermuntert, die van de Velde schließlich doch unternehmen konnte (vgl. Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 23./26.7.1905, AML, FSX 800). Van de Velde reiste zusammen mit seiner Gattin am 10. August 1905 nach London. Neben Théo van Rysselberghe war auch Kessler vor Ort. Kessler erwähnt in seinem Tagebuch eine Fahrt nach Oxford am 11. August, die Besichtigung der National Gallery sowie den Besuch eines Boxkampfs in Whitechapel am 12. August (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 11./ 12.8.1905).
Briefe und Kommentare 443
225 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Aix-les Bains, 28.7.1905 AML, FSX 504/117, Brief
Aix. 28.VII 05. Cher ami, je m’inquiète un peu de ne pas recevoir de vos nouvelles. Que faites[-]vous? Que devenez[-]vous? Et, surtout, comment vous portez vous [sic]? Ecrivez-moi donc un petit mot, rien que deux lignes, pour me tranquilliser (via Weimar). À Paris, j’ai vu Mutzenbecher avant mon départ; il était en train de marchander un superbe Van Gogh (des soleils) chez Druet, qui n’en demandait que la bagatelle de 40,000 frcs. Maillol termine en ce moment ses trois grands travaux pour moi et, avec l’aide du jeune Defregger (fils du »célèbre« peintre Defregger, de Munich), »moule« quatre statues grandeur nature pour Morossoff. Ce pauvre [sic] Defregger, qui a loué l’ancienne maison de Maillol, vis à vis de mon atelier, paraît intéressant. Il est tout jeune (environ 22 ou 23 ans), marié et père d’un bébé, qui a vu le jour à Marly, et fait des choses qui annoncent un talent sérieux (même en comptant le bébé pour rien!). Il paraît que son père n’est pas trop mécontent, de le voir chez Maillol. Le jeune Hauptmann est allé en Bretagne pour six semaines, mais compte s’installer à Marly, sur mes conseils, au retour, pour profiter de la présence de Maillol. Je crois vous avoir dit que Maillol a une autre élève allemande, Frl. Zimmer [sic], de Francfort, à laquelle il trouve un talent tout à fait remarquable. L’académie Ranson paraît donc rendre des services sérieux. – À propos, j’ai vu chez Bonnard un très beau paysage, qui me semblait vous convenir à merveille; un paysage de »Vorfrühling« dans des tons très clairs, vert sur et rose violacé (ce dernier un peu du ton des tentures de votre salon); c’est très dessiné (les arbres etc), et charmant d’invention: des petits oiseaux chantant dans les branches, qui sont tout à fait adorables, d’un esprit unique et bien »Bonnard«. J’ai parlé à B.[onnard] de votre désir de posséder une toile de lui; si vous croyez que celle-ci peut vous intéresser, écrivez[-]lui donc (69 rue de Douai) – Donnez[-]moi, je vous prie, aussi des nouvelles de Mme Vandevelde et des enfants. Bien affectueusement HdeKessler. Théo se plaît »amèrement« de votre silence! Aix: Kessler schrieb den Brief aus Aix-les-Bains (Département Savoie), wo sich seine Mutter zur Kur befand.
444 Edition und Kommentar vos nouvelles: Offensichtlich hatte van de Velde seinen Brief vom 24. Juli 1905 (vgl. Brief 224) nach Paris adressiert. Kessler war jedoch zwischenzeitlich nach Aix-les-Bains gereist, ohne van de Velde davon in Kenntnis zu setzen. un superbe Van Gogh: Es ist nicht bekannt, um welches der zahlreichen Motive der ›Sonnenblumen‹ von Vincent van Gogh es sich hierbei handelt und ob Kurt von Mutzenbecher (vgl. Anm. Brief 193) tatsächlich das Gemälde erwarb. Nachweislich befand sich ab 1905/06 das Gemälde ›Les Oliviers‹ in Mutzenbechers Besitz. Vermutlich kam hierfür Eberhard von Bodenhausen als Kunstvermittler in Betracht (Eberhard von Bodenhausen an Hugo von Hofmannsthal, 20.3.1906, in: Bodenhausen 1953, S. 73; Schäfer 2001, S. 121 f.). Hans von Defregger (1886–1956), Bildhauer, Architekt, Maler, Mediziner. Hans von Defregger, studierter Mediziner und Sohn des damals bekannten Tiroler Malers Franz von Defregger, hatte Aristide Maillol vermutlich über den Bildhauer Joaquim Claret Vallès kennengelernt. quatre statues: Es kann sich hier nur um die Vorarbeiten zu dem Auftrag der Figurengruppe ›Les quatres saisons‹ (›Die vier Jahreszeiten‹) für den russischen Kunstsammler Ivan Morosov handeln. Maillol vollendete die Gruppe bestehend aus den Figuren ›Pomona‹, ›Flora‹, ›Frühling‹ und ›Sommer‹ erst 1910/11. Die Gruppe wurde in Morosovs Villa in der Pretschinstenka im dortigen ›Weißen Saal‹ aufgestellt, der mit Wandbildern ›Geschichte der Psyche‹ von Maurice Denis ausgestattet war (vgl. Ausst. Kat. Essen 1993, S. 113, 411): Aristide Maillol, ›Pomona‹, 1910 (H: 160 cm, Bronze, sign. a. Sockel: »A. Maillol«, Inv. Nr. Sk. 240); ›Flora‹, 1910 (H: 161 cm, Bronze, sign. a. Sockel: »A. Maillol«, Inv. Nr. Sk. 243); ›Le printemps‹ (›Der Frühling‹), 1911 (H: 169 cm, Bronze, sign. a. Sockel: »A. Maillol«, Inv. Nr. Sk. 242); ›L’été‹ (›Der Sommer‹), 1911 (H: 161 cm, Bronze, sign. a. Sockel: »A. Maillol«, Sign. d. Gießers: »F. Godard«, Inv. Nr. Sk. 241), Puschkin-Museum Moskau, Ausst. Kat. Essen 1993, S. 113, 411–414. Ivan Abramowitsch Morossoff (auch: Morosov, Morosow, Morozov, 1871–1921), Textilfabrikant, Kunstsammler. Ivan Morosov, dessen Familie eine der größten Textilmanufakturen Rußlands besaß, gehörte seinerzeit zu den bedeutendsten russischen Kunstsammlern moderner französischer Kunst. Seine über 250 Werke umfassende Privatsammlung wurde nach der Oktoberrevolution 1917 verstaatlicht und ging in die Museen von Moskau und St. Petersburg über. jeune Hauptmann: Ivo Hauptmann (1886–1973), Maler, Graphiker. Ivo Hauptmann, ältester Sohn des Dichters Gerhart Hauptmann, zog es frühzeitig zur Malerei. Er studierte zunächst 1903 an der Académie Julian in Paris, wo ihn Kessler mit Maillol, Bonnard, Vuillard und Denis bekannt machte, von 1905 bis 1908 als Meisterschüler von Ludwig von Hofmann an der Weimarer Kunstschule und 1909/10 an der Pariser Académie Ranson. Ivo Hauptmann gehörte zum engeren Kreis um van de Velde und Kessler. Er heiratete 1912 van de Veldes Mitarbeiterin Erica von Scheel (vgl. Anm. Brief 173). Frl. Zimmern: Maria Petrie (geb. Zimmern, 1887–1972), Bildhauerin, Kunstschriftstellerin. Maria Zimmern stammte aus Frankfurt, war Schülerin bei Maillol und lernte an der Pariser Académie Ranson. Auch Théo van Rysselberghe lobte ihr Talent. In einem Brief an Henry van de Velde schrieb er am 25. Juli 1909 hierzu: »À l’Académie Ranson (où comme tu sais, nous sommes quelques camarades à enseigner) il y a une demoiselle Zimmern, de Francfort, élève tout à fait remarquable, qui a énormément de talent et qui, elle aussi, reviendra en Octobre.« (Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 25.7.1909, AML, FSX 800). Und
Briefe und Kommentare 445 am 6. Dezember 1909 schloss er an: »Une jeune fille, Mlle Zimmern, de Francfort, élève à l’Académie Ranson, fait en ce moment une ronde Bosse anglaise d’après moi. Elle est remarquablement douée et s’en tire fort bien.« (Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 6.12.1909, AML, FSX 800). Théo van Rysselberghe porträtierte Maria Zimmern zweimal: 1910 ›Portrait de Mlle Zimmern ou Jeune fille en rouge‹ und 1912 ›Maria Petrie Zimmern‹ (Feltkamp 2003, Nr. 1910–10, S. 387 f., Nr. 1912–017, S. 223, 225, 400, 498 f.). Maria Zimmern stellte 1910 im Salon der ›La Libre Esthétique‹ in Brüssel aus (vgl. Maus 1926, S. 409, 417). L’académie Ranson: Es handelt sich um die bekannte Pariser Académie Ranson, deren Gründung auf Paul Ranson zurückgeht. Sie galt als Zentrum der Nabis. Zu ihren Lehrern gehörten u. a. Maurice Denis, Paul Sérusier, Édouard Vuillard, Ker Xavier Roussel und Aristide Maillol. un paysage de »Vorfrühling«: Ob sich van de Velde tatsächlich für das Gemälde von Pierre Bonnard interessierte, geht aus der weiteren Korrespondenz nicht hervor.
226 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, o. O., [Poststempel: 2.8.1905] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Briefumschlag
à Monsieur le Comte H. de Kessler Grand Hotel Paris Hotel Cecil London Briefumschlag: Das zugehörige Schreiben ist verschollen. Van de Velde adressierte den Brief nach Paris. Von dort wurde er nach London weitergeleitet. Folgende Poststempel sind vermerkt: »London W.C. 7.30 AM AU 2 05 6«, »Paris 96 ... –8 05 GR HOTEL«, »Grand Hotel [sic] 25. IIIIII 1905 Bureau de Réception«.
227 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, lundi DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
lundi matin Cher ami, M[onsieur]. et M[a]d[am]e Avenard (le Red[acteur]. [sic] de »Art et Décoration«) ont passé la soirée de Samedi chez nous. M[onsieur]. Avenard s’est énormément intéressé à votre action au Musée. L’Exp[osition]. des Gauguin l’a émerveillé et il compte écrire un article sur le Musée
446 Edition und Kommentar
de Crefeld [sic] et sur le votre [sic]. Je lui ai remis les catalogues. Il m’écrit, ce matin, p[our]. me demander s’il peut voir, aujourd’hui, vos tableaux. Ils partent demain p[our]. Leipzig et Dresde. Pouvez-vous lui faire dire par Paul si oui ou non cela vous convient. Je n’ai pas pu vous dire tout cela hier soir parce que je fus trop navré d’entendre que ma salle à manger est »mise en question« p[our]. l’Exp[osition]. de Dresde. Et vous étiez de non moins mauvaise humeur! – Je vais préparer ce matin une réponse à la lettre du ministère – que je vous remettrai dans le courant de la journée. Votre Henry Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »au Comte H[arry]. de Kessler EW.«. Unten links befindet sich van de Veldes handschriftliche Notiz »NB. L’adresse de M[onsieur]. Avenard est 26. Cranach Str.«. lundi: Dieser Brief wurde zwischen dem 7. Juli und dem 15. September 1905 verfasst. In dieser Zeit fand die erwähnte Gauguin-Ausstellung in Weimar statt. Ein exaktes Datum lässt sich nicht ermitteln. Étienne Avenard (1873–1952), französischer Redakteur, Kunstkritiker, Übersetzer, Keramiker, seit 1908 Generalsekretär des ›Salon d’Automne‹. article: Es sind nachweislich folgende Artikel von Étienne Avenard über die französische Kunstausstellung in Krefeld bekannt. Sie datieren allerdings von 1907: Avenard, Étienne: Exposition d’art français à Krefeld, in: Art et Décoration, Bd. XXII, 1907, S. 53–56.; Avenard, Étienne: Französische Kunstausstellung im Kaiser-Wilhelm-Museum zu Krefeld, in: Zeitschrift für bildende Kunst, 18.1907, S. 299–301. Paul Friedrich Wilhelm Schulze (Lebensdaten unbek.). Paul Schulze war Kesslers langjähriger und treuer Hausangestellter in Weimar (vgl. Briefe 262, 273, 274, 369, 370). Er übernahm vielerlei Dienste. Er kümmerte sich u. a. um Kesslers Hunde und sprang auch ein, wenn es andernorts an Angestellten mangelte. Im Sommer 1907 begleitete er zusammen mit Wilma de Brion und Hund Fip Kesslers kranke Mutter nach Sainte Honorine in die Normandie und stand ihr dort zu Diensten. Kesslers Schwester zeigte sich voll des Lobes: »Paul is excellent – you have a real luck with him!« (Wilma de Brion an Harry Graf Kessler, 23.7.1907, DLA). In einem anderen Brief heißt es: »Paul is so devoted to you.« (Wilma de Brion an Harry Graf Kessler, 31.7.1907, DLA). Paul Schulze folgte Kessler sogar freiwillig ins Feld, während dessen Mutter und Frau das Haus in der Cranachstraße hüteten (vgl. Brief 368). Neben anderen Freunden widmete Kessler u. a. »dem treuen Kriegskameraden Paul Schulze« seine 1921 erschienene Schrift ›Krieg und Zusammenbruch aus Feldpostbriefen 1914–18‹. Schulze blieb bis 1928 in Kesslers Diensten. Dann zog er mit seiner zweiten Frau Else Schulze nach Erfurt und am 1. März 1931 nach Sondershausen, um dort ein Lebensmittelgeschäft zu führen. Der Wunsch
Briefe und Kommentare 447 des Ehepaares war jedoch, wieder zu Kessler zurückzukehren (vgl. Korrespondenz Paul und Else Schulze mit Wilma de Brion, DLA). ma salle à manger: Van de Velde konnte das Speisezimmer ausführen und 1906 auf der ›Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung‹ in Dresden präsentieren (vgl. Anm. Brief 206).
Brief 227 (DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905−1909)
448 Edition und Kommentar
228 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, 10.8.1905 AML, FSX 504-2/56, Visitenkarte, Briefkopf (gedruckt): Professor Henry van de Velde, Weimar, Cranachstr. 11
à M[onsieur]. le Comte H[arry]. de Kessler Morley Hotel Arrivés, Maria et moi, depuis tantot [sic]. Nous rencontrerions-nous? Théo également ici. Affectueusement Henry 10.8.1905: Théo van Rysselberghe hatte Henry und Maria van de Velde erfolgreich zu einem Kurzausflug nach London animiert. Das Ehepaar traf am 10. August 1905 in London ein und stieg in Morley’s Hotel ab. Zusammen mit Kessler und van Rysselberghe unternahm es verschiedene Besichtigungstouren (vgl. Anm. Brief 224). Morley Hotel: Das Ehepaar van de Velde logierte in Morley’s Hotel am Trafalgar Square.
229 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 7.9.1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Jeudi soir. Bien cher ami, Puis-je venir déjeuner chez vous à midi? J’ai accepté en votre nom un rendez-vous à 1 heure, au ministère. Hunnius remplace de Wurmb, malade et met de l’énergie à faire aboutir l’Exp[osition]. de Dresden. Je profiterai du temps qui nous restera avant le rendez-vous p[our]. vous mettre au courant. Affectueusement votre [sic] Henry.
Briefe und Kommentare 449 7.9.1905: Der Brief wurde nachträglich von fremder Hand auf »Nov. 1905« datiert, was nicht korrekt ist. Van de Velde verfasste den Brief am Donnerstag, den 7. September 1905. un rendez-vous: Van de Velde bezieht sich auf das Treffen am 8. September 1905 bei Dr. Johannes Hunnius in Sachen ›Dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung‹ in Dresden (vgl. Anm. Brief 223). Kessler vermerkte hierzu im Tagebuch: »Mit Vandevelde bei Hunnius wegen Dresden. Der G. H. giebt, wie zu erwarten steht, 20 000 M.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.9.1905).
230 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 9.10.1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Ce 9 octobre 05 Bien cher ami, J’apprends que vous êtes souffrant à Paris et je sens comme cela doit être triste p[our]. vous de vous sentir seul en ces moments de maladie et de souffrances. Je voudrais pouvoir vous aider à passer ces heures et vous porter le soulagement que m’apportent ma femme et mes enfants quand ils viennent et se tiennent près de moi, près du lit. Je fais des vœux p[our]. votre prompt rétablissement. Moi-même, j’ai été fort souffrant et me suis senti devenir malade aussitôt après votre départ. J’ai été incapable de travailler pendant 8 jours et allité [sic]. Je me suis remis au travail sans entrain et ai fort mal produit. Tout ce que j’ai fait p.[our] Dresde jusqu’il y a 4 ou 5 jours, je l’ai détruit. Mais depuis lors, je travaille à un nouveau projet avec goût et bonheur, je crois. Mes dessins seront finis dans une huitaine de jours et j’ai fait avertir le Grand-Duc de ce retard. La collaboration avec de H[ofmann]. est fort difficile en ce qu’il se sent si peu sûr et si inquiet [unleserlich] et si affolé de tout besogne [unleserlich]. J’aurai raison de son manque [unleserlich] d’énergie, mais j’ai peur qu’il ne reste dans la moue [unleserlich] et que je lui prépare de mauvais jours. Au sujet du télégramme de ce matin ayant rapport au jury de l’Exp[osition]. des peintres de Weimar, j’ai cru bien faire de ne pas reculer l’ouverture de cette Exp[osition]., de Payern me déclarant que les peintres et fournisseurs habituels de ces Exp[ositions]. murmuraient et s’inquiétaient du retard. J’ai cru bien faire de ne pas vous remplacer dans ce jury et de prier, en l’absence de Olde, Sascha Schneider de vous représenter. Il a accepté avec joie, ce que de Hofmann refusait d’accomplir. Et je crois que cela ne peut que vous être utile d’avoir fait ce pas vers Schneider. Voilà une vilaine corvée dont vous serez débarrassé. Je lui ai déclaré que
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cette besogne n’était ni bien belle ni bien agréable. Il m’a déclaré la [sic] vouloir accomplir pour vous rendre service. Cher ami, soignez-vous surtout et tranquillisez-vous au sujet du travail que je fais p[our]. Dresde. Je prévois que dans une dizaine de jours, de Hofmann sera assez avancé et moi également pourque [sic] nous puissions songer à présenter nos travaux au Grand-Duc. Quand voulez-vous donner cette conférence à Berlin? Je compte m’y rendre jeudi p[our]. le jury de l’exposition de l’Éventail et dimanche prochain je serai à Chemnitz où l’on m’attend et on travaille chez Esche-Munch. Bien affectueusement Henry souffrant: Bereits im Juni 1905 litt Kessler an einem Leber- oder Gallenleiden (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 28.6.1905, AML, FSX 784). fort souffrant: Van de Velde war von Mitte September bis Anfang Oktober 1905 krank. Er litt an Kopf- und Gliederschmerzen, war arbeitsunfähig und musste bis zum 24. September 1905 das Bett hüten. Dresde: Betrifft die Ausführung der sogenannten ›Museumshalle‹ in Kooperation mit Ludwig von Hofmann für die ›Dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung‹ 1906 in Dresden (vgl. Anm. Brief 206). télégramme: Das Telegramm hat sich nicht erhalten. Exp[osition].: Im Oktober eröffnete im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe eine Ausstellung zu Werken Weimarer Künstler und Künstlerinnen. Vertreten waren u. a. Elisa Bienwald, Paul Hain, Hermann Nernst, Willy Preetorius, Editha Reye, Helene Rink und Susanne Weichberger (vgl. Zeitung Deutschland, 21.10.1905). cette conférence: Van de Velde bezieht sich hier auf Kesslers Vortrag ›Kunst und Patriotismus‹ am 13. Oktober 1905 im Architektenhaus in Berlin (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 13.10.1905; Eberhard von Bodenhausen an Harry Graf Kessler, 4.8.1905, in: Simon 1978, Brief 172, S. 175; Berliner Tageblatt, Nr. 520, Jg. XXXVI, 12.10.1905; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 13.10.1905, AML, FSX 784). le jury de l’exposition de l’Éventail: Henry van de Velde gehörte neben Jacob Albers, Margarete Erler, Curt Herrmann, Ludwig von Hofmann und Julius Meier-Graefe dem ›Komitee der Berliner Fächer-Ausstellung 1905‹ an, das am 12. Oktober 1905 in Berlin tagte. Am gleichen Tag eröffnete van de Velde die Ausstellung mit einem Festvortrag, den er 1910 im Sammelband ›Essays‹ veröffentlichte (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 13.10.1905, AML, FSX 784; Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 11.10.1905, DLA; Velde 1910, S. 165–176). Die Ausstellung, an der van de Velde mit eigenen Exponaten vertreten war, fand in den Salons von Ernst Friedmann und Hermann Weber in der Königgrätzerstraße 9 in Berlin statt (vgl. Velde 1905, Ausst. Kat. Berlin 1905; Erler 1906, S. 878–889, Ausschreibung des Komitees der BFA, 1905; Berliner Tageblatt, 28.10.1905, Nr. 520, Jg. XXXVI).
Briefe und Kommentare 451 Herbert Eugen Esche (1874–1962), Textilfabrikant. Der Chemnitzer Textilfabrikant Herbert Esche war der erste deutsche Auftraggeber, der van de Velde 1902 mit dem Bau und der kompletten Ausstattung eines Hauses, der Villa Esche in Chemnitz, betraute. Esche war Ende 1898 beim Durchblättern der Kunstzeitschrift ›Dekorative Kunst‹ auf das Werk des belgischen Künstlers aufmerksam geworden und bestellte anlässlich seiner Hochzeit mit Johanna (Hanni) Luise Koerner im Frühjahr 1899 einige Möbel für die Chemnitzer Etagenwohnung in der Kastanienstraße 54. Im August 1900 fuhr das Ehepaar nach Uccle, um van de Velde persönlich kennenzulernen. Aus diesem Zusammentreffen erwuchs eine lebenslange Freundschaft, auch zwischen den Ehefrauen Maria und Hanni sowie zwischen den Kindern beider Ehepaare. Nach Besichtigung der Berliner Wohnungen Eberhard von Bodenhausens und Harry Graf Kesslers entschied sich das Ehepaar zum Bau eines Hauses in der Chemnitzer Parkstraße 58. Die Bauarbeiten der Villa Esche wurden 1902 begonnen. 1911 erfolgte ein Erweiterungsbau. Die Familie bezog die Villa im Frühjahr 1904 (vgl. Herbert Esche an Henry van de Velde, 21.2.1905; Richter 2001; Metz/ Richter/ Schmückle von Minckwitz 2003, S. 8–49). Edvard Munch (1863–1944), norwegischer Maler, Graphiker. Kessler hatte Edvard Munch 1895 über Eberhard von Bodenhausen kennengelernt. Kessler ließ sich 1895, 1904 und 1906 von Munch porträtieren und zeigte unter Leitung von Karl Koetschau im November 1906 eine Werkschau des Künstlers im Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe. Auch van de Velde war mit Munch näher bekannt. Munch porträtierte ihn 1906 und fertigte im selben Jahr zwei Lithographien der Zwillinge Thyl und Thylla van de Velde. Angeregt durch die Kinderbildnisse für Dr. Max Linde, einen Auftraggeber van de Veldes, hatte sich Hanni Esche am 12. Juli 1905 mit der Bitte an Munch gewandt, ihre Kinder Hans Herbert und Erdmute porträtieren zu lassen. Edvard Munch weilte daraufhin im Oktober 1905 auf Kosten der Familie Esche in Chemnitz. Es ist überliefert, dass Munch in den ersten drei Wochen seines Aufenthaltes den Pinsel nicht zur Hand nahm und sich stattdessen in diversen Lokalitäten umhertrieb. Hilfesuchend wandte sich daher Hanni Esche an van de Velde, der am 14. Oktober 1905 in Chemnitz eintraf (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 13.10.1905, AML, FSX 784). Munch vollendete innerhalb von wenigen Tagen sieben Porträts der Familie, von denen Herbert Esche bis auf sein eigenes Porträt fünf erwarb. Sein eigenes Porträt gab er Munch nach Weimar mit, der es nach Aussage Hans Herbert Esches wiederum an van de Velde weiterreichte. Van de Velde schenkte das Gemälde 1925 Erdmute Esche anlässlich ihrer Hochzeit zurück (vgl. Wahl 1988, S. 86–89; Brühl 1992, S. 57–61; Mössinger 1999, S. 21–24).
231 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Berlin], dimanche matin [Poststempel: 22.10.1905] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Signet von Curt und Sophie Herrmann, W. Kaiserin Augusta-Str. 69
Dimanche matin Cher ami, Hier M[onsieur]. de Mutsius [sic] m’a déclaré son intention de posséder
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une salle à manger de moi. J’ai bien peur qu’il ne sache où et à qui s’adresser. Voudriez bien lui dire qu’il s’adresse dans ce cas à moi directement et traite cela comme n’importe quelle autre affaire. Tantot [sic] Rothe m’a visité içi [sic]. Je n’y étais pas. Pourquoi, pourquoi? Je serai ce soir à Weimar[.] Affectueusement Henry. Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag ist adressiert »à Monsieur le Comte H. de Kessler Berlin/W. 28 Köthenerstr.« und trägt folgende Poststempel »Berlin-Eisenach Bahn Post 22.10.05« und »Bestellt vom Postamte 23.10.05«. W. Kaiserin Augusta-Str. 69: Van de Velde nutzte das Briefpapier seiner Freunde Curt und Sophie Herrmann, bei denen er in Berlin logiert hatte. Gerhard von Mutius (1872–1934), Diplomat, Schriftsteller, Philosoph. Es handelt sich um Gerhard von Mutius, Cousin des Reichskanzlers Theobald von Bethmann-Hollweg, der mit Kessler seit der gemeinsamen Zeit bei den ›Canitzern‹ befreundet war (vgl. Brief 259). Dank seiner hochrangigen Stellung im diplomatischen Dienst war es Gerhard von Mutius möglich, van de Velde 1914 den Aufenthalt in Deutschland zu erleichtern und Kessler 1933 davon abzuhalten, nach Deutschland zurückzukehren (Velde 1962, S. 382; Burger 1968, S. 497, Anm. 15). Es ist nicht belegt, dass van de Velde ein Speisezimmer für von Mutius entwarf und ausführen ließ. à Weimar: Van de Velde hatte den Brief während der Bahnfahrt aus Berlin nach Weimar verfasst.
232 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, o. O., [28.10.1905] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
28.X.03 [von anderer Hand] Cher ami Viens de rencontrer Slevogt. Il m’a déclaré m’avoir envoyé la lettre, vous croyant absent et en vue de gagner du temps. Maintenant il vous prie de demander ou faire demander aussitot [sic] chez M[onsieur]. de Palézieux si le Grand-Duc peut venir demain chez de Hofmann. Il insiste p[our]. que vous fassiez cette démarche. Dès mercredi le Grand-Duc songe à se rendre à Heinrichau.
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Mais il faudrait une réponse formelle et que nous soyons avertis: vous, de H[ofmann]. et moi. En toute hâte votre Henry Dr. Karl Slevogt (1845–1922), Ministerialdirektor im Ministerialdepartement des Inneren des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, von 1908 bis 1915 Vorsitzender des Verwaltungsausschusses der Kunstgewerbeschule. chez de Hofmann: Es ging um die Präsentation der Entwürfe zur ›Museumshalle‹ für Dresden (vgl. Brief 206). Die Präsentation fand schließlich am 1. November 1905 statt. Kessler bemerkte hierzu in seinem Tagebuch: »Der Grossherzog Vandeveldes u. Hofmanns Skizzen in Hofmanns Atelier besichtigt. Er war wie ein Stock, stumm, steif und feuerrot bis hinter die Ohren; sein nervöses Zucken in den Ohren verliess ihn nicht. Er drückte heraus, ob die Beleuchtungskörper nicht zu nah bei den Bildern wären und an Hofmann, ›Was stellt das vor?‹ Sonst kein Wort der Anerkennung oder auch des leisesten Gefallens. Ein armes Geschöpf, manierenlos aus Minderwertigkeit.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.11.1905). Die ›Museumshalle‹ wurde einen Tag später, am 2. November 1905, vom Großherzog genehmigt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.11.1905). Heinrichau: Schloss Heinrichau in Schlesien gehörte neben den Herrschaften in Racot und Stenchewo in Posen sowie den Schlössern Buitenrust und Zorgvliet in den Niederlanden zu den Besitztümern von Großherzog Wilhelm Ernst. Heinrichau lag im Kreis Münsterberg ca. 50 km von Breslau entfernt. Nach dem Ende der Monarchie siedelte Großherzog Wilhelm Ernst mit seiner Familie im Dezember 1918 aus Weimar nach Heinrichau über, wo er 1923 starb und seine letzte Ruhe fand (Post/ Werner 2006, S. 524–529).
233 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, o. O., 28.10.1905 AML, FSX 504/120, Brief
Cher ami, pas encore de réponse de Palézieux. Dès que je l’aurai, je suppose demain matin, je vous la communiquerai, ainsi qu’à de Hofmann. – En attendant, voici un article de Fritz Stahl, qui m’étonne par sa bienveillance pour vous et les vôtres. J’aurai grand plaisir à venir demain. Veuillez saluer madame Vandevelde de ma part. Bien à vous deKessler ce 28 oct[obre].05.
454 Edition und Kommentar article: Es handelt sich um den am 28. Oktober 1905 im ›Berliner Tageblatt‹ erschienenen Artikel ›Fächer‹ anlässlich der Berliner Fächer-Ausstellung (vgl. Brief 230). Der Artikel liegt dem Brief nicht mehr bei (vgl. Fritz Stahl, Berliner Tageblatt, 28.10.1905). Fritz Stahl (eigentlich Siegfried Lilienthal, 1864–1928), Kunstschriftsteller, Kunstkritiker, Mitarbeiter des ›Berliner Tageblattes‹. Fritz Stahl stand van de Veldes Kunst generell kritisch gegenüber, was sein kompromittierender Artikel ›Barbaren über uns!‹, der ein Jahr später anlässlich der ›Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung‹ 1906 erschien, eindrücklich belegt (vgl. Anm. Brief 251).
234 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, o. O., 29.10.1905 AML, FSX 504/121, Brief
Cher ami, je pense à quelqu’un qui serait de la plus grande importance par ses rapports avec la Société à Berlin: le jeune Harrach. Il faudrait absolument qu’il en soit. Vous pourriez aller le trouver à Florence. Je vous y engage vraiment. Il m’a du reste parlé de vous avec beaucoup de chaleur à Munich cet été, et il a beaucoup de talent. Il s’occupe aussi de Kunstgewerbe, comme vous savez. Bien à vous deKessler ce 29.X.05. Il aura naturellement un grand intérêt personnel à être représenté à Berlin. Mais il n’est pas très riche [unleserlich]. Hans Albrecht Graf von Harrach (1873–1963), Maler, Bildhauer. Hans Albrecht Graf von Harrach, ehemaliger Corpsbruder von Eberhard von Bodenhausen und Mitglied des ›Deutschen Künstlerbundes‹, kannte Kessler seit 1895 (vgl. Brief 234). Seine Mutter, Helene Gräfin von Harrach, hatte zudem 1899 einen Schreibtisch nebst Stuhl bei van de Velde in Auftrag gegeben. Von Harrach war mit einer Kinderbüste aus Terrakotta (Nr. 315) und einer Porträtbüste (Nr. 316) auf der ›3. Deutschen Künstlerbund-Ausstellung‹ 1906 in Weimar vertreten (Ausst. Kat. Weimar 1906, S. 32).
235 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, o. O., 30.10.1905 AML, FSX 504/122, Brief
Cher ami, bien merci de votre beaucoup trop généreuse dédicace. Pourquoi »reconnaissance«? C’est moi qui devrais vous être reconnaissant de tout ce que vous avez contribué au développement de mon »Moi«; car c’est bien ça la seule chose pour laquelle la reconnaissance est admissible. Pour
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le reste, on doit faire, ce me semble, que ce qui devrait être fait même à l’encontre de toute reconnaissance, simplement parceque [sic] ça vaut la peine d’être fait. Bien à vous et encore bien merci HdeKessler ce 30.X.05. dédicace: Es ist nicht überliefert, um welche Art der Widmung es sich hier handelt. Denkbar ist jedoch, dass van de Velde die Broschüre ›Notizen von einer Reise nach Griechenland‹ in einer besonders schönen Bindung Kessler schenkte. Die Broschüre war im Oktober 1905 als Privatdruck erschienen (Brinks 2007, S. 406, Nr. 68). Van de Velde und seine Frau waren am 30. Oktober 1905 zusammen mit Edvard Munch und Elisabeth Förster-Nietzsche zum Frühstück bei Kessler eingeladen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.10.1905).
236 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, o. O., Oct[obre] 1905 [31.10.1905] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Oct[obre] 1905 [von anderer Hand] Bien cher ami J’avais pensé à Harrach et l’avais proposé hier matin à de Hofmann. C’est son peu d’enthousiasme qui m’a fait ne pas vous en parler hier soir. Est-il à Florence? en ce moment. Je télégraphierai à Dresde tantot [sic]. Votre Henry Oct[obre] 1905: Die zeitliche Angabe wurde vermutlich von Kessler vermerkt. Der Brief nimmt inhaltlich Bezug auf Kesslers Schreiben vom 29. Oktober 1905 (vgl. Brief 234). Florence: Hans Graf von Harrach lebte in der Villa Ridolfi in Marignolle, südlich von Florenz. Postalisch erreichte man ihn über die Post in Scandicci (vgl. Ausst. Kat. Weimar 1906, S. 45).
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237 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, [3.11.1905] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Visitenkarte, Briefkopf (gedruckt): Professor Henry van de Velde Weimar Cranachstr. 11.
3.XI.05 [von anderer Hand] Ne pouvez-vous pas souper avec nous à 7 heures avec les de Hofmann au »Rüssicher Hof« [sic]. Je l’ai trouvé découragé au point que je voudrais bien que vous m’aidiez un peu, cher ami, à le remonter. Ruland fera les frais! 3.XI.05: Die Datumsangabe stammt vermutlich aus Kesslers Feder. »Russischer Hof«: Das noch heute existierende Hotel ›Russischer Hof‹ (ursprüngl. ›Zarenhof‹) nebst gleichnamiger Weinhandlung befand sich am Weimarer Karlsplatz und wurde von Albrecht Drüge geführt. découragé: Am 1. November 1905 hatten van de Velde und Ludwig von Hofmann dem Großherzog die Skizzen für den Dresdner ›Museumssaal‹ unterbreitet (vgl. Anm. Brief 232). Obgleich Großherzog Wilhelm Ernst die Ausführung am Tag darauf genehmigte, bezeichnete Kessler dessen Verhalten als »manierenlos aus Minderwertigkeit« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.11.1905). Dr. Carl Ruland (1834–1907), Kunsthistoriker, Hofrat, Präsident der Goethe-Gesellschaft, von 1870 bis 1906 Direktor des Großherzoglichen Museums und zusätzlich von 1885 bis 1906 des Goethe-Nationalmuseums in Weimar. Nach dem offensichtlichen Zögern des Großherzogs, die von van de Velde erstellten Entwürfe für das Weimarer Museum für Kunst und Kunstgewerbe abzusegnen, beabsichtigte Kessler, das Großherzogliche Museum unter Direktion von Carl Ruland als Austragungsort der ›3. Deutschen Künstlerbund-Ausstellung‹ zu nutzen. Am 2. November 1905 wandte sich Kessler daher schriftlich an das Großherzoglich-Sächsische Staatsministerium des Kultus und »aus Höflichkeit« an Ruland, um ihm seine Pläne persönlich mitzuteilen. Ruland bereitete Kessler eine groteske Szene, in deren Folge der peinlich berührte Ruland die Kosten des Abendessens im ›Russischen Hof‹ bestritt. Im Tagebuch hielt Kessler das Zusammentreffen fest (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.11.1905). Wenngleich sich Ruland für dieses Fehlverhalten bei Kessler entschuldigte, kämpfte er vehement, jedoch erfolglos gegen das Vorhaben an. Ruland legte daraufhin im April 1906 seine Ämter nieder. Die Ausstellung wurde am 1. Juni 1906 im Großherzoglichen Museum eröffnet, wozu das gesamte Museum beräumt wurde (vgl. Müller-Krumbach 1997, S. 205–225; vgl. Briefe 239, 242).
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238 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, o. O., [7.11.1905] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
7.XI.05. Cher ami Je recois [sic] à l’instant cette carte de qui? Je ne peux pas lire les noms! Et que peut bien vouloir signifier »conseiller artistique« dans l’occurrence? Affectueusement Henry 7.XI.05: Die Datumsangabe stammt vermutlich von Kessler. cette carte: Die Karte liegt dem Brief nicht mehr bei.
239 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, samedi soir [18.11.1905] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf und Briefumschlag: HÔTEL RUSSISCHER HOF, WEIMAR. Albrecht Drüge
[19-XI–05] [von anderer Hand] Samedi soir. Bien cher ami, Je viens d’avoir un entretien au Théatre [sic] avec Pabst le Bourgmestre. Je lui ai parlé confidentiellement de l’affaire du Künstlerbund – sans rien lui dire ni de Ruhland [sic], ni de l’État, ni du Gr[an]d-Duc! Je lui ai exposé l’éventualité d’une exposition et des conséquences qu’en résulteraient p[our]. Weimar. Il m’a parlé de l’érection d’une baraque. Et m’a dit que la ville disposait de places et participerait certainement aux frais! Je lui ai dit que je n’avais aucunement mission mais que vous l’iriez [sic] voir aussitôt votre retour.
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Surtout ne tardez pas à reparaître! Affectueusement Henry Briefumschlag: Bei Briefpapier und Briefumschlag handelt es sich um Hotelpost des ›Russischen Hofs‹ in Weimar. Der Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H. de Kessler Hotel Cecil London«. Vermerkt sind folgende Poststempel: »Weimar 19.11.05 5-6 V.« und »London W.C. 730 AM No 20 05 26«. [19–XI–05]: Der Brief wurde von van de Velde mit »samedi« überschrieben. Er datiert daher vom 18. November und nicht vom 19. November 1905. Karl Pabst (1835–1910), Geheimer Regierungsrat. Karl Pabst war seit 1876 Bürgermeister und von 1888 bis 1910 Oberbürgermeister der Stadt Weimar. Er gehörte von 1908 bis zu seinem Tod dem Verwaltungsausschuss der Kunstgewerbeschule an. baraque: Zur Errichtung eines Interimsbaus durch die Stadt Weimar kam es nicht. Die ›3. Deutsche Künstlerbund-Ausstellung‹ fand in den Räumlichkeiten des Großherzoglichen Museums statt. Der komplette Bestand des Museums wurde zu diesem Zweck in das Reithaus ausgelagert (vgl. Brief 240, Anm. Brief 237).
240 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 19.11.1905 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet WEIMAR. CRANACHSTRASSE 11.
Cher ami, Je viens de recevoir de Reinhardt – le Charpentier [–] le devis p[our]. la baraque. Il s’élève à Mks 8200. Il faut ajouter à cette somme 3000 p[our]. la location du verre et la construction des chassis p[our]. les vitres. 3000 aussi p[our]. les travaux de tapisserie et de peinture. La baraque reviendrait donc à 15000 Mks. Ne pas oublier les frais de transport (chemin de fer), transport des caisses [,] déballage et accrochage; remisage des caisses, décrochage, réemballage, transport etc. frais d’exploitation et d’assurance, au sujet desquels le comité doit avoir des renseignements précis. Ce matin, j’ai reçu une lettre du Prof[esseur] Czapski qui m’annonce que le Stadtbaurat de Jena renonce à s’occuper encore du »Volksbad« à cause de la proposition à lui faite par le Comité de collaborer avec moi. Czapski me demande d’accepter de fournir des plans nouveaux. C’est un pas de plus vers la réalisation de mon plus grand désir: créer un vrai monument. Ce n’est qu’un pas et ce n’est pas encore le premier! Discrétion sur ceci, n’est-ce pas? Je tiens cela p[our]. prudent! Ne pas
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éveiller les chiens qui dorment et la haine qui sommeille! Je vais faire un voyage d’études maintenant. Je me rendrai à Munich vers le fin de la semaine. Me rendrai de là à Wiesbaden où je serai vers le 1er Déc[embre] et de là me rendrai à Paris p[our]. mon Exp[osition]. chez Druet – qui s’ouvrira le 18 Déc[embre]. Quels sont vos plans, cher ami? En hâte et bien affectueusement Henry Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H. de Kessler Hotel Cecil Londres.«. Folgende Poststempel sind vermerkt: »Weimar 20.11.05 10-11 V.« und »London«. baraque: Vgl. Anm. Brief 239. »Volksbad»: Vgl. Brief 201. un voyage d’études: Van de Velde unternahm die Studienreise auf eigene Kosten. Sie führte ihn zunächst nach Eisenach und Meiningen. Von Meiningen reiste er am 28. November 1905 nach München. Am 30. November unternahm er von dort aus einen Tagesausflug nach Augsburg, um die ehemaligen Badezimmer der Fugger (1570) zu besichtigen. Von München setzte van de Velde am 1. Dezember seine Reise über Eybach nach Wiesbaden fort, wo er am 3. Dezember eintraf. Mit Zwischenstopp in Frankfurt und Gießen erreichte er am 9. Dezember Paris, wo er bis zum 20. Dezember bei Théo und Maria van Rysselberghe logierte. In Paris traf van de Velde Vorbereitungen für seine Ausstellung in der Galerie Druet, betreute den Auftrag für von Golubeff (vgl. Anm. Brief 200) und besuchte u. a. Maillol und Denis bezüglich der Ausstattung für Kurt von Mutzenbecher. Am 20. Dezember reiste er über Hagen nach Weimar, wo er kurz vor Weihnachten am 21. oder 22. Dezember 1905 wieder eintraf (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27./29.11.1905, 1./3./4./8./12./14./15./19.12.1905, AML, FSX 784). Wiesbaden: Van de Velde reiste nach Wiesbaden, um den Fortgang der Arbeiten für Kurt von Mutzenbecher zu begutachten. Unterdessen traf er dort auch auf seinen Freund Théo van Rysselberghe, der zu jener Zeit Jeannette von Mutzenbecher, die Mutter Kurt von Mutzenbechers, porträtierte (vgl. Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 12./15.11.1905, AML, FSX 800). mon Exp[osition]. chez Druet: Die Ausstellung ›Exposition d’argenteries de van de Velde‹ wurde am 18. Dezember 1905 in der Pariser Galerie Druet, 14 Faubourg Saint-Honoré, eröffnet und dauerte bis zum 13. Januar 1906. Van de Velde präsentierte seine neuesten Kreationen aus Silber, vorwiegend Korpusware und Bestecke, aus der Produktion des Weimarer Hofjuweliers Müller. Wenngleich die Ausstellung bei der Pariser Bevölkerung Anklang fand, wurden nur wenige Stücke verkauft (vgl. Brief 244). Am 30. Dezember 1905 schrieb Théo van Rysselberghe hierzu an van de Velde: »Ton exposition continue à être très visitée et intéresse beaucoup de gens; pourtant on ne vend guère et il paraît que la raison en est, que les gens craignent que des pièces détachées de cette argenterie que de style ne fassent pas bien avec de l’autre.« (Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 30.12.1905, AML, FSX 800/51; vgl. Velde 1962, S. 275; Velde 1995, S. 217; Velde 1999, S. 204).
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241 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 20.11.1905 AML, FSX 504/119, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
ce 20.XI 05 Merci, cher ami; je suis très heureux que vous ayez entamé la négociation. Je serai de retour lundi soir, ou plus tard. Serez-vous à Weimar. Hofmannsthal vient le 30. J’ai vu Reinhardt à Berlin, qui semble sérieusement vouloir agrandir ses constructions du Deutsches Theater. Il m’a promis de venir à Weimar, surtout pour voir ce que vous faites et aussi vos modèles et plans de théâtre. Peut[-]être faudrait-il s’arranger pour qu’il ne vous prenne pas vos idées, quoiqu’il me paraisse un parfait gentleman. Je serai à Paris, Grand Hotel [sic], mercredi. Saluez, je vous prie, madame Vandevelde et les bébés. Bien à vous deKessler retour: Kessler kam am Dienstag, den 28. November 1905, wieder zurück nach Weimar (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.11.1905). Hofmannsthal: Hofmannsthal war vom 30. November bis zum 5. Dezember 1905 zu Gast bei Kessler in Weimar (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.11.1905; Hugo von Hofmannsthal an Harry Graf Kessler, 29.11.1905, in: Burger 1968, Depesche 119, S. 111). Max Reinhardt (urspr. Maximilan Goldmann, 1873–1943), österreichischer Schauspieler, Regisseur, Intendant, Theaterreformer, 1911 Mitglied im Komitee zur Errichtung des Nietzsche-Denkmals. Deutsches Theater: Vgl. Anm. Brief 243. venir à Weimar: Max Reinhardt traf am 4. Dezember 1905 in Weimar ein (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.12.1905; vgl. Brief 243).
242 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 23.11.1905 AML, FSX 504/118, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
ce. 23. XI. 05. Cher ami, toutes mes félicitations du résultat de Jena. C’est donc une première occasion de vous manifester dans votre totalité et il me semble que le »sujet« du monument est des plus beaux. Les bains ont toujours été une des formes de grands monuments les plus intéressants. St. Pierre de Rome, la coupole, Ste-Sophie sont sortis des bains romains; espérons que votre bain sera aussi productif de grands monuments pour vous. Pour
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le K[ünstler]. B[und]. c’est donc à peu près 20 000 marks à trouver. Si c’est nécessaire, je les trouverai n’en doutez pas. – Bien merci cher ami de vous être occupé de ceci. – Je regrette que vous serez [sic] absent pendant le séjour de Hofmannsthal qui arrive le 30. Mais nous nous verrons à Paris, où je compte venir de Hambourg après ma conférence, le 14. Je serai du reste à Paris, Grand Hôtel, demain, et à Weimar lundi. Bien à vous, cher ami deKessler Espérons que vous trouverez une dizaine de mille M[arks]. pour Maillol dans votre bain; ce serait admirable. Peut-être même vous créerait-il une frise en grès, en bas autour du bassin, à l’intérieur au ras de l’eau. C’est bien là l’endroit qu’on voit le plus, au bain. Excusez l’écriture. La plume est une vraie allumette trempée dans de l’encre. résultat de Jena: Czapski hatte van de Velde nach einiger Zeit des Wartens und kleinerer Querelen, die es in der Zwischenzeit zu lösen galt, endgültig mit den Entwurfszeichnungen für das Volksbad in Jena betraut (vgl. Anm. Brief 201, Brief 240). Im Januar 1906 reichte van de Velde die Entwürfe ein, die jedoch im Februar 1906 abgelehnt wurden. Van de Velde konnte somit auch nicht auf Kesslers Vorschläge eines Frieses von Maillol eingehen. Die Entwürfe haben sich nicht erhalten. près 20 000 marks à trouver: Für die ›3. Deutsche Künstlerbund-Ausstellung‹ wurde seitens der Stadt Weimar das magere Budget in Höhe von 4.000 Mark zugesagt (Zeitung Deutschland, 25.2.1906). Kessler garantierte weitere 25.000 Mark (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.6.1906).
243 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 6.12.1905 AML, FSX 504/123, Brief
Urgente et personnelle Weimar 6 décembre 05. Cher ami, pendant que vous vous baladez à Paris et dans les endroits chic, il se passe ici des choses, des choses! D’abord Reinhardt. Mme Vandevelde a dû vous raconter, qu’il est venu à Weimar. Hier matin Hofmannsthal et moi lui avons montré le modèle du théâtre. Il a été tout à fait »überzeugt«. Il le trouvait »das Ei des Columbus« et d’une beauté tout à fait »pathétique«. Le Nietzsche Archiv a fini de le convaincre. Ce matin, le voyant à point, je lui ai proposé tout crûment de vous confier la reconstruction de la Salle Emberg qu’il vient d’acheter, à côté du Deutsches Theater. Il
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veut en faire un petit théâtre, comme le »Kleines Theater« (400 places) et en même temps une salle de concert avec orgue, pour pouvoir la louer à l’agence Wolff 4 jours par semaine, lui ne comptant y jouer que deux fois. Il m’a, bien naturellement, répondu qu’il ne pouvait pas s’engager comme ça, de bout [sic] en blanc, sans vous avoir vu, qu’il n’avait jamais songé à vous pour ceci, ne pensant pas que ce travail pût vous intéresser, mais que si je le croyais vraiment, il vous faisait prier d’aller le voir à Berlin aussitôt votre retour de Paris, la reconstruction devant se faire cet été. Il désire surtout deux choses 1) la plus grande simplicité (pas d’ornements) pour atteindre à [sic] la dignité, 2) que le style ne jure pas avec le Deutsches Theater (Style Empire), ni avec le style vieillot (1850) de l’extérieur des maisons, dans lesquelles se trouve encastrée la salle Emberg. Il compte aussi ajouter un restaurant à la salle de théâtre. Plus tard, dans quelques années, il espère pouvoir construire un grand théâtre sur l’emplacement du Deutsches, et c’est à vous qu’il songe en premier lieu surtout pour cette besogne. Autre coup de théâtre : Le Gr[and].-D[uc]. s’est annoncé pour dîner chez moi samedi. C’est hier soir que Fritsch, qui passait la soirée chez moi avec Reinhardt, m’a dit, après une longue conversation sur la façon dont le Gr[and].-D[uc]. envisageait son rôle, que Palézieux était mon ennemi personnel (»Ihr Antipode«) auprès du Gr[and].-D[uc]., mais que le Gr[and].-D[uc]. avait cessé de croire à ce que P[alézieux]. lui disait tout le temps sur mon compte, et qu’il désirait au contraire se rapprocher de moi; qu’il serait très heureux, si je voulais l’inviter en tout petit comité, avec quelques artistes, et que lui, Fritsch, se mettait à ma disposition pour tenir le Gr[and].-D[uc]. au courant de mes projets et de mes désirs. Nous avons là[-]dessus fixé samedi, et j’ai proposé comme devant être invités Olde (vous comprenez pourquoi), Hofmann, Klinger et, s’il veut bien venir, Gerhart Hauptmann. C’est une vraie péripétie de drame. Je ne puis du reste pas douter de ce que F[ritsch]. me dit sur le compte de Palézieux, Rothe m’ayant dit, il y a quelques jours seulement, que mon nom était »wie ein rotes Tuch« pour Palézieux, qu’il entrait en fureur à m’entendre seulement nommer. J’ai là dessus déclaré formellement à Rothe, que dans ce cas, j’en avais assez et que je préférais donner ma démission. Rothe m’a prié de ne pas le faire encore (noch nicht), les choses pouvant s’améliorer. Vous voyez l’enchaînement entre cette conversation avec Rothe et le changement de front du Gr[and]. D[uc].. Ce qui me paraît clair, c’est qu’il y a une guerre au couteau déclarée entre Rothe – Fritsch d’une part et Palézieux de l’autre; sans ça Rothe et Fritsch n’auraient pas eu l’imprudence de me raconter la façon dont Palézieux m’arrange auprès du Gr[and]. D[uc].. Fritsch m’a instamment prié de me servir de lui et d’entrer avec lui dans les rapports les plus proches cet hiver. Il voudrait être de notre cercle. Je crois que nous aurons tout profit à obtempérer à ce désir.
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– Veuillez m’écrire ce que je dois faire pour Druet. Affectueusement HdeKessler. Brief: Dieser Brief wurde bisher im Fonds van de Velde im Archives et Musée de la Littérature getrennt unter den Signaturen FSX 504/123 und FSX 504/128 aufbewahrt. Van de Velde veröffentlichte den Brief als wichtiges Zeitzeugnis in seinen Memoiren unter dem Kapitel »1905 in Paris« (»1905 à Paris«; vgl. Velde 1962, S. 268 f.; Velde 1995, S. 209; Velde 1999, S. 192). Es scheint, als versinnbildliche dieser Brief einen letzten aufkeimenden Hoffnungsschimmer, Weimar kulturell erneuern zu können. Ein fragmentarischer und stilistisch leicht abweichender Briefentwurf existiert im Deutschen Literaturarchiv in Marbach (vgl. Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 6.12.1905, DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1900– 1908, Briefentwurf). Reinhardt: »Daß Henry das Reinhardt-Theater bekommt«, schrieb Eberhard von Bodenhausen im Frühjahr 1906 an von Hofmannsthal, »erscheint mir für den armen zerquälten Mann, vor dem die großen Aufgaben zurückweichen, wo sie auftauchen, eine Existenzfrage. Geht auch dieses Projekt in Stücke, so fürchte ich für seine Widerstandskraft.« (Eberhard von Bodenhausen an Hugo von Hofmannsthal, 14.4.1906, in: Bodenhausen 1953, S. 74). Max Reinhardt kam am 4. Dezember 1905 nach Weimar und besichtigte tags darauf zusammen mit Kessler und von Hofmannsthal van de Veldes Atelier und die dortigen Modelle für das nicht verwirklichte Sommertheater von Louise Dumont. Van de Velde befand sich zu jener Zeit in Wiesbaden bei Kurt von Mutzenbecher und Théo van Rysselberghe (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.12.1905). Reinhardt beabsichtigte, van de Velde zunächst den Emberg-Saal umbauen und späterhin ein »großes Theater« auf dem Terrain des Deutschen Theaters errichten zu lassen. Dieser Plan wurde zur großen Enttäuschung van de Veldes nicht realisiert, obgleich ihn führende Vertreter der deutschen Kulturelite in dieser Angelegenheit mit einer an Reinhardt gerichteten Petition im Frühjahr 1906 unterstützten (vgl. Briefe 248, 250; Velde 1962, S. 271; Föhl 2010, S. 154 f.). Van de Veldes schlichtes Resümee in seinen Memoiren lautete: »Reinhardt se désintéressa au bout de quelque temps de mes expériences. Il se sentait attiré vers des spectacles sensationnels.« (Velde 1999, S. 190). Es haben sich keine Entwürfe erhalten (vgl. Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 299 f.). la Salle Emberg: Am 6. Dezember 1905 vermerkte Kessler im Tagebuch: »Mit Reinhardt im Goethe Haus. Ihn gesprochen wegen Übertragung des Umbaus von Emberg an Vandevelde. Er sagte, er hätte dafür bisher nie an Vandevelde gedacht, weil er nicht geglaubt habe, dass diese kleine Aufgabe Vandevelde reizen könne. Aber er wolle gern mit Vandevelde nach dessen Rückkehr darüber sprechen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.12.1905). Der in direkter Nachbarschaft zum Deutschen Theater gelegene Emberg-Ballsaal wurde schließlich von William Müller umgebaut und im November 1906 als ›Kammerspiele‹ unter Max Reinhardt eröffnet. Deutsches Theater: Das 1849/50 von Eduard Titz erbaute Deutsche Theater (ursprünglich Friedrich-Wilhelm-Städtisches Theater) in Berlin-Mitte wurde 1905 von Max Reinhardt übernommen, wenig später von ihm erworben und einem Umbau unterzogen. Kleines Theater: Das Haus wurde 1901 als Bühne ›Schall und Rauch‹ eröffnet und 1902 in ›Kleines Theater‹ umbenannt. Max Reinhardt übernahm die dortige Leitung 1903. Im Zuge des Erwerbs des ›Deutschen Theaters‹ musste er das ›Kleine Theater‹ aufgeben.
464 Edition und Kommentar dîner chez moi: Das besagte Diner mit dem Großherzog fand am Sonntag, den 10. Dezember 1905, im privaten Rahmen bei Kessler zu Hause statt. Gegenüber Hugo von Hofmannsthal äußerte Kessler seine Verwunderung: »Er [Großherzog] wünsche jetzt im Gegenteil mit mir näher zusammenzukommen und würde sich z. B. sehr freuen in den nächsten Tagen bei mir zu essen; am liebsten im allerkleinsten Kreise mit nur noch zwei oder drei Andren. Das ist nun umso sonderbarer, als der Grh. bei seinem Regierungsantritt erklärt hat, er wolle prinzipiell nur bei Exzellenzen und Obersten verkehren und hieran bis jetzt auch streng festgehalten hat. Dies ist die erste Ausnahme die er macht und beweist natürlich, daß er auch zu den Künstlern ins Haus gehen will. [...] Palezieux scheint also momentan in den Hintergrund gedrückt. Jedenfalls eröffnen sich damit ganz neue Aussichten für unsere Pläne.« (Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 6.12.1905, in: Burger 1968, Brief 120, S. 112). Neben einer üblichen Beschreibung des Abends skizzierte Kessler sogar die Sitzordnung ins Tagebuch: »Abends bei mir Diner mit dem Grossherzog, Hauptmann, Klinger, Ludwig von Hofmann, Olde und Fritsch. Nach einigen grincements setzte sich die Maschinerie des Gesprächs sehr glatt und flott in Bewegung, von Jugend und Sport bis zu Neoimpressionismus rangierend. Klinger betonte dem Grossherzog gegenüber die Bedeutung der NeoImpressionisten. Ich sagte ihm, ich werde fortfahren, sie auszustellen, da nach meiner Ansicht, Weimar eine Freistatt sein müsse für jede Kunstäusserung, die ernsthaft und interessant sei. Gerade das, meinte der Grossherzog, wolle auch er, man dürfe nicht eine Richtung bevorzugen. Der Grossherzog blieb bis um Eins und schien sich gut unterhalten zu haben, was mir wegen seines weiteren Verhaltens wichtig ist. Mit Hauptmann, Klinger, Hofmann, Olde dann noch bis nach Zwei zusammen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.12.1905). Auch Maria van de Velde berichtete ihrem Mann von diesem Abend. Der Großherzog habe beim Eintritt in Kesslers Arbeitszimmer gesagt: »›Ach, das ist aber wirklich schön; aber warum hängen Sie so häßliche Bilder auf!‹« (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 11.12.1905, AML, FSX 786). hier soir: Kessler bezieht sich hier auf das Diner am 5. Dezember 1905 bei ihm zu Hause. »– Abends noch Fritsch und Erhard Wedell zu Tisch. Nach Tisch kam das Gespräch auf den Grossherzog. Ich sagte Fritsch ziemlich unverblümt meine Meinung. Er meinte, ich irrte mich, ich solle doch nicht ungeduldig werden, er wolle sich jetzt wirklich mehr den Künstlern nähern. Was er denn überhaupt thun solle. Ich sagte, seine ganze Diplomatie und Liebenswürdigkeit aufwenden, noch einige bedeutende Menschen herzuziehen, z B. Klinger, Hofmannsthal, Hauptmann. Fritsch nahm mich schliesslich im Arbeitszimmer beiseite und sagte mir: Sie wissen ja, dass Sie beim Grossherzog einen Antipoden haben, Palézieux. Ich habe ihm aber gesagt, er solle doch nicht Alles glauben, was Palézieux sage, er wisse doch, dass da persönliche Abneigungen mitsprächen u.s.w. Der Grossherzog habe das auch eingesehen und wünsche sich mir zu nähern, z. B. würde er sich sehr freuen, wenn ich ihn einmal so im kleinen Kreise, wie heute Abend, zu mir einlade. Schliesslich fragte Fritsch bestimmt, ob Sonnabend mir passen würde? Ich sagte ja und schlug vor, noch Olde, Hofmann, Klinger und Hauptmann dazu einzuladen, sonst Niemanden. Fritsch meinte dann, ich möchte ihn, Fritsch, doch etwas in mein Vertrauen ziehen, ihn unterrichten, damit er den Grossherzog immer vorbereiten könne, überhaupt sei es gut, wenn wir etwas zusammenhielten.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.12.1905). Druet: Betrifft die Ausstellung von Silberarbeiten van de Veldes in der Pariser Galerie Druet, die am 18. Dezember 1905 eröffnet wurde (vgl. Anm. Brief 240). Van de Velde erwartete Kessler dringend in Paris. An seine Frau schrieb er am 12. Dezember 1905: »Sais-tu, bon Kind, quelque chose du dîner du Grd. Duc chez de Kessler? Sais-tu si Kessler viendra bientôt [sic] içi [sic]? Ce sont les deux choses qu’il m’importerait en ce moment […].« Und am 16. Dezember
Briefe und Kommentare 465 1905: »Où est de Kessler? Je lui ai telegraphié [sic] il y a 3 jours et n’ai pas reçu de réponse.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 12./16.12.1905, AML, FSX 784). Der Auskunft Maria van de Veldes zufolge befand sich Kessler noch in Berlin: »Kessler est á Berlin et ne sera que le 20 à Paris.« (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 15.12.1905, AML, FSX 786).
244 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 31.12.1905 AML, FSX 504/124, Brief
Paris 31 déc. 05 Cher ami, bien merci de vos bons souhaits, que je vous renvoie de tout cœur, vous le savez. Je suis heureux que vous soyez revenu satisfait des résultats de votre campagne de documentation; et j’en conclus qu’à Iéna aussi l’affaire est en bonne voie. J’ai vu ici votre exposition. Druet se plaît de ne pas recevoir les prix. Il paraît qu’il ne peut rien vendre, à cause de ce manque de documents. J’ai montré l’argenterie à ma sœur, et je lui ai expliqué qu’elle n’était pas terminée. C’est évidemment un peu regrettable de devoir donner la première impression dans cet état peu avantageux. Enfin, Müller se pressera un peu maintenant, j’espère. Ma sœur personnellement a du reste très bien vu la beauté de vos modèles, et elle me prie de vous exprimer sa reconnaissance de ce que vous avez bien voulu faire pour elle. Werth s’est emballé sur votre exposition; il va faire une conférence sur vous à l’Université populaire, je crois, et m’a fait demander une entrevue, pour que j’achève sa documentation; je le vois cet après[-]midi: Somme toute, je ne crois pas que même les artistes ici soient encore en mesure d’apprécier à sa vraie valeur ce que vous faites. Werth me paraît plutôt une exception. On est trop entiché encore du froufrou et du papillotement des styles Louis XV et Louis XVI pour sentir réellement la beauté de vos grandes lignes nobles et élégantes; on veut les croire lourdes, parcequ’elles [sic] ne sautillent pas comme les petites guirlandes et les petits feuillages des bronzes du Dix huitième [sic]. Il faudra refaire bientôt une exposition, et surtout la refaire plus importante et mieux préparée, c’est[-]à[-]dire avec de la réclame dans les journaux, et surtout avec plus de précision dans la date d’ouverture et dans l’envoi des prix etc. Ces petits détails sont de première importance. Veuillez, je vous prie, saluer de ma part Mme Vandevelde et les bébés et leur faire parvenir mes meilleurs souhaits de nouvelle année. Je vous prie de vouloir bien faire usage du billet ci[-]inclus pour votre Institut, qui va
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donc réellement commencer à vivre dans cette année qui va s’ouvrir, assez peu rassurante, dans quelques heures. Bien cordialement Kessler souhaits: Der Gegenbrief von Henry van de Velde hat sich nicht erhalten. l’affaire: Betrifft das Projekt eines Volksbades für Jena (vgl. Anm. Brief 201). se plaît: Im Zuge der Vorbereitungen zu van de Veldes Ausstellung (vgl. Anm. Brief 240) in der Galerie Druet gab es zahlreiche organisatorische Hürden zu überwinden. Zunächst wusste van de Velde bis zum 8. Dezember 1905 nicht, ob die Ausstellung überhaupt stattfinden würde, da die Weimarer Hofjuweliere Hans und Wilhelm Müller mit der Ausführung der Ausstellungsexponate nicht rechtzeitig fertig wurden. Maria van de Velde sollte die Angelegenheit daher von Weimar aus in die Hand nehmen, da sich ihr Mann bereits auf dem Weg nach Paris befand (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 8.12.1905, AML, FSX 784). Nachdem die Silberarbeiten endlich verschickt worden waren, bereitete ihr Import Schwierigkeiten. Die Grenzbehörden hatten die Ausstellungsstücke beschlagnahmt und erst am 14. Dezember die Einfuhrgenehmigung erteilt (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 14.12.1905, AML, FSX 784). Mit Unterstützung von Druet konnte van de Velde in der Zwischenzeit Vitrinen besorgen und aufstellen. Wie ursprünglich avisiert, konnte die Ausstellung am 18. Dezember 1905 eröffnet werden. Druet beklagte sich jedoch noch Ende Dezember über die nicht vorhandenen Preislisten. Trotz mehrfachen Drängens hatten es die Weimarer Hofjuweliere versäumt, die Preise für die Ausstellungsstücke zu übersenden. Die von Kessler angesprochenen Silberarbeiten für seine Schwester waren offensichtlich auch nicht rechtzeitig fertig gestellt. Eine erst Ende Dezember eingetroffene Lieferung von Besteckteilen für Wilma de Brion und das Ehepaar von Golubeff konnte nicht ausgestellt werden, da sie von ihren Besitzern sofort übernommen wurde (Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 30.12.1905, AML, FSX 800). Léon Werth (1878–1955), französischer Schriftsteller, Kunstkritiker, Journalist. Kessler kannte Léon Werth über seine Schwester Wilma de Brion. Werth wohnte im Sommer 1904 längere Zeit bei Kessler, um eine Studie über Weimar zu verfassen, die er unter dem Titel ›Chez Nietzsche‹ in ›Voyages avec ma pipe‹ veröffentlichte (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 16.8.1904; vgl. Anm. Brief 194; Werth 1991). Werth wurde auf Empfehlung von Kessler mit der französischen Übersetzung von Meier-Graefes ›Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst‹ betraut, die Werth jedoch nicht abschloss. Léon Werth freundete sich zudem mit van de Velde an, dessen Kunst er in höchstem Maße bewunderte (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.1.1906). Diese Freundschaft überdauerte den Ersten Weltkrieg (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 22.3.1923, Privatarchiv). billet: Wie so oft stellte Kessler erneut einen Geldbetrag für van de Veldes Kunstgewerbliches Seminar zur Verfügung. Die Höhe der Summe ist nicht bekannt (vgl. Briefe 180, 200, 201).
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245 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 21.1.1906 AML, FSX 504/125, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
21.I.06. Dimanche. Cher ami, voici ce que j’ai obtenu, et j’espère que vous serez content. Donc, hier soir on m’a donné un banquet au Lyceum Club, au cours duquel Lavery a annoncé une grande exposition d’Art Allemande à Londres au mois de Mai, que j’ai acceptée (après m’être entendu avec Liebermann et Stuck) au nom de l’Allemagne. C’est une invitation des artistes Anglais [sic] qui paient et organisent tout, le choix des tableaux, statues etc. inclus. Vous voyez comme c’est avantageux. Je reste dans la coulisse, je souffle, comme membre élu mais secret du comité, et si quelqu’un réclame, par exemple l’Empereur, ce sont les artistes Anglais [sic] qui »font ce qui leur plaît«. Dans la séance secrète du comité qui a suivi, ma première proposition a été de faire arranger les locaux à l’Allemande, (à la Secession) par un artiste du Kunstgewerbe Allemand. On a accepté d’enthousiasme, en me demandant naturellement qui on pourrait charger de la besogne. Vous pensez bien que je savais d’avance, qui je proposerais. Je me suis appuyé sur le fait que c’est vous que les artistes avaient choisi pour construire la Secession à Berlin. Bref, c’est vous qui êtes chargé de ce travail. L’affaire est devenue encore plus importante que je ne l’entrevoyais. En effet, la question s’est tout de suite présentée, où on ferait l’exposition. Il y avait deux possibilités: ou bien on prenait une des galeries existantes, qu’on aurait arrangé un peu, ou bien c’était un Skating Rink un peu moins bien situé, mais tout de même très accessible à South Kensington, où Whistler avait arrangé les premières expositions de la Société Internationale en y construisant des cloisons, inventant des couleurs de salle, etc. C’est du reste de là qu’est sorti l’arrangement des Secessions. Je me suis prononcée très décidément pour la Skating Rink, d’abord parcequ’aucune [sic] des galeries existantes n’est vraiment bien, et en deuxième lieu parceque [sic] c’était le moyen de vous donner à vous la possibilité de faire quelquechose [sic] de complet. C’est donc le Skating Rink qui a été choisi. Vous y avez Liberté complète de faire ce que vous voulez, pourvu qu’il y ait 200 à 250 mètres de cimaise et que les fonds ne soient pas dépassés. On met à votre disposition 500 £ (10,000 Marks) et les frais de deux déplacements à Londres, l’un tout de suite, pour étudier les locaux, l’autre pour l’aménagement définitif. On désire, que les matériaux etc. soient pris et travaillés en Allemagne et seulement montés sur place. Vous aurez les plans du Rink dans huit jours, et alors vous devrez immédiatement venir à Londres, le temps étant très court pour tout
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terminer. L’exposition doit ouvrir vers le 1er Mai. – J’ai obtenu en outre qu’on expose aussi un peu de petits objets d’art international, de l’argenterie, de la poterie, etc. Pour cette partie c’est moi qui suis chargé d’une façon absolue du choix. J’ai proposé d’une façon générale comme artistes à visiter vous, Munch, Riemerschmid, Moser, Hofmann, Behrens. – Voilà donc une occasion unique et tout à fait inespérée pour vous de vous manifester à Londres, et qui dépasse de loin tout ce que nous avions projeté pour plus tard. L’ Ambassade s’intéresse énormément à la réussite de l’exposition, et je vous donne comme indication, que la politique de rapprochement avec l’Angleterre y a une part tout à fait importante. C’est donc un rôle quasi diplomatique que vous êtes appelé à jouer, et vous pouvez compter en toutes choses sur l’appui absolu de l’Ambassade, qui ne demande qu’à nous être utile. Je pense que vous aussi vous aurez assez d’occasions de fortifier les sentiments amicaux des artistes Anglais [sic] pour l’Allemagne. Je suis très heureux, cher ami, je ne vous le cache pas, d’avoir pu servir à la fois les deux causes qui me tiennent le plus à cœur. – Je serais à Weimar mercredi. Je dois y dîner avec le Gr[and]. Duc chez les Wedel mercredi soir. Ici j’ai vu des choses d’un intérêt tout à fait exceptionnel depuis quinze jours. J’ai un peu brûlé la chandelle des deux bouts, mais j’ai vécu avec passion. Nous aurons la paix, je crois. – Veuillez remercier madame Vandevelde de sa bonne lettre. Bien affectueusement Kessler banquet: Kessler notierte hierzu am 20. Januar 1906 ins Tagebuch: »Abends Bankett im Lyceum Club zu meinen Ehren. Geredet. Nachher Bildung des Komités für die geplante Deutsche Ausstellung. Vorgeschlagen, sie auch in der Einrichtung nach deutscher Secessionsart zu machen. Angenommen. Vandevelde soll betraut werden. [...] Ich bin ›geheimes‹ Mitglied des Ausstellungskomités und habe für das Kunstgewerbe ausschliesslich zu sorgen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.1.1906). Am Tag des Abfassens dieses Briefes vervollständigte Kessler: »Bei Sauter wegen der Ausstellung. Die Liste der aufzufordernden Künstler festgelegt.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.1.1906). John Sir Lavery (1856–1941), britischer bzw. irischer Maler. John Lavery war Chairman des Ausstellungskomitees und gehörte auch dem Finanzausschuss an. (Ausst. Kat. London 1906, S. 4). une grande exposition d’Art Allemande à Londres: Die Eröffnung der Ausstellung ›Exhibition of the Works of Contemporary German Artists in London‹ war ursprünglich auf den 1. Mai 1906 festgesetzt. Van de Velde hatte somit nur drei Monate Zeit und stand wegen der zeitgleich stattfindenden Vorbereitung zur Dresdner Schau unter enormen Zeitdruck. Die ihm zugesagten 500 £ für Aufbau und Ausführung der Londoner Ausstellung reichten nicht. Van de Velde beantragte daher am 29. April 1906 eine Erhöhung des Betrags, woraufhin Kessler beabsichtigte, das Geld bei der Deutschen Gesellschaft in London einzuwerben (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 29.4.1906, AML, FSX, 784). Van de Velde reiste mehrere Male nach London, um
Briefe und Kommentare 469 die Ausstellungsvorbereitungen zu begleiten und an wichtigen öffentlichen Terminen teilzuhaben, so an einem Dejeuner mit dem Lord Maire Walter Vaughan Morgan am 18. Mai sowie an diversen Banketten und Veranstaltungen des Lyceum Clubs (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 18./20.5.1906, AML, FSX, 784; Tagebuch Harry Graf Kessler, 26.4.1906, 19.5.1906). Während van de Velde die Ausstattung der Ausstellungsräume oblag, assistierte Kessler bei der Hängung der Gemälde (Ausst. Kat. London 1906, S. 8). Van de Velde beschreibt in seinen Memoiren eindringlich die Schwierigkeiten, die sich wenige Stunden vor der Eröffnung der Ausstellung in der Prince’s Gallery im Stadtteil Knightsbridge auftaten. Da die Lieferung der Kokosmatten nicht termingerecht eingetroffen und die Färbung in Amarantrot zu spät erfolgt war, musste van de Velde einen Kunstgriff tätigen. Gleich einer Zirkusarena bestreute er die Kunsteisbahn mit Sägespänen, was zu seiner eigenen Verwunderung eine überaus originelle Wirkung erzielte (Velde 1962, S. 275 f.; Velde 1995, S. 218; Velde 1999, S. 205). Van de Velde selbst nahm in Begleitung von Harry Graf Kessler und Curt Herrmann am 24. Mai 1906 an der Vernissage teil. Das festliche Bankett fand bereits am 22. Mai im Hotel Savoy statt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 22.5.1906). Die Ausstellung wurde in der Presse würdigend gelobt (vgl. Tribune, 25.5.1906, AML, FSX 68). Van de Velde stellte neben einer Auswahl von 180 Silberteilen auch Keramiken und Rohrstühle nach eigenen Entwürfen aus (Ausst. Kat. London 1906, S. 30, Nrn. 289, 290). Franz von Stuck (1863–1928), Maler, Graphiker, Bildhauer, Mitglied des ›Pan‹, Mitbegründer der Münchner Secession und des Deutschen Künstlerbundes. Franz von Stuck war auf der Ausstellung mit dem Werk ›Procession of Bacchantes‹ aus der Sammlung von Carl Toelle und einigen Zeichnungen vertreten (Ausst. Kat. London 1906, S. 19, Nr. 113, S. 25, Nrn. 239–241). Skating Rink: Bezieht sich auf die zeitweilig als Kunsteisbahn genutzte ›Prince’s Gallery‹ des ›Prince’s Skating Club‹ in der Hill Street 1, Knightsbridge. Richard Riemerschmid (1868–1957), Architekt, Maler, Kunstgewerbler, Mitbegründer der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk in München, Mitglied der Genossenschaft ›Pan‹, Mitbegründer des Deutschen Werkbunds. Richard Riemerschmid war auf der Ausstellung mit Rohrmöbeln vertreten (Ausst. Kat. London 1906, S. 29, Nrn. 283–287). Koloman (gen. Kolo) Moser (1868–1918), österreichischer Maler, Zeichner, Illustrator, Graphiker, Kunstgewerbler. Koloman Moser und Edvard Munch nahmen nicht an der Ausstellung teil. Hofmann: Ludwig von Hofmann beteiligte sich an der Ausstellung mit dem Gemälde ›Adam und Eva‹ (Nr. 49), einer Leihgabe von Anton Mangold, mit sieben Pastellen aus dem Besitz von Eberhard von Bodenhausen und Dr. Werner sowie diversen Lithographien (Ausst. Kat. London 1906, S. 14, 22). Peter Behrens (1868–1940), Maler, Architekt, Kunstgewerbler, Graphiker, Mitarbeiter am ›Pan‹, Mitbegründer des Deutschen Werkbunds. Peter Behrens war auf der Ausstellung mit zwei Farbholzschnitten, Porträts von Richard Dehmel (Nr. 132) und Otto Erich Hartleben (Nr. 133), einem Modell des Krematoriums in Hagen (Nr. 279) und diversen Keramiken vertreten (Ausst. Kat. London 1906, S. 21, 28, 30). dîner avec le Gr[and]. Duc chez les Wedel: Das Diner fand am Mittwoch, den 24. Januar 1906, statt. Kessler hielt fest: »Abends bei Stall Wedels gegessen mit dem Grossherzog. Der Grossherzog
470 Edition und Kommentar sehr degagiert und liebenswürdig für seine Verhältnisse.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.1.1906). les Wedel: Bei den Genannten handelt sich um Oberstallmeister Ernst August Graf von Wedel und dessen Gattin Leonie Gräfin von Wedel. lettre: Der Brief von Maria van de Velde an Kessler hat sich nicht erhalten.
246 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 25.1.1906 AML, FSX 504/126, Brief, Briefkopf (gedruckt): CRANACHSTRASSE 15. WEIMAR
25.I.06. Cher ami, mille fois merci de cette canne de roi. Elle est d’une noblesse des tout à fait grands jours. Vous me faites non seulement un grand plaisir mais un honneur en m’en croyant digne. Je vous serre bien la main, cher ami. Le Gr[and]. D[uc]. m’a malheureusement exprimé ses sentiments très peu admiratifs sur les fresques de H[ofmann].: ça serait Grün und Violett. Par contre, il trouve beau ce que vous faites. Il a du reste été parfait pour moi et m’a reparlé du dîner avec Hauptmann, en me répétant qu’il y avait pris le plus grand plaisir. Nous avons eu une longue discussion sur l’Art, qu’il a menée avec bonhomie et non sans une certaine intelligence. Il m’a répété que c’était son but die moderne Kunst zu fördern et que c’était pour ça qu’il regrettait ne pas goûter les tableaux de H[ofmann]., parcequ’il [sic] ne pouvait pas les défendre avec conviction. En somme, mon impression a été bonne, et même agréable. Encore une fois merci cher ami. Affectueusement Kessler. canne de roi: Es ist nicht überliefert, um welches Modell eines Spazierstockes es sich hier handelt. les fresques de H[ofmann]: Es handelt sich um die Gemälde für den Museumssaal der ›Dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung‹ in Dresden (vgl. Anm. Brief 206). Bereits am 1. November 1905 hatte Großherzog Wilhelm Ernst sein Unverständnis angesichts der Skizzen Ludwig von Hofmanns zum Ausdruck gebracht (vgl. Anm. Brief 232). dîner avec Hauptmann: Kessler bezieht sich hier auf das Diner vom 10. Dezember 1905 in seinem Haus, an dem neben dem Großherzog auch Gerhart Hauptmann teilgenommen hatte (vgl. Brief 243). »Er [Großherzog, Anm. d. Verf.] sprach noch vom Diner bei mir: Hauptmann sei aber gar zu schweigsam gewesen auf seine Frage: Was er denn mit den Webern gewollt habe? Darauf habe er nicht antworten können. Er, der Gh., habe ihm gesagt, er hätte auf andre Weise den armen Webern da oben viel besser ›helfen‹ können.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.1.1906).
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247 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 9.2.1906 AML, FSX 504/127, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
9.II.06 Cher ami, une audience chez le ministre des Finances, que je ne peux dans l’intérêt du Künstlerbund remettre, me force à rester ici jusqu’à demain (samedi) soir. Les Dehmel arrivent demain matin à 11 heures. Puis-je vous prier de me faire le sacrifice, de faire chez moi les honneurs aux Dehmel, en venant déjeuner chez moi avec eux à 1 heure et dîner à 7 heures. Tout est commandé; vous n’aurez donc à vous occuper de rien. Mais je serais un peu malheureux que les Dehmel se sentent tout seuls chez moi. Bien merci, cher ami, votre dévoué Kessler. le ministre des Finances: Es handelt sich hier um Theobald von Bethmann-Hollweg. »Vormittags mit Mutius zu Bethmann wegen der Lotterie.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.2.1906). ici: Berlin. Les Dehmel arrivent: Richard und Ida Dehmel trafen am 10. Februar 1906 in Weimar ein und logierten bis zum 14. Februar bei Kessler zu Hause (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 10./14.2.1906). Kessler, der erst am 11. Februar abends aus Berlin abfahren konnte, hatte Richard Dehmel instruiert: »Zu meinem großen Bedauern zwingt mich eine im Interesse des Künstlerbundes unaufschiebbare Audienz beim Finanzminister hier, meine Abreise um einen Tag zu verschieben, so daß ich erst nach Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin morgen (Sonnabend) eintreffe. Ich hoffe, schon um 3 Uhr fahren und dann um 6 in Weimar sein zu können; sonst würde ich Sie erst Sonntag früh sehen. Inzwischen hoffe ich, daß Sie sich bei mir zuhause fühlen. Ich habe Vandevelde gebeten, für mich die Honneurs zu machen.« (Harry Graf Kessler an Richard Dehmel, 9./10.2.1906, Dehmel Archiv Hamburg, in: Kamzelak 2004, S. 144 f.).
248 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 1.5.1906 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, WEIMAR. LASSENSTRASSE 29.
Ce 1 Mai 06, Or, ici, l’on se remue toujours, bien cher ami, au sujet du Théatre [sic]
472 Edition und Kommentar
R[einhardt].. Un journal annonce Messel, un autre van de Velde. – de Hofmannsthal se remue beaucoup ... – M[onsieur]. d[e]. Mendelssohn me propose de voir R[einhardt]. luimême. Je me sens décidément fort appuyé mais poussé contre un fantôme! Il y a en plus que je ne peux pas du tout songer à me rendre moi-même à Berlin. Pendant les 3 jours que j’ai à rester à Weimar, j’ai tant à faire p[our]. Dresde, Londres et Weimar que j’aurai à travailler jour et nuit. Dimanche je serai à Dresde et si avant cela je ne trouve pas deux ou 3 heures p[our]. aller à Berlin. Je ne le pourrai plus avant la fin du mois! de [sic] Hofmannsthal m’écrit qu’il renonce à Dresde! Ce qui vous importait, n’est-ce pas? Ici, tout le monde gémit après votre présence. Je vais m’occuper à tranquilliser toutes [sic] ces gens. Bien affectueusement Votre Henry LASSENSTRASSE 29: Seit Ende März 1906 lebte die siebenköpfige Familie van de Velde in einer größeren Wohnung in der Lassenstraße (heute: Trierer Straße) 29 (Maria van de Velde an Hanni Esche, 28.3.1906, FSX, AML 389). Zwei Jahre später erfolgte der Umzug in das eigene Haus ›Hohe Pappeln‹ am Stadtrand von Weimar (vgl. Briefe 258, 275, 281). se remue beaucoup: Hugo von Hofmannsthal setzte sich in der Reinhardtschen Theaterangelegenheit vehement für van de Velde ein. In einem Brief an Dora von Bodenhausen hatte er am 27. April 1906 geschrieben: »Liebe Freundin, die Sache mit van de Velde sehe ich ganz so wie Ihr sie seht, sehe ganz so die ungeheure Wichtigkeit daß dies nicht wieder eine Enttäuschung werde. Vorgestern zurückgekehrt, depeschierte ich vor allem an Meier-Graefe meine Zustimmung zu der kleinen Manifestation die ich für eine sehr glückliche, auf Reinhardt sehr richtig berechnete Idee halte. Zugleich schrieb ich an R. einen zwanzig Seiten langen Brief mit allen Argumenten, die mein Kopf und meine Überzeugung von v. d. V’s Wert hergaben. Schrieb ferner an die Eysoldt, die durch ihre überlegene Klugheit viel guten Einfluß auf R. (und seinen Bruder) hat. Schreibe ferner noch heute an den Dramaturgen Holländer, und bin bereit an Frau v. Mendelssohn und wen man immer will, aufs dringlichste zu schreiben. Laßt mich nur wissen, an wen zu schreiben von mir gewünscht wird, laßt mich jede Wendung der Sache, eventuell durch Depesche wissen. Ich vertraue schließlich sehr, daß R. fühlen wird, wo das allein Richtige steckt.« (Hugo von Hofmannsthal an Dora von Bodenhausen, 27.4.1906, in: Bodenhausen 1953, S. 75). Robert von Mendelssohn (1857–1917), Bankier, Kunstsammler, Mäzen. Dimanche: Van de Velde stand unter einer enormen Arbeitslast und musste im Frühjahr 1906 häufig zwischen Weimar, Dresden und London pendeln. Am Sonntag, den 6. Mai 1906, traf er erneut in Dresden ein. Zuvor schaffte er es, kurz mit Julius Meier-Graefe in Berlin über das von Reinhardt beabsichtigte Theaterprojekt zu konferieren. Wenngleich van de Velde immer mehr an der Möglichkeit einer Verwirklichung zweifelte, zeigte sich Meier-Graefe nach wie vor optimistisch. Am 7. Mai 1906 schrieb van de Velde an seine Frau: »Vu Meyer Gräefe [sic] à Berlin
Briefe und Kommentare 473 et pris des dispositions p. l’affaire Reinhardt. Meyer Gräefe [sic] continue à espérer.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 7.5.1906, AML, FSX 784). aller à Berlin: Van de Velde nahm am 5. Mai 1906 an einer vorbereitenden Sitzung zur Gründung der Kunstgewerbeschule teil, fuhr daraufhin nach Berlin und reiste von dort nach Dresden weiter, wo er am Abend des 6. Mai 1906 eintraf. présence: Kessler hatte im Strudel der gegen ihn gerichteten Pressefehden um die Rodin-Ausstellung (vgl. Brief 253) Weimar am 28. März 1906 den Rücken gekehrt und den ganzen April in Paris und London verbracht. Er kam erst am 1. Juni 1906 wieder nach Weimar, um an der Eröffnung der Künstlerbund-Ausstellung teilzunehmen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.6.1906).
249 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 3.6.1906 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, WEIMAR. LASSENSTRASSE 29.
3 Juin 06 Cher ami Heymel m’annonce qu’il nous rendra visite cette semaine à Weimar. Il s’attend à nous trouver içi [sic], tous les deux! Il sera accompagné de Herrn von Pilis, un directeur du Loyd [sic] de Brème, qu’il veut interesser [sic] à mon œuvre. Je m’empresse de vous écrire cela afin que vous puissiez prendre des dispositions. Affectueusement Henry Heymel: Alfred Walter Heymel war 1906 mehrfach in Weimar. Es ist dokumentiert, dass er sich am 18. Juni 1906 anlässlich der Jurysitzung des Deutschen Künstlerbundes in Weimar aufhielt und an einem Diner im Hause van de Velde im Beisein der Herren Pilis, Pauli und Keyserling teilnahm (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 18.6.1906, AML, FSX 784). J. A. von Pilis: J. A. von Pilis war vom 1. März 1906 bis 25. April 1907 einer der Direktoren des ›Norddeutschen Lloyd‹ und gehörte gleichzeitig dem Vorstand der Reederei an. Alfred Walter Heymel suchte von Pilis für die Kunst van de Veldes zu erwärmen und reiste mit ihm im Juni 1906 nach Weimar. Van de Veldes größter Traum bestand neben dem Entwurf eines Theaters und eines Museums nach wie vor darin, einen Ozeandampfer auszugestalten. Er schrieb an Heymel: »Installer un transatlantique! C’est l’œuvre en laquelle je pourrais résumer le mieux mes dix dernières années de lutte, de recherches, d’études.« (Henry van de Velde an Alfred Walter Heymel, 3.6.1906, DLA). Nach dem Treffen mit J. A. von Pilis resümierte er: »De Pilis semble très bien disposé et son influence semble être réelle au Nord. D[eutscher]. Loyd [sic]
474 Edition und Kommentar puisqu’il a réussi à décrocher la commande d’un steamer à Olbrich.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 18.6.1906, AML, FSX 784). Obgleich andere Künstler mit der Innenausstattung von Lloyd-Dampfern bedacht wurden, blieb Heymels Ansuchen erfolglos. Van de Velde bekam keinen Auftrag für den ›Norddeutschen Lloyd‹ übertragen (Neteler 1995, S. 44; Thiel 2003, S. 127, 271). Lloyd: Die Reederei ›Norddeutscher Lloyd‹ war 1857 in Bremen gegründet worden und gehörte zu den größten Dampfschifffahrtsgesellschaften der Welt.
250 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 4.6.1906 FSX 504/132, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
4.VI.06. Cher ami, Reinhardt ne revient de voyage que demain, mardi. Je ne sais donc, si je pourrai être de retour à W[eimar]. avant mercredi. Tâchez de retenir Heymel, et surtout logez-le, ainsi que mons[ieur]. de P[ilis]. chez moi. J’ai visité l’atelier de Beckmann, qui a vraiment beaucoup de talent; de tous des jeunes ici, c’est sûrement le mieux doué. Je voudrais beaucoup lui procurer un atelier à Florence. J’écris à Klinger à ce propos. La Secession ici est audessous [sic] de tout, c’est l’Anarchie pure, accentuée encore par la façon déplorable dont les tableaux sont accrochés; un pêle-mêle effroyable, dans lequel tout talent est massacré. Je pense à Londres et à Weimar, à vos belles dispositions harmonieuses, avec enchantement. Saluez, je vous prie, madame Vandevelde. Votre dévoué HdeK. Max Beckmann (1884–1950), Maler, Graphiker. Im Beisein von Julius Meier-Graefe und Rudolf Alexander Schröder hatte Kessler am 3. Juni 1906 Max Beckmann in dessen Berliner Atelier besucht und dort eine »angefangene grosse Kreuzigung« in Augenschein genommen. Im Tagebuch hielt Kessler fest: »Er ist durch und durch Maler, wie es die Deutschen selten sind.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.6.1906). Zeitgleich war Max Beckmann mit dem Gemälde ›Junge Männer am Meer‹ (1905) auf der ›3. Deutschen Künstlerbund-Ausstellung‹ in Weimar vertreten (Ausst. Kat. Weimar 1906, S. 9, Nr. 8). Kessler schätzte das Gemälde, das er schließlich aus Mitteln der Heymel-Stiftung (vgl. Anm. Brief 114) für das Weimarer Museum erwerben konnte, in höchstem Maße (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.6.1906). un atelier à Florence: Durch Vermittlung von Kessler erhielt Beckmann neben Dora Hitz und Hermann Schlittgen ein einjähriges Stipendium in dem Florentiner Künstlerhaus Villa Romana sowie ein zusätzliches Preisgeld in Höhe von 2.000 Mark. Kessler hierzu: »Ich fragte ihn, ob er gern nach Florenz gienge. Er sagte, grade das brauche er.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.6.1906). Beckmann nahm das Stipendium an, traf am 1. November 1906 mit seiner Gattin
Briefe und Kommentare 475 Minna Beckmann-Tube in Florenz ein und blieb knapp sechs Monate (vgl. Föhl 2005, S. 59 f.; Max Klinger an Harry Graf Kessler, 5.6.1906, DLA). La Secession: Betrifft die Berliner Secession.
251 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 17.6.1906 FSX 504/133, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
17.VI 06 Cher ami, c’était un peu l’article de Stahl qui m’a inspiré à vous télégraphier. Mais je vois que cet article a dépassé le but. Il a soulevé l’indignation générale, et je crois qu’une manifestation très importante se prépare contre lui. Je ne puis vous en dire plus long, étant lié par le »secret professionnel«; mais je pense que dans deux ou trois jours, il y aura quelquechose [sic]. Nos séances ne se termineront pas avant demain soir ou mardi; j’ai pu m’échapper pendant quelques heures ici, où j’avais à faire, mais je rentre à Dresde à quatre heures. Il y a tout de même beaucoup de bonnes choses et de choses estimables à l’exposition. Surtout dans l’exposition des écoles, et dans celles-ci, surtout à l’école de Behrens[.] Il y a un élève de Ehmcke, Penner, à l’école Behrens qui fait des Batiks vraiment bien extraordinaire, d’une richesse et d’un raffinement tout à fait exceptionnels. Et je pourrais en citer encore d’autres. En toute hâte Affectueusement HK. Il paraît que ce pauvre Ottobald est perdu; on a perdu tout espoir. C’est bien triste, tout ça, et que cette vieille canaille de P[alézieux]. nous ait brouillé tous ces derniers temps. C’était un de mes meilleurs amis, avant toutes ces histoires! l’article de Stahl: Mit Bezug auf die ›Dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung‹ in Dresden und die dort präsentierte ›Museumshalle‹ van de Veldes hatte Fritz Stahl (vgl. Anm. Brief 233) am 12. Juni 1906 im Berliner Tageblatt den kompromittierenden Artikel ›Barbaren über uns!‹ veröffentlicht. Zum Thema Raumkunst führt er darin aus: »Da muß man zuerst von van de Veldes Museumshalle in Weimar sprechen, denn von allen Scheußlichkeiten ist dies die größte. Ohne Stimmung, ohne Zusammenhang in Form und Farbe, ein tödlicher Rahmen für Ludwig v. Hofmanns schöne Wandbilder, die sie enthält. Pfeiler von rötlichviolettem Marmor, an die hölzerne Rahmen für die zwischenliegenden getäfelten Nischen angeklebt sind. Rahmen: das heißt Holzteile, die sich oben umbiegen und der Wölbung ein Stück folgen; eine Form, die dem Eisen natürlich ist, der aber das Holz widerstrebt. Das nennt man: die Form aus dem
476 Edition und Kommentar Material ableiten. Über diesen warm getönten Unterbau setzt ein Oberbau an (von dessen ungeheuerlicher, unorganischer, ungegliederter Form ich nicht reden will), grellweißer Stuck mit Beleuchtungskörpern in breiten Messingflächen. Dieser Teil steht mit dem unteren in gar keiner Beziehung und hat in Weiß und Messing die beiden einzigen Töne, die aus dem sanften goldigen Lichtschimmer der Bilder Hofmanns einen toten erdigen Ton machen müssen. Der Raum erhält keine Gestalt durch den Zweck.« (Fritz Stahl, Berliner Tageblatt, 12.6.1906). une manifestation: Van de Velde widmete in seinen Memoiren ein ganzes Kapitel der ›Polemik um die Dresdner Kunstgewerbe-Ausstellung 1906‹ (Velde 1962, S. 277–282; Velde 1995, S. 221–228; Velde 1999, S. 206–212). Der Artikel von Stahl traf auf breites Unverständnis, aber auch auf unverhohlene Freude bei den Gegnern van de Veldes. In der Folge entspann sich eine nationale Pressefehde, die den Sommer 1906 über währte. Die erste Erwiderung auf Stahls skandalösen Artikel veröffentlichte zwei Tage später der 26-jährige Paul Fechter in den ›Dresdner Neuesten Nachrichten‹. Der Titel lautete ›Philister über uns‹ (vgl. Paul Fechter, Dresdner Neueste Nachrichten, 14.6.1906). Es folgten weitere Stellungnahmen, u. a. von Max Ludwig und von Karl Scheffler. Van de Velde, der eine Stellungnahme in eigener Sache (›Pro domo‹) im November 1906 veröffentlichte, resümierte die Ereignisse am Ende seines Lebens wie folgt: »Öffentlich als Feind Nummer Eins gebrandmarkt, befand ich mich in einer paradoxen Lage. Meine Gegner entnahmen ihre Munition meinem eigenen Arsenal und kehrten meine eigenen Waffen gegen mich. Sie verdrehten meine Prinzipien, warfen sich zu Richtern auf und gebärdeten sich päpstlicher als der Papst.« (Velde 1962, S. 281). séances: Betrifft die Jury-Sitzungen im Kontext der ›Dritten Deutschen KunstgewerbeAusstellung‹ in Dresden, die am 20. Juni 1906 mit der Verleihung der Ehrenurkunde an Ludwig von Hofmann endeten (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.6.1906). Fritz Hellmut Ehmcke (1878–1965), Graphiker, Typograph, Architekt, Buchgestalter, Buchillustrator, 1900 Gründer der Steglitzer Werkstatt, 1903 Berufung an die Kunstgewerbeschule Düsseldorf, 1913 bis 1938 Kunstgewerbeschule München, 1946 bis 1948 Professur an der Hochschule der bildenden Künste München. Otto Penner (?–1914), Kunstgewerbler, 1914 gefallen (lt. Ausst. Kat. Deutscher Werkbund Basel 1917, S. 15). Ottobald: Kessler bezieht sich hier auf seinen ehemals guten Freund Ottobald von Werthern-Beichlingen (vgl. Anm. Brief 86), der im Zuge des Skandals um die Weimarer Rodin-Ausstellung eng mit Palézieux kooperierte und somit gegen Kessler Position bezog (vgl. Brief 253). Henry van de Velde hielt es für wichtig, seine Frau über diese Angelegenheit brieflich zu informieren. Am 18. Juni 1906 schrieb er ihr: »Kessler m’écrit que le pauvre Ottobald W[erthern]. est condamné. Pauvre diable et pourquoi les évenements [sic] de Weimar l’ont-ils éloigné de nous. Voilà une mauvaise action de plus à l’actif de nos ennemies.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 18.6.1906, AML, FSX 784).
Briefe und Kommentare 477
252 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Eisenach], 25.6.1906 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, WEIMAR. LASSENSTRASSE 29.
Ce 25 Juin 06. Bien cher ami, Le Gr[an]d. Duc est parti hier et je ne sais pas quand il rentrera. Je ne peux malheureusement pas m’informer parce que je dois me rendre tantot [sic] dans le Harz – à Osterrode [sic]. J’y travaillerai dans une fabrique pendant 3 ou 4 jours. Je serai rentré Jeudi – j’espère. Le Grand Duc rentrera certainement vers la fin de cette semaine. Il faudrait que de Payern vous tienne au courant. Au reste, soyez-donc quelques jours à l’attendre içi [sic] – cela ne peut que nous aider à préparer cette audience. Mais pourquoi dès maintenant n’adresseriez[-]vous pas la demande d’audience à qui de droit? Il faudra préparer un rapport et l’emporter à l’audience, et le laisser entre les mains du Gr[an]d. Duc. C’est ce rapport que nous trouverons bien le moyen de faire tenir au Gr[an]d. Duc s’il refusait l’audience. Savez-vous qu’on a lacéré d’un coup de couteau la toile de Hofmann (Badenden [sic] Jünglingen [sic]) – Hofmann rentrera ici mardi. – La souscription Förster-Nietzsche ne va pas fort et les meilleurs noms n’acceptent–pas ou ne donnent réponse. Il faudra travailler cela énergiquement quand vous serez rentré. – Quoi de neuf de Schuster et du Zarathustra. Heymel est tout disposé à faire l’édition. Les deux de Mutzenbecher ont passé la journée d’hier ici. Ils ont logé chez nous et sont repartis ce matin. Je fais des vœux sincères p[our]. que vous vous exageriez [sic] le cas de Madame la Ctesse votre mère et pourque [sic] vous la puissiez trouver en meilleur état que vous ne vous le représenter [sic]. Affectueusement Henry Briefumschlag: Der Umschlag zum zugehörigen Brief trägt die Aufschrift: »à Monsieur le Comte H. de Kessler Grand Hotel. Paris France« sowie den Poststempel »Eisenach 25.6.06 3–4 V«.
478 Edition und Kommentar parti: Der Großherzog hielt sich van de Veldes Worten zufolge in Bückeburg auf: »Notre GrandDuc est à Bückeburg. En reviendra-t-il fiancé?« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 22.6.1906, AML, FSX 784). Es kursierten Gerüchte von einer Heirat mit Prinzessin Hermine, der jüngeren Schwester der 1905 verstorbenen Großherzogin Caroline, die 1922 in zweiter Ehe den abgedankten Kaiser Wilhelm II. ehelichte (Post/ Werner 2006, S. 115). Osterode: Henry van de Velde verbrachte ab dem 25. Juni 1906 einige Tage bei dem Fabrikanten Schumacher in Osterode im Harz, um dort bei der Anfertigung einiger Modelle zu assistieren (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 23./25./27.6.1906, AML, FSX 784). audience: Besagte Audienz kam mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zustande. Kessler reichte stattdessen am 3. Juli 1906 sein Entlassungsgesuch ein, das am 13. Juli bewilligt wurde. la toile de Hofmann: Es handelt sich um das Werk ›Badende Jungen‹ von Ludwig von Hofmann, das im Katalog der ›3. Deutschen Künstlerbund-Ausstellung‹ unter Nr. 87 verzeichnet ist (Ausst. Kat. Weimar 1906, S. 14, Nr. 87). Das Gemälde wurde am 20. Juni 1906 mit einem Messer zerschnitten. Van de Velde berichtete hierzu an seine Frau: »Les vandales d’ici n’ont pas fini de détruire à l’Exp. du Künstlerbund. Avant hier on a lacéré d’un long coup de couteau la toile de de Hofmann (Badende Jünglinge).« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 22.6.1906, AML, FSX 784; Zeitung Deutschland, 23.6.1906). Am 29. Juni 1906 berichtete die Lokalpresse über weitere Attentate. Ein Vandale hatte demnach Bilder mit einem Stift zerlöchert (Zeitung Deutschland, 29.6.1906). Es wurde daraufhin eine Belohnung über 100 Mark ausgesetzt. Richard Schuster, Verleger: Zusammen mit Ludwig Loeffler war Richard Schuster Inhaber des Berliner Verlages ›Schuster & Loeffler‹, der zwischenzeitlich für die Veröffentlichung der Luxusausgabe des ›Zarathustra‹ in Erwägung gezogen wurde. Am 7. Februar 1906 hatte Elisabeth Förster-Nietzsche van de Velde den Paragraphen des Verlagsvertrages mit Schuster & Loeffler zukommen lassen, der auf den 10. Mai 1900 datiert war und darin es heißt: »Sollte die Luxusausgabe des Zarathustra von dem Besitzer der Zeitschrift ›Insel‹ nicht unternommen werden, so verpflichten sich Schuster und Loeffler, diese Ausgabe zu veranstalten.« (Elisabeth Förster-Nietzsche an Henry van de Velde, 7.2.1906, AML, FSX 403). Les deux de Mutzenbecher: Es handelt sich hier vermutlich um Kurt und Victor von Mutzenbecher.
253 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 13.7.1906 FSX, AML 504/129, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
13.VII 06. Mon cher ami, ma démission est acceptée, et j’en suis enchanté; enfin, je me sens libre de nouveau, après un cauchemar de mauvais procédés, qui a duré trois ans. Je ne crois pas que ce soit plus qu’un incident dans le développement du cercle de Weimar, qui tient et a toujours tenu à nous, et non pas à la Cour, et surtout au Gr[and]. Duc. – Je vous envoie un document
Briefe und Kommentare 479
ci[-]inclus. Comme c’est votre employé qui a toujours tenu la comptabilité, pourriez–vous lui dire de me faire les extraits nécessaires pour que je réponde. Je serai à Paris au Gr[and]. Hotel [sic]. Veuillez-bien, cher ami, lui dire de me les envoyer aussitôt que possible. – Je ne puis vous dire quel soulagement je ressens! Toujours à vous affectueusement HKessler. Je compte être dorénavant tous les ans 3 ou 4 mois à Weimar, au moins; enfin, je pourrai y séjourner, sans être tracassé journellement. Peut-être, plus tard, pourrons-nous y avoir une salle pour des expositions, qui n’auront plus rien à craindre de la coterie officielle; y donner des concerts aussi etc. Il s’agirait de réunir un peu d’argent pour construire un petit bâtiment et avoir un petit [unleserliches Wort]. Il faudra y penser. On pourrait en faire un »Künstlerbundgebäude« où seraient les bureaux du Künstlerbund, les Archives etc. Ne pourrait-on employer l’affaire Rodin pour demander la nécessité de ce déménagement? Pensez-y mon cher, et voyons-nous dans quinze jours, avant mon entrée au Régiment. Il faudrait peut[-]être 100,000 Marks, pas plus je crois. ma démission: Mitte Februar 1906 entbrannte der sogenannte ›Rodin-Skandal‹, eine PresseFehde, die weitestgehend von hoftreuen Gegnern des ›Neuen Weimar‹ entfacht und über Weimars Grenzen hinaus bekannt wurde. Anlass war die von Kessler organisierte Ausstellung von vierzehn Aquarellzeichnungen Rodins im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe am Karlsplatz vom 5. Januar bis zum 16. März 1906. Rodin hatte die Zeichnungen dem Museum überlassen und ein Blatt aus Dankbarkeit für die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität von Jena dem Großherzog gewidmet. Gleichzeitig hatte er dem Weimarer Museum die Stiftung eines ›Rodin-Saals‹ zugesagt. Dazu kam es aber nicht, denn die ausgestellten Zeichnungen erregten zu große Empörung. Sie zeigten weitestgehend weibliche Akte in unterschiedlichen Positionen. Doch dies war nur ein Aspekt. Viel wichtiger war es, Kessler und seinen Kreis zu schädigen. Maßgeblicher Anführer der Gegnerschaft war Oberhofmarschall Aimé von Palézieux, der ein geschicktes Spiel von Intrigen inszenierte und Kessler immer mehr in die Enge trieb. Kessler reichte schließlich am 3. Juli 1906 sein Entlassungsgesuch ein, das ihm am 13. Juli 1906, dem Tag des vorliegenden Briefes, bestätigt wurde. »Meinen Abschied erhalten. Der tiefste Grund, warum ich das Band zerschnitten habe, der Charakter des Grossherzogs; weniger dass ihm der Geist als dass ihm jede Art von Herz fehlt; sein moralisches Manco, oder Mangel aller feineren Gefühle, auf denen der Verkehr von Mensch zu Mensch beruht, und daher auch jede erfolgreiche Wirksamkeit. Es hatte keinen praktischen Zweck, sich an eine Art von pathologischem Objekt zu binden, das immer wieder seines anormalen Charakters wegen versagen musste. Ich habe nur ein Gefühl: das Glück nach einem gefährlichen Abenteuer wieder frei zu sein.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 13.7.1906). Die ›affaire Rodin‹, wie sie Kessler bezeichnete, flammte jedoch erneut auf und endete erst ein halbes Jahr später mit dem plötzlichen Tod von Palézieux am 10. Februar 1907 (vgl. weiterführend Wahl 1988, S. 56–78; Föhl 1999, S. 84–87; Föhl 2010, S. 108–116; vgl. Briefe
480 Edition und Kommentar 257, 263, 268, 269, 270, 276). Grund für Kesslers Fortgang war seinen eigenen Worten nach »ein Manco beim Großherzog, ein Manco an Geist und Herz, daß schließlich doch jede Bemühung zuschanden gemacht hätte« (Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 14.7.196, in: Burger 1968, Brief 129, S. 120). document: Besagtes Schriftstück liegt dem Brief nicht mehr bei. 3 ou 4 mois: An Hofmannsthal schrieb Kessler am selben Tag: »Ich werde mir meine Zeit so einteilen, daß ich wie bisher etwa 4 Monate im Jahr in Weimar, 4 in Paris und 4 in London bin, auch dort überall die Beziehungen weiterzupflegen und dazu vom Ärger, vom täglichen, kleinlichen Ärger befreit, endlich Zeit und Lust gewinne wieder selbst zu produzieren.« (Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 13.7.1906, in: Burger 1968, Brief 128, S. 119). Künstlerbundgebäude: Dieses vage Vorhaben eines Gebäudes für den Künstlerbund in Weimar wurde nie umgesetzt, obwohl sich Kesslers Befürchtungen bewahrheiteten. Palézieux’ erste Amtshandlung bestand kurz nach Kesslers Ausscheiden darin, die vom Deutschen Künstlerbund genutzten Geschäftsräume im Museum für Kunst und Kunstgewerbe zu kündigen (Wahl 1988, S. 74). Gleichzeitig beabsichtigte Kessler jedoch, van de Velde »irgendwie und irgendwo einen größeren monumentalen Auftrag zu verschaffen« (Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 14.7.1906, in: Burger 1968, Brief 129, S. 121). Régiment: Kessler war ab dem 30. August 1906 bei seinem Regiment in Potsdam und nahm ab dem 13. August 1906 an Manövern teil (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 13./30.8.1906; Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 26.9.1906, in: Burger 1968, Brief 132, S. 125).
254 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 17.7.1906 FSX, AML 504/130, Brief, Briefkopf (gedruckt): GRAND HÔTEL PARIS 12, Boulevard des Capucines
Le 17 Juillet 1906. Bien cher ami, votre lettre m’est d’un grand réconfort. Je reçois en même temps de Hofmannsthal et de Schröder des avis analogues. Ce que vous me dites de la Salle de Concert est très intéressant. Ne pourrait-on y intéresser Reinhardt pour ses représentations d’été? J’entrevois toute espèce de possibilités. Je serai à Weimar vers le 26 pour un ou deux jours. Tâchez donc que rien ne se fasse avant. De toutes façons, il faut aboutir maintenant à faire de Weimar quelquechose [sic], en éliminant le Gr[and]. Duc; ce sera ma seule vengeance, de le repousser dans son obscurité. Mais pour ça il faut de la lumière. Nous en créerons, j’en suis bien sûr, si nous le voulons réellement. J’espère que madame Vandevelde et Nele sont revenues bien fortifiées. Veuillez les saluer de ma part bien sincèrement. Je vais chez ma mère, près de Cabourg, demain, et à Londres (Cecil) samedi. J’y resterai jusqu’à mercredi.
Briefe und Kommentare 481
Bien affectueusement HKessler. votre lettre: Van de Veldes Gegenbrief hat sich nicht erhalten. Hofmannsthal: Das Schreiben von Hugo von Hofmannsthal hat sich nicht erhalten, wohl aber ein Brief von Kessler an von Hofmannsthal vom 17. Juli 1906, in dem es heißt: »Lieber, dein und Schröders Telegramm, das mir hier per Post zugeht, stählt und spannt mich unaussprechlich, weil es das ausdrückt, was ich fühle, und weil ich weiß, daß Ihr wahren Freunde mir in diesem kritischen Augenblick selbst aus Freundschaft keine Unwahrheit sagen würdet. Auch erhalte ich gerade gleichzeitig von Vandevelde einen Brief, der in andern Worten ganz das selbe sagt. Also: vogue la galère. Wir haben uns vom Ufer losgeschnitten; jetzt gilt es anzukommen. Wenn wir zusammenhalten, müssen wir es; und ich wünsche, meine einzige Vergeltung wäre, nun gerade doch, ohne Großherzog und offizielle Hülfe, aus Weimar wieder, was zu machen. Ich kenne mir keine Rache bitterer für den, gegen den sie sich richtet, und süßer für den Beteiligten als Gutes zu schaffen, an dem dem Minderwertigen seine eigene That verbietet, mitzuwirken. Das ist wirklich ein Brandmal; und das wünsche ich, nur das, à qui de droit für die schnöde Behandlung aufzudrücken. In diesem Augenblick bringt der Geldbriefträger deinen Brief. Lieber, wie kann ich darauf antworten? Deine Güte, Deine Freundschaft überschütten mich, ich kann nur stumm sein, um das schöne Traumbild nicht zu zerstören, das du dir selber von meinem Wirken machst. Im Zusammenhalten unseres Kreises, zu dem ich Schröder ganz selbstredend rechne, und Vandevelde und Hofmann und Hauptmann und noch manchen Andern hoffentlich; – in dem immer schärferen und klareren Herausarbeiten unserer Charaktere und Bedürfnisse bis wir wenigstens in Deutschland eine Kultur haben, die mit unsren Instinkten, unsrer Zeit und unsrer Schaffensfähigkeit zusammenstimmt, darin sehe ich das Glück und die Aufgabe der nächsten Jahre. Daher hoffe ich, wenn wir nur wollen. Was Du mir von deinen Plänen und vor Allem von Deinem neuen Dichten sagst, macht mich sehr glücklich. Unter uns durch unsere Freundschaft; nach außen hin durch unsere Werke, müssen wir die neuen Lebensformen schaffen, die von unermeßlicher Bedeutung sein können, wenn wir wirklich das sind, wofür wir uns bis jetzt halten dürfen. Gleich nach den Manövern, Ende September, will ich ohnehin nach Weimar.« (Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 17.7.1906, in: Burger 1968, Brief 130, S. 122 f.). Rudolf Alexander Schröder (gen. Rudi, 1878–1962), Schriftsteller, Lyriker, Übersetzer, Innenarchitekt, Mitbegründer und Mitherausgeber der Zeitschrift ›Die Insel‹. Weimar: Kessler gelang es nicht, Ende Juli 1906 nach Weimar zu reisen. à faire de Weimar quelquechose: Gegenüber von Hofmannsthal äußerte sich Kessler am 14. Juli 1906 hierzu wie folgt: »Im Mittelpunkt stünde für mich künftig, daß zwei oder dreimal im Jahr in Weimar einige bedeutende Künstler, Dichter etc. in unsern Häusern in der Weimarer Atmosphäre sich gegenseitig treffen und befruchten könnten. Dazu wären immer einige Zeit vorher genaue Verabredungen nötig. Aber mir scheint, daß dieses eine der wichtigsten Vorbedingungen einer ausgeglichenen Kultur, für Deutschland ist und daß Weimar der einzige Ort ist, wo es möglich ist.« (Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 14.7.1906, in: Burger 1968, Brief 129, S. 121 f.). revenues: Aufgrund einer chronischen Nasenschleimhautentzündung der Tochter Nele befand sich Maria van de Velde seit Anfang Juni 1906 mit ihr zur Kur im Thüringischen Bad Sulza. Sie
482 Edition und Kommentar wohnten dort im Hotel Sonnenstein. Der letzte Brief von Henry van de Velde nach Bad Sulza datiert vom 17. Juli 1906 (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 17.7.1906, AML, FSX 784). Cabourg: Französischer Küstenort an der Côte fleurie im Departement Calvados, Region Basse Normandie.
255 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 18.7.1906, FSX AML 504/131, Brief, Briefkopf (gedruckt): GRAND HÔTEL PARIS 12, Boulevard des Capucines
Le 18 VII 1906. Cher ami, Payern m’écrit qu’il y a des difficultés pour les comptes de Dresde, que les devis sont dépassés, que le Ministère ne veut pas payer etc. Qu’y a-t-il de fondé dans tout cela? Veuillez m’aviser; car je me suis rendu responsable, comme vous le savez, vis à vis du Gr[and]. Duc et je voudrais bien savoir si cette responsabilité est engagée. Je désirerais, dans ce cas, liquider cette affaire au plus vite. Payern me dit, qu’il voudrait se charger des négociations. Voulez-vous le voir ou le faire venir? J’attendrai des nouvelles à Londres, où je serai lundi (Hotel [sic] Cecil). – J’espère que vous pouvez prendre quelque repos, bien cher ami; nous nous verrons je pense dans une huitaine, n’est-ce pas? Saluts bien amicaux et respects à madame Vandevelde. Affectueusement HKessler. m’écrit: Das Schreiben von Arthur von Payern an Kessler hat sich nicht erhalten. les comptes de Dresde: Betrifft die Kosten für Auf- und Abbau der ›Museumshalle‹ in Dresden (vgl. Anm. Brief 206).
256 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 7.9.1906 FSX, AML 504/134, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
7.IX.06. Cher ami, je vous remercie bien de cœur de votre bonne lettre; mais je suis assez mécontent de Payern, qu’il ait été vous inquiéter. Enfin, oui, j’ai fait
Briefe und Kommentare 483
une chute, mon cheval ayant perdu ses jambes en sautant un fossé. J’étais officier d’ordonnance auprès d’un détachement dont dépendait le sort de la journée, j’ai donc dû me faire hisser sur mon cheval et faire encore trois ou quatre heures de manœuvres avec une responsabilité très grande s’ajoutant aux douleurs que je ressentais, et puis, après, encore deux heures pour rentrer au château où nous étions logés. Là, j’ai fait venir une espèce de sous-vétérinaire, qui m’a déclaré tout net, que le genou était fracturé. Heureusement, qu’il n’en était rien. Je me suis fait transporter à Berlin, où dans la clinique de Bergmann on a reconnu qu’il n’y avait qu’une »Erguss im Knie« et que, vraisemblablement, il n’en restera rien. Mais momentanément je suis éclopé. Je ne sais pas encore au juste, quand je pourrai reprendre mon service. En attendant, je reste à Berlin, et j’en profite pour lire une foule de livres dont j’ai besoin pour mon travail. – Je suis relativement content de ce que vous m’écrivez au sujet de votre institut. Rothe ne sera pas inébranlable sûrement. Je compte être à Weimar vers la fin du mois. – Le »Gauguin« avance bien. J’espère que ce sera bien comme impression. Il faudra que, plus tard, nous réunissions vos travaux (brochures, conférences, lettres) sous une forme analogue. Je pense aussi à Seurat et à Van Gogh. Ce serait une belle série. Signac pourrait sûrement réunir et commenter tous les documents sur Seurat; et ce serait bien qu’ils ne se perdent pas. Je pense aussi à ce qu’on pourrait faire avec la Ville de Weimar et avec Jena. Mme Eucken m’a écrit à ce sujet. Je me sens libre et tout un bonheur de l’être. – Nous avons manœuvré dans un pays magnifique, un pays qui ressemble au Tyrol, avec de grands pâturages, des bois profonds et d’immenses chaînes de montagnes, qui m’ont paru tout à fait majestueuses. Ça m’a donné envie d’y retourner. C’est bien plus grand, plus vaste et plus serein que la Thuringe. Saluez je vous prie Mme Vandevelde et Mme Förster. Bien affectueusement HKessler lettre: Der Brief hat sich nicht erhalten. une chute: Am 3. September 1906 hatte Kessler hierzu im Tagebuch vermerkt: »Beim Ordonnanzieren gestürzt und mir das Knie verletzt. Doch noch die Übung zu Ende und nach Tzschocha geritten [...]. Arzt aus Marklissa holen lassen, der mir sagt, Reiten ausgeschlossen. Urlaub genommen zu Bergmann nach Berlin.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.9.1906). Einen Tag später heißt es weiter: »In Bergmanns Klinik. Das Bein geschient. [...] Erguss im Knie.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.9.1906). château: Schloss Tzschocha (Czocha) im Kreis Lauban (Luban) im heutigen Polen. Ernst Gustav Benjamin von Bergmann (1836–1907), Chirurg, Präsident der ›Deutschen Gesellschaft für Chirurgie‹. Ernst von Bergmann, Spezialist für Hirn- und Kriegschirurgie, leitete von 1882 bis 1907 die Chirurgische Universitätsklinik Berlin.
484 Edition und Kommentar institut: Van de Velde wartete noch immer auf Nachricht vom Staatsministerium. Am 27. August 1906 hatte er sich mit folgendem Anliegen an Staatsminister Karl Rothe gewandt: »An Ew. Excellenz richte ich jetzt die ergebenste Bitte, mir die Erlaubnis zu geben, damit ich mit der Einrichtung meiner Privatateliers beginnen kann. Ich bitte Ew. Excellenz sehr, mir diese Erlaubnis so schnell wie irgend möglich erwirken zu wollen, damit ich hoffen kann, im Laufe des nächsten Monats noch einziehen zu können und damit ich an Herrn Professor Olde meine bisher innegehabten Räumlichkeiten im Prellerhaus abgeben kann. Zugleich richte ich an Ew. Excellenz noch die Bitte, mir Erlaubnis zu geben, damit auch die Ateliers für Emaillemalerei und Teppichknüpferei den Inhabern dieser Werkstätten zur Verfügung gestellt werden könnten.« (Henry van de Velde an Staatsminister Karl Rothe, 27.8.1906, ThHStaW Weimar, Hofmarschallamt Nr. 3721, BL 123, in: Wahl 2007, S. 174 f.). fin du mois: Den Tagebuchnotizen zufolge kam Kessler erst am 31. Oktober 1906 wieder nach Weimar. Le »Gauguin«: Vgl. Anm. Brief 215. une belle série: Diese Serie wurde nie verwirklicht. Eucken: Irene Eucken hatte Kessler am 6. August 1906 geschrieben: »Soeben lese ich in der Zeitung, daß Sie Ihr Amt am Karlsmuseum als Leiter desselben auf Anraten des Arztes niedergelegt haben. – Ich muß Ihnen sofort schreiben, denn ich muß Ihnen sagen, wie sehr ich Ihr Zurücktreten bedaure. Diese kleinen Ausstellungen, die Sie im Karlsmuseum geschaffen hatten, waren teilweise etwas so Eigenartiges und Ausgezeichnetes, daß das wirklich sehr bedauernswert ist, wenn das aufhören soll. Ich persönlich habe von mehreren viel und dauernden Gewinn gehabt, und ich nehme an, daß das nicht nur mir so gegangen ist. Diese kleinen Ausstellungen so mit Geschmack zusammengestellt und mit Hervorheben des Wesentlichen müssen ja viel mehr wirken als die großen Ausstellungen. Wie wird das nun werden? Mein Mann, wie ich hoffen, daß die Erwähnung des Arztes nur eine Form ist. Ich hoffe es für Sie und Ihre Frau Mutter und für die Kunst, für welche Sie noch sehr viel zu leisten haben. Über Weimar habe ich meine Gedanken, man ist dort sehr kurzsichtig, fast blind.« (Irene Eucken an Harry Graf Kessler, 6.8.1906, DLA). pays: Oberlausitz.
257 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 18.9.1906 FSX, AML 504/135, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
18/IX 06. Cher ami, ce que vous m’écrivez m’inquiète beaucoup, quoique Heymel m’ait rassuré sur le côté »commandes« par les nouvelles de votre Américain. Je ne crois toutefois pas, qu’ils risquent en ce moment un nouvel esclandre en vous mettant pour ainsi dire à la porte. Ils en ont bien assez avec moi. Du reste, Scheffler est venu me voir hier, et je l’ai documenté.
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J’aimerais assez que Harden me demande des renseignements. Je ne voudrais pas aller le trouver de mon côté; mais si lui voulait faire la première démarche, je n’aurais aucune raison de me taire vis-à-vis de lui; et je crois que plus ils auront d’ennuis sur mon compte, moins ils oseront s’en susciter de nouveau à propos de vous. Le Dr. Saenger ne pourrait-il pas arranger ça, comme venant de lui, en faisant entrevoir à H[arden]. quelquechose [sic] d’intéressant? Saluez, je vous prie, madame Vandevelde et madame Förster. Bien affectueusement K. J’ai eu une lettre tout à fait charmante et amicale de Rodin, qui semble n’avoir appris l’affaire que tout récemment. Dès que ma jambe sera en état, je compte aller en Normandie, chez ma mère, en passant par Weimar, où je resterai deux ou trois jours. Par contre, je passerai quelque temps à Weimar vers la fin d’octobre, Hofmannsthal devant y venir à cette époque, et aussi Schröder, probablement. Celui-ci vous est du reste tout à fait acquis. m’écrivez: Van de Veldes Gegenbrief hat sich nicht erhalten. votre Américain: Seit 1902 unterhielt van de Velde Kontakte zu einem »höchst originellen amerikanischen Oberst« aus Chicago, intern ›l’Américain‹ oder ›le Chicago‹ genannt, dessen Name bislang nicht zu eruieren war (Velde 1962, S. 262). Anlass war der Umbau eines Stadthauses in Chicago. Zusammen mit Sigurd Forsterus entwickelte van de Velde 1904 verschiedene Umbauentwürfe für Fassade und Innenräume (Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 294). 1906 bekam er mit dem Umbau eines Kaufhauses einen weiteren Auftrag in Aussicht gestellt, den er aus bislang unbekannten Gründen nicht übernehmen konnte. Glaubt man seinen Memoiren, hätte ihn dieser Auftrag für mindestens sechs Monate an Chicago gebunden, die Einwilligung des Großherzogs vorausgesetzt (Velde 1962, S. 262 f.; Velde 1995, S. 190 f.; Velde 1999, S. 169 f.). Am 31. August 1906 war es zu einer Begegnung zwischen van de Velde und dem amerikanischen Kunden in Weimar gekommen. Gemeinsam waren sie Anfang September nach Dresden gereist (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 30.8.1906, DLA). Scheffler: Karl Scheffler war am 17. September 1906 zu Gast bei Kessler: »Nachmittags Scheffler bei mir zum Interview.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.9.1906). Maximilian Harden (eigentlich Felix Ernst Witkowski, 1861–1927), Publizist, Schriftsteller, von 1875 bis 1888 Schauspieler, 1889 Mitbegründer der Berliner ›Freien Bühne‹, von 1892 bis 1922 Herausgeber und Autor der Wochenzeitschrift ›Die Zukunft‹. Maximilian Harden war als Publizist einflussreich und gefürchtet. Ende 1906 lancierte er in Absprache mit Kessler eine gezielte, diskreditierende Pressekampagne gegen Oberhofmarschall von Palézieux (vgl. Brief 263; Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.12.1906, 7.4.1907). Bereits im vorliegenden Brief wird Kesslers Ansinnen deutlich, mit Harden über die Angelegenheit Palézieux sprechen zu wollen.
486 Edition und Kommentar une lettre … de Rodin: »Sehr freundlichen, lieben Brief von Rodin empfangen«, vermerkte Kessler am 17. September 1907 im Tagebuch (Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.9.1907). Hofmannsthal: Hugo von Hofmannsthal kam am 31. Oktober 1906 nach Weimar und blieb dort bis zum 7. November 1906.
258 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 21.9.1906 FSX, AML 504/136, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
21.IX 06 Cher ami, je vous félicite et je me réjouis de tout mon cœur, que vous soyez arrivé à vous installer. On ne vous délogera pas, soyez en [sic] bien sûr. Quant à moi, je reste étendu sur mon canapé le plus possible, et je lis, lis, lis à perte de vue. On me promet un rétablissement complet, et j’y compte, quoique ma jambe soit encore douloureuse et pour ainsi dire raccourcie. – C’est très bien, que Osthaus se fasse construire une villa; j’espère qu’il vous y laissera de la marge pour pouvoir bien faire. – Je passerai par Weimar (un ou deux jours d’arrêt au plus) dans une dizaine de jours. J’ai hâte de revoir ma mère, qui ne va toujours pas mieux. Veuillez saluer madame Vandevelde et les bébés de ma part. Bien affectueusement HKessler. installer: Kessler bezieht sich auf van de Veldes bevorstehenden Einzug in das neue Schul- und Werkstattgebäude in der Kunstschulstraße 7 (vgl. Anm. Brief 222). Bis zur offiziellen Inbetriebnahme der ›Großherzoglichen Kunstgewerbeschule‹ am 1. April 1908 führte van de Velde den Lehrbetrieb unter der Bezeichnung ›Kunstgewerbliches Institut‹ fort (vgl. Wahl 2007, S. 25 ff.). une villa: Karl Ernst Osthaus hatte die ›Dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung‹ in Dresden mit der Vorstellung besucht, »den fähigsten Künstler« mit dem Bau seiner Villa zu betrauen. Entgegen der Absicht, van de Velde ein weiteres Mal vorbehaltlos zu engagieren, überzeugten ihn »die augenfällige Überlegenheit« sowie »die fortgeschrittene Reife« der van de Veldeschen Arbeiten (Osthaus 1920, S. 61). Er beauftragte den Belgier folglich mit dem Entwurf der Villa Hohenhof (1907/08) in Hagen. Im Herbst 1906 legte van de Velde die ersten Entwürfe vor, und Kessler vermerkte am 2. November 1906 im Tagebuch: »Mit Hofmannsthal bei Vandevelde im neuen Ateliergebäude. Vandevelde zeigte die Pläne für die Osthaussche Villa.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.11.1906). Van de Velde konzipierte die noch heute existierende Villa am Stirnband 10, die das Zentrum einer nicht vollständig umgesetzten Villenkolonie werden sollte, als perfektes Gesamtkunstwerk, als eine Einheit von Innen- und Außenraumgestaltung (vgl. Schulte 1992; Lotz 2009).
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259 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 6.10.1906 FSX, AML 504/137, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
6/X 06 Bien cher ami, merci de votre bonne et réconfortante lettre. Elle me donne un rayon de joie, de vive joie. Que je suis heureux de tout ce que vous m’annoncez! Voilà du beau travail et de quoi réaliser un peu de notre rêve. – Quant à moi, cher ami, c’est un peu ennuyeux. Le Professeur de Bergmann a fait un examen radiographique de ma jambe hier, et il paraît qu’elle est bien cassée, le genou est en deux morceaux, qui s’apprêtent lentement à se rejoindre. C’est tout un petit travail de raccommodement intime qui se fait dans ma personne depuis un mois, sans que personne s’en soit douté. Ça me cloue sur mon canapé pour un mois au moins encore, à ce que me dit Bergmann, et je n’ai plus trop de confiance dans ce que me disent les médecins. Enfin, il me promet que je ne resterai pas boiteux, ce qui serait le comble. Me voyez-vous faisant du x à l’heure avec une jambe boiteuse? Mais j’ai la promesse de B[ergmann]. que ce ne sera pas, et je m’en réconforte, en attendant ce qui sera vraiment. – Donnez[-] moi des nouvelles de temps en temps cher ami; vous me faites grand plaisir par chaque mot que vous m’envoyez. J’ai du reste les Richter et surtout ce bon Mutius qui s’occupent de moi; je dis beaucoup, ma santé va à merveille. Je ne suis pas donc trop à plaindre. Saluez, je vous prie, madame Vandevelde et croyez moi bien heureux de ce que vous m’avez annoncé. Affectueusement. HKessler. lettre: Der Gegenbrief von van de Velde hat sich nicht erhalten. ma jambe: Ein Tagebucheintrag vom 4. Oktober 1906 vermerkt hierzu: »Bergmann sagt mir heute, dass, nach der Röntgen Aufnahme, mein Knie zweifellos gebrochen ist und frühestens in einem Monat wieder gut sein wird. Das Bein wieder eingeschient.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.10.1906). les Richter: Kessler bezieht sich hier auf seinen engen Freund Gustav sowie auf Cornelie und Reinhold Richter.
488 Edition und Kommentar
260 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, o. O., Oktober 1906 FSX, AML 504/138, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Cher ami, bien merci. J’ai reçu les livres que vous avez eu la bonté d’extraire de ma bibliothèque. Je ne fais que lire toute la journée, et je dévore une quantité incroyable de papier. Ma jambe va tout doucement mieux; mais j’ai toujours de grandes difficultés à me mettre en posture pour écrire. C’est chaque fois la croix et la bannière, et des difficultés incroyables pour tenir en place. Enfin, j’espère ne pas rester boiteux, et c’est le principal. Saluez, je vous prie, Mme Vandevelde et Mme Förster, à qui j’écrirai, dès que ma jambe m’en laissera la liberté d’esprit nécessaire. On écrit avec ses jambes, mon cher ami, je découvre cette vérité anatomique aujourdhui [sic], et elle donne à penser sur les rapports structuraux furieusement. Bien à vous HKessler. Comment vont les finances de votre Institut? Rothe cède-t-il? Institut: Gemeint ist van de Veldes ›Kunstgewerbliches Institut‹ in Weimar.
261 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, Weimar, 1.11.1906 FSX, AML 504/139, Brief, Briefkopf (gedruckt): CRANACHSTRASSE 15. WEIMAR
1. Nov[embre]. 06. Chère madame, j’ai reçu votre lettre, qui m’a apporté comme un parfum de vie, ici, ce matin, étant arrivé assez à l’improviste hier soir, pour recevoir Hofmannsthal, qui a avancé son voyage de quelques jours. Je vous remercie infiniment du travail ennuyeux que vous avez eu la bonté de faire pour le Gauguin. J’ai de vrais remords de vous y avoir engagé, maintenant, car j’aurais pu l’entreprendre moi-même, si j’avais su, que je serais à Weimar si tôt; ou plutôt, j’en aurais des remords, si vous n’aviez pas vraiment embelli le livre par votre admirable écriture. Il en est devenu plus précieux. Merci mille fois, encore, chère madame. Hofmannsthal et moi nous nous proposons de venir vous rendre visite cet après-midi, si ça ne vous dérange
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pas, vers 5 heures. Ou bien un autre jour vous conviendrait-il mieux? Demain soir (vendredi,) je vous prierais, ainsi que Henry, de bien vouloir venir dîner chez moi à 7 ½. Vous ne trouverez que les Watzdorf et mes amis les Bernstorff de Londres, ou plutôt du Caire, maintenant. Lui Bernstorff, a été le principal artisan de la détente entre l’Angleterre et l’Allemagne, ce Printemps, et la Comtesse est une amie d’enfance; nous avons joué ensemble quand nous n’avions pas encore dix ans. Elle est du reste une nièce de l’amie de Wagner, Mme Wesendonck. Agréez, chère madame, l’expression de mes sentiments respectueux et amicaux. HKessler. lettre: Maria van de Veldes Brief hat sich nicht erhalten. recevoir Hofmannsthal: Am 31. Oktober 1906 vermerkte Kessler im Tagebuch: »Früh aus Berlin nach Weimar. Nachmittags Hofmannsthal hier an; sehr frisch und guter Dinge, wie es scheint.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 31.10.1906; vgl. Brief 257). Gauguin: Betrifft die von Jean de Rotonchamp verfasste Monographie über Paul Gauguin, die Kessler Ende 1906 veröffentlichte und hierfür Maria van de Veldes Hilfe in Anspruch nahm (vgl. Anm. Brief 215; Brinks 2003, S. 367, Nr. 21). admirable écriture: Kessler verehrte Maria van de Veldes Handschrift. Demain soir: Harry Graf Kessler lud am 2. November 1906 neben Maria und Henry van de Velde, Jeanne und Johann von Bernstorff, Ludwig und Eleonore von Hofmann, Erika und Curt Werner von Watzdorf sowie Hugo von Hofmannsthal auch Elisabeth Förster-Nietzsche zu sich ein (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.11.1906). Erika von Watzdorf berichtet hierzu in ihren Memoiren: »Harry Kessler gab seiner Kindheitsfreundin Jeanne ein sehr festliches Diner mit Frau Förster-Nietzsche, Hofmannsthal, van de Veldes, Hofmanns und uns. Während zu Beginn ›Über-Lieschen‹ auf dem Sofa saß und so recht wie ihre Mutter, die Pastorin, aussah, fragte mich Hanns Bernstorff, dem das Äußere von Nietzsches Schwester unbekannt war: ›Wo ist denn nun das dämonische Weib?‹ und erstarrte, als ich ihm das friedlich gemütliche Bild wies.« (Watzdorf-Bachoff 1997, S. 141). les Watzdorf: Gemeint sind Erika von Watzdorf und ihr Mann Werner Freiherr von Watzdorf (vgl. Anm. Brief 203). Erika von Watzdorf war mit Jeanne Gräfin von Bernstorff eng befreundet (vgl. Watzdorf-Bachoff 1997, S. 63, 69, 80). les Bernstorff: Johanna Gräfin von Bernstorff (gen. Jeanne, geb. Luckemeyer, 1867–1943)/ Johann Heinrich Graf von Bernstorff (gen. Jonny, Hans, 1862–1939). Kessler bezieht sich hier auf Jeanne Gräfin von Bernstorff, die er seit seinen Pariser Kindertagen kannte, und deren Ehemann, den Diplomaten Johann Heinrich Graf von Bernstorff. Erika von Watzdorf skizzierte ein ausführliches Porträt des befreundeten Ehepaares in ihren Memoiren (Watzdorf-Bachoff 1997, S. 79 f.). Mathilde Wesendonk (auch: Wesendonck, geb. Luckemeyer, 1828–1902), Schriftstellerin. Mathilde Wesendonk, Gattin des vermögenden Kaufmanns Otto Wesendonk sowie Tante und
490 Edition und Kommentar Ziehmutter von Jeanne Luckemeyer (verh. Gräfin Bernstorff), hatte Richard Wagner 1852 kennengelernt und galt als dessen Muse.
262 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 28.11.1906 FSX, AML 504/140, Brief, Briefkopf (gedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
28/XI 06. Cher ami, oui, Mlle St. Denis danse samedi et dimanche. Je pourrais vous accompagner samedi, si je ne vous gêne pas. Voulez-vous que je vous fasse prendre des billets, et combien? Je pars pour Munich ce soir, mais je compte être de retour samedi matin. Si vous désirez que je fasse prendre des billets, veuillez écrire immédiatement à Paul (Paul Schulz) ici; le Wintergarten est ausverkauft tous les soirs; il faut donc s’y prendre de bonne heure. Si vous écrivez, comptez[-]moi je vous prie pour une place, donc si vous venez seul, faites prendre deux places à Paul. Saluez, je vous prie, Mme Vandevelde de ma part. Bien affectueusement Kessler. Le Gauguin se vend très bien à Paris. S’il y a des coquilles, c’est que j’aurai eu des distractions en le corrigeant; il y en avait tant, que je n’en rougis pas. On s’y noyait. Mlle St. Denis: Ruth St. Denis (eigentlich Ruth Dennis, 1879–1968), US-amerikanische Tänzerin, Choreographin. Ruth St. Denis tourte 1906 durch Europa und gab atemberaubende Aufführungen, die nicht nur Kessler begeisterten (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 18.11.1906). Van de Velde besuchte die Sonntagsvorstellung der Ruth St. Denis am 2. Dezember 1906 im Berliner Wintergarten, allerdings nicht in Begleitung von Kessler (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 2.12.1906, AML, FSX 784). Munich: Kessler erreichte am 29. November 1906 München und reiste am 2. Dezember 1906 wieder zurück nach Berlin (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.11.1906, 2.12.1906) Wintergarten: Seit 1887 existierende Varieté-Bühne am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin. Le Gauguin: Vgl. Anm. Brief 216.
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263 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 30.12.1906 FSX, AML 504/141, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
30/XII 06 Cher ami, votre lettre est navrante; et, cependant, je n’arrive pas à me désespèrer [sic]. Voyons, vous avez de la besogne pardessus [sic] la tête, vous avez, surtout, une commande de toute première importance, qui vous permet de créer une chose d’architecture dans des conditions vraiment exceptionnelles; que peut vous faire au fond que Palézieux ou Rothe soient des enfants ou des gredins, qu’ils vous écrivent des lettres désagréables en style de chancellerie, ou même, qu’ils s’attaquent à votre vie de tous les jours? Je ne sais pas de quoi il s’agit; mais en mettant les choses au pis, je ne vois rien qui puisse vraiment devenir grave. Du reste Palézieux va avoir ses petites affaires à lui, qui l’occuperont. Faites donc, si vous le pouvez, courir la Zukunft. Surtout donnez[-]la aux Watzdorf, qui se chargent de la distribution. S’ils le voulaient, je pourrais leur faire envoyer plusieurs exemplaires, qu’ils »prêteraient« dans le monde [de] la cour. Je n’ai pas encore vu l’article; mais on m’écrit qu’il est très bien, et c’est au commencement seulement. Harden m’a promis de rendre P[alézieux]. »impossible«, et je lui ai lassé [laissé] toute liberté, en exceptant seulement la personne du Grand Duc. Il faudra ou que P[alézieux]. fasse un procès; et alors je lui jetterai le pot aux roses de la lotterie [sic] à la figure; ou bien s’il se fait, on montera le ton de la campagne à un tel diapason, qu’il deviendra impossible comme officier; à un certain moment, on soumettra la »collection complète« de ce qu’il a laissé écrire sur son compte au Civil Kabinett; et comme il y aura des accusations infamantes dans le Leo [?], auxquelles il aura manquée de répondre, il sera perdu. J’ai du reste soin de dire partout dans les cercles de la Cour et des officiers de la garde de Berlin, que c’est un »Denunziant«, un cafard, et quelqu’un finira bien par le lui rapporter. Il ne me provoquera pas, il a trop peur d’un Jury d’honneur, qui deviendrait obligatoire à l’instant même; mais un officier qui sait, qu’un autre officier parle de lui publiquement sur ce ton et qui ne réagit pas, finit par être justiciable sur ce compte aussi. Voilà donc une troisième flèche que nous taillons à son adresse. Vous pourriez du reste, cher ami, rapporter aux Watzdorf mes propos, c’est-à-dire: que j’applique ce mot de Denunziant à P[alézieux]. publiquement et partout; ça hâterait peut-être un peu les choses. Il faut absolument nous débarasser [sic] de ce gredin, c’est la seule façon de sauver votre position et l’institut; et en attendant qu’il nous laisse sa peur, il aura ses petites occupations, ce qui l’empêchera de tramer des complots contre vous. – Kuehl ne sera jamais Président du
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K[ünstler]. B[und]. parcequ’il [sic] est à couteaux tirés avec Liebermann. Klinger m’a offert à moi la Présidence, et y insiste beaucoup. J’ai refusé, pour le moment; parceque [sic] je ne suis pas artiste; mais avec Liebermann et Klinger derrière moi et les sympathies que j’ai à Munich, et que j’ai pu entrevoir assez fortes, j’empêcherai toujours une créature de Olde de prendre la place. – Et maintenant, cher ami, que voilà les choses désagréables erledigt, permettez[-]moi de vous remercier bien de cœur du plaisir que m’a fait le beau coupe papier [sic] que vous avez eu la bonté de m’envoyer; j’en suis ravi. Il est vraiment tout à fait réussi. Bien, bien merci, cher ami. Je cesse donc ma contribution à l’Institut, puisque vous me le demandez. Cher ami; c’est à regret, parceque [sic] je crois encore à un avenir qui sera meilleur, soyez en [sic] sûr. Les grands forces se mesurent à la résistance qu’elles déchaînent; c’est à la haine que vous provoquez que vous pouvez apprécier votre apport dans le monde artistique. Vous vaincrez, sûrement, cher ami, et c’est comme une des étapes vers ce triomphe que j’espère voir l’année qui s’ouvre. À vous de tout cœur. HKessler votre lettre: Van de Veldes Gegenbrief hat sich nicht erhalten. une commande: Es kommen hier zwei Aufträge in Betracht: der Entwurf eines Kaufhauses in Chicago (vgl. Anm. Brief 257) oder, was wahrscheinlicher ist, der Entwurf der Privatvilla für Karl Ernst Osthaus (vgl. Anm. Brief 258). l’article: Im Dezember 1906 lancierten Maximilian Harden und Kessler eine gezielte Pressekampagne gegen Oberhofmarschall von Palézieux. Am 9. Dezember 1906 hatten sie gemeinsam das Procedere besprochen und besiegelt: »Zu betonen würde vor Allem sein, dass Palézieux ein Denunziant sei, und dann, so weit wie möglich und beweisbar, die Lotteriegeschichte. Harden meinte, gut, dann werde er vorgehen. Er werde klein anfangen und allmählich stärker werden. Ob es mir nicht vielleicht ganz angenehm sei, dass er möglichst verschleiere, dass die Information von mir käme. Er könne z. B. gegen meine Bestrebungen in Weimar skeptisch und ironisch sein, so dass ein Zusammenhang mit mir unwahrscheinlich werde. Ich sagte ihm, er möge taktisch so vorgehen, wie es ihm am besten scheine; selbstverständlich würde ich jeden Augenblick bereit sein, ihn vor Gericht zu decken.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.12.1906). Der mit ›Weimar‹ betitelte Aufsatz von Maximilian Harden erschien Ende Dezember 1906 in der Zeitschrift ›Die Zukunft‹ und brachte den gewünschten Stein ins Rollen. Palézieux bezeichnete den Artikel unter der Hand als »tellement ridicule et pleins de mensonges« (Charles Aimé von Palézieux an Herzogin Elisabeth zu Mecklenburg-Schwerin, 30.12.1906, 5.2–4/1, LHAS). Kessler hielt dagegen fest: »Die Nummern der Zukunft soll er ganz ostentativ, zehn auf einmal, bei den Buchhändlern gekauft haben, während Leute wie Reitzenstein, Gross u. s. w. sie sich heimlich durch den Barbier (der auch der meine ist und es mir erzählte) holen liessen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.4.1907). impossible: Kessler legte gegenüber Harden viel Wert darauf, Palézieux öffentlich unmöglich zu machen. »Harden sagte darauf: unmöglich machen scheine ihm bei Palézieux verhältnismässig
Briefe und Kommentare 493 leicht. Er habe schon schwerere Leute zur Strecke gebracht, und von Palezieux sogar ehe ich nach Weimar ging, sehr üble Sachen gehört. Wie weit er aber gehen dürfe? Was ich sekret gehalten haben wolle? Was er benutzen dürfe? Ich bezeichnete ihm darauf die Person des Grossherzogs und die beiden Forderungen als Tabu. Alles Andre dürfe er benutzen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.12.1906). Gotthard Kuehl (1850–1915), Maler. Président: Kessler lehnte es ab, Präsident des Deutschen Künstlerbundes zu werden. Stattdessen schlug er den Bildhauer Max Klinger vor, der sich jedoch eine Bedenkzeit über den Winter 1906/07 erbat (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 27.11.1906). Schließlich wurde Leopold Graf von Kalckreuth am 9. November 1907 erneut zum Präsidenten gewählt und blieb es bis zu seinem Tod im Jahre 1928. une créature de Olde: Kessler schätzte Hans Olde nicht mehr sonderlich. Am 30. April 1907 schrieb er in diesem Zusammenhang in sein Tagebuch: »Abends Sitzung des D[eutschen]. K[ünstler].B[undes]. im Rathaus. Präsidentenwahl verschoben weil so wenig Anwesende. Nachher kam noch ein aufgeregtes, unmanierliches Telegramm von Olde. Recht unvorsichtig, seine schöne Seele so coram publico zu zeigen, namentlich da er sich darauf zu spitzen scheint, Präsident zu werden. Aber er ist als Intrigant ebenso impotent wie als Künstler.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.4.1907). coupe papier: Das von van de Velde übereignete Papiermesser aus Kesslers Besitz ist verschollen.
264 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 15.1.1907 AML 504/143, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
15/I 07. Cher ami, mille fois merci de vos deux bonnes lettres. Harden m’avait envoyé l’article de la Post hier, et j’y ai immédiatement répondu par la lettre ci-incluse. J’envoie maintenant cette même lettre à Deutschland. Je suis ravi de l’article de la Post. Il m’a donné, d’une façon tout à fait inespérée, le moyen d’amorcer la campagne sur la question Palézieux–Anding. L’ours de la Post ayant amené la discussion sur ce terrain, m’a rendu un fameux service; mais je doute que Palézieux et Cie digèrent son pavé d’ici quelque temps. Maintenant, quoique je dise sur les malversations Anding– Palézieux, j’aurai toujours l’air de me défendre. C’est ce que [je] cherchais depuis longtemps, sans parvenir à me glisser de ce coté [sic]. Votre première lettre m’apporte du reste la pleine justification de ma campagne. Voilà exactement ce que je poursuivrais: intimider toute cette bande, pour sauvegarder au moins votre position. C’est ce que j’ai expliqué à Harden; et ce qui se passe, est la preuve, que j’ai bien calculé mon coup. Ces gens[-]là ne connaissent qu’une émotion, la frousse; il faut s’en servir. On ne risque pas de l’épuiser. On peut les faire passer du rouge
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au bleu, du vert au jaune, ils se découvriront toujours quelque nouvelle nuance inédite; dans ce genre[-]là, ce sont de grands coloristes. L’article Harden est un commencement; c’est anodin. Puisque les résultats en sont bons, on va les serrer d’un cran; ils n’en chanteront que mieux. Il doit du reste y avoir un grand article dans la Kunst für Alle de Bruckmann du 15 janvier; il est très bien, quoique encore dans la première note, la note Harden. Mais Palézieux y est qualifié de »Denunziant«; c’est déjà un acheminement vers le second acte. Il faut le déshonorer à jet contenu, puisqu’il s’y prête si complaisamment, en chauffant à [sic] fur et à mesure. J’aurai sa peau ou son sang, je me le promets, et par cela même, vous obtiendrez tout ce que vous désirez à Weimar. Quant à Reitzenstein, je lui suis très reconnaissant; c’est un vieil ami, qui n’a toujours eu que des bontés pour moi. Peut-être, plus tard, le moment viendra-t-il, où il y aura quelquechose [sic] à »raccommoder« pour lui. Dites[-]lui, cher ami, combien je lui suis reconnaissant de ses bons sentiments. Toujours à vous de tout dévouement Kessler Madame Vandevelde me demande l’adresse de Miller & Richards [sic]; c’est 14 Waterlane, Ludgate Hill. W. L. Veuillez m’excuser auprès d’elle, que je ne lui réponde pas par pli séparé; je ne sais où donner de la tête aujourdhui [sic]. lettres: Beide Briefe von van de Velde haben sich wie viele seiner Briefe im Nachlass Kessler nicht erhalten. article: Betrifft den Artikel in ›Die Post‹ vom 7. Januar 1907, der am 13. Januar 1907 in der ›Weimarischen Landeszeitung Deutschland‹ abgedruckt wurde (vgl. Die Post, 7.1.1907; Zeitung Deutschland, 13.1.1907). Post: Die Post, Berlin. Erscheinungsdauer: 1866–1921. Übernahme durch ›Der Tag‹. la lettre ci-incluse: Kesslers beiliegender Brief, der im Nachlass van de Veldes nicht vorhanden ist, wurde am 18. Januar 1907 als offener Brief in der Zeitung ›Deutschland‹ abgedruckt: »Herr Graf Keßler sieht sich veranlaßt, die Kritik, welche eine Weimarische Korrespondenz der ›Post‹, in Nr. 14 unseres Blattes abgedruckt, an seiner hiesigen Museumsleitung übte, im Interesse der Wahrheit und der eigenen Reputation in zwei ausschlaggebenden Punkten zu berichtigen. Nach seiner Darstellung sind die Auslassungen dieses Artikels absolut falsch und der Schreiber desselben war nichts weniger als unterrichtet und glücklich beraten, als er, dem Inhalt wie der Form nach, den beregten Artikel so verfaßte und veröffentlichen ließ. Das Schreiben des Grafen Keßler an uns hat folgenden Wortlaut: London, den 14. Januar 1907. Soeben geht mir der von Ihrer geschätzten Zeitung am 13. d. M. abgedruckte Artikel aus Weimar zu. Dieser Artikel erhebt gegen mich zwei Anschuldigungen, um deren Berichtigung ich bitten muß. Es heißt: 1) ich hätte ›für teures Geld recht geringwertige Kunstwerke‹ angeschafft. Ich habe hierzu zu bemerken, daß dieses ›teure Geld‹, da das Museum so gut wie mittellos war, bis
Briefe und Kommentare 495 auf eine ganz geringe Summe von mir beschafft worden ist, d. h. großmütigerweise mir von befreundeter Seite zur Anschaffung gerade dieser Kunstwerke zur Verfügung gestellt worden ist. Ich habe also nicht teures Geld des Museums ausgegeben, sondern teures Geld für das Museum herangeschafft. Die Summen, die zur Verfügung gestanden haben, haben insgesamt wenig über 50,000 Mark betragen. Die recht ›geringwertigen‹ Kunstwerke, die dafür angeschafft worden sind, umfassen u. a. einen Trübner, einen Monet, einen Olde, einen Rysselberghe, einen Theodor Hagen und die sechs großen Wandbilder von Ludwig v. Hofmann, die in diesem Sommer in Dresden ausgestellt waren. Ich wiederhole: für 50,000 M. Zweitens wird gesagt: ich hätte durch kostspielige Ausstellungen usw. ›die finanzielle Lage der Anstalt geschädigt und ein Defizit veranlaßt‹; dieses sei der ›wahre Grund‹ meines Rücktritts. Dazu habe ich zu bemerken, daß, was der Artikelschreiber als ›Defizit‹ bezeichnet, nicht von mir herstammt, sondern auf die frühere Verwaltung des Museums zurückgeht, die, wie der Artikelschreiber ganz richtig bemerkt, ›schon immer unter der Aufsicht des Herrn v. Palézieux gestanden hat‹, aber nichtsdestoweniger Hunderttausende verschwinden ließ – auf welche Weise und in welche Taschen, ist bisher nicht ausgeklärt und auch nicht untersucht worden. Das Museum war, als ich es übernahm, deshalb so gut wie mittellos. Infolgedessen ergaben, so auch kein Zuschuß vorhanden war, die bloßen Verwaltungskosten, Bedienung, Heizung, Versicherung usw. mit Notwendigkeit ein jährliches Defizit. Die vom Artikelschreiber gerügten Ausstellungen brachten dagegen meistens durch Verkäufe usw. einen Überschuß. Die Sache verhält sich also tatsächlich gerade umgekehrt, wie der Verfasser meint: d. h. das jährliche Defizit war eine direkte Folge früherer Verhältnisse, die vor meiner Zeit liegen, der verhältnismäßig geringe Umfang dieses Defizits eine Folge der nicht immer ohne Schwierigkeiten durchgeführten Ausstellungen. Der ›wahre Grund‹ meines Rücktritts liegt also nicht, wie im Artikel behauptet wird, in finanziellen Mißerfolgen, sondern durchaus in Umständen, die durch das persönliche Verhalten des Generals v. Palézieux herbeigeführt worden sind. Da ich bereits zweimal öffentlich erklärt habe, daß Herr v. Palézieux mit einem Privatbrief Mißbrauch getrieben hat, bedaure ich, daß der Artikelschreiber die Gelegenheit nicht benutzt hat, seine Berichtigungen auf diesen Punkt auszudehnen. Hochachtungsvoll ergebenst! Harry Graf Keßler.« (Zeitung Deutschland, 18.1.1907). Deutschland: Weimarische Landeszeitung Deutschland. Amtsblatt der Behörden der Stadt Weimar, der Staats- und anderer Gemeindebehörden, Weimar. Erscheinungsdauer: 1849–1943. Kesslers Schreiben wurde am 18. Januar 1907 in der Zeitung ›Deutschland‹ abgedruckt (s.o.). Anding: Im Rahmen seiner Amtsgeschäfte als Museumsdirektor der ›Permanenten Ausstellung‹ hatte Palézieux offenbar hohe Geldsummen unterschlagen. In diese Transaktionen schien ein gewisser ›Herr Anding‹ verwickelt gewesen zu sein, dessen Name in Kesslers Tagebucheinträgen aus dem Jahr 1907 mehrfach Erwähnung findet. Demnach habe Anding, der in Weimar oder Jena wohnhaft war, laut einem Eintrag vom 13. August 1907 »jährlich 2000 M. Schweigegeld« von Palézieux erhalten. Am 3. Dezember 1907 konkretisierte Kessler hierzu: »Oscar Wedel behaupte dabei fest, Palézieux sei unschuldig gewesen; er müsse aber allerdings zugeben, dass P. ein Haus von Anding, das schon fast bis zu seiner vollen Höhe mit 40,000 M. beliehen gewesen sei, noch mit weiteren 100,000 M. aus Museumsgeldern beliehen habe. Das sehe doch sehr nach Schweigegeldern aus, meint Frau Förster. (Ob dieses nicht vielleicht die Art gewesen ist, wie P. die von ihm unterschlagenen 100,000 M. ›restituiert‹ hat? P. hätte dann thatsächlich Nichts ausgezahlt, Anding Nichts bekommen, die ›Beleihung‹ wäre eine leere Form gewesen. Die Übereinstimmung der beiden Summen ist auffallend; und aus einer solchen Transaktion würde es sich erklären, dass Anding ›Dokumente‹ hätte.)« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.12.1907).
496 Edition und Kommentar L’article Harden: Vgl. Brief 263. un grand article: Kessler irrt an dieser Stelle. In der Zeitschrift ›Die Kunst für Alle‹ war kein Artikel erschienen. Werner Christoph Freiherr von Reitzenstein (1848–1935). Reitzenstein stand von 1891 bis 1897 als Hofmarschall im Dienste des Prinzen Friedrich August von Sachsen und kam 1898 als sächsischer Gesandter an den Hof in Weimar. Kessler und Reitzenstein hatten sich 1890 in Leipzig kennengelernt. Reitzenstein begleitete damals die Prinzen Johann Georg und Max von Sachsen an die Universität von Leipzig, wo auch Kessler zeitweilig studierte. Miller & Richard: Es handelt sich um die Londoner Adresse der Schriftgießerei ›Miller & Richard‹, die 1809 von William Richard in Edinburgh gegründet wurde und seit 1838 unter ›Miller & Richard‹ firmierte (vgl. Brief 266).
265 Maria van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, [Januar 1907] AML, FSX 504/110, Visitenkarte, gedruckt: Madame Henry van de Velde.
Puis-je vous prier de me donner l’adresse de Monsieur Werth. Januar 1907: Maria van de Velde hat die Visitenkarte vor dem 15. Januar 1907 verfasst, denn Kessler nimmt in seinem Brief vom 15. Januar 1907 Bezug darauf (vgl. Brief 266).
266 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, London, 15.1.1907 AML 504/144, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
Chère Madame, je n’ai pu qu’envoyer l’adresse de Miller & R[ichard]. ce matin à Henry. Mais ne puis-je exécuter votre commission? M[iller]. & R[ichard]. sont les fondeurs de mon nouveau caractère; je suis donc en rapports avec eux. Quant à Werth, je demanderai son adresse à ma mère; je ne l’ai pas. Quelles belles journées vous avez dû passer dans les neiges. Je me réjouis beaucoup du temps que je vais passer à Weimar ce Printemps. Je pense que, toute »Société« bannie, on pourra souvent jouir de belles soirées animées et tranquilles ensemble. Quant à Henry, soyez sûr qu’on ne le laissera pas partir en ce moment; on fera tout pour le retenir. Le scandale est déjà bien assez grand, et ces gens on [ont] peur, vraiment peur, cette fois. Ils s’accrochent à Henry comme à leur planche de salut. Son départ, en ce moment, susciterait un nouvel orage, encore plus formidable; soyez bien persuadée, que personne à Weimar n’aurait le courage de l’affronter. La position de Henry, loin d’être »intenable«, n’a jamais été si assurée qu’en ce moment, s’il sait profiter de la situation, qui, du reste, a été créée
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de toute pièce à cette fin. Recevez, chère madame, l’expression de mon respectueux et entier dévouement. HKessler l’adresse: Vgl. Brief 264. belles journées: Henry und Maria van de Velde verbrachten mit ihren Kindern Ende Dezember 1906 einige Wintertage in Oberhof im Thüringer Wald. An Elisabeth Förster-Nietzsche schrieb Maria van de Velde am 28. Dezember 1906: »Es ist herrlich hier!« (Maria van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, 28.12.1906, GSA, Bestand NA, 72/653a). Van de Velde war auch Mitglied des Oberhofer Wintersportvereins.
267 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 21.1.1907 AML 504/145, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
21/I.07. Cher ami, je reçois une lettre de faire-part adressée de votre main, qui me fait craindre que cette perte a pu vous être cruelle. Croyez à toute ma sympathie. J’espère, toutefois, que ce voyage en Belgique, qui vous aura sorti de l’atmosphère empoisonnée et surchauffée de Weimar, n’aura pas été sans vous faire quelque bien, toute douloureuse qu’en soit la cause. Donnez moi de vos nouvelles bientôt, cher ami. La vue de votre écriture me donne chaque fois un vrai plaisir, et je ne voulais pas que, cette fois, elle soit cause que je reste sous une impression incertaine et pénible. Bien à vous affectueusement HKessler lettre de faire-part: Die Anzeige ist in Kesslers Nachlass nicht mehr enthalten. cette perte: Am 15. Januar 1907 war van de Veldes Onkel Polydore de Paepe, ein angesehener Jurist, Professor und Mitglied des Kassationsgerichtes, in Brüssel verstorben. Van de Velde reiste nach Belgien und nahm am 21. Januar 1907 an der Beisetzung teil (vgl. Todesanzeige vom 19.1.1907, GSA, Bestand NA, 72/653,2).
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268 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, 4.2.1907, London AML, FSX 504/146, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
4.II.07. Cher ami, merci de votre lettre, qui, dans l’atmosphère sombre et orageuse de Weimar m’a montré un point de gaieté: ce bon Rothe, qui ne veut pas me »verdammen«. C’est d’un comique de tout à fait premier ordre, du Molière ou du Shaw tout pur, ce bon gros bourgeois qui se croit juge et qui juge en petits mots patelinants jusqu’en se faisant dans les chausses. Cher ami, voilà un bon moment qui vaut bien des misères. En attendant, j’ai atteint mon but. Vendredi, j’ai reçu une lettre de Eichel, datée du 30, me sommant au nom de Palézieux de rétracter publiquement les mots »Misbrauch eines Privatbriefes« dans ma lettre à Deutschland du 14. Faites bien attention à la date. Cette lettre est, comme je vous le disais du 30. Le 27, Palézieux a accompagné le Gr[and]. Duc à Berlin. Le 20 il croyait encore se tirer d’affaire par ce pauvre petit démenti dans la Weimarische Zeitung. Il résulte de ces dates, qu’il a eu la main forcée à Berlin et que c’est sous le coup d’une sommation qu’on lui aura adressée au nom de l’Empereur, qu’il s’est résigné à me présenter autre chose que son dos. Vous voyez d’ici son état d’âme. Pour lui, c’est l’écroulement qui commence; car, maintenant, rien ne peut plus arrêter une investigation de toute l’affaire, Anding inclus, par une cour d’honneur à Berlin. Car j’ai répondu à Eichel par un refus net, comme vous pensez bien, me basant, du reste, sur ces faits 1) que P[alézieux]. a attendu 15 jours pour relever l’insulte. Il est de règle entre officiers qu’on ne peut plus provoquer après plus de 48 heures. 2) que j’ai proclamé publiquement la même chose plusieurs fois depuis 3 mois. 3) que P[alézieux]. a déjà répondu à ma lettre par le démenti officiel du 20 janvier, et qu’il est de règle absolue, qu’on ne peut provoquer et faire en même temps un procès ou autre chose, pour relever une injure. 4) que l’allégation la plus grave contenue dans ma lettre du 14 n’est pas relevée même maintenant. (celle ayant rapport aux malversations). J’ai inséré N° 4 pour rendre impossible l’exclusion de ces faits de l’investigation. Si maintenant P[alézieux]. me provoque, il me paraît donc irrémédiablement perdu. C’est un homme à la mer. Il ne peut pas en revenir. Trouveront-ils encore une échappatoire, pour ne pas me provoquer? Toute honte bue, c’est peut-être possible; mais seulement en se soumettant à des conditions qu’alors moi je leur déclerais, et dont la première serait naturellement, que Palézieux quitte Weimar. Peut-être préfèrera-t-il encore ça à un déshonneur public. Moi, personnellement, je préfèrerais la cour d’honneur. Enfin, la réponse de Eichel m’éclairera. Je
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pense, qu’il y aura des conférences assez mouvementées avant qu’elle [?] ne parte. Si c’est une provocation, je reviens immédiatement à Berlin. De toute façon, cette réponse doit me parvenir jeudi ou vendredi. Cher ami, ce que je vous écris sur cette affaire Eichel-Palézieux est naturellement pour vous seul absolument. J’en fais part seulement à Dungern et à Heymel. Je vous prie donc de n’en souffler mot à personne, et si on vous en parle, de faire l’ignorant absolu. – Les caractères de Miller & Richards [sic] sont, je l’espère, arrivés. Ils ont du [sic] partir lundi ou mardi dernier d’Edinbourg. Saluez, cher ami, madame Vandevelde. Bien affectueusement Kessler. Surtout pas un mot à Mme Förster! votre lettre: Van de Veldes Gegenbrief hat sich nicht erhalten. une lettre: Am 1. Februar 1907 traf in London ein Brief von Eichel aus Weimar ein. Kessler gibt den Wortlaut im Tagebuch wider: »Weimar. den 30 Januar 1907. Euer Hochgeboren theile ich ergebenst mit, dass S. Exzellenz der General Leutnant von Palézieux um meine Vermittelung betreffs des in der Zeitung Deutschland vom 18 Januar erschienenen, von Ihnen unterschriebenen, Artikels gebeten hat. Der Schluss dieses Artikels enthält in dem Ausdruck: ›Misbrauch eines Privatbriefes‹ einen die Ehre des Generals tangierenden Vorwurf. Die Kränkung tritt um so auffälliger in die Erscheinung, als Sie dieselbe mit Ihrer Unterschrift der Öffentlichkeit übergeben haben. Euer Hochgeboren stelle ich anheim, der betreffenden Äusserung ihre Schärfe zu nehmen durch eine entsprechende Erklärung: indem Sie in der Zeitung ›Deutschland‹, Bezug nehmend auf den Artikel vom 18 Januar, Ihr Bedauern aussprechen, den Ausdruck ›Misbrauch‹ angewendet zu haben. Einer recht baldigen Antwort Euer Hochgeboren entgegensehend ergebenst von Eichel.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.2.1907). Karl von Eichel (Eichel-Streiber, 1854–1919). Karl von Eichel war bis 1904 als Hofmarschall der Erbgroßherzogin Pauline und von 1904 bis 1910 als Oberstallmeister am Weimarer Hof tätig. ma lettre: Das von Kessler am 14. Januar 1907 verfasste Schreiben war am 18. Januar 1907 in der Zeitung ›Deutschland‹ abgedruckt (vgl. Anm. Brief 264). accompagné: Großherzog Wilhelm Ernst reiste anlässlich des Kaisergeburtstags am 27. Januar 1907 in Begleitung von Oberhofmarschall von Palézieux nach Berlin (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.2.1907; Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 17.2.1907, in: Burger 1968, Brief 146, S. 146 f.). démenti: Am 20. Januar 1907 erschien im Namen von Oberhofmarschall von Palézieux ein Dementi in der Zeitung ›Deutschland‹. j’ai répondu à Eichel: Kesslers Antwort an Karl von Eichel lautete wie folgt: »Ew. Hochwohlgeboren bestätige ich den Empfang Ihres Schreibens vom 30ten Januar und drücke ich meine Befriedigung aus, dass gerade Sie einen Schritt zur Förderung dieser Angelegenheit unternommen haben. Ich hoffe, Ew. Hochwohlgeboren werden es nach diesen Worten nicht misverstehen,
500 Edition und Kommentar wenn ich ablehne, den beregten Passus in meiner Berichtigung zurückzunehmen. Ich sehe mich dazu umsoweniger veranlasst, als Herr von Palézieux erst jetzt, nach bald 14 Tagen, auf diese Äusserung zurückkommt, und zwar nachdem inzwischen, gewiss nicht ohne seine Kenntnis und Billigung, schon der Weg einer ›Berichtigung‹ dieses selben Schreibens durch die Presse beschritten worden ist. Auch habe ich öffentlich bereits vor drei Monaten und dann wieder vor zwei Monaten dieselbe Auffassung von der Handlungsweise des Herrn von Palézieux in zwei früheren Berichtigungen ausgesprochen, die Herr von Palézieux zweifellos damals gesehen hat; die Äusserung, um die es sich jetzt handelt, ist sogar Nichts als ein Hinweis auf jene früheren Erklärungen. Schliesslich darf ich wohl daran erinnern, dass ich schon im vorigen Frühsommer, also vor bald acht Monaten gegen Euer Hochwohlgeboren selbst bei den damaligen Vermittlungs-Versuchen diese meine Auffassung nachdrücklich geäussert habe, ohne in diesem Punkt auf Widerspruch zu stossen, obgleich ich annehmen muss, dass meine Äusserung Herrn von Palezieux damals nicht unbekannt geblieben ist. Ich kann daher nur meine Verwunderung darüber ausdrücken, dass Herr von Palézieux jetzt gerade diesen und nur diesen einen Punkt aus meiner Berichtigung herausgreift, während er gleichzeitig den in demselben Schreiben enthaltenen Hinweis auf sein nicht einwandfreies Verhalten in einer andren Angelegenheit stillschweigend hinnimmt. Ich habe die Ehre zu sein Ew. Hochwohlgeboren aufrichtig ergebener Kessler.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.2.1907). Otto Freiherr von Dungern (Pseudonym: Otto Düren, 1873–1969), Offizier, Journalist, Schriftsteller. Im Konflikt mit Oberhofmarschall von Palézieux übernahm Kesslers Freund und Regimentskamerad Otto Freiherr von Dungern die Funktion des Kartellträgers (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 16.3.1906).
269 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 5.2.1907 AML 504/147, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
Confidentielle mardi, 5.II 07. Cher ami, je reçois à l’instant le télégramme suivant de de Eichel: »Brief erhalten (mon refus de rétracter.) Auftraggeber Influenza mit sehr hohem Fieber. Muss Entscheidung deshalb einige Tage verschieben. Eichel.« Il me serait de toute première importance de savoir, si c’est là une manœuvre ou bien la vérité vraie. Je me rappelle [un] certain chant de Reineke Fuchs, qu’on doit connaître à Weimar! Si vous aviez un moyen sûr de vous informer et de m’informer, si P[alézieux]. s’est seulement alité pour la forme, ou bien s’il est vraiment gravement malade, ce qui seul excuserait ce délai, je vous serais bien reconnaissant. Aussi, si vous apprenez que Eichel ou quelque autre Hofschranze est allé ou va à Berlin ces jours. Cette maladie me paraît venir bien à point. Nous en sommes à la guerre d’extermination, et je dois compter sur vous seul, cher ami, à Weimar pour
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m’aider. Si ce n’était pas une affaire, où je joue plus que ma vie, je ne vous volerais pas votre temps. Mais cette-fois-ci je crois pouvoir un peu abuser. – Toutes les informations directes sur la santé de P[alézieux]. peuvent être fausses; c’est plutôt sur des informations indirectes, petits signes extérieurs etc. qu’il faudrait pouvoir se baser. Affectueusement Kessler. Si vous aviez une information absolument sûre, pourriez[-]vous me télégraphier sous ce code: tableau authentique: P[alézieux]. vraiment gravement malade. tableau douteux: P[alézieux]. malade; mais je doute si c’est bien grave. tableau faux: c’est une manœuvre; P[alézieux]. fait semblant d’être malade. tableau envoyé Berlin: Eichel est allé à Berlin copie tableau envoyé à Berlin: un autre Hofschranze est allé à Berlin. Bien, bien merci, cher ami. Auftraggeber: Gemeint ist Oberhofmarschall Charles Aimé von Palézieux, der sich offiziellen Angaben zufolge Ende Januar eine schwere Influenza zugezogen hatte und seit dem 3. Februar 1907 krank zu Bett lag. In der Jenaischen Zeitung vom 12. Februar 1907 war hierzu zu lesen: »An Kaisers Geburtstag war er im Gefolge des Grossherzogs in Berlin. Der Kaiser, der ihn immer geschätzt hat, zeichnete ihn sehr aus, ebenso die Kaiserin, der König von Sachsen und seine alten Freunde; sie wollten ihm zeigen, dass alle öffentlichen Angriffe keinen Einfluss auf die Achtung und Hochschätzung ausüben konnten, die sie für ihn hegten. Auf der Rückfahrt erkältete sich nicht nur Herr von Palézieux, sondern auch der Grossherzog und die andern Herren des Gefolges. Palézieux musste sich legen, stand aber am 2 Februar wieder auf, um den Hofball zu leiten; er hatte ihn eingerichtet, wollte den anderen Herren des Hofes nicht zumuten, seine Pflichten zu übernehmen und arbeitete so fast bis zum letzten Tage seines Lebens im Dienste seines geliebten jungen Herrn. Am andern Tage lag er fest; ein Beweis, wie aufgeregt seine Nerven waren, ist, dass er von da an keinen Augenblick mehr geschlafen hat. Es kam Lungenentzündung hinzu, und trotz seiner eisernen Natur und seinem gesunden Herzen konnte alle ärztliche Kunst sein Leben nicht erhalten.« ( Jenaische Zeitung, 12.2.1907). Palézieux verstarb am frühen Sonntagmorgen des 10. Februar 1907 und wurde am 16. Februar 1907 beigesetzt. Offiziellen Angaben zufolge war er an Influenza gestorben. Trotzdem hielt sich hartnäckig das Gerücht, Palézieux habe sich vergiftet (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.2.1907; Post/ Werner 2006, S. 132). Karl von Eichel erläuterte Kessler in einem Schreiben vom 14. Februar 1907 den Hergang der Dinge wie folgt: »Nach Empfang Ihres Briefes vom 2 d. Mts thelegraphierte [sic] ich Ihnen: ›Brief erhalten. Auftraggeber Influenza mit sehr hohem Fieber. Muss Entscheidung deshalb einige Tage verschieben.‹ General von Palézieux war vom 3 d. Mts. an bei sehr hohem Fieber bis zu seinem Ende apathisch und theilweise ohne Besinnung, weshalb es mir unmöglich, ihm den Inhalt Ihres Briefes zu übermitteln, und ich gezwungen war, bis zu einer damals noch erhofften Besserung des Generals zu warten. Es sollte anders
502 Edition und Kommentar kommen. Gestern haben wir den Verstorbenen zur letzten Ruhe gebracht. Heute nun theile ich Euer Hochgeboren mit, dass ich bevor mein Brief vom 30 Januar an Sie abgieng, von Weiland dem General von Palézieux selbstverständlich beauftragt worden bin, Euer Hochgeboren im Falle eines Nicht-Eingehens Ihrerseits auf den in meinem Briefe ausgesprochenen Wunsch, auf Pistolen herauszufordern. Zur Klarlegung des ganzen Falles hielt ich diese Mitteilung für geboten und zeichne als Euer Hochgeboren ergebener v. Eichel.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.2.1907).
270 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, London, 12.2.1907 AML 504/148, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
12.II.07. Chère madame, merci de votre émouvante lettre. Je regrette la mort de Palézieux pour des raisons que je ne puis expliquer par écrit; mais certainement il a été extraordinairement heureux de mourir ce jour[-]là justement. Jamais maladie et mort ne sont venues plus à point pour sauver une situation qui depuis quelques jours était désespérée. Il n’y avait plus d’issue que par la mort, et voilà la mort qui arrive; c’est comme dans un mélodrame. L’homme a été trop bas et trop misérable pour provoquer, même au moment de sa disparition, d’autres sentiments que la stupeur et le mépris. Il m’échappe, voilà tout ce que je parviens à ressentir. C’est une solution borgne d’une crise qui promettait mieux. J’espère revenir en Allemagne et à Weimar vers le commencement de Mars, et je me repris de vous retrouver, de retrouver Henry et les quelques amis qui seront mon monde là[-]bas. Je ne verrai et ne veux voir personne hors ce petit cercle qui reste après l’orage. À la Cour et dans le »Monde« je craindrais de m’empoisonner, après ce que j’ai vu de la mentalité de ce Weimar[-]là. Ce sont tous des êtres bas et venimeux, comme il en vient dans les eaux pourries de mares trop petites, et qui ne se différeraient extérieurement que pour le degré de leur poltronerie [sic]. Je préférais les francs bandits des faubourgs comme compagnons. Saluez, je vous prie, Henry et croyez[-]moi, chère madame, votre bien dévoué HKessler. votre émouvante lettre: Der Gegenbrief von Maria van de Velde hat sich nicht erhalten. la mort de Palézieux: Palézieux war am 10. Februar 1907 verstorben (vgl. Anm. Brief 269). Sein plötzlicher Tod sowie die ungeklärten Umstände warfen viele Fragen auf und boten Raum für
Briefe und Kommentare 503 zahlreiche Spekulationen. Kessler, der nichtsahnend war, erreichte die Nachricht vom Ableben seines Widersachers noch am gleichen Tag in London: »Im Hotel Mittags Telegramm: ›Von Palézieux heute Morgen gestorben. Koegler.‹ Heute oder morgen hätte die Forderung kommen müssen, und dann der Kampf bis ans Ende. Ich habe mich betrachtet und gesehen, dass ich Wenig Andres empfinde als Erstaunen, Leere und eine halbe Art von Erleichterung in Schach gehalten durch die Aussicht, als sein Mörder zu gelten, und durch die Unmöglichkeit, jetzt meine Beschuldigungen zu beweisen. Er war kein Feind, der edle Gefühle in Einem auslöst. [...] Jedenfalls hat P. ein erstaunliches Glück gehabt, dass er gerade jetzt, in diesen Tagen gestorben ist; denn es gab für ihn wahrscheinlich kein Entrinnen mehr, sobald er mich gefordert hatte.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.2.1907). Wie nachhaltig Kessler die ›Affäre Palézieux‹ beschäftigte, belegen zahlreiche Tagebuchnotizen der Jahre 1906 bis 1908. revenir: Kessler reiste am 30. März 1907 überstürzt von Wien nach Weimar, weil sein Hund Fip plötzlich erkrankt war. Er blieb jedoch nur vier Tage (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.3.1907; Hugo von Hofmannsthal an Helene von Nostitz-Wallwitz, 2.4.1907, in: Nostitz 1965, S. 33 f.).
271 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 13.2.1907 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, WEIMAR. LASSENSTRASSE 29.
Ce 13 fév[rier]. 07. Bien cher ami, Il m’apparaît pas encore clairement aujourd’hui si la disparition de votre adversaire vous sert ou vous déssert [sic]! Mais j’éprouve une facon [sic] de soulagement, physique et intellectuel, auquel je me laisse volontiers aller, tant que je pense à vous et au développement des choses de Weimar; que je me reproche quand je pense à cette malheureuse femme, à ces enfants chétifs et dégénérés [sic]. Je sais bien que de Palézieux était un être parfaitement insensible aux malheurs d’autrui et que ce serait plutot [sic] dans son sens de ne pas s’apitoyer sur le sort des siens! L’incident est-il clos par sa mort? Dites[-]moi cela? Et donnez[-]moi la réponse que j’espère. Au fond, j’ai beaucoup souffert de vous voir si entierement [sic] consacré à une œuvre de haine. A la longue, cela doit gâter les meilleures qualités et corrompre le meilleur des hommes! Arrachez maintenant de votre cœur l’herbe dangereuse et sarclez avec soin afin qu’une existence plus heureuse et plus recueillie recommence pour vous.
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Cette lutte féroce vous a trop fortement ébranlé et je connais les effets d’une réaction trop subite. Qu’allez[-]vous faire à présent? L’heure ne paraît pas propice encore pour rentrer à Weimar. Vous sentez cela autant que moi! Vous même n’y goûteriez aucun repos d’esprit et je connais votre nature qui se cabrerait contre les plus imperceptibles apparences de blâme ou de contradiction. L’oubli sur de Palézieux et sur son œuvre a commencé depuis tantot [sic] il marchera aussi allégrement que les soldats rentrant à la caserne. La population »respire« à la lettre et dès que le Grand Duc aura nommé ses nouveaux titulaires, se respirera autant que nous tous. Une figure de cauchemar a disparu emporté par le cortège du Mardi gras! On prévoit de Eichel – évidemment à la place d. Maréchal, de Fritsch deviendrait maître d’écuries. Ces pronostics me paraissent vraisemblables. Le nom de de Cranach fut quelques fois prononcé! Ecrivez-moi, vite; dites-moi qu’un Renouveau a commencé pour vous et que vous avez donné congé à l’Hôte que le Diable – ou Palézieux, ce qui s’ésquivant vous avait envoyé et forcé de loger. Votre Henry. Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag trägt die Anschrift »à Monsieur le Comte H. de Kessler Cecil Hotel London.« sowie die Poststempel »Weimar 14.2.07 6-7V« und »London W.C. 7.30 AM FE 15 07 23«. soulagement: Am 17. Februar 1907 schrieb Maria van de Velde zu dieser Thematik an Hugo von Hofmannsthal: »Vous aurez certainement suivi les phases du conflit Kessler – de Palézieux. Vous en aurez certainement éprouvé toute l’actualité et vous vous serez imaginé toute la lourdeur d’atmosphère dans laquelle nous avons vécu dans ces derniers temps. On espérait une issue tous les jours. Mais l’on se demandait laquelle? On prévoyait que s’il y en avait une elle serait violente et quelle pourrait être violente pour les deux adversaires. L’atmosphère devenait de plus en plus lourde et l’on ne voyait rien venir. Et voilà que tout à coup la mort vint tragiquement coucher l’ennemi qui succomba inopinément d’une mort naturelle à la minute même où la situation devenait désespérée. La mort de Palézieux est un soulagement mais l’ennemi s’efface devant Kessler et j’imagine que pour celui-ci le fait doit être pénible. Je vous parle de tout ceci pour vous expliquer mon long silence. Je n’avais aucune envie d’écrire aux amis tant que les événements ici marchaient si lentement vers une solution. L’attente était si pénible. A présent j’espère que les choses vont s’éclairer et que notre position à Weimar se refortifiera et que l’on n’aura plus qu’à songer á du bon travail et un peu soi-même.« (Maria van de Velde an Hugo von Hofmannsthal, 17.2.1907, DLA). femme: Gemeint ist Elisabeth von Palézieux (vgl. Anm. Brief 86). In einem undatierten Brief aus dem Jahr 1907 schreibt sie an Maria van de Velde: »Je voudrais vous demander de regarder notre entretien de hier comme strictement confidentiel. Ce n’était pas du tout mon intention de reparler de toutes ces choses – je voulais simplement et ouvertement vous demander ce
Briefe und Kommentare 505 que je vous ai demandé – J’ai vu que je n’ai pas encore le calme nécéssaire [sic] de reparler de ces autres choses, elles sont liées trop intimement avec la plus terrible épreuve de ma vie et j’ai trop souffert par tout cela, pour pouvoir encore en parler avec calme. Je m’efforce à ne plus y penser et je n’en parler plus jamais, sachant en cela suivre les intentions de mon cher défunt qui est maintenant en paix et à l’abri de toutes les calomnies. Je souhaite que vous n’ayiez jamais à souffrir ce que moi j’ai souffert cet hiver!« (Elisabeth von Palézieux an Maria van de Velde, mardi [1907], AML, FSX 345). enfants: Elisabeth und Charles Aimé von Palézieux hatten sechs Kinder. Das letzte, nach Großherzog Wilhelm Ernst benannte Kind war im November 1906 zur Welt gekommen. Folgende Kinder sind bekannt: Marie Elisabeth (1897–1972), Gertrud (1899–1985), Vido (1900– 1992), Georg (1902–1991), James Dolben (1902–1986) und Wilhelm Ernst (1906–1955). Marie Elisabeth, Gertrud und Georg von Palézieux wurden im Familiengrab ihrer Eltern auf dem Weimarer Hauptfriedhof beigesetzt. respire: Hierzu schrieb Erica von Scheel an Elisabeth Förster-Nietzsche: »Nun, da P[alézieux]. tot ist, scheint wirklich wieder eine heitere Stimmung aufzukommen. Was uns jetzt aufregt, ist die Frage: Wer wird sein Nachfolger?« (Erica von Scheel an Elisabeth Förster-Nietzsche, 17.2.1907, GSA, Bestand NA, 72/1290). Maréchal: Hugo Karl Alexander Freiherr von Fritsch wurde Oberhofmarschall und somit Amtsnachfolger von Palézieux (vgl. Brief 275). de Cranach: Hans Lukas von Cranach (1855–1929), Offizier, Burghauptmann der Wartburg. Hans Lukas von Cranach blieb bis 1929 Burghauptmann der Wartburg in Eisenach. Das Amt hatte er seit 1894 inne (vgl. Domagala 1996).
272 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, London, 4.3.1907 AML, FSX 504/149, Brief, Briefkopf (gedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
4.III o7. Chère madame, j’ai été profondément touché de la lettre, signée par tout de noms que j’honore, que j’ai reçue par votre entremise et dans votre écriture, si sereine, qu’elle ajoute de la dignité aux mots qu’elle me fait connaître. Merci, mille fois, à vous et à tous nos amis, c’est tout ce que je me sens capable de dire aujourdhui [sic]. Croyez[-]moi, chère madame, votre tout respectueux et dévoué HKessler. Veuillez, chère madame, remercier Henry de ses lettres, dans lesquelles perce tant de solicitude [sic]. Je lui répondrai demain ou après[-]demain. lettre: Viele Gegenbriefe von Henry und Maria van de Velde aus den Jahren 1906 und 1907 sind verschollen. Dies betrifft auch die hier erwähnte Adresse.
506 Edition und Kommentar es lettres: Sämtliche Gegenbriefe, auf die Kessler hier Bezug nimmt, haben sich nicht erhalten.
273 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 15.4.1907 AML, FSX 504/151, Brief, Briefkopf (gedruckt): GRAND HÔTEL PARIS
15.IV.07. Cher ami, puis-je vous demander un service? Je voudrais faire un échange ici de mes deux paysages de Cézanne, ceux qui ne sont pas encore définitivement encadrés; mais pour les faire venir, il faudrait les désigner à Paul, qui ferait peut[-]être une confusion. Puis-je vous prier d’avoir la bonté de passer chez moi? Il s’agit de nous assurer pour Weimar le chef[-] d’œuvre de Maur[ice] Denis et le chef[-]d’œuvre de Cross, deux œuvres absolument capitales. Le Denis, ce sont des femmes nues presque grandeur nature dans une forêt printanière, d’un style d’une clarté, d’une joie inexprimable; il est allé encore plus loin ici dans la noblesse et le rhythme [sic] des formes que dans le tableau de Wolff, et à ça il a joint une blancheur, un éclat de lumière, une suavité de coloration comme personne n’en a jamais atteint depuis le Corrège. C’est un tableau qui marque la conquête définitive d’un nouvel idéal classique avec les moyens de l’Impressionnisme. Quant au Cross, c’est aussi étourdissant, aussi loin au delà de ce que Cross a jamais fait, que le Denis est au delà des Denis d’avant celui-ci. C’est un grand nu d’homme au soleil, au bord de la mer, solide comme un bloc de marbre et éclatant comme un midi de Provence, un Delacroix poussé aux dernières limites de la couleur. Ça a la force d’un Van Gogh, la solidité d’un Courbet et l’éclat d’un Signac; c’est tout à fait merveilleux. Mais il m’est impossible de payer ces deux toiles, qui sont fort chères, et je sacrifie donc mes deux Cézanne, qui, tout en étant des œuvres belles en soi, n’occupent pas le même rang dans l’œuvre de Cézanne que ces toiles[-]ci dans l’œuvre de Cross et de Denis. Je crois que vous m’approuverez, quand vous verrez ces tableaux. – Madame VandeVelde vient[-]elle à Paris? Nous l’espérons tous, surtout ma sœur, qui voudrait tant faire sa connaissance. Bien affectueusement HdeKessler mes deux paysages: Vgl. Walter 2001, S. 87. le chef[-]d’œuvre de Maur[ice] Denis: Maurice Denis, Le Printemps dans la forêt, 1907 (Öl auf Leinwand, 129,5 x 196 cm, Städtische Galerie, Frankfurt am Main, Inv. Nr. SG 178).
Briefe und Kommentare 507 Kessler hatte das Gemälde in der Ausstellung Maurice Denis gesehen, die vom 8. April bis zum 20. April 1907 in der Galerie Bernheim Jeune in Paris stattfand (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.4.1907). le chef[-]d’œuvre de Cross: Henri Edmond Cross, Le Lesteur, 1906 (Öl auf Leinwand, 92 x 72 cm, sign. u. dat.: »Henri Edmond Cross 1906«, Musée d’Art et d’Histoire, Genf; vgl. Compin 1964, Nr. 159, S. 259). Kessler erwarb das Gemälde sieben Tage nach Abfassen dieses Briefes am 22. April 1907 für 3.500 Francs in Paris (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 22.4.1907). Das Bild hing im Arbeitszimmer seiner Weimarer Wohnung (vgl. Walter 2001, S. 88). le tableau de Wolff: Maurice Denis, La Treille, Grande baigneuse ou Suzanne au bain, 1905 (Öl auf Leinwand, 245 x 198 cm, Privatbesitz).
274 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 21.4.1907 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): Firmensignet, WEIMAR. LASSENSTRASSE 29.
Ce 21 avril 07. Bien cher ami, Je viens de rentrer de Copenhague où j’ai remporté un bien grand succès. Froid glacial, là[-]haut, rentré fort enrhumé! Me suis rendu aussitot [sic] chez vous et ai désigné à Paul les deux Cézannes. Mais à quelle adresse faut-il les envoyer? Je suis fort curieux de voir le nouveau Denis et Cross. Le voyage de Maria est redevenu problématique, à cause d’un nouveau cas de maladie dans notre personnel. Affectueusement votre [sic] Henry. Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag trägt die Anschrift »à Monsieur le Comte H. de Kessler Paris. Grand Hotel. Boulevard des Capucines.« sowie den Poststempel »Weimar 21.4.07 6–7V«. Copenhague: Von Frühjahr 1906 bis Ende 1907 tourte van de Velde mit einer aufwendig organisierten Wanderausstellung durch Europa. Die Stationen waren Stuttgart, Zürich, Bremen, Kopenhagen, Stockholm, Kristiania (Oslo), Bergen und Trondheim. Am 14. April 1907 reiste van de Velde nach Kopenhagen, um den dortigen Beitrag zur Ausstellung in Augenschein zu nehmen und auf Einladung des Kopenhagener Kunstgewerbemuseums (Det Danske Kunstindustrimuseum) einen Vortrag zu halten. Am 19. April 1907 reiste er wieder zurück (vgl. Ausst. Kat. Kopenhagen 1907; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 14./18.4.1907, AML, FSX 784).
508 Edition und Kommentar grand succès: An seine Frau schrieb van de Velde hierzu am 14. April 1907 aus Kopenhagen: »J’ai visité tantôt avec le Dir. Hannover du Musée mon exposition. Elle est proprement présenté. […] Il est vrai que chaque objet qu’elle présente et elle n’en présente pas mal est d’une forme inédite et manifeste d’un monde nouveau. M. le Dir. Hannover a fait précédé ce catalogue d’une vrai étude, et tous ces journaux consacrent d’importants articles. C’est une curieuse sensation de voir tant de papier autour de moi et n’entendre rien à ce qui se trouve sous la seule chose qu’ils me donnent à reconnaître c. à. d. mon nom.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 14.4.1907, AML, FSX 784). les deux Cézannes: Vgl. Brief 273. Cross: Vgl. Brief 273. voyage de Maria: Maria hatte ursprünglich geplant, nach Paris zu reisen und in diesem Zusammenhang Bekanntschaft mit Kesslers Schwester und Mutter zu machen (vgl. Brief 273).
275 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Schwarzburg, 30.8.1907 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag
Schwarzburg, ce 30 aout [sic] 07. Bien cher ami, Ce matin, tandis que je décidais de ne pas manquer de vous écrire aujourd’hui, je me disais que j’emportais cette lettre à Weimar, en rentrant et m’informerais là de votre présente adresse et voilà que Maria m’écrit que vous êtes toujours à Paris! Elle m’écrit ceci sur une lettre de Muthesius qui m’écrit et qui entre autres choses me questionne sur votre séjour momentanné [sic]! Cette lettre ira donc tout droit à Paris, où j’espére [sic] elle vous touchera dans quelques jours, j’aurai accompli ici un séjour de quelques cinq semaines et je rentrerai à Weimar lundi prochain avec en portefeuille tous les dessins p[our]. le Zarathustra – ce qui ne semblait jusqu’à présent – ne devoir rester qu’un mythe deviendra très bientot [sic] une réalité. J’ai attendu, bien cher ami, de vous annoncer cela – à vous qui plus qu’aucun autre – avez droit d’être tenu au courant, que vraiment les préparatifs fussent assez avancés pour que je puisse fixer un terme à l’apparition du livre, que d’autre part ils fussent assez définitifs p[our]. ne pas devoir encore vous annoncer que ce terme se recule à nouveau à la vérité, tout ce que j’ai fait à ce sujet avant ces »vacances« n’aura servi qu’à »m’entraîner«. Tout – format, disposition, ornements – aura été décidé pendant ce séjour de Schwarzburg et la somptueuse ampleur du décor qui m’entoure n’aura pas été sans effet, j’espère sur la qualité et sur le rythme de cet ensemble d’ornementations. Que cette édition fut qualifiée par Kippenberg de »monumentale« vous l’aurez appris par les prospectus de
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la »Insel«. Cela impliquait forcément un grand format et l’emploi d’un nouveau papier. Deux grosses difficultés et qui m’ont arrêté longtemps, longtemps; Une disposition du texte sur deux colonnes – instar – Bible – me tentait, mais elle ne m’a jamais donné un résultat satisfaisant et toutes les recherches en vue d’un beau papier, nous n’avons rien pu trouver qui fut aussi bien que celui que vous avez fait faire dans le but de cette édition de luxe et enfin – après avoir en vain cherché – je suis arrivé à ce résultat de pouvoir employer le papier et de fixer pourtant un grand format, que je crois heureux! Aussitot [sic] que j’aurai fait tirer quelques pages de la »Vorrede« et des chapitres, je vous soumettrai quelques feuillets. Reste à savoir maintenant si Drugulin va marcher rondement et si nous pourrons paraître à la Noël! Bien cher ami, il y a si longtemps que nous nous sommes vus, que nous avons échangé des lettres; il y a un tel amas de travaux entre notre dernière rencontre et aujourd’hui que je ne sais ce que vous savez au sujet de W[eimar]. et de nous, ce que vous ne savez pas! Au sujet des choses qui se passent à W[eimar]. de ce qui se passe autour de nous, Maria devrait vous renseigner ou quelque vieille dame de celles qui ont le secret d’écrire des lettres qui relatent les »choses qui se passent«! Pour moi, elles passent et puis je les oublie... Quelques faits: de Fritsch – maréchal de cour. Mon Institut subventionné par le Gr[an]d. Duc. Et – selon les dires de Koetschau, il semblerait que les esquisses que j’ai faites p[our]. l’aménagement (le bouleversement [sic]) intérieur du Musée de peintures, auraient grandes chances d’être exécutées. Le travail serait fort ingrat mais conséquent. Autour de moi – dans ma vie de famille: ma sœur, Madame Biart, morte subitement voilà trois mois. Mes enfants: Nele et Lene, en pension dans la Freie - Schulgemeinde de Wickersdorf. Non loin d’içi [sic], d’où je les ai pu visiter quelques fois, dans un splendide décor de montagnes et de forêts. Maison de »coeducation« [sic] les petites y sont fort heureuses. Sur le terrain que je vous ai montré Belvedère allée, s’élève à présent notre villa. La construction a commencé pendant mon séjour ici et je n’ai qu’une vague idée à quel point, elle est avancée. Bien cher ami, aux travaux en cours d’exécution, j’en entrevois quelques nouveaux et j’entrevois de lourdes charges aussi. Il ne faut pas songer à chercher à travailler un peu moins, mais au contraire infiniment plus! Or, dans ces derniers mois, j’ai beaucoup souffert de douleurs au cœur. Sensation constante: comme un glaive de bois, figé dans l’organe – avis du médecin: névrose cardiaque et besoin d’être couché le plus possible. Mais cela ne se concilie donc pas avec mes travaux, avec l’activité que je dois déployer! Mon séjour ici m’a fait du bien et sans pouvoir me coucher longtemps
510 Edition und Kommentar
au moins ai-je pu me ménager et bouger le moins possible. Maria a repris des forces et retrouve son équilibre et son harmonie depuis que les deux aînées ne la »martyrisent« plus. Elle est heureuse de les savoir à Wickersdorf! Nos trois autres enfants se développent heureusement! Et vous, bien cher ami? Avez-vous secoué toute l’amertume que »l’aventure« de Weimar avait jetée sur vous? Vous sentez-vous tout à fait libéré et dispos? Travaillez-vous? et à quoi? Donnez-moi de vos nouvelles et un mot au sujet de vos projets? Nous retrouverons-nous quelque part, bientot [sic]? Me donnerez-vous des nouvelles au sujet de Madame la C[om]tesse votre Mère et des vôtres? Tant affectueusement Votre Henry v. d. V. Brief: Aus Trauer um seine Schwester Jeanne (siehe S. 511), die im Mai 1907 verstorben war, benutzte van de Velde bis September 1907 Briefe mit Trauerrand. Briefumschlag: Van de Velde adressierte den Brief von Schwarzburg aus an »Monsieur le Comte H. de Kessler Grand Hotel Paris«. Da Kessler abwesend war, wurde der Brief zum Château Ste. Honorine weitergeleitet. Dort kam er am 2. September 1907 an. Dr. Adam Gottlieb Hermann Muthesius (1861–1927), Architekt, Architekturschriftsteller, Mitbegründer des Deutschen Werkbunds. Hermann Muthesius hatte van de Velde gebeten, an der Gründung des Deutschen Werkbundes am 5. und 6. Oktober 1907 in München teilzunehmen. Van de Velde lehnte zunächst ab, nahm schließlich aber doch teil (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 10.9.1907, AML, FSX, 784). Zarathustra: Betrifft die Arbeiten an der Luxusausgabe von Friedrich Nietzsches ›Also sprach Zarathustra‹ (vgl. Anm. Brief 13). Prof. Dr. Anton Kippenberg (Pseudonym: Benno Papentrigk, 1874–1950), Verleger, Literaturhistoriker, Leiter des Insel-Verlags, Mitglied des Komitees zur Errichtung des NietzscheDenkmals. Kippenberg verlegte im Insel-Verlag u. a. die von van de Velde gestalteten Luxusausgaben ›Also sprach Zarathustra‹, ›Ecce homo‹ und ›Dionysos Dithyramben‹ sowie zahlreiche Drucke der Cranach-Presse. monumentale: Im Verlagsprospekt des Insel-Verlages von 1908 hieß es hierzu: »Wir freuen uns, die Monumental-Ausgabe des berühmtesten Werkes Friedrich Nietzsches, deren Erscheinen seit langem lebhaft erwartet wird, nun endlich als vollendet anzeigen zu können. Die schwierige Drucklegung hat die Fertigstellung länger, als uns lieb war, verzögert.« (Brinks 2007, S. 143). Noël: Die Luxusausgabe erschien erst im Mai 1908. Mon Institut: Am 22. August 1907 schrieb van de Velde hierzu an seine Frau: »J’apprend à l’instant par v[on]. Goekel [sic] que le grand Duc consent à contribuer tous les ans p[our].
Briefe und Kommentare 511 la somme de Mks 5000 au budget de mon Institut. Voilà encore un pas de fait; un résultat atteint!« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 22.8.1907, AML, FSX 784). Dr. Karl Theodor Koetschau (1868–1949), Kunsthistoriker, Museumsdirektor. Karl Koetschau war Amtsnachfolger von Carl Ruland und Harry Graf Kessler. Als Generaldirektor leitete Koetschau von 1907 bis 1909 das Großherzogliche Museum, das Museum für Kunst und Kunstgewerbe sowie das Goethe-Nationalmuseum. 1908 übertrug er van de Velde die Gestaltung der eigenen, noch heute existenten Familien-Grabstätte auf dem Weimarer Hauptfriedhof Abt. 1/4, Nr. 34. Koetschau gehörte von 1914 bis 1937 dem Vorstand der Stiftung Nietzsche-Archiv an. Musée de peintures: Van de Velde bezieht sich hier auf das Großherzogliche Museum in Weimar. Im März 1907 war er von Karl Koetschau mit den Entwürfen zur partiellen Umgestaltung des Museums beauftragt worden. Die Umgestaltung umfasste das Treppenhaus, einige Ausstellungsräume, das Direktorenzimmer sowie Arbeits- und Vorlegeräume der Kupferstichsammlung. Van de Velde legte ab Oktober 1907 verschiedene Entwürfe vor, von denen sich 19 Entwurfs- und Schauzeichnungen aus dem Jahr 1908 im Bestand der Klassik Stiftung Weimar erhalten haben. Wie viele Weimarer Projekte, die in der Hand des Großherzogs lagen, gelangte auch dieses Projekt über das Entwurfsstadium nicht hinaus. Am 10. Juni 1908 wurde es ad acta gelegt (vgl. Akten, GHM 25b, GSA; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 310; vgl. Brief 281). Madame Biart: Jeanne Fréderica Biart (geb. van de Velde, 1859–1907). Van de Veldes Lieblingsschwester Jeanne war am 2. Mai 1907 unerwartet an einer Embolie verstorben. »Jeanne se sentait mal, oppressée depuis un jour ou deux; sortait et se remettait au lit. Mais rien ne faisait prévoir cette fin subite. ›Embolie‹ c. a. d. caillot ou membrane du cœur détaché et bouchant ensuite l’artère… Mais Jeanne ne s’aperçut de rien et passa de la vie à la mort comme de l’éveil au sommeil.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, jeudi matin, mai 1907, AML, FSX 784). Jeanne Biart hinterließ ihren Ehemann Léon Biart und ihre beiden Kinder Edgar und Léona. Freie - Schulgemeinde de Wickersdorf: Maria und Henry van de Velde sahen sich 1907 gezwungen, ihre ältesten Töchter Nele und Lene auf die 1906 gegründete Freie Schulgemeinde Wickersdorf in der Nähe von Saalfeld zu schicken. Van de Veldes Worten zufolge hatte die antiautoritäre Erziehungsmethode der Mutter »vollkommen Schiffbruch« erlitten (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.12.1906; vgl. Neumann 2006). notre villa: Van de Velde bezieht sich hier auf das im Bau befindliche eigene Haus Hohe Pappeln an der Belvederer Allee 58 in Ehringsdorf bei Weimar, das er im Frühsommer 1907 entworfen hatte. Nach Genehmigung der Baueingabepläne am 27. Juli 1907 wurde Anfang August 1907 mit dem Hausbau begonnen. Im März 1908 konnte die Familie bereits einziehen. Das Haus galt als Refugium und formvollendetes Gesamtkunstwerk. Abgesehen von kleinen Unterbrechungen während des Ersten Weltkrieges wohnte Henry van de Velde mit seiner Familie bis 1917 in dem Haus, das heute im Untergeschoss öffentlich zugänglich ist (vgl. Neumann 2000). douleurs au cœur: Van de Velde litt in regelmäßigen Abständen an Herzbeschwerden. 1914 befielen ihn dieselben Symptome, wie hier beschrieben. Der Arzt Prof. Otto Ludwig Binswanger konstatierte daraufhin in der Krankenakte: »War vor ca. 5 Jahren schon einmal hier zur Untersuchung. War damals stark abgemagert (49 kg) u. klagte über heftige Schmerzen in der Herzgegend. Jetzige Beschwerden: 1) bohrender Schmerz in der Herzgegend, wie wenn man einen Stock hineinbohrt; anfallsweise dabei starke Beklemmung u. Schmerz.« (Otto Ludwig
512 Edition und Kommentar Binswanger, Krankenakte Henry van de Velde, 2.9.1914, S. 137, Universitätsarchiv Jena Bestand S/III Abt. IX Privatpatienten 1914–16).
276 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Château Sainte Honorine, 3.9.1907 AML, FSX 504/152, Brief
Chateau [sic] de Ste. Honorine par Ranville Calvados ce 3.IX.07. mardi. Cher ami, votre lettre m’a laissé surtout une impression d’inquiétude. Cette névrose cardiaque et le surmenage, auquel vous paraissez en proie, m’effraient réellement. Rien ne vaut le sacrifice de la santé; je vous prie de ne pas l’oublier. Je ne me tranquilliserai que quand je vous aurai vu, et vu dans des conditions de travail à peu près satisfaisantes. J’ai beaucoup regretté aussi d’apprendre la triste nouvelle de la mort de madame votre sœur. Par contre, je me repris de penser que vous et madame Vandevelde aurez dorénavant un intérieur un peu moins turbulent et, qu’en même temps, Nele et Puppi [sic] sont en de bonnes mains. Nous en profiterons, du reste, tous, par la joie de vous voir, vous et madame Vandevelde, plus tranquilles. Quant à moi, puisque vous me demandez de mes nouvelles, cher ami, j’ai complètement »assimilé«, je crois, l’affaire de Weimar; elle est devenue une partie de moi[-]même et ne me gêne plus, ou presque plus; je suis un peu changé, intérieurement, voilà tout, ça a été la fin de ma jeunesse. J’ai passé trois mois à travailler (un livre sur le Nationalisme, qui paraîtra l’année prochaine) et à beaucoup voir Maillol, qui est non seulement un admirable artiste, mais aussi un homme très remarquable, avec juste assez d’éloignement de moi dans les mœurs et les idées générales pour qu’il me reste toujours »objectif«. J’ai beaucoup appris, en le fréquentant, non seulement sur l’art, mais sur l’homme en général. Je suis ici, maintenant, avec ma mère et ma sœur; ma mère se portant toujours à peu près la même chose. Je resterai à Ste Honorine jusqu’à la fin du mois, puis j’irai passer huit jours à Paris et huit jours à Londres, et, dans le courant d’octobre, je rentrerai en Allemagne. L’automne, je compte le passer une grande partie à Weimar. D’après ce que m’écrit Payern, Palézieux commence à être apprécié à sa juste valeur à la cour; mais je ne désire plus qu’une chose, que toute cette valetaille me laisse tranquille. Ce que vous m’écrivez sur le Zarathustra me remplit d’impatience. En attendant, mes respects dévoués à madame Vandevelde et à madame Förster, si vous la voyez. Bien affectueusement HKessler.
Briefe und Kommentare 513 votre lettre: Bezieht sich auf Brief 276. Puppi: Gemeint ist van de Veldes zweitälteste Tochter Helen, die meist nur Puppie genannt wurde (vgl. Briefe 28, 398). livre: Kessler hatte 1906 den Artikel ›Nationalität‹ in Maximilian Hardens Zeitschrift ›Die Zukunft‹ veröffentlicht (Kessler 1906, Die Zukunft, S. 17–27). Daran anknüpfend arbeitete er 1907 an einem Buchprojekt zum gleichen Thema, das er jedoch nicht fertigstellte (vgl. Föhl 2003, S. 173, Anm. 16). voir Maillol: Kesslers Tagebucheintragungen von 1907 sind angefüllt mit einer Vielzahl von Berichten über Zusammenkünfte mit Aristide Maillol. Kessler verfolgte u. a. minutiös die Werkgenese seiner Statue ›Le Coureur cycliste‹ bzw. ›Narziss‹, die er am 24. Juni 1907 bei Maillol in Auftrag gegeben hatte (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.6.1907). ici Ste Honorine: Das ›Petit Château de Sainte Honorine‹, unweit von Hérouvillette (Calvados) gelegen und im Zweiten Weltkrieg zerstört, war der Landsitz von Kesslers Mutter Alice. Kessler schrieb hierzu in seinen Memoiren: »Sie [Alice Gräfin Kessler, Anm. d. Verf.] lebte im Winter in Paris, im Sommer dicht am Meer in dem von ihr gepachteten, weitläufigen Landsitz SainteHonorine bei Caen in der Normandie, einem großen halbverwilderten, rund um einen anderthalb Kilometer langen Wiesenstreifen kranzartig angelegten Park mit dichtem Unterholz und Baumriesen, in deren Schatten das Schloß, ein einstöckiger Bau aus dem achtzehnten Jahrhundert mit einer langen Fensterfront, wie der Schauplatz eines Balzacschen Romans lag.« (Kessler 1962, S. 99). une grande partie à Weimar: Entgegen seinen Ankündigungen verbrachte Kessler vom 2. bis 9. Dezember 1907 nur einige wenige Tage in Weimar (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.–9.12.1907).
277 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Pretzfeld, 26.9.1907 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief
Schloß Pretzfeld, Pretzfeld. Jeudi Sept[embre] 07 Bien cher ami, J’ai recu [sic] hier soir ici – où je suis depuis 3 ou 4 jours, dans l’intention de ramener Maria et Anne qui y ont passé des vacances – une dépêche me donnant une si dénaturée adresse que je ne peux qu’envoyer cette lettre chez la Ctesse Madame votre Mère. Ceci p[our]. vous expliquer le retard. Quand vous me demandiez une adresse de Pension je me suis enquis à Jena et à Weimar. À Weimar, on m’a fort recommandé le Prof. Francke – que vous connaissez. Il prend des pensionnaires. À Jena, on m’a fort recommandé quelqu’un mais ni moi ni Maria ne nous souvenons. J’ai le nom et l’adresse à Weimar. Je vous la ferai parvenir. Mais à l’instant où vous m’avez demandé de m’informer j’ai pensé à
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l’Institut de Wickersdorf, où sont Nele et Lene. Dans cet institut, votre jeune anglais se sentirait – je crois – vite chez lui. Il y trouverait des compagnons de son âge, des allemands et des étrangers! L’automne y est à présent merveilleux et quand viendront la neige tous les enfants de l’Institut sont entraînés aux sport d’hiver! Ecrivez ou telegraphiez [sic] où je peux vous donner les explications et renseignements complémentaires qui peuvent vous être utiles! J’ajoute, bien cher ami, une lettre de Scheffler. Pouvez-vous parler à Denis, au sujet de ce qu’attend de lui Scheffler? M’écrivez-vous un mot à ce sujet et me renseignerez-vous un peu sur le Salon d’automne? Nous serons rentrés Dimanche soir à Weimar. Bien affectueusement Henry. Jeudi: Es handelt sich um Donnerstag, den 26. September 1907. Henry van de Velde war am 21. September 1907 in Pretzfeld angereist, wo Maria und Anne van de Velde Urlaub machten. Er blieb bis zum 1. Oktober 1907 dort. Prof. Dr. Otto Francke, Gymnasialoberlehrer, zeitweiliger Vorsitzender der Weimarer Shakespeare-Gesellschaft. Gemeint ist hier der in der Wörthstraße 6 lebende Gymnasialoberlehrer Prof. Dr. Otto Francke, Verfasser der 1916 erschienenen ›Geschichte des Wilhelm-Ernst-Gymnasiums in Weimar‹ (Francke, Otto: Geschichte des Wilhelm-Ernst-Gymnasiums in Weimar, Weimar 1916). lettre de Scheffler: Schefflers Brief hat sich nicht erhalten. le Salon d’automne: Kesslers Kommentar zum Pariser ›Salon d’automne‹ von 1907, den er am 21. und 22. Oktober 1907 besichtigte, lautete: »Öder Gesamteindruck.« (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.10.1907).
278 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Berlin], [Poststempel: 11.11.1907] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Telegramm
etes [sic] vous berlin comptez vous m’accompagner jeudi wiesbaden = henry.+ Telegramm: Das Telegramm ist an »comte Kessler hotel vierjahreszeiten muenchen« adressiert und wurde von van de Velde in Berlin aufgegeben. Es trägt die Beschriftung »Berlin 9 Nr. 16/15 W. den 11/XI 1907 7Uhr 06 Min« und »6598 Telegramm 11. Nov.1907« sowie rückseitig den Poststempel »München 57«. jeudi wiesbaden: Kessler war am 11. November 1907 in München angekommen. Er blieb dort bis zum 13. November 1907, um dann direkt nach Wiesbaden zu Curt von Mutzenbecher
Briefe und Kommentare 515 weiterzufahren. Am 14. November 1907 traf er dort auf van de Velde, der wiederum aus Berlin angereist war. Beide hatten sich über ein halbes Jahr nicht gesehen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.–14.11.1907; Henry van de Velde an Maria van de Velde, Jeudi; Samedi [Berlin], AML, FSX 784).
279 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 10.1.1908 AML, FSX 504/153, Brief, Briefkopf (gedruckt): GRAND HÔTEL PARIS 12, Boulevard des Capucines
Paris, le [gedruckt] 10.I.1908 Cher ami, je suis désolé de ce que vous m’écrivez sur votre genou. J’espère que ce n’est vraiment qu’un accident sans gravité. Mais le genou m’effraie toujours. Bien merci de votre bonne pensée de nouvelle année. Le temps qui passe ne fait qu’affermir et approfondir notre amitié, j’en ai bien le sentiment comme vous, cher ami. Je serai très heureux de participer au festival Meunier; j’écris à Verhaeren dans ce sens. Je ne l’admire plus sans réserves; mais c’était un homme si bon et si supérieur comme homme, que je crois qu’on doit passer outre aux sentiments de réserve artistique, dans ce cas. – Maintenant, encore une prière cher ami; je suis confus de vous importuner encore une fois pour un échange de tableaux, mais je ne sais comment m’en tirer. J’ai échangé le grand nu de Bonnard nouveau contre un autre nu du même qui me paraît très supérieur, ou plutôt qui m’emballe, ce que celui-ci ne faisait pas. Je dois donc réexpédier ce nu aux Bernheim, 15 rue de Richepanse, et j’en charge Payern. Mais craignant qu’il ne fasse une erreur, permettriez-vous, qu’il vous fasse montrer cette toile à votre atelier, avant de l’emballer? Je vous en serais infiniment reconnaissant. Les deux expositions Van Gogh (chez Bernheim et chez Druet) sont fort belles. J’ai prêté mon paysage à Druet, qui prétend avoir un acheteur à 35,000. Mais je lui ai dit, que je ne vendais pas. J’ai été très heureux de constater, que c’était un des quatre ou cinq plus beaux Van Gogh des deux expositions. Le portrait de chez Fayet est côté 60000. Nous allons assister pour Van Gogh à la même ascension commerciale que pour Manet, il y a quinze ans. – J’espère que vous avez pu jouir de la présence des petites pensionnaires, malgré votre accident, et que Mme Vandevelde a pu passer ces journées sans trop d’inquiétude sur votre compte. – Je serai à Berlin vers la fin du mois. – Lisez donc dans la Neue Rundschau le voyage en Grèce de G[erhart]. Hauptmann. C’est tout à fait exquis de style: on dirait du Corot écrit, d’une grâce, d’une légèreté, d’une poésie sans emphase, presque uniques dans la littérature allemande, et combien supérieur par le doigté, le manque de »procédé« à tous les Loti. C’est
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un pur petit chef d’œuvre de style. Mais je bavarde à perte de vue, donc adieu, cher ami, et à bientôt votre bien dévoué HdeKessler. écrivez: Van de Veldes Gegenbrief hat sich nicht erhalten. Dr. Émile Adolphe Gustave Verhaeren (1855–1916), belgischer Schriftsteller, Kunstkritiker, Jurist, Mitglied im Komitee zur Errichtung des Nietzsche-Denkmals. Émile Verhaeren, belgischer Schriftsteller flämischer Herkunft, gehörte wie Théo van Rysselberghe zum engen Freundeskreis van de Veldes. Beide kannten sich seit Ende der 1880er Jahre. Van de Velde übernahm späterhin die Buchgestaltung zu Verhaerens Insel-Ausgaben ›Les Heures du Soir‹ (1911) und ›Les Villages illusoires‹ (1913), (vgl. Brinks 2007, S. 419, 424). le grand nu: Kessler erwarb zwischen 1905 und den 1920er Jahren nachweislich mehrere Aktstudien von Pierre Bonnard und nahm, wie aus dem vorliegenden Brief hervorgeht, gelegentlich auch Austausche vor. In Bezug auf den neu erworbenen Akt findet sich im Tagebuch lediglich der Hinweis, dass es sich bei der dargestellten Person um Bonnards »kleine Freundin«, eine gebürtige Genueserin, handle (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 13.2.1908). Nach Dauberville besaß Kessler vier Aktstudien in Öl: ›Nu à la chemise‹ (›Nu à la chaise‹), um 1905 (Erwerb nach 1921); ›La glace de la chambre verte‹ (›Nu dans la glace‹), 1909 (Erwerb 1909); ›Dans le cabinet de toilette‹, 1907 (Erwerb 1911) und ›Badende‹ (Erwerb und Datierung nicht bekannt), (vgl. Dauberville 1992, Bd. 1, Nr. 369, S. 321; Dauberville 1968, Nr. 474, S. 94, Nr. 529, S. 141). Joseph (gen. Josse) Bernheim (1870–1941), französischer Verleger, Inhaber der Pariser Galerie Bernheim-Jeune. mon paysage: Vgl. Brief 131. portrait: Vermutlich handelt sich hier um eine Version des Selbstporträts ›Oreille Coupée‹ von Vincent van Gogh (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 18.1.1908). Gustave Fayet (1865–1925), französischer Maler, Kunstsammler, Mäzen. Édouard Manet (1832–1883), französischer Maler. le voyage en Grèce: Bezieht sich auf die Folge ›Aus einer griechischen Reise‹ von Gerhart Hauptmann. Der erste Teil erschien 1908 im ersten Band der ›Neuen deutschen Rundschau‹ (Hauptmann, Gerhart: Aus einer griechischen Reise, in: Die neue deutsche Rundschau, 19. Jg., 1. Band, Berlin 1908, S. 6–30.). Noch im selben Jahr veröffentlichte Hauptmann das Buch ›Griechischer Frühling‹. Jean-Baptiste Camille Corot (1796–1875), französischer Maler, Graphiker. Pierre Loti (eigentlich Julien Vaud, 1850–1923), französischer Schriftsteller, Marineoffizier, Weltreisender, seit 1892 Mitglied der Académie française.
Briefe und Kommentare 517
280 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 20.3.1908 AML, FSX 504/150, Brief
Berlin 20.III 08 Cher ami, ma sœur désire 18 couteaux à fruit (non pas seulement une douzaine), et en plus: 6 fourchettes à poisson et 6 couteaux à poisson, pareils à ceux qu’elle a déjà de vous. Elle s’inquiète aussi de ne pas recevoir de note de Scheidemantel pour les encadrements. Excusez[-]moi, cher ami, de vous ennuyer de tous ces détails, mais en passant par vous, je suis sûr que ma sœur aura bien ce qu’elle veut. J’espère que Mme Vandevelde est complètement remise de son rhume. Je finis ma préface pour Bruckmann, un travail de tous les diables, à cause de la concentration nécessaire; je n’ai que trop peu de pages à ma disposition et toute l’histoire de la peinture française au 19ème siècle à y faire entrer. Dès que j’aurai terminé ce travail, qui m’amuse du reste, je viendrai à Weimar. C’est curieux, comme les lignes qui ressortent pour moi dans cette Entwicklung de peinture fr[ançaise]. sont différentes de celles qu’a vues Meier Graefe; je m’en étonne moi[-] même. Et cependant, je »n’invente« rien, je m’en tiens strictement aux faits. C’est une première esquisse de mon grand livre. Bien des choses à tous nos amis et mes respects à Mme Vandevelde. Cordialement HKessler. 18 couteaux à fruit: Es handelt sich um die 1905/06 weiterentwickelte Variante des Obstmessers von 1903 aus der Modellserie I (Föhl/ Neumann 2009, S. 329, Nr. I.3.1.53). Laut einer Rechnung von Theodor Müller hatte Kessler bereits im Juli 1903 zwölf Obstmesser der frühen Variante zum Preis von 120 Mark für sich oder seine Schwester Wilma erworben (Fa. Theodor Müller an Harry Graf Kessler, 30.7.1903, DLA). Wilma de Brion besaß verschiedenes Tafelgerät nach Entwürfen von van de Velde (vgl. Briefe 138, 159, 244). 6 fourchettes à poisson et 6 couteaux à poisson: Kessler hatte bereits im Juli 1903 zwölf Fischgabeln und Fischmesser für sich oder seine Schwester zum Gesamtpreis von 280 Mark erworben (Fa. Theodor Müller an Harry Graf Kessler, 30.7.1903, DLA). Hier handelt es sich um die 1905/06 weiterentwickelte Variante des Fischessbestecks von 1903 aus der Modellserie I, von der sich mehrere Exemplare mit dem Allianzwappen Kessler-Brion erhalten haben (Föhl/ Neumann 2009, S. 306 f., 309 f., Nrn. I.3.1.28, I.3.1.30). préface: Bezieht sich auf die Vorrede zu ›Impressionisten. Die Begründer der modernen Malerei in ihren Hauptwerken‹ von 1908 (vgl. Brief 197). à Weimar: Kessler hatte sich vom 10. März bis 12. März 1908 in Weimar aufgehalten und kam erst am 12. Dezember 1908 wieder zu Besuch. »Abends von Berlin nach Weimar, wo nach
518 Edition und Kommentar dreiviertel Jahren zum ersten Mal wieder. Mein armer guter Fip fehlte beim Empfang.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 12.12.1908).
281 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar/ Ehringsdorf, 3.4.1908 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag
Ce 3 avril 08. Ehringsdorf Bien cher ami, Nous sommes bien sous notre nouveau toit depuis huit jours, mais je ne peux pourtant pas dire que nous »vivons« dans notre nouvelle demeure. Car cela n’est vraiment pas une vie que d’herberger [sic] parmi 20 à 25 ouvriers de tous métiers qui ont le don d’exaspérer parceque l’un détruit méthodiquement ce que l’autre a achevé et que tous commencent par mal faire deux ou plusieurs fois ce qui sera abîmé dès qu’enfin cela aura été parfait! Il faut donc rager avec patience ou avoir la patience d’enrager. Dans quelques quinze jours – et pas avant – nous serons chez nous. Je suis tant curieux de votre résumé p[our]. la publication Bruckmann. Depuis que je me retrouve à la campagne, en face des étendues et des arbres je repense beaucoup à la Peinture et sens fort en peintre. J’espère, bien cher ami, que Müller aura expédié en temps l’argenterie commandée par Madame la Duchesse votre Sœur. Je lui aurai rappelé assez souvent sa promesse ... Je n’ai pas écrit à M[onsieur]. Frantz Jourdain au sujet d’un plan plus complet du Pavillon – destiné à la Bibliothèque (Exp[osition]. allemande Salon d’automne). Je ne pouvais que lui donner des renseignements trop vagues au sujet de ce pavillon. En réalité; il me faudrait des plans très précis, plans et élévations! Ne pourriez vous pas voir M[onsieur]. Jourdain et obtenir de lui de quoi me permettre de commencer des esquisses et de préparer des devis? L’Exposition »tient-elle«? et puis-je compter sur ce travail? Je me réjouirais énormément de pouvoir opposer une création simple et digne aux appréciations de Mirbeau! De plus – j’aimerais pouvoir me recueillir sur ce travail et ne pas devoir – cette fois – travailler en hâte! J’ai des nouvelles plutot [sic] mauvaises au sujet des travaux pour le Musée de Weimar. La manœuvre suivante a pris corps. On s’accorde à trouver mes esquisses fort belles, trop belles pour être réalisées dans un tant caduque [sic] monument. Si l’on parvient par cette manœuvre à rendre l’exécution de mes projets
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impossibles [sic], cela n’est vraiment pas trop cher de les trouver excellents! On me flatte et on m’assasine [sic], en même temps! C’est un progrès, jusqu’à présent on m’assommait tout simplement avec des injures – à présent, on m’écrase dans du sucre. Le grand Duc semble se ranger du côté de ceux qui manœuvrent si adroitement. Il le fait sans malice et sans intelligence. Cela l’indiffère totalement de voir qu’on me tire une fois de plus l’échelle sous les pieds! ... En attendant, mon Institut est reconnu officiellement depuis le 1er avril et ma nomination de Directeur est signée! Aurez-vous le temps, bien cher ami, de vous occuper des plans [du] pavillon du Petit Palais avant votre départ p[our]. la Grèce? Mes vœux vous accompagnent et en pensées je vous suivrai Bien affectueusement Votre Henry Ehringsdorf: Das an der Belvederer Allee 58 gelegene Haus ›Hohe Pappeln‹ gehörte zur Gemeinde Ehringsdorf. Aus dem dortigen Steinbruch stammte auch der Travertin für die Fassade des Hauses. Ehringsdorf wurde 1922 Ortsteil der Stadt Weimar (vgl. Neumann 2000, S. 7 f., 13, 32, 47, 54–58). Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag trägt die Anschrift »à Monsieur le Comte H. de Kessler chez Madame la Comtesse de Kessler Boulevard Montmorency 19 Paris« sowie die Poststempel »Weimar 4.4.08 7-8N« und »Paris XVI 5–4 08 Distribution«. nouveau toit: Mitte März 1908 war van de Velde mit seiner Familie in das neu erbaute Haus ›Hohe Pappeln‹ gezogen (vgl. Briefe 248, 258, 275; Erica von Scheel an Elisabeth FörsterNietzsche, 17.2.1908, GSA, Bestand NA, 72/1290). Müller: Hofjuwelier Theodor Müller mit den Inhabern Hans und Wilhelm Müller (vgl. Anm. Briefe 138, 280). Frantz Jourdain (1847–1935), französischer Architekt, Kunstkritiker, Gründer und Präsident des Pariser ›Salon d’Automne‹. Pavillon: Das Projekt zur Umgestaltung eines Pavillons im Pariser Petit Palais durch van de Velde kam nicht zustande. le Musée de Weimar: Van de Velde bezieht sich hier auf die Entwürfe zur inneren Umgestaltung des Großherzoglichen Museums in Weimar (vgl. Anm. Brief 275). mon Institut: Am 1. April 1908 erfolgte unter dem Direktorat von Henry van de Velde die offizielle Eröffnung der Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule in Weimar. Die Schule ging aus dem 1902 gegründeten ›Kunstgewerblichen Seminar‹ hervor, das seit 1906 unter der Bezeichnung ›Kunstgewerbliches Institut‹ firmierte. Van de Veldes neuer Vertrag datierte vom 14. März 1908 und war zunächst auf zwei Jahre begrenzt. Die jährliche Vergütung belief sich auf 6.000 Mark zuzüglich 1.500 Mark zur künstlerischen Beratung von Gewerbetreibenden (vgl. Wahl 2007, S. 27 f., 187–189).
520 Edition und Kommentar départ p[our]. la Grèce: Kessler brach am 24. April 1908 zu einer Reise nach Griechenland auf. Am 25. April 1908 legte er zusammen mit Aristide Maillol in Marseille ab und traf mit Zwischenstationen in Neapel, Pompeji und Taormina am 30. April 1908 in Piräus ein. Tags darauf stieß Hugo von Hofmannsthal in Athen hinzu, der die gemeinsame Reise am 11. Mai 1908 jedoch vorzeitig beendete, während Kessler und Maillol bis zum 31. Mai 1908 in Griechenland blieben (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.4.1908–31.5.1908).
282 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 19.7.1908 AML, FSX 504/154, Brief, Briefkopf (gedruckt): GRAND HÔTEL PARIS 12, Boulevard des Capucines
Mon adresse à partir de mercredi sera: Chateau [sic] Ste Honorine par Hérouvilette + (Calvados) + Hérouvilette Le 19.VII 1908 Cher ami, je ne vous ai jamais répondu à votre bonne lettre d’il y a deux mois; certes pas faute du plaisir qu’elle m’a faite, mais d’abord par cette paresse inexplicable d’écrire qui nous prend tous quelquefois, et après, parceque [sic] j’étais trop souffrant. Enfin, je vais mieux, je puis de nouveau m’asseoir à une table pour écrire, et j’en profite pour vous remercier de toutes les choses intéressantes qu’il y avait dans votre lettre. J’espère que l’affaire du Musée a fait quelque progrès, depuis que vous m’avez écrit; mais je m’inquiète de voir, que Koetschau doit peut-être quitter Weimar. Qu’en est[-]il? Et qui le remplacerait? J’ai su par ce bon Théo, qui est venu me voir avant hier, que Finch vous avait vu bien installé dans votre nouvelle maison. Ça’a dû être une grande joie pour vous et pour Mme Vandevelde. Moi je compte passer une partie de l’automne et de l’hiver à Weimar; après, toutefois, avoir fait une cure, à Wiesbaden probablement. Je pense que les miasmes de l’affaire P[alézieux]. doivent s’être évaporés et qu’il ne peut y avoir d’inconvénient à un séjour un peu prolongé, surtout dans cinq ou six mois d’ici. Du reste, le Gr[and]. D[uc]. n’est[-]il pas en disgrâce avec l’Empereur? Je ne le vois plus jamais nommer dans aucune des occasions, quand les autres Princes vont à Berlin ou autre part saluer S[a]. M[ajesté]. On dirait, qu’il s’est acquis le mépris qu’il mérite pour sa bassesse et sa veulerie de caractère. Mais au fond, ça ne me fait plus rien. Cet individu a cessé d’exister pour moi. Ce qui m’intéresse à Weimar, c’est vous et votre Institut, rien d’autre. À propos: l’édition de Homère que je fais est ornée à la première page d’un bois de Maillol dans le texte. Dans les impressions de cette première page que m’a faites Wagner (essais) ce bois, imprimé en même temps que le texte, est toujours très mal venu, ce qui est
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assez compréhensible. Il faudrait donc l’imprimer à part, c’est[-]à[-]dire à la main sur une presse à main, après l’impression du texte. Votre Institut se chargerait-il de cela? Ou bien pourrait-on le faire faire à la Kunstschule? Je vous serais très obligé d’une réponse; car je suis très embarrassé et nous devons commencer bientôt. Il s’agirait de 300 exemplaires d’édition et de mille prospectus. Quel serait le prix de cette impression? Car c’est tout à fait commercialement que je vous prie de traiter la chose. Veuillez bien saluer Mme Vandevelde de ma part et lui présenter mes hommages. Bien amicalement HdeKessler. souffrant: Auf der Rückreise von Griechenland erkrankte Kessler Mitte Juni 1908 überraschend an Gelenkrheumatismus und musste vierzehn Tage zu Bett liegen. In Paris verschlechterte sich sein Zustand und eine »unbemerkte innere Blutung« trat auf, die ihn vom 4. Juli an erneut ans Bett fesselte. Am 4. August 1908 reiste Kessler in die Normandie zu seiner Mutter, um sich dort zu erholen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 16./23.6.1908, 31.7.1908, 4.8.1908; Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 25.6.1908, 18.7.1908, in: Burger 1968, Briefe 188, 193, S. 181 f., 184 ff.). Koetschau: Vgl. Brief 286. Théo van Rysselberghe: »La dernière fois«, schrieb Théo van Rysselberghe am 15. Oktober 1908 an van de Velde, »que j’eus des nouvelles de toi, ce fut par Finch, que je vis à son retour d’Italie et qui, à aller, avait assisté à la pendaison de crémaillère dans ta nouvelle demeure d’Ehringsdorf; cela n’est pas d’hier précisément!« (Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 15.10.1908, AML, FSX 800). Alfred William Finch (gen. Willy, 1854–1930), belgischer Maler, Graphiker, Keramiker und Kunstgewerbler englischer Herkunft. Finch und van de Velde waren seit ihrer gemeinsamen Mitgliedszeit bei der Künstlervereinigung ›Les XX‹ freundschaftlich verbunden. Finch, eigentlich zum Maler ausgebildet, wechselte 1890 zur Töpferei über und arbeitete von 1890 bis 1893 als Dekorateur in der Manufaktur ›Boch‹ in La Louvière und später in Virginal. Zeitweilig arbeitete er eng mit van de Velde in dessen Brüsseler Haus Bloemenwerf zusammen und stellte dort Keramiken her. Finch siedelte 1897 nach Finnland über und arbeitete bis 1902 in der Porzellanmanufaktur ›Iris‹ in Borgå. Nach dem Bankrott der Firma zog Finch nach Helsinki und nahm dort ein Lehramt wahr. Finch war mit van de Veldes langjährigem Mitarbeiter Sigurd Frosterus bekannt, der auf Empfehlung von Finch im Herbst 1903 nach Weimar kam (vgl. Alfred William Finch an Henry van de Velde, 6./22.3.1899, 16.5.1899, 24.8.1900, 16.9.1903, 6.10.1903, 27.10.1907, 1.11.1910, AML, FSX 397; Maus 1926, S. 15, 17, 114). Finch war Anfang April 1908 zu Gast bei van de Velde in Weimar bzw. Ehringsdorf. Zusammen besichtigten sie die Töpfereien in Bürgel, wovon van de Veldes Immediatbericht vom 18. April 1908 Zeugnis ablegt (vgl. Henry van de Velde, Immediatbericht Henry van de Veldes über die Inspektion der keramischen Industrie in Bürgel, 18.4.1908, ThHStaW Weimar, Großherzogliche Kunstgewerbeschule Nr. 17, Bl. 13–21, in: Wahl 2007, S. 141–145). une cure: Kessler ging nicht zur Kur nach Wiesbaden.
522 Edition und Kommentar l’édition de Homère: Die zweibändige Edition der ›Odyssee‹ von Homer zählt zu den erlesensten Schöpfungen der Buchkunst des beginnenden 20. Jahrhunderts. Kessler vermochte es, namhafte Persönlichkeiten für die Realisierung dieses außergewöhnlichen Gemeinschaftswerks zu gewinnen, das von 1901 bis 1910 ganze zehn Jahre in Anspruch nahm: Rudolf Alexander Schröder für die Neuübersetzung, Aristide Maillol für die Titelholzschnitte und die Ornamentierung der Initialen, Eric Gill für die Versalien der Titel, Zwischentitel und das Inhaltsverzeichnis sowie Douglas Cockerell für die Schrift. Die erste Ausgabe wurde bei Wagner und Sohn in Weimar gedruckt und erschien 1910 in einer Höhe von 350 Exemplaren im Insel-Verlag. 25 Exemplare dieses Pressendrucks waren in dunkelblaues Seehundleder eingebunden und wurden von Kessler ausschließlich an Freunde verschenkt. Darüber hinaus erschien ab 1911 eine einbändige Volksausgabe im Insel Verlag. Der ungeahnte Erfolg dieser Editionen gab Kessler den entscheidenden Impuls zur Gründung einer eigenen Privatpresse, der Cranach Presse in Weimar. (Brinks 2003, S. 44–75, 372 f.). Wie Kessler in diesem Brief andeutet, hatte ihm Wagner die ersten Probedrucke des Titelblatts zukommen lassen. Kessler zeigte sich unzufrieden, denn das Problem war offenkundig: Text und Holzschnitt konnten nicht gemeinsam gedruckt werden. Eine Handpresse wurde benötigt, um den Holzschnitt in guter Qualität separat zu drucken. Van de Velde versprach, Kessler behilflich zu sein, und bot an, einen Mitarbeiter und einen Lehrling von Wagner mit dem Druck der gewünschten Exemplare auf seiner eigenen Presse und unter seiner Leitung zu betrauen (vgl. Brief 283). Wie sich herausstellte, war jedoch der Rahmen seiner Presse für das Buchformat 4° zu klein (vgl. Brief 286). Daraufhin begab sich van de Velde selbst zu Wagner und überwachte mit ihm den Druck. Enttäuscht angesichts der unzureichenden Fähigkeiten Wagners übersandte van de Velde am 1. September 1908 die Probedrucke und unterbreitete Verbesserungsvorschläge (vgl. Brief 286). d’un bois de Maillol: Maillol fertigte zwei Titelholzschnitte: den ›Brütenden Odysseus‹ für den ersten Band und den ›Kämpfenden Odysseus‹ für den zweiten Band der ›Odyssee‹. Robert Wagner Sohn, Buch- und Kunstdruckerei Weimar, Bürgerschulstraße 6 und Rollplatz 7. Die Weimarer Druckerei unter Leitung von Alfred Wagner war seit 1903 für Kessler tätig. Kessler ließ hier eine Vielzahl seiner Ausstellungsbroschüren und auch die GauguinMonographie drucken (vgl. Brief 215; Wagner 2010, S. 38–42).
283 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar/ Ehringsdorf, 31.7.1908 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
Ce 31.07.1908 Bien cher ami, J’ai pensé souvent à vous et avec quel élan, pendant que je vous savais en Grèce et en si rare et excellente compagnie. Je me suis imaginé que vous y étiez encore quand j’appris que vous étiez souffrant!
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Pourquoi? Tant de choses se passent et tant de gens passent et dans mon esprit cela laisse si peu de traces depuis quelque temps que cela devient inquiétant! Mon rayon de contact réel et vivant s’est restreint ou bien tout autour je me suis laissé surprendre par une boucle de travail qui pèse – sans merci – sur mon cerveau. Les heures de communion, d’expansion et de larges enthousiasmes, elles sont loin et elles ont fini avec votre départ de Weimar. Je suis trouvé seul – depuis ce moment de ma race! Et tout ce que je crée depuis lors porte: la marque d’une profonde nostalgie; celle de ma culture. Je ne me suis jamais senti aussi étranger – en Allemagne, qu’à présent et je m’y sens comme une vieille hyène, en cage. J’ai bien dû me créer ce cadre de notre nouvelle maison – pour me sauver du désastre! La maison est cette cage – une cage où j’ai cherché à donner l’illusion de l’espace et qu’il n’y aurait dehors que Beauté et que les gens n’auraient aucune importance juste celle des groupes de promeneurs déambulant l’avenue .... Bien cher ami vous nous manquez tant – ici et nous sommes quelques uns qui nous nous rappelons toujours de vous dès que nous sommes réunis: les de Nostitz, les de Hofmann, Mad[ame]. Förster, Mesd. de Meyendorf [sic] et de Watzdorf ... Reséjournerez-vous vraiment un jour parmi nous? Peut-on le souhaiter? À part le Ministre Rothe, le Weimar qui nous a appelé, a disparu! Il ne reste plus que lui – en place. Il l’occupe de toute la largeur de son esprit borné, de sa conviction en l’importance de la bureaucratie et de toute sa peur d’être bousculé. Son action est paralysante plutot [sic] qu’hostile. Dans votre cas, il n’est pas l’homme à dicter au Grand Duc son plus élémentaire devoir. Les nouveaux-venus, de quoi ont-ils cure? On nettoie bien les écuries d’Augias et certes, à présent que de Vignau aussi a du [sic] céder la place l’entourage du Grand-Duc est-il devenu honnête. Mais peut-on espérer que l’orientation nouvelle se précisera dans le sens d’une haute pensée directrice, d’une pensée digne du culte de Weimar. Il faut faire crédit, certes, mais encore faut-il s’inquiéter de ce que personne n’a – dans ce nouveau milieu – l’autorité qu’il faudrait p[our]. en imposer au Grand-Duc. Et parmi ces hommes-nouveaux auxquels vous êtes assurément sympathique, lequel risquera d’agiter près du Grand-Duc p[our]. vous? Je ne doute aucunement que de Nostitz le tenterait, s’il arrivait un jour à avoir quelque autorité. Mais ce jour peut n’arriver que fort tard ou jamais en attendant, chaque fois que je le vois, je lui mets à cœur qu’il a autant que moi-même, je le fais, à éclairer de Fritsch. Je suis à présent convaincu que si vous vous décidiez à revenir à W[eimar]. et que la société avait la conviction qu’il s’agissait bien d’un retour, mais
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non d’un court passage, elle ferait la mine de gens qui voudraient bien être invités. Votre attitude en imposerait au Grand-Duc et elle obtiendrait de lui probablement ce que les autres n’ont cure – puis-qu’ils n’ont pas intéret [sic] – d’obtenir p[our]. remettre les choses dans l’ordre. Au sujet de Koetschau, je peux vous donner des renseignements assez précis. Il est venu me voir cette après-midi et venait d’avoir avec de Finckenstein un entretien au sujet des conditions qu’il avait posées. La plus importante est celle dela [sic] construction d’un nouveau Musée! Elle a surgi au moment où il fut décidé que rien ne se ferait plus dans l’ancien Musée et qu’il serait plus raisonnable d’en construire un nouveau! C’était une fois de plus l’enterrement de mes projets et de la remise aux calendes grecques du moment où Köetschau [sic] pourrait commencer son action de Directeur de Musée. K[oetschau]. a exigé des promesses nettes, formulées et signées. Il est bien près d’avoir satisfaction à ce sujet. Le Grand-Duc veut constituer un fonds allimenté [sic] régulièrement et de facon [sic] à former au bout de quelques années la somme nécessaire. Il faudrait 6 à 7 années. La combinaison me paraît cousue de gros fils. Elle assure que K[oetschau]. restera à W[eimar]. que j’y resterais en l’espoir de pouvoir construire ce Musée et elle garantit – en effet – à tout le monde – que ce Musée nouveau se construira un jour! Je me garderai bien de faire voir à K[oetschau]. ces gros fils – s’il ne les voit pas – s’il quittait W[eimar]. je perdrais mon unique appui et l’isolement serait encore plus complet. Entretemps [sic] je me trouve devant le néant de tout ce travail p[our]. la restauration du Musée et devant bien des forces en moins. Sur ce thème je pourrais écrire des livres. Passons. Il va sans dire – que je suis tout disposé à vous aider p[our]. l’impression du titre-orné d[e]. la traduction d’Homère. J’entrevois que le meilleur moyen serait de décider Wagner à nous fournir un ouvrier et un apprenti qui à l’Institut et sur ma presse et sous ma direction tirerait le nombre d’exemplaires nécessaires [sic]. Je vais mander l’imprimeur Wagner à l’atelier et lui proposerai cette combinaison. Je vous renseignerai, cher ami, aussitot [sic] que j’aurai pu avoir cet entretien. Maria et moi nous vous souhaitons un prompt et profond rétablissement. Resterez-vous longtemps au Ch [âteau]. de Ste. Honorine et quand irezvous séjourner p[our]. cette cure, à Wiesbaden? Moi, je vois avec effroi l’été passer et je me demande si et quand je pourrai prendre quelques journées de vacance [sic]. Bien affectueusement Votre Henry
Briefe und Kommentare 525 Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag trägt die Anschrift »à Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Chateau [sic] Ste. Honorine par Hérouvilette Calvados. France« sowie die Poststempel »Weimar 1.8.08 6-7N« und »Hérouvilette 3-8 o8 Calvados«. Nostitz: Van de Velde bezieht sich hier auf Alfred von Nostitz-Wallwitz (vgl. Anm. Brief 40). Dieser war im Frühjahr 1908 zusammen mit seiner Gattin Helene nach Weimar gezogen, um als Regierungsrat eine Stelle im Weimarer Staatsministerium unter Dr. Karl Rothe anzutreten (Alfred von Nostitz-Wallwitz an Henry van de Velde, 15.1.1949, AML, FSX 615). de Meyendorf: Olga Freifrau von Meyendorff (geb. Prinzessin Gortschakoff, 1838–1926), Frau des 1871 verstorbenen russischen Gesandten in Weimar. de Vignau: Hippolyt von Vignau trat 1908 aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurück. Nachfolger wurde am 19. Oktober 1908 Karl Baily Norris von Schirach. Konrad Wilhelm Graf Finck von Finckenstein (1862–1939), Hofjägermeister, Oberschlosshauptmann. Wilhelm Graf Finck von Finckenstein war seit März 1907 Chef der Schatullverwaltung. Musée: Van de Velde bezieht sich hier auf den Neubau des Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe (vgl. 284). Homère: Vgl. Anm. Brief 282. sur ma presse: Vermutlich handelt es sich um van de Veldes eigene Presse ›La Joyeuse‹, die der Legende nach aus dem Besitz von William Morris stammte. Van de Velde hatte die englische Handpresse der Marke ›Imperial Press, London‹ von Max Elskamp bekommen und bereits im Haus Bloemenwerf in Betrieb (Velde 1933, S. 34 f.). Er schenkte sie später der Druckwerkstatt seiner Kunstgewerbeschule La Cambre in Brüssel (vgl. Brief 286, 291; Velde 1992, S. 289, Anm. 1).
284 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Château de Sainte Honorine, 5.8.1908 AML, FSX 504/155, Brief, Briefkopf (gedruckt): CHATEAU DE SAINTEHONORINE PAR Hérouvilette (CALVADOS) RANVILLE
5.VIII.08. Pauvre cher ami, tout ce que vous m’écrivez me touche profondément, surtout ce que vous me faites entrevoir de votre état de surmenage et des difficultés que vous rencontrez encore à Weimar. Il faut espérer qu’on ne voudra pas laisser partir Koetschau, et quant au délai de six ou sept ans, c’est dur, mais je préfère encore ceci, si ça vous donne un monument complet à faire, que de vous voir retaper cette vieille bâtisse ignoble qu’est le Musée actuel. Ça aurait toujours pué le bourgeois, quoique vous eussiez pu faire. – J’ai tout à fait l’intention de revenir à Weimar, et non pas en »revenant«, semant autour de lui une odeur de mort et des souvenirs douloureux, mais en être vivant et tâchant de créer de la vie. Mais voilà, la »Société«, et notamment la société de petite ville qu’est celle de Weimar,
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ne m’intéresse plus du tout; mais du tout, du tout. J’ai perdu là[-]dessus toutes mes illusions. Il faut en prendre un parti: ce sont des êtres plats, et aimant leur platitude, qui la composent, cette fameuse »Société«; s’ils sortent de leur petitesse, c’est comme officiers ou comme sportsmen, peut être comme amants; mais l’art ou le goût, quand ils y prétendent, ne les y enfoncent que plus avant. Rien de plus mesquin, de plus ridicule, que l’homme du monde amateur de musique, de peinture, de littérature. C’est le bonhomme qui se promène avec un faux nez. À quoi bon l’aider à s’en affubler? Au contraire, il faudrait le lui arracher, quand il a eu la niaiserie de l’arborer, le forcer à le quitter, à le jeter bien loin, au besoin en le choquant, en lui faisant sentir tout ce que tout art a d’immoral, de révolutionnaire, et surtout de »mauvais genre«. L’art pour gens du monde Allemands c’est l’art de la Siegesallee, l’art de Wildenbruch, l’art de Bayreuth (bien entendu, pas celui de Wagner); comme l’art pour gens du monde Français est celui de Bouguereau, de Blanche, de Carolus Duran. Voilà leur art naturel, l’art qui est le produit vrai de leur milieu, de leur sang, de leur »intelligence«, si j’ose dire. Pourquoi vouloir les forcer à digérer un art qui leur est complètement étranger et qui les rend malades, vicieux, »snobs«, quand on a fini par leur faire avaler? C’est une mauvaise action, presque un empoisonnement. Ce qu’on peut leur demander, c’est de nous laisser tranquilles, de ne pas nous embêter ni de leurs rires ni de leur enthousiasme, et de permettre, que les vrais artistes aient leur part, leur petite part, des commandes gouvernementales ou autres: »autres«, c’est[-]à[-]dire celles des quelques particuliers qui ne sont pas en première ligne gens du monde, qui ne le sont souvent pas du tout, mais qui sentent l’art spontanément. Je crois même, qu’en voulant s’imposer aux »gens du monde«, aux banquiers et autres dupes des beaux mots et des articles fulgurants, l’art risque beaucoup plus d’être influencé que d’influencer, de se rapetisser que de hausser ce public inerte et pesant. Il faut en prendre son parti: l’art, aujourd[’]hui, ne saurait être que l’objet de culte d’une petite chapelle. Mais, dès lors, qu’aurais-je à voir à Weimar avec »le Monde«, et surtout avec ce petit malotru qui en est le Louis XIV? Je ne craindrais qu’un seul désagrément en retournant là-bas, c’est de voir mes salons envahis de nouveau par tout ce bétail. Je veux bien être poli, mais à condition qu’on me laisse tranquille et que je puisse voir chez moi exactement qui me plaît. Si je vais à Weimar, c’est pour y lire, pour y écrire, pour être entouré chez moi de quelques objets agréables et qui vont à mon honneur, et surtout pour y jouir de la société de mes quelques meilleurs amis qui s’y trouvent réunis: de la vôtre, de celle de Nostitz, de Mme Förster, des Hoffmann [sic]. Voilà mon programme et je compte m’y tenir strictement. Quant à un certain »grand personnage«, je le subirai chez moi, quand il m’aura fait des excuses telles que je ne pourrai plus m’y refuser en tant qu’officier; jusqu’alors, rien de fait. C’est un être
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déconsidéré et mal, qui a besoin de nous, tandisque [sic] je n’ai aucunement ni envie ni besoin de lui, pas même pour me promener à Weimar. Mais voilà toute une honnêté, et j’ai oublié de vous remercier, cher ami, de vos soins pour l’édition de Homère. J’ai écrit à Wagner de se présenter à l’Institut. J’espère que ça pourra s’arranger comme vous le proposez. Mais j’espère surtout que vous pouvez prendre un peu de repos. À quoi bon se ruiner la santé. C’est la seule perte irréparable qu’on puisse faire. Je l’ai bien senti cet été. Maintenant, je vais beaucoup mieux; mais j’ai été bien bas il y a un mois, et j’ai bien manqué ne pas revoir Weimar par d’autres raisons que la mauvaise humeur de »la Société« de là[-]bas. Quelle joie pour certaines gens, si j’avais claqué! On y aurait vu le doigt de Dieu, assurément. Je crois que c’est ça qui m’a soutenu et qui m’a ramené à la vie, quand je sentais, que par toutes les règles de la médecine je devais m’en aller. Ça donne du ressort, de penser aux gens qui auraient du plaisir à vous voir mourir. Si jamais vous êtes très malade, je vous recommande ce petit exercice: vous n’aurez, vous, du reste que l’embarras du choix. Mais pour le moment, je vous souhaite une autre cure. Allez donc à la campagne ou dans la montagne, quoique vous ayez à faire! Je suis sûr, que vos affaires n’en souffriront pas plus que de l’abattement et de la neurasthénie qui s’en suivront sûrement, si vous négligez ce conseil. Moi je reste ici jusqu’à la fin de Septembre: peut[-]être irai[-]je à Wiesbaden après, vers la fin d’Octobre et avant de rentrer à Weimar. Veuillez saluer bien sincèrement de ma part madame Vandevelde, madame Förster, madame de Nostitz et Alfred, et toutes les personnes que vous jugerez vraiment sympathiques. Bien amicalement HdeKessler. Donnez-moi bientôt de vos nouvelles, cher ami. Brief: Zu dem Brief gehört ein unvollendeter Briefentwurf (Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Château de Sainte Honorine, 5.8.1908, DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1900–1908, Briefentwurf, gedruckt: Chateau de Sainte-Honorine par Hérouvilette [Calvados] Ranville). Musée: Kessler bezieht sich hier auf das Großherzogliche Museum in Weimar (vgl. Brief 283). Siegesallee: Die 750 m lange Siegesallee befand sich im Großen Tiergarten in Berlin zwischen Königsplatz und Kemperplatz und war 1895 im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. als Prachtallee angelegt worden. Zwischen 1895 und 1901 fanden 32 Standbilder und 64 Büsten brandenburgischer und preußischer Herrscher Aufstellung. Die Siegesallee wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen, die Figuren konnten zum Großteil bewahrt werden. Ernst von Wildenbruch (1845–1909), Geheimer Legationsrat, Lyriker, Schriftsteller, Dramatiker, Mitglied in der Genossenschaft ›Pan‹.
528 Edition und Kommentar Adolphe William Bouguereau (1825–1905), französischer Maler. Jacques Émile Blanche (1861–1942), französischer Maler, Schriftsteller. Émile Auguste Carolus[-]Duran (eigentlich: Charles Émile Auguste Durand, 1837–1917), französischer Maler. Im Gegensatz zu Kessler hatte van de Velde in jungen Jahren persönliche Bekanntschaft mit Carolus-Durand, »le portraitiste le plus en vogue« (Velde 1992, S. 76), geschlossen und von Oktober 1884 bis zum Frühjahr 1885 einige Lehrmonate im Pariser Atelier des Malerfürsten verbracht (Velde 1962, S. 25, 29 ff.; Velde 1992, S. 75 f., 82 f.; Velde 1999, S. 10, 14 f., 743 ff.; vgl. Kapitel 2.2). une autre cure: Van de Velde befolgte Kesslers Rat und fuhr am 2. September 1908 allein über München zur Erholung ins Tiroler Bergland nach Landro und Umgebung (vgl. Bildpostkarte 288). Vom 18. bis 22. September 1908 hielt er sich in Venedig auf. Mit Zwischenhalt in Vicenza und Verona reiste van de Velde am 24. September 1908 weiter nach Neubeuern und von dort aus nach München. Er kehrte vermutlich am 29. September 1908 wieder nach Weimar zurück (vgl. Briefe Henry van de Velde an Maria van de Velde, 4.–26.9.1908, AML, FSX 784). madame de Nostitz: Helene Lina Olga Vera von Nostitz-Wallwitz (geb. von Beneckendorff und von Hindenburg, 1878–1944), Schriftstellerin. Helene von Nostitz-Wallwitz, aufgewachsen in Berlin, London und Paris und seit 1904 verheiratet mit Alfred von Nostitz-Wallwitz (vgl. Brief 40), gehörte zum engen Freundeskreis von Kessler und van de Velde. Für Kessler war sie die einzige Frau, die er je hätte heiraten mögen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.11.1906). Helene von Nostitz-Wallwitz, musisch sehr interessiert, war mit vielen Künstlern und Schriftstellern befreundet, u. a. mit Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke und Auguste Rodin, der 1907 eine Porträtbüste von ihr schuf. Während ihrer Weimarer Zeit führte Helene von Nostitz-Wallwitz einen kleinen Salon in der Tiefurter Allee 6. Sie veröffentlichte 1924 ›Aus dem alten Europa‹ und 1927 ›Rodin in Gesprächen und Briefen‹ (vgl. Nostitz 1924; Nostitz 1927; Nostitz 1965; Nostitz 1976; vgl. Briefe 40, 55, 217, 297).
285 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, Château de Sainte Honorine, 5.8.1908 AML, FSX 504/156, Brief, Briefkopf (gedruckt): CHATEAU DE SAINTEHONORINE PAR Hérouvilette (CALVADOS) RANVILLE
25.VIII. 08 Chère madame, je suis désolé de voir par votre bonne et charmante lettre, et que vous vous êtes sentie faible et malade, et que ce pauvre Henry souffre même physiquement de tous ces ennuis interminables de Weimar. Je lui ai écrit, il y a quelque temps, pour le supplier de prendre du repos, même si son travail devait momentanément en souffrir. Il se rattrapera d’autant mieux après. Je compte être à Weimar en novembre et y rester jusqu’à la Noël; et malgré tout ces ennuis que nous avons tous essuyé [sic] là-bas, je suis vraiment heureux d’y retourner passer un peu plus de temps, cette année. J’espère, que nous pourrons y passer beaucoup de soirées
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agréables ensemble, et que Henry aura retrouvé un peu de santé physique et de quiétude morale dans un repos à la campagne qu’il doit absolument prendre. Pourquoi ne viendrait[-]il pas en Normandie? Je me chargerais de lui trouver quelquechose près d’ici, à Houlgate, par exemple, et nous ferions du vélo ensemble. Je ne puis malheureusement le prier de venir à Ste Honorine, l’état de ma mère s’y opposant, mais Houlgate n’est pas trop loin, en vélo ou en auto (18 km), et il y a de bons petits Hôtels bien tranquilles et de belles excursions dans cette admirable Normandie verte et plantureuse, toute parsemée de vieux châteaux et de parcs immenses et pittoresques. Qu’il me télégraphie, et je vais à Houlgate lui retenir une chambre. Veuillez, chère madame, saluer Henry et tous nos amis, surtout Mme Förster, et croyez à l’expression de mes sentiments d’amitié le [sic] plus respectueux. HdeKessler lettre: Der vorausgehende Brief von Maria van de Velde hat sich nicht erhalten. In Bezug auf den vorliegenden Brief schrieb van de Velde am 13. August 1908 seiner Frau nach Wickersdorf: »Avais-tu lu la présente lettre de Kessler, peut-être lui écriras-tu de W[ickersdorf].« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 13.8.1908, AML, FSX 784). Am 16. August 1908 fügte er hinzu: »Je te prie de me renvoyer la lettre de de Kessler – je voudrais lui écrire.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 16.8.1908, AML, FSX 784). Van de Velde antwortete Kessler am 1. September 1908 (vgl. Brief 286). Davor ging Kesslers Antwortbrief an Maria van de Velde ein, der sich jedoch nicht erhalten hat. »J’ai ouvert – par erreur – la lettre ci-jointe de Kessler.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 28.8.1908, AML, FSX 784). malade: Maria van de Velde hielt sich zur Erholung im August bei ihren ältesten Töchtern in Wickersdorf auf (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 16.8.1908, AML, FSX 784). en novembre: Kessler kam am 12. Dezember 1908 nach Weimar und blieb dort bis zum 21. Dezember 1908 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 12.–21.12.1908). campagne: Van de Velde reiste am 2. September 1908 in die Berge (vgl. Anm. Brief 284). Houlgate: Seebad an der Küste der Normandie im Département Calvados.
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286 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar/ Ehringsdorf, 1.9.1908 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
Ce 1 Sept 08 Bien cher ami, Maria – qui est encore absente – me communique votre dernière lettre. Merci de me prier de me rapprocher – en ce moment, de vous! Mais je me sens trop harcelé de choses qui doivent s’éllaborer [sic] en moi, s’équilibrer ou bien être jetées loin de moi de facon [sic] à en avoir fini avec elles. – Kötschau [sic] vient de m’annoncer ce matin qu’il quittera définitivement Weimar. Le Grand Duc lui a bien fait des promesses, il a bien voulu prendre des engagements mais ceux-ci sont par trop vagues et toutes les combinaisons qui viennent de côté sont encore bien de l’école de Palézieux. C’en est donc fait de mon espoir de construire jamais un vrai monument! C’est à enterrer cet espoir que je vais donc employer mes vacances. 3 semaines ne seront pas de trop; que la Montagne me soit tutélaire! Je pars demain p[our]. Landro – Ampezzo Tal, sud-Tyrol. Mais hier – j’ai travaillé p[our]. vous chez Wagner. J’ai rarement rencontré un homme aussi peu au fait de ce qu’on attend de lui. Ci joint ce que j’ai obtenu chez lui et sur une petite presse – que p[our]. être mûe à la force électrique, n’en sera [dira?] pas moins personnelle dès qu’on lui demandera des résultats personnels. Ces quelques impressions le prouvent bien. Telles quelles, elles ont la pression exacte qu’il faut p[our]. que le texte tiré, en même temps, donne! Le bois donnait, en maints endroite evidés c.a.d. où il ne devait pas marquer. J’ai amené un graveur et nous avons nettoyé ces places. Si j’avais dû ne pas faire ce nettoyage j’aurais obtenu l’impression, marquée I (en rouge). Cette pression était manifestement insuffisante. Des 4 impressions les deux marquées d’une croix-rouge sont tirées sur le coté du papier où le grain est le moins rude. Si elles vous plaisent plus que les deux autres, il suffira d’avertir Wagner qu’il doit plier le papier de telle facon [sic] à ce que la page où viendra ce bois offre le coté le plus satiné! Reste à remarquer, bien cher ami, 1°) que le L n’est pas pris de l’alphabet complet que vous lui avez envoyé – dont impression ci-jointe. II) Qu’il ne sait comment s’en tirer avec les différents titres des livres, qui
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sont d’une longueur différente. Voulez- vous lui expliquer comment il doit faire. 3°) Je sens qu’autour du nombril, il y a bien encore des noirs qui marquent, sans raisons, qu’il y a là une confusion qui n’est pas les intentions de Maillol; mais je n’y peux rien découvrir, à enlever. Ce bois de Maillol est plastiquement vu et travaillé, non selon que l’exige la gravure et l’impression. Peut-être consulterez-vous Maillol à ce sujet. 4°) Si je n’ai pas travaillé avec ma presse à main c’est que le cadre est trop petit p[our]. imprimer votre in 4˚! J’espère, bien cher ami, que tout ceci vous avancera un peu et que je pourrai encore vous aider à cette impression! Ne trouvez-vous pas le mot »Odyssee« qui est dans la marche [marge] un peu lourd? Je vous souhaite un complet rétablissement et de tout cœur je souhaite qu’ soit prochain. Veuillez présenter mes hommages respectueux à Mesdames Votre mère et Votre sœur. Bien vôtre Henry Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry] de Kessler Chateau Sainte Honorine par Hérouvilette. Calvados. France« und trägt die Poststempel »Weimar 2.9.08« und »Herouvillette Calvados«. chez Wagner: Van de Velde bezieht sich auf sein Versprechen, Kessler bei den Andrucken der Homer-Edition ›Odyssee‹ (vgl. Anm. Brief 282) behilflich zu sein. Er setzte sich mit dem Inhaber der Weimarer Druckerei ›R. Wagner Sohn‹, Alfred Wagner, in Verbindung und fertigte, wie im vorliegenden Brief beschrieben, erste Andrucke. Ci joint: Es haben sich nicht alle ursprünglich beiliegenden Andrucke erhalten, so etwa der Andruck des Holzschnittes von Maillol. Unter dem Andruck des ›Zwölften Gesanges‹ vermerkte Alfred Wagner handschriftlich: »Ich finde soeben, daß diese Überschriften f[ür]. den 2.,3.,4.,5.,10. u. 11. Gesang bedeutend größer geschnitten sind als die Überschrift f[ür]. den 1. Gesang. Wagner«. 4˚: Van de Velde spielt hier vermutlich auf seine eigene Handpresse ›La Joyeuse‹ an, die aufgrund ihrer Rahmengröße nur für das Format Oktav (8°), nicht jedoch für Quart (4°) geeignet war (vgl. Anm. Brief 282).
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287 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Château de Sainte Honorine, 4.9.1908 AML, FSX 504/157, Brief, Briefkopf (gedruckt): CHATEAU DE SAINTEHONORINE PAR HÉROUVILETTE (CALVADOS) RANVILLE
4.IX.08 Cher ami, je suis tout à fait abattu par ce nouveau coup qui vous touche. Mais sûrement que »le monument« se trouvera; sinon à Weimar, autre part. Je crois à une sorte de justice immanente, c’est[-]à[-]dire à un certain poids des choses, qui finit toujours par rétablir l’équilibre; et le talent compte dans ce poids, sans ça il y a longtemps que le monde n’existerait plus. Mais c’est dur, c’est très dur d’attendre, pendant que les autres, ceux qui ne sont rien, attrapent tous les bons morceaux. Je suis donc enchanté que vous alliez un peu vous reposer et reprendre des forces au contact de ce qui dans la nature est le plus exaltant pour vous. Ecrivez[-]moi une carte postale de là[–]bas, pour me dire que vous vous trouverez bien; et, surtout, ne risquez plus d’avalanches de pierres. Je vous remercie infiniment de vos essais chez Wagner. Je lui dirai, d’imprimer du côté lisse du papier. Mais si vous permettez, on attendra votre retour pour imprimer le bois. Quant aux titres, ils sont ratés; c’est[-]à[-]dire, qu’il faudra les faire tailler à neuf: ils sont beaucoup trop grands, surtout cet énorme mot ODYSSEE. Ce que vous me dites de votre petite presse m’intéresse beaucoup. Peut être pourrions nous faire quelquechose [sic] ensemble, quand je serai à Weimar, en automne? Madame Vandevelde m’a envoyé un charmant petit portrait de Puppi, veuillez l’en remercier et lui présenter mes respects. Elle a dû retrouver dans ce contact avec la nature, en compagnie de ses enfants, sa belle sérénité et j’espère, aussi, une santé plus robuste, qui lui permettra d’affronter sans crainte les ennuis et l’air »renfermé« de [la] petite ville de Weimar. Croyez moi, cher ami, votre tout dévoué HdeKessler. ce nouveau coup: Kessler nimmt Bezug auf van de Veldes Äußerung im vorausgehenden Brief: »Koetschau teilte mir heute Morgen mit, daß er Weimar definitiv verlassen wird. [...] Das also ist aus meiner Hoffnung geworden, irgendwann einmal ein echtes Bauwerk zu errichten! Ich werde daher meine Ferien darauf verwenden, diese Hoffnung zu begraben.« (vgl. Brief 283). vos essais chez Wagner: Kessler bezieht sich auf die Probedrucke, die van de Velde in Zusammenarbeit mit Alfred Wagner angefertigt und Kessler übersandt hatte (vgl. Anm. und Brief 286). Der Andruck des Wortes ›ODYSSEE‹ hat sich nicht erhalten.
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288 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Landro, 11.9.1908 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Bildpostkarte
11 Sept. Landro. Ampezzo Thal [sic] Sud Tyrol. Merci, bien cher ami, de votre lettre qui m’atteint ici. Je jouis de quelque repos et de l’enchantement qu’exerce sur moi le pays des hautes montagnes. L’action de cet air particulièrement léger agit sur mon organisme d’une façon invraisemblablement rapide! Après quelques journées radieuses; voici la pluie, la pluie continue. Je prévois que hormi [sic] changement je descendrai dans 2 ou 3 jours vers Venise qu’on atteint facilement d’ici! Tout affectueusement Votre Henry v.d.V. Bildpostkarte: Die Bildpostkarte zeigt Landro mit dem Monte Cristallo im Hintergrund. Sie ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Chateau de Honorine par Hérouvilette [sic] (Calvados) France.« und trägt die Poststempel »Landro« und »Hérouvillette 15.9.08«. vers Venise: Van de Velde hielt sich vom 18. September bis zum 22. September 1908 in Venedig auf. Er logierte im ›Grand Hôtel d’Italie Bauer-Grünwald‹ und unternahm diverse Ausflüge mit dem Ehepaar von Golubeff. Am 21. September 1908 lernte er Siegfried Wagner kennen und war am selben Abend zusammen mit den Golubeffs bei der legendären Marchesa Luisa Casati zum Diner eingeladen (vgl. Briefe Henry van de Velde an Maria van de Velde, 18.–22.9.1908, AML, FSX 784; vgl. Anm. Brief 284).
289 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar/ Ehringsdorf, 9.3.1909 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
Mardi matin, [von Kesslers Hand:] 9.III.09 Cher ami J’ai été heureux de pouvoir vous communiquer ce matin le résultat satisfaisant de hier soir. Je viens de recevoir la visite du photographe Erfurt [sic] – de Dresde. Il est assurément un des meilleurs photographes de l’Allemagne. Il a une collection de têtes d’hommes »célèbres« parmi laquelle figurent
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les têtes de tous nos amis »de Hofmann, Hauptmann, moi etc... Je l’ai engagé à tenter de surprendre votre tête et ceci surtout afin que nous vos amis puissions enfin conserver près de nous votre effigie. Dites-moi si vous consentez à ce »sacrifice« et si Erfurt [sic] peut venir soit aujourd’hui entre 2 et 4 h[eure]s ou demain matin? Tout votre [sic] Henry Briefumschlag: Da sich Kessler und van de Velde zeitgleich in Weimar aufhielten, ist der Briefumschlag lediglich beschriftet mit »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler«. 9.III.09: Die Datierung stammt aus Kesslers Hand und stimmt mit »Mardi« überein. Hugo Erfurth (1874–1948), Photograph. Der in Dresden tätige Hugo Erfurth gehörte zu den bedeutendsten Künstlerporträtphotographen seiner Zeit. Dem vorliegenden Brief zufolge war Hugo Erfurth im März 1909 in Weimar, um zunächst van de Velde und schließlich auch Kessler, der van de Veldes Bitte nachkam, abzulichten. Kessler ließ daraufhin 1911 eine weitere Serie von Porträtphotos anfertigen, wie eine Rechnung vom 13. Mai 1911 über 31 Mark für »10 Cabinetbilder« belegt (Rechnung Hugo Erfurth an Harry Graf Kessler, 13.5.1911, DLA, A: Kessler, Dokumente: Rechnungen; vgl. Ausst. Kat. München 1992, Nrn. 188, 325, 326, dort allerdings mit falschen Angaben zur Datierung).
290 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar/ Ehringsdorf, 22.3.1909 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905-1909, Brief, Briefkopf (gedruckt): HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
[von Kesslers Hand:] 22.III09 Cher ami, Cela me va autant mieux que je ne pourrai moi-même être rentré de Chemnitz – Dresde – Lauterbach que Mercredi soir. Si je pouvais alors rester Jeudi à W[eimar]. cela m’arrangerait parfaitement. Nous nous rendrions dans ce cas Vendredi ou Samedi chez votre ami V. D.! J’espère bien que votre migraine ne vous fait plus souffrir. Maria est très à bout.– Je pars tantot [sic] Bien votre [sic] Henry. Lauterbach: Dorf bei Crimmitschau (Sachsen) im Zwickauer Land. Arnold Esche ließ dort 1907/08 das eigene Landgut von van de Velde im Inneren umgestalten und ausstatten. V. D.: Vermutlich handelt es sich hier um Kesslers Freund Otto Freiherr von Dungern.
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291 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 28.5.1909 AML, FSX 504/158, Brief, Briefkopf (gedruckt): GRAND HÔTEL PARIS 12, Boulevard des Capucines
Le 28.V 1909 Bien cher ami, Mlle von Scheel, que j’ai rencontrée à un gala Beethoven à l’opéra, il y a deux jours, m’a donné des nouvelles inquiétantes de votre santé. Je vous prie de m’écrire ou de me faire écrire, ce qui en est. Vous soignez-vous? Pouvez-vous vous reposer? Où allez-vous? Je suis vraiment très inquiet, et je vous supplie de ne pas forcer la machine; ça ne sert qu’à la casser complètement. Je n’ai pas le courage de vous écrire plus, avant d’avoir reçu de vos nouvelles. J’y compte absolument, ou de votre part, ou de celle de Mme Vandevelde, que je vous prie de saluer de ma part. Bien amicalement HdeKessler votre santé: Aufgrund akuter Beschwerden in der Herzgegend verbrachte van de Velde, der stark abgemagert nur noch 49 Kilo wog, Ende Mai 1909 einige Tage stationär in der Privatklinik von Dr. Otto Ludwig Binswanger in Jena. »Binswanger«, so van de Velde an seine Frau, »m’a examiné avec le plus grand intérêt, n’a rien découvert au cœur et m’a exprimé après ce premier examen qu’il y avait donc lieu de chercher ailleur la cause qu’il n’a pas mis longtemps à découvrir. Un nerf intercostal – sous le cœur – est fort pris et demande à être traité par l’électricité.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 12.5.1909, AML, FSX 784; Otto Ludwig Binswanger, Krankenakte Henry van de Velde, 2.9.1914, S. 137, Universitätsarchiv Jena Bestand S/III Abt. IX Privatpatienten 1914–16). Binswanger verordnete als »Zwangspause« eine siebenwöchige Kur, die van de Velde zusammen mit seiner Tochter Nele am 2. Juli 1909 im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen/ Bodensee unter Betreuung von Dr. Robert Binswanger sowie den Söhnen Ludwig und Otto Binswanger antrat (vgl. Briefe von Henry van de Velde an Maria van de Velde, 2.7.1909–19.8.1909, AML, FSX 784; vgl. Briefe 292, 293, 294, 295).
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292 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar/ Ehringsdorf, 28.5.1909 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
Ce 28 mai 09 Bien cher ami, Combien je regrette que Mademoiselle v[on]. Scheel vous ait inquieté [sic]; mais comme je vous remercie de votre sollicitude. La vérité est que je vais plutot [sic] mal. Je m’étais abstenu d’en rien communiquer à Melle de Scheel afin de ne pas l’inquiéter et de la laisser jouir en paix de ce séjour à Paris qui est un evénement [sic] si heureux dans son existence. Malheureusement Maria lui écrivit et mit ainsi la nouvelle en circulation – ce que j’eus tant voulu éviter. Je ne peux rien faire à présent de mieux que de vous donner à lire la lettre de Binswanger lui-même, sans quoi vous pourriez croire que je vous cache quelque chose. Cette décision de B[inswanger]., celle d’un repos forcé, constitue p[our]. moi une débâcle morale qui ajoutée à ma débâcle physique m’amène à zéro ... J’ai passé quatre jours – en observation à la cli[ni]que privée et là B[inswanger]. m’a renouvellé [sic] l’injonction d’avoir à prendre des mesures si je ne voulais pas »zu Grunde gehen!« – Je me suis en conséquence décidé à aller le 1er juillet à Constance, chez son frère qui y tient un Sanatorium. B[inswanger]. de Jena a conduit la cure et a renseigné son frère. Sera-t-elle longue cette cure? J’ai peur, peur des heures mortelles de solitude… Je penche à emmener Nele, auquel un séjour à C[onstance]. ne peut que faire du bien! Aussi donc, cher ami, ne vous inquiétez plus; jouissez des heures heureuses qui vous sont dévolues; tout au plus donnez moi de vos nouvelles de temps à autre. Je vous suis tant dévoué Votre Henry Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H. de Kessler Grand Hotel. [sic] Paris. Boulevard des Capucines. France.« und trägt die Poststempel »Weimar 30.5.09 5–6N« und »Paris 1 Juin 09 Distribution«.
Briefe und Kommentare 537 ce séjour à Paris: Erica von Scheel nahm vom 24. April bis 31. Mai 1909 an einem Kurs in der Academie Ranson in Paris teil (Erica von Scheel an Henry van de Velde, undat. [1955], AML, FSX 455; vgl. Briefe 293, 294). la lettre de Binswanger: Der ursprünglich beiliegende Brief von Otto Ludwig Binswanger hat sich nicht erhalten. son frère: Robert Binswanger (1850–1910), Psychiater, Nervenarzt. Robert Binswanger übernahm nach dem Tod seines Vaters Ludwig Binswanger (sen. bzw. I.) 1880 das Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen und baute es zu einer angesehenen Anstalt aus. Nach seinem Tod im Jahre 1910 wurde die Klinik von den Söhnen Ludwig und Otto Binswanger weitergeführt. Der Bruder Otto Ludwig Binswanger leitete die Nervenanstalt in Jena. B[inswanger]. de Jena: Otto Ludwig Binswanger (1852–1929), Psychiater, Nervenarzt. Nach dem Studium der Medizin in Heidelberg, Straßburg und Zürich wurde Otto Ludwig Binswanger, Bruder von Robert Binswanger und Sohn von Ludwig Binswanger (sen. bzw. I.), 1882 zum außerordentlichen Professor für Psychiatrie und zum Direktor der ›Großherzoglichen Irrenheilanstalt‹ nach Jena berufen. Van de Velde kannte Binswanger, zu dessen Patienten bereits Friedrich Nietzsche zählte, seit seiner frühen Weimarer Zeit und begab sich mehrere Male zu ihm in Behandlung. Binswanger war darüber hinaus kulturell engagiert. So gehörte er dem Komitee zum Bau des Volksbades in Jena an, das ursprünglich von van de Velde projektiert werden sollte (vgl. Brief 201). Otto Ludwig Binswanger wird in van de Veldes Memoiren fälschlicherweise als Bruder Ludwig Binswangers aufgeführt (Velde 1962, S. 346; Velde 1995, S. 312). Tatsächlich handelt es sich um den Onkel von Ludwig Binswanger jun. bzw. II. (vgl. Anm. Briefe 294, 395).
293 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 6.6.1909 AML, FSX 504/159, Brief, Briefkopf (gedruckt): GRAND HÔTEL PARIS 12, Boulevard des Capucines
Le 6. VI 1909 Bien cher ami, je suis encore bien inquiet, moins cependant qu’après les premières nouvelles que m’avait données Mlle de Scheel. Je vous remercie, en tout cas, de m’avoir permis de jeter un coup d’œil sur le diagnostique [diagnostic] de Binswanger, et, au fond, je me réjouis qu’on vous force à vous reposer. Quant à la défaite morale dont vous parlez, je ne comprends pas. Qu’y a-t-il de moral ou d’immoral dans une maladie amenée par un surmenage excessif? C’est la nature qui réclame son droit, voilà tout; et il me semble qu’elle est même encore assez bonne fille avec vous. Puisqu’elle vous présente sa note à un moment, où vous êtes encore en état de la régler intégralement, sans faire banqueroute. Elle est plus mauvaise créancière, d’habitude. Quelques mois de repos vous remettront »à neuf«, et vous rattraperez vite le temps »perte«. Nele vous tiendra compagnie d’une
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façon très intelligente, je n’en doute pas. – Ici, Mme Lampe a laissé les meilleurs souvenirs; on lui a trouvé beaucoup de talent, ainsi qu’à Mlle de Scheel. On regrette seulement, qu’elles soient parties si tôt. Maillol est émerveillé du talent de sculpteur d’une autre jeune fille allemande, Mlle Zimmer [sic] de Francfort. Il ne cesse d’en parler; et, en effet, un torse d’elle, qu’il m’a montré a des qualités surprenantes, pour un travail d’élève. Du reste, l’Académie Ranson paraît être exclusivement allemande, avec un petit mélange de Russes. J’ai assisté à une leçon de Maillol, qui semble prendre la chose très au sérieux, et qui est un professeur tout à fait admirable, d’une clarté et d’une simplicité, dans ses explications, dont j’ai été étonné. Il fait faire des progrès surprenants à ses élèves, du reste. Si vous connaissez des jeunes sculpteurs, envoyez[-]les, mais pour la rentrée d’octobre seulement, les cours ferment bientôt maintenant. – Je serais bien heureux d’avoir de temps en temps de vos nouvelles, cher ami. Ecrivez-moi, ou faites-moi écrire, je vous en prie. Veuillez saluer Mme Vandevelde Votre tout dévoué HdeKessler nouvelles: Vgl. Brief 291. le diagnostique: Der Brief von Otto Ludwig Binswanger mit der Diagnose hat sich nicht erhalten. Mme Lampe: Elsa Ferdinande Helene von Guaita (gen. Else, verh., gesch. Lampe, 1875– 1963), Kunstgewerblerin, Buchbinderin, Buchgestalterin. Else von Guaita, eine aus Frankfurt gebürtige Bankierstochter, gehörte in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zum engen Freundeskreis von Kessler und van de Velde. Zusammen mit ihrem Mann, dem Pianisten und Tonkünstler Walter Lampe, war sie van de Velde erstmals Ende November 1905 in München begegnet (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 29.11.1905, AML, FSX 784). Durch die Bekanntschaft mit Ludwig und Elly von Hofmann siedelte das Ehepaar im Dezember 1906 von München nach Weimar über. Else von Guaita trat am 1. Oktober 1907 dem Kunstgewerblichen Institut bei, belegte anfangs vermutlich einen Zeichenkurs und absolvierte eine Ausbildung in der Buchbindereiwerkstatt bei Louis Baum. Später arbeitete sie bei Otto Dorfner, 1920 und 1921 auch am Weimarer Bauhaus. Ihre künstlerischen Fertigkeiten lagen in der Gestaltung von bibliophilen Bucheinbänden, u. a. für Kesslers Drucke der Cranach Presse oder Ausgaben, die auf die Gestaltung von van de Velde zurückgehen (vgl. Lobisch/ Wiedemeyer 2003, S. 269; Brinks 2007, S. 211 f., 247 f., 294 ff.). »Else von Guaita«, so van de Velde in seinen Memoiren, »war von verwirrender, ausgesprochen exotischer Schönheit und hätte eine Zigeunerin oder eine Beduinin gewesen sein können.« (Velde 1962, S. 300). Else von Guaita-Lampe ließ sich 1913 von ihrem Mann scheiden und nahm später wieder ihren Mädchennamen von Guaita an. Wie Erica von Scheel gehörte sie zum engen Kreis der Mitarbeiter van de Veldes und war darüber hinaus eine enge Freundin der Familie. Das Verhältnis zwischen van de Velde und Else von Guaita-Lampe hatte sich in den Jahren intensiviert, sodass Maria und Henry van de Velde ab 1911 eine tiefe Ehekrise durchlebten, die erst nach Kriegsende überwunden werden konnte (vgl. Föhl 2010, S. 271). Else von Guaita erwarb 1915 ein Bauernhaus auf der Sonnenleiten im
Briefe und Kommentare 539 oberbayrischen Bergen, das von van de Velde ausgestaltet und zeitweise von ihm mitbewohnt wurde (Henry van de Velde an Marcel Guilleminault, 23.11.1919, AML, FSX 439). Auch Thyl und selbst Maria van de Velde fanden dort in den Kriegswirren Unterschlupf. Else von Guaita hielt den Kontakt zu van de Velde zeitlebens aufrecht. Einen Großteil der Briefe von Henry van de Velde vernichtete sie, die restlichen schenkte sie der Henry van de Velde-Gesellschaft in Hagen (vgl. Schulte 1992, S. 115, Anm.125). Else von Guaita starb 1963 einsam und mittellos im oberbayerischen Dorf Bergen. Ihre Möbel, die van de Velde 1906 für die Weimarer Wohnung in der Elisabethstraße 7 (heute: Helmholtzstraße) und für die Wohnung in Bergen entworfen hat, befinden sich im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe sowie in Privatbesitz. Das nach ihr benannte Teeservice ›Service à thé Guaita‹ von 1905/06 hat sich in zwei Ausführungsvarianten erhalten (vgl. Föhl/ Neumann 2009, Service IX, S. 118 f.). Mlle Zimmern: Vgl. Anm. Briefe 225, 294. l’Académie Ranson: Vgl. Anm. Brief 225.
294 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Konstanz, 31.7.1909 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag
»Belle-Vue« Constance 31 Juil[let]. 09 Bien cher ami, Je suis fort lâche devant le moindre effort à faire! Ecrire autant que marcher éveillent en moi d’enfantins calculs en vue d’échapper ... Mes rêves se font complices et je rêve ainsi que je m’entretiens avec tous ceux auxquels, le jour durant, je me reproche de ne pas écrire! Mon cerveau doit être fatigué bien plus que mon corps. Je reprends des forces physiques progressivement; les pesées constantes et les analyses du sang confirment ce résultat. Quant au cerveau, il faudrait six mois p[our]. lui redonner quelque fraîcheur. C’est au moins le résultat dela consultation que mes deux médecins, le père et le fils Binswanger, m’ont communiqué hier. Ceci n’est pas fait précisément p[our]. relever mon courage, p[our]. soutenir ma patience! Ma cure est sévère, fort sévère, bien cher ami: bains, massages électriques dela [sic] région du cœur et puis repos ... Je suis étendu pendant de longues, longues heures. Suis debout à peine pendant 2 ou 3 heures par jour. J’ai Nele près de moi et sans sa présence je n’eus pas supporté cette inaction et ces jours, qui dès le réveil m’offre [sic] cruellement tout le vide de la veille! J’ai enfin quatre semaines derrière moi. D’accord avec mes médecins qui savent bien que je ne peux pas consacrer six mois à me refaire, je resterai ici encore pendant quinze jours; puis je me rendrai pendant une quinzaine encore dans la montagne. Je me demande où j’irai? Peut-être à Sils-Maria!
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D’ici on atteint facilement le Hte. Engadine. Je serai donc rentré aux premiers jours de Septembre et m’évertuerai de ne reprendre le travail que graduellement. Tant merci p[our]. les cartes d’Avignon, p[our]. celles d’Orange! L’aspect de ce théatre [sic] doit être saisissant en effet ... Où vous conduira après Aix votre enviable vagabondage? De toutes les nouvelles que vous me donnez, celle-là me réjouit le plus qu’Ivo H[auptmann]. s’installera près de Maillol. Melle. de Scheel s’installera vraisemblablement cet hiver à Paris. P[our]. Elle, la présence d’Ivo et de cette Melle Zimmer [sic], dont Théo m’a fort loué le talent, sera un appui. Merci de m’avoir renseigné [sur] cette toile de Bonnard! Je lui écrirai ces jours-ci, malgré que j’aie bien peur qu’en ce moment, après les sacrifices que je dois faire p[our]. ma cure, je ne pourrais de sitot [sic] satisfaire mon désir d’acquérir un Bonnard. J’écrirai à Théo demain, bien cher ami; je le prierai autant que je vous supplie vous-même d’excuser ma lâcheté. Maria et les enfants se portent bien, ils sont à Chemnitz en ce moment, chez les Esche. Tranquillisez-vous donc sur moi; je rentrerai à W[eimar]. en Septembre avec suffisamment de forces physiques p[our]. reprendre le travail. J’ai encore un mois devant moi p[our]. tâcher de retrouver quelque fraîcheur d’esprit. Tout affectueusement vôtre Henry Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Cranach Str. Weimar i/Th.«. Zusätzlich trägt er den Poststempel »Konstanz 1.8.09 4–5 N« und ist mit dem Vermerk »bitte nachsenden.« versehen. le père et le fils Binswanger: Gemeint sind hier der Vater Robert Binswanger und sein Sohn Ludwig Binswanger vom Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen. la montagne: Ursprünglich wollte van de Velde nach Madonna di Campiglio ins Trentino fahren, um sich in den Bergen zu erholen (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 19.8.1909, AML, FSX 784). Er entschied sich jedoch um und machte auf dem Weg nach Südtirol zusammen mit Nele bei dem Ehepaar Lampe im oberbayerischen Brannenburg Zwischenstation. Von dort aus besuchte er Julie Freifrau von Wendelstadt in Neubeuern. Auf Drängen zahlreicher Freunde blieb er schließlich bis Anfang September dort (vgl. Briefe Henry van de Velde an Maria van de Velde, 23./27./30.8.1909, AML, FSX 784). les cartes: Die Ansichtskarten von Kesslers Ausflug in die Provence (vgl. Brief 295) haben sich nicht erhalten. Ivo Hauptmann: Ivo Hauptmann besuchte 1909 und 1910 die Académie Ranson in Paris, an der u. a. Aristide Maillol unterrichtete (vgl. Blumenfeld 1976).
Briefe und Kommentare 541 Melle. de Scheel: Erica von Scheel traf am 29. November 1909 in Paris ein und kam durch Vermittlung von van de Velde zunächst bei Théo van Rysselberghe unter. Sie bezog das Souterrain der Villa Aublet in der Rue Laugier 44 und richtete dort ihr Batikatelier ein. Von ihrem Talent angetan, vermittelte Théo van Rysselberghe erste kleine Aufträge und stellte über befreundete Auftraggeber den Kontakt zu Paul Poiret her, bei dem Erica von Scheel am 17. Mai 1910 vorstellig wurde. Der mondäne Couturier beschäftigte sie für ein Jahr. Erica von Scheel bezog am 4. Februar 1910 das Hôtel Biron in der Rue de Varenne 77, in dem auch Ivo Hauptmann wohnte, und blieb bis Januar 1912 in Paris (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 26.11.1909, AML, FSX 784; Erica von Scheel an Henry van de Velde, undat., AML, FSX 455; Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 6.12.1909, 5.2.1910, AML, FSX 800; Erica von Scheel an Rainer Maria Rilke, 5.1.1912, DLA, 05.114.10/2). Melle Zimmern: Vgl. Anm. Brief 225. cette toile de Bonnard: Van de Velde erwarb ein halbes Jahr später, im Januar 1910, das Gemälde ›Crépuscule de printemps‹ (1909) von Bonnard für 1.400 Francs über Felix Fénéon (Velde 1995, S. 492; Dauberville 1968, Bd. 2, Nr. 552, S. 159). Ob es sich bei dem hier erwähnten Gemälde um ›Crépuscule de printemps‹ handelt, ist nach derzeitiger Quellenlage nicht nachweisbar. chez les Esche: Maria van de Velde war der Einladung von Herbert und Hanni Esche gefolgt und verbrachte mit Lene, Anne, Thyl und Thylla von Ende Juli bis Mitte August 1909 ein paar Urlaubstage in Chemnitz (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 28.7.1909–17.8.1909, AML, FSX 784).
295 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Arles, 4.8.1909 AML, FSX 504/160, Brief
Arles, 4.VIII.09. Bien cher ami, merci de votre bonne lettre. Je me rejouis, que vous sentiez vos forces physiques revenir. En vous ménageant beaucoup à Weimar, espérons que cette cure aura un résultat durable. Je l’accompagne en y songeant souvent, de tous mes vœux. – Je vous écris d’Arles, petite ville bien déchue, avec des restes d’un passé magnifique, arènes, Théâtre Romain, dont un morceau de scène est remarquablement bien conservé etc. Mais je comprends, que Van Gogh y soit devenu fou, de soleil, de misère, et d’ennui. Par contre, d’autres villes de Provence sont bien charmantes. Avignon, Aix, Nîmes, Montpellier. Sous ce beau ciel, dès qu’il y a un peu de propreté et de verdure, la ville prend une allure de luxe et même de splendeur. Nîmes, qui est comme Erfurt, 80,000 habitants, a tout à fait l’air d’une capitale, avec ses boulevards, ses allées de verdure, ses eaux claires, ses ruines splendides et ses jardins merveilleux, suspendus sur des terrasses, comme ceux de Sémiramis, et se mirant dans la plus belle
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fontaine, la plus claire, la plus verte, la plus mystérieuse du monde. Les Gaulois avaient un bois sacré autour de ces eaux qui forment des bassins profonds et liquides comme un lac bavarois, les Romains y construisirent des temples et des piscines, qui subsistent, ensevelies sous les fleurs, Louis XV transforma le bois en un Parc à la Hubert Robert, dégringolant en terrasses majestueuses, mais un peu folles et de travers, vers ces eaux millénairement sacrées. C’est vraiment un rêve, un rêve de grand seigneur aussi de la Pompadour et très entiché de l’Antique, que ce bois sacré gaulois transformé en paysage de Watteau. Ce jardin est ce qui m’a le plus ému dans le Midi; ça et le grand mur du théâtre d’Orange. Mais comme ville, c’est Avignon qui l’emporte, italienne sous un ciel grec, sous ce ciel infiniment clair et pur de la Provence. C’est du reste en été qu’il faut voir ce pays, car ce n’est qu’en été que son ciel a toute sa splendeur et toute sa légèreté. Je le quitterai un peu à regret dans quinze jours, pour aller en Normandie passer le reste de l’été auprès de ma pauvre mère. En octobre, je rentrerai à Berlin, puis à Weimar, où j’espère vous retrouver sérieusement remis de votre épuisement. Saluez cette bonne Nele, je vous prie. Bien affectueusement HdeKessler. d’Arles: Kessler bereiste vom 14. Juli bis 13. August 1909 den Süden Frankreichs und besichtigte Valence, Avignon, Arles, Nîmes, Les Beaux, St. Rémy, Tarascon, Orange, St. Gilles, Saintes Maries de la Mer, Aigues Mortes, Palavas und Montpellier (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 14.7.1909–13.8.1909). Parc: Gemeint ist der Jardin de la Fontaine in Nîmes (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.8.1909). Hubert Robert (1733–1808), französischer Maler.
296 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 22.12.1909 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (gedruckt): HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
Ce 22 Dec[embre] 09 Bien cher ami, J’ai recu [sic] cette après-midi la Revue que vous avez bien voulu m’envoyer. J’ai lu l’article de Gill, à l’atelier et si j’en ai parfaitement saisi le sens je n’ai pas compris tous les mots. Je vais donc relire cet article en m’aidant du dictionnaire. J’ai été d’autant plus frappé des nettes vérités que contient cet article que dans les derniers temps cette idée d’une banqueroute du mouvement
Briefe und Kommentare 543
»arts en [sic] crafts« sur le continent m’a fort occupée [sic]. Mon discours de Francfort, le feuilleton du Berl[iner]. Tageblatt et une étude, à laquelle je travaille – et dans laquelle j’oppose précisément ce qui est »artistique« et ce qui est beau (ou plutot [sic] différencée [sic]) réflètent cette préoccupation que Gill, maintenant étend p[our]. moi aux arts and crafts anglais. Il dit des choses frappantes – si pas neuves, sur le continent et je prévois qu’elles sont appelées à des retentissement au delà du Canal. J’enrage un peu, cher ami, qu’on n’y connaît pas mes écrits et mes idées. Et comme je serais heureux qu’un homme tel que Gill trouvait quelque plaisir à les connaître, autant que j’en ai moi même à prendre connaissance des siennes. À l’occasion, je signalerai cet article et peut-être écrirai-je un feuilleton à ce sujet. Je vous envoie, tout cher ami, le feuilleton du B[erliner]. T[ageblatt]. et le discours de Francfort. Je compte me rendre à Rome p[our]. les fêtes de la Noël, y retrouver les Hofmann et rentrer avec eux à W[eimar]. vers le 8 ou le 9 Janv[ier]. Tant de bons souhaits, cher ami, et quels bons souvenirs j’ai de notre rencontre en Belgique. Votre Henry v.d.V. Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H. de Kessler Grand Hotel [sic] Paris« und ist mit dem Poststempel »Weimar 23.12.09 6–7N« versehen. la Revue: Betrifft die Dezember-Ausgabe der ›The Socialist Review‹ von 1909. l’article de Gill: Betrifft den Artikel ›The Failure of the Arts and Crafts Movement‹ von Eric Gill in ›The Socialist Review‹ (Eric Gill: The Failure of the Arts and Crafts Movement, in: The Socialist Review, Dezember, London 1909, S. 298; vgl. Gill 1942, S. 285). Mon discours: Ende September 1909 wurde in Frankfurt am Main die Jahreshauptversammlung des Deutschen Werkbundes zum Thema ›Kunst und Industrie‹ abgehalten. Van de Velde war eingeladen und hielt als Vertreter der Künstler einen Vortrag (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 10.8.1909, AML, FSX 784). Sein Artikel ›Kunst und Industrie‹ wurde im Januar 1910 in den ›Süddeutschen Monatsheften‹ sowie im Sammelband ›Essays‹ veröffentlicht. (vgl. Velde 1910, Süddeutsche Monatshefte, S. 78–90; Velde 1910, S. 137–164). une étude: Van de Velde bezieht sich hier auf die Studie ›Die Belebung des Stoffes als Prinzip der Schönheit‹, die nach seinen Worten »im Januar 1903 skizziert, 1909 wieder aufgenommen und in Schwarzburg am 3. Januar 1910 vollendet« wurde und die 1910 im Sammelband ›Essays‹ im Insel-Verlag erschien (vgl. Velde 1910, S. 6–38).
544 Edition und Kommentar à Rome: Die Fahrt nach Rom kam, wie aus einem Brief von Maria van de Velde an Sophie Herrmann hervorgeht, nicht zustande (vgl. Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 31.12.1909, Privatbesitz). notre rencontre: Van de Velde und Kessler waren sich am 29. November 1909 eher zufällig in Antwerpen begegnet. Kessler hielt dort im Rahmen seiner Belgientournee den Vortrag ›L’influence française en Allemagne‹ (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.11.1909).
297 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Hagen, [Poststempel: 26.2.1910] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Postkarte
Hohenhof. (Eppenhausen) Samedi – Cher ami Je serai Mardi rentré en temps p[our]. dîner chez vous le soir. Un mot à la maison, s.v.p. qui me renseigne sur l’heure? Tout votre [sic] Henry. Postkarte: Die Postkarte ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Weimar/ Th. Cranachstr.« und mit dem Poststempel »Hagen 26.2.10. 10-11V. Westf[alen].« versehen. rentré: Van de Velde traf am 1. März 1910 von einer Reise nach Hagen und Hannover wieder in Weimar ein. dîner: Am 1. März 1910 lud Kessler zum Diner und anschließend zu einer Lesung in seine Weimarer Wohnung ein. Es waren neben van de Velde, Gertrud Osthaus, Alfred und Helene von Nostitz, Ludwig und Elly von Hofmann, auch Rainer Maria Rilke, Elisabeth FörsterNietzsche und Hugo von Hofmannsthal anwesend. Letzterer las aus dem Libretto zum ›Rosenkavalier‹ (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 2.3.1910, AML, FSX 784; Nostitz 1976, S. 130, Anm. 21).
298 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Hagen, 27.2.1910 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief mit Briefumschlag
Hohenhof. Eppenhausen. dimanche matin. Bien cher ami, Je vous avais averti, par carte postale, que je serai rentré mardi en temps p[our]. pouvoir m’asseoir à votre table.
Briefe und Kommentare 545
Ceci reste vrai, seulement je trouverai en rentrant à W[eimar]. Madame Osthaus! Elle se rend à Berlin p[our]. voir l’Exp[osition]. francaise [sic] et veut s’arrêter pendant un jour ou deux chez moi. Je vous demande la permission, cher ami, d’amener Madame Osthaus chez vous Mardi soir, mais après le dîner bien entendu! Ce serait si utile p[our]. elle et p[our]. ce qu’elle veut réaliser içi [sic] à Hagen qu’Elle voie comment et avec qui nous nous réunissons à W[eimar]. – et particulièrement chez vous. Vous me direz, cher ami, si je peux réaliser ce désir. Trouverai-je un mot de vous, mardi, en rentrant à la maison? Tout affectueusement votre [sic] Henry Briefumschlag: Die Postkarte ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Weimar/Th. Cranachstr.« und mit dem Poststempel »Hagen 27.2.10 12–IN« versehen. dimanche: Es handelt sich um Sonntag, den 27. Februar 1910. par carte postale: Vgl. Postkarte 297. Madame Osthaus: Gertrud Maria Luise Osthaus (geb. Colsman, in zweiter Ehe seit 1922 verh. Stickforth, 1880–1975), Amateurphotographin. Gertrud Osthaus, Tochter eines rheinländischen Textilfabrikanten und Ehefrau von Karl Ernst Osthaus (vgl. Brief 116), war vom 1. bis 2. März 1910 auf Zwischenstation in Weimar. Mit falscher Angabe des Datums hielt Kessler im Tagebuch fest: »Abends las Hofmannsthal bei mir den ›Rosenkavalier‹ vor. Frau Osthaus schneite zum Diner herein.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.2.1910). Tatsächlich fand die Lesung am 1. März 1910 statt (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 2.3.1910, AML, FSX 784). Gertrud Osthaus reiste am 2. März 1910 weiter nach Berlin.
299 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 4.3.1910 AML, FSX 504/161, Brief
4.III 10. Cher ami, je regrette que nous n’ayons pu nous entendre sur Tristan Corbière hier soir; d’autant plus que j’admire depuis bien longtemps certaines de ses pièces, comme étant d’un très grand poète. Mais le fait est, que moi, qui connaissais d’avance les vers sur Paris que vous nous avez lu [sic], n’ai pu suivre le sens de ce que vous lisiez; on aurait dit d’une dépêche très laconique, et encore d’une dépêche chiffrée. J’en ai été très frappé, et d’autant plus, que j’avais bien remarqué la multiplicité, à mon sens excessive, des facettes de ce style, mais non pas, jusqu’à hier soir, l’effet papillotant et, pour tout dire, incohérent, qu’il peut produire. C’est
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le manque absolu de grande lignes, de souffle dans ces pièces, qui devient vraiment pénible quand on les entend. Les images font l’effet de puces qui sautillent, qui franchissent des distances démesurées pour leur petitesse; et rien, pour la volonté; à la longue agaçante, d’égaler le bourgeois, d’éblouir, d’avoir de l’esprit et de la couleur, ou plutôt des petites taches de couleur, à tout prix, rien que cette tension intellectuelle excessive pour relier tout cela! Le mot rare, l’esprit quintessencié, la tension nerveuse, l’excès de ces ingrédients assurément précieux devient aussi insupportable à la longue que le serait un plat composé uniquement de sel, de piment et de citron. C’est du reste une »manière« aussi artificielle, aussi en dehors des formes naturelles de la pensée et de l’imagination que celle de Mascarille ou de Trissotin; et Corbière s’en est lui[-]même corrigé, quand il a écrit les »Gens de mer«. Je trouve dans ceux-ci toutes les qualités qui se cachent sous les excès de ses premières pièces, couleur, capacité et profondeur de l’observation, ironie et fierté du sentiment, mais à leur place, et dominées par la grande ligne qui donne à chacune de ces dernières pièces son allure magnifique. Les premières, c’est comme du Rodin affolé, du Rodin exaspéré jusqu’à la névrose, les dernières me rappellent le »Balzac«, la subordination de ces milliers de facettes à une idée maîtresse à laquelle elles prêtent leur vie, sans désorganiser la masse. Merci, encore une fois, de la bonne soirée que nous avons passée chez vous et bon voyage! Veuillez aussi saluer madame Vandevelde. Votre bien dévoué HdeKessler. Tristan Corbière (eigentlich Édouard-Joachim Corbière, 1845–1875), französischer Lyriker. Der französische Dichter Tristan Corbière gehört zu den Wegbereitern des literarischen Symbolismus und Surrealismus in Frankreich. Sein Hauptwerk, den Gedichtband ›Les amours jaunes‹, veröffentlichte er 1873. Corbière starb im Alter von 29 Jahren an Schwindsucht. Die Entdeckung seines Werks geht maßgeblich auf Paul Verlaine zurück. Kessler bezeichnete Corbières Ausdruck als juwelenhaft, funkelnd und überraschend (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.7.1903, 1.9.1905, 18.9.1915). hier soir: Van de Velde erwähnt in einem Brief vom 4. März 1910 an seine in Paris weilende Frau lediglich, dass er am Vortag mit Nele bei Ludwig und Elly von Hofmann soupiert habe. Wie er den Abend verbracht hat, geht aus diesem Brief und allen nachfolgenden Schreiben nicht hervor (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 4.3.1910, AML, FSX 784). Mascarille … Trissotin: Der Charakter des Dieners Mascarille entstammt der Komödie ›Les précieuses ridicules‹, derjenige des Dichters Trissotin der Komödie ›Les femmes savantes‹ von Molière. »Gens de mer«: Gedichtsequenz von Tristan Corbière aus dem Band ›Les amours jaunes‹ (vgl. Corbière, Tristan: Œuvres complètes, Paris 1970, S. 813–848).
Briefe und Kommentare 547
300 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Hagen, 8.6.1910 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief mit Briefumschlag
Hagen, Mercredi Juin 10 »Hohenhof« Eppenhausen Bien cher ami, Je suis affolé de travail içi [sic]. J’ai le géomètre et le photographe à mes trousses, le géomètre p[our]. la nouvelle villa qui doit s’élever non loin du »Hohenhof« sur un terrain particulièrement difficile – le photographe qui depuis hier a pris déjà 48 vues (extérieur et intérieur) du Landhaus. De plus, Osthaus me harcèle de questions jusque dans la nuit au sujet du développement de la colonie et c’est [sic] rues, canalisation, places, monuments que sais-je qui font cortège dans ma tête. Et j’enrage de rien pouvoir faire p[our]. vous prouver combien je suis touché de ce que vous voulez tenter p[our]. moi, à Paris. Tout cher ami, je n’ai aucun espoir dans cette affaire et cela à cause même de la tournure qu’elle a prise. Dans sa dernière lettre M[aurice]. Denis ne me donnait-il pas entendre que Thomas – Astruc attendaient de moi que je leur amène des capitaux allemands!! A cause aussi de ce que je n’ai vraiment aucune photographie à leur montrer qui pourrait donner à penser à ces Mes[sieurs]. que je suis capable de leur apporter le concours qu’ils attendent de moi, la part de collaboration dont ils éprouvent le défaut. J’avais écrit dimanche matin à Denis, peut-être vous a-t-il donné connaissance de cette lettre! Et même, tout [tant] cher ami, si nous pouvions amener ces Mes[sieurs]. à avoir la confiance que vous et Denis avez en moi, je ne pourrais accepter cette collaboration restreinte au rôle de décorateur que si je pouvais n’avoir aucune objection fondamentale à faire à la forme de cette salle de spectacle, des couloirs et des foyers! J’ai télégraphié d’içi [sic] à W[eimar]. pour que vous soit expédié [sic] l’adresse que vous et vos amis ont signé [sic] jadis. Si vous croyez qu’Elle peut être utile, il faudrait faire valoir la valeur, et la notoriété de ces noms. Que cette adresse – qui m’est fort précieuse – me soit rendue, n’est-ce pas? Comprenez mon agitation présente et vous aurez appris certainement que le projet chateau [sic] de Lucius est à l’eau! J’ai cessé de plaire à la capricieuse et indécise et influençable Mde de Lucius. Ce n’est pas moi seul qui suis marré de ce résultat – auquel je ne puis rien!
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Tout votre Henry. Je serai à W[eimar]. Vendredi; Bodenhausen y passera le Dimanche. Briefumschlag: Der Brief ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Grand Hotel. Paris France« und mit den Poststempeln »Hagen 8.6.10 7–8N« und »Paris 9 JUIN 9H 10 DISTRIBon« versehen. nouvelle villa: Es handelt sich um eine neue Villa für den Hagener Textilfabrikanten Rudolf Springmann. Van de Velde hielt sich im Juni 1910 in Hagen auf, um das Terrain für das Anwesen zu besichtigen, das ursprünglich als Sommerhaus in unmittelbarer Nähe der Villa Hohenhof gedacht war. Im Juli 1910 verhandelte Rudolf Springmann mit seinem Neffen Karl Ernst Osthaus über den Kauf des Grundstückes. Im Dezember 1910 wurden die Pläne jedoch verworfen, denn Springmann hatte aufgrund des labilen Gesundheitszustandes seiner Frau ein anderes Baugrundstück in der Nähe des Zentrums erwerben müssen. Erneut übertrug er van de Velde den Auftrag, der schließlich Mitte 1911 zur Ausführung kam. Das Haus existiert noch heute in der Christian-Rohlfs-Straße 49 (Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 312 f.; Stamm 1992, S. 244–250). la colonie: Die von Osthaus geplante Gartenvorstadt Hohenhagen sah den Bau von 16 Villen im Stadtteil Eppenhausen vor, konnte jedoch bis auf den Hohenhof, drei Villen von Peter Behrens und eine Häusergruppe von Jan Lauweriks nicht in Gänze umgesetzt werden. Kessler, der Osthaus am 20. Dezember 1911 in Gegenwart van de Veldes einen Besuch abstattete, führte zu diesem Projekt in seinem Tagebuch aus: »Osthaus holte mich dort in sein Museum ab. Er zeigte mir die Pläne für eine Gartenstadt, die er mit einigen Bekannten zusammen gründet. Sie haben das Bergplateau oberhalb Hagens gekauft und wollen dort eine neue Stadt, mit Museen, Parks, einem Stadion u. s. w. in der freien Bergnatur entstehen lassen. Ein Drittel wird auf ewige Zeiten für Felder, Grasflächen, Wiesen festgelegt, ein Teil für eine Art von Sonnenbad, wo die Menschen nackt reiten, turnen, im Wald liegen und sich vergnügen können. Dahinter das Stadion, dann eine Palästra, kurz eine Art von Bergparadies.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.12.1911). cette affaire: Die Entstehung des Théâtre des Champs-Élysées gehört zu den schmerzvollsten Einschnitten in van de Veldes Leben. Dabei setzte van de Velde, wie aus dem vorliegenden Brief hervorgeht, von Anbeginn »keinerlei Hoffnung« in dieses Projekt. Da jedoch die Leidenschaft, endlich ein eigenes Theater projektieren zu können, auf die wohlwollende Unterstützung seiner Freunde traf, widmete sich van de Velde seit Frühjahr 1910 diesem Vorhaben. Am 24. Mai 1910 unterrichtete er seine Frau: »Ce qui me retient ici [Paris] est un ›projet‹ que Maurice Denis s’est mis en tête de faire aboutir. Il s’agit de la construction à Paris d’un nouveau théâtre p[our]. lequel lui, Bourdelle, Théo et d’autres de nos amis sont engagés à faire les décorations. Je ne fais aucune illusions à ce sujet mais pourtant je ne peux ni me refuser ni tout faire p[our]. aider les efforts de mes amis. Kessler et les autres m’engagent à ne pas quitter Paris en ce moment.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 24.5.1910, AML, FSX 784). Durch die Vermittlung von Harry Graf Kessler und Maurice Denis wurde van de Velde Ende Juni 1910 von Gabriel Thomas, dem Präsidenten des ›Conseil d’Administration du Théâtre des Champs-Élysées‹, und Gabriel Astruc beauftragt, dem Architekten Roger Bouvard bei der
Briefe und Kommentare 549 Planung des Gebäudes beratend zu assistieren und eigene Entwürfe zur Dekoration des Theaters auszuarbeiten. Vorausgegangen waren Querelen um den Standort sowie um den federführenden Architekten. Der ursprünglich vorgesehene Bauplatz am Boulevard des Champs-Élysées war in die nahe gelegene Avenue Montaigne verlegt worden. Zudem hatte man Roger Bouvard, Sohn des Stadtarchitekten, zum leitenden Architekten berufen. Van de Velde befand sich von vornherein in einer problematischen Situation und versuchte daher, Ende 1910 seine Bedingungen als beratender Architekt und eigentlicher Schöpfer der Entwürfe vertraglich zu fixieren. Von November 1910 bis Juli 1911 legte er zahlreiche Pläne vor, die er in Abstimmung mit Bouvard und in Zusammenarbeit mit dem Assistenten Marcel Guilleminault sowie dem Ingenieur Eugène Milon entwickelt hatte und die eindrücklich die Genese des Projektes illustrieren, das ursprünglich eine Stahlkonstruktion, später eine Konstruktion aus Stahlbeton vorsah. Eine für van de Velde unerfreuliche Wende trat ein, als er auf Empfehlung von Théo van Rysselberghe die Gebrüder Auguste und Gustave Perret hinzuzog. Dieser im Nachhinein fatale Schritt führte zur vollständigen Verdrängung seiner eigenen Person. Intrigen taten ihr Übriges. Von van de Veldes Entwürfen profitierend und von Gabriel Thomas gestützt, setzte sich Auguste Perret als eigentlicher Schöpfer des Theaters durch. Van de Velde beendete daraufhin im Juli 1911 das Vertragsverhältnis. Das Theater eröffnete im März 1913, begleitet von einer starken Polemik gegen van de Velde zugunsten Perrets. Van de Velde, gekränkt von den Schikanen, berief schließlich ein Schiedsgericht ein, das jedoch wegen des im Ausbruch begriffenen Ersten Weltkrieges nicht mehr tagen konnte. Das Theater dient noch heute als bedeutende Spiel- und Aufführungsstätte. An der dekorativen Ausschmückung waren neben Auguste Bourdelle auch Maurice Denis, Edouard Vuillard und Ker-Xavier Roussel beteiligt. Van de Veldes Entwurfszeichnungen haben sich im Brüsseler Fonds Henry van de Velde in La Cambre erhalten (LC/S 1902, 1903, 4532–4570; vgl. Velde 1962, S. 327–340; Marray 1974; Ausst. Kat. Paris 1987 [Les dossiers du Musée d’Orsay]; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 319–322; Loupiac 1993; Velde 1995, S. 321–344; Velde 1999, S. 253–268; Freigang 2003; Föhl 2010, S. 214–217; vgl. Briefe 301, 302, 304, 305, 309, 318, 322, 323, 325, 326, 358, 359, 364). Gabriel Thomas (1854–1932), französischer Geschäftsmann, Mäzen, Kunstsammler, seit 1908 Geschäftsführer der Société du Théâtre des Champs-Élysées. Gabriel Astruc (1864–1938), französischer Musikverleger und Musikkritiker, Publizist, Konzert- und Theaterimpresario, seit 1908 Agent und Organisator der ›Ballets Russes‹. l’adresse: Es handelt sich offensichtlich um die 1906 an Max Reinhardt gerichtete Petition, die von zahlreichen einflussreichen Intellektuellen unterzeichnet worden war (vgl. Anm. Brief 243; Velde 1962, S. 271; Velde 1995, S. 208). château de Lucius: Bertha von Lucius plante ursprünglich, ihr Anwesen auf der Rheininsel Königsklinger Aue bei Eltville von van de Velde aus- und umbauen zu lassen. Im März 1910 beschloss sie dann auf Anraten von van de Velde, das Schloss komplett neu zu errichten. »J’ai pu convaincre facilement Mme de L[ucius].«, schrieb van de Velde an seine Frau, »qu’il était plus raisonnable de démolir tout le chateau [sic]. Le mauvaise état des fondations et des murs de la partie qui devait restée étaient si évidents, qu’Elle même est soulagée d’avoir pris la dernière décision. Nous construisons donc un rondeau chateau [sic]. Les plans sont commencé. Tout cela s’est accompli si vite grâce à la présence de la mère de Madame de L[ucius]. en vue de laquelle – pas piété! – nous nous étions résignés à un partiel ›Umbau‹. Elle fut fort raisonnable et nous voilà embarqués vers une nouvelle création.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 20.3.1910, AML, FSX 784; vgl. Harry Graf Kessler an Hugo von
550 Edition und Kommentar Hofmannsthal, 25.3.1910, in: Burger 1968, Brief 269, S. 285). Wenngleich die Pläne Gestalt annahmen und auch Anklang fanden, gelangten sie nie zur Ausführung (Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, 5.4.1910, DLA; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 6.5.1910, AML, FSX 784). Es kam zu einem Bruch, der offenbar von Freifrau von Lucius ausging. Kessler deutete hierzu an: »Der Lucius die Verächtlichkeit ihres Verhaltens gegen Vandevelde fühlen lassen, indem ich bestimmt ablehnte, mit ihr darüber zu sprechen, als sie davon anfieng. Sie wurde rot, plauderte dann aber in ihrer inkoherenten Weise weiter über andre Dinge.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 16.3.1911). Das Schloss wurde schließlich nach Entwürfen von Wilhelm Kreis errichtet. Van de Veldes Entwürfe haben sich nicht erhalten (vgl. Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 78, 86, 315). Mde de Lucius: Bertha Hedwig Freifrau von Lucius von Stoedten (geb. Freiin von StummHalberg, in zweiter Ehe verh. von Francken-Sierstorpff, 1876–1949). Bodenhausen: Vgl. Anm. Brief 301.
301 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 16.6.1910 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (bedruckt): HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
Jeudi 16 Juin 10 Merci, bien cher ami, p[our]. votre lettre et merci – tant profondément – p[our]. tout ce que vous avez fait p[our]. moi – une fois de plus – en cette occasion. Ai-je besoin de vous dire que je suis fort-fort heureux de ce résultat. Et pourtant je ne me rends pas sans quelque appréhension à Paris. J’ai tort – mais c’est que je n’ai ni eu le temps à Paris de connaître les gens qui tiennent les fils de cette »affaire« ni eu le temps de me rendre compte de ce qu’on attend de moi. Mais vous avez rencontré ces gens et pénétré la chose. Et si vous (Denis également se montre très confiant) avez confiance – j’ai tort de ne pas m’abandonner! Mais vous aurez appris mon échec près de Mde de Lucius et cet échec m’a mis un peu plus de plomb dans les ailes. Mais je pars heureux p[our]. Paris, bien cher ami, dès Dimanche soir – heureux à la pensée que je pourrais reprendre contacte [sic] avec la grand’ Ville et me faire également une place là[-]bas! Je vous tiendrai au courant de ce que j’apprendrai à Paris et de ce que j’aurai obtenu. J’ai averti Denis de mon arrivée, dans une longue lettre que j’ai recu [sic] de lui, il m’expose très clairement ce que j’aurais à faire p[our]. obtenir un
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succès à Paris et y créer ma situation. A bientot [sic] de mes nouvelles, bien cher ami, ménagez vous cette fois pendant les maneuvres [sic]. Eberhart [sic] Bodenhausen a [est] passé par Weimar, et il a voulu voir vos dernieres [sic] acquisitions dont il fut du reste – enchanté! Bien affectueuses pensées de la part de Madame van de Velde et de la part des enfants, Bien votre Henry Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Herrn Graf Harry Kessler Oberleutnant d. R. im 3 Garde Ulanen Reg. Döberitz Truppenübungsplatz.« und mit dem Poststempel »Weimar 17.6.10 6-7N.« versehen. lettre: Kesslers Gegenbrief hat sich nicht erhalten. ce résultat: Kesslers Vermittlungen hatten zu einem ersten Zwischenerfolg geführt. Am 11. Juni 1910 notierte er: »Bei Thomas in Bellevue gefrühstückt mit Maurice Denis u. Roger Marx. Mit Thomas über das Theater; er beauftragte mich, an Vandevelde zu schreiben, im Prinzip sei dessen Mitarbeit in der letzten Sitzung beschlossen worden; er möge nur möglichst bald herkommen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.6.1910). je pars: Van de Velde hielt sich vom 20. Juni bis 28. Juni 1910 in Paris auf (Erica von Scheel an Henry van de Velde, undat., AML, FSX 455; vgl. Brief 302). Bodenhausen: Eberhard von Bodenhausen war am 12. Juni 1910 in Weimar, um van de Velde und Alfred von Nostitz-Wallwitz zu besuchen. Bei dieser Gelegenheit sah er sich Kesslers Neuerwerbungen in der Cranachstraße an (vgl. Eberhard von Bodenhausen an Harry Graf Kessler, 10.7.1910, in: Simon 1978, Brief 188, S. 91).
302 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 29.6.1910 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (bedruckt): HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
Mercredi 29 Juin 10 Bien cher ami, Je ne suis rentré que hier de Paris. Ce n’est que Dimanche dans l’après[-] midi qu’un accord est entrevenu entre moi et M[onsieur]. Thomas au sujet de la façon qui serait la plus propice à faire aboutir l’affaire et le Comité à rechercher ma collaboration. Une réunion du Comité a eu lieu hier mardi, et par télégramme je viens
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d’apprendre que le Comité a accepter [sic] la premiere [sic] des propositions que M[onsieur]. Thomas et moi avions conçue. J’attends une lettre du Comité – cette lettre me parviendra demain – par laquelle il me demande – dès à présent – non pas de faire un rapport seulement sur les plans Bouvard mais de »corriger ces plans«. Nous avons convenu d’un honoraire de 5000 Frc p[our]. ce travail auquel pourrait s’arrêter ma collaboration. Mais dès à présent cette lettre me [ne?] fixera le chiffre et les conditions auxquels le comité me présentera éventuellement la collaboration complète! Cet honoraire fut fixé à 5000 Frs et je serais forcé d’installer un bureau à Paris! J’ai donc atteint plus que nous en pouvions entrevoir mais pas encore tout. Mais pour atteindre le tout M[onsieur]. Thomas, M[aurice]. Denis et moi avons décidé qu’aussitot [sic] que j’aurai reunis [sic] les plans corrigés je ferai à mes risques des esquisses dela [sic] facade [sic] et de la salle. Ce travail orienterait le comité sur mes intentions, sur »mon« style et c’est à ce moment, bien cher ami, que je vous prierai de m’aider et de mettre toutes vos influences en jeu p[our]. aboutir! Entretemps [sic] j’ai donc à travailler fort fort et à chercher à m’entourer d’aides capables à me soutenir dans ce travail. Est-il urgent que je vienne aussitot [sic] à Potsdam? Jusqu’à quand y resterez-vous? Vous comprenez bien pourquoi je cherche à différer un peu ce travail. Je suis rentré fort fatigué de Paris, mais dans un jour ou deux – il n’y paraîtra plus. Un mot et tant de pensées de gratitude p[our]. tout ce que vous avez fait p[our]. moi. Votre Henry. Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Pension Klee Kaiser Wilhelm Str. 10 Potsdam« und mit dem Poststempel »Weimar 29.6.10« versehen. télégramme: Das Telegramm hat sich nicht erhalten. Roger Bouvard (auch: Charles-Louis-Roger Bouvard, 1875–1961), französischer Architekt. Roger Bouvard hatte in Zusammenarbeit mit Henri Fivaz bereits einige Vorentwürfe für das ursprünglich an der Avenue des Champs-Élysées vorgesehene Theater erarbeitet. Das erste Zusammentreffen zwischen van de Velde und Bouvard fand am 22. Juni 1910 in Paris statt (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 22.6.1910, AML, FSX 784). Van de Velde berichtete seiner Frau: »J’ai vu l’arch[itecte]. Bouvard – qui fut fort empressé et aimable. J’ai pu voir ces plans et la première impression fut que sur la base de ses plans je pourrais travailler c. à. d.
Briefe und Kommentare 553 collaborer.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 24.6.1910, AML, FSX 784). un bureau: Van de Velde mietete ab dem 15. Januar 1911 eine Wohnung mit Atelier in der Rue du Boccador 5. Vom Atelier dieser Wohnung, die Théo van Rysselberghe vermittelt hatte, konnte van de Velde direkt auf die Baustelle des Théatre des Champs-Élysées blicken. »Le prix en est de 1800 (et non 2.800) francs l’an – louable au terme aussi, c. à. d. par trimestre, ce qui est avantageux. Ce sera libre à partir du 15 Janvier […]. C’est au 5me. Pas d’ascenseur; bâtiment au fond de la cour, non pas à front de rue. Aéré; clair.« (Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 30.12.1910, AML, FSX 800). Van de Velde bezog Mitte Februar 1911 die Wohnung (vgl. Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, 31.12.1910, 4.1.1911, AML, FSX 800; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 16./20./24./29.1.1911, AML, FSX 784). d’aides capables: Van de Velde stellte am 1. Februar 1911 den jungen französischen Architekten Marcel Guilleminault für die zeichnerische Umsetzung der Entwürfe zum Théâtre des ChampsÉlysées an. Seiner Frau berichtete er kurz darauf: »Mon collaborateur, M. Guilleminault, est intelligent et dévoué.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 17.2.1911, AML, FSX 784; vgl. Velde 1962, S. 330). Guilleminault assistierte van de Velde auch bei der Ausführung von Privataufträgen. Hierzu gehören die Villen Golubeff, Dürckheim und Springmann, ebenso die Wohnungsausstattung für Kesslers Schwester Wilma de Brion (vgl. Brief 393; vgl. Marcel Guilleminault an Henry van de Velde, 9./25.2.1914, 7./12.3.1914, Nachlass Curjel, DLA; zeichnerischer Teilnachlass im Musée d’Orsay).
303 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 14.11.1910 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (bedruckt): HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
ce 14 Nov. 10 Bien cher ami, J’apprends par Madame Förster-N[ietzsche]. que vous êtes à Paris et d’autre part j’apprends que j’y devrai me rendre vraisemblablement dès Samedi ou Dimanche prochain. Y serai [sic] vous encore? En raison de mille raisons dont chacune d’elles m’a pris aussi insatiablement de mon temps que de mes forces et malgré un travail acharné la question du Théâtre n’a pas fait un pas! Il y a 12 jours la »Baupolizei« de Paris remettait tout en cause et me forçait à faire de tous nouveaux dessins de cette facade [sic] qu’aujourd’hui par télégramme je suis convoqué à présenter à la fin de la semaine. Cher ami, si Madame votre Sœur était rentrée à Paris je lui ferais parvenir les livres qu’Elle confia p[our]. la reliure à l’Institut.
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Je serai si heureux de vous revoir après si longtemps. Tout votre [sic] Henry Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Grand Hotel Paris.« und mit den Poststempeln »Weimar 15.11.10 2-3N.« und »Paris 16 Nov 13H Etranger« versehen. dès Samedi: Henry van de Velde reiste erst am 23. November 1911 nach Paris (Henry van de Velde an Sophie Herrmann, 23.11.1910, in: Bothe 1989, Brief 242, S. 594). nouveaux dessins: Am 20. September 1910 hatte van de Velde seine fertigen Entwürfe zur Fassadengestaltung des Théâtre des Champs-Élysées nach Paris versandt. Zunächst als verloren geglaubt, tauchten die Pläne Ende September 1910 wieder auf (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 20./25./30.9.1910, AML, FSX 784). Allen Hoffnungen zuwider drängte die Baupolizei jedoch auf eine Veränderung der Fassade. Van de Velde fertigte daraufhin neue Entwürfe, die er am 26. November 1911 Gabriel Thomas und Maurice Denis vorstellte (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27.11.1910, AML, FSX 784). télégramme: Das Telegramm hat sich nicht erhalten. revoir: Das Wiedersehen zwischen Kessler und van de Velde fand am 28. November 1910 statt (vgl. Brief 333; Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.11.1910).
304 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Paris, 27.11.1910 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Briefkarte
Dimanche matin, Cher ami, Merci de m’avoir rendu visite à l’Hotel [sic]. J’attends avec tant d’impatience la joie de vous revoir après si longtemps. C’est demain chez Théo que n[ou]s n[ou]s rencontrerons. Aujourd’hui je dois me rendre à Bellevue chez M[onsieur]. Thomas et je ne prévois aucunement comment il aura disposé de mon temps. L’affaire »Théatre« [sic] va plutot [sic] bien et en tous les cas nous allons aboutir. Or, c’est d’une solution n’importe laquelle dont j’ai soif. Je suis à bout de forces en raison des tribulations sans nom que j’ai éprouvées à cause de ce travail et du groupe de dilettantes dangereux qui l’ont conduit jusqu’à présent. A bientot [sic], bien cher ami. Tout votre [sic] Henry
Briefe und Kommentare 555 Briefkarte: Die Briefkarte ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Grand Hotel Paris« und mit dem Poststempel »Paris 20- [?]7-11 10« versehen. Laut Aufdruck hielt sich van de Velde im »Roosevelt Hotel 63, Avenue d’Iéna Paris« auf. Dimanche matin: Es handelt sich um Sonntag, den 27. November 1910. demain chez Théo: Van de Velde berichtete seiner Frau: »Je verrai Kessler demain chez Théo, aussi Emile Verhaeren.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27.11.1910, AML, FSX 784). Und Kessler notierte am 28. November 1910 in sein Tagebuch: »Frühstück bei Rysselberghes mit Verhaeren u. Vandevelde.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.11.1910). tribulations: An seine Frau schrieb van de Velde am 30. November 1911 hierzu: »Je me sens impatient et agité moi-même et il n’est que grand temps que cela finisse. L’opposition d’Astruc est le résultat de manœuvres et d’intrigues qui n’ont rien d’imprévu mais que – moi – j’entrevois si puissantes que je ne conserve qu’un bien faible espoir.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 30.11.1910, AML, FSX 784).
305 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Paris], [Poststempel: 1.12.1910] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Telegramm
Thomas annonce qu [sic] [nous] avons reussi [sic] = Henry Telegramm: Das Telegramm ist an »Comte Kessler Grand Hotel Paris=« gerichtet und wurde von van de Velde in Paris aufgegeben. Es trägt die Vermerke »de Paris 14392 11-14 20« und die Stempel »Paris 96 1 12 10 R Gluck« sowie »Paris 96 14 30 1 du 12 10 R Gluck«. reussi: Am 1. Dezember 1910 fand die für van de Velde allesentscheidende Sitzung des ›Conseil d’Administration du Théâtre des Champs-Élysées‹ zum Bau des Théâtre des Champs-Élysées statt. Im Gegensatz zu den zuvor geäußerten Befürchtungen war der Ausgang positiv, und van de Velde erhielt am 3. Dezember 1910 einen Vertrag (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 4.12.1910, AML, FSX 784). Während ihm die Gestaltung des Theaters übertragen wurde, erhielt Roger Bouvard die Aufgabe des technischen und administrativen Bauleiters (vgl. Freigang 2003, S. 50; Loupiac 1993, Annex, S. 167–171). Glücklich und erleichtert informierte van de Velde Familie, Freunde und Förderer postwendend (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 1.12.1910, AML, FSX 784).
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306 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 2.2.1911 AML, FSX 504/162, Brief
Berlin 2.II.II. Cher ami, je ne vous ai pas répondu immédiatement, car je n’ai reçu votre lettre que fort tard et, à vrai dire, je ne savais pas, où vous écrire. Mais j’ai eu aujourdhui [sic] une lettre de Mme Förster me parlant de ce projet de monument Nietzsche et me demandant d’adhérer au comité. J’ai naturellement accepté, tout en lui demandant certaines propositions: I. Une somme d’au moins 40 à 50000 Marks me paraît indispensable, si le monument doit se faire dans les conditions dignes de Nietzsche. Cette somme se trouvera certainement à la longue. Mais il faudrait pouvoir commencer immédiatement, si le monument doit être prêt en 1914. Donc je lui propose de faire garantir 50000 M par un petit nombre d’amis et d’admirateurs de Nietzsche (comme pour une exposition) et je m’inscris pour 5000 Marks pour cette garantie. Je pense que Osthaus, Mutzenbecher, Thiel, Rich[ard]. M[oritz]. Meyer, Mme Vandevelde, Bodenhausen etc. pourraient garantir (non pas souscrie) des sommes au moins égales. Cette garantie ne sera sûrement jamais employée effectivement; ce n’est donc qu’une pure signature de complaisance qu’on demanderait. II. Je trouve tout à fait bien qu’on mette votre nom en avant dès le commencement; il faut absolument qu’il n’y ait aucun doute sur le rôle que vous êtes appelé à jouer. Mais je voudrais que le comité au moins se décide dès l’abord aussi sur le sculpteur qui devra nécessairement collaborer à cette œuvre, et je propose que ce soit Maillol. C’est sous cette condition (et bien entendu celle de votre collaboration) que j’ai offert ma garantie. On pourrait adjoindre à Maillol Klinger; mais pour la figure principale, qui doit être absolument monumentale, je ne vois que Maillol qui soit de taille à la réaliser. On demanderait à Klinger un ou deux grands bas reliefs, si sa collaboration paraissait indispensable. Il me semble qu’une belle figure de jeune »Übermensch«, un superbe nu triomphal de Maillol dans le genre de sa première esquisse du monument Blanqui (mais une figure de jeune homme; car Nietzsche n’a jamais rien eu de féminin) serait toute indiquée comme centre du monument. Qu’en pensez[-]vous? Il faudrait donner à Maillol 20,000 francs environ, et payer le modèle (car sans ça M[aillol]. n’en prendrait pas, ou pas de bon) à raison de peut-être 1000 francs et en outre la fonte (peut être 4000 francs, pour une figure d’environ 3 mètres), peut[-]être aussi 1000 ou 2000 frcs pour que Maillol cisèle la figure; donc environ 25000 ou 26000 francs en tout. Mais nous
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aurions quelquechose [sic] de superbe et d’immortel. III. Dans le comité, il n’y a aucun anglais (ni Shaw, ni aucun des autres Nietzschéens anglais.) Il serait très facile d’avoir Shaw, Wells, Gilbert Murray, Raleigh etc; je m’en chargerais. En France, il me semble que Miller [?], Rodin, Maillol, Anatole France, peut être Barrès et Maurras seraient indiqués (si leur chauvinisme n’est pas un empêchement pour Barrès et Maurras.) Où êtes-vous, cher ami? Je n’en ai pas la moindre idée. Veuillez saluer madame Vandevelde, si vous êtes à Weimar. Bien amicalement HdeKessler. Brief: Van de Velde erwähnt diesen Brief ausdrücklich in dem Manuskript ›Le projet du monument Nietzsche à Weimar‹ seiner Autobiographie und zitiert ihn nachfolgend in Auszügen (vgl. Henry van de Velde, AML, FSX 2, 738; Velde 1999, S. 282 f.). votre lettre: Van de Veldes Gegenbrief hat sich nicht erhalten. une lettre de Mme Förster: Elisabeth Förster-Nietzsche hatte van de Velde noch einen Monat zuvor geschrieben: »Damit Sie in schlaflosen Nächten sich nichts ausdenken, was wirklich nichts werden kann, so möchte ich mich doch noch einmal darüber aussprechen, in welcher Richtung Ihre und meine Ideen zusammen kommen könnten. Das Haus, in welchem mein Bruder gestorben ist, muss bleiben, wie es jetzt ist. Dagegen ist es absolut gleichgültig und unnötig, dass in demselben Haus sich das Nietzsche-Archiv befindet. Ich würde sogar sehr gern Alles was zum Nietzsche-Archiv gehört – das heißt: Manuscripte, Bibliothek, Kunstwerke etc. – aus dem Hause weggeben und Sterbehaus vom Archiv trennen. Sie müssten aber bei einem sogenannten Archivbau, der als Denkmal dienen soll, nicht an etwas Riesengroßes denken – dazu fehlt unter allen Umständen das Geld. Die Größe tut es ja nicht, sondern die Anmut dieses Bauwerkes. Ich meinte also, dass nur Folgendes in dem Gebäude sein müßte, was Sie sich als Archiv und Denkmal vorstellen: ein großer Saal in der Mitte, mit Kunstwerken u. der ganzen Bibliothek von Nietzsche und über ihn; eine sogenannte Stahlkammer mit Fächern, wie sie in den Banken ist, für Manuscripte; ein Archivraum für den Archivar, eine geräumige Garderobe und ein schöner, feierlicher Eingang nach der neuen Straße da drüben, die gebaut werden soll; im Souterrain die kleine Wohnung für den Castellan und die Anlage für Centralheizung; – das ist Alles, mehr bedarf es nicht. Wollen Sie einen Plan in dieser Richtung machen? Es könnte durchaus etwas Tempelartiges haben, dürfte aber nicht zu teuer sein, da auch noch die schöne Einrichtung von dem gesammelten Geld bestritten werden muss.« (Elisabeth FörsterNietzsche an Henry van de Velde, 9.1.1911, AML, FSX 403, in: Föhl 2013, S. 1421 f.). ce projet de monument Nietzsche: Dieser Brief zeigt in aller Deutlichkeit Kesslers Vorstellungen und Forderungen in Bezug auf das geplante Denkmal zu Ehren Friedrich Nietzsches anlässlich dessen 70. Geburtstages am 15. Oktober 1914. Basierend auf den Intentionen von Elisabeth Förster-Nietzsche, eine Gedenkstätte unterhalb des Nietzsche-Archivs in Weimar zu errichten, nahm das Vorhaben unter maßgeblicher Leitung von Kessler im Laufe von zwei Jahren ungeahnte Ausmaße an. Zunächst als Tempel gedacht, entwickelte es sich zu einer weitläufigen Anlage mit Stadion. Kessler äußerte von Beginn an sehr präzise Vorstellungen und knüpfte seine Mitarbeit an folgende Bedingungen: Van de Velde war die Rolle des Architekten und
558 Edition und Kommentar Schöpfers der gesamten Anlage zugedacht. Maillol sollte die zentrale Figur schaffen, Klinger wiederum einige Basreliefs. Gleichzeitig engagierte sich Kessler für die Gründung eines internationalen Komitees zur finanziellen Absicherung und ideellen Unterstützung des Vorhabens. Er selbst übernahm die Verhandlungen mit bedeutenden Intellektuellen und Mäzenen und avancierte somit binnen kurzer Zeit zum Spiritus Rector. Insbesondere seine Vorstellungen zur gestalterischen Umsetzung des Denkmals setzte er bestimmt durch. Über einen Zeitraum von Januar 1911 bis Mitte 1912 entwickelte van de Velde nach Kesslers Vorgaben verschiedene Entwürfe (vgl. Kap. 2.6). Die historische Photodokumentation und die Entwurfszeichnungen zu diesem Projekt haben sich im Fonds Henry van de Velde in La Cambre/ Brüssel erhalten (vgl. LC/S 1502–1510, 2008, 2009, 2209–2217, 4505–4523, 5146, davon 1503 und 4523 fehlend; vgl. weiterführend Stamm 1969, S. 101–130; Stamm 1973/1975, S. 303–342; Krause 1984, S. 199–210; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 323–327; Ploegaerts 1999, S. 233– 259; Kostka 2000 [b], S. 33–72). comité: Bereits Ende 1910 hatte sich Elisabeth Förster-Nietzsche mit der Bildung eines Denkmal-Komitees befasst. Ziel war es, prominente Persönlichkeiten zur Einwerbung von Geldmitteln zu gewinnen. Am 12. März 1911 formierte sich daraus ein ›Arbeitsausschuß für die Errichtung des Nietzsche-Denkmals in Weimar‹, bestehend aus den Mitgliedern Harry Graf Kessler, Anton von Kippenberg, Geheimrat Joseph Kohler, Adalbert Oehler, Walter Rathenau, Raoul Richter und Paul von Schwabach (vgl. Stamm 1973/1975, S. 308; Tagebuch Harry Graf Kessler, 12.3.1911; zur Zusammensetzung des Großen Komitees vgl. Schuster/ Pehle 1988, S. 100 f.; vgl. vorläufige Mitgliederlisten von 1911, GSA, Bestand NA, 72/2595, a; Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 16.4.1911, in: Burger 1968, Brief 307, S. 323 ff.). Mutzenbecher: Gemeint ist hier Victor von Mutzenbecher (vgl. Anm. Brief 118). Ernest Jacques Thiel (1859–1947), schwedischer Bankdirektor, Mäzen, Kunstsammler. Ernest Thiel war seit 1905 für das Nietzsche-Archiv mäzenatisch tätig. 1905 beauftragte er Edvard Munch mit der Ausführung der Porträts von Friedrich Nietzsche und Elisabeth FörsterNietzsche. Zudem steuerte er 1908 ein Kapital in Höhe von 300.000 Mark zur Gründung der ›Stiftung Nietzsche-Archiv‹ in Weimar bei. Dr. Rich[ard]. M[oritz]. Meyer (1860–1914), Literaturhistoriker, Germanist, Philologe, seit 1887 Mitglied der Goethe-Gesellschaft, seit 1901 Professor für Literaturgeschichte an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1910 bis 1913 Vorstandsmitglied der ›Stiftung Nietzsche-Archiv‹. Richard Moritz Meyer, bekannt für seine Publikationen und Editionen zum Leben und Werk Johann Wolfgang von Goethes, stand seit 1892 in näherem Kontakt mit Elisabeth Förster-Nietzsche. 1913 veröffentlichte er eine Biographie über Friedrich Nietzsche, in deren Folge er noch im selben Jahr gegen Elisabeth Förster-Nietzsche prozessieren musste (vgl. Meyer, Richard Moritz: Nietzsche – Sein Leben und seine Werke, München 1913). monument Blanqui: Vgl. Anm. Brief 216. George Bernhard Shaw (1876–1950), irischer Schriftsteller. Herbert George Wells (1866–1946), englischer Schriftsteller. George Gilbert Aimé Murray (1866–1957), englischer Altphilologe, Übersetzer. Sir Alexander Walter Raleigh (1861–1922), englischer Kritiker, Essayist. Anatole France (eigentlich Jacques Anatole Thibault, 1844–1924), französischer Schriftsteller.
Briefe und Kommentare 559 Maurice Barrès (1862–1923), französischer Schriftsteller, Journalist, Politiker. Charles Maurras (1868–1952), französischer Schriftsteller, Journalist, Politiker.
307 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 3.2.1911 AML, FSX 504/163, Brief
lettre N° 2 Berlin le. 3.II11. Cher ami, voici une idée qui pourrait mettre d’accord Klinger et Maillol, sans froisser ni l’un ni l’autre. Le monument pourrait prendre comme thème principal la glorification des principes Dionysiaque et Apollinien. Le principe Apollinien serait représenté par une figure nue de Maillol, formant le centre du monument, le principe Dionysiaque par deux bas reliefs de Klinger aux côtés. Ceci répondrait exactement aux nécessités plastiques, car l’Apollinien ne peut être figuré que sous l’aspect d’une statue bien claire et bien »écrite«, le Dionysien, par contre, réclame le style plus libre du bas relief. En outre, le monument représenterait bien le mariage de l’esprit méditerranéen, apollinien, dans la personne de Maillol, avec l’esprit septentrional dionysiaque musical, dans la personne de Klinger. Vous, Belge, romano-germain, vous réuniriez les deux par votre architecture germano-classique. Il faut absolument que nous aboutissions à ce résultat. Il faudrait environ 26000 frcs pour Maillol, soit: 22 000 Marks 15 000 " pour Klinger (7500 par bas relief, ce qui est bien payé) et une vingtaine de mille, je pense, pour vous; soit environ 60000 Marks, d’abord garantis, et puis souscrit, ce qui ne tardera pas, ce sont des personnes de bonne volonté qui garantiraient chacun au moins 5000 M[arks]. Ne pourriez[-]vous écrire vous même à Osthaus, Bodenhausen, la bonne Wendelstadt, vos amis de Chemnitz, Wolff, votre ami à Lübeck (celui qui a les Rodins); voilà déjà 6 personnes qui sûrement ne refuseront pas. Avec moi et, je pense, Mme Förster elle-même, voilà déjà 40,000 M[arks]. de garantis. Nous aurions encore Rich[ard]. M[oritz]. Meyer, Thiel, et peut-être une ou deux autres personnes. Veuillez m’écrire cher ami ce que vous pensez de ces propositions. Bien amicalement HdeKessler. une idée: Wie aus dem Brief hervorgeht, handelt es sich noch immer um Vorüberlegungen in Bezug auf das Nietzsche-Denkmal. Kessler schrieb am selben Tag einen Brief an Elisabeth
560 Edition und Kommentar Förster-Nietzsche (vgl. Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster-Nietzsche, 3.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/BW 2710,3, in: Föhl 2013, S. 792). Julie Klara Marie Frieda Freifrau von Wendelstadt (geb. Gräfin von Degenfeld-Schonburg, in zweiter Ehe verh. und gesch. von Herwarth von Bittenfeld, 1871–1942). Julie Freifrau von Wendelstadt, Schwester von Dorothea Freifrau von Bodenhausen und Schwägerin von Ottonie von Degenfeld-Schonburg, bewohnte das Schloss Neubeuern am Inn und war eine gute Bekannte der Familie van de Velde. Dank ihrer liebevollen Gastfreundlichkeit hielten sich stets zahlreiche Gäste in ihrem Schloss auf, darunter gelegentlich auch Kessler (vgl. Brief 291, 294, 355, 398). Ihr Mann Jan Freiherr von Wendelstadt, Sohn eines Darmstädter Bankiers, war 1909 verstorben. vos amis de Chemnitz: Kessler bezieht sich hier auf Herbert und Fritz Esche, van de Veldes Auftraggeber und Freunde aus Chemnitz. votre ami à Lübeck: Gemeint ist der Augenarzt, Kunstsammler und Kunstförderer Dr. Max Linde aus Lübeck.
308 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 7.2.1911 AML, FSX 504/164, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
7.II.11. Cher ami, je déjeune avec vous chez Mme Förster demain, mercredi. Il serait très intéressant pour moi de voir vos plans, si vous en avez, pour le monument Nietzsche; je vous prie donc de les apporter, comme je dois repartir le soir même. Il me semble aussi, que nous devons nous efforcer de convaincre Mme Förster que seul un sculpteur de premier ordre, et, dans l’espèce, Maillol, ou Maillol flanqué de Klinger, peut rendre justice à son frère dans ce qu’il y aura de statuaire pour orner votre monument. Quant à l’argent, puisque Mme Förster semble ne pas vouloir de fonds de garantie, il faudra trouver d’autres moyens de remplir rapidement la caisse (surtout que; d’après votre lettre, nous devrons envisager une dépense supérieure à 120000 M: donc une dépense qui nous force de réunir environ 200000 M.) J’ai pensé à des représentations théâtrales: une à Paris organisée par Astruc, et peut-être des représentations analogues à Moscou (organisée par Diaghilew ou Stanislawski) à Londres (? peut-être?), à Vienne et dans quelques grandes villes allemandes. Aussi, une série de concerts (Ansorge, Strauss) de conférences (j’en ferai volontiers une ou deux) etc. Les souscriptions seules ne couvriront jamais une somme si importante. Mais pour un monument auquel vous et Maillol collaboreriez, tous les efforts doivent être faits. Les représentations théâtrales devraient rapporter environ 15 à 20000 Marks chacune (à Berlin et à Paris), les concerts
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peut[-]être 1000 à 2000 (Strauss à Paris, s’il voulait en donner un, bien plus); pour mes conférences, je crois pouvoir compter sur 500 à 600 Marks (c’est le prix que je demande et qu’on me donne d’ordinaire). Quant à ma souscription, je me règle sur Bodenhausen; donc 1000 M[arks]. Mais il faudra des efforts inouïs pour réunir 200000 M[arks]; quoique je pense que ce sera possible, si l’on procède de cette façon. – Il faudra aussi établir une liste de personnes auxquelles nous pouvons demander au moins 1000 M[arks]. chacune. Ceci serait à faire dès demain. Peut[-]être pourriez[-] vous en dresser une de votre côté, comme moi du mien. Je suis très curieux de connaître votre avis sur toutes ces questions, et surtout de voir vos plans, dont me parle Mme Förster. Aussi les plans de votre théâtre, que je ne connais pas encore. Bien amicalement HdeKessler. chez Mme Förster: Am 8. Februar 1911 fanden sich kurzfristig Kessler, van de Velde und Elisabeth Förster-Nietzsche im Nietzsche-Archiv zusammen, um das weitere Vorgehen in Bezug auf das zu planende Nietzsche-Denkmal zu besprechen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.2.1911). convaincre: Bereits in diesem frühen Projektstadium traten erste Meinungsverschiedenheiten zutage, wie aus dem Brief vom 5. Februar 1911 von Kessler an Elisabeth Förster-Nietzsche hervorgeht (vgl. Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster-Nietzsche, 5.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/BW 2710,3, in: Föhl 2013, S. 796). votre lettre: Van de Veldes Gegenbrief mit seinen Ausführungen zu Kosten und Gestalt des Nietzsche-Denkmals hat sich leider nicht erhalten. Elisabeth Förster-Nietzsche hatte er am 5. Februar 1911 wissen lassen: »Je n’ai pas pu me rendre chez Vous depuis que je suis rentré de Paris malgré le plus vif désir que je vais de vous entretenir au sujet du monument-Nietzsche! Et voici que hier j’ai reçu deux lettres à ce sujet!« (Henry van de Velde an Elisabeth FörsterNietzsche, 5.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/653,2, in: Föhl 2013, S. 1429). Serge Diaghilew (eigentlich Sergei Pawlowitsch Djagilew, 1872–1929), russischer Theater- und Ballettimpresario, Leiter der ›Ballets Russes‹. Konstantin Sergejewitsch Stanislawski (eigentlich Konstantin Sergejewitsch Alexejew, 1863– 1938), russischer Schauspieler, Theaterdirektor, Regisseur. Conrad Ansorge wurde Mitglied des Denkmal-Komitees (vgl. Anm. Briefe 122, 306). Richard Georg Strauss (1864–1949), deutscher Komponist, Dirigent. Richard Strauss trat am 8. Februar 1911 dem Denkmal-Komitee bei (Richard Strauss an Elisabeth Förster-Nietzsche, 8.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/2595, a).
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309 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 8.2.1911 AML, FSX 504/165, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
8.II.11 Cher ami, merci de votre bonne et charmante lettre. Comme je suis heureux de vous sentir à la tête de grands travaux qui donneront enfin votre mesure. On me demande souvent des nouvelles de votre théâtre, ici. Je crois que cette réalisation à Paris vous ouvrira bien des portes et finira par vous avoir de beaux travaux chez nous aussi: Quant au monument Nietzsche, je suis enchanté que vous sentiez comme moi pour Maillol. Il ne fait aucun doute pour moi que c’est Maillol qui doit avoir et qui aura la part principale au moins dans la sculpture du monument. J’en ferais du reste une condition de mon adhésion au comité (car, pour vous, heureusement que c’est une affaire réglée d’avance que votre participation.) Mais je crois, en effet, qu’il faudra trouver un moyen d’employer un sculpteur allemand à côté de Maillol et de préférence Klinger, puisqu’il est du comité. Je ne puis venir à Weimar en ce moment, mais j’y viendrai à la fin de ce mois, et j’y resterai tout le mois de mars et d’avril. Ne pourriez[-]vous pas passer par Berlin pour aller à Paris? Ce serait peut-être utile pour l’organisation de la souscription. Kippenberg me plaît beaucoup comme secrétaire. Il est énergique et sait bien organiser les choses. N’y aura-t-il pas une réunion du comité bientôt? Tâchez donc, quand vous verrez Mme Förster, de lui faire comprendre la valeur de Maillol et que c’est lui seul qui peut réaliser l’»Übermensch«, le Printemps héroïque, qui symboliserait l’élan de Nietzsche. Elle m’a répondu par une lettre assez ambiguë et assez bizarre à ma proposition (Maillol – Klinger pour la sculpture); je crains qu’elle n’ait dans la tête quelque sculpteur de quinzième ordre comme Kolbe ou Krause [sic], parcequ’il [sic] est »Nietzschekonform«. Ce serait un désastre pour Nietzsche, pour vous, pour nous tous, si on aboutissait à un résultat piteux pour la sculpture, parceque le favoritisme de Mme Förster s’était fait valoir. Il nous faut Maillol, et rien d’autre que Maillol pour le centre même du monument. Je suis absolument résolu à ne pas sortir de là. Bien des amitiés, cher ami, et saluez bien amicalement aussi, je vous en prie, Mme Förster. Affectueusement HdeKessler Ma sœur voudrait tant vous voir de temps en temps, quand vous êtes à Paris; mais elle ne sait jamais quand vous y êtes. Faites[-]lui donc signe, cher ami. La princesse de Faucigny Cystria s’intéresse aussi beaucoup à vous.
Briefe und Kommentare 563 Brief: Van de Velde zitiert diesen Brief auszugsweise in den Manuskripten seiner Autobiographie (Henry van de Velde, AML, FSX 2, 738; Velde 1999, S. 283). lettre: Van de Veldes Gegenbrief hat sich nicht erhalten. votre théâtre: Bezieht sich auf das Projekt zum Bau des Théâtre des Champs-Élysées in Paris (vgl. Anm. Brief 325). j’y viendrai: Kessler kam Ende Februar auf einen Sprung in Weimar vorbei, »um Hardt seine ›Gudrun‹ lesen zu hören«. Dann hielt er sich erst wieder vom 27. bis 30. April für kurze Zeit in Weimar auf (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.2.1911, 27.–30.4.1911). une réunion: Die erste Sitzung des Arbeitsauschusses fand am 12. März 1911 in Berlin statt (vgl. Anm. Brief 311). lettre: Elisabeth Förster-Nietzsche hatte Kessler hierzu am 6. Februar 1911 geschrieben (vgl. Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 6.2.1911, GSA, Bestand NA, 72/731a, in: Föhl 2013, S. 797 f.). Georg Kolbe (1877–1947), deutscher Bildhauer, Maler. Van de Velde und Kessler kannten Georg Kolbe seit den frühen Weimarer Jahren. Kolbe stand in engem Kontakt mit dem Nietzsche-Archiv und gehörte 1905 zu den ersten Stipendiaten der Villa Romana. Er modellierte 1913 im Auftrag von Karl Ernst Osthaus das Porträt von van de Velde und 1916 das Porträt von Kessler. Kolbe, der stets in der Gunst von Elisabeth Förster-Nietzsche stand, erhielt 1932 den Auftrag zur bildhauerischen Ausstattung der von Paul Schultze-Naumburg projektierten Nietzsche-Gedächtnishalle in Weimar. Krause [sic]: August Friedrich Johann Kraus (1868–1934), deutscher Bildhauer. Marie Louise Léonie [P]rincesse de Faucigny Cystria de Faucigny-Lucinge et Coligny (geb. Mortier de Trévise, 1866–1939).
310 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 28.2.1911 AML, FSX 504/166, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
28.II.11. Cher ami, je pense, que vous devez être de retour à Weimar, et je voudrais vous faire savoir ce qui s’est passé dans l’affaire du monument Nietzsche depuis que nous nous sommes vus. Donc 1) nous sommes tous tombés d’accord, que ce qu’il nous faut comme terrain, n’est pas un petit morceau du terrain au dessous de l’Archiv, mais le terrain tout entier, pour en faire un Nietzsche Park comme encadrement à votre monument. 2) Kippenberg fait des efforts pour décider Biermann, le nain millionnaire de Brême, à acheter ce terrain et à le donner au comité Nietzsche. Mais
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même si Biermann se refuse à faire ce don, je crois que nous parviendrons sans trop de difficultés à nous procurer la somme nécessaire. 3) mon idée serait de faire de ce terrain, ou de la plus grande partie de ce terrain, ce que les Grecs appelaient un τέμενος à Nietzsche avec votre petit temple comme centre. Ce qui caractérisait le τέμενος, c’était qu’un terrain découvert, d’une certaine grandeur, devenait en entier le monument. C’est donc un mariage intime entre de la verdure, un petit bois, un Hain (un »bois sacre«) et un petit temple avec ses terrasses, ses escaliers, ses statues etc. Dans ce mariage le mur de clôture qui entoure le bois, qui sépare le terrain consacré au héros de la terre profane, devient un élément très vivant de l’ensemble. Le τέμενος, c’est un tout mélangé d’art et de verdure, de soleil et de paysage, comme on n’en voit aujourdhui [sic] qu’au Japon. Les temples grandioses de Nikko avec leurs escaliers solennels, leurs grandes allées de pins, leurs lanternes sacrées sont des τέμενος consacrés aux ancêtres des Shoguns, Iyeasu [sic] et Iyemitsu [sic]. Nous devrions, avec la belle vue et le bel emplacement en pente de terrain sous le Nietzsche Archiv faire quelquechose [sic] de semblable en petit pour Nietzsche. – Il y a du reste près de Berlin, à Wannsee, une sorte de petit (tout petit) τέμενος consacrée à Helmholtz et fait par Hildebrand. Si vous ne le connaissez pas, je vous engagerais à le visiter un jour que vous aurez un instant. Le mur de clôture est très digne et d’un bel effet. 4) Maillol accepte de faire la statue, mais il désirerait vivement, que vous lui montriez les plans, pour qu’elle s’adapte. Du reste, je l’ai pressenti seulement; il n’y a rien d’arrêté. À revoir au 10, cher ami, et veuillez dire bien des choses de ma part à Mme Vandevelde. Bien amicalement HdeKessler. Bodenhausen est ici avec sa femme jusqu’à la fin de la semaine. Brief: Kessler erwähnte diesen Brief im Tagebuch (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.2.1911). de retour: Van de Velde hielt sich zu diesem Zeitpunkt noch immer in Paris auf, um die Entwurfszeichnungen für das Théatre des Champs-Élysées fertigzustellen. Seiner Frau schrieb er am 28. Februar 1911 aus Paris: »Je néglige mes autres travaux mais qui puis-je?« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 28.2.1911, AML, FSX 784). Leopold Otto Heinrich Biermann (1875–1922), Maler, Mäzen, Sammler. Leopold Biermann war als Sohn des sogenannten ›Zigarrenkönigs‹ Friedrich Ludwig Biermann sehr vermögend. Er trat lediglich dem Komitee zum Nietzsche-Denkmal bei (vgl. Anm. Brief 306; Hansen 2001, S. 189–195). τέμενος: Temenos (griech.) bezeichnet den umgrenzten Bezirk eines Heiligtums.
Briefe und Kommentare 565 Nikko: Die japanische Stadt Nikko befindet sich 120 km nördlich von Tokyo auf Honshu. Kessler hatte die Stadt und ihre Heiligtümer am 18. und 19. April 1892 besichtigt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 18./19.4.1892). Shogun: Ehemals Titel für japanische Kronfeldherrn bzw. Militärherrscher. Iyeasu [sic]: Gemeint ist hier das Mausoleum für den Shogun und Begründer des TokugawaRegimes Tokugawa Ieyasu, der 1617 in Nikko beigesetzt wurde. Kessler besichtigte die Anlage am 19. April 1892 und beschrieb sie in seinem Tagebuch ausführlich (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 19.4.1892). Iyemitsu [sic]: Auch den Tempel des Tokugawa Iemitsu hatte Kessler besucht (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 18.4.1892). Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz (1821–1894), deutscher Physiker, Physiologe. petit τέμενος: Bezieht sich auf die von Adolf von Hildebrand entworfene Grabstätte für Hermann von Helmholtz in Berlin Wannsee, Neuer Friedhof Wannsee, Lindenstraße 1/2.
311 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, Berlin, 4.3.1911 AML, FSX 504/167, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
4.III 11. Chère madame, je regrette beaucoup de ne pas pouvoir venir le 15; malheureusement, j’ai du monde chez moi ce jour[-]là. Je suis vraiment désolé de manquer ce beau concert; et surtout de ne pas passer la soirée avec vous et Henry. Puis-je vous prier de dire à Henry, que nos affaires pour le monument Nietzsche marchent bien. J’ai bon espoir que nous trouverons trois ou quatre personnes généreuses qui nous feront cadeau du grand terrain en dessous du Nietzsche Archiv. Nous aurons une séance du petit comité le dimanche 12 mars à 11 heures à l’Automobile Club à Berlin. Si Henry croit utile d’y assister, je le prie de vouloir bien me prévenir pour que je lui fasse parvenir une invitation officielle du comité. Veuillez croire, chère madame, à l’expression de mes sentiments de vive et respectueuse amitié. HdeKessler. le 15: Es handelt sich um eine von Maria van de Velde organisierte Soiree im Haus ›Hohe Pappeln‹ mit anschließendem Konzert am 15. März 1911 (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 6.3.1911, AML, FSX 784). Während im Hause van de Velde die musikalische Soiree stattfand, sah sich Kessler die Faust-Premiere unter Leitung von Max Reinhardt im Deutschen Theater in Berlin an (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 15.3.1911).
566 Edition und Kommentar une séance: Der ›Arbeitsausschuß für die Errichtung des Nietzsche-Denkmals‹ tagte am 12. März 1911 in Berlin. Kessler notierte: »Erste Sitzung des Nietzsche Komités: Kohler, Rathenau, Raoul Richter, Ich. Ich zum Präsidenten gewählt.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 12.3.1911). Laut Protokoll wurde beschlossen, das Ehrenpräsidium Fürst von Bülow anzubieten, die Abwicklung der Finanzierung dem Bankhaus Bleichröder und der Privatbank zu Gotha zu übertragen und das Komitee bis auf 300 Mitglieder zu vermehren. Die bevorstehenden Ausgaben wurden mittlerweile auf 400.000 Mark beziffert (vgl. Stamm 1973/1975, S. 308). assister: Van de Velde konnte an der ersten Sitzung des Arbeitsausschusses nicht teilnehmen.
312 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 1.4.1911 AML, FSX 504/168, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
1.IV 11. Cher ami, je ne sais si vous êtes à Weimar; car je n’ai pas reçu de réponse à la convention que je vous ai envoyé [sic], par l’entremise de Mme Vandevelde, pour la séance du comité Nietzsche, et Klinger me dit, qu’on lui a retourné une lettre qu’il avait expédiée à Paris rue Boccador, avec la notice »Inconnu«. Enfin, à tout hasard, je vous écris; car il s’agit de choses vraiment importantes, si nous voulons réaliser le monument Nietzsche. Donc, j’ai été voir Klinger, hier, à Leipzig, à propos de ce monument, et il m’a dit, qu’avant de s’engager officiellement, il fallait qu’il vous voie et qu’il s’entende avec vous, à propos des dimensions etc. que vous comptez donner au temple. Il a absolument refusé de rien me promettre avant cette entrevue. D’un autre côté, je ne puis rien faire, surtout à Leipzig, où je compte trouver de nombreux gros souscripteurs, avant d’avoir l’adhésion de Klinger. Donc, il faut absolument que vous vous rencontriez avec lui aussitôt que possible. Et comme il tient à vous montrer le monument Abbé, il voudrait que nous nous rencontrions tous les trois chez lui le mercredi 12 avril (ou bien, le lendemain, jeudi, si ça vous va mieux.) Veuillez, cher ami, me répondre, si ce rendez[-]vous à Leipzig ce jour[-]là vous agrée? – Quant au monument même, ne serait[-]il pas à désirer, que l’intérieur en soit assez grand pour pouvoir y asseoir 100 à 150 personnes (dimensions d’une chapelle) et y célébrer par exemple l’anniversaire de Nietzsche par une conférence ou de la musique? Veuillez y réfléchir, cher ami. Et si c’est possible, faire une petite esquisse provisoire, que vous pourriez montrer à Klinger. Ce n’est que comme ça, c’est[-]à[-]dire sur une esquisse, que nous arriverons à un résultat avec lui. Je n’ai rien pu en tirer de toute la journée, hier; il revenait toujours à ses moutons, à cette »esquisse«, qu’il réclamait avant de se décider. Et sans Klinger, toute l’affaire est gravement
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compromise, vous le sentez aussi bien que moi. Il m’a semblé, du reste, qu’il était un peu contrarié de ne pas avoir obtenu de réponse de vous à propos du monument Abbé. C’est une indication que je crois devoir vous donner. Mais cette mauvaise humeur s’est dissipée plus tard, et il m’a répété, à plusieurs reprises, qu’il trouvait notre projet fort beau en principe, mais que, sans esquisse, il lui était impossible de rien promettre. Donc, cher ami, j’espère que vous pouvez venir à Leipzig mercredi en huit; je m’y rendrai de Berlin. – Autre chose: le 16, dimanche de Pâques, Richard Strauss vient chez moi, et il désire beaucoup vous voir, pour vous donner certaines indications pour votre théâtre, les petits détails d’aménagement de l’orchestre, qui m’ont paru fort intéressants. J’espère que vous pouvez être à Weimar le 16! Mais veuillez me dire, si je puis y compter? Mes respects, je vous prie, à Madame Vandevelde. Bien amicalement. HdeKessler j’ai été voir Klinger: Kessler war am 31. März 1911 zu Besuch bei Max Klinger in Leipzig. Im Tagebuch hielt er hierzu fest: »Zu Klinger und das Nietzsche Denkmal besprochen. Er gab noch keine bestimmte Zusage; er müsse erst eine Skizze von Vandevelde sehen. Und wenn er es übernehme, könne er doch inbetreff der Zeit, wann er es vollenden werde, Nichts versprechen. Ich: die Zeit spiele keine Rolle. Klinger: ›Ja, man kommt aber doch in die Jahre, wo man an so Etwas denken muss.‹ Es ist das erste Mal, dass ich bei Klinger deutlich das Gefühl des Alterns habe.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 31.3.1911). monument Abbé: Vgl. Anm. Brief 202. 12 avril: Das Zusammentreffen zwischen Kessler, van de Velde und Klinger in Leipzig wurde auf den 5. April 1911 vorverlegt (vgl. Brief 314; vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.4.1911). esquisse provisoire: Aufgrund zahlreicher auswärtiger Termine hatte van de Velde noch immer keine Skizze präsentieren können. le 16: Das von Kessler avisierte Treffen am 16. April 1911 fand nicht statt. Van de Velde hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Frankreich auf (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 18.4.1911, AML, FSX 784).
313 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 3.4.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Telegramm
arrive de magdebourg serai mercredi [à] leipzig vous ecris [sic] henry
568 Edition und Kommentar Telegramm: Das Telegramm ist adressiert an »kessler 28 köthenerstr. berlin« und gestempelt mit »Berlin W. 3.4.11. 3.20 9a«. Außerdem trägt es die Vermerke »Aufgenommen von Weim[ar] den 3/4 1911 um 3 Uhr 8 Min durch Richter« und »Telegramm aus Weimar 13 W. den 3/4 um 3 Uhr«. mercredi: Am 5. April 1911 fand das geplante Zusammentreffen zwischen Kessler, van de Velde und Klinger in Leipzig statt (vgl. Briefe 312, 314).
314 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 5.4.1911 AML, FSX 504/169, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
5. IV 11. Cher ami, en réfléchissant, il me semble, qu’en effet, l’orientation du petit temple est une question de première importance, qu’il faudra résoudre dès le commencement. Je crains un peu que l’orientation vers la vallée (à laquelle j’ai toujours pensé en premier lieu) étant une orientation au Nord, ça nous donnerait un éclairage fâcheux pour la façade et la statue de Maillol, qui paraîtront toujours maussades, et aussi pour l’intérieur, si l’éclairage principal doit parvenir de la fenêtre au[-]dessus de la porte d’entrée (l’éclairage du Nord: horreur!). Il y a aussi la question de l’allée d’arbres conduisant au temple, allée que je me plais à me représenter sollennelle [sic] et assez longue, qui serait bien écourtée en prenant le terrain en travers, au lieu de le prendre en biais, en partant de la Louisenstrasse [sic]. Tertio, un temple avec des terrasses en éperon sur la vallée, nécessiterait des sous bassements considérables. Peut-être y aurait-il donc bien de songer plutôt à un temple orienté dans le sens de la longueur de terrain, c’est[-]à[-]dire avec la façade orientée à l’Est ou au Nord Est et l’abside à l’Ouest (donc dans le sens contraire aux Eglises Chrétiennes, orientation »Aube Christ«, mais qui, pour l’éclairage, revient presque au même que l’orientation orthodoxe). 2) sur les gradins, il faudra ménager la place primo des pieds, et secondo de la partie de leur corps sur laquelle s’assiéront les personnes placées devant ces pieds. Les gradins du stade d’Athènes sont très commodes sous ce rapport. On pourrait en trouver les dimensions! 3) ce qui se rapproche le plus de ce que nous voulions, même comme éclairage, ce sont les admirables halls des Collèges de Cambridge et d’Oxford. Ne pourriez-vous pas y pousser une pointe de Paris, bientôt? 5 jours y suffiraient. 4) Ce qui l’importera le plus à Maillol ce sera la hauteur et la largeur de la façade, devant laquelle sa statue se détachera; car sûrement qu’il voudra y
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proportionner sa statue. Donc, voilà encore un point sur lequel il faudra arriver à un résultat définitif bientôt. Nota: on pourrait aussi mettre la façade à l’Ouest et conduire l’allée qui part de la Louisenstrasse [sic]de façon à ce qu’elle arrive de côté sur la terrasse devant le temple et la statue de Maillol. Il me semble même que ce serait plus impressionnant, plus mystérieux, et la terrasse devant le temple plongerait alors sur la vallée, au lieu de ne regarder que la Louisenstrasse [sic]. La statue de Maillol formerait alors un admirable »point de vue« pour l’allée, et on ne découvrirait le Temple et la vue qu’arrivé sur la terrasse: belle impression. (voir le croquis, si on peut appeler ça un »croquis«)
Ouest (orienté sur le Bismarckturm du Ettersberg, arrière lequel se couche le soleil) J’ai dessiné l’orientation un peu trop perpendiculairement à la colline; il devrait être tourné un peu plus à droite, c’est[-]à[-]dire un peu plus à l’Ouest. L’allée devrait pointer tout droit sur la statue, qui se présenterait
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ainsi d’abord de profil. J’ai été heureux de passer la journée avec vous. Veuillez présenter mes respects à Mme Maillol. Bien amicalement HdeKessler réfléchissant: Wie aus dem vorliegenden Brief hervorgeht, war Kessler noch immer mit theoretischen Vorüberlegungen zur Umsetzung des Nietzsche-Denkmals beschäftigt. Wenngleich er eine erste Skizze präsentiert und auch konkrete Vorstellungen zur Gestalt und Lage des Tempels unterhalb des Nietzsche-Archivs angibt, sind die Grundlagen noch nicht geschaffen. Weder die Grundstücksfrage ist geklärt, noch sind die Aufwendungen und die Auswahl der beteiligten Künstler geregelt. Luisenstrasse: Die Luisenstraße (heute Humboldtstraße), eine der steilsten Straßen innerhalb Weimars, war 1893 nach Großherzogin Luise von Sachsen-Weimar-Eisenach benannt worden (Wagner 1996, S. 83). Bismarckturm du Ettersberg: Der 43 m hohe Bismarckturm am südlichen Hang des Ettersberges wurde 1900 nach Plänen von Ernst Kriesche errichtet, am 27. Oktober 1901 eingeweiht und 1949 gesprengt. An seiner ehemaligen Stelle befindet sich heute der Glockenturm der Gedenkstätte Buchenwald (Günther/ Huschke/ Steiner 1993, S. 45 f.; Rößner 1999, S. 435–440). de passer la journée avec vous: Kessler und van de Velde hatten sich am 5. April 1911 bei Klinger in Leipzig eingefunden, um sich hinsichtlich des Nietzsche-Denkmals auszutauschen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.4.1911).
315 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 6.4.1911 AML, FSX 504/170, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
6 IV.11. Cher ami, j’ai oublié de vous prier de demander à Wolff d’adhérer au comité. Pourriez[-]vous le faire, si vous le voyez à Munich. Il serait bon aussi qu’il donne une liste de personnes riches et intelligentes à Munich qui pourraient faire partie du comité. Il s’agirait de personnes pouvant donner vraiment la forte somme (1000 Marks au minimum). Le mieux serait qu’il leur demande personnellement leur adhésion. – J’ai pensé aussi à cette très belle pierre grise italienne que Brunelleschi et tous les architectes Italiens du Quattrocento emploient tant. On pourrait peut[-] être en faire les gradins et toute la partie vivante, organique de la salle, son ossature; comme cadre pour le marbre blanc des reliefs et des inscriptions, l’effet pourrait en être très digne, très fin, et on éviterait l’aspect »trop riche«, »salle de bal«, l’aspect »milliardaire«, que donnent facilement les
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matière trop précieuses. Quand vous irez en Italie, voyez donc cette pierre; on doit encore en trouver facilement. Elle est d’un gris mat, d’un gris »souris« et d’un ton tout à fait fin et délicieux. Bien amicalement HdeKessler. Wolff: Gemeint ist Dr. Alfred Wolff (vgl. Anm. Brief 204). à Munich: Van de Velde fuhr am 8. April 1911 nach München und logierte für ein paar Tage im Regina-Palast-Hotel am Maximiliansplatz, um danach nach Paris weiterzureisen. Grund des Aufenthalts in München war ein Besuch bei Alfred Wolff. Zudem traf er sich mit Else von Guaita-Lampe, Sissi Brentano sowie Maria und Elisabeth van Rysselberghe. Herbert Esche begegnete er zufällig beim Hotelfriseur (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 9.4.1911, AML, FSX 784). pierre grise: Gemeint ist der graue italienische Sandstein pietra serena.
316 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 12.4.1911 AML, FSX 504/171, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
12.IV 11. Cher ami, voici un article sur l’architecture chinoise qui me paraît assez suggestif; surtout cette liaison intime entre l’architecture et le paysage, qu’il faudra réaliser à Weimar. – J’ai réfléchi, que dans ce monument Nietzsche, il faudra surtout donner des représentations musicales (Quartett, chant etc) et des danses. Il faudra donc, au bout où sera placé le buste de Nietzsche, une espèce de petite scène, ou plutôt une petite plateforme surélevée de deux ou de trois marches comme dans les églises, auprès de l’autel. Il faudrait pouvoir placer, en tout, 200 à 250 spectateurs: une centaine sur les gradins à droite et à gauche et 100 à 150 dans la salle, sur des chaises. – Nous avons l’adhésion de Lichnowsky, ce qui me paraît assez important pour un certain cercle. Dès que vous aurez une esquisse, allez donc voir Maillol, cher ami. Il m’a écrit pour me dire, qu’il tenait beaucoup à s’entendre avec vous, pour que sa statue et votre architecture soient bien en rapport. Bien amicalement HdeKessler.
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Je serai à Weimar à partir de samedi. J’étudierai la question du terrain. Peut[-]être trouverons nous plus loin, derrière la »Windmühle« vers le point trigonométrique. Il y a là une hauteur surplombant deux vallées. Mais qui en est le propriétaire? Brief: Dieser Brief wird von van de Velde in den Manuskripten seiner Autobiographie auszugsweise wiedergegeben (Henry van de Velde, AML, FSX 2, 740; Velde 1999, S. 283). article: Der Artikel liegt dem vorliegenden Brief nicht mehr bei. Karl Max Fürst von Lichnowsky (1860–1928), deutscher Diplomat, von 1899 bis 1904 Vortragender Rat und Personaldezernent im Auswärtigen Amt, von 1912 bis 1914 Botschafter in London. Fürst von Lichnowsky, den Kessler seit den 1890er Jahren kannte, trat 1911 dem Denkmal-Komitee bei (vgl. Anm. Brief 306). Diesbezüglich schrieb Kessler an von Hofmannsthal: »Sehr angenehm ist mir für unsere Werbung in der Gesellschaft, daß vor einigen Tagen Lichnovsky beigetreten ist; das bricht den Bann gegenüber den Hoch Tories und Gesellschaftssnobs.« (Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 16.4.1911, in: Burger 1968, Briefe 307, S. 323; vgl. Anm. Briefe 111, 113). samedi: Kessler kam erst am 27. April 1911 nach Weimar (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 27.4.1911). question du terrain: Vgl. Briefe 317, 318. Windmühle: Gemeint ist die auf der Anhöhe vor Niedergrunstedt gelegene Windmühle oberhalb des Grunstedter Wegs (heute: Windmühlenstraße) in Weimar. Die Windmühle war bis 1880 in Betrieb und wurde später in die Villa des Gauleiters Fritz Sauckel integriert. Kessler inspizierte am 28. April 1911 das Gelände und konstatierte danach: »Hinter der Windmühle Nichts.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.4.1911).
317 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 14.4.1911 AML, FSX 504/172, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
14.IV 11. Mon cher ami, avec l’âge, l’idée de notre monument prend de l’embonpoint, elle grossit. Voici du nouveau. Le terrain au[-]dessous de l’Archiv devant être écarté, rien ne nous empêche de rechercher un terrain qui répondrait aussi exactement que possible du [sic: au] monument idéal sur lequel nous nous serions entendus. Mais ce monument idéal, je le vois maintenant beaucoup plus intéressant, surtout plus vivant, greffé d’une façon bien plus intime et sur la pensée de Nietzsche et sur la vie moderne, que ce que nous avions envisagé jusqu’à présent. C’est[-]à[-]dire, que je conserve exactement tout ce dont nous avions parlé, mais que j’élargis
Briefe und Kommentare 573
cette conception et la rends vraiment vivante, en adjoignant au temple (ne sursautez pas, cher ami) un stade, un stade, où auraient lieu, tous les ans, ou plusieurs fois par an, des courses à pied, des luttes, des jeux etc. Nietzsche a été le premier grand penseur moderne à prêcher la beauté de la force et la joie de se sentir vivre. C’est donc réaliser sa pensée, qu’attirer vers son monument la jeunesse et la force, comme c’était réaliser la pensée du Christ que fonder un hôpital auprès d’une église. Et voici que cette idée nous permet de »taper« tous les Sportvereine, tous ceux qui s’intéressent aux Sports, et de jeter un pont entre la culture du corps et celle de l’esprit sur cette colline qui devenait être une »colline sacrée«, une fois que nous y aurons établi notre temple et nos jeux. Rathenau et Julius Stern approuvent de toutes leurs forces cette idée, tous les deux m’ont dit, que nous trouverions beaucoup plus facilement de l’argent, en nous présentant avec ce plan vivant et intéressant, que si nous demandions tout simplement à faire »un monument«. Donc, jeux au[-]dehors, danses en dedans, voilà la vie à laquelle il faut créer un cadre. Voici à peu près le schéma idéal que je vois
Comme dimensions: le Feststrasse devrait avoir environ 500 à 800 mètres de long, montant en pente douce, avec des marches à de certains intervalles.
574 Edition und Kommentar
Terrasse devant le temple donnant vue sur Weimar, plus grande largeur, de la Feststrasse à la porte du temple, environ 40 mètres Temple: environ 40 mètres. Stade: longueur de l’arène: 185 mètres (le stade grec avait environ 184,50) gradins du stade adossés à une colline environ 100 m en tout: longueur du terrain 1000 à 1200 mètres. en tout: largeur du terrain environ 400 mètres. Il nous faudrait donc une bande de terrain sur la pente d’une colline, d’environ 1000 à 1200 mètres de long, sur 400 mètres de large. Il me semble, qu’il y [a] sur la route qui passe derrière le cimetière, un peu plus loin que celui-ci, des terrains qui répondraient assez à ce que nous chercherons. Il serait évidemment à désirer, que la terrasse du temple et du stade soit déjà un peu marquée dans le mouvement du terrain même, et, qu’en outre, les gradins du stade puissent s’adosser à une pente naturelle. Le plus important, maintenant, si vous donnez votre adhésion à cet élargissement de notre plan, ce serait de chercher un terrain, et de faire, alors, aussi tôt [sic] que possible des croquis, pour qu’on puisse les montrer aux gens auxquels on demande de l’argent. Ceci est tout à fait important; car on ne peut emballer les gens que sur ce qu’on leur montre, et non sur des idées en l’air. Je ne pense pas que le stade, qui pourrait être modeste, dans ce sens, qu’on n’y mettrait que les gradins indispensables, pour commencer, et qu’on laisserait de la place pour en ajouter des rangées, à fur et à mesure, devrait coûter plus de 200000 à 300000 Marks; ce qui nous forcerait donc à trouver 700,000 M. en tout au lieu de 400000. Je serai à Weimar vers la fin de cette semaine (vers le 21, 22). Bien amicalement HdeKessler Si vous avez un instant, dites[-]moi donc si vous approuvez ces projets. Brief: Van de Velde zitierte diesen Brief auszugsweise in den Manuskripten seiner Autobiographie (Henry van de Velde, AML, FSX 2, 740, 741; Velde 1999, S. 283 f.). Kessler wiederum schrieb Hofmannsthal einen ausführlichen Brief zum selben Thema, in dem er alle hier benannten Aspekte aufgriff (Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 16.4.1911, in: Burger 1968, Briefe 307, S. 323–326). terrain: Die Idee, das Grundstück unterhalb des Nietzsche-Archivs für das Nietzsche-Denkmal zu nutzen, hatte sich aufgrund des zu hohen Grundstückspreises (140.000 Mark) des Eigentümers Arno Krehan zerschlagen (vgl. Anm. Brief 318). Zudem war es im Hintergrund erneut zu Missverständnissen und Unannehmlichkeiten gekommen, die – wie so oft – von Elisabeth Förster-Nietzsche ausgingen. Am 2. Mai 1911 schrieb sie in diesem Kontext einen Brief an Kessler (vgl. Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler, 2.5.1911, DLA, in: Föhl 2013, S. 852 f.). Kessler wiederum hielt hierzu im Tagebuch fest: »Die Verstimmung kam daher, dass sie aus einem Briefe des Grundstücksbesitzers Krehan geschlossen hatte, Vandevelde habe das
Briefe und Kommentare 575 Stadion Projekt angeregt, und wir hätten dann ›hinter ihrem Rücken‹ Projekte gemacht. Sie stimmte aber, ohne viele Umstände zu machen, dem Stadion Projekt doch bald bei unter der Bedingung, dass die ganze Anlage zur alleinigen Verfügung (also wohl im Besitz) der Nietzsche Stiftung bleibe.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.4.1911). Krehan schrieb dagegen am 11. Mai 1911 an die Geschäftsstelle des Nietzsche-Denkmal-Komitees: »Hiermit bestätige ich Ihr geehrtes Schreiben vom 3. ds. Mts. und bitte Sie, mir die am 7. ds. Mts. an Herrn Professor van de Velde für das Komitee ausgehändigten 6 Photographien und 1 Planzeichnung von meinem Gelände baldigst zurücksenden zu wollen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch feststellen, daß ich Frau Dr. Förster-Nietzsche ein Stück Land vor ihrem Haus zur Erhaltung ihrer freien Aussicht und zur möglichen Schaffung einer monumentalen Treppenanlage zum Archiv, vielleicht mit Denkmal zum Selbstkostenpreis zur Verfügung gestellt hatte und dies ihr noch mit Brief vom 19. April ds. Js. bestätigt habe. Die Differenz sollte bei Abnahme eines größeren Stückes Land für das Project des Komitees in Abrechnung gebracht werden. Mit Brief vom 1. Mai ds. Js. habe ich auch Frau Dr. Förster noch die Mitteilung gemacht – da ich Herrn Professor van de Velde noch verreist hielt –, daß ich infolge Fallenlassens des größten Teils meiner Pläne für eine künstlerische Ausgestaltung des Geländes, wie die umschließenden Straßen- bzw. Wegeteile, Errichtung eines öffentlichen Zierbrunnens aus Kalkstein, ferner wegen günstigerer Hypothekenverhältnisse, Fragen der Entwässerung des restlichen Geländes usw. jetzt einen wesentlich billigeren Preis für das gewünschte Areal stellen könne, daß aber auch der anfangs normierte Preis und die beigefügten Bedingungen lediglich als eine Grundlage für die weiteren Verhandlungen anzusehen seien, was letzteres ich auch Herrn Professor van de Velde bei den mündlichen Verhandlungen zum Ausdruck gebracht habe.« (Arno Krehan an Harry Graf Kessler [Geschäftsstelle des Nietzsche-Denkmal-Komitees], 11.5.1911, DLA). Krehan baute wenig später ein Haus auf den Hang unterhalb des Nietzsche-Archivs, was Elisabeth Förster-Nietzsche im Oktober 1913 zu folgender Äußerung gegenüber van de Velde veranlasste: »Inzwischen fragte ich mich, warum ich jetzt – wie ich gar nicht leugnen will – in solchen Zorn geraten bin? Da ist nun jedenfalls das schauderhafte Haus von Krehan mit dran Schuld, das mich jeden Morgen begrüßt und ärgert, und dann noch oft am Tage. Wenn ich mir dann sage, wie schön Alles hätte werden können, wenn es bei dem ursprünglichen Plan geblieben wäre, dann kommen eben jene zornige Empfindungen, die ich neulich ausgedrückt habe.« (Elisabeth Förster-Nietzsche an Henry van de Velde, 9.10.1913, AML, FSX 403, in: Föhl 2013, S. 1494 f.). Julius Stern: Kessler hatte Stern am 13. April 1911 getroffen und notiert: »Julius Stern meinen Plan entwickelt, das Nietzschedenkmal um ein Stadion zu erweitern und so daraus Etwas lebendig in unsere Kultur Eingreifendes zu machen, indem wieder im Nietzscheschen Sinne die höchste körperliche Kraft und Schönheit mit hohen geistigen Erinnerungen und Versprechungen zusammengebracht werden. Stern billigte den Plan nachdrücklich.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 13.4.1911; vgl. Anm. Brief 106). route: Gemeint ist die über Gelmeroda nach Bad Berka führende Berkaer Staatschaussee (heute: Berkaer Straße). cimetière: Bezieht sich auf den Historischen Friedhof bzw. Städtischen Friedhof in Weimars Südstadt. semaine: Vgl. Anm. Brief 316.
576 Edition und Kommentar
318 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 18.4.1911 AML, FSX 504/173, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
18.IV 11 Mon cher ami, je n’ai reçu aucune lettre de Thomas; mais il va sans dire, que je ferai tout ce que je pourrai pour être utile à son protégé, dès que j’aurai les renseignements nécessaires. Je ne vois du reste que Walter Rathenau qui pourrait rendre ce service au jeune homme, de le recommander auprès de la A.E.G.; et c’est à lui que je m’adresserai. – Je suis curieux de savoir ce que vous pensez de notre plan du monument – stade. Il me semble que, comme architecture, ce pourrait être superbe; et financièrement, d’après l’opinion de Rathenau et de Julius Stern, auxquels seuls j’en ai parlé, (voulant d’abord avoir votre opinion) l’argent se trouvera beaucoup plus facilement pour cette entreprise que pour un monument-monument, un monument mort. Je serai à Weimar à partir de lundi prochain; donc nous y serons ensemble. Dès que vous aurez une aprèsmidi [sic], je voudrais aller à la recherche de terrain. Il nous faudra environ 1000 ou 1200 mètres sur 400, donc environ 10 à 12 Morgen (40 à 48 hectares). En allant sur la route de Gelmerode [sic] (la route entourant le cimetière) nous trouverons un terrain de cette superficie à un prix qui ne dépassera probablement pas celui que nous demande Krehan pour le petit terrain au[-]dessous de l’Archiv. Une fois que nous serons fixés sur le terrain, je voudrais immédiatement entrer en pourparler avec le propriétaire (peut-être par une tierce personne?) et faire un prix, c’est[-] à[-]dire obtenir une »option« de six mois pour ce terrain. Là[-]dessus vous dresseriez vos plans, vous feriez des croquis et peut[-]être un petit modèle, et alors (en leur montrant vos croquis) je demanderais aux financiers d’acheter, provisoirement à leurs frais, ce terrain. C’est alors, sur ce fondement, avec cette terre et ces plans dans notre bagage, que je commencerais la propagande sérieuse. Mais écrivez-moi un mot, cher ami, pour me dire si oui ou non vous approuvez l’idée. Bien amicalement HdeKessler. jeune homme: Van de Veldes Gegenbrief hat sich nicht erhalten. Es kann daher nicht rückgeschlossen werden, um wen es sich hier handelt. lundi prochain: Kessler traf am 27. April 1911 in Weimar ein (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 27.4.1911).
Briefe und Kommentare 577 à la recherche de terrain: Kessler machte sich gemäß seiner Ankündigung am 28. April 1911 zunächst allein, später mit van de Velde und Elisabeth Förster-Nietzsche auf die Suche nach einem geeigneten Platz für das geplante Nietzsche-Denkmal. »Früh grosser Spaziergang mit den Hunden, um einen Platz für das Denkmal zu suchen. Hinter der Windmühle Nichts. Wunderbare Plätze, mit schöner Bodenbewegung und prachtvoller Aussicht hinter dem Kirchhof an der Berkaer Chaussee gefunden.« Zusammen mit van de Velde fand er einen vorzüglichen Platz, »der der beste scheint, links von dem kleinen Waldstreifen der jenseits der Berkaër Chaussee den Wilden Graben fortsetzt. Sanft ansteigendes Terrain, oben etwas steiler, so dass sich der Tempel und das Stadion deutlich über den unteren Teil erheben würden, und von überall weite, fast erhabene Aussicht auf den Ettersberg und das Weimarer Hügelland.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.4.1911). Gelmeroda: Gemeint ist das Dorf Gelmeroda südwestlich von Weimar. Arno Krehan (1863–1947), Buchbinder, Kaufmann, Weingroßhändler, Vorsitzender des ›Weimarer Verschönerungsvereins‹, Schatzmeister des ›Bismarck-Vereins‹, stellvertretender Schatzmeister des ›Deutschen Schillerbundes‹. Arno Krehan gehörte das Grundstück unterhalb des Nietzsche-Archivs. Er selbst wohnte 1910 in der Erfurter Straße, ab 1913 in der Windmühlenstraße 11 (vgl. Adreßbuch Weimar, 1910, 1916).
319 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 19.4.1911 AML, FSX 504/174, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
19.IV 11. Mon cher ami, je reçois à l’instant votre carte. Il y a un petit malentendu, sans importance immédiate, du reste. Vos dimensions concordant avec les miennes; seulement, vous prenez le minimum comme largeur du parc et comme longueur de l’allée, tandisque [sic] j’ai dressé un plan »idéal«. Il est évident en effet, qu’une allée de 500 mètres aurait plus de gravité, plus de grandeur qu’une allée de 150 m.; et un »parc« de 150 mètres de large ne serait guère qu’un assez mince jardin. Mais tout cela n’a rien à voir avec les plans, et ces dimensions ne pourront être fixées que quand nous aurons choisi le terrain et pris connaissance des prix. Donc, je suis enchanté que vous vous occupiez déjà de ces plans. Envoyez[-]les moi, aussitôt que vous serez à peu près fixé. Je reste à Berlin jusqu’à samedi ou lundi. Bien affectueusement HdeKessler. carte: Van de Veldes Karte hat sich nicht erhalten. samedi: Vgl. Anm. Brief 316.
578 Edition und Kommentar
320 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 26.4.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Telegramm
vous attendons [à] dîner chez nous [à] 7 heures henry Telegramm: Das Telegramm ist adressiert an »graf kessler 28 köthenerstr. berlin« und gestempelt mit »Berlin W. 26.4.11. 3.20 9a«. Außerdem trägt es die Vermerke »Aufgenommen von Weim[ar] den 26/4 1911 um 3 Uhr 20 Min durch Richter« und »Telegramm aus Weimar 13 W. den 4 [sic]/4 um 2 Uhr 5«. dîner: Das Diner fand am 27. April 1911 statt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 27.4.1911).
321 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 3.5.1911 AML, FSX 504/175, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
3.V.11. Cher ami, voici, pour le cas, où vous seriez rentré à Weimar avant moi, quelques simples notes: 1) le morceau de terrain englobant le potager et un morceau au[-]delà est de 40 Morgen. Mardersteig croit que, si les propriétaires consentent à vendre, nous l’aurons pour environ 60 à 70000 Marks. Ce serait admirable. 2) Klinger a un peu gémi sur la difficulté qu’il y avait, à obtenir une réponse de vous. Je l’ai tranquillisé. 3) pour la façade du temple il faudra surtout éviter deux écueils: la lourdeur et la maigreur. La lourdeur est ce que Nietzsche a le plus détesté de toute sa vie! Et la maigreur est l’ennemie de toute sérénité. C’est surtout la sérénité et la sensualité, la beauté sensuelle, qu’il faudra chercher, je crois; évidemment, une beauté sensuelle disciplinée par la raison, comme chez les Grecs, mais pas trop desséchée, comme chez certains Gothiques, par cette discipline. 4) Kippenberg m’a dit, que Scheffler allait publier un livre, où il comptait vous glorifier en appuyant surtout sur ce fait, que vous n’entendriez rien à l’architecture. Je lui ai dit que Scheffler était un âne, et ce qui est pis, un âne gonflé de philosophie et de mysticisme, et que s’il éprouvait le besoin de vous assener le pavé de l’ours, j’espérais bien que lui, Kippenberg, ne collaborerait pas à ce beau geste.
Briefe und Kommentare 579
Je serai à Weimar mardi. Mardi soir, je dîne chez les Lampe. N’y venez vous pas? Bien amicalement HdeKessler. Georg Mardersteig (1864–1943), Rechtsanwalt, Notar. Georg Mardersteig, Sohn des Historienmalers Friedrich Martersteig (später: Mardersteig), war seit 1892 im Justizdienst beschäftigt. Er führte zusammen mit seinem älteren Bruder August eine Rechtsanwaltspraxis in Weimar, in die 1912 sein Neffe Fritz eintrat. Außerdem war er passionierter Jäger und Flieger. So leitete er jahrzehntelang den ›Verein für Luftverkehr‹, baute in Weimar einen Hangar und gründete 1912 den Deutschen Flugverband. Als angesehener Rechtsanwalt vertrat er zahlreiche bedeutende Weimarer Persönlichkeiten, u. a. Elisabeth Förster-Nietzsche. Mardersteig wurde 1911 Vorsitzender des fingierten Vereins ›Spielhain e.V.‹, der zum Erwerb der Grundstücke für das Nietzsche-Denkmal ins Leben gerufen worden war (vgl. Anm. Brief 328; Georg Mardersteig an Harry Graf Kessler, 5./8.7.1913, DLA). Klinger: Kessler hatte Klinger am 1. und 2. Mai 1911 in Leipzig besucht (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 1./2.5.1911). livre: Statt des Buches veröffentlichte Karl Scheffler 1911 in Heft 3 der Zeitschrift ›Kunst und Künstler‹ einen langen und trotz kritischer Aspekte sehr positiven Artikel über van de Velde, der sich vor allem mit dessen Sonderstellung innerhalb Deutschlands, Weimars und des deutschen Kunstlebens beschäftigte (Scheffler 1911, S. 119–133). Dieser Artikel ging in die 1913 im Insel-Verlag erschienene Publikation ›Henry van de Velde. Vier Essays‹ ein (vgl. Scheffler 1913, S. 53–78). vous n’entendriez rien à l’architecture: Van de Velde zitierte die oben genannte Briefstelle mit nachfolgendem Satz in seinen autobiographischen Manuskripten und bezog rückblickend Stellung zu Scheffler (vgl. Henry van de Velde, AML, FSX 2, 742; Velde 1999, S. 284). In seinem 1911 erschienenen Artikel über van de Velde machte Scheffler folgende Äußerung: »Dieser merkwürdig geartete Künstler ist nicht auf die Welt gekommen Landhäuser zu machen. Was ihm auf diesem Gebiete gelingt, verdankt er vor allem seinem kritischen Intellekt. [...] Nicht zu den Handwerkern, Industriellen und Kunstgewerblern gehört van de Velde. Mitten hinein ins Leben der Baukunst gehört er. Trotzdem wir es im voraus eigentlich schon wissen, daß er nicht eigentlich ein Architekt ist und es in vollkommener Weise nie sein wird, trotzdem wir wissen, daß in ihm auch ein ausrottbarer Kleinkünstler, ein Formendetaillist und ein Linienziseleur steckt, der mit den Fingerspitzen die Schwellungen und Rippungen des Materials abzutasten liebt und der alles Monumentale immer auch artistisch zerkleinern wird, trotzdem wir wissen, daß ihm nie das harmonisch Reife, sondern immer nur das Bedeutungsschwere und problematisch Kühne gelingen wird, gehört van de Velde doch mitten ins Bauleben hinein.« (Scheffler 1911, Kunst und Künstler, S. 132 f.).
580 Edition und Kommentar
322 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 12.6.1911 AML, FSX 504/176, Briefkarte, Briefkopf (bedruckt): GRAND HÔTEL PARIS
Cher ami, si vous êtes à Paris, venez donc déjeuner avec moi chez Laurent, aux Champs Elysées, mercredi 14 à 1 heure. Vous trouverez Denis, Vuillard et d’Annunzio, avec lequel je tiens à vous mettre en rapport: il gagne beaucoup à être connu de près, et surtout, il a le culte de la belle matière, c’est là ce qui est sincère en lui: le reste est littérature. Il m’a donné pour ma presse, purement sur le vu de notre papier et de mes caractères, un ouvrage inédit très important, et il l’a fait d’un mouvement parfaitement spontané. Enfin, je voudrais que vous l’intéressiez à ce que vous faites, car il peut vous être très utile, entre autres choses, pour le monument Nietzsche, dont je lui ai déjà beaucoup parlé. Il est, du reste, du comité. Bien amicalement HdeKessler ce 12.VI 11 Briefkarte: Die Briefkarte ist adressiert an »Monsieur Henry Vandevelde. architecte. rue Boccador. E.V.« und gestempelt mit »Paris 86 16 40 12 du 6 11 R. Clement-Marot« und »Paris 96 1555 R. Glück«. si vous êtes à Paris: Van de Velde hielt sich am 13. Juni 1911 noch in Weimar auf. Er reiste am 18. Juni nach München und von dort aus am 20. Juni 1911 nach Paris. Zu einer Begegnung mit Kessler kam es am 22. Juni 1911 (Henry van de Velde an Sophie Herrmann, 13.6.1911, in: Bothe 1989, Brief 245, S. 598; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 18./20.6.1911, AML, FSX 784; Tagebuch Harry Graf Kessler, 22.6.1911). Laurent: Das noch heute existierende Restaurant Laurent befindet sich in der Avenue Gabriel am Carré Marigny in unmittelbarer Nähe zur avenue des Champs-Elysées. mercredi 14: Van de Velde konnte an dem Treffen am 14. Juni 1911 nicht teilnehmen. Kessler vermerkte im Tagebuch: »D’Annunzio mit mir bei Laurent gefrühstückt; ich hatte ausserdem noch die Tata, Maurice Denis und Vuillard eingeladen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 14.6.1911). Gabriele d’Annunzio (eigentlich Antonio Rapagnetta, 1863–1938), italienischer Schriftsteller, Politiker. Der verschuldete Schriftsteller Gabriele d’Annunzio hielt sich von März 1910 bis Mai 1915 als Exilant in Paris und Arcachon auf. Durch Vermittlung seiner Geliebten Natascha von Goloubeff lernte er im Mai 1911 Kessler und wenig später van de Velde kennen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 22./23.5.1911). Kessler und van de Velde urteilten ähnlich über »die tausend Fassetten seines Wesens« (Kessler). Während Kessler schrieb, d’Annunzio sei »abwechselnd eitel, geistreich, protzig, sinnlich, roh, unhöflich, gefallsüchtig, weibisch, aufbrausend, kalt, kühn, freigeistig, abergläubisch, pervers« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.6.1911), gestand van de Velde: »Schon bei meiner ersten Begegnung mit d’Annunzio [...] fühlte ich mich
Briefe und Kommentare 581 von ihm physisch abgestoßen, ein Gefühl, von dem ich mich auch später nicht frei machen konnte.« (Velde 1962, S. 341; Velde 1995, S. 345–351; Velde 1999, S. 274–278). le culte de la belle matière: Bei aller Widersprüchlichkeit der Empfindungen, die d’Annunzio auslöste, beeindruckte Kessler am meisten d’Annunzios »Liebe zur Schönheit des Materials« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.6.1911). Kessler hatte d’Annunzio eine Probeseite des Vergil gezeigt und dabei konstatiert: »Er gieng auf die Fragen der Type, des Druckes, des Satzspiegels wie ein Fachmann ein; hier ist das, worum es ihm Ernst ist: die ›belle matière‹ von der schönen Sprache bis zum schönen Satzbild; [...] Type und Satzbild des Vergil gefielen ihm so gut, dass er mir drei Parabeln ›del bellissimo nemico di nostro Signore Gesu Cristo‹ zum Druck versprach.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.6.1911). Dieses Projekt gelangte jedoch nicht zur Ausführung.
323 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Paris, o. D. [21.6.1911] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Briefkarte und Briefumschlag, Briefkopf (bedruckt): 5, RUE DU BOCCADOR
Merci tant, cher ami, p[our]. ces deux invitations. J’accepte avec tant de plaisir. Au déjeuner par Moi et par Astruc vous apprendrez où en est l’affaire du Thèatre [sic] Tout affectueusement Henry 21.6.1911: Die Briefkarte datiert vom 21. Juni 1911. Van de Velde war am 20. Juni 1911 in Paris eingetroffen, und das Frühstück mit Astruc und Kessler fand am 22. Juni 1911 statt. Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler«. invitations: Kesslers Einladungen haben sich nicht erhalten. Au déjeuner: Es handelt sich um die Einladung zum Frühstück am 22. Juni 1911 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 22.6.1911).
324 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Berlin, 27.6.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Rohrpostkarte
Mardi. Je viens de recevoir un mot de Maurice Denis qui m’annonce sa visite p[our]. un peu avant 4 hs – aujourd’hui! Or, l’ayant convié à venir je ne peux manquer d’être là, d’autant qu’il importe beaucoup! Serait-ce trop tard p[our]. nous rendre un peu après 4 hs (car je n’en ai pas
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pour longtemps) chez la P[rincesse]. S[ystria]. [sic]? C’est que j’entrevois qu’il serait si utile que vous assistiez à l’entrevue avec Denis, qui est en somme le seul qui puisse quelque chose sur Thomas. Si, bien cher ami, vous ne pouviez concilier les deux choses je vous prierais de présenter mes humbles excuses à la P[rincesse]. de S[ystria]. [sic] Tout votre [sic] Henry Rohrpostkarte: Die Rohrpostkarte ist adressiert an »M[onsieur]. le Comte H[arry]. de Kessler au Grand Hotel Paris.« und gestempelt mit »Paris 27 Juin Mat 11 R. Clement Marot«. P[rincesse]. S[ystria].: Gemeint ist Léonie Princesse de Faucigny Cystria (vgl. Anm. Brief 309). Das geplante Treffen mit ihr fand am 27. Juni 1911 in Sceaux statt. Anwesend waren neben Kessler, van de Velde und Maurice Denis auch Wilma und Jacques de Brion (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 27.6.1911; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27.6.1911, AML, FSX 784). l’entrevue: Die Intrigen um die Projektierung und die damit einhergehende Urheberschaft an den Entwürfen des Théâtre des Champs-Élysées erreichten im Sommer 1911 ihren Höhepunkt. Van de Velde war jetzt mehr denn je auf die Hilfe von Denis und Kessler angewiesen, denn er sah sich zunehmend einer doppelzüngigen Clique ausgesetzt, die über den Wert und Unwert seiner Entwürfe urteilte und ihn dabei gleichzeitig zu regelmäßigen Korrekturen nötigte. Am Tag des Abfassens dieser Rohrpostkarte fand ein Treffen des Theaterkomitees statt, an dem neben van de Velde auch Kessler teilnahm. Noch beschränkte sich Kesslers Urteil auf: »Höfliche Gegnerschaft von Thomas gegen alle Vorschläge Vandeveldes.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 27.6.1911). Am Tag darauf kam jedoch die Wahrheit zu Tage. Maurice Denis hatte Kessler informiert: »Denis sagte mir, er habe gestern bei Bourdelle Thomas und Perrez [Perret, Anm. d. Verf.] angetroffen, diese hätten ihm eine vollkommen fertige Fassade für das Theater gezeigt, die Thomas und Bourdelle zusammen ausgeheckt hätten und jetzt hinter Vandeveldes Rücken von allen Mitgliedern des Komités gutheissen lassen wollten. Diese Fassade sei: quelquechose d’informe, un mélange de néo-grec bâtard et de sculptures de Bourdelle. Er habe ihnen seine Meinung nicht verhehlt, worauf Thomas in eine solche Aufregung geraten sei, dass er anfange an seinem Verstand zu zweifeln, namentlich da er ausgesprochener Neurastheniker mit bestimmten ›tares psychologiques‹ und Phobieen sei. Ich sagte, ich fände T’s und Bourdelles Vorgehen höchst inkorrekt und riet Denis, an Thomas in diesem Sinne zu schreiben.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.6.1911). Im Laufe der folgenden Wochen kam es schließlich zum Eklat, und van de Velde reichte am 13. Juli 1911 seinen Rücktritt ein. Auf Wunsch von Gabriel Thomas blieb er jedoch beratender Architekt (vgl. Loupiac 1987, S. 22–52; Ausst. Kat. Paris 1987 [Les dossiers du Musée d’Orsay], S. 18; Freigang 2003, S. 48–62, Anm. 64, S. 55; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 30.6.1911, 3.7.1911, AML, FSX 784; Tagebuch Harry Graf Kessler, 1./3.7.1911).
Briefe und Kommentare 583
325 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Paris, 5.7.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Rohrpostkarte
Mercredi matin. Bien cher ami, On m’offre 25 000! C’est l’égorgement! Mais quoi faire? Procès? Si j’accepte je reste dans la place et au moins les malveillances ne peuvent pas m’atteindre! Si procès - c’est tous les chiens du dehors - surtout ceux de Weimar qui vont aboyer à mes chausses! Je suis si dégoûté de tout que je pense à partir p[our]. n’importe où sans dire à personne où je suis. Tout vôtre Henry. Rohrpostkarte: Die Rohrpostkarte ist adressiert an »M[onsieur]. le Comte H[arry]. de Kessler au Grand Hotel Paris.« und gestempelt mit »Paris 96 [unleserlich] Gluck«. On m’offre 25 000!: Am 29. Juni 1911 erfuhr van de Velde über Kessler, der wiederum tags zuvor durch Denis unterrichtet worden war, dass Thomas, Bourdelle und Perret heimlich den Entwurf einer neuen Fassade für das Théâtre des Champs-Élysées ausgearbeitet hatten (vgl. Anm. Rohrpostkarte 324). Entsetzt wandte sich van de Velde an den nunmehr feindselig gestimmten Thomas und bat gleichzeitig bei Octave Maus, Eugène Milon und Gabriel Astruc um Hilfe. Auch rechtlichen Beistand zog er in Erwägung. Am 3. Juli 1911 fand schließlich auf Wunsch van de Veldes eine Sitzung des Theaterkomitees statt, die zum endgültigen Bruch führte. Danach schrieb er seiner Frau: »Je sors de séance qui monte mon dégoût au niveau du débordement. Mais je me sens délivré, tout est par terre à part mon orgueil et ma dignité et malgré que je ne sais pas ce que ce conseil dessous va me répondre, répondre à ma mise en demeure de formuler enfin ce qu’il veut et pourquoi il m’en veut. Je sens qu’il n’y a plus qu’à laisser parler les avocats.« Weiter schreibt er: »Le conseil m’a fait savoir qu’il ne peut pas m’accorder la liberté d’action que j’ai réclamée p[our]. mener à bonne foie cette entreprise.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 3.7.1911, AML, FSX 784). Ob sich van de Velde Rechtsbeistand suchte, bleibt unklar. Sicher ist jedoch, dass er Denis als Mittler bemühte, um eine Entschädigung zu bekommen. Aufgrund der Querelen reichte van de Velde am 13. Juli schließlich sein Demissionsgesuch von Weimar aus ein (vgl. Brief 326; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 30.6.1911, AML, FSX 784; Tagebuch Harry Graf Kessler, 3.7.1911; Maurice Denis an Harry Graf Kessler, 5.7.1911, in: Schäfer 1997, S. 269, Nr. 39).
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326 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Paris, 6.7.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Rohrpostkarte
Jeudi a[près]. m[idi]. Bien cher ami, Je ne pouvais rien vous dire avant maintenant. Thomas m’avait convoqué cette après-midi mais comme j’avais confier [sic] à Maurice Denis de traiter en mon nom et avec pleins-pouvoirs jusqu’à concurrence du minimum de 25 000 francs[.] Je lui ai téléphoné que je ne pouvais lui parler que de tout ce qui ne serait pas du domaine de la mission confiée à Denis. Thomas m’a dit qu’il était heureux que j’aie pris la décision de remettre mes intérêts à M[aurice]. Denis et fut aimable. Entretemps [sic] M[aurice]. Denis m’annonce que Thomas est mis au courant et insiste p[our]. que »garde rôle muet et parte tranquille[«]. Je pars donc demain matin. Il y a maintenant quelques gens autour de moi qui ont notion de la déloyauté et de l’injustice. Merci, tant merci p[our]. votre précieux appui moral. Votre Henry Rohrpostkarte: Die Rohrpostkarte ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Grand Hotel Paris« und gestempelt mit »Paris 6 Juil 11 R Clement Mardi« und »Paris 96 [unleserlich] Gluck«. de traiter en mon nom: Van de Velde hatte Maurice Denis beauftragt, mit Gabriel Thomas über die Abfindungssumme zu verhandeln. Genauere Details über die Verhandlungen sind jedoch nicht bekannt. Am 5. Juli 1911 hatte Denis gegenüber Kessler bekundet, keinen Einfluss auf das Komitee ausüben zu können. Er depeschierte: »DECISION CONSEIL HELAS IRREVOCABLE MOI MEME SANS INFLUENCE DECOURAGE CONSEILLE ABANDON TOTAL AVEC COMPENSATIONS = DENIS =« (Maurice Denis an Harry Graf Kessler, 5.7.1911, DLA, in: Schäfer 1997, S. 269, Nr. 39). Je pars: Van de Velde reiste zusammen mit Erica von Scheel am 7. Juli 1911 aus Paris ab. Sie fuhren über Hagen nach Weimar (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 2.7.1911, AML, FSX 784; Erica von Scheel an Henry van de Velde, undat. [1955], AML, FSX 455).
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327 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 29.7.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Telegramm
bin heute jena wo um 6 uhr alle freunde zusammentreffen für vorbesichtigung abbedenkmal welches morgen eingeweiht vandevelde Telegramm: Das Telegramm wurde von van de Velde in Weimar aufgegeben und nach Berlin versandt, von dort aus jedoch nach Weimar weitergeleitet, was aus dem Vermerk hervorgeht: »nachsendgeb sind bezahlt – graf kessler cranachstr. 15, von berlin 9 nachgesandt«. Es befinden sich außerdem zwei Poststempel darauf: »Aufgenommen von bln den 29/7 1911 um 1 Uhr – Min durch Rit« und »Telegramm aus Weimar 26 W. den 29/7 um 12 Uhr 37 Min«. vorbesichtigung abbedenkmal: Seit seiner Rückkehr aus Paris hatte sich van de Velde mit unbändigem Eifer der Vollendung des Abbe-Denkmals in Jena gewidmet (vgl. Anm. Brief 202). Er fuhr deshalb jeden Tag nach Jena, um die Arbeiten bei sengender Hitze zu überwachen. Die offizielle Einweihung des Abbe-Denkmals wurde am Sonntag, den 30. Juli 1911, mit Prozession und einem festlichen Akt im ›Volkshaus‹ begangen. Die Vorbesichtigung fand tags zuvor statt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.7.1911; vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 24.7.1911, AML, FSX 784; Weigel-Schieck 1996, S. 53 f.).
328 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, München, 31.7.1911 AML, FSX 504/177, Brief
Munich, 31.VII 11. Mon cher ami, je crois que j’ai oublié de vous dire, que Mardersteig m’a dit qu’il y aurait une assez forte source sur un des terrains que nous avons acheté. C’est très important, même pour vos plans, car ça nous permettra de faire (ce qui était de toute façon indispensable) des douches pour les coureurs etc. et même, probablement, un bassin de natation en plein air: ce serait tout à fait bien: un grand bassin entouré de verdure dans la partie basse du terrain et attenant à des douches pour les athlètes – le tout en belles matières. Votre monument Abbé est une réussite absolue; j’en suis très, très heureux. J’espère que le monument Nietzsche vous permettra d’en tirer les conséquences en grand; et aussi de déveloper [sic] le côté serein et tendant à la joie de ce style, qui dans le monument Abbé a dû s’en tenir à la gravité. Je crois qu’il suffira de jouer sur les lignes qui, comme un bon clavier, donneront la joie aussi bien que la gravité, la tristesse. Le style des temples grecs en est une preuve, qui, d’après leurs architectes, et en
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restant presque immuables dans les grands lignes, sont si différents les uns des autres de »Stimmung«. Je pars demain pour Paris, Grand Hotel [sic]. Bien amicalement HdeKessler. terrains: Bereits am 28. April 1911 hatten Kessler, van de Velde und Elisabeth Förster-Nietzsche einen Höhenzug vor den Toren Weimars erkundet, der als geeignetes Areal für das geplante Stadion in Frage kam (vgl. Anm. Brief 318). Laut Grundbuch kaufte der fingierte Verein ›Spielhain e.V.‹ unter Vorsitz von Georg Mardersteig – den stellvertretenden Vorsitz hatte van de Velde inne – am 7. Juni 1911 sowie am 12., 19. und 26. September 1911 Grundstücksparzellen des Gebietes ›Überm Merktale‹ in der Größe von ca. 12 ha. (Grundbuchakte, Blatt 517, Amtsgericht Weimar). Die Grundstücke waren als Artland und Gartengrundstücke ausgewiesen. Laut Tagebucheintragungen Kesslers liehen sowohl Paul Schwabach als auch Julius Stern hierfür jeweils 30.000 Mark (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 24./25.7.1911). bassin: Kessler notierte am 29. Juli 1911: »M[ardersteig]. teilt mir mit, dass auf dem Land eine Quelle ist, so dass wir Bäder und einen See anlegen können.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.7.1911). Van de Velde griff die Idee in seinen Entwürfen auf.
329 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 3.8.1911 AML, FSX 504/178, Brief, Briefkopf (bedruckt): GRAND HÔTEL PARIS 12, Boulevard des Capucines
Le 3. VIII 1911 Cher ami, j’ai besoin immédiatement d’un petit plan tout à fait sommaire et, bien entendu, provisoire de ce que nous projettons [sic]. Il faudrait aussi marquer les limites du terrain, et ce qui n’est pas encore à nous. Il est bien entendu, que le projet lui-même ne doit pas tenir compte de ce que cette partie ne nous appartient pas encore; au contraire, j’ai justement besoin de cette petite esquisse, pour montrer que nous devons acheter cette partie non encore achetée. J’aurais besoin de 4 ou 5 exemplaires de cette petite esquisse, qui ne doit pas nécessairement dépasser le format d’une feuille de papier à lettres. C’est un travail que vous pouvez faire en une demiheure [sic], en vous servant du relevé du terrain que possède Mardersteig; mais je voudrais l’avoir aussitôt que possible, car je dois le joindre à des lettres que j’écris à deux ou trois personnes qui peut-être nous donnerons ce qu’il nous faut 1°) pour acheter le reste du terrain, 2°) pour planter, dès cet automne, le »bois sacré«. Les personnes auxquelles j’ai parlé à Munich ont marqué le plus vif intérêt.
Briefe und Kommentare 587
Bien cordialement HdeKessler. petit plan: Ein Entwurf dieser Art hat sich nicht erhalten. personnes: Kessler hatte während seines Aufenthaltes in München vom 30. Juli bis 2. August 1911 weitere potente Personen für die Finanzierung des Stadion-Projekts aufgesucht, u. a. Jeanne Gräfin von Bernstorff und Karl Georg Schillings (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.7.1911–2.8.1911).
330 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 7.8.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Telegramm
Madersteig [sic] voyage espére [sic] pourtant avoir tracé terrains tantot [sic] = Henry Telegramm: Das Telegramm wurde von van de Velde in Weimar aufgegeben und ist an »Comte Kessler Grand Hotel Paris« adressiert. Es befinden sich zwei Poststempel darauf: »Paris R Gluck 19* 7 du 8 11« und »Central 7 Aout Paris« sowie der Vermerk »Weimar 227 14 7 6H35 S.=«.
331 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 8.8.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Telegramm
= chez Mardersteig documents introuvables aurai copie aujourd hui mais dois partir jusque [à la] fin semaine = Henry.+ Telegramm: Das Telegramm wurde von van de Velde in Weimar aufgegeben und ist an »Comte Kessler Grand Hotel Paris« adressiert. Es befinden sich zwei Poststempel darauf: »Central Paris 8 Aout« und »Paris R Gluck 11 25 8 du 8 11« sowie der Vermerk »Weimar Fuerstenhaus 83 20 8 9/55 M.=«. documents: Bezieht sich auf die Katasterauszüge für die Grundstücke des geplanten NietzscheDenkmals (vgl. 329, 330, 332). partir: Nachdem van de Velde das vorliegende Telegramm aufgegeben hatte, fuhr er nach Gera und Chemnitz. Mittwochabend, den 9. August 1911, kehrte er nach Weimar zurück, um anschließend sofort nach Hagen weiterzureisen (vgl. Brief 332).
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332 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Hagen, 11.8.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief
II.VIII.1911 [von anderer Hand] Vendredi Hagen/W. »Hohenhof« Cher ami, C’est vraiment trop de contretemps [sic]! D’abord l’impossibilité de toucher Madersteig [sic] – puis quand je pus l’atteindre lundi soir, il ne pouvais [sic] mettre les mains sur son dossier. J’ai fait prendre copie au cadastre par un de mes employés des terrains en question. Je suis rentré Mercredi soir d’un séjour Gera Chemnitz et j’ai travaillé tard mais je n’ai pu terminer mon étude parceque [sic] je dois travailler ce croquis sur place. Je serai rentré lundi prochain et aussitot [sic] vous renseignerai. Mais où serez-vous et où puis-je vous envoyer mon dessin? Tout affectueusement Votre Henry J’ai acquis pourtant la conviction qu’il ne n[ou]s faudrait plus – s’il en faut encore – beaucoup de terrain! copie des terrains: Betrifft die Grundstücke mit den Flurkartennummern 2367, 2368, 2369 und 2374 (a) des Gebietes ›Über’m Merketale‹, die für die zukünftige Nietzsche-Gedenkstätte erworben wurden (vgl. Anm. Brief 328).
333 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 19.8.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief, Briefkopf (bedruckt): HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
Samedi 19 aout [sic] 11 Bien cher ami, Ne m’en voulez pas de ce retard.
Briefe und Kommentare 589
Depuis quelques [sic] quinze jours, trois semaines je fus en dessous de mes moyens. Cette impitoyable chaleur a eu raison de mes forces. Songez donc que depuis mon séjour au sanatorium de Constance je n’ai plus eu de vacances. Je dois me rendre à Paris dans huit jours, j’y travaillerai pendant une dizaine de jours et puis je me rendrai chez Gerhardt [sic] Hauptmann et j’y travaillerai jusque fin septembre au monument Nietzsche. Sur les données d’emplacement ci-jointes! J’ai beaucoup étudié le terrain. Étudiez le tracé et vous vous rendrez compte comme moi qu’il faut axer l’avenue, le temple et le stade sur l’entrée de l’avenue qui doit être le prolongement naturel de la Berkachaussée. Vous vous rendrez compte aussi qu’il serait superflu d’acheter encore du terrain pour nous arrondir ou nous protéger de voisins sur le derrière. Dans le croquis ci-joint vous remarquerez, cher ami, que j’ai tiré sur la ligne extérieure du stade jusqu’où j’ai pu c’est-à-dire jusqu’à l’endroit où commence le petit Stadtwald (ou plutôt Stadtschlucht!) À cette limite le terrain choit - devient ravin. Tirer le stade au-delà de ce ravin deviendrait impossible. Il faudrait à toute la partie qui s’érigerait sur l’emplacement de ce ravin des substructions ruineuses et nous irions au-devant du reproche d’avoir bien mal choisi le terrain. Au reste, si Marderst[eig]. croit que nous pourrions peut-être acheter les terrains en E, ceux en F m’a-t-il garanti ne seraient pas achetables! À mon avis, bien cher ami, nous devons ne plus affecter d’argent à l’achat de terrain. Le terrain acquis est superbe et bien suffisant à condition que le petit bois de la ville soit incorporé dans l’ensemble (G). Or, ceci ne fait aucun doute. L’avenue conduisant au Temple (en C la figure Maillol) aurait une longueur de près de 200 mètres. Le plateau sur lequel s’érigera le temple environ 100 x 120 mètres - le stade la longueur prescrite. Les côtés du Temple resteraient à découvert et la terrasse sur le côté droit surplomberait le chemin latéral et bordée d’une balustrade. Voulez-vous me faire parvenir votre critique sur cet ensemble, je ne m’embarquerai plus loin qu’après avoir votre avis. Du 27 au 2 ou 3 septembre, adresse 5 Rue Boccador. J’espère tant, bien cher ami que vous jouissez de vos vacances et que le permet l’état de santé de la Comtesse Madame votre mère [fehlender Satzteil]. Tout affectueusement vôtre Henry
590 Edition und Kommentar chaleur: Die große Hitze des Sommers 1911 machte van de Velde sehr zu schaffen, insbesondere während der Fertigstellung des Abbe-Denkmals. Am 23. Juli 1911 zeigte das Thermometer 54 °C in der Sonne. Der Garten von Haus ›Hohe Pappeln‹ war nahezu verbrannt, und van de Velde schrieb an seine Frau: »Il fait si chaud qu’on ne peut plus vivre içi! À Jena où je dois me rendre tous les jours c’est encore bien pis et le travail avec Klinger dans ›l’Abbe Denkmal‹ clos et sans presque d’aération – le soleil dardant sur le coupole vitrée du haut c’est au dire de Klinger l’avant goût du crématorium. Au fait je trouve que c’est tout simplement dangereux p[our]. lui qu’y est bien plus longtemps que moi.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 24.7.1911, AML, FSX 784; Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 9.9.1911, Privatarchiv). chez Gerhardt [sic] Hauptmann: Van de Velde fuhr nicht zu Gerhart Hauptmann. Er unternahm stattdessen im September 1911 eine Reise in die Normandie und auf die Kanalinseln (vgl. Briefe 338, 339, Telegramm 340, Bildpostkarten 341–346). croquis: Diese wichtige Skizze hat sich leider nicht erhalten. Van de Velde beschreibt in diesem Brief erstmals das neue Konzept der Gesamtanlage, bestehend aus Feststraße, Tempel und anschließendem Stadion. Stadtschlucht: Gemeint ist hier vermutlich das Merketal mit dem sich anschließenden Schanzen- bzw. Hospitalgraben. vos vacances: Kessler befand sich seit dem 16. August 1911 bei seiner Mutter in der Normandie.
334 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Hagen], [Poststempel: unleserlich] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Briefumschlag
à Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler ›Grand Hotel‹ Paris. Briefumschlag: Das zugehörige Schreiben fehlt. Van de Velde verschickte den Briefumschlag aus Hagen. Das Datum der Poststempel lässt sich nicht ermitteln.
335 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Château de Sainte Honorine, 21.8.1911 AML, FSX 504/179, Brief, Briefkopf (bedruckt): CHATEAU DE SAINTEHONORINE PAR Hérouvilette (CALVADOS) RANVILLE
21.VIII.11 Cher ami, merci de votre lettre et des plans si intéressants que vous y joignez. Je ne sais si je pourrai venir à Paris, quand vous y serez, je préfère donc vous dire tout de suite mon opinion. La disposition des édifices est celle que nous avions cherchée ensemble;
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donc, rien à dire là[-]dessus. Je ne vois pas, toutefois, la colonnade qui devait relier le temple au stade; simple mission de la part de votre dessinateur, je pense! Par contre, nous ne sommes pas tout à fait d’accord sur l’emplacement. 1°) l’orientation. D’après vous, (pour être clair, j’oppose nettement nos points de vues) d’après vous, donc, nous devons chercher cette orientation dans la chaussée de Berka; d’après moi, c’est uniquement la vue qui doit nous guider: c’est[-]à[-]dire que nous devons placer la terrasse, le temple, le stade, de façon que nous ayons la vue la plus majestueuse possible. Que l’entrée du parc soit ou ne soit pas un prolongement exact de la chaussée de Berka, voilà qui me paraît secondaire. Car, primo, personne ne s’arrêtera sur cette chaussée poudreuse pour contempler le monument, et secondo, la chaussée fait un coude à une centaine de mètres en avant du terrain; ce n’est donc pas comme si, étant droite (comme par exemple celle de Belvedère), elle offrait de loin et pendant longtemps à ceux qui s’approchent la vue du parc et de la statue donc, je suis d’avis que cette préoccupation de faire de la »voie sacrée« le prolongement exact de la chaussée de Berka doit être résolument sacrifiée à celle, absolument essentielle, de donner de la terrasse et du stade la vue la plus étendue et la plus majestueuse possible; même si la »voie sacrée« devait faire un coude (qu’on pourrait utiliser, plus tard, pour quelque petit monument) ou si elle devait prendre la terrasse et la statue de biais, (disposition qui pourrait être amusante et belle, et rompre un peu la trop austère régularité, avec de grands gradins conduisant de biais à la terrasse: je crois me rappeler quelquechose [sic] dans ce genre à Versailles). Mais pour avoir la plus belle vue possible, et pour qu’elle ne soit pas masquée par les arbres du parc et du Stadtwald (celui ci masquant surtout le point principal, l’Ettersberg: allez-y, vous verrez), il faut monter, et monter nécessairement jusque sur le terrain E. de cette hauteur, la vue sera infiniment plus belle que celle que nous aurions de l’endroit où vous placez le monument. À cette hauteur que vous indiquez, la vue, de la terrasse sera du reste absolument masquée par les arbres, surtout vers le Ettersberg. À cette considération vient s’ajouter ceci, qui la rend absolument impérieuse: que le terrain E étant beaucoup plus élevé que les nôtres, nous aurons des bâtisses, des restaurants (avec Tziganes), des »Villenkolonies«, qui s’érigeront au dessus de notre stade; et ce sera alors beau! Donc, de toute façon, que vous vous en serviez, ou que vous ne vous en serviez pas, il faudra acheter le terrain E, ne fût-ce que pour empêcher que le monument ne se trouve couronné de châlets suisses et de restaurants »modern style«, avec terrasses au balcon sur le stade. Du reste, ce terrain ne coûtera jamais que 15000 Marks au plus; et ce n’est pas pour ce [?] économiser cette somme que nous pouvons courir le risque de voir détruire toute la majesté de notre monument.
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Je joins à cette lettre un plan, où j’ai tracé l’emplacement que moi je choisirais pour le stade. La terrasse viendrait aboutir en A. La voie sacrée pourrait s’amorcer comme sur votre plan et faire un coude en B, (coude marqué par quelques gradins); ou bien, elle pourrait s’amorcer à angle droit sur la chaussée (en C) et prendre, plus tard, la terrasse de biais. Mais la première solution me paraît préférable; et si on coude on faisait un rondel, où plus tard on placerait des statues d’athlètes, ça pourrait être très bien. Il faudra aussi chercher dans un coin un emplacement pour les douches et bains (indispensables, si nous faisons des jeux). Si nous avons assez d’eau, je voudrais faire, en prolongement des douches, un bassin de natation à ciel ouvert, et entouré d’arbres, peut[-]être même de statues. On pourrait ériger des piédestaux de statues faisant saillie sur le bassin; sic: [Skizze] Ce serait très beau sous les arbres. Le bassin devrait avoir une trentaine ou une quarantaine de mètres de long. Au revoir, cher ami, et j’espère que vous n’avez pas d’objections trop fortes à mes propositions. Bien amicalement HdeKessler. un plan: Der Entwurf hat sich leider nicht erhalten.
336 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: 23.8.1911], Weimar DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Telegramm
Y a t’il plage agréable pres [sic] vous ou [sic] [je] pourrais m’installer [?] Henry Telegramm: Das Telegramm wurde von van de Velde in Weimar aufgegeben und ist an »Comte Kessler Chateau Ste Honorine Ranville Calvados« adressiert. Es befinden sich zwei Poststempel »Ranville 20 20 23–8 11 Calvados« und »Herouvillette 6 24–8 11 Calvados« sowie der Vermerk »Pour Ranville de Weimar N.2PP Mots 20 Dépôt le, à 12 h 40 m. Fuerstenhaus« darauf. m’installer: Bereits im August 1908 hatte Kessler in einem Brief an Maria van de Velde den Vorschlag unterbreitet, van de Velde könne sich in der Normandie erholen (vgl. Brief 285). Van de Velde griff den Vorschlag im Sommer 1911 auf. Obwohl ihm Théo van Rysselberghe von Jersey abriet und stattdessen einen Strand in der Nähe von Boulogne-sur-Mer empfahl, entschied sich van de Velde für die Normandie und die Kanalinseln (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, undat. [août 1911], AML, FSX 784; vgl. Briefe 338, 339, Telegramm 340, Bildpostkarten 341–346).
Briefe und Kommentare 593
337 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar/ Hagen [Poststempel: Cassel], 26.8.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Bildpostkarte
Samedi, en train vers Hagen où je m’arrêterai avant d’atteindre Paris. Cher ami, dès que je serai à Paris et fixé sur le temps que j’aurai à y rester je vous aviserai de mon arrivée à Houlgate! Bien affectueusement Henry v[an].d[e].V[elde]. Bildpostkarte: Die Bildpostkarte ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Chateau de Ste. Honorine par Herouvillette (Calvados) France« und mit »Cassel 26.8.11 1213N 2b« gestempelt.
338 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Paris, 30.8.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (bedruckt): 5, RUE DU BOCCADOR
30-8-11 [von anderer Hand] Mercredi matin. Aout [sic] 11 Bien cher ami, C’est bien probablement à Jersey ou à Guernesey que j’irai m’installer p[our]. prendre quelques repos! Je suis fort à bout et de plus je souffre d’une fatigue des yeux. Quel endroit me conseillez-vous dans ces îles? Et où pourrions nous nous rencontrer avant que je ne m’embarque car je voudrais pouvoir refléchir [sic] au monument Nietzsche et ne le faire qu’après m’être entendu avec vous à ce sujet. Jusque dimanche soir je prévois être pris par les Goloubeff et me mettre en route lundi prochain. Un mot, bien cher ami? Tout vôtre Henry Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Chateau de Sainte-Honorine par Hérouvillette (Calvados)« und gestempelt mit »Paris 12 + 30-8 11 Clement Marot« und »Herouvilette 6 * 31-8 11 Calvados«.
594 Edition und Kommentar Jersey … Guernesey: Gemeint sind die im Golf von St. Malo unweit der französischen Küste gelegenen britischen Kanalinseln Jersey und Guernsey (frz. Guernesey). les Goloubeff: Van de Velde war mit der Fertigstellung der Pariser Wohnungseinrichtung für Natascha von Golubeff beschäftigt (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 2.9.1911, AML, FSX 784; vgl. Brief 200). lundi: Van de Velde reiste noch am Sonntag, den 3. September 1911, nach Houlgate. An seine Frau schrieb er: »Arrivé hier soir ici, après un voyage suffocant. J’ai été pris d’une telle tristesse que j’aurais voulu m’en aller tout de suite!« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 4.9.1911, AML, FSX 784).
339 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Château de Sainte Honorine, 31.8.1911 AML, FSX 504/180, Brief, Briefkopf (bedruckt): CHATEAU DE SAINTEHONORINE PAR Hérouvilette (CALVADOS) RANVILLE
31.VIII 11. Mon cher ami, votre lettre m’a apporté une très vive déception; j’avais compté vous voir à Houlgate, où vous auriez été très bien pour vous reposer, et à portée pour causer. De toute façon, ne pouvez[-]vous venir passer quatre ou cinq jours à Houlgate d’abord, pour que nous puissions nous voir et discuter les plans, avant que vous ne vous embarquiez dans les détails. Le Grand Hotel [sic] est excellent et la mer admirable, en ce moment. Il m’est impossible de venir à Jersey. Ma mère étant seule au Château. Ecrivez-moi ce que vous comptez faire. Il faudrait absolument que nous nous voyions! D’Annunzio est-il à Paris? Veuillez me le dire et me donner son adresse. J’ai à lui écrire. Bien amicalement HdeKessler. Grand Hotel: Van de Velde ging auf den Ratschlag von Kessler ein und stieg im Grand Hôtel in Houlgate ab, das direkt am Strand lag (vgl. Anm. Telegramm 340). Sein Zimmer markierte er auf einer Postkarte an Maria van de Velde (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 4.9.1911, AML, FSX 784).
Briefe und Kommentare 595
340 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Poststempel: Paris], [Poststempel: 2.9.1911] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Telegramm
Viendrez[-]vous lundi Houlgate grand hotel [sic] Henry Telegramm: Van de Velde verschickte das Telegramm aus Paris nach Ranville. Adressiert ist es an »Comte Kessler chateau Ste. Honorine Ranville«. Es befinden sich die Poststempel »Ranville 2020 2-9 11 Calvados« und »Ranville 2020 2-9 11 Calvados« sowie der Vermerk »Pour Ranville de Paris No 1992 Mots 13 Dépôt le 2/9/11, à 13 h 3 m.« darauf. lundi Houlgate: Van de Velde war am Abend des 3. September 1911 im Grand Hôtel von Houlgate abgestiegen (vgl. Brief 338). Am folgenden Tag traf er Kessler und verbrachte mit ihm den Abend in Houlgate. Am 5. September fuhren Kessler und van de Velde nachmittags »auf der Klingelbahn« nach Caen, wo sie auch den kommenden Tag mit Besichtigungen zubrachten. Van de Velde reiste am 6. September allein nach Bayeux weiter und von dort aus einen Tag später nach Coutances. Am 8. September fuhr er über La Haye du Puits nach Carteret, schließlich mit dem Schiff weiter zur Insel Jersey, wo er einige Tage in Saint Brélade blieb. Ein kurzer Abstecher führte ihn zur Nachbarinsel Guernesey, bevor er sich nach St. Malo einschiffte. Von dort aus reiste er am 23. September 1911 nach Paris (vgl. Briefe 341–346; Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.9.1911; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 4./5./6.9.1911, AML, FSX 784).
341 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Bayeux, 7.9.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Bildpostkarte
7.IX.1911 Jeudi a[prés].m.[idi]. Bayeux. Au crépuscule du soir hier la cathédrale m’apparut follement énorme. Et de fait ce matin ai-je vu que cette fois quand même l’audace avait été trahi [sic]. Les tours sont prises dans une gaine de contreforts en échellons [sic] et elles apparaissent vraiment comme serties dans une masse informe. L’interieur [sic] est d’une pureté parfaite mais moins émouvant que celui de l’A[abbaye]. aux Dames. Tantot [sic] Coutances et demain soir départ par Carteret. Tant tant merci encore une fois p[our]. [les] bonnes heures et amabilités à Caen. Tout vôtre Henry.
596 Edition und Kommentar Bildpostkarte: Die Bildpostkarte ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Chateau Ste. Honorine Hérouvillette (Calvados)« und gestempelt mit »Herouvillette 6 + 8 – 9 11 Calvados«. Bayeux: Stadt im Département Calvados in der Région Basse-Normandie. la cathédrale: Gemeint ist die Cathédrale Notre-Dame von Bayeux. l’A[abbaye]. aux Dames: Gemeint ist hier die Abbaye aux Dames in Caen, die Kessler und van de Velde am 6. September 1911 besichtigt hatten (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.9.1911). Coutances: Stadt im Département Manche in der Région Basse-Normandie. Carteret: Ort im Département Manche in der Région Basse-Normandie. Caen: Stadt im Département Calvados in der Région Basse-Normandie.
342 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Bayeux, 8.9.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Bildpostkarte
Coutances Vendredi matin. 8.IX.1911 En débarquant, bien cher ami, elles semblaient toutes les deux comme des faisceaux de piques dressées. Mais Nôtre-Dame n’est pas belliqueuse. Les armes lui sieyraient [sic] comme à un corps nu, qui n’en a pas besoin p[our]. se défendre tant il est beau. Mais à tout prendre la physionomie fruste de la facade [sic] de l’Abbaye aux Hommes et celle de l’intérieur de l’A[bbaye]. aux Femmes est plus propre à ce Gothique Normand. Je pars et espère débarquer à Jersey ce soir. Tout vôtre Henry. Bildpostkarte: Die Bildpostkarte ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Chateau Ste. Honorine Hérouvillette (Calvados)« und gestempelt mit »Coutances 8–9 11 Manche«. l’Abbaye aux Hommes: Gemeint ist hier die Abbaye aux Hommes in Caen. ce soir: Van de Velde reiste noch am selben Tag in Richtung Carteret. Da er in La Haye du Puits umsteigen musste, machte er eine Ortsbesichtigung (vgl. Postkarte 343) und fuhr erst später weiter nach Carteret, von wo aus er per Schiff Saint Brélade auf Jersey erreichte (vgl. Anm. Telegramm 340).
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343 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, La Haye du Puits, 8.9.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Bildpostkarte
8.IX.1911 La Haye du Puits. Vendredi 2hs Je suis arrêté ici, cher ami, p[our]. la simple raison que j’ai dû quitter le train de Cherbourg p[our]. attendre celui de Carteret. Et tout ce qui m’entoure est si étranger et si calciné que j’évoque mon voyage de Jerusalem [sic] à Bethléhem [sic]. Il ne faut vraiment pas aller bien loin p[our]. jouir de l’exotique. Tout vôtre Henry Bildpostkarte: Die Bildpostkarte ist adressiert an »Monsieur le Comte de Kessler Chateau Ste. Honorine par Hérouvillette. Calvados.« und gestempelt mit »Herouvillette 9–9 11 Calvados« sowie »Carte Retacarentan 9–8 11.«. La Haye du Puits: Stadt im Département Manche in der Région Basse-Normandie (vgl. Bildpostkarte 342). Cherbourg: Stadt im Département Manche in der Région Basse-Normandie. mon voyage: Van de Velde bezieht sich hier auf seine 1903 unternommene Orientreise. Am 17. März 1903 hatte er in Jerusalem Station gemacht (vgl. Brief 159).
344 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Bayeux, 13.9.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Bildpostkarte
Ste. [sic] Brelade. 13 Sept[embre]. Ste. [sic] Brelade Bay Hotel. Cher ami, le séjour içi [sic] m’enchante et je compte ne m’embarquer que Samedi p.[our] Guernesey. Dès que je serai fixé sur mon retour et par quelle voie je rentrerai en France je vous avertirai. Tout affectueusement Henry v[an].d[e].V[elde]. Bildpostkarte: Die Bildpostkarte ist adressiert an »Monsieur Comte H[arry]. de Kessler Chateau Ste. Honorine par Hérouvillette (Calvados) France« und gestempelt mit »Herouvillette 6 16.9.11 Calvados«. Der Titel des Bildmotivs lautet ›Rough Seas at Corbiere Jersey – Corbière par un gros temps‹. St. Brelade: Ort an der Südküste von Jersey (zur Reiseroute vgl. Telegramm 340).
598 Edition und Kommentar
345 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Saint Malo, 21.9.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Bildpostkarte
Jeudi Sept[embe]. 21.11 St. Malo. Bien cher ami, Je me suis embarqué hier matin à Guernesey p[our]. débarquer le soir içi [sic]. Mais depuis 3 jours, il fait un tel temps de raffales [sic] et de mer démontée que je ne pouvais songer à vous prier de n[ou]s rencontrer à St. Malo p[our]. n[ou]s rendre ensemble au mont St. Michel. Je m’y suis rendu pourtant aujourd’hui par un temps atroce et pars demain de St. Malo p[our]. être le soir à Paris. A bientot [sic], où? à Weimar où je vais m’occuper de ce qui n[ou]s occupe! Tant votre Henry. Bildpostkarte: Die Bildpostkarte ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Chateau Ste. Honorine par Hérouvillette (Calvados).« und gestempelt mit »Herouvillette 6 23–9 11 Calvados« sowie »[unleserlich] 21–9 11«. St. Malo: Küstenstadt im Département Ille-et-Vilaine in der Bretagne. mont St. Michel: Dem Erzengel Michael geweihte Abtei auf der gleichnamigen Felsinsel im Département Manche in der Région Basse-Normandie. le soir à Paris: Van de Velde war am Samstag, den 23. September 1911, wieder in Paris (vgl. Brief 346).
346 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Paris, 25.9.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief mit Briefumschlag
le 25 septembre 11 Paris Bien cher ami, Je suis rentré à Paris depuis samedi. Et j’ai reçu hier vos lettres, photos et brochure, ayant rapport au »Stade«. Merci p[our]. ces précieux documents. Au sujet du »Polo« que j’abandonnerais tant à regret, à combien de centimètres avez-vous compté le »pas«? Si ce »pas« est compté à 0,75 mètre alors en effet les arènes seraient énormes et il faudrait abandonner l’idée. Pourtant, pourtant connaissez-vous une forme plus sympathique et plus aristocratique de »jeu« moderne? Football – oui; mais encore y a-t-il
Briefe und Kommentare 599
à craindre que le champ – là aussi – doit [sic] dépasser de beaucoup les 33,50 mètres de largeur du stade grec! Patientez, bien cher ami; je rentrerai à Weimar, à la fin de cette semaine et là-bas je vais me consacrer à l’étude de l’ensemble de notre projet. Il m’apparaît pourtant indispensable que nous devions »en principe« chercher à »l’adapter« aux formes des jeux modernes que nous y voudrions voir pratiquer. Il me paraît que l’essentiel de la conception tient là! Réfléchissez-y avec moi! Quand je me trouverai à W[eimar]. devant mes grandes tables et devant la masse de terre qui va simuler le terrain, je me rendrai mieux compte et ce semblant de réalité m’inspirera. J’ai donc besoin de quelques jours de crédit qui ne serviront qu’à exciter mon zèle et mon désir de vous apporter des solutions. Tout affectueusement vôtre Henry Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Chateau Ste. Honorine par Hérouvillette (Calvados)« und gestempelt mit »Paris 16 15 25–9 11 Clement Marot«. vos lettres, photos et brochure: Bei den hier erwähnten Unterlagen handelt es sich sehr wahrscheinlich um jene Dokumente, die noch 1958/59 im Bestand des zeichnerischen Nachlasses van de Veldes in der Mappe »Stade Nietzsche, à ériger à Weimar 1912« (LC/Nr. 25) vorhanden waren. Hierzu gehörten eine Broschüre ›Olympische Spiele in Stockholm, 1912‹, zwei Photos eines moderneren, v-förmigen Stadions (vermutlich in Athen), eine Broschüre (Köster, August: Das Stadion von Athen, Berlin 1906), die Zeitschrift ›Sport im Bild‹, Nr. 48, 1911 (Modell des Stadions von Stockholm für Spiele 1912) sowie zwei Briefe von Harry Graf Kessler vom 23. September 1911 mit Angaben über Stadionanlagen. Darüber hinaus befanden sich in diesem Konvolut ein Brief des Weimarer Rechtsanwalts Mardersteig vom 18. April 1912 (mit Angaben über Bodenqualitäten bei Bohrungen für das Stadion, außerdem Kostenaufstellung für das Stadion: 2.030.000 Mark) sowie eine Postkarte aus Weimar an den Sekretär der Kunstgewerbeschule Paul Kämmer von dessen Schwager (mit Maßangaben über ein Spielfeld). Bis auf Teile der Broschüre ›Olympische Spiele in Stockholm, 1912‹ sind diese Dokumente verschollen (vgl. Inventarliste von Klaus-Jürgen Sembach, 1958/59, Fonds Henry van de Velde, Bibliothèque I. Errera de l’ ENSAV de La Cambre, Brüssel).
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347 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Château de Sainte Honorine, 26.9.1911 AML, FSX 504/181, Brief, Briefkopf (bedruckt): CHATEAU DE SAINTEHONORINE PAR Hérouvilette (CALVADOS) RANVILLE
26.IX.1911 Cher ami, le »pas« dans les jeux de sport répond à peu près au yard anglais, donc, je crois à environ 80 centimètres. Il faut donc, à regret, certes, mais résolument renoncer au Polo. C’est du reste un jeu de gens très riches, et peu pratiqué en Allemagne. L’Empereur l’avait même défendu au Kronprinz à Potsdam, parce qu’il entraînait les officiers à des dépenses exagérées. Il n’y a guère que les fils de banquiers et de gros armateurs à Hambourg et à Brême qui peuvent se le permettre. Quant au football, vous pourrez facilement vous procurer tous les renseignements nécessaires, en achetant le volume »Football« dans la »bibliothèque des Sports«. Je ne puis le trouver ici, mais vous l’aurez tout de suite chez Floury. Je comprends, cher ami, que vous ayez besoin de temps pour élaborer même les plans assez sommaires et surtout les devis (ceci est même plus important que cela); mais j’espère tout-de-même [sic] que vous pourrez nous les donner pour les premiers jours de novembre, dernier délai utile avant la Noël; après, il faudrait attendre au moins la fin de janvier pour réunir le comité; ce serait un temps précieux que nous perdrions. Si l’état de ma mère me le permettait, je tâcherais de venir à Paris vendredi ou samedi de cette semaine. Vous y trouverais-je encore, si ce plan pouvait se réaliser? Je le désirerais vivement, car il serait bon de nous revoir encore, avant que vous commenciez votre travail. J’aurais bien voulu, aussi, que vous vissiez Maillol. Bien amicalement HdeKessler. chez Floury: Kessler bezieht sich hier auf die Pariser ›Librairie H. Floury‹ am Boulevard des Capucines, über die er gelegentlich Bücher erwarb (vgl. Relevé de Compte, Librairie Floury, 4.1.1911, DLA). de venir à Paris: Kessler kam am Donnerstag, den 28. September 1911, nach Paris und traf sich am 29. September mit van de Velde und Erica von Scheel zum Essen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.9.1911). que vous vissiez Maillol: Van de Velde reiste am 29. September 1911 zurück nach Weimar und konnte Kessler daher nicht am Tag darauf nach Marly zu Maillol begleiten (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 29./30.9.1911).
Briefe und Kommentare 601
348 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Château de Sainte Honorine, 11.10.1911 AML, FSX 504/182, Brief, Briefkopf (bedruckt): CHATEAU DE SAINTEHONORINE PAR Hérouvilette (CALVADOS) RANVILLE
ce 11.X.1911, mercredi Cher ami, je pense à vous. Voilà huit jours que vous êtes rentré à Weimar, et je pense que le grand modèle doit être assez avancé déjà et que vous pourrez bientôt commencer à »remuer de la terre«, en petit, mais tout de même d’une façon intéressante. Donnez[-]moi donc des nouvelles, dès qu’il y aura du nouveau. Je m’impatiente un peu d’être si loin de vous et de ne pas savoir, comment nos plans avancent! Saluez, je vous en prie, madame Vandevelde. Bien amicalement HdeKessler. le grand modèle: Van de Velde begann Mitte Oktober 1911, das große Modell des Geländes, das man ihm angefertigt hatte, hinsichtlich Form und Silhouette zu bearbeiten. Kessler sah sich das fertige Modell am 16. Dezember 1911 an (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 16.12.1911). »remuer de la terre«: Kessler bezieht sich auf van de Veldes Brief vom 25. September 1911, in dem es heißt: »Quand je me trouverai à W[eimar]. devant mes grandes tables et devant la masse de terre qui va simuler le terrain, je me rendrai mieux compte et ce semblant de réalité m’inspirera.« (vgl. Brief 346).
349 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 17.10.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (bedruckt): HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
ce 17 octobre 11 Cher ami, Merci de ce qu’en pensées vous suivez mon travail avec un intérêt aussi passionné. Je suis en effet rentré à Weimar depuis une quinzaine à présent. Mais à mon arrivée j’ai dû apprendre que Thyl s’était la veille de mon retour fracturé la cuisse et le lendemain je devais apprendre que Madame Herbert Esche venait de succomber à Bozen d’une angine purulente qui l’avait prise
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au cours d’un voyage en auto vers Florence et Rome. Ces deux événements m’ont tellement bouleversé que pendant les premiers huit jours je n’ai pu rien faire. J’attendais d’une part d’être fixé sur le jour de l’enterrement de Mad[ame]. Hanni Esche et d’autre part je ne pouvais me rassurer sur l’état de Thyl qui les premiers jours restait en proie au choc nerveux qui doit avoir accompagné son accident. Accident peu banal en ce sens que ce n’est pas lui qui est tombé mais bien un gamin grimpé dans les marroniers [sic] de l’Allée qui est tombé d’un arbre sur le pauvre Thyl qui est resté étendu dehors jusqu’à ce qu’un garçon un peu plus âgé le ramena [sic] à la maison couché sur une charette [sic]. Maria fut effrayée autant que le domestique qui le lui apporta à sa chambre, au point d’en être elle-même fort abattue. Mais à présent, Thyl a repris des forces et sa patience mérite d’être admirée. Il est presque gai et occupé tout le jour; mais malgré cela il devra être couché encore pendant plus de quinze jours. Ce qui fait que le pauvre petit aura été couché pendant un mois! Nous aurons quelques journées dures encore quand il faudra lui réapprendre à se tenir debout et à marcher. La semaine dernière j’ai dû me rendre à Hagen. Ce qui fait que ce n’est que depuis hier – dimanche, que j’ai pu m’occuper du N[ietzsche]. D[enkmal].! Entretemps [sic] pourtant le modèle du terrain avait été exécuté ce qui fait que je vais pouvoir dégrossir cette forme et y élever une silhouette! Momentanément, je ne suis pas bien avancé et pourtant l’étude du »Grundriss« m’a conduit déjà à écarter bien des solutions à vouloir poursuivre lesquelles, j’aurais pu perdre beaucoup de temps! C’est que l’Idée du Stade manque elle-même de précision – pour moi qui m’évertue à entrevoir quels jeux on pourra bien – à notre époque – jouer dans un tel cadre. Je suis possédé de l’idée d’adapter cette forme tradionnelle [sic]; mais adapter à quoi; à quel jeu qui par son attraction et son style pourrait revendiquer que n[ou]s adaptassions la forme ou changeassions les dimensions du stade selon ses exigences? Polo, écarté; Football, bien; mais il faudrait une largeur de 60 à 70 mètres au minimum. J’ai pensé à la possibilité de la transformation – au moyens [sic] de décors – du stade en scène antique et amphithéâtre et la possibilité d’y monter Œdipe, l’Orestie etc. Mais depuis hier tout cela s’est tassé sans me fournir pourtant un aspect complet et j’espère avoir réalisé aujourd’hui un progrès. J’accepte comme point de départ les dimensions mêmes du stade grec et je me suis borné jusqu’à présent à lui adjoindre bains et temple. Je veux me borner – d’abord – à une conception fort simple et ceci afin d’avoir le plus vite possible quelque chose qui pourra servir de base à nos discussions, à nos études. Je vous tiendrai au courant, bien cher ami.
Briefe und Kommentare 603
Tout vôtre Henry Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Chateau Ste. Honorine par Hérouvillette (Calvados) France.« und gestempelt mit »Weimar 17.10.11« und »Herouvillette 6 19–10 11 Calvados«. Thylberth van de Velde (gen. Thyl, Till, 1904–1980), Agrarökonom, Bankangestellter. Thyl van de Velde, benannt nach Charles de Costers ›Thyl Ulenspiegel‹, wurde am 13. März 1904 zusammen mit seiner Zwillingsschwester Thylla geboren (vgl. Anm. Brief 185). Schon als kleiner Junge interessierte er sich sehr für die Landwirtschaft und half Maria van de Velde oft bei der Gartenarbeit. Nach seinem Studium an der Landbouwschool in Dordrecht und einigen erfolgreich belegten Kursen in Buchhaltung arbeitete er seit Herbst 1924 als Volontär in einer Brüsseler Bank. Seine beruflichen Aufgaben und Interessen wechselten jedoch stetig. Thyl van de Velde war in der ersten Ehe mit Leentje Teirlinck, Tochter des flämischen Schriftstellers Herman Teirlinck, verheiratet (vgl. Brief 393). Die zweite Ehe ging er mit Rachel van den Berghe ein. Als letztes überlebendes Kind setzte er sich für die Erhaltung des Nachlasses seines Vaters ein (vgl. Briefe 15, 230, 368, 369, 398). Madame Herbert Esche: Johanna Louise Esche (gen. Hanni, geb. Koerner, 1879–1911). Hanni Esche war am 3. Oktober 1911 im Alter von 32 Jahren in Bozen verstorben. Sie entstammte der Chemnitzer Fabrikantenfamilie Koerner und war seit 1899 mit dem Industriellen Herbert Esche verheiratet. Ihre Schwester Gertrud war mit Fritz Esche, dem Bruder ihres Ehemannes vermählt. Als gute Freundin von Maria van de Velde war sie stets um das Wohl der van de Velde-Kinder bemüht und bot ihnen oftmals Gelegenheit, ihre Ferien in Chemnitz zu verbringen. Hanni Esche ließ sich 1905 von Edvard Munch porträtieren und gehörte seit 1899 zu van de Veldes frühen Kundinnen.
350 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, 27.10.1911 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (bedruckt): HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
le 27 octobre 11 Bien cher ami, Depuis ma dernière lettre, je n’ai plus avancé dans les travaux préparatoires p[our]. le N[ietzsche]. D[enkmal].. D’abord je n’ai pas l’esprit assez libre p[our]. un travail de cette importance; d’autres travaux p[our]. le pain quotidien et les charges si férocement fidèles et impérieuses m’accaparent, me déchirent, m’entraînent en avant p[our]. assurer précisément tant bien que mal l’avenir matériel, en arrière p[our]. mille choses qui restent en suspend [sic] p[our]. les travaux
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en train et en voie d’achèvement, attendant une solution que je reste encore toujours seul à devoir trouver! Et puis, ensuite et comme vous le savez Mad[ame]. F[örster].–N[ietzsche]. m’a annoncé entretemps [sic] qu’elle s’opposait formellement au projet temple-stadion, etc. Samedi dernier, au cours d’une soirée de danse, chez nous, elle me fit part p[our]. la première fois de ses scrupules. Dimanche soir au Théâtre, elle renouvella [sic] sa déclaration, et me priait de déjeuner avec elle lundi, seul, afin qu’elle puisse m’exposer son sentiment et me convaincre. Ses raisons, bien cher ami, vous les connaissez puisqu’elle vous les a exposées dans une lettre dont elle me fit parvenir à Hagen – où je m’étais rendu dès lundi soir et d’où je suis rentré hier soir – la copie! Je n’ai pas, en ce moment, cette lettre près d[e]. moi; mais je crois bien pouvoir affirmer que si elle contient quelques mots qui pourraient vous blesser et me blesser moi-même, il ne faudrait vraiment pas s’y arrêter; parce que j’ai trop senti combien elle cherchait à ne pas mettre en doute que votre enthousiasme seul p[our]. la pensée de Nietzsche pouvait vous avoir conduit vers un but et une conception qui comportent la participation de la foule qu’elle voudrait voir éloignée du monument et de sa réalisation, vers une vision d’une humanité ressuscitée à laquelle [sic] elle s’obstine de douter. Il s’est fait – en outre, que Madame Osthaus, qui a passé une huitaine chez nous et à laquelle j’ai montré ce que j’avais pu faire, confia, également ce samedi soir de la soirée de danse, à Madame Mad[ame]. F[örster]. que moi-même j’étais tourmenté à la pensée que le projet temple-stadion etc. serait irréalisable en raison de la somme énorme qu’il faudrait réunir ou bien que réalisé, le temple-stadion-bains, deviendrait un objet de musée, sans vie, sans objet (Ces préoccupations qu’elle ignorait n’ont par conséquent pas agi sur Madame Förster-Nietzsche qui vous avait écrit la lettre avant.) J’ai exprimé ces sentiments devant mon travail et l’effort qu’il exigera de moi pendant des mois, plutôt que devant Madame Osthaus et je n’avais aucune raison de penser que celle-ci les partagerait et les communiquerait à autrui. C’est que c’est au cours de tant de méditations sur ce que doit être le monument Nietzsche, qu’il m’est apparu que le projet initial, celui que vous m’exposiez en une lettre détaillant et évoquant l’émouvante et mystérieuse sérénité des temples japonais, cachés dans des parcs centenaires, qu’il m’est apparu que cette forme de glorification serait plus selon mon goût, et selon les possibilités de réalisation. Je concois [sic] autant aujourd’hui et même mieux, parce que mes croquis m’ont aidé et me font voir ce que vous méditez d’ériger, toute l’ampleur, toute la solennité du grandiose projet. Mais je ne peux plus me convaincre aussi facilement que vous qu’une
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humanité va se trouver, que celle d’aujourd’hui va se transformer assez vite pour que ce qui nous apparaît si laid aujourd’hui – la foule devienne supportable; p[our]. que ce qui peut nous attirer aujourd’hui dans les sports se transforme assez vite en orgueil de vivre, d’être fort, d’être beau, en cet orgueil physique hellénique! Et pourtant c’est à cette joie, à cet orgueil du corps, à cette beauté physique que vous en appellez [sic] en faire l’offrande à Nietzsche; c’est à eux que vous faites crédit et auxquels vous comptez vous en remettre p[our]. la vraie réalisation du monument, qui sans eux serait une ruine avant que le temps se soit mis à le ronger! J’ai peur, cher ami, qu’en ce sens vous escomptiez l’avenir autrement qu’il se présentera. Force, audace, beauté des corps, nous savons où la vie moderne les entraîne et je crois bien pouvoir admettre que ce ne sera pas vers ce stade! – vers un stade qui se trouverait à Weimar. La vie bat son pouls ailleurs; croyez-moi, Weimar est voué au culte, au culte »passif« et je n’emploie ce mot qu’à défaut d’un autre qui me manque pour exprimer mon sentiment qu’il n’y a pas à songer à faire participer quoique ce soit touchant de près ou de loin Weimar à une manifestation de la vie, à une manifestation de la Beauté vivante, agissante, enthousiaste et libérée! Mais il y a içi [sic] les arbres et l’atmosphère d’automne qui sont plus beaux que partout ailleurs, en Allemagne! Et depuis que je me suis occupé si intensivement de l’idée du monument Nietzsche, c’est au mystère de ce que peuvent composer des arbres magnifiques et suggestifs, l’atmosphère sereine de jours dont les heures claires réveillent, soulèvent, agitent et arrachent des feuilles variant leur coloration avec les saisons, c’est au mystère du »Bois sacré« que je voudrais confier le temple, le temple et la statue! L’invitation d’une allée, qui se détourne de manifester où elle conduit; l’indécision qui attend celui qui s’y aventure; puis la découverte de la statue et puis celle du temple et puis celle du Haut plateau, du ciel et des collines. Que d’accidents [?] pourrait-on honorer la source, le banc, la grille! Je sais, je sais les terrains nus et qu’il faudrait attendre un demi-siècle avant que notre conception prenne quelque expression définitive. Je sais, bien cher ami, que la patience est mon lot et de ne voir naître de moi rien de définitif! J’ai cessé de travailler – ou à peu près – jusqu’à ce que nous nous soyons vus. Ce sera à Paris, je prévois, bientôt. J’y compte séjourner du 5 au 12 Nov[embre]. Nous nous y rencontrerons et nous entendrons certainement sur le principe et sur la marche à suivre pour arriver le plus vite possible à présenter au comité un projet arrêté dans ses grandes lignes. Un projet –
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le vôtre, le premier – qui trouvera l’assentiment de tous et aussi celui de Mad[ame]. F[örster].. Car il me semble tout à fait impossible de marcher »contre« elle ou »sans« elle! Et c’est quand je l’ai suppliée lundi dernier de ne pas se retrancher derrière des lettres, qui peuvent être fausses de son propre avis, derrière la peur de ce qu’elle appelle un »scandale« (avec le sens allemand, bien entendu, du mot), c’est quand je l’ai suppliée de vous faire connaître aussitôt sa manière de voir les choses qu’elle m’a annoncé qu’elle vous avait écrit déjà. Et c’est cette copie de lettre que j’ai reçue à Hagen; c’est cette lettre qui, j’en ai peur, vous aura singulièrement contrarié, vous aura certainement poussé au premier moment à prendre la décision de tout jeter par terre et d[e]. vous retirer d’une entreprise qui ne répondrait plus à votre sentiment. Mais vous ne persisterez pas dans cette décision – si vraiment vous y aviez songé et quoique ma lettre vous confesse ma prédilection p[our]. la forme de votre premier projet, vous y reconnaîtrez bien que je l’écris surtout pour vous signaler que le terrain sur lequel nous nous entendrons tous avec passion est celui-là même qui fut le point de départ de l’idée du monument à Nietzsche. C’est dans cette direction qu’entretemps [sic] iront mes pensées et mon espoir. Tout vôtre, bien cher ami Henry Brief: In der Annahme, Kessler würde sich noch immer bei seiner Mutter im Château Sainte-Honorine aufhalten, sandte van de Velde den Brief nach Hérouvillette. Kessler fand den Brief jedoch erst nach seiner Rückkehr aus London in Paris vor und notierte am 5. November 1911: »Brief von Vandevelde, in dem er sich in gewundenen Ausdrücken gegen das Stadion Projekt ausspricht.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.11.1911). Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Chateau Ste. Honorine par Hérouvillette. (Calvados) France.« und gestempelt mit »Weimar 28.10.11« und »Hérouvillette 6 30 10 11 Calvados«. elle s’opposait formellement au projet temple-stadion: Elisabeth Förster-Nietzsche hatte sich Anfang Oktober 1911 erneut, diesmal jedoch mit Vehemenz gegen das Denkmal-Projekt ausgesprochen. Anlass war die Zusammenkunft mit »einem Herrn Rudolf Lemke oder Menke« aus Leipzig, der sie bereits im August aufgesucht hatte, um ihr ein briefliches Zitat von Friedrich Nietzsche mit folgendem Wortlaut zu übermitteln: »Die Nachäfferei des Griechenthums vor diesem reichen müssiggängerischen Gesindel aus ganz Europa ist mir ein Greuel. Die Leute ahnen nicht, aus welchen Tiefen religiöser u. politischer Vorstellungen die griechischen Feste hervorgegangen sind. Ich flüchte vor diesem hohlen Lärm sensationsgieriger Darsteller und Zuschauer in die Einsamkeit und Stille.« (Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler [Abschrift], 2./12.10.1911, AML, FSX 403, in: Föhl 2013, S. 862). Dies und weitere Umstände zum Anlass nehmend, richtete Elisabeth Förster-Nietzsche klare Worte an Kessler: »Ich möchte Sie nun, lieber Freund, auf das Innigste bitten, diese Pläne ad acta zu legen, oder wenigstens
Briefe und Kommentare 607 zehn Jahre zu warten – da werde ich ja hoffentlich tot sein! Es geht mir zu sehr wider alle Empfindungen, dass der große Einsame mit solchem Lärm und Massenansammlungen verherrlicht werden soll. [...] Der kleine Tempel in einem heiligen Hain – das war ausführbar und im Sinne meines Bruders –. Gegen alles Andere habe ich mich von Anfang an gesträubt und nur Ihrer liebenswürdigen Ueberredungsgabe zufolge habe ich schließlich auch diese Pläne, jedoch sehr widerwillig acceptirt.« (Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler [Abschrift], 2./12.10.1911, AML, FSX 403, in: Föhl 2013, S. 863 f.). Kessler selbst reagierte empört. Seinem Tagebuch vertraute er am 20. Oktober 1911 an: »Unglaublicher Brief von der Förster Nietzsche, die mich bittet, den Denkmalplan aufzugeben, weil ›ein Herr Lenke oder Menke‹ (sie kann sich auf den Namen nicht besinnen) sie besucht und sich gegen das Projekt ausgesprochen habe. Die ›ehrliche Entrüstung‹ dieses ›Nietzsche Verehrers‹ habe sie erschüttert, und ›sie selbst könne jetzt nicht anders, als sich dagegen erklären‹. Dieses, nachdem sie mir im Sommer erklärt hat, dass sie von dem Stadion Projekt ›entzückt‹ sei, und nachdem mit ihrer Kenntnis und Zustimmung 60 000 Mark für den Grundstückskauf geliehen und verausgabt sind.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.10.1911). Kesslers Brief an Elisabeth FörsterNietzsche beginnt gleichsam resolut: »Ihr Brief ist mir hier zugegangen. Ich muß annehmen und hoffen, daß der Wunsch, den er ausspricht, einer momentanen Depression entspringt; denn er ist, wie ich gleich sagen will, unerfüllbar. (vgl. Harry Graf Kessler an Elisabeth Förster-Nietzsche, 22.10.1911, GSA, Bestand NA, 72/393,5 90, in: Föhl 2013, S. 867). copie: Elisabeth Förster-Nietzsche ließ den an Kessler gerichteten Brief vom 2. Oktober 1911 in Kopie an van de Velde nach Hagen schicken. Er befindet sich in zwei geringfügig differierenden Versionen im Nachlass van de Veldes in Brüssel (Elisabeth Förster-Nietzsche an Harry Graf Kessler [Abschrift], 2./12.10.1911, AML, FSX 403, in: Föhl 2013, S. 859–865). une lettre: Van de Velde nimmt hier Bezug auf Kesslers Brief vom 28. Februar 1911 (vgl. Brief 310). à Paris: Kessler und van de Velde trafen sich am 6. November 1911 in Paris. Kessler hielt nach dem Treffen im Tagebuch fest: »Nachmittags mit Vandevelde mich unterredet. Er war sehr unbestimmt, eher gegen den Stadionplan, weil er nicht die ›humanité‹ sehe, qui pourrait se mouvoir dignement dans ce cadre. Er skizzierte mir aber Pläne mit grossen Schwimmbassins, die beweisen, dass er doch diesen Plan ernsthaft ins Auge gefasst hat. Nach einer längeren, zum Teil etwas scharfen Diskussion verpflichtete er sich aber wieder, den Stadion Plan zu unterstützen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.11.1911).
351 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 12.12.1911 AML, FSX 504/184, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
12.XII.1911. Cher ami, voici une petite notice sur les jeux Olympiques à Stockholm qui complètera votre documentation sur ce qui peut se passer dans un stade. Autre chose: décidément, je trouve de grands mérites au projet Kreis pour le
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Bismarckdenkmal. Evidemment, les détails ne sont pas neufs, mais l’ensemble est expressif, donne bien l’idée d’une force massive et lourdement équilibrée, qui était l’impression qui se dégageait de la personnalité de Bismarck: quelquechose [sic] comme une sérénité orageuse et cuirassée, concentrée, menaçante aussi, mais plutôt défensive qu’offensive. Je retrouve cette impression dans tous ses éléments et bien nette devant le monument de Kreis, et ça me semble un grand mérite d’avoir si bien su transposer une personnalité en une formule architecturale. C’est bien ce à quoi il faudrait atteindre dans le monument Nietzsche: à cette transposition de la personnalité de Nietzsche en une grande formule architectonique différente absolument, c’est entendu, de celle qui exprime Bismarck, puisque les deux personnalités, de puissance peut-être égale, différaient du tout au tout dans les éléments dont était faite cette puissance, et surtout dans le but auquel elles tendaient. Mais c’est bien une architecture expressive plutôt que constructive qu’il nous faut, une grande formule inspirée par la personnalité seule de Nietzsche, telle un grand motif musical qui s’efforcerait d’exprimer Zarathustra. Tout ce qui s’écartera de ce but, tout ce qui tâchera de ménager la chèvre et le chou, en faisant une part soit à l’idée »salle de conférences«, soit à cette »salle d’exposition«, ne pourra que gêner et affaiblir la grande impression d’ensemble qu’il s’agit de provoquer, l’unité du sentiment immense de légèreté, de joie et de force qui doit se dégager du moment, dès qu’on l’aperçoit du bout même de l’allée. Il s’agit de rechercher une inspiration presque purement lyrique, mais qui résoudrait ce lyrisme en architecture comme telle grande page de Bach. Donc, architecture absolument abstraite, purement rhythmique [sic], comme toute architecture musicale. Peut-être le sentiment de légèreté, plus apparenté naturellement à l’architecture que celui de joie, donnerait[-]il le point de départ idéal: un monument léger, planant, pour ainsi dire, sur sa hauteur devant le stade massif, un monument presque aérien, comme certains monuments italo-musulmans des Indes qu’on dirait construits par les Djinn (il faudrait dégager les éléments de cette apparence aérienne), mais nerveux et fort et même sournoisement massif sous cette apparence de légèreté, comme la physionomie même de Nietzsche, avec son ossature formidable, bismarckienne, tous les plans exquisément délicats et grecs du front et de la bouche. Je verrais volontiers non seulement de la gêne [unleserlich] mais presque de l’ironie dans l’expression monumentale de cette opposition, de ce triomphe de la finesse sur la force, toute une orchestration de ces deux motifs (à laquelle pourrait contribuer la sculpture) aboutissant à une joie et une sérénité, une blancheur et une légèreté presque ironiques. À vendredi, cher ami, votre très dévoué HdeKessler
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Brief: Kessler hielt die wichtigsten Gedanken dieses Briefes noch einmal in seinem Tagebuch fest (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 12.12.1911). une petite notice: Dieser Abriss über die olympischen Spiele in Stockholm hat sich nicht erhalten. projet Kreis pour le Bismarckdenkmal: Es handelt sich um das Entwurfsprojekt von Wilhelm Kreis zur Errichtung des Bismarck-Nationaldenkmals auf der Elisenhöhe bei Bingerbrück. Kreis gewann im Dezember 1911 die dritte Ausschreibung. Sein Projekt, das schließlich nicht ausgeführt werden konnte, sollte anlässlich des 100. Geburtstages Otto von Bismarcks 1915 eingeweiht werden (Mai 1994, 29–44; Nerdinger/ Mai 1994, S. 234, Nr. 53).
352 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, [Riga], [30.3.1912] DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief, Briefkopf (bedruckt): 5, RUE DU BOCCADOR
30.III.12 [von anderer Hand] Samedi. Merci tant, cher ami, d’être venu et de songer à m’inviter. Mais je pars aujourd’hui. A bientot [sic] à Weimar et devant un dessin qui vous satisfera j’espère. Bien merci p[our]. tant d’amabilités. Vôtre Henry 30.III.12: Wenn diese Datierung stimmt, die vermutlich von Kessler stammt, müsste van de Velde den Brief mit Pariser Briefkopf aus Riga versandt haben. An seine Frau hatte er am 28. März 1912 aus Riga geschrieben (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 28.3.1912, AML, FSX 784). satisfera: Ebenso wie Eberhard von Bodenhausen hatte Kessler scharfe Kritik an van de Veldes Projektskizzen zum Nietzsche-Denkmal geübt. Am 23. März 1912 vermerkte er im Tagebuch: »Bei Vandevelde, um seine Pläne und Entwürfe zum Nietzsche Denkmal zu sehen. Er hat als Tempel einen enorm hohen Bismarckturm-artigen Bau entworfen, der bei ungeheuer intrikater Gliederung erdrückend schwer und leer wirkt. Ich sagte ihm in schonender Weise meinen Eindruck, und dass ich die Verantwortung nicht übernehmen könne, diesen Entwurf dem Komitee zu zeigen. Vandevelde ist, nachdem er seine gewöhnliche Methode, vom Zweck und der inneren Gliederung des Baues auszugehen, aufgegeben hatte, auf die Idee verfallen, die Funktion des Baus als Hintergrund der Statue auszunutzen, und hat sich einen riesigen ovalen Rahmen gedacht, aus dieser Grundform alle übrigen ableitend. Die Wahrheit ist, dass unserer Zeit jede Tradition und Handhabe zu dekorativer Architektur fehlt. Dieses vollkommene Fehlschlagen von Vandeveldes wiederholten Versuchen, einen architektonischen Ausdruck für reine, zwecklose Lebensfreude und Leichtigkeit zu finden, beweist das.« (Tagebuch Harry Graf
610 Edition und Kommentar Kessler, 23.3.1912). Tags darauf fügte er hinzu: »Mit Bodenhausen bei Vandevelde, damit B. die Nietzsche Entwürfe sehe. Er kritisierte den Tempel fast in denselben Worten wie ich. Ich schlug V. vor, da wir offenbar nicht reif seien, einen dekorativen Bau zu schaffen, eine ganz einfache Halle, ›vier Mauern und ein Dach‹, hinzusetzen, und nur auf die Schönheit der Mauern als Mauern zu sehen. Vandevelde möchte lieber von einem Tempel ganz absehen und nur eine Plattform als Hintergrund der Statue aufbauen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.3.1912).
353 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 14.4.1912 AML, FSX 504/186, Brief, Briefkopf (bedruckt): GRAND HÔTEL PARIS 12, Boulevard des Capucines
Le 14.IV.1912. Cher ami, je reçois de Julius Stern une lettre sur un ton assez péremptoire me demandant des nouvelles du monument Nietzsche. C’est un signe des plus sérieux, que nous ne devons plus tarder à saisir le Comité de vos plans et devis. Comme vous m’avez dit avoir besoin encore de quelque temps pour mettre au point les plans, j’ai fixé la réunion (sauf votre approbation) au 5 mai (dimanche). Je crois impossible, absolument, de la reculer plus loin, et indispensable aussi, que vous y assistiez. Ceci est d’une telle importance, que je vous prierais de remettre ou de décommander toute autre affaire qui pourrait vous empêcher d’être vous-même à Berlin ce jour[-]là. Je vous ai télégraphié dans ce sens ce matin, et j’attends avec anxiété votre réponse. Quant aux plans, voici: Je crois qu’un temple sera indispensable, ne fût ce que pour y placer la statue de Nietzsche et y faire les réunions du comité, ainsi que pour de petites conférences. Mais je voudrais ce temple extrêmement simple, car je ne crois pas que nous pourrions faire accepter quoique ce soit d’ornementalement compliqué. Il suffirait, pour la réunion du 5 mai, d’indiquer purement et simplement la masse, comme vous l’aviez fait dans le tout premier modèle. Je préférerais même que cette indication fût absolument sommaire, et sans détails aucuns, ne donnant que l’impression de proportion entre le temple et le stade. Il va sans dire, qu’il faudra faire transporter le modèle à Berlin, pour la réunion. – Quant aux devis: il faudra qu’ils soient assez détaillés, pour qu’on puisse se rendre compte du coût des différentes séries de travaux (enlèvement de la terre, terrassements, constructions, plantations), et qu’on puisse établir là[-]dessus un programme à suivre; c’est[-]à[-]dire que, par exemple, on commencera par enlever seulement tant de terre, par faire seulement tels terrassements, telles constructions etc. Car je ne crois pas que nous pourrons faire accepter au Comité des travaux de 2 à 3 millions, en bloc, et
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qu’il rejettera le tout, si on ne peut lui faire comprendre, qu’on pourrait se contenter de dépenses beaucoup plus modestes (bien au dessous de 1 million) pour commencer, et que ces travaux formeraient même un tout provisoire, jusqu’à ce qu’on ait trouvé l’argent pour le reste. Je vous prie donc de faire étudier vos plans et vos devis à ce point de vue, et de faire dresser un programme progressif de dépenses et de travaux, en commençant par le minimum absolument indispensable. Ce minimum serait, à mon avis. 1) l’enlèvement pur et simple de la terre, pour donner la forme seule du stade (comme nous l’avons vue à Berlin), qu’on garnirait, pour les fêtes, de bancs en bois. 2) les terrassements indispensables, pour rendre le stade accessible et pour jeter les grands lignes de la forme; 3) les murs et le toit du temple, sans aucun ornement ni décoration. 4) quelques plantations. Tout le reste (piscine, bains, bancs en pierre du stade, statues, aménagement intérieur du temple etc. etc.) peut[-]être relégué dans la deuxième partie des travaux et des devis, qu’on n’abordera que plus tard, en se servant déjà des revenus du stade. Ce que je vous demande, c’est donc une refonte de vos devis en deux, ou même en trois parties: I. travaux de la première heure, absolument indispensables; II travaux complémentaires à exécuter plus tard, dès que l’argent se trouvera; III travaux de luxe (statues etc). Je vous prierai de rogner autant que possible sur le I, pour que nous arrivions avec des propositions acceptables, et aussi de détailler les devis, surtout le I, pour qu’on voie exactement à quoi vont servir ces premières dépenses et si on ne pouvait pas encore les rogner. Ce travail de critique, dans lequel j’espère engager le comité, serait déjà un commencement d’acceptation. Je dois aller à Arcachon, l’ayant promis, dans le courant de cette semaine (je compte quitter Paris jeudi, passer vendredi et samedi à St. Jean de Luz, Hotel [sic] Moderne, dimanche et peut-être lundi à Arcachon, au Moulleur Grand Hotel [sic] du Moulleur, être de retour à Paris mardi, et quitter Paris pour Weimar mercredi ou jeudi soir.) Je crois indispensable que nous nous voyions d’abord à Weimar, pour revoir ensemble les plans et les devis et pouvoir, au besoin, consulter sur place les entrepreneurs de terrassement, de maçonnerie etc. Je me rendrai, au commencement de la semaine d’après, de Weimar à Berlin, pour tout préparer, voir personnellement les membres du comité, un à un, et les cuisiner, et puis nous aurions la réunion le dimanche d’après. Ce programme vous convient-il, cher ami? Veuillez me répondre. Dès la réunion du comité et sur son approbation des plans, nous commencerons une propagande intensive. Bien amicalement
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HdeKessler
la réunion: Die Sitzung des Denkmal-Komitees fand nicht am 5. Mai 1912 sondern am 9. Juni 1912 in Berlin statt. Van de Velde war anwesend und stellte neben der geforderten Kostenaufstellung seine Pläne vor, die mit Begeisterung aufgenommen wurden (vgl. Sitzungsprotokoll vom 9.6.1912). An seine Frau schrieb er nach der Sitzung: »J’ai une affreuse migraine, bon Kind, et je sors de la séance du Comité. Celui-ci a décidé de mettre tout en œuvre p[our]. arriver à l’exécution de mes projets qui ont en tout les assentiments des membres présents. Tout, ou à peu près tout, reste donc entre les mains de Kessler qui a le don de tout voir en rose et de douter de peu. La foi peut des miracles et cette fois son amour propre est aussi engagé.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 9.6.1912, AML, FSX 784). un temple sera indispensable: Van de Velde war Ende März 1912 in das Kreuzfeuer persönlicher Kritik von Kessler und von Bodenhausen geraten (vgl. Anm. Brief 352). In der Folge vehementer Diskussionen machte er Andeutungen, ganz auf einen Tempel verzichten zu wollen und stattdessen eine Plattform zu errichten, die als Hintergrund der Statue diene (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 23./24.3.1912). vue à Berlin: Kessler und van de Velde hatten am 11. Dezember 1911 die Baustelle des Stadions in Berlin Grunewald besichtigt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.12.1911). à Arcachon: Stadt im Département Gironde in der Région Aquitaine. Kessler hielt sich am 24. und 25. April 1912 in Arcachon bei Gabriele d’Annunzio und Natascha von Goloubeff auf (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 24./25.4.1912). St. Jean de Luz: Küstenort im Département Pyrénées-Atlantiques in der Région Aquitaine. Kessler verbrachte den 22. April 1912 zusammen mit Léonie Princesse de Faucigny Cystria in St. Jean de Luz und Umgebung (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 22.4.1912).
354 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 18.4.1912 AML, FSX 504/187, Brief, Briefkopf (bedruckt): GRAND HÔTEL PARIS 12, Boulevard des Capucines
Le 18.IV.1912. Cher ami, merci de votre télégramme. J’enverrai donc des convocations pour le 5 mai, dimanche, à 10 ½ à l’Automobil Club à Berlin. Mais je vous verrai avant à Weimar. Toutefois, mon voyage sera peut[-]être retardé de deux ou trois jours, et je n’arriverai sans doute à Weimar que lundi ou mardi; voici pourquoi. La comtesse Greffulhe organise à Paris une très importante exposition d’art moderne. Mme Edwards, à laquelle Mme Greffulhe s’en remut une grande partie, m’a prié, même supplié, de m’en occuper un peu; tout le monde, ou à peu prés, dans le Comité étant d’une ignorance crasse en art vraiment moderne. J’ai donc promis de voir Mme Greffulhe demain et de lui suggérer quelques noms et quelques idées. J’ai naturellement pensé tout de suite à vous, cher ami, et une salle de meubles
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étant à peu près hors de questions, ou le peu de temps et des très fortes préventions et jalousies qu’il s’agirait de combattre, je compte lui proposer de faire une exposition très importante de votre argenterie. Vous pourriez peut[-]être y joindre des tissus, quelques reliures ou autres très gentils objets précieux; mais je crois que le plus sage serait de faire prédominer absolument l’argenterie, et de tâcher en remplir toutes les vitrines d’une petite salle. Ma sœur prêterait avec plaisir (je le lui ai demandé) de ses objets: compotier, saladier, soupière, couteaux, fourchettes etc., et je pense que vous réuniriez sans peine les éléments de cette exposition. Il s’agit d’une chose réellement importante, Mme Greffulhe ayant l’intention de faire grandement les choses, et l’influence mondaine de cette reine des snobs étant incalculable. C’est pour cette raison que j’ai retardé mon voyage dans le Midi de quelques jours, qui se répercuteront sur mon voyage à Weimar. J’aurai absolument besoin de vous voir à Weimar pour discuter et éplucher avec vous et avec vos aides les devis du Nietzsche Denkmal; je compte donc, cher ami, que vous pourrez vous arranger pour y être au moins de mardi à jeudi de la semaine prochaine. C’est d’une importance capitale pour la réussite de mes projets. Bien amicalement HdeKessler La comtesse Greffulhe: Marie Anatole Louise Elisabeth Comtesse de Greffulhe (geb. de Riquet, Comtesse de Caraman-Chimay, 1860–1952), Pariser Salonnière, Mäzenin. exposition d’art moderne: Kesslers Angaben zufolge fanden 1912 unter dem Protektorat der Gräfin Greffulhe drei Ausstellungen in Paris statt. Die Ausstellung ›Exposition d’art décoratif‹ in der Rue de Talleyrand präsentierte vornehmlich französische Wohnraumkunst: »Den Mittelpunkt im grossen Saal bildet Maillols Statue vom kleinen Colin. Die Möbel sind nicht der Rede wert; sie sehen aus wie schwächliche Nachahmungen von Rudi Schröder. Groult hat sogar Schröders Rosenkränze plagiiert.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.6.1912). Die Ausstellung in der Rue de la Ville l’Evêque war der modernen Bildenden Kunst gewidmet (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.6.1912). Eine dritte Ausstellung zeigte Metallarbeiten und Schmuck (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.6.1912). Mme Edwards: Marie Sophie Olga Zenaïde Edwards (geb. Godebska, gen. Maria, Misia, bis 1904 verh. Natanson, bis 1909 verh. Edwards, bis 1927 verh. Sert, 1872–1950). Misia Edwards und van de Velde kannten sich seit 1889, als sie eine kurzzeitige Schwärmerei verband. 1896 stattete ihr van de Velde in Paris ein Boudoir aus. Misia Edwards galt aufgrund ihres Charismas als allseits umschwärmte Frauengestalt der Pariser Hautevolee. Für viele Maler, wie Bonnard, Toulouse-Lautrec oder Vuillard, war sie Muse und Modell. demain: Kessler hatte bereits während eines Besuchs bei Misia Edwards am 17. April 1912 auf van de Velde aufmerksam gemacht. Am 19. April 1912 besuchte er die einflussreiche Pariser Salonnière Gräfin Greffulhe, um Vorschläge für ihre Ausstellung zu unterbreiten (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 17./19.4.1912). Ob van de Velde tatsächlich eigene Exponate zu einer der drei Ausstellungen beisteuerte, ist nicht überliefert.
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355 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Château de Sainte Honorine, 12.10.1912 AML, FSX 504/183, Brief, Briefkopf (bedruckt): CHATEAU DE SAINTEHONORINE PAR Hérouvilette (CALVADOS) RANVILLE
12.X.1912. Cher ami, merci de votre si bonne et aimable lettre. Je vous prie aussi de remercier votre secrétaire de ses communications, auxquelles je réponds en même temps. 1° il est évident, que j’aurai besoin du local pour plus d’un an; car je ne compte guère commencer à imprimer avant l’été prochain, vu les lenteurs de Maillol et l’impossibilité où je suis, de réunir tous les éléments nécessaires plus tôt. 2° En attendant, je compte installer tout, de façon à ne pas perdre de temps plus tard. Mais je ne voudrais pas vous ennuyer, vous ni votre secrétaire, avec cette installation; j’y pourverrai [sic] moi même, quand je viendrai à Weimar cet hiver. 3° Veuillez me faire dire, à qui je dois faire payer le terme, et quand? Est-ce à partir du 1er octobre? Je vais à Munich (Vier Jahreszeiten) vers le 22 de ce mois, pour revoir Behn, et peut-être Loeb. Le 25 je serai à Stuttgart, Hotel Marquardt, pour la première de Strauss et Hofmannsthal. Nous verrons-nous là[-]bas? Peutêtre, si Loeb »marche«, sera-t-il utile que vous veniez immédiatement, c’est[-]à[-]dire le 22 ou le 23, à Munich. Dans ce cas je vous télégraphierais; mais où? Je n’ai vu pour ainsi dire personne à Paris. Quant à Tata, c’était trop accaparant pour le court séjour que j’ai pu faire. Du reste, j’ai passé le plus grande partie de mon temps à Marly, dans mon »usine«, j’ai beaucoup d’ennuis, mais le papier sera magnifique et tel qu’on n’en a pas encore vu en Occident. Aristide Maillol part pour le Midi dans dix jours, et il est indispensable qu’il fasse enfin mes bois pour le Virgile; donc impossible de faire pour Tata. Ce sera pour plus tard, quand elle se sera encore plus éloignée de d’A.[nnunzio], qui, dans le point spécial que vous mentionnez, elle juge avec une certaine injustice, du reste. J’ai vu à Londres, où j’ai passé quelques jours, Mme Greffulhe, qui s’est complètement emballée pour Craig: elle ne pense plus, ne vit plus, ne complote plus que Craig. Ce sera sa Cosima Wagner; elle m’a gentiment demandé, si je ne connaissais personne à Londres, qui pourrait lui donner un Million pour aider Craig. J’ai dû me récuser, comme vous pensez. J’ai presque des remords de les avoir présentés l’une à l’autre. Mais certainement, que ce que Craig fait en ce moment pour mon Hamlet est d’un génie; c’est un des deux ou trois artistes les plus originaux et les plus
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forts de notre temps. Avez vous appris l’aventure de Rodin avec sa Duchesse? Il paraît qu’elle a failli l’empoisonner, qu’elle a manigancé une attaque nocturne, pour le faire assassiner, qu’elle a introduit des bronzes [?] volés dans les papiers d’une dactylographe fidèle, pour la faire renvoyer etc. etc; enfin de l’Eugène Sue tout pur. Avec tout ça, elle n’a du reste réussi qu’à se faire mettre à la porte et à raccommoder Rodin avec sa femme. Peut être aura-t-il un peu plus de temps pour travailler maintenant. Veuillez saluer Mme Vandevelde Votre bien dévoué HdeKessler lettre: Van de Veldes Gegenbrief hat sich nicht erhalten. local: Kessler bezieht sich hier auf mögliche Räumlichkeiten für seine Privatpresse in Weimar, die er schließlich im Juli 1913 in der Kurthstraße 1a im ehemaligen Martersteigschen Haus unter dem Namen ›Cranach Presse‹ gründete. secrétaire: Gemeint ist van de Veldes Sekretär und Buchhalter Paul Kämmer, der seit 1906 zunächst privat und ab 1908 offiziell an der Weimarer Kunstgewerbeschule angestellt war. Nach Schließung der Schule übernahm Kämmer, der von Beruf Kaufmann war, das Sekretariat der Hochschule für bildende Kunst unter Fritz Mackensen und anschließend bis 1921 das Sekretariat am Staatlichen Bauhaus Weimar, bis er wieder in die Dienste der Hochschule trat. Zugleich betreute er von 1915 bis 1931 die Buchhaltung für Kesslers Cranach Presse. Van de Velde schätzte Kämmer sehr und lobte vor allen Dingen dessen »moralisch vornehme Gesinnung und Ehrlichkeit« (vgl. Henry van de Velde an Paul Kämmer, 30.9.1915, ThHStaW Weimar, Großherzogliche Kunstgewerbeschule Weimar Nr. 29, Bl. 29). Max Adolf Friedrich Behn (gen. Fritz, 1878–1970), Bildhauer, Zeichner. Kessler war Behn erstmals am 2. August 1911 in München begegnet und konnte ihn für das NietzscheDenkmal erwärmen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.8.1911). Behn wurde Mitglied des großen Denkmalkomitees (vgl. Schuster/ Pehle 1988, S. 101). Am 6. August 1912 reisten Kessler und Behn nach Neubeuern, wo Behn bereits mehrfach zu Gast gewesen war, um an der Porträtbüste Hugo von Hofmannsthals zu arbeiten (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.8.1912; Hugo von Hofmannsthal an Ottonie von Degenfeld, 31.8.1911, 18.11.1911, in: Miller-Degenfeld 2000, S. 127 f., 154 f.). James Loeb (gen. Jimmy, 1867–1933), amerikanischer Bankier, Sammler, Mäzen. Handschriftlich von Kessler hinzugefügt, befand sich der Name James Loeb auf der Mitgliederliste des großen Denkmalkomitees (Schuster/ Pehle 1988, S. 101). la première: Die Uraufführung der ersten Fassung der Oper ›Ariadne auf Naxos‹ von Richard Strauss (Libretto: Hugo von Hofmannsthal) fand am 25.10.1912 im Kleinen Haus des Königlichen Hoftheaters in Stuttgart statt. Tata: ›Tata‹ lautete der Kosename von Natascha von Golubeff (vgl. Anm. Brief 200). usine: Kessler bezieht sich hier auf die Papiermühle in Montval bei Marly-le-Roi (vgl. Anm. Brief 196).
616 Edition und Kommentar le papier: Gemeint ist das von Kessler und Maillol entwickelte ›Maillol-Kessler-Bütten‹, auch ›Papier de Montval‹ genannt. Für die Standardausgaben wurde ein Papier aus reinen Hanffasern, für die Luxusausgaben ein aus chinesischen Seidenfasern und Hanf hergestelltes Papier entwickelt, das Kesslers Worten zufolge in »Festigkeit, Textur, Ton und Glanz mit den edelsten Papiersorten des Mittelalters und Chinas den Vergleich aushalten« konnte (vgl. Prospekt zu den ›Eclogen‹, 1926). le Virgile: Vgl. Anm. Brief 196. emballée pour Craig: Gräfin Greffulhe war durch Kessler auf Edward Gordon Craig aufmerksam gemacht worden, den sie fortan mit voller Hingabe unterstützte (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 17./19./24.4.1912, 29.9.1912; Newman 1995, S. 78 f., 94, 100). mon Hamlet: Bereits am 1. November 1911 hatte sich Kessler an Craig gewandt, um mit ihm über ein neues Buchprojekt zu sprechen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.11.1911). Die im Jahre 1930 zum schönsten deutschen Buch gekürte Ausgabe von Shakespeare’s ›Hamlet‹ kam erst 1929 in deutscher und 1930 in englischer Sprache heraus. Craig hatte jedoch bereits 1912 erste Holzschnitte entworfen. Eric Gill gestaltete die Versalien, Edward Johnston entwickelte die sogenannte ›Hamlet-Fraktur‹. Kessler, der kontinuierlich an der Ausgabe feilte, ließ insgesamt 230 Exemplare auf dem sogenannten ›Maillol-Kessler-Bütten‹, 17 Exemplare auf Kaiserlich Japan und 8 Exemplare auf englischem Kalbspergament in der Weimarer Cranach Presse abziehen. Die Einbände wurden in der Dorfner-Werkstatt angefertigt (vgl. Anm. Brief 380; Brinks 2003, S. 408–413 [Nrn. 73–81]; Newman 1995; Newman 2003, S. 126–145). sa Duchesse: Lucie Marie de Choiseul-Praslin (geb. Tate, 1876–?). Lucie Marie de ChoiseulPraslin war die zeitweilige Geliebte von Auguste Rodin. Kessler beschrieb sie als eine »nicht mehr ganz junge, aber dickliche Dame mit sehr rot gemalten Lippen« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.10.1909). Er war ihr 1909 erstmals begegnet. Das Verhältnis untereinander war eher gespannt. Eugène Sue (eigentlich Joseph-Marie Sue, 1804–1857), französischer Schriftsteller. Eugène Sue schrieb zahlreiche Sittenromane, darunter ›Les mystères de Paris‹, ›Le juif errant‹, ›Les sept péchés capitaux‹, ›Les mystères du peuple‹.
356 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Château Sainte Honorine, [16.10.1912] AML, FSX 504/185, Brief, Briefkopf (bedruckt): CHATEAU DE SAINTEHONORINE PAR Hérouvilette (CALVADOS) RANVILLE
Cher ami, je serai à Munich, 4 Jahreszeiten, mardi matin. J’espère voir Behn et Loeb ce jour, ou les jours suivants. Veuillez m’y expédier, de façon à ce que je l’aie mardi matin au plus tard, une deuxième série de photographies du N[ietzsche]. D[enkmal]. J’ai donné une partie de la première série à Behn, mais Dieu sait s’il ne l’a pas égarée; ce serait la catastrophe, si je n’avais rien en mains pour Loeb. Je pars d’ici après-demain; je resterai à Paris, Grand Hotel, jusqu’à lundi, de mardi à vendredi matin à Munich à partir de vendredi à Stuttgart, Hotel Marquardt. J’espère aussi un mot de
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vous pour me donner de vos nouvelles. Bien amicalement HdeKessler 16.10.1912: Kessler reiste am 18. Oktober 1912 von Sainte Honorine nach Paris. Folglich müsste dieser Brief am 16. Oktober 1912 abgefasst worden sein. Wie Kessler im Brief erwähnt, beabsichtigte er, am 22. Oktober 1912 in München und ab dem 25. Oktober 1912 in Stuttgart zu sein. voir Behn et Loeb: Die Begegnung zwischen Behn und Loeb ist nicht dokumentiert, da Kessler zu jener Zeit sein Tagebuch nicht lückenlos führte, stattdessen z. T. nur schwer lesbare Bleistiftnotizen hinterließ. Es ist jedoch davon auszugehen, dass er Behn und Loeb in der Angelegenheit des Nietzsche-Denkmals aufsuchte. Loeb kam dabei sicherlich als Finanzier in Betracht, Behn möglicherweise als teilhabender Bildhauer. Genaueres ist jedoch nicht bekannt. photographies: Es existieren noch einige wenige Modellphotos vom Nietzsche-Stadion aus dem Jahr 1912 (vgl. La Cambre, LC/S 2833–2842). Ob es sich bei den hier genannten Photographien um ebendiese Modellphotos handelt, lässt sich nicht mehr ermitteln.
357 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 17.12.1912 AML, FSX 504/188, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
17.XII.12 Cher ami, je verrai Reinhardt et vous pensez bien que je ferai tout mon possible. Mais, après bien des déceptions, je dois me dire, que si R[einhardt]. doit insister pour que cette œuvre vous revienne, les chances sont minimes; car Reinhardt ne se mettra jamais en campagne pour une chose qui ne l’intéresse pas directement. Ce n’est pas dans sa nature; et il aura beau promettre, il ne fera rien. La seule chose que nous pourrons peut-être obtenir, c’est qu’il ne vous soit pas hostile, c’est[-]à[-]dire qu’il ne mette pas en avant quelqu’un de son côté. Je regrette, que je doive vous donner si peu d’espoir; mais, vraiment, je connais trop bien Reinhardt, pour compter sur lui dans une affaire pareille. Je vous écrirai, du reste, ce qu’il m’aura dit. Bien amicalement HdeKessler. cette œuvre: Es ist nicht überliefert, um welches Projekt es sich hier handelt.
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358 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 10.5.1913 AML, FSX 504/190, Brief
Paris, 10.V.13. Cher ami, j’ai vu Sert aujourdhui [sic], qui m’a dit avoir parlé à Gide de votre affaire. Gide lui a dit, qu’il trouvait tout ça très intéressant, personnellement, mais qu’il ne pourrait rien faire dans la ›Nouvelle Revue Française‹, à cause du Nationalisme. Il fallait qu’ils fassent très attention à ne pas froisser les susceptibilités du public Français. – Donc rien à faire de ce côté. Sert m’a proposé de publier vos plans et un article dans une grande Revue Espagnole. Il croit aussi pouvoir faire quelquechose [sic] dans le ›Studio‹. J’ai vu aussi Ricciotto Canudo, qui veut faire un article et publier les plans dans ›Montjoie‹, une nouvelle feuille artistico–littéraire qu’il rédige. Ça sera toujours ça, et peut-être attachera-t-il le public [?]. Je crains pourtant qu’il y ait peu à faire en France. La passion nationaliste est trop forte en ce moment. Aucune preuve ne tiendra contre cette folie. Et ceux qui ne sont pas nationalistes eux-mêmes ont trop peur des autres, qui le sont. Vous savez, qu’Astruc a rompu ses contrats pour le ›Rosenkavalier‹, parcequ’il [sic] n’osait pas affronter le public avec une œuvre Allemande en ce moment; on l’avait menacé d’une démonstration aux pommes cuites. Tout cela finira peut-être mal; mais en attendant, il n’y a qu’à diminuer autant que possible les points de contact, et à ne pas s’attendre à une justice abstraite de la part de gens montés à ce point ou totalement intimidés. Ne cherchez pas d’autre raison à l’attitude de Denis, Thyssen, Jamot, Rysselberghe etc, que celle que Gide a très honnêtement avouée. Pour Canudo, je tiens beaucoup aux documents sur l’orgue. Il y attache une très grande importance, et il serait bon d’aller dans le sens de ses préoccupations. Il déjeune avec moi, pour prendre des notes, mardi. J’espère que j’aurai reçu ces documents pour ce jour. À revoir, cher ami; et écrivez[-]moi quand vous comptez être à Paris! Bien amicalement HdeKessler. Je n’ai rien reçu de Thomas. Il m’ignore complètement. Brief: Dieser Brief kam am 11. Mai 1913 »par exprès« abends in Weimar an. Maria van de Velde sandte ihn unverzüglich nach Saint-Germain-en-Laye, wo van de Velde am gleichen Tag eingetroffen war (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 12.5.1913, AML, FSX 786; vgl. Anm. Brief 359).
Briefe und Kommentare 619 José María Sert (eigentlich Sert y Badía, 1874–1945), katalanischer Maler. Kessler hielt das Gespräch mit Sert zu Gides Aussage knapp im Tagebuch fest: »Bei Sert. Gide über Vandev[elde].: que cela l’interessait personellement; mais il ne fera rien. Ich Pourqoi. S. À cause du Nationalisme. Ils sont forcés d’être prudents dans la Nouvelle Revue F. Ils ne peuvent pas froisser les susceptibilités du public.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.5.1913). Es bleibt unklar, ob Sert tatsächlich einen Artikel über van de Velde veröffentlicht hat. votre affaire: Einhergehend mit der Eröffnung des Théâtre des Champs-Élysées am 31. März 1913 entspann sich eine hitzige öffentliche Polemik gegen van de Velde. Perret selbst hatte zusammen mit seiner Anhängerschaft die Debatte lanciert. Ziel war es, die eigene Urheberschaft an dem Theaterbau zu untermauern und van de Veldes Einfluss zu schmälern. Wie zu Beginn des Theaterprojektes setzte sich Kessler erneut für van de Velde ein, diesmal allerdings für dessen Rehabilitierung. In den Monaten April und Mai des Jahres 1913 führte er zahlreiche Gespräche in dieser Angelegenheit, so u. a. am 18. April mit José María Sert, am 23. und 24. April mit Maurice Denis, am 9. und 13. Mai mit Ricciotto Canudo und am 14. Mai mit Misia Edwards, die damals bereits mit Sert zusammenlebte. Während eines kurzen Aufenthalts in der Nähe von Paris konnte van de Velde die Gelegenheit nutzen, am 15. und 17. Mai 1913 mit Gabriel Thomas persönlich zu konferieren. Thomas, gleich einem »besinnungslosen Spielzeug in den Händen von Perret« (Henry van de Velde), und van de Velde tauschten ihre Forderungen aus. Ein Schlichtungsausschuss sollte nunmehr die Angelegenheit regeln. Kessler kam die Rolle zu, van de Velde zu vertreten (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 17.5.1913, AML, FSX 784). Die Debatte, durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, zog sich schließlich bis in die 1920er Jahre hin (vgl. Freigang 2003, S. 97–116). Ricciotto Canudo (1879–1923), italienischer Journalist, Schriftsteller, Chefredakteur der Zeitschrift ›Montjoie!‹. Kessler hatte Canudo am 9. Mai 1913 aufgesucht und ihm van de Veldes Pläne für das Théâtre des Champs-Élysées gezeigt. »Er war aufs höchste überrascht und überwältigt.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.5.1913). Am 13. Mai traf Kessler erneut auf Canudo und Sert. »Beide waren einig über die Überspannung des Nationalgefühls in Frankreich, die bis ins Absurde geht. Canudo, der sein Journal zur Tendenz des ›Impérialsme Artistique français‹ herausgiebt bewies, dass seit der Gothik nichts Originales geschaffen sei.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 13.5.1913). Der im Brief erwähnte Artikel wurde nicht publiziert. ›Rosenkavalier‹: Von Hofmannsthals und Kesslers leidgeprüftes Gemeinschaftswerk ›Der Rosenkavalier. Komödie für Musik in drei Aufzügen‹ war am 26. Januar 1911 in Dresden uraufgeführt worden. Die Buchausgabe erschien im gleichen Jahr. Von Hofmannsthal wünschte, Kessler nur als »verborgenen Helfer« zu erwähnen. Kessler lehnte diesen Vorschlag ab, sah er doch seinen Anteil am Entstehen des Librettos in dieser Form nicht ausreichend genug gewürdigt. Das freundschaftliche Verhältnis der beiden wurde in der Folge grundlegend erschüttert. Die endgültige Widmung lautete: ›Ich widme diese Komödie dem Grafen Harry Keßler, dessen Mitarbeit sie so viel verdankt.‹. Denis: Kessler hatte am 23. April 1913 Maurice Denis aufgesucht, um eine klare Stellungnahme von ihm zu fordern und ihm seine »Ansicht über die Behandlung VandeVeldes durch Perret und Thomas« darzulegen. »Ich sagte Denis, dass ich die Absicht habe VandeVeldes Pläne in einer französischen Zeitschrift veröffentlichen zu lassen und an ihrer Hand seine Ansprüche zur Geltung zu bringen. Denis war sehr verlegen, sagte, er habe Thomas und Perret gewarnt, dass sie ein sehr unvorsichtiges Spiel spielten, Thomas sei aber so erfüllt von Perret, dass er auf Nichts gehört [...] habe.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 23.4.1913).
620 Edition und Kommentar Thyssen: Heinrich Thyssen-Bornemisza (1875–1947), ungarischer Kunstsammler deutscher Herkunft. Paul Jamot (1863–1939), französischer Archäologe, Kunsthistoriker, Kritiker, Kunstsammler. Paul Jamot war seit 1890 in der Antikensammlung des Louvre beschäftigt und seit 1911 Mitglied des Comité artistique des Théâtre des Champs-Élysées. Zu seinen Freunden zählten Gabriel Thomas, Auguste Perret und Maurice Denis. Als Kunstkritiker vertrat Jamot eine konservativ antidemokratische Haltung. Mit der Veröffentlichung des Artikels ›Le Théâtre des Champs-Élysées‹ in der Gazette des Beaux Arts setzte sich Jamot ausdrücklich für Perret und dessen Urheberschaft am Theaterbau ein. Noch Jahrzehnte später war van de Velde deswegen verletzt und schrieb darüber in seinen Memoiren ( Jamot, Paul: Le Théâtre des ChampsÉlysées, in: Gazette des Beaux-Arts, 55/1913, S. 261–294; Velde 1962, S. 337 f.; Velde 1995, S. 339 ff.; Velde 1999, S. 267; Freigang 2003, S. 104–108, 112–116).
359 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 12.5.1913 AML, FSX 504/191, Brief
Paris ce 12.V.13. Cher ami, je reçois à l’instant, en rentrant, votre télégramme. Venez donc, si vous pouvez, demain (mardi) à midi ¾ (une heure moins un quart) déjeuner avec moi chez Voisin. J’ai Canudo qui vient précisément pour que je lui explique l’affaire du Théâtre qu’il va soulever dans son Journal. Ce rendez[-]vous a été fixé rien que pour ça; et il va sans dire qu’il serait d’une importance capitale que vous y assistiez. Il m’a promis de publier vos plans et de faire un article retentissant. J’espère que cette lettre vous joindra! Bien amicalement HdeKessler J’ai dîné ce soir chez la C[om]tesse Greffulhe, où j’ai saisi l’occasion de parler de cette affaire, surtout qu’elle déteste Astruc et que c’est une de vos compatriotes. Il y avait aussi Mme Paul Clémenceau. On a paru s’intéresser beaucoup à vos revendications. Mais il est sûr qu’il sera difficile de surmonter la vanité nationaliste, qui s’oppose à ce que ce soit un étranger auquel Paris devra son plus beau Théâtre. Songez-y; c’est, en effet, monstrueux, surtout en ce moment de vanité surchauffée. télégramme: Dieses Telegramm ist vermutlich verloren gegangen. Van de Velde hatte das Telegramm unmittelbar nach dem Eintreffen des weitergeleiteten Briefs Kesslers von Saint-Germain-en-Laye nach Paris gesandt (vgl. Brief 358). demain: Van de Velde hatte Paris am 9. Mai 1913 über Köln erreicht. Er zog sich nach SaintGermain-en-Laye zurück und logierte auf Empfehlung von Sissi Brentano im Hôtel Pavillon Louis XIV. in der Rue d’Alsace 2, um fernab des Großstadttrubels ungestört an seinen
Briefe und Kommentare 621 Vorträgen schreiben zu können (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 11.05.1913, AML, FSX 784). Kessler nahm das Treffen mit Canudo am 13. Mai 1913 allein wahr, traf sich jedoch mit van de Velde am 14., 16. und 17. Mai 1913 (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 15.5.1913, AML, FSX 784; Tagebuch Harry Graf Kessler, 14./16./17.5.1913). Voisin: Das zu den vornehmen Pariser Lokalen zählende Restaurant Voisin befand sich in der Rue Saint Honoré 261. ce soir: Kessler war am gleichen Tag bei Elisabeth Gräfin Greffulhe zu Gast (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 12.5.1913). Mme Paul Clémenceau: Sophie Clemenceau (geb. Szeps, 1859–1937), Salonnière, Ehefrau von Paul Clemenceau und Schwester von Berta Zuckerkandl.
360 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 5.6.1913 AML, FSX 504/192, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
5. VII. 13. Cher ami, voici quelques listes, dont j’ai complété une par l’abjuration de Stern, d’Annunzio, Krupp (celui-ci n’est pas membre du comité, mais il m’a promis tout secours moral et matériel.), Winterfeldt (celui-ci député conservateur au Reichstag et chef de la Province de Brandebourg, très important pour le Gr[and]. Duc. Veuillez agir dans le sens prévu. Il va sans dire, que tout pas envers moi doit être fait en premier lieu par le Gr[and]. Duc et que je devrais exiger un accueil absolument courtois et sans aucune arrière-pensée de chicane ou de méfiance. Car, si le Gr[and]. D[uc]. prenait le Protectorat, il faudrait que je collabore avec lui, que je puisse le voir et lui écrire, compter sur son appui dans les démarches que je ferai. Il faudrait bien insister sur tout ceci d’avance, pour qu’il n’y ait pas de mécomptes. Je suis décidé, si une réconciliation, sur cette base, s’opère, à être tout à fait loyal envers le Gr[and]. Duc, comme si jamais il n’y avait rien eu entre nous; mais je dois exiger la même loyauté et le même oubli des injures passées de sa part. Je tiens absolument à ce que ceci soit dit, courtoisement, mais avec fermeté, avant que rien ne se soit accompli de neuf entre nous. Je doute du reste, que le Gr[and]. Duc ait la générosité nécessaire (et que moi je crois avoir) pour passer sur les injures d’autan, sans arrière pensée; et êut[-]il cette générosité, il lui manquera la souplesse, le savoir-vivre, pour accomplir vis[-]à[-]vis de moi le geste nécessaire; il est tellement maladroit, tellement timide! Enfin, essayez toujours, cher ami; ce serait beaucoup, si vous réussissez. Je pars pour Paris ce soir. J’y reste jusqu’à la fin de la semaine prochaine.
622 Edition und Kommentar
Mon adresse à Potsdam, à partir du 18, sera: Marienstrasse 4. Bien amicalement HdeKessler quelques listes: Die Listen, vermutlich Mitgliederlisten zum Denkmal-Komitee, liegen dem Brief nicht mehr bei. Gustav Georg Friedrich Marie Krupp von Bohlen und Halbach (1870–1950), Diplomat, Industrieller, 1910 bis 1943 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Friedrich Krupp AG. Joachim von Winterfeldt (ab 1925: von Winterfeldt-Menkin, 1865–1945), Jurist, Politiker, Landesdirektor der Provinz Brandenburg, von 1921 bis 1933 Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Kessler hatte von Winterfeldt am 4. Mai 1911 in der Angelegenheit des Stadions aufgesucht (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.5.1911). par le Gr[and]. Duc: Am 1. Juni 1913 hatte Kessler hierzu notiert: »Vandevelde sagte mir Vormittags, dass der Großherzog von Weimar neulich zwei Stunden lang bei ihm gewesen sei und die Pläne zum Nietzsche Denkmal besichtigt habe. Er möchte gern wegen des sportlichen Interesses das Protektorat übernehmen, wenn seine Minister keine Bedenken wegen des Namens Nietzsche hätten. Vandevelde meinte, er könne zwischen dem Gh und mir auf dieser Basis eine Versöhnung herbeiführen, wenn ich bereit wäre, eventuell eine Einladung des Gh anzunehmen. Ich sagte, der erste Schritt müsse unter allen Umständen vom Gh kommen. Wenn er, um mit mir die Angelegenheit des Nietzsche Denkmals zu besprechen, einlade, ohne dass ich vorher erst bei ihm einzuschreiben brauche, würde ich die Einladung annehmen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.6.1913). 18: Kessler reiste erst am 24. Juni 1913 aus Paris ab und kam am darauffolgenden Tag in Berlin an (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 24./25.6.1913).
361 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 30.9.1913 AML, FSX 504/193, Brief mit Briefumschlag
Paris, 30.IX.1913. Cher ami, madame Förster, dans le dernier entretien que j’ai eu avec elle, a pris l’engagement formel vis[-]à[-]vis de moi d’appuyer le projet du stade, à condition qu’on englobe dans le projet du monument Nietzsche le transfert des cendres de Nietzsche à Weimar dans le jardin du Nietzsche Archiv et l’achat d’une partie du terrain du Nietzsche Archiv à cet effet. Il doit donc y avoir eu (car je ne puis croire que madame Förster revienne sur une parole donnée après même reflexion [sic] et ample discussion) un malentendu entre vous et elle. Elle s’oppose à ce qu’on exécute le stade d’abord, c’est[-]à[-]dire avant le transfert des cendres. Je vous prie, vu l’importance de cette affaire, de retourner chez Mme Förster et de lui
Briefe und Kommentare 623
montrer cette lettre; je suis certain qu’elle ne pourra qu’en confirmer le contenu. Bien amicalement HdeKessler Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Herrn Professor Henry Vandevelde Haus Hohe Pappeln Ehringsdorf bei Weimar (Saxe) Allemagne« und gestempelt mit »Paris Tribunal de Commerces 30–9–13« und »Weimar 1.10.13 1–2N.«. Kessler verschickte den Brief als Express-Sendung. Noch am selben Tag ließ er einen weiteren Brief folgen (vgl. Brief 362). le dernier entretien: Laut Tagebucheintragung war Kessler noch Anfang September 1913 in Weimar, um in der Cranach Presse an den ›Eclogen‹ des Vergil zu arbeiten. Vermutlich datiert das Gespräch zwischen Elisabeth Förster-Nietzsche und Kessler aus dieser Zeit (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 6.9.1913).
362 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 30.9.1913 AML, FSX 504/194, Brief
Paris 30.IX.13 Cher ami, je vous ai écrit une lettre ce matin, pour que vous la montriez à madame F[örster]. N[ietzsche].. Et sérieusement, je pense que son opposition vient surtout de ceci: qu’elle veut avoir l’argent pour le Nietzsche Archiv et son bout de terrain qu’elle veut vendre. Il s’agit de la tranquilliser là[-]dessus. Et il est évident, que si nous cherchons la grosse somme nécessaire pour le stade, il sera plus facile de trouver la somme relativement petite nécessaire au transfert des cendres [sic] et à l’achat du bout de jardin de l’Archiv, que si, après avoir acheté un terrain, tout à coup nous déclarons avoir besoin d’en acheter un tout autre. Personne alors ne voudrait plus donner de l’argent à des gens si incohérents dans leurs projets, il y a toutes les chances, pour que le premier au moins, le transfert et le monument dans les jardins de l’Archiv, se réalise. Ça saute aux yeux, et Mme F[örster]. l’a parfaitement compris, lorsque je le lui ai exposé. Veuillez donc insister sur ce point de vue auprès d’elle. Quand viendrez vous à Paris? Bien amicalement HdeKessler. Qu’en est-il de Cologne et de Craig? Il m’écrit aujourd[’]hui.
624 Edition und Kommentar une lettre: Vgl. Brief 361. montriez: Die Fronten zwischen Kessler und Elisabeth Förster-Nietzsche hatten sich seit Sommer 1913 verhärtet. Van de Velde kam die Rolle des Mittlers zu, die er nur ungern übernahm und halbherzig ausführte. Elisabeth Förster-Nietzsche kommentierte die Situation wie folgt: »Ich bin nur Kessler gram, weil ich glaubte, er sei ein aufrichtiger Nietzsche-Verehrer und mein Freund. Die Art aber, wie er alle meine Wünsche ablehnte, war wirklich verletzend u. gefühllos!« (Elisabeth Förster-Nietzsche an Henry van de Velde, 25.10.1913, AML, FSX 403/28, in: Föhl 2013, S. 1502). Van de Velde und Kessler waren sich dagegen in Bezug auf Elisabeth Förster-Nietzsche einig: »Sie sei halb schwachsinnig (très inquiétante).« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.11.1913). Qu’en est-il de Cologne et de Craig: Erneut tat sich für van de Velde die Möglichkeit auf, ein Theater zu entwerfen. Anlass war die Werkbundausstellung in Köln, deren Eröffnung auf den 16. Mai 1914 festgesetzt war. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Briefes war jedoch die Frage nach dem ausführenden Architekten noch nicht geklärt. Dem ursprünglichen Wunsch, ein Lichtspieltheater mit 450 Plätzen zu entwerfen, war van de Velde Mitte 1913 nachgekommen. Auch fügte er sich den stetig ändernden Bedingungen und arbeitete schließlich mehrere Vorentwürfe für ein Theater ohne Kino aus. Zahlreiche Intrigen, der Wechsel des Baugrunds, nationale Befindlichkeiten sowie Unstimmigkeiten innerhalb des Komitees führten zu dauernden Verzögerungen. Durch das Engagement von Karl Ernst Osthaus, Julius Stern, Eberhard von Bodenhausen und Harry Graf Kessler bekam van de Velde schließlich im Februar 1914 den Auftrag. Innerhalb von nur vier Monaten vollbrachte er mit Entwurf und Errichtung des ›Werkbundtheaters‹ ein ›Husarenstück‹, wie er selbst sagte. Dabei musste er erneut mit nationalistischen Anfeindungen und anderen Widrigkeiten kämpfen. Während die Werkbundausstellung offiziell am 16. Mai 1914 eröffnet wurde, fand die Einweihung des Theaters, das über eine moderne dreigeteilte Bühne verfügte, erst am 18. Juni 1914 statt (vgl. Telegramme 364–367). Schwere Gewitter hatten zahlreiche Schäden am Bau verursacht. Die Eröffnung wurde mit der Aufführung von Goethes ›Faust‹ unter Regie von Viktor Barnowsky begangen. Kurz nach Ausbruch des Krieges wurde das Theater, dessen ornamentale und dekorative Ausstattung von Künstlern wie Ludwig von Hofmann, Milly Steger und Hermann Obrist stammte, geschlossen und zeitweise als Pferdestall genutzt. Das ruinöse und zweckentfremdete Gebäude wurde schließlich 1920 abgetragen. Van de Velde hatte sich ursprünglich gewünscht, Craig als künstlerischen Partner zu gewinnen. Craig scheute sich jedoch vor einem Wettbewerb, vor allem mit Max Reinhardt, und zog sich im September 1913 aus dem Projekt zurück (Edward Gordon Craig an Henry van de Velde, September 1913, AML, FSX 301/3). Auch Kesslers Bemühungen halfen nicht (Harry Graf Kessler an Edward Gordon Craig, 8.12.1913, 5.3.1914, in: Newman 1995, Briefe 163, 164, S. 116–120; vgl. weiterführend Osthaus 1920, S. 116–132; Velde 1962, S. 354–360; Hüter 1967, S. 200–208, 267; Sharp 1974, S. 41–66; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 335–338; Velde 1995, S. 375–390; Velde 1999, S. 287–291; Ausst. Kat. Köln 1914; vgl. Brief 382).
Briefe und Kommentare 625
363 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 19.10.1913 AML, FSX 504/196, Brief, Briefkopf (bedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W. C.
ce 19 X 13 dimanche. Mon cher ami, je ne sais si vous êtes à Paris, et je vous adresse cette lettre chez Théo à tout hasard. Voici pourquoi je préfèrerais si c’était possible, ne venir à Paris que lundi en huit, c’est[-]à[-]dire vous y voir mardi (le 28 je crois), car sinon, je devrai retourner à Londres, mon caractère Italique et plusieurs autres choses nécessitant ma présence ici. Veuillez donc me faire savoir, par dépêche si possible, jusqu’à quand je puis espérer vous rencontrer à Paris. – Je compte reprendre l’impression du Virgile à Weimar et pouvoir alors la terminer d’un trait, vers le 5 ou le 6 novembre. Veuillez saluer de ma part Mme Van Rysselberghe et Théo. Bien amicalement HdeKessler. venir à Paris: Kessler reiste am Samstag, den 25. Oktober 1913, von London nach Paris. Ob es am 28. Oktober 1913 zu einer Begegnung zwischen Kessler und van de Velde kam, ist nicht dokumentiert. Dagegen fand ein Treffen am 1. November 1913 statt (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.11.1913; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 1.11.1913, AML, FSX 784). mon caractère Italique: Bezieht sich auf die von Edward Johnston entworfene Antiqua und den von Edward Prince entwickelten kursiven Schriftschnitt für Kesslers Buchprojekt ›Die Eclogen des Vergil‹ (vgl. Anm. Brief 196). Virgile: Nach umfangreichen Vorbereitungen begann Kessler im Frühjahr 1914 mit dem Druck der ›Eclogen des Vergil‹. Die Ausgabe konnte jedoch kriegsbedingt erst 1926 erscheinen (vgl. Anm. Brief 196).
364 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Köln, 25.5.1914 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Telegramm
= Inauguration Theatre [sic] 6 Juin Transmet Proposition Canudo Comité = Velde = Telegramm: Das Telegramm ist adressiert an »Comte Keshler [sic] Grand Hotel Paris«. Es trägt den Zusatz »Coeln 785 14 25° 3 8 S« sowie die Poststempel »Central 25 Mai 14 Paris« und »Paris 96 15 20 25 du 5 14 R. Gluck«.
626 Edition und Kommentar Théâtre: Bezieht sich auf die Eröffnung des ›Werkbundtheaters‹ (vgl. Anm. Brief 362). Canudo Comité: Betrifft die Angelegenheit um das Théâtre des Champs-Élysées.
365 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Köln, 13.6.1914 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Telegramm
= Inauguration remise a [sic] cause dégats [sic] orages avertirai = vandevelde = Telegramm: Das Telegramm ist adressiert an »Comte Kessler Grand Hotel Paris«. Es trägt den Zusatz »Coeln D W B A 203 13 13° 2 H 20 S« sowie die Poststempel »Central 13 Juin 14 Paris« und »Paris 16 30 13 du 6 14 R. Gluck«. Inauguration: Bezieht sich auf die Eröffnung des ›Werkbundtheaters‹ (vgl. Anm. Brief 362).
366 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Köln, 13.6.1914 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Telegramm
= Einweihung auf Sonntag verschoben bleiben alle da wenn nicht Sonntag telegraphiere ich = Henry = Telegramm: Das Telegramm ist adressiert an »Comte Kessler Grand-Hotel Paris«. Es trägt den Zusatz »Coeln 859 – 17 – 13° - 10% 15 M« sowie die Poststempel »Central 13 Juin 14 Paris« und »Paris 11 55 13 du 6 14 R. Gluck«. Einweihung: Bezieht sich auf die Eröffnung des ›Werkbundtheaters‹ (vgl. Anm. Brief 362).
367 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Köln, 17.6.1914 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Telegramm
= Premiere [sic] demain jeudi aimerais tant soyez pres [sic] moi votre = vandevelde = Telegramm: Das Telegramm ist adressiert an »Comte Kessler Grand Hotel Paris«. Es trägt den Zusatz »Coeln 937 15 17 9:16 M« sowie die Poststempel »Central 17 Juin 14 Paris« und »Paris 9 30 17 du 6 14 R. Gluck«. Premiere: Die Einweihung des ›Werkbundtheaters‹ wurde am 18. Juni 1914 mit der Premiere von Goethes ›Faust‹ in der Inszenierung von Viktor Barnowsky begangen. Kessler konnte
Briefe und Kommentare 627 offensichtlich nicht teilnehmen, denn er war am 17. Juni 1914 »Abends von Paris nach London abgereist.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.6.1914).
368 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, o. O., 25.11.1914 AML, FSX 504/197, Brief
25. novembre 1914 Chère madame, permettez-moi d’abord de vous remercier pour votre si aimable lettre et votre cadeau, qui m’a fait le plus grand plaisir. Vous êtes bien aimable et bonne de penser à moi, surtout maintenant, où tant de tristesses vous frappent. Veuillez croire, combien moi aussi je souffre de savoir que vous et Henry devez passer par des heures si terribles. Mais mieux vaut, en somme, que tout soit arrivé ensemble et qu’ainsi Henry pourra reconstruire son avenir à pied d’œuvre. Je suis absolument sûr, quant à moi, que dans le monde nouveau qui naîtra du cataclysme, Henry trouvera sa place, et une place plus belle et plus libre que celle que la guerre et tant de jalousies et d’intrigues lui ont enlevée. Vous savez que vous pouvez compter absolument sur moi pour aider à la réalisation de tout projet qui pourra être utile à Henry. Je l’ai prié, par télégramme, d’habiter ma maison à Weimar, qui ne sert à rien, en ce moment, et où il ne trouvera tout de même mieux que dans une pension. Je serais très heureux, qu’il acceptât. Il me rendrait même service, car la femme de Paul et sa mère y habitent seules, et je ne suis pas du tout rassuré, s’il y avait un cambriolage ou autre accident. Il m’a envoyé des cigarettes et du thé, qui me seront très utiles; je lui écris pour le remercier. Je me porte très bien; la guerre est un métier dur mais sain, et le temps à [sic] été beau la plupart du temps. Les habitants en Pologne nous ont reçus en amis, ce qui nous a rendu cette campagne bien moins dure. J’espère que vous recevez des nouvelles satisfaisantes de Nele; cela doit être bien dur pour vous d’en être séparée dans ces circonstances. Je suis heureux des nouvelles que vous me donnez des autres enfants, et surtout de Thyl, qui doit consoler un peu son père par sa vivacité. Je ne reçois que rarement et difficilement des nouvelles des miens; mais ils sont en sûreté, relativement du moins, près de Londres. Je suis désolé des nouvelles de Heymel. Ce sera une perte irréparable et qui me frappe bien cruellement. Pauvre garçon, quelle triste fin. Veuillez m’écrire de temps en temps. Je suis tellement heureux de tout ce qui me rappelle ce monde passé, qui a disparu pour toujours. Après la guerre, nous en reconstruirons un nouveau, mais ce ne sera plus le même, et nous penserons souvent à cet »ancien régime« qui a été celui de notre jeunesse. Adieu, pour aujourdhui [sic], chère madame, et veuillez croire à ma très
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profonde et sincère amitié. HdeKessler. Saluez, je vous prie, madame de Bodenhausen, à laquelle j’écris sous pli séparé. Brief: Maria van de Velde notierte Kesslers Adresse auf dem Brief: »Rittmeister Graf Kessler Kommandeur der II Artillerie Munitions Kolonne des Garde Reserve Corps z. Z. kommandiert zum VI Landwehr Corps«. lettre: Dieser Brief von Maria van de Velde hat sich nicht erhalten. tant de tristesses: Das Jahr 1914 war in vielerlei Hinsicht niederschmetternd für van de Velde und seine Familie. Als sogenannter deutscher Staatsbürger belgischer Nationalität musste er bereits vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges zahlreiche Demütigungen ertragen und erleben, wie durch Fritz Mackensen sein Amt als Direktor der Kunstgewerbeschule hintergangen wurde. Van de Velde reichte somit im Juli 1914 sein Entlassungsgesuch ein. Wenngleich sein Vertrag bis zum 1. Oktober 1915 verlängert wurde, nahmen die Schikanen kein Ende. Selbst im eigenen Haus ›Hohe Pappeln‹ war die Familie nicht mehr sicher und musste Unterschlupf bei Freunden finden. Seelisch und körperlich entkräftet, fand van de Velde im September 1914 Aufnahme im Sanatorium des Psychiaters Dr. Kohnstamm in Königstein (Taunus). Maria van de Velde hielt sich indes von September bis Dezember 1914 bei Dora von Bodenhausen in Degenershausen (Harz) auf. Die Kinder waren zum Teil getrennt von ihren Eltern bei Freunden untergebracht. Zusätzlich durchlebte das Ehepaar van de Velde eine Ehekrise. d’habiter ma maison: Maria und Henry van de Velde konnten es sich nicht leisten, das eigene Haus ›Hohe Pappeln‹ den Winter über zu unterhalten und nahmen deshalb Angebote von Freunden und Bekannten, andernorts Unterschlupf zu finden, dankbar an. Ob Henry van de Velde Kesslers Wohnung zeitweise bewohnte, ist nicht dokumentiert. Auch Curt Herrmann bot der Familie zu jener Zeit Logis in Berlin an (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 2./16.10.1914; Henry van de Velde an Curt Herrmann, 25.10.1914, in: Bothe 1989, Brief 252, S. 608 ff.). Paul: Gemeint ist Kesslers Weimarer Hausangestellter Paul Schulze (vgl. Anm. Brief 227). Er war Kessler freiwillig ins Feld gefolgt. An seine Schwester schrieb Kessler am 24. Oktober 1914: »Paul is with me and most helpful.« (Harry Graf Kessler an Wilma de Brion, 24.10.1914 [transkribiert durch Wilma de Brion], DLA; Harry Graf Kessler an Hugo von Hofmannsthal, 17.8.1914, in: Burger 1968, Brief 361, S. 385). Pologne: Unmittelbar nach der Kriegserklärung zog Kessler am 5. August 1914 ins Feld. Er war zunächst als Rittmeister des Garde-Reservekorps und Kommandeur einer ArtillerieMunitionskolonne in Belgien gewesen. Zum Zeitpunkt des Abfassens dieses Briefes befand er sich in Polen. Die transkribierten Kriegsbriefe aus der Zeit vom 28. Juli 1914 bis 15. Januar 1915 an Kesslers Schwester Wilma de Brion befinden sich in Kesslers Nachlass in Marbach (vgl. weiterführend Grupp 1995, S. 214–229; Easton 2005, S. 273–308). Nele: Nele van de Velde hatte die Sommerferien 1914 mit der befreundeten Familie von Heiseler im baltischen Küstenort Sestroretzk in der Nähe von St. Petersburg verbracht und konnte wegen
Briefe und Kommentare 629 des Kriegsausbruchs nicht zurückkehren. Maria und Henry van de Velde blieben bis März 1915 ohne Nachricht von ihr (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 14.3.1915, AML, FSX 786). Im August 1915 traf schließlich ein Telegramm von Nele ein. Maria berichtete am 17. September 1915 Sophie Herrmann: »Tu sais peut-être déjà que Nele revint si subitement du Suède parce qu’une occasion s’était présentée à Stockholm de la ramener, en Allemagne, en la personne de la sœur d’une ancien professeur des enfants de Heiseler, laquelle sœur était maîtresse d’école à Uppsala. […] Un beau matin nous trouvâmes un télégramme de Nele sur la table du déjeuner dans lequel elle annonçait son arrivée pour le soir même.« (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 12.9.1915, Privatbesitz). Van de Velde deutete Neles abenteuerliche und langwierige Rückkehr über Schweden in seinen Memoiren an (vgl. Velde 1962, S. 373, 381; Velde 1995, S. 440; Velde 1999, S. 319, 324; Heiseler 1969, S. 210). Heymel: Heymel litt seit langem an Lungentuberkulose und kehrte bereits im September 1914 von der Front zurück. Van de Velde wurde durch Staatssekretär Dr. Wilhelm Solf nach Berlin gerufen, um den Schwerkranken zu pflegen. Er fuhr um den 12. November 1914 nach Berlin und blieb an der Seite von Heymel, der am 26. November 1914 starb. Van de Velde räumte dem tragischen Abschied ein ganzes Kapitel in seiner Autobiographie ein (Velde 1962, S. 378–380; Velde 1995, S. 432–438; Velde 1999, S. 311–316; Ausst. Kat. Marbach 1978, S. 264 f.; Neteler 1995, S. 56–70). Kessler, der sich in Polen aufhielt, erfuhr von Heymels Tod aus der Presse: »Abends im Berl. Tagebl. die Nachricht, dass mein armer, guter Heymel gestorben ist. Seine kindliche Güte und Treue werden unersetzlich sein. Auch seine Frische und Hilfsbereitschaft. Es ist der schwerste Verlust, den ich bisher durch den Krieg erlitten habe.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.11.1914).
369 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Tschenstochau, 28.11.1914 AML, FSX 504/198, Brief
Près Czenstochau 28. Nov. 1914. Cher ami, merci mille fois de votre aimable envoi. Je suis touché que vous ayez pensé à moi malgré tous vos ennuis. Je ne dis rien du G[rand]. D[uc].. Il y aurait trop à dire, et ça ne servirait à rien. J’espère que vous avez reçu mon télégramme vous priant d’habiter chez moi à Weimar. Je serais très heureux que vous acceptiez; vous serez, je crois, mieux que dans une pension, et la femme de Paul pourra vous servir. Ecrivez-moi, cher ami, que vous avez emménagé; ça me fera plaisir. Quant à plus tard, comptez sur moi pour tout ce qui pourra vous être utile. Si les nouveaux projets pouvaient se réaliser à Weimar, c’est ce que je préfèrerais, à cause de tout ce qu’on y a déjà fait, du prestige acquis, et aussi à cause de votre maison et de la mienne, ainsi que de ma presse. Tenez-moi au courant de tout ce qui se trame, de vos projets et des propositions qui pourraient vous être soumises. Ce qui est certain, c’est que vous aurez votre place toute marquée dans le monde nouveau qui devra s’édifier après la guerre; il y
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aura dix personnes pour une, pour vous l’assurer. Le temps pénible, c’est maintenant et jusqu’à la paix, qui ne pourra guère se faire avant l’automne. Jusque là il faut tâter le terrain, préparer l’avenir, mais ne rien faire de définitif. Après la guerre, il y aura une telle reprise non seulement des affaires, mais aussi du goût de la vie et de tout ce qui en fait la beauté et la paix, que le courant puissant qui en découlera vous portera. Tâchez surtout de conserver votre santé. Pourquoi ne feriez[-]vous pas aussi imprimer chez moi (où j’ai mes ouvriers à ne rien faire) ce choix de vos œuvres en Français, dont il a été si souvent question; le caractère Caslon et un assez petit format (Roman Français) mais avec de belles marges. On ferait paraître après la paix, mais l’impression se ferait maintenant sous vos yeux et sous notre surveillance artistique commune. Ce serait un travail de tout repos, et qui alimenterait ma presse. Si vous pensiez à une traduction Allemande, en plus de l’édition Française, je ne vois que Hardt (ou Schröder) qui pourrait la faire; il en faudrait une toute nouvelle; les anciennes sont atroces. – Moi, je me porte bien; la guerre est un métier sain, quand on n’en meurt pas. Je loge chez le paysan (quand ce n’est pas à la belle étoile), et les chambres des paysans Polonais me sont assez sympathiques. Il y a quelquefois un peu trop de puces et de punaises; mais comme aspect, c’est bien mieux qu’un intérieur bourgeois; beaucoup de plantes et de fleurs, beaucoup de grands saints accrochés aux murs qui sont généralement peints en bleu clair, d’assez jolis meubles bien solides en chêne, et pour ainsi dire pas de mauvais goût. Il fait assez froid; mais les routes sont bien meilleures qu’en automne. – J’écris à madame Vandevelde, qui a été très aimable pour moi en m’envoyant de belles et utiles Liebesgaben. Bien des choses à Thyl. Croyez, cher ami, à mon amitié dévouée. HdeKessler. Czenstochau (Tschenstochau, polnisch Czestochowa): An der Warthe gelegene Kreisstadt im russisch-polnischen Gouvernement Petrikau, jetzige polnische Kreisstadt in der Woiwodschaft Schlesien. envoi: Van de Velde hatte Kessler Tee und Zigaretten zukommen lassen (vgl. Brief 368). touché: Kessler schrieb am 25. November 1914 an Dora von Bodenhausen: »Wie schmerzlich ich von der Nachricht über Weimar und Henry berührt bin, brauche ich nicht zu sagen. In der neuen Welt, die sich nach dem Kriege aufbauen wird, muß und wird auch für Henry ein schönerer Platz zu finden sein.« (Harry Graf Kessler an Dora von Bodenhausen, 25.11.1914, in: Burger 1968, Brief [a], S. 414). imprimer chez moi: Bereits vor dem Krieg hatte van de Velde die Jahresberichte 1912/13 und 1913/14 der Weimarer Kunstgewerbeschule sowie das Lehrprogramm der Buchbinder (1914) auf der Cranach Presse drucken lassen (Weber 1994, Nrn. 66, 69, 70). Er nahm das im Brief angesprochene Angebot von Kessler an und druckte mit maßgeblicher Unterstützung von
Briefe und Kommentare 631 Maria van de Velde während des Krieges die französische Originalfassung seiner Schrift ›Amo‹ (1915), die ›Denkschrift über meine bisherige Tätigkeit an der Kunstgewerbeschule und deren Entwicklung‹ (1915), ›Der Engel des Krieges‹ (1916) von Henry von Heiseler, ›La Puissance des Morts‹ (1916) von Maurice Maeterlinck sowie seine eigene Weimarer Schriftensammlung ›Les Formules de la Beauté architectonique moderne‹ (1916/17), die er Kessler widmete. Im Vorwort dieser Ausgabe heißt es: »Au comte H. de Kessler, – Je dédie ce livre. L’attachement et le dévouement que vous avez voués autant à mon œuvre qu’à ma personne, depuis tant d’années, cher ami, suffiraient à justifier la pensée qui m’entraîne à vous donner la préférence de cette dédicace.« (vgl. Velde 1917; vgl. Weber 1994, S. 176–184, Nrn. 71–75; Velde 1962, S. 381 f.; Müller-Krumbach 1969, S. 32–35; Velde 1995, S. 443–446; Velde 1999, S. 318 ff.; Weber 2003, S. 76–85; Brinks 2003, S. 375 ff.; Brinks 2006, S. 205–210, 430 ff.). mes ouvriers: Neben Paul Kämmer, der die Cranach Presse verwaltete, stand schließlich nur noch bis November 1916 der Drucker Max Kopp zur Verfügung, da die restlichen Mitarbeiter sukzessive zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Der Setzer Walter Tanz und der Drucker Walter Geski wurden Ende 1916 angestellt (Müller-Krumbach 1969, S. 32 ff.; Brinks 2003, S. 229; Föhl 2003, S. 174). après la paix: Klaus Weber geht davon aus, dass es sich hier um eine Publikation mit dem Titel ›Après la paix‹ handelt, zu der jedoch keine weiteren Informationen bekannt sind (vgl. Weber 2003, S. 79). Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich hier um einen Schreibfehler handelt und Kessler statt »paix« das Wort »guerre« meinte. Friedrich Wilhelm Ernst Hardt (Pseudonym Ernst Stöckhardt, 1876–1947), Schriftsteller, von 1919 bis 1924 Generalintendant des Weimarer Theaters.
370 Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, [Berlin], 4.6.1917 AML, FSX 504/199, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
4.VI.17 Chère madame, je profite du voyage de Paul à Weimar pour vous envoyer un mot. J’ai vu le général Friedrich représentant le ministre de la guerre; dans une assez longue conférence le général a donné son assentiment à la nomination de Henry, à condition que le ministère du commerce retire son opposition et qu’on trouve l’argent nécessaire. J’ai fait venir, immédiatement après, au ministère de la guerre Muthesius, qui est le »Referent« au ministère du commerce dans cette question. Il m’a dit ni oui, ni non, mais m’a semblé ne pas être irréductible. Il veut venir en Suisse, étudier l’affaire, mais avant, il faudra une conférence avec le »Dezernat« dans ces matières, le Geh[eim]. Rat Dönhoff, qui est à Kissingen, mais qui revient le 8. Donc, jusqu’à cette date, aucune décision. Mais l’affaire marche mieux que nous nous y attendions, car elle paraissait perdue, et maintenant, au moins, il y a de nouveau quelques chances pour qu’elle se
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fasse. Croyez, chère madame, que je fais tout mon possible pour la tirer de l’ornière où elle s’était embourbée et veuillez recevoir l’expression de mes sentiments les plus respectueux et les plus amicaux HdeKessler un mot: Kessler war seit September 1916 als Leiter der deutschen Kulturpropaganda an der deutschen Gesandtschaft in Bern tätig und pendelte seitdem zwischen Deutschland und der Schweiz. Van de Velde befand sich seit dem 10. April 1917 in Bern, während Maria und die Kinder in Deutschland bleiben mussten. Da sich Kessler oft in Berlin aufhielt, beauftragte er gelegentlich seinen Weimarer Diener Paul Schulze, dorthin zu kommen, um als Mittelsmann auch Maria und Henry van de Velde freundschaftliche Dienste zu erweisen. So verhalf er dem getrennten Ehepaar, private Dinge auf unkompliziertem Weg auszutauschen (vgl. Briefe Maria van de Velde an Henry van de Velde aus den Monaten Mai und Juni 1917, AML, FSX 786). Bezugnehmend auf den vorliegenden Brief schrieb Maria van de Velde ihrem Mann eine Postkarte auf Deutsch, die offensichtlich per Post versandt wurde, sowie einen Brief auf Französisch, der über Paul Schulze und Kessler van de Velde erreichen sollte. Auf der Postkarte heißt es: »Bekam gestern Abend Deinen Kesslerbrief. Paul brachte ihn aus Berlin. Große Freude. Habe ihn durch Brief an Kessler beantwortet und Photos mitgeschickt. Endlich mehr orientiert und glücklicher! K[essler]. kann mir aber vor 8ten noch nichts Entscheidendes mitteilen.« (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 5.6.1917, AML, FSX 786). Im Brief dagegen schreibt sie: »Quelle austère sensation me donne cette lettre que Paul m’a apportée hier de Berlin et qui enfin me renseigne et me calme car je vois bien que de toute façon il en sortira quelque chose de ces plans et de ces projets et tu seras à l’abri pour cette période de temps durant laquelle il faudra attendre que la Paix vienne enfin. Le fait de pouvoir s’écrire directement! Quelle joie et quel soulagement! Je goûte cette lettre comme un rapprochement! […] Kessler m’écrit qu’avant le 8 il ne peut apprendre de décision. Aujourd’hui je lui envoie cette lettre avec les photos, les nouveaux et ton porte-photos en cuir et prie Kessler de m’avertir de cette décision.« (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 5.6.1917, AML, FSX 786). Maria van de Velde war am 8. Juni 1917 in Kesslers Wohnung, um einige Aquarelle von Signac und Cross herauszusuchen, die Paul Schulz in die Schweiz mitnehmen sollte. Entgegen dem ursprünglichen Plan, ihm auch die Briefe und Photos mitzugeben, entschied sich Maria dafür, die Unterlagen per Express zu verschicken (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 10.6.1917, AML, FSX 786). général Friedrich: Van de Velde war die Mission übertragen worden, die Situation der in der Schweiz internierten Künstler zu untersuchen. Seit seiner Ankunft in Bern stand er deshalb mit General Friedrich in Verbindung, der das Department der Internierten leitete. In seinen Memoiren schrieb van de Velde: »Angesichts meines Passes als deutscher ›Staatsangehöriger‹ belgischer Nationalität war er sich sofort über meine ungewöhnliche Lage klar. Es war für ihn selbstverständlich, nichts von mir zu verlangen, was mich irgendwie verletzen konnte. Er wünschte, die unwürdige Lage der in drei verschiedenen Lagern im Gebiet des Vierwaldstätter Sees untergebrachten Internierten zu bessern, die als Kunstgewerbler auf einem Niveau beschäftigt wurden, das demjenigen einer Elementarschule oder eines geistlichen Pensionates für vierzehn- oder fünfzehnjährige junge Mädchen entsprach.« (Velde 1962, S. 385 f.; Velde 1999, S. 327–331; Föhl 2009, S. 275–300).
Briefe und Kommentare 633 Fritz Dönhoff (1863–1943), Beamter, von 1903 Geheimer Oberregierungsrat und von 1917 bis 1927 Staatssekretär im preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe. l’affaire: Aus einem Brief von Maria van de Velde an ihren Mann vom 6. Juli 1917 geht hierzu hervor: »Aus lauter Erwartung auf deinen heutigen Brief habe ich es von Tag zu Tag aufgeschoben Dir zu schreiben. Die dauernde Ungewißheit plagte mich und doch hatte ich die Vorahnung daß die Rückkehr Kesslers nichts Entscheidendes bringen würde. Und nun heißt es wieder Warten und Geduld haben, woraus ja überhaupt das Leben augenblicklich besteht.« (Maria van de Velde an Henry van de Velde, 6.7.1917, AML, FSX 786).
371 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Clarens, 26.10.1918 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief mit Briefumschlag
Samedi 26 oct[obre]. 18. Cher ami, Ne vous inquiétez pas – je vous en prie – Je serai rétabli dans 2 ou 3 jours. J’ai un bon médecin et vais rélativement [sic] bien soigné à l’Hotel [sic]. Au reste, Nele est sur pied et vais [sic] me soigner. Merci, merci pour l’envoi de raisins. C’est précisement [sic] ce que je peux manger. Je fais des vœux, cher ami, pourque [sic] vous restiez indemne. Et j’espère bien vous voir bientôt. J’apprends que René Sch[ickele]. est souffrant. A quand le repos dans la paix, le travail et la Santé pour tous? Cordialement Vôtre Henry van de Velde Briefumschlag: Der Briefumschlag ist adressiert an »Herrn Grafen Harry Kessler Bern Hotel Belle-Vue« und gestempelt mit »Clarens 26.X.18.-6«. Der Nassstempel rückseitig gibt Aufschluss über den Aufenthaltsort: »Hotel Mirabeau Clarens-Montreux«. rétabli: Nele und Henry van de Velde waren kurz nacheinander an der Spanischen Grippe erkrankt, erholten sich jedoch relativ rasch. Van de Velde ging es vier Tage nach Abfassen dieses Briefes besser (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 30.10.1918, AML, FSX 784). Hôtel: Gemeint ist das Hotel Mirabeau in Clarens-Montreux (Schweiz). Marie Armand Maurice René Schickele (1883–1940), elsässischer Schriftsteller, Übersetzer. René Schickele emigrierte während des Ersten Weltkrieges in die Schweiz und lernte dort über Harry Graf Kessler van de Velde kennen. Schickele zog im Frühjahr 1919 mit seiner Familie nach Uttwil am Bodensee und wurde für ein paar Monate van de Veldes unmittelbarer Nachbar. Sein Haus musste er Ende 1919 aufgeben. Er verkaufte es an Carl und Thea Sternheim (Velde 1962, S. 388 f., 395, 400 ff.; Velde 1999, S. 332 f.).
634 Edition und Kommentar
372 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 13.11.1920 AML, FSX 504/200, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
d. 13. November 1920. Cher ami, Que devenez-vous? N’ayant aucune nouvelle, j’ai la sensation, que nous sommes séparés par un espace immense. Je vous envoie ci-inclus la traduction française de mes »Propositions« ainsi que deux articles que j’ai écrits dans la »Deutsche Nation«, et dont celui sur la misère à Berlin me tient surtout à cœur. La dame qui vous a demandé votre travail et qui est immensément riche ne pourrait-elle faire quelque chose? Je vous assure que ce que j’ai écrit est bien en dessous de la vérité. Ce qui se passe à Berlin est une des grandes tragédies de l’histoire. C’est toute une population et surtout des dizaines de milliers d’enfants qui sombrent dans une misère qu’on ne peut décrire: misère physique et misère morale. J’ai été bouleversé comme aucun champ de bataille ne m’a bouleversé. Aucune somme ne peut évidemment suffir à guérir cette misère. Mais j’ai réuni un comité contenant les chefs de la banque et de l’industrie berlinoise et nous voulons tâcher de faire ce que nous pouvons. Je vous serais très, très reconnaissant si vous vouliez engager la dame à faire quelque chose. En outre, il me semble qu’il serait très nécessaire de faire parvenir la brochure à d’autres personnes riches en Hollande, et peut-être de réunir là-bas un comité. La dame pourrait se mettre à la tête de ce comité. Je joins quelques journaux sur Braunschweig, où mes idées ont eu, comme vous l’avez peut-être su un très grand succès. J’ai fait l’unanimité dans une assemblée divisée contre elle-même d’une façon presque désespérée. Veuillez me rappeler au bon souvenir de madame Van de Velde, et croyez, cher ami, à toute mon affection. HKessler Que devenez-vous: Kessler hatte der Familie van de Velde im März 1920 einen Besuch in Uttwil abgestattet (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 24.3.1920, Privatarchiv). Seitdem war es zu keiner weiteren Begegnung gekommen. ci-inclus: Die Dokumente liegen dem Brief nicht mehr bei. »Propositions«: Kessler bezieht sich hier auf seine 1920 erschienenen ›Richtlinien für einen wahren Völkerbund‹ (Kessler 1920.1). Die Richtlinien wurden 1920 ebenso als Beilage in Heft 10 der Zeitschrift ›Die Deutsche Nation‹ sowie in einer zweiten Auflage mit dem ›Einschluss der Braunschweiger Resolution des IX. Deutschen Pazifistentages vom 2. Oktober 1920‹
Briefe und Kommentare 635 in deutscher, französischer und englischer Sprache publiziert (Kessler 1920.1a–b; vgl. Brinks 2003, S. 383, Nrn. 46–49). Kessler übersandte van de Velde die französische Version ›Propositions pour une vraie Société des Nations‹ (Kessler 1920.1a). deux articles: Kessler veröffentlichte 1920 drei Artikel in der Zeitschrift ›Die Deutsche Nation‹ (vgl. Kessler 1920.2–4). Bei den hier erwähnten Artikeln handelt es sich um die Aufsätze ›Die Kinderhölle in Berlin‹ sowie ›Braunschweig und Brüssel‹ (Kessler 1920.3; Kessler 1920.4). dame: Helene Emma Laura Juliane Kröller-Müller (geb. Müller, 1869–1939), Kunstsammlerin, Kunstschriftstellerin, Mäzenin. Helene Kröller-Müller, deutschstämmige Kunstsammlerin und Gattin des vermögenden holländischen Großkaufmanns Dr. Anton Kröller, beauftragte van de Velde im Oktober 1919 mit dem Bau eines eigenen Hauses im Park ›Groot Haesebroek‹ in Wassenaar (1928/29 ausgeführt) sowie eines umfangreichen Museumskomplexes für ihre eigene Kunstsammlung im Naturreservat ›De Hoge Veluwe‹ in Otterlo. Auf diese Weise sicherte sie van de Velde eine langjährige, bis 1926 währende Anstellung und verhalf ihm somit zu einem Neubeginn nach dem Ersten Weltkrieg. Van de Velde siedelte als persönlicher Architekt des Ehepaars Anfang 1920 nach Holland über und lebte mit seiner Familie von 1921 bis 1926 im selbst entworfenen Haus ›De Tent‹ in Wassenaar. Seine Tochter Thylla heiratete 1941 in zweiter Ehe Robert Anthony (gen. Bob) Kröller, den Sohn von Anton und Helene KröllerMüller. Zum Zeitpunkt des Abfassens des vorliegenden Briefes war van de Velde bereits neun Monate angestellt. Wenngleich die 1921 begonnenen Arbeiten am Museum aufgrund wirtschaftlicher Engpässe 1922 stillgelegt und erst 1936 wieder aufgenommen werden konnten, entwarf van de Velde für das Ehepaar zahlreiche Projekte, darunter einige Nutzbauten, Ausstattungen für Geschäftsfilialen der Firma Wm H. Müller & Co. sowie Bauten und Denkmäler im Park ›De Hoge Veluwe‹. Darüber hinaus projektierte er diverse Typenhäuser. Das von van de Velde entworfene Museum wurde schließlich 1938 eröffnet und nach dem Tod von Helene Kröller-Müller und Anton Kröller mehrfach erweitert (vgl. Velde 1962, S. 412–420; Deventer 1963, S. 7–29; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 342–369, 380 f., 406 ff.; Velde 1999, S. 359–383; Föhl 2009, S. 313–321). un comité: Am 19. November 1920 vermerkte Kessler hierzu im Tagebuch: »Erste Sitzung des von mir zusammengebrachten Aktions Komitees der grossen Banken u Industrie Unternehmungen für eine Wirtschaftshülfe. Wir haben uns mit dem Roten Kreuz geeinigt, dass dieses die unmittelbare Wohlthätigkeit speziell für die Kinder u einmalig ausüben soll (›Kinderhülfe‹), wir uns auf die wirtschaftliche Hebung der ganzen Familien verlegen (›Wirtschaftshülfe‹).« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 19.11.1920). Braunschweig: Vom 30. September bis zum 3. Oktober 1920 tagte der IX. Deutsche PazifistenKongreß im Park-Hotel in Braunschweig. Kessler nahm daran teil und hielt am 2. Oktober eine Rede (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.10.1920).
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373 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 4.12.1920 AML, FSX 504/201, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
d. 4. Dezember 1920. Cher ami, J’ai été très heureux de recevoir votre lettre; je craignais un peu que vous ne nous ayez oublié [sic]. Les efforts de madame KR[öller], dont vous me faites part, excitent toute mon admiration. Je serais heureux si vous le lui exprimiez. Le mouvement provoqué par mon article sur les »Kinderhöllen« a pris des dimensions tout à fait exceptionnelles. On a peine à croire, que la plupart des gens aisés à Berlin ne se doutait pas de ce qui se passait devant leurs portes. J’ai réuni dans une [sic] comité d’action toutes les grandes banques et j’espère que nous allons faire de la bonne besogne. Mais évidemment, toute action isolée privée et même nationale ne peut avoir que des effets assez superficiels; ce qu’il faudrait c’est que le monde entier comprenne qu’il s’agit de reconstruire sur des bases pour ainsi dire architecturales la production mondiale, et de distribuer les produits non selon les intérêts de quelques individus, mais selon les besoins de l’immense majorité du genre humain. L’accueil qu’on fait à mes idées en Allemagne et aussi à l’Etranger m’encourage un peu, et j’espère que nous viendrons à une conception plus profonde des nécessités de l’heure. Je serai très heureux de vous causer de tout ceci, et j’accepte avec grand plaisir votre invitation de venir vous voir en Hollande. Malheureusement je ne puis préciser à quelle époque. Je comprends l’impatience avec laquelle vous attendez l’installation de votre maison et le recommencement d’une vie familiale. Je vous envoie mon discours de Braunschweig, qui, comme vous avez dû le voir par les articles que je vous ai envoyés, a fait une impression que je crois durable. Recevez, cher ami, l’expression de mes sentiments très affectueux. HKessler. Je joins à cet envoi la gazette de Voss de ce soir, où vous trouverez le compte rendu d’une conférence que j’ai faite ici hier soir. lettre: Das Antwortschreiben von van de Velde auf Kesslers Brief vom 13. November 1920 (Brief 394) hat sich nicht erhalten. mon article: Bezieht sich auf Kesslers Artikel ›Die Kinderhölle in Berlin‹, der im November 1920 als Sonderheft der Zeitschrift ›Die Deutsche Nation‹ erschienen war (Kessler 1920.e).
Briefe und Kommentare 637 Kessler schildert darin die katastrophale Lebenssituation all jener Kinder und Berliner Großfamilien, die in den Elendsquartieren im »Berliner Norden und Osten, am Wedding, am Gesundbrunnen, in den volkreichen Vierteln am Görlitzer und Schlesischen Bahnhof« leben und am Rande einer »kalten, grauen Hölle« dahinvegetieren. Acht Photographien illustrieren die Zustände (vgl. Kessler 1920.e). dimensions: Kesslers finaler Appell, dem Elend in Berlin Einhalt zu gebieten, stieß auf breite Resonanz. In der Folge gingen Sofortspenden in Höhe von 350.928 Mark ein, und im November 1920 wurde die ›Kinderhölle. Wirtschaftshilfe für deutsche Kinder und Familien‹ ins Leben gerufen. Gegenüber seiner Schwester schrieb Kessler am 6. November 1920: »The sensation created by the ›Kinderhöllen‹ article has been immense. I donot think any simple article has had such an effect on public opinion since Zola’s ›J’accuse‹.« (Harry Graf Kessler an Wilma de Brion, 6.11.1920, DLA; vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.12.1920; Kessler 2007, S. 31–34). votre maison: Im Auftrag von Dr. Anton Kröller beschäftigte sich van de Velde um 1920 mit dem vorgefertigten Typen- bzw. Fertigteilhaus aus Holz und entwarf in der Folge drei der holländischen Bauart angepasste Häuser mit der Bezeichnung ›Otterlo‹, ›Hoge‹ und ›Haag‹. Für seine eigene Familie wählte van de Velde ein Holzhaus des Typs ›Haag‹ mit Klinkerfundament und Reetdach. Die Bauarbeiten wurden im Dezember 1920 begonnen und im Sommer 1921 abgeschlossen. Van de Velde gab seinem in Wassenaar gelegenen Haus den Namen ›De Tent‹ (Das Zelt), »in der Ahnung, daß unser Aufenthalt in Holland nur von kurzer Dauer sein würde« (Velde 1962, S. 415). Das Haus wurde 1961 nach jahrelanger Verwahrlosung abgerissen (vgl. Stamm 1969, S. 29–34; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 349). mon discours: Bezieht sich auf Kesslers am 2. Oktober 1920 gehaltene und im Anschluss daran veröffentlichte Rede ›Der Völkerbund als Wirtschafts- und Arbeitsgemeinschaft‹ anlässlich des IX. Deutschen Pazifistenkongresses in Braunschweig (vgl. Kessler, Harry Graf: Der Völkerbund als Wirtschafts- und Arbeitsgemeinschaft. Rede, gehalten auf dem IX. Deutschen Pazifistentag zu Braunschweig in der Sitzung vom 2. Oktober 1920 von Harry Graf Kessler nach dem Stenogramm nebst der vom Kongress angenommenen Resolution, Stuttgart 1920).
374 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 10.2.1921 AML, FSX 504/202, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
d. 10. Februar 1921. Cher ami, Mr. Archibald. Haswell. Christie que vous avez dû connaître comme directeur de l’Ecole des Arts et Métiers à Londres, m’écrit pour me dire qu’il met la dernière main à un article sur »Britisch [sic] Arts and Crafts« pour la nouvelle édition de l’»Encyclopaedia Britannica«. Vous savez que cet immense lexique fait autorité dans le monde entier partout où on parle anglais. Christie m’écrit que l’éditeur lui a demandé d’ajouter à son
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article des renseignements sur le développement des arts et métiers en Europe continentale et surtout en Allemagne pendant et depuis la guerre. Christie voudrait surtout des catalogues et rapports et des renseignements individuels. Je crois que personne ne sera plus à même de lui en fournir que vous. Je vous prie donc instamment d’écrire directement à Mr. A. H. Christie, Ingleborough House, East Runton, Norfolk (England) pour lui esquisser le développement de l’art industriel en Allemagne, et pour lui envoyer, si c’est possible, quelques rapports et illustrations. Evidemment, il ne sera pas dans notre intérêt de trop souligner les mauvais côtés de ce développement, mais au contraire, il faudra montrer ce qu’il y a eu de sain et de vivant. La première de mon »Joseph« qui a eu lieu le 4 février a eu un succès et un retentissement tout à fait exceptionnels. Tilla Durieux a été merveilleuse. J’espère que vous continuez à vous bien porter et que madame Van de Velde et les enfants vous ont rejoint en Hollande. Mille sympathies amicales. HarryKessler. Archibald Haswell Christie (1871–1945), von 1896 bis 1898 und von 1901 bis 1906 Lehrer der Londoner Central School of Arts and Crafts, später Direktor der London County Council School of Arts and Crafts, Kunstschriftsteller. nouvelle édition: Betrifft die 1922 erschienene, dreibändige Supplementausgabe zur 28-bändigen elften Ausgabe der ›The Encyclopædia Britannica‹, die zusammenfassend die Zeit von 1911 bis 1922 abhandelt. mon »Joseph«: Betrifft das Ballett ›Die Josephslegende‹. Kessler und Hugo von Hofmannsthal hatten 1912 gemeinsam das Libretto verfasst. Die Musik stammte von Richard Strauss (Werkverzeichnis op. 63). Die Uraufführung fand am 14. Mai 1914 in der Opéra Paris statt. In der Hauptrolle tanzte unter Leitung von Sergei Diaghilew statt des ursprünglich vorgesehenen Vaslav Nijinsky der junge russische Tänzer Léonide Massine. Die Choreographie stammte von Michail Fokine, das Bühnenbild von José-Maria Sert und die Kostüme von Léon Bakst. Auch die Londoner Premiere erfolgte am 23. Juni 1914 noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die deutsche Premiere konnte dagegen erst am 4. Februar 1921 in der Berliner Staatsoper Unter den Linden stattfinden. Die Rolle des Joseph übernahm Heinrich Kröller. Tilla Durieux war in der Rolle der Frau des Potiphar zu sehen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.2.1921). Tilla Durieux (geb. Ottilie Godefroy, 1880–1971), österreichische Schauspielerin, Schriftstellerin. Tilla Durieux gehörte zu den bedeutendsten und gefragtesten Schauspielerinnen ihrer Zeit. Sie kannte Kessler seit 1905 und war seit 1910 in zweiter Ehe mit Paul Cassirer verheiratet. Tilla Durieux tanzte die Rolle der Frau des Potiphar in der deutschen Premiere der ›Josephslegende‹ am 4. Februar 1921 in Berlin.
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375 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 12.10.1921 AML, FSX 504/202, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
d. 12. Oktober 1921. Cher ami, J’ai été très heureux de recevoir votre lettre. Enfin une nouvelle de vous; et bonne. Oui, je voudrais bien aller vous voir; peut-être ce projet pourra-t-il se réaliser, mais j’en doute un peu. Car en ce moment, je suis au point de repartir pour la Suisse, où je compte séjourner un ou deux mois. Et après, j’aurai de nouveau toute une série de conférences en Allemagne. Toutefois, j’espère voir un jour votre musée et vos autres travaux en Hollande. J’en ai le désir très grand, comme vous pouvez bien le penser. Si vous venez à Berlin, vous ne m’y trouverez guère avant le mois de janvier. C’est[-]à[-] dire je resterai peut[-]être soit en Suisse, soit autre part jusqu’à la fin de l’année. J’ai passé l’été en Italie pour me remettre un peu, car j’ai été très fatigué et le suis encore par mon travail intense de l’hiver dernier. Mais heureusement que ce travail n’a pas été vain. Mes idées, comme vous avez pu le constater par les journaux, commencent à pénétrer et à se répandre un peu partout. J’ai eu de très beaux résultats, surtout à Genève et à Rome, et je suis de plus en plus convaincu qu’il n’y a pas d’autre solution, pour la crise terrible économique et politique, que celle que j’ai proposée. Et je ne doute pas que les gouvernements eux-mêmes seront, sous peu, forcés de s’y soumettre. Je vous envoie le compte-rendu d’un de mes discours de l’hiver dernier par lequel vous pouvez constater, que les idées énoncées maintenant par Churchill, Lloyd George, Wirth etc. y sont déjà précisées. Je me suis fait peu à peu une situation toute spéciale dans la Ruhr, où les ouvriers de tous les grands centres me connaissent et viennent par milliers dans mes meetings. Nous avons eu à Bochum, il y a huit jours, une réunion monstre comme je n’en avais jamais vue. De même à Essen, dimanche dernier, dans la plus grande salle bondée. Je vous envoie le compte-rendu très maigre de la Volkszeitung de Berlin. J’ai été du reste élu président du dixième Congrès pacifiste allemand qui a eu lieu la semaine dernière à Essen. Ce rapprochement entre les ouvriers de la Ruhr et le pacifisme tel que je le propage, me semble un évènement tout à fait considérable, surtout par rapport au mouvement analogue de l’Internationale d’Amsterdam et du Bureau du Travail de Genève. Nous constituerons peu à peu un front unique avec un but précis qui s’imposera au monde. Quant à Maillol, ses lettres qu’il m’a écrites à Rome, à l’exception d’une seule, que j’ai reçue, ne me sont pas parvenues. Je m’en occuperai; peut-
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être sont-elles encore à l’hôtel à Rome. La lettre que j’ai reçue de lui, était charmante. Toutefois, je ne lui ai pas encore répondu, il me demandait de lui fixer un rendez-vous en Suisse et qu’à cette époque j’étais encore très indécis. Mais je lui écrirai pour lui demander s’il compte encore venir en Suisse. Mon adresse où il pourra m’écrire sera à partir de la semaine prochaine l’Hôtel d’Angleterre à Genève. Non, je ne compte pas me défaire de mes statues; au contraire, j’espère beaucoup pouvoir les faire venir sous peu. J’ai été très heureux d’avoir des nouvelles de madame Van de Velde et des enfants et de les savoir tous travaillant et satisfaits. Veuillez leur dire bien des choses de ma part, et croire, cher ami, à toute mon affection. HKessler. lettre: Van de Veldes Gegenbrief hat sich nicht erhalten. repartir: Kessler reiste am 29. Oktober 1921 in die Schweiz. Am 10. Dezember fuhr er von dort nach Paris, wo er sich bis zum 28. Dezember aufhielt, um schließlich nach Italien weiterzureisen. Vom 16. Januar bis 10. März 1922 blieb er in Rom (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 29.10.1921–10.3.1922). Italie: Kessler war von Anfang Mai bis Ende August 1921 in verschiedenen Städten Italiens unterwegs. Am 25. Juni 1921 hatte er eine Privataudienz bei Papst Benedikt XV. in Rom (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 25.6.1921). Winston Leonard Spencer Churchill (1874–1965), britischer Politiker und Staatsmann. David Lloyd George, 1st Earl Lloyd George of Dwyfor (geb. David George, 1863–1945), britischer Politiker. Karl Joseph Wirth (1879–1956), Politiker.
376 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 5.11.1923 AML, FSX 504/204, Brief, Briefkopf (bedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W.C.
5. Nov[embre]. 23. lundi Cher ami, je serai à La Haye mercredi ou, au plus tard, jeudi matin. Je me réjouis de vous revoir et de pouvoir vous parler de la maison. J’espère toujours pouvoir réaliser ce plan. Mais je crains que ce ne sera que dans quelques mois. D’abord, il y a la situation politique. Je ne crois pas prudent de nous embarquer dans cette entreprise, avant que celle[-]ci ne soit éclaircie. Deuxièmement les prix: il paraît qu’en ce moment, tous les prix sont plus élevés à Berlin que nulle part ailleurs. Ceci changera
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évidemment, dès que nous aurons une monnaie stable. Troisièmement, à cause de ces prix suréleves [sic], la Wohnungsamt me réclame maintenant 70000 Dollars pour libérer la maison. C’est une somme que je ne veux ni ne puis payer. Donc, question à éclaircir. Pour toutes ces raisons, je ne crois pas que nous puissions commencer l’exécution des travaux avant le printemps prochain, ou plus tôt. Ce qui n’empêche, que les plans peuvent être préparés, pour qu’il n’y ait pas de perte de temps quand le moment propice arrivera. – Mais vu ces circonstances, et le fait que je voudrais avoir avec moi à Berlin dans la situation actuelle une certaine somme en argent étranger que je n’ai pas à ma disposition autrement pour le moment, je vous prierai de vouloir bien me restituer momentanément une partie de la somme déposée pour la maison à Amsterdam, à votre compte. Je vous serais très reconnaissant si vous pouviez mettre à ma disposition, sur cette somme, à mon passage à la Haye en argent comptant (billets), environ 1500 Dollars (ou l’équivalent en Gulden) je pourrai alors peut-être amadouer le Wohnungsamt, au moins temporairement, avec une partie de cette somme. Dès mon arrivée, mercredi ou jeudi matin, je vous téléphonerai Voorhuis 1. Je descendrai à l’Hôtel des Indes. Bien amicalement et en vous priant de dire bien des choses de ma part à Madame Vandevelde. HKessler à La Haye: Kessler und van de Velde trafen sich am 9. November 1923 in Den Haag. »Vormittags bei Vandevelde, um mit ihm die Pläne zum Hause in der Hildebrandstr. zu besprechen. Vandevelde teilt mir mit, dass gestern ein Staatsstreich in München stattgefunden hat [...].« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 9.11.1923). la maison: Betrifft Kesslers Haus in der Hildebrandstraße 11 in Berlin (vgl. Brief 388). Amsterdam: Van de Velde und Kessler besaßen nachweislich jeweils ein Konto bei einer Bank in Amsterdam. Genaueres über eventuelle Transaktionen zwischen Kessler und van de Velde ist nicht bekannt. Am 10. März 1925 erwähnt van de Velde in einem Brief an Kessler, dass noch 3.600 Schweizer Franken auf der Bank hinterlegt seien (vgl. Brief 380), woraufhin Kessler bittet, diesen Betrag auf sein Londoner Konto bei der London Joint City and Midland Bank zu überweisen (vgl. Brief 381). Voorhuis: Kessler bezieht sich hier auf van de Veldes Atelier, das sich im dritten Stock des Geschäftshauses der Firma Wm. H. Müller & Co. am Platz ›Lange Voorhout 1‹ in Den Haag befand. In den restlichen Etagen waren das private Museum und das Büro von Helene Kröller-Müller sowie die Geschäftsräume der Firma Wm. H. Müller & Co. untergebracht. Hôtel des Indes: Das ›Hôtel des Indes‹ befand sich direkt am Platz ›Lange Voorhout‹ in Den Haag in unmittelbarer Nähe zu van de Veldes Atelier.
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377 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, York, 24.11.1923 AML, FSX 504/205, Brief, Briefkopf (bedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W.C.
24. Nov[embre]. 1923. Cher ami, je suis de retour à Londres pour quelques jours; assez inopinément, pour une affaire pressante. Je n’ai pu voir Wille à Berlin, car je n’y ai séjourné que bien peu de jours; mais j’y retourne mercredi matin. La vie là[-]bas est épouvantablement chère; j’ai dû plus que tripler les appartements de tous mes gens; et le reste est à l’avenant. On dépense à Berlin aujourdhui le double de ce que la vie coûte à Londres pour bien moins de bien-être. La misère y crève les yeux. Situation vraiment terrible; et on ne sait comment y suffire. Dans ces conditions, j’aurais besoin encore d’une partie de la somme déposée chez vous. Pourriez vous me faire venir à Londres, au Cecil, pour mardi ou plus tard l’équivalent d’environ 200 £ sterling, soit en chèque, soit, ce que je préferais [sic] par un envoi de billets hollandais que la banque pourrait m’expédier par lettre changée? Je ne pourrais, je crains, m’arrêter à La Haye, car je suis attendu à Berlin jeudi. Merci et bien des amitiés HKessler. Karl Hermann Wille (1881–?), Architekt. Der Architekt Hermann Wille war für Kesslers Berliner Immobilien, namentlich für den Umbau von Kesslers Haus in der Hildebrandstraße 11, zuständig (vgl. Anm. Brief 388).
378 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, New York, 21. 4.1924 AML, FSX 504/206, Brief, Briefkopf (bedruckt): HOTEL CHATHAM, New York
21.IX.24. Cher ami, je vous envoie une série de photographies que j’ai prises à Duluth sur le Lac Supérieur. Ce sont des »Elevators« à blé. Je pense que vous en recevez la même impression que moi. Ils m’ont causé une vraie émotion. La couleur en est d’un blanc doré mat, ce qui les rapproche encore plus des temples grecs et égyptiens. – Je quitte l’Amérique le 3 mai; je compte être à Paris vers le 15, en passant par Londres.
Briefe und Kommentare 643
Veuillez saluer Mme Vandevelde. Bien amicalement HKessler. photographies: Die Photos liegen dem Brief nicht mehr bei. Duluth: Hafenstadt in Minnesota (USA) am Westende des Oberen Sees. Kessler war vom 9. Januar bis zum 3. Mai 1924 in den Vereinigten Staaten von Amerika unterwegs. Am 25. März besichtigte er Duluth (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 25.3.1924).
379 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 8.3.1925 AML, FSX 504/207, Brief, Briefkopf (bedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W.C.
8.III.25 Cher ami, vous avez créé, dans le temps, un certain nombre de petits ornements typographiques (surtout pour le Zarathustra de Nietzsche, et aussi, il me semble, pour les reliures de Mme de Guaita). Comme j’ai l’intention de pousser dorénavant plus activement la Cranach Presse, je désirerais beaucoup avoir ces ornements. Est-ce vous qui les avez, ou bien que sontils devenus? Où peut-on se les procurer? Ayez donc la grande obligeance de me donner ce renseignement, auquel j’attache beaucoup de prix. Je serai à Londres (Cecil) jusqu’à samedi (15 mars) et à Paris (Grand Hotel) la semaine d’après. Peut-être aurons[-]nous la chance de nous rencontrer soit à Londres soit à Paris; mais je voudrais bien me procurer ces ornements aussitôt que possible. Veuillez dire bien des choses de ma part à Mme Vandevelde et croyez à toute mon amitié. HKessler. Zarathustra: Vgl. Anm. Briefe 13, 380.
644 Edition und Kommentar
380 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, London, 10.3.1925 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief
le 10 mars 1925 Monsieur le Comte Harry Kessler Hotel Cecil, Strand London W. C. Cher ami, Je viens de recevoir votre lettre et m’empresse de vous faire savoir que les ornements que j’ai dessinés pour le Zarathustra doivent se trouver entre les mains du Insel Verlag: Ils sont la propriété de ce Verlag. Mais si vraiment vous vous proposez de donner à la Cranach Presse une nouvelle impulsion je pourrais vous aider et vous dessiner quelques nouveaux ornements, en ressusciter quelques vieux aussi. Quant aux ornements pour les reliures ce sont de petits fers (gravés en cuivre) et montés sur manches en bois ou en métal et impropres à être employés comme tels pour l’impression; il faudrait en faire coulés [sic] pour l’impression. Il s’en trouve chez Dorfner à Weimar et Madame von Guaita doit en avoir. Elle vous aiderait à réunir un choix de mes ornements et n’importe quel fabricant de caractères typographiques vous les gravera. Votre lettre ne me donne pas beaucoup d’espoir de vous voir bientôt ici, et je n’irai pas à Paris avant que soit installée l’Exposition des Arts décoratifs. Vous n’oubliez pas n’est-ce pas, bien cher ami, que vous avez encore en dépôt à la Banque une somme de 3600 francs suisses (approximativement). Peut-elle y rester? Bien affectueusement à vous et compliments de nous tous. [ohne Unterschrift] Otto Dorfner (1885–1955), Buchbinder, Einbandgestalter. Otto Dorfner, Schüler von Paul Kersten und Ludwig Sütterlin, leitete von Mai 1910 bis September 1915 die Buchbinderwerkstatt an van de Veldes Kunstgewerbeschule in Weimar. Nach der Schließung der Schule betrieb er die Buchbinderklasse auf privater Basis weiter und wechselte im Oktober 1919 zum Staatlichen Bauhaus über, wo er bis April 1922 als Werkmeister für Buchbinderei und Lehrer für Schriftunterricht tätig war. Dorfner galt als vortrefflicher Einbandkünstler. Seine 1919 gegründete Dorfner-Werkstatt in der Erfurter Straße in Weimar, für die er Werkzeuge und Maschinen aus der Weimarer Kunstgewerbeschule übernahm, führte ab 1921 Einbände für sämtliche Ausgaben der Cranach Presse aus, u. a. für ›Die Eclogen Vergils‹, ›Hamlet‹ und ›Das Hohelied
Briefe und Kommentare 645 Salomo‹ (vgl. Velde 1962, S. 296; Ausst. Kat. Kirchheim unter Teck/ Weimar/ Mariémont 1999; Brinks 2003; Lobisch/ Wiedemeyer 2003, S. 263–26). l’Exposition des Arts décoratifs: Die Pariser Ausstellung ›Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes‹ wurde am 28. April 1925 eröffnet und war späterhin namensgebend für den Begriff ›Art Déco‹.
381 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, London, 15.3.1925 AML, FSX 504/209, Brief, Briefkopf (bedruckt): HOTEL CECIL, STRAND. W.C.
15.III.25 dimanche Cher ami, j’ai bien reçu votre aimable lettre du 10 mars; merci infiniment de votre proposition de dessiner quelques nouveaux ornements pour la Cranach Presse que j’accepte avec empressement. Je vous fais envoyer un catalogue de Caslon (à Londres) où vous trouverez aux pages 26 et 27 les deux caractères dont je me sers (à part le caractère »Virgile«). Il s’agirait, si vous vouliez bien vous soumettre à ce travail, de quelques fleurons et bordures (ou plutôt de fleurons qui pourraient par leur répétition et par leurs différents accouplements former des bordures) pour ces deux caractères. Vous verrez à la page 32 quelques échantillons de fleurons et bordures dessinés par Caslon au 18ième Siècle; et à la page 62 deux encadrements de page formés par ces bordures. Ce qu’il faudrait, c’est quelquechose [sic] de léger et ayant bien le caractère et le style de notre époque (c’est[-]à[-]dire les votres [sic]). Je compte imprimer trois à quatre ouvrages par an pour Kippenberg, ce qui me permettra de faire vivre la Presse, qui, jusqu’à présent me coûte les yeux de la tête, sans rapporter un sou. Kämmer m’a dressé un projet de travail qui couvrirait à peu près les frais. De toute façon, je vous suis infiniment reconnaissant de votre proposition. Quant à la somme en dépôt à la banque, je crois qu’il serait plus pratique de la transférer à mon compte à Londres à la London Joint City and Midland Bank, 82 & 83 Strand. Veuillez donc, cher ami, faire faire ce transfer [sic]. Je regrette infiniment que nous ayons si peu de chances de nous voir bientôt; mais peut-être le hasard nous rapprochera-t-il! Bien des amitiés je vous prie à madame Vandevelde et aux enfants. Bien affectueusement HKessler
646 Edition und Kommentar lettre: Vgl. Brief 380. catalogue de Caslon: Kessler bezieht sich hier auf folgenden Katalog: Caslon Old Face, Roman & Italic. Cast entirely from matrices produced from the original punches engraved in the early part of the eighteenth century in Chiswell Street, London by William Caslon, London: H. W. Caslon & Co. ltd., 1924. deux caractères: Es handelt sich um die Schrifttype Caslon Old Face 14-point und 12-point. un sou: Aufgrund der Inflation und des von den Behörden zurückgehaltenen Erbteils seiner Mutter steckte Kessler seit Anfang der 1920er Jahre in großen finanziellen Schwierigkeiten. Er wurde fortan von seiner Schwester Wilma de Brion unterstützt, behielt dabei jedoch seinen luxuriösen Lebensstil bei. Seine Schulden betrugen 1937 eine viertel Million Reichsmark. Den Umzug und die Erweiterung der Cranach Presse 1928 finanzierte Kessler über Kredite. Der erhoffte Mehrgewinn durch Publikationen blieb allerdings aus (vgl. weiterführend Föhl 2003, S. 170–186).
382 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 29.6./14.11.1925 AML, FSX 504/210, Brief
Weimar, d. 29. Juni 1925. Cher ami, J’ai reçu votre brochure sur le Théâtre de l’Exposition du Werkbund à Cologne en 1914, et c’est avec émotion que j’ai revu les illustrations montrant l’ingéniosité et la beauté de votre construction. Quelle tristesse que vous n’ayez pas pu développer plus loin vos idées théatrales [sic]! Mais qui sait, peut-être tout de même un jour aurez-vous l’occasion de faire quelque chose de définitif dans ce genre. A Paris, tout le monde est aujourd’hui d’accord pour dire que votre Théâtre des Champs-Elysées est le plus beau théâtre de Paris. Enfin on s’en aperçoit. Espérons que tout de même on en tirera des conséquences un jour en vous demandant de construire un théâtre en toute liberté. Je suis à Weimar en ce moment occupé à imprimer le Virgile; je compte terminer cette impression dans le courant de l’automne. Malheureusement, j’ai été assez souffrant et je le suis encore. Mais j’espère me rétablir dans la tranquillité de Weimar. Ne venez-vous jamais en Allemagne? Si vous veniez dans le courant de juillet, ne pourriez-vous pas faire un détour pour passer par Weimar? Je serais si heureux de vous y voir. Du reste, toute la ville vous accueillerait avec enthousiasme; depuis l’aventure du Bauhaus vous êtes passé »classique« et jouez un peu le rôle que jouaient dans notre temps Liszt et Goethe. C’est assez drôle, cette évolution, depuis l’époque que vous étiez le grand révolutionnaire à Weimar. Notre vieille amie Madame Foerster est toujours très gentille et
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très courageuse, mais malheureusement elle est devenue de plus en plus nationaliste; pas moyen de parler politique devant elle sans risquer une situation impossible. Je ne vois donc personne à Weimar et ne m’occupe que de mon imprimerie. Veuillez dire bien des choses de ma part à Madame Van de Velde, et croyez, cher ami, à l’expression de toute mon amitié. Weimar, 14 novembre 25. P.S. En rentrant à Weimar d’un assez long voyage, je trouve cette lettre qui, je ne sais comment ni pourquoi; n’a pas été expédiée. »Briefe, die ihn nicht erreichten«! Entre temps, j’ai été très, très souffrant; mais je suis complètement remis, maintenant et j’ai repris l’impression du Virgile. Schoder m’écrit, de Gera, que vous viendrez peut-être passer quelques jours à Weimar avec Romain Rolland. Est-ce vrai? Et à quelle époque. Je serais bien heureux de vous revoir et je ne voudrais en aucun cas vous manquer. Mme Vandevelde vous accompagnerait-elle? Veuillez lui dire bien des choses de ma part. Et mille amitiés Votre HKessler. votre brochure: Gemeint ist die von van de Velde eigenhändig gestaltete und im März 1925 verfasste Broschüre ›Le théâtre de l’exposition du Werkbund à Cologne 1914 et la scène tripartite‹. Van de Velde sicherte darin seine Urheberschaft am System der dreiteiligen Bühne (scène tripartite) gegenüber Auguste Perret. Dieser hatte anlässlich der Pariser Ausstellung ›Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes‹ (1925) ein Theater dieses Bühnentyps errichtet und die bahnbrechende Neuerung für sich beansprucht. Van de Veldes Broschüre galt auch als Reaktion auf die immer noch nachhallende Pressefehde um das Théâtre des Champs-Élysées (vgl. Velde 1925; Weber 1994, S. 402 f.). Virgile: Vgl. Anm. Brief 196. souffrant: Kessler hatte den Sommer 1925 schwerkrank in Berlin verbracht, wo er von seiner Schwester gepflegt wurde (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 31.8.1925). Im Herbst war er erneut erkrankt. Bauhaus: Das aus Weimar vertriebene Bauhaus hatte am 1. April 1925 seinen Lehrbetrieb in Dessau aufgenommen. Karl Wilhelm Thilo Schoder (1888–1979), Architekt, Innenarchitekt, Designer. Bereits frühzeitig den Beruf des Innenarchitekten anstrebend, genoss der aus Weimar stammende Thilo Schoder eine umfangreiche Ausbildung unter der Leitung van de Veldes. Zweifellos war er der erfolgreichste Schulabgänger der Weimarer Kunstgewerbeschule (vgl. Arbeitszeugnis, ThHStaW Weimar, Großherzogliche Kunstgewerbeschule Weimar, Nr. 50). Nach einem halbjährigen Studienaufenthalt in der Wiener Werkstätte und an der Wiener Kunstgewerbeschule 1911/12 wurde Thilo Schoder von Juni 1912 bis Oktober 1914 Assistent im Privatatelier van de Veldes. Er beteiligte sich als Zeichner an den Innenausstattungen der Villa Dürckheim in
648 Edition und Kommentar Weimar, des Landhauses Stern in Geltow und des ›Werkbundtheaters‹ in Köln. Mit dem kriegsbedingten Weggang van de Veldes aus Weimar konzentrierte sich Schoder zunächst auf seine kunstgewerbliche Tätigkeit. Zwei Personalausstellungen 1915 und 1916 in Weimar zeitigten erste Erfolge. Als künstlerischer Berater trat er Ende 1915 in den Dienst der Firma Golde und gründete mit der Übersiedlung nach Gera ein ›Atelier für Architektur, Innendekoration und Kunstgewerbe‹. Nach dem Ersten Weltkrieg war Thilo Schoder als Architekt, Innenarchitekt und Designer erfolgreich tätig. 1932 siedelte er nach Norwegen über, wo er 1979 starb (vgl. weiterführend Lorenz 2001). Romain Rolland (1866–1944), französischer Schriftsteller, Lyriker, Publizist, 1915 Nobelpreisträger für Literatur, von 1926 bis 1933 Mitglied der ›Freunde des Nietzsche-Archivs‹. Van de Velde und Rolland waren sich zum ersten Mal während des Ersten Weltkrieges in der Schweiz begegnet. Sie schätzten einander sehr, verband sie doch beide der unbändige Wille zum Pazifismus. Rolland war es, der van de Velde davon abhielt, in der Schweiz zu bleiben und eine Künstlerkolonie am Bodensee zu gründen. Van de Velde widmete Rolland 1926 die Schrift ›Hommage à Romain Rolland‹ (vgl. Velde 1926; Velde 1962, S. 402–405; Romain Rolland an Henry van de Velde, AML, FSX 679). Kessler hatte Romain Rolland 1916 in der Schweiz kennengelernt.
383 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, o. O., 31.12.1925 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief
le 31 décembre 1925 Bien cher ami, Je n’ai tardé à vous écrire que parce que je ne pouvais vous donner des renseignements précis et définitifs au sujet du brusque changement qui va me ramener prochainement en Belgique. Aujourd’hui je peux bien vous annoncer que je quitterai le service des Kröller dans 5 ou 6 mois, mais je ne peux pas encore vous dire où j’irai moi et les miens m’installer à cette date. Le Ministre des Sciences et des Beaux Arts de Belgique, Camille Huysmans, m’a offert à l’Institut Supérieur des Beaux Arts et d’Archéologie (Université de Gand) une chaire d’Histoire de l’Architecture et des arts appliqués modernes et de plus il m’a chargé de me tenir prêt à fonder un Institut Supérieur des Métiers et Industries d’art, à Bruxelles et d’en assumer la direction dès que son projet sera accepté par les Chambres. Ceci sera fait en [sic] déans [sic] 4 ou 5 semaines. J’eûs certes pu concilier ces deux fonctions avec mes travaux d’ici qui tous allaient à leur fin; mais comme la situation matérielle de Monsieur et Madame Kröller ne leur permet plus d’envisager une reprise prochaine des travaux de construction du Musée, – ni une époque certaine à laquelle ils pourraient espérer reprendre ce vaste projet, Monsieur Kröller m’a demandé d’achever ce qui reste à dessiner pour le Musée et de résilier
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l’engagement qui nous liait. Je ne m’attendais pas plus à cette décision, il y a quelque temps, que luimême, certes, n’avait prévu que je serais si brusquement et si vivement sollicité par mes amis qui sont, comme vous le savez, tous ministres ou très influents sur le gouvernement actuel. La possibilité pour moi de rentrer en Belgique et d’y trouver une modeste base de vie matérielle aura puissamment contribué chez lui à prendre cette décision. Quant à moi, je me sens soulagé des soucis que j’avais depuis longtemps d’arriver bientôt ici à un point mort; après quoi je n’aurais plus qu’à attendre, me croiser les bras ou n’avoir à m’occuper que de misérables petites choses. Je ne dois pas vous dire pourtant avec quelle poignante tristesse je pense aux plans et dessins du Musée qui m’ont occupé pendant plus de trois ans; avec quelle tristesse je songe à la situation d’aujourd’hui en comparaison de celle qui nous avait permis de commencer la construction du Musée avec un élan et un enthousiasme irrésistibles et surtout avec une confiance absolue. Ce n’est pas la première défaite que j’éprouve; ce n’est pas le premier coup du sort qui ne m’épargne pas ses coups, mais c’est la plus complète des défaites et le coup le plus rude. Aujourd’hui que l’espoir de voir se réaliser cette oeuvre ne paraît plus à d’autres qu’une obstination insensée, je travaille à achever mon projet comme si je devais le voir ressusciter demain. Peut-être que l’idée qu’à Gand je pourrai faire une œuvre utile et contribuer à fixer bien des points d’histoire et à légitimer ce style moderne à l’existence duquel nous avons travaillé depuis plus de 35 ans; – qu’à l’Institut de Bruxelles je pourrai prendre contact avec les jeunes gens dans des ateliers dans le genre et de l’esprit de ceux de Weimar, peut-être que cette perspective me soutient et me donne les forces nécessaires pour achever consciencieusement ce que j’ai accepté de réaliser ici. Je me rendrai dans quelques jours à Bruxelles et j’espère bien pouvoir y trouver ce qui importe le plus pour le moment c’est[-]à[-]dire un toit ou un appartement. Ne faut-il pas espérer, bien cher ami, que cette fois ma situation sera stable. Vous savez par quelles transes j’ai passé depuis la guerre et que j’ai côtoyé à maintes reprises l’abîme? Sans l’appui d’amis aussi dévoués que vous aurais-je pu faire front à-l’adversité? L’effort pourtant qu’il me reste à faire pour consolider ma situation sera énorme, mais j’y suffirai, j’espère, si la santé m’est conservée. Je vous tiendrai au courant, bien cher ami, et j’espère ardemment que vous serez un des premiers à venir nous voir à Bruxelles. Et voilà pour moi, mais vous? Etes-vous rétabli et quelles sont vos préoccupations de moment? Où vous conduira l’avenir ou bien auriez-vous de rester à Weimar et de vous y occuper de vos travaux favoris? Où ai-je lu un excellent article de vous sur Maillol? J’avais espérer pouvoir
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venir à Weimar dans le courant de cet hiver, mais vous entrevoyez bien que dès maintenant je suis trop occupé pour pouvoir songer à prendre quelques jours de vacances. Et pourtant je voudrais tant vous revoir et revoir encore une fois Madame Förster-Nietzsche. Donnez-nous maintenant de vos nouvelles, bien cher ami, et acceptez l’hommage que nous vous faisons de nos plus affectueux vœux de nouvel an. Bien affectueusement vôtre [ohne Unterschrift] Brief: Der Brief ist adressiert an »Kessler, Weimar, Cranachstr.«. brusque changement: Die äußeren Verhältnisse zwangen van de Velde abermals, einen neuen Weg einzuschlagen. Das Unternehmen von Dr. Anton Kröller hatte Mitte der 1920er Jahre herbe Verluste einbüßen müssen und stand kurz vor dem Konkurs. Der groß angelegte Bau eines Museums (vgl. Brief 372) wurde zurückgestellt und van de Veldes Anstellung bis zum 30. Juni 1926 befristet. Van de Velde siedelte daraufhin im Juli 1926 nach Brüssel über und wohnte zunächst mit seiner Familie im Brüsseler Stadtteil St. Gilles in der Chaussée de Waterloo 200a. Zwei Jahre später entwarf er ein eigenes Haus im Brüsseler Vorort Tervueren. Es erhielt den sinnreichen Namen ›La Nouvelle Maison‹ (vgl. Brief 390). Camille Huysmans (1871–1968), belgischer Politiker, Sozialist. Huysmans und van de Velde waren seit den frühen 1890er Jahren befreundet, hatten sich jedoch über einen langen Zeitraum aus den Augen verloren. 1917 begegneten sie sich zufällig in Bern. Mit seiner Berufung zum Minister der Wissenschaft und Künste am 17. Juni 1925 forcierte Huysmans mit Nachdruck, seinem Freund van de Velde einen beruflichen Neuanfang in Belgien zu ermöglichen. Trotz heftiger Proteste innerhalb des belgischen Parlaments und von Seiten der Presse gelang es Huysmans mit Unterstützung von König Albert I., van de Velde eine Professur an der Universität von Gent zu vermitteln sowie ein eigenes Institut in Brüssel, vergleichbar mit der Kunstgewerbeschule bzw. dem Bauhaus in Weimar, zu gründen. Van de Velde und Huysmans blieben zeitlebens eng verbunden (Huysmans, Camille: In memoriam Henry van de Velde, AML, FSX 485; Velde 1962, S. 421 ff.; Velde 1999, S. 413 ff., 419 ff.; De Weerdt/ Geldolf 1979, S. 93–122). une chaire: Van de Velde erhielt am 7. Oktober 1925 eine Anstellung als Dozent am ›Hooger instituut voor kunstgeschiedenis en oudheidkunde‹ der Universität von Gent. Er lehrte Allgemeine Geschichte der Baukunst (Algemeene geschiedenis der bouwkunst) und Allgemeine Geschichte der angewandten Künste (Algemeene geschiedenis der toegepaste kunsten). Er wurde am 30. September 1930 zum Professor ernannt und zum 1. August 1936 emeritiert. un Institut Supérieur des Métiers et Industries d’art: Auf Initiative von König Albert I. und Camille Huysmans wurde am 30. November 1926 die Gründung des Institut Supérieur des Arts Décoratifs (ISAD) in Brüssel unterzeichnet. Der Lehrbetrieb wurde im Oktober 1927 unter dem Direktorat Henry van de Veldes aufgenommen. Van de Velde leitete das Institut bis 1936 (vgl. weiterführend AAM 1979). article: Van de Velde bezieht sich auf folgenden Artikel: Kessler, Harry Graf: Aristide Maillol, in: Insel-Almanach auf das Jahr 1926, Leipzig 1925, S. 164–177.
Briefe und Kommentare 651
384 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Capri, 26.4.1927 AML, FSX 504/213, Brief, Briefkopf (bedruckt): CÁ-DEL-SOLE, VIA CASTIGLIONE CAPRI
26. IV. 27 Cher ami, je vous écrivais dans une de mes dernières lettres qu’il me semblait que, pour ne pas perdre de temps, on pourrait dès à présent s’occuper des meubles pour le salon de musique et le salon d’amis du IIème (et du rez[-]de[-]chaussée. J’ai essayé de me rendre compte de quels meubles nous aurions besoin. Voici à peu près ce que je vois I. Salon de musique: 1) une grande table avec dessus se relevant, pour examiner des livres, des dessins etc. 2) trois petites tables rondes. 3) quatre fauteuils confortables (celui du salon actuel n’est pas très confortable. Le bois du dos vous coupe le dos, quand on s’appuie dessus; le dos, si on en fait en bois, devrait être plus haut, il me semble, pour ne pas vous prendre au point sensible, mais plutôt les épaules.) 4) deux poufs (Hocker) 5) deux chaises ou poufs pour le piano, avec siège pouvant se relever et s’abaisser. 6) grande vitrine devant la fenêtre, pas trop basse, pour qu’on n’ait pas à se casser en deux pour examiner les livres exposés, je verrais le fond de la vitrine, de dessus intérieur, sur lequel seraient placés les livres, à une hauteur d’au moins 1,05 m. La glace de la vitrine viendrait donc à environ 1,20. Il faudrait, en outre, que le fond de la vitrine soit incliné, c’est[-]à[-] dire se relevant vers la fenêtre. 7) Au dessus des deux sofas je voudrais des rayons fermés, pour y déposer des cahiers de musique et des plaques de grammophone [sic]. 8) tout autour du salon régnerait une boiserie dans laquelle on encastrerait les bois du Virgile de Maillol. 9) cheminée. II) Salon d’amis du II ème 1) table écritoire, pas trop grande. 2) fauteuil pour cette table 3) deux tables plus petites, pour y poser des objets. 4) bibliothèque dans le coin de droite (en entrant) entre la porte d’entrée et la porte de la chambre à coucher
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[Skizze] 5) petite cheminée dans le coin à grauche. III. Pour le salon d’amis du rez[-]de[-]chaussée, je compte y mettre les meubles en bois gris qui sont à présent dans la pièce du premier qui deviendra le salon de musique. Il faudrait les supplémenter par 1) une petite table écritoire 2) fauteuil pour cette table. 3) petite bibliothèque. IV. Pour le hall, je ne suis pas encore fixé. La seule chose que, dès à présent, on pourrait mettre en train, c’est la grande cheminée. Y verriez[-]vous un emploi pour les carreaux de Köhler [Kähler?] que vous trouvez si étonnants? Dès que vous aurez terminé les dessins pour ces meubles, on pourrait les mettre en train, de façon à ce qu’on n’aurait plus qu’à les placer une fois la maçonnerie terminée. Je vous écris encore à Schwechow, sans savoir si cette lettre vous y parviendra ou bien si vous ne la recevez qu’à Bruxelles. Je quitte ici le 8 mai. Je passerai sûrement par Paris en rentrant; car je dois trouver un nouvel arrangement pour le Virgile, Crès ne m’inspirant plus aucune confiance. Si vous m’écrivez à Paris (où je serai entre le 15 et le 20 mai) veuillez adresser la lettre 21 boulevard Montmorency, Paris XVI., chez ma sœur. Mille amitiés affectueuses de votre très dévoué HarryKessler dernières lettres: Die genannten Briefe haben sich nicht erhalten. meubles: Kessler plante seit März 1926, sein Weimarer Haus in der Cranachstraße 15 umfangreich umgestalten und partiell neu möblieren zu lassen. In Absprache mit van de Velde, der zu jener Zeit in Brüssel wohnhaft war, betraute er den mittlerweile wieder in Weimar ansässigen Architekten Hugo Westberg (vgl. Brief 386) mit der Bauleitung. Die Arbeiten begannen im April 1926 zunächst im Garten. Kessler ließ sich einen Pavillon errichten und die Fläche neu gestalten. Im Mai 1926 erfolgten erste bauliche Veränderungen am Haus. Das Arbeitszimmer wurde vergrößert und erhielt einen rückwärtigen, als Bibliothek zu nutzenden Anbau mit darüber liegender Terrasse. Kesslers Tagebuch zufolge war das Arbeitszimmer am 20. Mai 1926 fertig. Im Frühjahr 1927 beauftragte Kessler schließlich van de Velde mit der Neumöblierung des Musiksalons, der Gästesalons, des Badezimmers, des Schlafzimmers und der Halle. Van de Velde reiste zu diesem Zweck am 30. Mai 1927 für drei Tage nach Weimar, um mit Kessler und Westberg zusammen den Umbau der Zimmer und die Inneneinrichtung zu besprechen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.5.1927–2.6.1927). Im Sommer 1927 legte van de Velde die Entwürfe vor. Aufgrund der exorbitanten Kostenvoranschläge, die sowohl Westberg als auch die Möbelfirma Scheidemantel unterbreiteten, sah sich Kessler veranlasst, das
Briefe und Kommentare 653 Programm strikt zu kürzen und auf die Neumöblierung zu verzichten (vgl. Brief 388). Erforderlich waren dagegen die Umgestaltung des Gäste- und Musiksalons sowie die Errichtung eines kleinen provisorischen Gewächshauses. Ob diese Arbeiten tatsächlich zur Ausführung gelangten, ist nicht dokumentiert (vgl. Briefe 386, 387, 388, 390). les dessins: Die Möbelzeichnungen von van de Velde sind verschollen. Lediglich zwei Baueingabepläne von Hugo Westberg aus dem Jahr 1926 haben sich im Bauaktenarchiv Weimar erhalten. Schwechow: Van de Velde hielt sich seit 1923 vielfach auf dem Mecklenburger Gut der Familie seines Schwiegersohnes Joachim von Schinckel auf, der dort vorübergehend als Landwirt tätig war. Das noch heute existierende Gut Schwechow befindet sich ca. 45 km südwestlich von Schwerin. ici: Kessler war im Sommer 1926 erneut schwer erkrankt. Er litt an Darmblutungen und an einer Lungenentzündung. Die Zeit seiner Genesung verbrachte er vom 6. November 1926 bis 23. Januar 1927 und abermals vom 19. Februar bis 10. Mai 1927 auf Capri (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 1./19.2.1927, 10.5.1927). George Crès, französischer Buchhändler, Verleger, Inhaber des Verlages ›George Crès et Cie‹, 1919 Begründer der ›Librairie Crès‹. Die französische Ausgabe der ›Eclogen Vergils‹ (vgl. Brief 196) wurde durch die Pariser Galerie Druet vertrieben. Kessler war jedoch 1924 Verpflichtungen mit dem französischen Verleger George Crès eingegangen, aus denen er sich mit Hilfe eines Rechtsanwaltes 1927 lösen konnte (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 6./7.2.1927, 2./27.9.1927; Harry Graf Kessler an Wilma de Brion, 1./31.8.1927; vgl. Briefe 385, 387, 388).
385 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, [Capri], 28.4.1927 AML, FSX 504/213, Brief, Briefkopf (bedruckt): CÁ-DEL-SOLE, VIA CASTIGLIONE CAPRI
28.IV 27. Cher ami, autre chose, complètement. Crès me fait des misères et il est manifestement de mauvaise foi. Vous m’aviez, il me semble, indiqué une autre maison, qui vous semblait mieux pour le Virgile. En auriez[-]vous encore le nom et l’adresse? Je vous serais très reconnaissant si vous pouviez me l’indiquer. Mille amitiés affectueuses. Votre bien dévoué HarryKessler
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386 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Capri, 5.5.1927 AML, FSX 504/212, Brief, Briefkopf (bedruckt): CÁ-DEL-SOLE, VIA CASTIGLIONE CAPRI
5.V.27. Bien cher ami, j’ai bien reçu votre bonne et charmante lettre de Schwechow, du 27 avril; et depuis Westberg m’a envoyé le plan retouché du hall. J’y applaudi des deux mains; c’est parfait. Merci. Je suis tout heureux que cette solution si heureuse soit intervenue et je me réjouis à l’idée de la ligne qui animera cet ensemble et »montera allégrement de l’entrée au hall du 2eme Etage«. J’ai pour le moment abandonné l’idée de serres au fond du jardin. Mais, par contre, j’ai une autre idée de serre. L’entrée du jardin par le hall une fois établi, il ne sera plus nécessaire d’y avoir un accès direct par la porte d’entrée de la maison. On pourrait donc supprimer la partie de l’escalier d’entrée descendant vers le jardin, et établir une petite serre longeant le mur extérieur de la maison sur son emplacement. Ceci entraînerait un remaniement, qui me paraît heureux, de la porte d’entrée même, qu’on déplacerait de façon à ce qu’elle soit de front en haut de l’escalier d’entrée, au lieu d’être de côté.
Les avantages de cette solution les voici
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1) serre en communication avec la maison 2) chauffage facile par le chauffage central de la maison 3) coup d’œil agréable de l’entrée dans la serre, et de même de l’escalier, qui longerait, en montant, les vitres intérieures de la serre. 4) agrandissement de l’entrée. La porte de la serre donnant sur l’entrée devrait naturellement être en verre (une seule grande vitre) Je vous écris ceci maintenant, pour que vos plans pour l’entrée et pour le hall ne soient pas bouleversés après coup, si nous décidons de faire cette serre. Je trouve ces dessins pour les deux cheminées tout à fait bien. Pour celle du hall, je pense que vous ferez quelquechose [sic] d’assez monumental, vraiment un âtre familial, auquel on pourra s’asséoir [sic] au centre même de la maison (comme dans l’atrium romain). Je tiens assez à l’éclairage indirect venant du tablier de la cheminée; ici. Merci de vouloir bien penser aux meubles du salon de musique et du salon d’amis. J’espère que vous êtes bien rentré et que vous avez trouvé vos ateliers et vos tables de travail installés. Je me réjouis à l’idée que peut-être je pourrai m’arrêter à Bruxelles, en juin, et voir toute cette nouvelle installation, ainsi que Mme Vandevelde, Nele et vous[-]même, cher ami. Je quitte ici mardi 10 mai, je resterai à Naples (Hotel [sic] Vesuv) jusqu’au 14, à Rome (Hotel [sic] Royal, du 15 au 18. Après, à Zurich pour consulter mon oculiste (Hotel Baur au Lac). Je serai à Leipzig (Hotel Astoria) le 26; grand plaisir, si je vous y rencontrais! Mille bons souhaits pour votre santé et votre institut et toute l’amitié de votre bien dévoué HKessler. Irez-vous à Paris cet été? Ma sœur serait très heureuse si vous vouliez l’avertir de votre passage. lettre: Dieser Gegenbrief von van de Velde an Kessler hat sich nicht erhalten. Hugo Westberg (1873–1940), schwedischer Kunsttischler, Architekt, Designer. Der gebürtige Schwede Hugo Westberg war von 1900 bis 1930 der wichtigste und treueste Mitarbeiter van de Veldes. Als Zeichner zunächst in Berlin tätig, zog Westberg zusammen mit van de Velde im Frühjahr 1902 nach Weimar und übernahm eine Anstellung in van de Veldes Privatatelier im Kunstgewerblichen Seminar (später Kunstgewerbeschule). Er betreute zahlreiche Privataufträge von den Anfängen bis zur Fertigstellung, kümmerte sich insbesondere um die Detailzeichnungen der Möbelentwürfe und übernahm organisatorische Aufgaben. Westberg leistete van de Velde auch privat zahlreiche unersetzliche Dienste. Er unterstützte die Familie nicht nur
656 Edition und Kommentar bei den oft langwierigen Umzügen, sondern stand gerade in Kriegszeiten hilfreich zur Seite. Van de Velde wiederum half Westberg, als dieser aufgrund von Depressionen stark suizidgefährdet war und im Sommer 1922 nach Schweden in die Obhut der Familie gebracht werden musste. Westberg blieb nach van de Veldes Übersiedelung in die Schweiz zunächst in Weimar wohnhaft und wurde 1920 von van de Velde nach Holland berufen. Er arbeitete bis 1922 mehrere Monate in van de Veldes Privatatelier in Den Haag, kehrte jedoch Mitte der 1920er Jahre nach Weimar zurück, wo er sich mit kleineren Aufträgen über Wasser hielt und gelegentlich im Dienste von van de Velde Arbeiten vor Ort betreute, wie für Harry Graf Kessler in den Jahren 1926 bis 1927. Westberg starb 1940 an den Folgen einer Lungenentzündung in Weimar (Velde 1962, S. 206 f., 258, 373 f., 377, 408 f.; Velde 1995, S. 91 ff., 183, 412, 420 ff., 439 ff.; Velde 1999, S. 140 ff., 196, 304, 319, 324, 327, 358, 385, 399 f., 403 ff.; Briefe von Hugo Westberg an Henry van de Velde, AML, FSX 847; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 2.8.1922, AML, FSX 784). le plan: Der von Hugo Westberg stammende Entwurf der Halle hat sich nicht erhalten. serre: Das Gewächshaus wurde nicht gebaut. ces dessins: Van de Veldes Zeichnungen sind verschollen. quitte: Kessler reiste am 10. Mai 1927 von Capri ab, blieb bis zum 15. Mai in Neapel und reiste von dort aus nach Rom, wo er sich bis zum 19. Mai aufhielt. Über Mailand fuhr er nach Zürich, wo er am 22. Mai 1927 eintraf (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 10.–22.5.1927; Henry van de Velde an Maria van de Velde, o. D., AML, FSX 784). Leipzig: Am 28. Mai 1927 wurde die ›Internationale Buchkunstausstellung‹ in Leipzig eröffnet. Kessler, der mit großem Erfolg seine Ausgabe der Eclogen Vergils ausstellte, nahm an der feierlichen Eröffnung teil (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.5.1927). Van de Velde und Kessler trafen sich anlässlich dieser Gelegenheit in Leipzig und fuhren am 30. Mai 1927 gemeinsam nach Weimar (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 30.5.1927).
387 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Brüssel, 24.6.1927 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (bedruckt): INSTITUT SUPERIEUR DES ARTS DECORATIFS DE L’ETAT, Abbaye de la Cambre.
24 Juin 27 Mon cher ami, Je viens de recevoir un exemplaire de l’»in memoriam« Rathenau que vous venez d’éditer. Merci; infiniment heureux de posséder cette plaquette dont il n’est rien d’autre à dire sinon que »c’est la perfection«. Encore une fois, merci de tout cœur. J’ai envoyé à Westberg les croquis des meubles du salon de l’appartement p[our]. amis de votre second étage. J’espère qu’il les mettra au net aussitôt que reçus et vous soumettra ces dessins en même temps que mes croquis.
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Je me rends demain à Paris. J’ai rendez-vous avec Madame votre Sœur lundi prochain. Je serai rentré içi [sic] Mercredi soir et reprendrai les dessins que j’ai commencés pour les meubles d[e]. M[onsieur]. Goertz. Il ne tardera plus à les recevoir. J’avais prié un de mes neveux d’içi [sic] grand bibliophile et qui est désireux d’acquérir un de vos Virgile français de s’adresser directement à Crès et voici la réponse qu’il a reçue. Elle ne peut manquer de vous être précieuse. Pourquoi Crès ne cite-t-il le prix et pourquoi veut-il attendre jusqu’en Octobre. Bien affectueusement Votre [sic] van de Velde Briefumschlag: Der Brief ist adressiert an »Monsieur le Comte H[arry]. de Kessler Cranachstr. Weimar Allemagne« und gestempelt mit »Bruxelles 3 – 14 25 VI 27 Brussel«. »in memoriam« Rathenau: Im Dezember 1925 war ›In memoriam Walther Rathenau 24. Juni 1922‹ als Gelegenheitsdruck der Weimarer Cranach Presse in einer kleinen Auflage erschienen. Er enthielt die Trauerreden von Hugo Simon, Georg Bernhard und Harry Graf Kessler auf den Tod von Walther Rathenau (Brinks 2003, S. 392). les meubles d[e]. M[onsieur]. Goertz: Max Fritz Goertz (gen. Mäxchen, 1899–1975), Schriftsteller, Dichter, Leiter und Sekretär der Cranach Presse. Kessler hatte Max Goertz 1916 im Feld kennengelernt. Goertz wurde zum engen Freund Kesslers und übernahm ab Mitte der 1920er Jahre die Verwaltung und Leitung der Cranach Presse. Goertz stand Kessler bis zu dessen Lebensende sehr nahe. Er versorgte Kessler während seiner langen Leiden, überführte wichtige Dokumente aus deutschem Besitz ins Exil, kümmerte sich um die Auflösungen der Wohnungen und teilte zuweilen gar das häusliche Leben mit ihm. Kessler unterstützte im Gegenzug die schriftstellerischen Ambitionen von Goertz und ließ 1922 Gedichte sowie 1929 zwei Novellen auf der Cranach Presse drucken. Van de Velde entwarf vermutlich mehrere Möbel für Max Goertz. Erhalten ist der Entwurf für einen »Silberschrank d[es]. Herrn Görtz« im Fonds Henry van de Velde in La Cambre/ Brüssel (LC/S 6195) sowie ein Schreiben von 1948, in dem Goertz berichtet: »Sie werden sich sicher nicht entsinnen, daß Sie mir eines Tages Zeichnungen für Möbel schenkten, nachdem ich mir bei Scheidemantel in Weimar meine Wohnung einrichten ließ.« (Max Goertz an Henry van de Velde, 3.4.1948, AML, FSX 423). Es war nicht unüblich, dass van de Velde noch Jahre nach seinem Weggang aus Weimar die Firma Scheidemantel mit der Ausführung von Möbeln betraute. Dabei wurden sowohl Möbel nach alten als auch nach aktuellen Entwürfen ausgeführt. Der Verbleib der Möbel aus dem Besitz von Goertz ist nicht bekannt. neveux: Vermutlich handelt es sich hier um van de Veldes Neffen Willy Dubois.
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388 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, San Bernardino, 20.7.1927 AML, FSX 504/216, Brief
San Bernardino, 20.VII 27 Bien cher ami, Westberg vous aura écrit que, vu les prix très élevés des devis, j’ai dû sérieusement raccourcir mon programme de reconstruction de cette année; surtout que je dois aussi dépenser une assez forte somme pour les réparations de ma maison de la Hildebrandstrasse à Berlin. Les devis que m’a présentés Westberg montaient à plus de 60,000 Marks! Le prix d’une très jolie villa toute neuve! Un peu moins que je n’ai payé la Hildebrandstrasse dans le meilleur quartier de Berlin! Je me suis donc résigné à me limiter, pour le moment, à un programme beaucoup plus modeste que celui que nous avions entrevu. Pour cette année, voici ce que je prévois: I. terminer l’installation de mon cabinet de toilette et de ma chambre à coucher. (Vos dessins sont tout prêts, vous n’aurez donc plus rien à faire pour ceux[-]ci.) II. terminer l’installation du salon d’amis du II ème. Là, Scheidemantel me demande des prix vraiment exorbitants pour exécuter vos dessins. 1600 Marks pour la table à écrire! J’ai payé la mienne environ 400 Marks; c’est le prix usuel d’une très belle table à écrire, je ne puis vraiment payer le quadruple pour une table dans une chambre d’amis, qui devrait être parfaitement simple, sans trop de tiroirs etc. qui ne servent à rien dans une table pour amis, qui passent quelques jours dans la chambre, et qui n’ont aucun besoin de tout un système de tiroirs etc. Je pense donc qu’on pourrait beaucoup simplifier cette table: un seul tiroir suffirait amplement, avec peut[-]être deux petites armoires sous la table, à droite et à gauche (comme dans ma table). Mais à part cette table, j’ai l’impression que Scheidemantel me fait des prix fantastiques, parcequ’il [sic] croit que je paie sans y regarder. Ces meubles ne se fabriqueraient[-]ils pas à beaucoup meilleur marché ailleurs, à Berlin, ou même peut-être à Bruxelles? III. Installation du salon de musique. Là aussi, les devis de Scheidemantel sont fantastiques. Il compte 9000 Marks pour les meubles de ce salon, soit une grande vitrine, un Divan, deux petites tables, deux pouffs [sic] pour Piano, deux ou trois fauteuils. Il me paraît absolument impossible que ces quelques meubles puissent couter [sic] 9000 Marks, sans même compter les étoffes de tenture et de recouverture des meubles. 9000 Marks, c’est 50,000 francs français, près de 60,000 francs belges. À ces prix[-]là, personne ne pourrait plus meubler sa maison, à moins d’être un Vanderbilt ou un Rothschild. Sûrement, il doit y avoir moyen et en sortir à meilleur
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compte. Sous cette réserve, je vous prie de donner le dernier coup de main à vos dessins pour les meubles de ce salon de musique, en évitant, cher ami, tout ce qui pourrait les rendre particulièrement dispendieux, et en demandant des devis à un fabricant de Bruxelles, pour voir, si on ne pourrait pas peut-être les faire fabriquer là, sous votre surveillance, à meilleur marché qu’à Weimar. X) Pour le salon de musique, j’ai pensé, au lieu du citronnier, à un acajou très clair, comme celui avec lequel on fabrique les yachts; c’est un acajou presque aussi clair que le poirier. On doit sûrement en trouver, puisque les canots de course, les petits yachts etc. sont souvent fabriqués dans ce bois si clair et si poli. Le hall, l’entrée de l’escalier, je dois les remettre à plus tard; et, du reste, là aussi, je crains qu’il faudra à en arriver à simplifier, si nous ne voulons pas nous lancer dans une entreprise ruineuse. Je crains que, pour cette raison, il faudra renoncer aux colonnes, chacune coutant [sic] le prix d’un Signac, ou, du moins, n’en employer que le moins possible. Mais, de toute façon, je ne puis me payer ce hall cette année, et comme le hall et l’escalier font un, je pense qu’on ne pourra pas, non plus, pour le moment toucher à l’entrée. Je rentre à Berlin samedi; et je compte être à Weimar mardi prochain, pour revoir tous ces plans et comptes avec Westberg, et m’entendre avec lui sur les travaux à entreprendre immédiatement, c’est[-]à[-]dire les chambres d’amis, le salon de musique et la petite serre provisoire, jusqu’au moment, où, plus tard, on construira le hall. Ma sœur et mon neveu ont été enchantés de vous voir, et j’espère que l’été ne se passera pas sans que nous nous revoyions aussi, soit en Allemagne, soit en France, soit en Belgique. Je compte être à Paris (Grand Hotel [sic]) à la fin de ce mois, pour mes affaires avec Crès, qui, je crains, est un farceur. Il doit me payer une échéance le 31, mais j’ai la conviction qu’il manquera à son obligation. Saluez, je vous prie, Madame Vandevelde et Nele et croyez, bien cher ami, à toute mon affection. HKessler San Bernardino: Nach 10tägiger Autofahrt waren Kessler und Goertz »mit allen Umwegen u. Aufenthalten« am 12. Juli 1927 in San Bernardino (Schweiz) angelangt. Kessler hielt sich dort bis zum 22. Juli auf (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 2.–22.7.1927). devis: Die Kostenvoranschläge haben sich nicht erhalten. ma maison de la Hildebrandstrasse: Bereits 1923 ist von einem Haus in der Hildebrandstraße in Kesslers Tagebuch die Rede. Am 23. März 1923 schreibt Kessler: »Vandevelde Morgens die Pläne des Hauses in der Hildebrandstr., das ich zu kaufen hoffe, übergeben u den Umbau mit ihm besprochen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 23.3.1923). Es folgt ein Eintrag vom 1. April 1923, in dem es kurz heißt: »Mit Vandevelde den Umbau des Hauses in der Hildebrandstr. besprochen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 1.4.1923). Wie aus einem Brief an van de Velde vom 5. November 1923 hervorgeht (vgl. Brief 376), verzögerte sich jedoch das Kaufvorhaben
660 Edition und Kommentar um weitere Monate. Kessler gelang es vermutlich erst 1927, das 1882 gebaute Haus im noblen Berliner Tiergarten zu erwerben. Im August 1927 reichte er zwei Gesuche für Umbaumaßnahmen bei der Berliner Baupolizei ein (vgl. Bauakte Hildebrandstraße 11, Landesarchiv Berlin [B Rep 202 Nr. 3588]; vgl. Gauglitz 2005). Ein Entwurf vom 30. Juli 1927, ausgeführt von Architekt Hermann Wille (vgl. Brief 377), dokumentiert die baulichen Veränderungen, die mit dem Einzug Anfang 1930 ihren Abschluss fanden (vgl. Brief 393). Noch im September 1929 war Hugo Westberg mit der Innenausstattung des Arbeitszimmers und des Dachgeschosses beschäftigt (Hugo Westberg an Harry Graf Kessler, 24.6.1929, 26.9.1929, DLA). Kessler bewohnte bis Anfang 1933 das zweite Obergeschoss sowie das Dachgeschoss des Hauses, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. 1930 brachte er zusätzlich das Büro der Cranach Presse in seiner Wohnung unter (vgl. Föhl 2003, S. 171 [Anm. 5], 182; Gauglitz 2005). Vanderbilt: Die amerikanische Familiendynastie der Vanderbilts war im 19. Jahrhundert durch Schifffahrts- und Eisenbahnunternehmungen sowie durch Spekulationen zu unermesslichem Reichtum gelangt. Initiator war Cornelius Vanderbilt, seinerzeit als sogenannter ›Eisenbahnkönig‹ der reichste Mann der Vereinigten Staaten. Rothschild: Die alteingesessene Bankiersfamilie Rothschild verfügte über zahlreiche führende Banken in Europa und galt daher als besonders vermögend. Berlin samedi: Kessler fuhr am Samstag, den 23. Juli 1927, mit dem Nachtzug nach Berlin, wo er am darauffolgenden Tag ankam. Weimar mardi prochain: Aufgrund einer Fußverletzung, die sich Kessler am 26. Juli 1927 zugezogen hatte, verschob sich seine Fahrt nach Weimar auf den 17. August 1927 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 20.8.1927). Paris: Auch die Fahrt nach Paris verzögerte sich. Kessler fuhr erst am 31. August 1927 mit dem Nachtexpress nach Paris (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 31.8.1927).
389 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, San Bernardino, 21.7.1927 AML, FSX 504/215, Brief
San Bernardino, 21.VII 27 Cher ami, le peintre Bâtois Pellegrini, qui est ici, me dit que le musée Kröller se fait, les Kröller ayant gagné leur procès, et que vous allez incessamment recommencer les travaux. Est-ce vrai? Vous vous imaginez une joie, si cette bonne nouvelle se vérifie! Mille félicitations et tous mes vœux pour que le musée, une fois recommencé, se termine sans interruption. Je pars pour Berlin et Weimar demain. Amitiés affectueuses HKessler.
Briefe und Kommentare 661 Alfred Heinrich Pellegrini (1881–1958), Schweizer Maler, Zeichner, Graphiker. Pellegrini hatte Kessler am 21. Juli 1927 in San Bernardino besucht und auf eine Runde Boccia eingeladen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.7.1927). vrai: Van de Velde klärte Kessler in seinem Antwortschreiben über die wahren Hintergründe auf (vgl. Brief 390).
390 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Brüssel, 3.8.1927 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief mit Briefumschlag, Briefkopf (bedruckt): INSTITUT SUPERIEUR DES ARTS DECORATIFS DE L’ETAT, Abbaye de la Cambre.
Mon cher ami, Je ne me fais aucun scrupule de n’avoir pas répondu plus tôt à votre bonne derniere [sic] lettre puisqu’entre temps vous vous êtes réjoui à mon sujet dans la pensée que les Kröller allaient reprendre la construction du Musée d’Hoenderloo. Il n’est rien. La situation de M[onsieur]. et Mde[Madame]. Kr[öller]. s’est certes ameliorée [sic] – grâce à la vente de mines au Maroc qui leur a permis de s’acquitter de la dette à la Rotterdamsche Bank – quelques 20 à 30 millions de florins –! Le cours des actions de la firme H. W. Müller et C° a naturellement rapidement monté, mais la situation n’est pas telle encore qu’ils puissent songer à la construction du Musée. Dans la derniere [sic] lettre de Mad[ame]. Kr[öller]. Elle évoquait l’espoir de nous voir reprendre dans quelque temps la construction de cet édifice. Mais – je sais par les »Messieurs« qui sont moins portés aux illusions que ce temps n’est pas si proche que Madame Kr[öller]. le souhaite! Je dois attendre et m’efforcer de trouver quelquechose [sic] à faire içi [sic]. J’ai des amis attentifs aux occasions. Mais jusqu’à présent rien ne se précise, sinon que je me verrai forcé à réunir mes derniers fonds pour construire une maison quelque part à la campagne pour les miens. Nous ne sommes pas faits pour vivre ni en ville ni dans un appartement. Quant aux travaux de Weimar, réexaminons ce qui resterait à faire – quand vous fixerez le moment opportun, afin de n’investir dans cette maison que juste ce qu’il vous faudra pour vous y sentir à l’aise. Bien affectueusement vôtre van d. Velde Briefumschlag: Der zugehörige Briefumschlag ist adressiert an »Monsieur le Comte Harry v. Kessler Cranachstrasse 15 Weimar«. Da sich Kessler offenbar in Berlin aufhielt, wurde er von
662 Edition und Kommentar fremder Hand nach »Berlin W. 9. Köthenstr. [sic] Nr. 8« umadressiert. Der Umschlag ist gestempelt mit »Bruxelles 4 VIII 18–19 1927 Brussel«. lettre: Der Brief hat sich nicht erhalten. trouver quelquechose: Auf der einen Seite war van de Velde überlastet, denn sein eigenes Brüsseler Institut glich im Juli 1927 noch einer Baustelle und musste bis zum Semesterbeginn im Oktober 1927 für den Lehrbetrieb neu hergerichtet werden. Auf der anderen Seite betrübte ihn jedoch der Mangel an größeren Privataufträgen, mit denen er ein Zubrot verdienen konnte. Folglich verfasste van de Velde im Sommer 1927 einige Artikel und Aufsätze und entwarf nebenbei ein paar Möbel, u. a. für seine Tochter Anne (vgl. Henry van de Velde an Maria van de Velde, 9.7.1927, AML, FSX 784). une maison: Entgegen der ursprünglichen Absicht, vorübergehend eine möblierte Doppelwohnung am Bois de La Cambre zu beziehen, mieteten Henry und Maria van de Velde im Juli 1926 eine Etagenwohnung in der Chaussée de Waterloo 200a im Brüsseler Stadtteil St. Gilles. Die Wohnung sollte lediglich als Übergangslösung dienen, denn sie war eng und lag an einem verkehrsreichen Platz. Van de Velde war es jedoch finanziell nicht möglich, den Lebensgewohnheiten entsprechend ein Haus im Grünen zu bauen. Das Leben in Belgien war sehr teuer und seine eigene Situation mehr als ungewiss. Im Juli 1927 besichtigte er schließlich mehrere Grundstücke und fertigte erste unbestimmte Entwürfe für ein eigenes Haus. Er kaufte ein Terrain im Vorort Tervueren und entwarf im April 1928 ein gelbes Klinkerhaus mit Flachdach, das auf einem spitzwinklig zulaufenden Hanggrundstück im Laufe des Jahres 1928 gebaut wurde. Das Haus erhielt die Bezeichnung ›La Nouvelle Maison‹ und befindet sich noch heute in der Avenue Albert 1er, 1 bzw. Albertlaan 1 (vgl. Briefe Henry van de Velde an Maria van de Velde, AML, FSX 784/1926; Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 13.11.1926, 19.2.1927, 17.8.1928; Stamm 1969, S. 72 ff.; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 374 ff.). travaux de Weimar: Bezüglich der Arbeiten für Kesslers Weimarer Haus schrieb van de Velde am 11. August 1927 seiner Frau: »Je suis surmené encore par l’installation de l’Institut qui me prend au point de négliger les petites choses que j’ai faire pour Kessler et la marquise de Brion, pour Goertz etc.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 11.8.1927, AML, FSX 784).
391 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 18.2.1928 AML, FSX 504/217, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Weimar, den 18. Februar 1928 Cranachstrasse 15. Cher ami, Je pense que vous devez être rentré à Bruxelles. J’espère que vous n’avez pas été trop fatigué. J’ai suivi votre tournée de conférences dans les journaux, et j’ai été heureux de constater quel grand succès vous avez eu à Berlin, comme partout ailleurs du reste. Il me semble que cette nouvelle prise de contact a été utile, et que peut-être elle pourrait amener des résultats
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pratiques un jour. Maintenant voici le mémorandum pour l’exposition Maillol: Je voudrais pouvoir organiser une exposition Maillol à Bruxelles, et une même à Amsterdam, dans le courant d’avril et de mai. Le but serait de montrer le Virgile, dans l’espoir d’en vendre quelques exemplaires. A cet effet, je pourrais prêter de ma part la statue en bois qui est sur ma table de travail à Weimar, la statue du jeune homme qui est dans mon salon, et un certain nombre de petits bronzes, entre autre l’admirable projet du Monument aux Morts. En outre, je pourrais envoyer un certain nombre de dessins que j’ai à Berlin. D’un autre côté, je tâcherai d’amener Maillol à envoyer ce qu’il a chez lui. Il s’agirait surtout d’une grande statue en bronze, un nu de femme qu’il a dû travailler cet hiver. Mais ceci je ne le saurai quand je verrai Maillol dans le courant du mois de mars. Mais il faudra tout d’abord que j’ai des décisions avant de pouvoir agir sur lui. Il est très difficile pour les expositions car il n’y a aucun intérêt personnel, toutes ses oeuvres étant vendues d’avance dès qu’elles sont terminées. – Il est évident que les frais de transport et d’assurance devraient être supportés par les salons d’exposition. Mais je pense que si on n’expose que des bronzes, des bois et des dessins, ces frais ne seraient pas très lourds. Je vous suis très reconnaissant, cher ami, si vous voulez vous occuper de cette affaire. Je tiens beaucoup à montrer le Virgile, et la somme que j’y ai engagée est tellement considérable que je dois m’occuper sérieusement de la vente, si je veux continuer à créer dans ce sens. J’ai été tellement heureux de vous revoir, et de vous revoir fatigué certes, mais tout de même en bonne santé. Veuillez présenter mes respects à Madame Vandevelde et croyez à toute mon amitié affectueuse. HKessler tournée de conférences: Van de Velde befand sich Mitte Februar 1928 auf Vortragstournee durch die deutschen Städte Frankfurt, Berlin, Leipzig, Weimar und Hamburg. Insbesondere in Berlin feierte er große Erfolge. »Hier soir ce fut le triomphe. Salle bondée à craquer. Ovation dès ma rentrée, nouvelle ovation après présentation par Redslob.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, undat. [mardi matin], AML, FSX 784). Die Vortragsreihe stand unter dem Titel ›Pourquoi toujours du nouveau?‹ (›Warum immer Neues?‹) und wurde erst 1942 in französischer und 1955 in deutscher Sprache veröffentlicht (Velde 1942; vgl. Henry van de Velde an Camille Huysmans, 7.1.1928, in: De Weerdt/ Geldolf 1979, S.100; Tagebuch Harry Graf Kessler, 17.2.1928). l’exposition Maillol: Kessler organisierte 1928 nachweislich zwei Ausstellungen zum Werk von Aristide Maillol. Am 4. Oktober 1928 eröffnete er die Ausstellung in der Goupil Gallery in London und am 28. November 1928 in der Galerie Flechtheim in Berlin (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.10.1928, 28.11.1928).
664 Edition und Kommentar la statue en bois: Aristide Maillol, Baigneuse debout, um 1898/1900 (Buchsbaum, Splintholz, H: 76 cm, Sammlung Oskar Reinhart, ›Am Römerholz‹, Winterthur; vgl. Walter 2001, S. 91). la statue du jeune homme: Aristide Maillol, Le coureur cycliste, 1907/08 (Bronze, H: 98 cm, Kunstmuseum Basel; vgl. Walter 2001, S. 90). projet du Monument aux Morts: Aristide Maillol, Guerrier mourant, 1925 (Bronze, 21,7 x 36 x 7,5 cm, Sammlung Oskar Reinhart, ›Am Römerholz‹, Winterthur; vgl. Walter 2001, S. 91). Kessler hatte die Bronze des ›Sterbenden Kriegers‹ (›Guerrier mourant‹) als Vorstudie für das ›Monument aux Morts‹ auf der Île Grosse am 4. September 1927 von Maillol geschenkt bekommen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 4.9.1927; 28.8.1932). un nu de femme: Aristide Maillol, Venus au collier, 1918/28 (Bronze, H: 175 cm, verschiedene Sammlungen, u. a. Kunsthalle Bremen; Kunsthaus Zürich). Kessler hatte die Figur am 27. August 1928 bei Maillol gesehen: »Mit Yockney, dem Vertreter der Galerie Goupil aus London, u. Max zu Maillol nach Marly. Die Ausstellung in London besprochen. Maillols ›Venus‹, an der er, wie er sagte, fünfzehn Jahre gearbeitet hat, jetzt fertig gesehen.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 27.8.1928).
392 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Bad Homburg, 9.8.1928 AML, FSX 504/218, Brief, Briefkopf (bedruckt): PARK-SANATORIUM BAD HOMBURG v. d. H.
9.VIII.28 Bien cher ami, j’ai été très heureux de recevoir des nouvelles de vous, et surtout d’apprendre que Nele est en voie de complète guérison. Je vous remercie aussi d’avoir donné mon livre à monsieur Heinemann, dont je connais l’influence. Je vous félicite chaudement du grand travail qu’il vous a confié et qui vous ramène en Allemagne. Je serai très heureux de voir vos projets pour cette grande construction. Je me trouve depuis quelques semaines ici, pour me guérir complètement de ma maladie d’il y a deux ans. La cure m’a fait beaucoup de bien. La semaine prochaine je compte me rendre à Paris, et de là à Deauville, chez ma sœur (11 rue de l’Ecluse) où je compte séjourner jusqu’à la mi[-]septembre. Nous verrons[-]nous peut-être, soit à Paris, soit à Deauville? Vous ne dites pas comment vous vous portez? – Je vous envoie aujourd’hui un nouvel exemplaire de mon livre. Je vous remercie de la critique de la N[eue]. Z[ürcher]. Z[eitung]. [.] Jusqu’à présent j’ai eu une très bonne presse. Mais vous avez peut-être vu ma prise de bec avec Poincaré, qui a voulu protester (dans une lettre qu’il a rendue publique) contre mon appréciation de sa politique, mais qui n’a pas ni ou pas pu répondre à ma réponse, qui a été reproduite dans toute la presse allemande; comme il s’agissait d’un point capital de sa politique, ou plutôt du point capital, c’est un Knock-out en règle.
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Mille bonnes choses, bien affectueusement HKessler. des nouvelles: Van de Veldes Gegenbrief hat sich nicht erhalten. guérison: Nele van de Velde litt zeitlebens an Angstzuständen und daraus resultierenden Problemen. Sie wurde deshalb mehrfach in der Heilanstalt von Kreuzlingen behandelt. Im November 1926 fasste sie den eigenen Entschluss, sich über einen längeren Zeitraum von Dr. Kurt Binswanger therapieren zu lassen. Aufgrund des über Jahre gewachsenen, freundschaftlichen Verhältnisses zur weit verzweigten Familie Binswanger fand Nele stets Aufnahme und besondere Beachtung. Seit Pfingsten 1928 lebte sie bei Dr. Otto Binswanger in Brunegg, wo sie sich auf Anregung von Dolly Binswanger intensiv der Malerei widmete (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 13.11.1926, 19.2.1927, 17.8.1928, Privatbesitz; Henry van de Velde an Maria van de Velde, 29.7.1928, AML, FSX 784). monsieur Heinemann: Dannie (auch: Daniel) N. Heineman (auch: Heinemann, 1872–1962), deutschamerikanischer Unternehmer, Ingenieur, Sammler, Stifter. Dannie Heineman leitete von 1905 bis 1955 mit großem Erfolg die belgische Gesellschaft ›Société Financière de Transport et d’Entreprises Industrielles (Sofina) S. A.‹. Als vermögender Industrieller und Liebhaber für Kunst und Musik war er in Brüssel ansässig. Dannie Heineman lernte van de Velde vermutlich 1927 in Brüssel kennen und unterhielt fortan regelmäßige Kontakte zu ihm. Heinemans breitgefächertes kulturelles und politisches Engagement erstreckte sich auch auf die Beteiligung innerhalb der Aufsichtskommission des Instituts ISAD. grand travail: Dannie N. Heineman gründete im Sommer 1928 die ›Minna-James Heinemann-Stiftung‹ in Andenken an seine aus Hannover stammende Mutter Minna (geb. Hertz) und an seinen Vater James Heineman. Zweck der Stiftung war es, älteren bedürftigen Damen jüdischen Glaubens Unterkunft und Verpflegung für den Lebensabend zu gewähren. Vermutlich zu Beginn des Jahres 1928 trat Dannie Heineman an van de Velde heran und übertrug ihm die Projektierung eines Damenstifts in Hannover. Van de Velde reiste im Juli 1928 nach Hannover, um die Lage des Grundstücks zu begutachten und Materialen zu sichten. Im Frühjahr 1929 begannen die Bauarbeiten. In Zusammenarbeit mit dem Architekten Paul Kanold, dem Gartenarchitekten Wilhelm Hübotter und der Gattin des Stifters Hettie Heinemann entwickelte van de Velde von 1929 bis 1930 ein Gebäude mit zahlreichen Wohnungen und Nutzräumen. Der ›Heinemanhof‹ wurde am 1. Oktober 1930 eingeweiht und blieb der größte nach dem Ersten Weltkrieg errichtete Bau van de Veldes in Deutschland. Das noch heute existierende, jedoch modifizierte Gebäude hat seine Funktion als Pflegeheim beibehalten (La Cité 1933, S. 103–110; Stamm 1969, S. 83–92; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 382 f.; Sembach 1989, S. 204 f.; Volz 1994; Velde 1999, S. 444 f.). ici: Kessler war vom 14. Juli bis zum 22. August 1928 zur Kur in Bad Homburg. Deauville: Wilma de Brion besaß im Seebad Deauville im Département Calvados in der Région Basse-Normandie ein Haus in der Rue de l’Écluse 11. Kessler hielt sich vom 5. September bis 14. September 1928 zusammen mit seiner Schwester in Deauville auf. nouvel exemplaire: Kesslers Buch ›Walther Rathenau. Sein Leben und sein Werk‹ war offiziell am 24. Juni 1928 im Berliner Verlag Hermann Klemm erschienen (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 24.6.1928; vgl. Kessler 1928).
666 Edition und Kommentar prise de bec avec Poincaré: Raymond Poincaré (1860–1934), französischer Politiker, 1912/13 Ministerpräsident und Außenminister, von 1913 bis 1920 Staatspräsident, 1920 Vorsitzender der Reparationskommission, von 1922 bis 1924 und von 1926 bis 1929 Ministerpräsident, bis 1928 außerdem Finanzminister. Kessler stand seit dem 24. Juli 1928 in regem Schriftverkehr mit dem französischen Ministerpräsidenten Raymond Poincaré. Auslöser war ein in der Zeitschrift ›Die Menschheit‹ abgedruckter Brief von Poincaré an den ehemaligen rheinischen Separatistenführer Joseph Friedrich Matthes, in dem es heißt: »Sie waren so freundlich, meine Aufmerksamkeit durch Ihren Brief vom 26. Juni dieses Jahres auf das Buch von Harry Graf Kessler zu lenken, welches sich betitelt ›Walther Rathenau. Sein Leben und sein Werk‹. An einer Stelle behauptet Herr Kessler, daß das Ziel der französischen Regierung zur Zeit der Ruhrbesetzung die Annexion des Rheinlandes an Frankreich gewesen wäre. Diese Behauptung ist vollkommen falsch, und die französische Regierung hat niemals danach gestrebt, das Rheinland zu annektieren.« (Raymond Poincaré an Joseph Friedrich Matthes, in: Kessler 1928, S. 374). Kessler antwortete Poincaré daraufhin am 24. Juli 1928: »Herr Ministerpräsident! In Prof. Foersters ›Menschheit‹ vom 22. Juli a. c. finde ich die Übersetzung eines Briefes, den Sie anläßlich meiner Lebensbeschreibung von Walther Rathenau an den früheren Separatistenführer J. F. Matthes gerichtet haben sollen. Sie werden mir gestatten, Ihnen zu sagen, daß Herr Matthes Ihren guten Glauben getäuscht hat. Nirgends habe ich in meinem Buche gesagt, daß Sie die Absicht gehabt hätten, die Rheinlande zu ›annektieren‹; ich unterschreibe im Gegenteil Ihr Dementi, daß eine Annexion der Rheinlande im politischen und staatsrechtlichen Sinne nie in der Nachkriegszeit ein von der französischen Regierung verfolgtes Ziel gewesen ist. Aber ich habe gesagt, und kann nur meine Behauptung aufrecht erhalten, daß Ihre Politik darauf ausging, die Rheinlande vom Deutschen Reiche abzutrennen, indem ein ›autonomer‹ Rheinstaat geschaffen wurde, der staatsrechtlich weder zum Reich, noch auch zu Frankreich gehört hätte, der aber auf unbestimmte Zeit von größtenteils französischen Truppen besetzt und an Frankreich durch die starken, vom Senator Dariac in seinem Bericht an Sie vom 28. Mai 1922 erdachten und genau beschriebenen Bindungen gekettet, zwangsläufig unter den entscheidenden Einfluß von Frankreich geraten wäre. Es handelt sich also in der Tat keineswegs um eine ›Annexion‹, sondern um eine Angliederung der Rheinlande an Frankreich durch Einrichtungen, die denen analog gewesen wären, durch die Frankreich sich Tunis, England, Ägypten, die Vereinigten Staaten Kuba angegliedert haben. Mir scheint, Herr Ministerpräsident, Sie selbst dürften nicht imstande sein, eine andere Deutung für die Erleichterung zu finden, die die französischen Besatzungsbehörden der separatistischen Bewegung gegeben haben, die ganz offen einen Rheinstaat unter der Garantie und dem Schutze Frankreichs errichten wollte.« (Harry Graf Kessler an Raymond Poincaré, 24.7.1928, in: Kessler 1928, S. 374 f.) Kessler veröffentlichte das Gegenschreiben sowie seine, durch den Sekretär Guseck formulierte Antwort, begleitet von einigen Kommentaren, in der zweiten Auflage seines RathenauBuches, die im Oktober 1928 erschien (vgl. Kessler 1928, S. 371–381; vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.7.1928–21.8.1928; Grupp 1995, S. 320 f.).
Briefe und Kommentare 667
393 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Berlin, 17.12.1929 AML, FSX 504/219, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
17. Dezember 1929. Mon cher Ami, Je reçois ce matin l’annonce de mariage de Thyl avec Mademoiselle Leentje Teirlinck. Je vous prie de lui transmettre mes félicitations ainsi qu’à Madame Van de Velde. J’ai beaucoup regretté que nous nous soyons manqués à Paris, mais il m’a été tout à fait impossible de quitter Londres à ce moment. J’ai vu l’appartement de ma sœur à Paris et j’ai trouvé votre architecture superbe; il me semble que c’est ce que vous avez fait de plus beau. Ma sœur vient à Weimar dans le courant de cette semaine et restera à Weimar et à Oberhof jusqu’au 15 janvier. Peut-être pourrons-nous nous voir vers la fin janvier ou le commencement de février. Dites-moi quels sont vos projets, et si vous pensez pouvoir venir en Allemagne et à Berlin bientôt. J’aimerais beaucoup vous montrer mon appartement de la Hildebrandstrasse. Je voudrais y emménager dans le courant de février; mais il y a encore des travaux assez considérables à faire. Veuillez croire, cher Ami, à l’expression de mes sentiments les plus amicaux, et accepter mes meilleurs vœux de Nouvel An. HKessler mariage: Thyl van de Velde und Leentje Teirlinck hatten sich im Sommer 1927 näher kennengelernt. Thyl absolvierte zu dieser Zeit sein Volontariat in einer Brüsseler Bank und wartete auf die Dispensierung vom Militärdienst. Thyl und Leentje verlobten sich heimlich im Juli 1928, als Henry van de Velde auf Reisen in Deutschland war. Ihre Hochzeit fand am 24. Dezember 1929 in Brüssel statt (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27.7.1927, AML, FSX 784). Leentje Teirlinck (1906–1974). Leentje war die Tochter des flämischen Schriftstellers Herman Teirlinck, der ab 1927 die Theaterklasse in van de Veldes Institut ISAD leitete und von 1936 bis 1950 van de Veldes Nachfolger an der Schule war. l’appartement de ma sœur: Bereits im Sommer 1927 ist in van de Veldes Korrespondenz von Möbeln für Kesslers Schwester die Rede. Van de Velde arbeitete demnach mit Marcel Guilleminault an einer Ausstattung, die für Wilma de Brions Wohnung am Boulevard Montmorency 21 gedacht war (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 14./27.7.1927, AML, FSX 784). Im August 1929 legte er ein umfangreiches Konvolut an Entwurfszeichnungen für Möbel und Wandabwicklungen der neuen Wohnung in der Avenue Kléber 55 vor. Ein zweites, kleineres Konvolut datiert von Februar 1930. Kessler sah die Wohnung seiner Schwester erstmals am 18.
668 Edition und Kommentar Mai 1929. Im November desselben Jahres suchte er zusammen mit Wilma und Jacques de Brion Stoffe aus. Die Einrichtung der Wohnung vollzog sich über einen relativ langen Zeitraum, denn noch im März 1931 wartete Wilma de Brion auf die Lieferung von Möbeln der Firma de Coene aus Kortrijk (Courtrai) und bat van de Velde um Nachsendung einiger kleinerer Dinge, wie Haken oder Tür- und Fenstergriffe. Man kann davon ausgehen, dass die ganz im Stile des Art déco gehaltene Wohnung im April 1931 vollständig eingerichtet war. Die Entwürfe wurden erstmals 1933 veröffentlicht. Sie sind in den Beständen der Klassik Stiftung Weimar erhalten (KSW, KK 12486–12521; Tagebuch Harry Graf Kessler, 18.5.1929, 19.11.1929, 20.5.1930, 23.6.1930; Wilma de Brion an Henry van de Velde, 11.1.1931, 26.2.1931, 5.3.1931, 20.7.1931, AML, FSX 319; La Cité 1933, S. 123–126; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 384 f.; Velde 1999, S. 476). Oberhof: Wilma de Brion verbrachte Weihnachten 1929 zusammen mit ihren Söhnen Jacques und Géraud bei ihrem Bruder Harry Graf Kessler in Weimar. Am 26. Dezember 1929 reisten alle zusammen nach Oberhof und feierten dort Sylvester (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 21.12.1929–1.1.1930) mon appartement: Vgl. Anm. Brief 388.
394 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 26.2.1931 AML, FSX 504/220, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Weimar, den 26. Februar 1931. Cranachstr. 15 Cher Ami, Deux publications différentes sont en train d’établir une bibliographie de la Cranach-Presse, l’une l’Amalthea Verlag et l’autre la Typographia de Hambourg qui publie un grand article de Rudolf Alexander Schroeder sur la Cranach-Presse. Comme ils m’ont demandé de corriger et de compléter leurs bibliographies, je me trouve dans un grand embarras, car je ne suis pas informé exactement de ce que la Cranachpresse a fait pendant la guerre sous votre direction. Notamment toutes les données me manquent sur le livre de poèmes de HEISELER que vous avez publié et que j’ai jamais vu. Je possède naturellement votre »Amo«, mais il est possible que vous ayez publié encore d’autres livres dont je ne sais rien. Veuillez avoir la très grande obligeance de m’en informer et, si c’est possible, de me faire tenir [sic: venir] ces livres pour que je puisse établir exactement toutes les données nécessaires, grandeur et nombre des pages, date d’impression, etc. L’affaire est très pressée car la Typographia publie son volume à la fin du mois de mars. J’ai été très souffrant depuis le commencement de janvier ayant eu une
Briefe und Kommentare 669
attaque très sérieuse de Broncho-Pneumonie qui m’a laissé dans un état de faiblesse assez désagréable. Dès que je pourrai voyager – j’espère dans une huitaine de jours – les médecins insistent pour que j’aille dans le Midi. J’espère que vous et Madame van de Velde et tous vos enfants ont passé un bon hiver et que vous n’avez pas été atteints par la grippe qui fait des ravages partout, aussi ici à Weimar dans mon imprimerie. Croyez, cher Ami, à mon amitié affectueuse. HKessler Il va sans dire que je vous renverrai avant mon départ tout livre que vous auriez eu l’obligeance de m’envoyer. une bibliographie: Kessler, Harry Graf: Verzeichnis der Drucke der Cranach Presse in Weimar. Gegründet 1913, in: Imprimatur. Ein Jahrbuch für Bücherfreunde, Band 2, Hamburg 1931, S. 107–112. grand article: Schröder, Rudolf Alexander: Die Cranach-Presse in Weimar, in: Imprimatur. Ein Jahrbuch für Bücherfreunde, Band 2, Hamburg 1931, S. 92–107. sous votre direction: Vgl. Anm. Brief 369. très souffrant: Kessler war Anfang Januar 1931 an einer Lungenentzündung erkrankt. Er ließ seine Schwester Anfang März nach Weimar kommen und fuhr mit ihr zur Erholung nach Ascona. Kessler erkrankte jedoch Mitte April erneut, diesmal an einer doppelseitigen Lungenentzündung. Er wurde bis Ende Juli im Franziskus Krankenhaus in Berlin gepflegt. Danach hielt er sich kurzzeitig in Wilmas Pariser Wohnung in der Avenue Kléber auf. Es folgte eine Kur in Franzensbad vom 29. Juli bis zum 26. August 1931 (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 5.1.1931– 26.8.1931; Wilma de Brion an Henry van de Velde, 26.2.1931, 5.3.1931, 18./20.4.1931, 18.5.1931, 20.7.1931, AML, FSX 319; vgl. Brief 395).
395 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Weimar, 5.3.1931 AML, FSX 504/221, Brief, Briefkopf (bedruckt): 28, KÖTHENERSTRASSE BERLIN. W.
Weimar, den 5. März 1931 Cranachstr.15 Cher Ami, J’ai bien reçu votre charmante lettre et les livres. Vous pensez bien si tout cela m’a intéressé et vivement ému. Je n’avais aucune idée que vous aviez pu pendant ces mois terribles imprimer Maeterlinck et les »Formules« que je n’ai jamais vues. Vous avez dû les expédier quelque part au front et certainement, elles ont été perdues. C’est avec une grande émotion que j’ai
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lu votre préface et je vous en remercie encore aujourd’hui. Je ferai relier les poèmes de Heiseler et les Formules par Madame de Guaita comme vous le désirez. Le petit volume de Maeterlinck est relié d’une façon si charmante que je n’ose y toucher. J’espère que vous ferez une de vos visites ràpides [sic] en Allemagne sous peu et que nous pourrons nous voir à cette occasion. En ce moment, je prépare mon départ pour la Suisse que les médecins m’ont absolument ordonné. Mais je me porte beaucoup mieux et je pense être complètement guéri dans quelques semaines. Mon adresse et celle de ma sœur jusque vers la fin du mois de mars sera à – Ascona, Suisse (Tessin), Hôtel Monte Verità. Je regrette beaucoup la maladie insidieuse de cette pauvre Nele qui doit souffrir terriblement, surtout moralement. Mais je suis heureux d’apprendre que Binswanger vous promet sa guérison complète. J’espère qu’elle ne tardera pas trop. Je comprends que vous et madame Vandevelde vous sentiez très seuls sans elle. Mais vous avez tout de même une consolation dans le triomphe de vos idées qui s’imposent partout et surtout en Allemagne où la brillante floraison architecturale à laquelle nous assistons ces années dernières n’a pu croître que sur le terrain préparé par vous. J’ai eu il y a quelques temps une conversation avec Erich Mendelssohn [sic] qui de sa part m’a exposé ceci avec beaucoup de cœur. Veuillez croire, cher Ami, à l’expression de toute mon amitié et me rappeler au bon souvenir de Madame Vandevelde. Votre HKessler. lettre: Van de Veldes Brief hat sich nicht erhalten. Nele: Neles Befinden hatte sich seit ihrem fast einjährigen Aufenthalt 1928 in Brunegg nicht wesentlich geändert. Sie wurde rückfällig und musste im Spätsommer 1929 und 1930 erneut in die Behandlung nach Kreuzlingen. Als Gegenleistung zu ihrem Aufenthalt leitete sie 1930 vorübergehend die Buchbinder- und Webereiwerkstatt im Sanatorium Bellevue (Maria van de Velde an Sophie Herrmann, 29.8.1930, Privatbesitz). Ludwig Binswanger (1881–1966), schweizerischer Psychologe, Psychiater. Ludwig Binswanger hatte seit 1910 zusammen mit seinem jüngeren Bruder Otto Binswanger die Leitung des Sanatoriums ›Bellevue‹ inne. Er gilt als Begründer der Daseinsanalyse und stand zeitlebens in engem Austausch mit Sigmund Freud. Erich Mendelsohn (1887–1953), deutscher Architekt. Der Architekt Erich Mendelsohn verehrte van de Velde sehr. Dies verdeutlicht seine 1933 veröffentlichte Hommage anlässlich des 70. Geburtstages von Henry van de Velde in der Zeitschrift ›La Cité‹ (La Cité 1933, S. 92 f.).
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396 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Brüssel, 8.1.1933 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief, Briefkopf (bedruckt): la nouvelle maison – tervueren, 1, avenue albert, téléphone 51.63.87
ce 8 Janvier 33 J’ai été particulierement [sic] touché, mon cher Comte de ce que vous aviez pensé à moi à l’occasion de la nouvelle année et que vous m’aviez offert ces deux parfaits volumes que je suis vraiment ravi de posséder. Je ne doute pas que vos Editions ne remportent un très grand succès et je suis profondement [sic] heureux de ce que vos efforts doivent aboutir au plus brillant avenir. Vous avez accompli – en bien peu de temps, un travail considérable et quelle satisfaction devez[-]vous éprouver de sentir que vous »édifiez« une chose stable, saine qui ne demande qu’à grandir et à prospérer dans un moment et dans un monde où nous voyons tout crouler! Je fais des vœux ardents pour la pleine réussite de votre belle et courageuse entreprise. Je n’aurais, certes, pas manquer [sic] de présenter mes souhaits et mes hommages au Marquis et la Marquise de Brion à l’occasion de l’an nouveau. Mais, mon médecin qui habite l’Etranger m’avait enjoint de venir quelques jours chez lui pour de nouveaux examens et pour un traitement diathermique. Je viens de rentrer sinon gueri [sic] et sinon plus malade tout au moins fort ennuyé d’avoir à suivre dès à présent deux régimes au lieu d’un! L’un contredit l’autre et tous les deux perçoivent: repos et vie au grand air, et au soleil! Et pourtant, les exigences de ma vie les décident autrement. Je dois plus travailler que jamais! Je vous prie, mon cher Comte, de présenter mes souhaits et mes hommages affectueux à Madame votre Mère et je serais heureux si vous vouliez présenter à votre Oncle, à l’occasion, mes compliments de profonde et constante amitié. Bien cordialement vôtre van d. Velde volumes: Vermutlich handelt es sich hier um den zweiten und dritten Band ›Rainer Maria Rilke. Gesammelte Gedichte‹, 1930/31 auf der Cranach Presse gedruckt (vgl. Brinks 2003, S. 415). mon médecin: Prof. Dr. Adriaan Albert Herman Martens (1885–1968), flämischer Nationalist, Internist, Diätetiker, Professor an der Vlaamsche Hoogeschool in Gent. Adriaan Martens, nach dem Ersten Weltkrieg wegen Kollaboration zum Tode verurteilt, lebte seit
672 Edition und Kommentar den 1920er Jahren in Middelburg (Holland), wo er van de Velde kennenlernte und des Öfteren behandelte. Er beauftragte van de Velde 1932 mit dem Entwurf einer Poliklinik und 1933 mit dem Entwurf des Wohnhauses ›Landing‹ in Astene unweit von Gent. Martens wurde 1940 von den Deutschen arrestiert und wenige Jahre später vom belgischen Staat wegen Kollaboration zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. 1948 wurde Martens vorzeitig entlassen. Einige Briefe von Adriaan Martens an Henry van de Velde befinden sich im Archives et Musée de la Littérature in Brüssel (AML, FSX 566). votre Mère: Es kann sich hier nur um einen Schreibfehler handeln. Kesslers Mutter war bereits 1919 verstorben. Vermutlich meinte van de Velde »votre Sœur«.
397 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Paris, 8.4.1933 AML, FSX 504/189bis, Brief, Briefkopf (bedruckt): MADISON HOTEL PARIS
8.IV 33. Cher ami, jusqu’au dernier moment j’avais espéré pouvoir aller à Bruxelles vous saluer à l’occasion de votre fête; malheureusement, pour des raisons variées, cela a été impossible. Je dois donc vous dire par écrit combien je m’associe de cœur aux hommages que vous recevez. Je n’ai pas besoin de vous dire ce que je pense du rôle capital que vous avez joué dans l’initiation et le développement de l’architecture nouvelle. Du reste, j’en parle dans la traduction de mon »Rathenau« qui doit paraître incessament [sic] chez Grasset et que je vous enverrai. J’espère que vous passez la fête en bonne santé et que vous ne serez pas trop fatigué. Viendrez-vous à Paris bientôt [sic]. Si oui, veuillez me faire signe pour que nous nous voyions. Je pense rester ici quelque temps, la situation ne me permettant pas de rentrer en Allemagne. Je n’ai pas besoin de vous dire combien cette situation m’est cruelle. Tout bien pire, c’est pire qu’en 1914/18! Et je crains un dénouement tragique; non pas une guerre, mais un écroulement qui entraînera l’Allemagne dans un abîme. Je pense quelquefois faire un mauvais rêve dont je me réveillerai un moment. C’est donc bien tristement que je vous envoie toutes mes amitiés et vous prie de saluer Mme Vandevelde et ceux de vos enfants qui sont auprès de vous. HKessler votre fête: Van de Velde beging am 3. April 1933 seinen 70. Geburtstag. Seine Persönlichkeit und sein Lebenswerk wurden aus diesem Anlass umfangreich gewürdigt. Die belgische Regierung richtete eine offizielle Feier im Palais des Beaux-Arts aus, die Brüsseler Kunstgalerie Dietrich eröffnete am 8. April 1933 eine Ausstellung, und die Zeitschrift ›La Cité‹ widmete dem ›Maître-Architecte‹ eine Sonderausgabe mit zahlreichen Ehrerbietungen von namhaften Architekten, wie Jacobus Johannes Pieter Oud, Le Corbusier, Josef Hoffmann oder
Briefe und Kommentare 673 Ludwig Mies van der Rohe. Van de Velde wiederum hielt das Ereignis in einem Kapitel seiner Memoiren fest (La Cité 1933; Velde 1962, S. 429 f.; Velde 1999, S. 458 f.). mon »Rathenau«: Die französische Version von Kesslers Rathenau-Buch wurde am 6. Mai 1933 gedruckt und erschien kurz darauf im Verlag Bernard Grasset in Paris (vgl. Kessler 1933). rester ici: Kessler hatte Deutschland nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Anfang März 1933 endgültig verlassen. Er hielt sich in Paris und vorübergehend in London auf und siedelte am 11. November 1933 nach Mallorca über, wo er »ein Jahr und sieben Monate« blieb. Er kehrte nie wieder nach Deutschland zurück (vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 11.11.1933, 28.6.1935). mauvais rêve: Am Tag des Abfassens dieses Briefes notierte Kessler ins Tagebuch: »Manchmal denke ich, dass ich in einem bösen Traume lebe, aus dem ich plötzlich erwachen werde. Die letzten Tage waren schlimm! Dabei geht das Leben doch irgendwie weiter. Ich arbeite, kann arbeiten; spreche mit Leuten, lese, aber immer ist ein dumpfer Schmerz wie ein dunkler Grundbass mir bewusst.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 8.4.1933).
398 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Plansee-Reutte, 5.8.1935 DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1910–1935, Brief
Plansee-Reutte (Tyrol autrichien) ce 5 aout 35. Bien cher ami, Je me reproche vivement aujourd’hui de n’avoir pas répondu aussitôt à votre affectueuse lettre par laquelle vous m’exprimiez toute la part que vous preniez à notre douleur et l’inquiétude que vous ressentiez au sujet des conséquences qu’aurait cette mort de Puppie sur ma santé. J’ai ressenti un tel effondrement que ce n’est qu’après deux mois et demi que j’ose affronter tout ce qui me reste à souffrir à répondre à ce tas de lettres que j’ai devant moi, preuves tangibles et précieuses de l’affection dont je suis entouré. J’ai sorti votre lettre une des toutes premieres [sic]. Je tiens à votre amitié plus qu’à toute autre et y reste profondément fidèle. Mon admiration qui était restée entiere [sic] pour tout ce que durant votre vie vous avez mis au service d’un idéal que j’ai cherché et que je cherche encore à servir comme vous, cette admiration s’est accrue encore après la lecture de »Gesichter u.[nd] Zeiten« que vous avez eu l’aimable pensée de me faire parvenir par votre Editeur. Toute la partie que vous consacrez à votre Mère est un morceau de toute première qualité et ce qui suit d’un interêt [sic] palpitant. Celui-ci ne doit pas l’être moins pour ceux qui n’ont participé en rien à la construction de »notre« époque qu’à nous-mêmes qui en fûmes les artisans. La suite que vous donnerez à ce premier livre consacrera l’importance de
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»cette« époque, de nos efforts à tous à sortir de l’ornière où nous avait embourbés la mentalité égoïste et bourgeoise, autant qu’elle va consacrer vos dons exceptionnels d’observateur et de conteur et vous classer parmi les écrivains les plus importants de mémoires. D’innombrales »mis à la retraite« de refoulés en marge de la vie s’y essayent dans tous les pays du monde, combien médiocrement. Je n’en vois pas qui ont vos dons, qui sont de taille à apporter une documentation qui devront consulter tous ceux qui s’interesseront [sic] au Mouvement d’art que vous avez si puissamment aidé à créer et soutenu et à l’évolution politique et sociale de la société de l’avant et de l’après-guerre dans laquelle vous avez occupé une place d’une si particulière importance. Bien cher ami, je souhaite ardemment que vous gardiez toutes forces physiques et mentales qu’il vous faut pour conduire l’œuvre que vous avez si heureusement entreprise, si brillamment commencée à bonne fin! Votre livre a contribué à m’étourdir, à m’éloigner de ce dont je crains le plus; le souvenir d’Helen pourrait m’amener à rompre avec tout ce qui me rattache encore au rôle que j’ai rempli qu’à celui que la destinée semble exiger de moi que je le poursuivre. La blessure est bien profonde, bien cher ami, et la séparation d’autant plus cruelle que j’ai vécu, içi [sic] – l’an dernier avec Elle les jours les plus ineffablement doux et sereins que j’ai vécus durant toute ma vie. Nous étions seuls içi [sic] pendant des semaines. Moi je jouissais de cet isolement et de ce décor et il me semblait que je réalisais grâce à eux et à sa délicieuse présence une chose que j’avais désiré [sic] toute ma vie. Elle jouissait autant que moi de notre intimité et de se sentir délivrée des soucis de son ménage et de tout ce que la réclusion et la terreur dans l’Allemagne d’aujourd’hui exigeait d’Elle qui avait herité [sic] de ma passion de l’indépendance de l’esprit et de l’action individuelle. Elle avait subi une operation [sic]. Mais tout semblait justifier nos espérances. Helen avait retrouvé toutes ses forces et Elle dégageait un charme inexprimable. Elle m’apparaissait »lointaine« et »souveraine« tout à la fois. Mais Elle semblait »s’éloigner« c’était pour gagner des régions supérieures où toute laideur et platitudes étaient exclues. J’ai gardé d’Elle une image adorable et vivais de ces heures d’adorables intimité et harmonie. En automne, Elle fut prise de fièvres içi [sic] – même – à Plansee où Elle se trouvait alors avec son mari et ses enfants. Le transport à Hambourg fut un calvaire. Arrivée, Elle dut se soumettre – sans tarder d’une heure à une nouvelle operation [sic]. J’allai [sic] m’asseoir à son chevêt [sic] – les jours de Noël. Fin avril Elle devait reprendre le chemin de la clinique où Elle décéda le 15 Mai après une operation [sic] qui avait duré 3 heures! Je n’aurais pas pu me rendre à ses obsèques. Maria et Thyl se sont rendus
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près des enfants et de son mari. Moi j’ai pu affronter le voyage il y a 3 ou 4 semaines et j’ai retrouvé son nom gravé dans une immense pierre d’un monument funéraire d’un très noble style empire, dans l’un des plus vieux cimetieres [sic] de Hambourg. L’urne qui contient ses cendres y est déposée. Et c’est tout ce qui reste d’Elle. Son souvenir, ses 2 enfants et la profonde blessure qui ne se fermera plus avant ma propre mort! En attendant, il faut vivre et je désire vivre encore. Mon rôle n’est pas fini. Il se prolonge outre mesure parce qu’après avoir dû quitter la scène j’ai dû reparaître sur les planches dans un pays où il y a tant tant à faire; un tel retard à rattraper et un réel désir chez le gouvernement et le Roi actuel de conquérir une place digne à notre pays. L’un et l’autre attendant beaucoup de moi en ce moment. J’espère bien pouvoir à l’occasion d’une nouvelle lettre préciser nos efforts communs. À moins que je ne puisse répondre au désir que vous avez bien cher ami, éveillé en moi: trouver une quinzaine de jours dans le courant de l’hiver pour m’installer à Palma de Mallorca et vous renseigner sur tout ce qui m’occupe et attend de moi un nouvel et accablant effort. Ma femme, les miens et moi, nous vous sommes profondément attachés Votre van de Velde Plansee-Reutte: Joachim von Schinckel besaß ein Jagdhaus am Plansee (Tirol) im Bezirk Reutte (Österreich). votre affectueuse lettre: Kesslers Kondolenzschreiben hat sich nicht erhalten. mort de Puppie: Helen (Puppie) von Schinckel (geb. van de Velde) war am 16. Mai 1935 im Alter von 35 Jahren an einem Krebsleiden in Hamburg verstorben. Sie war die zweitälteste Tochter von Maria und Henry van de Velde (vgl. Briefe 28, 29, 276). Gesichter u[nd]. Zeiten: Der erste Band von Kesslers Memoiren ›Gesichter und Zeiten‹ mit dem Untertitel ›Völker und Vaterländer‹ war im Mai 1935 erschienen und wurde noch im selben Jahr von Joseph Goebbels verboten (Kessler 1935). Es folgten keine weiteren Bände, dafür 1936 die französische Version ›Souvenirs d’un Européen‹ mit dem Untertitel ›De Bismarck à Nietzsche‹ (Kessler 1936). votre Editeur: Samuel Fischer Verlag in Berlin. votre Mère: Kessler hatte das Buch seiner Schwester und den ersten Teil der Ausführungen seiner Mutter gewidmet. Das Kapitel ist mit ›Mémé‹ betitelt. Van de Velde schrieb in seinen Memoiren: »Das Bild dieser Frau, das Harry Kessler in seinem Buch ›Gesichter und Zeiten‹ als Zeugnis der Liebe aufzeichnete, hat sich mir als einer der tragischsten Eindrücke meines Lebens tief eingeprägt.« (Velde 1962, S. 182; vgl. Briefe 103, 137). ici: Van de Velde verbrachte die ersten zwei Augustwochen 1935 im Beisein von Joachim, Cecil und Clemens von Schinckel am Plansee in Tirol. Danach reiste er allein nach Obergurgl, um in den Bergen Abstand von seinem Leid zu finden, und von dort aus weiter nach Neubeuern.
676 Edition und Kommentar Anfang September kehrte er nach Brüssel zurück (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 4./12.8.1935, AML, FSX 784). son mari et ses enfants: Helen war seit dem 9. Januar 1923 mit dem Hamburger Bankier Joachim (gen. Jochen) von Schinckel verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Cecil wurde 1923 und Clemens 1927 geboren. Helen und Joachim von Schinckel lebten bis Weihnachten 1927 auf dem Landgut in Schwechow. 1927/28 ließen sie sich ein Haus nach Entwürfen von Henry van de Velde im Hamburger Vorort Blankenese bauen (vgl. Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 376 f.). ses obsèques: Die Urne wurde am 1. Juni 1935 beigesetzt. cimetieres: Alter Niendorfer Friedhof (Hamburg), Kollaustraße. Das Grab befindet sich in der Abteilung 4, Reihe 2, Nr. 13–24. Palma de Mallorca: Kessler hielt sich seit 1933 lange Zeit in Palma de Mallorca auf. Die Nachricht vom Tod Helen von Schinckels erreichte ihn im Mai 1935 in Palma. Zu einer Begegnung zwischen Kessler und van de Velde auf Mallorca kam es nicht.
399 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Pontanevaux, 4.8.1937 AML, FSX 504/222, Brief, Briefkopf (bedruckt): PONTANEVEAUX (SAONE-ET-LOIRE) 25, Hostellerie des Compagnons de Jehu.
Le 4.VIII 1937 Cher ami, en revoyant mes papiers, je trouve cette enveloppe avec des plans, que vous avez du [sic] oublier chez moi lors de votre visite à la clinique. Je m’excuse de ne pas les avoir renvoyés plus tôt, mais ce n’est que maintenant que je les ai retrouvés. J’espère que vous n’avez pas été trop gêné par leur »perte«. Je suis heureux de voir par les journaux quel succès a votre pavillon à l’exposition. Tout le monde est d’accord pour dire que c’est le plus réussi! Comment allez[-]vous? Ne vous surmenez[-]vous pas trop? Je serai ici encore pour quelques semaines; vers la fin du mois j’espère aller chez mon beau-frère à Fournels (Lozère). J’espère que vous allez bien, ainsi que madame Vandevelde et les enfants. Veuillez me rappeler à leurs bons souvenirs. Mille amitiés à vous de votre dévoué HKessler. plans: Es handelt sich hier um die Entwürfe für die Inneneinrichtung der Villa ›Fudji‹ in Wezembeek bzw. um die Entwürfe für den schließlich nicht vollzogenen Bau der Villa ›Fairfield‹ in Hume/Virginia für die Baronin Hansi Lambert (vgl. Brief 401). Die Entwürfe für beide Projekte haben sich erhalten. Sie befinden sich im Besitz der Klassik Stiftung Weimar und im Fonds Henry van de Velde in La Cambre/ Brüssel. Ausgeführte Möbel existieren in
Briefe und Kommentare 677 Privatbesitz (vgl. Brief 400; Velde 1962, S. 440; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 414 ff.; Velde 1999, S. 492 f., 496 f.). votre visite: Van de Velde hatte Kessler zusammen mit Thylla am 26. Mai 1937 in Paris besucht. Seiner Frau berichtete er am folgenden Tag. »Il [Kessler] se rendra samedi, à la campagne chez sa sœur et si l’aspect ne trompe pas, il durera quelques années peut-être, mais caduc et brisé.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27.5.1937, AML, FSX 784). Wilma de Brion schrieb van de Velde kurz nach Kesslers Ableben am 6. Januar 1938 hierzu: »Vous avez été le seul grand ami qu’il a revu dernièrement, dans cette clinique de Paris […]« (Wilma de Brion an Henry van de Velde, 6.1.1938, AML, FSX 319; vgl. Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.5.1937). pavillon: Mit der Konzeption des belgischen Pavillons für die Pariser Weltausstellung 1937 wurden dem 74-jährigen van de Velde große Ehren zuteil. Zusammen mit Jean Eggericx und Raphael Verwilghen hatte er ein Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zum Eiffelturm am Ufer der Seine projektiert, das durch seine klaren und originellen Formen bestach. Die Presse war sich im positiven Urteil durchweg einig. Van de Velde resümierte gegenüber seiner Frau nach der Eröffnung: »Ce fut une journée triomphale pour la Belgique et pour moi en qui tous veulent voir ›le spiritus rector‹, l’architecte le ›chef‹ qui a contribué de toute sa personne et plus au ›Renouveau‹ qui est le seul mot qui convient et qui est sur les livres [?] de tous.« (Henry van de Velde an Maria van de Velde, 27.5.1937, AML, FSX 784; Velde 1962, S. 433– 436; Ploegaerts/ Puttemans 1987, S. 405 f.). Kessler hatte van de Veldes Pavillon am 28. Mai 1937 besichtigt. Sein Urteil: »Inneres herrliche Proportionen, diskrete, vornehme Dekoration, sehr schöne moderne Gobelins.« (Tagebuch Harry Graf Kessler, 28.5.1937). Seine Schwester schrieb diesbezüglich später an van de Velde: »Ensuite la visite de votre pavillon à l’Exposition a été une de ses dernières grandes joies! –, même sa dernière joie!–« (Wilma de Brion an Henry van de Velde, 6.1.1938, AML, FSX 319). Fournels: Es handelt sich um Fournels im Département Lozère in der Région LanguedocRoussillon. Das dort befindliche ›Château Brion‹ wurde gelegentlich von Wilma und Christian de Brion bewohnt. Kessler hielt sich das letzte Mal im September 1937 in Fournels auf.
400 Harry Graf Kessler an Henry van de Velde, Pontaneveaux, 14.8.1937 AML, FSX 504/223, Brief, Briefkopf (bedruckt): PONTANEVEAUX (SAONE-ET-LOIRE) 25, Hostellerie des Compagnons de Jehu.
Le 14.VIII 1937 Cher ami, j’ai réexpédié votre carte à ma sœur qui est à Fournels (Lozère). Mais je vois que vous n’avez pas reçu (à Tervuren) mon envoi, de grands plans pour une baronne Lambert, et une longue lettre de moi, que je vous ai envoyés [il y a] une huitaine de jours. Veuillez[-]vous en enquérir, je crois que les plans sont d’une certaine importance pour vous. – Je vais beaucoup mieux, mais suis encore assez faible. Je pense, toutefois, me remettre dans un ou deux mois. – J’espère que vous allez bien. Vous avez
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tout travaillé pour l’Exposition. De toutes parts j’entends les éloges (bien bien mérités) de votre pavillon, qui est certainement le plus beau de l’exposition. Veuillez, je vous prie, saluer de ma part Mme Vandevelde et croire à mes sentiments d’amitiés affectueuses HKessler. Tervuren (flämisch: Tervueren): Van de Velde lebte bis 1947 in Tervueren, einem Vorort von Brüssel. Baronin Johanna de Lambert (gen. Hansi, geb. von Reininghaus, gesch. von Haynau, 1899– 1960). Die gebürtige Österreicherin Baronin Hansi de Lambert gehörte zu van de Veldes engerem Freundeskreis, der ihm seit den 1930er Jahren treu und gönnerhaft zur Seite stand. Hansi de Lambert und ihr Gatte Baron Henri de Lambert, Direktor der Banque Lambert, betrauten van de Velde zeitgleich mit zwei unterschiedlichen Aufträgen: der Villa ›Fudji‹ in Wezembeek und der Villa ›Fairfield‹ in Hume/Virginia (vgl. Anm. Brief 399). Hansi de Lambert unterstützte außerdem 1947 van de Veldes Übersiedlung in die Schweiz. Sie war es auch, die sich um die Finanzierung seines letzten Hauses in Oberägeri und nach van de Veldes Tod um eine Stiftung für die hinterbliebene Tochter Nele van de Velde bemühte (Hansi de Lambert an Henry van de Velde, AML, FSX 523; vgl. Brief 401; Velde 1962, S. 440; Velde 1999, S. 517, 526 ff.). remettre: Kessler erholte sich von der schweren Operation am 13. April 1937 aufgrund einer inneren Blutung nicht wieder. Anfang November trat ein schwerer Rückfall ein. Er wurde in eine Klinik in Lyon eingeliefert, wo er am 30. November 1937 um 19 Uhr verstarb. Er wurde am 7. Dezember 1937 in der Familiengruft auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise bestattet. Wilma de Brion schrieb van de Velde später: »Comme je l’ai dit, mon frère bien aimé ne s’était jamais bien remis de cette terrible attaque au Printemps à Paris pendant laquelle on lui avait fait 9 transfusions de sang et une grande opération pour arrêter l’hémorrhagie interne. – Je croyais cependant alors qu’on pouvait envisager définitive et je lui fis partager cet espoir.« (Wilma de Brion an Henry van de Velde, 6.1.1938, AML, FSX 319).
401 Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Arolla, 19.8.1937 AML, FSX 963, Brief, Kopie
Arolla, ce 19 août 37. Cher ami, Je suis très heureux d’avoir réussi à retablir [sic] le contact si subitement interrompu après ma visite à l’Hôtel Castille par votre départ. Je n’ai pas encore reçu les plans et la longue lettre dont vous me parliez. Mais j’ai aussitôt écrit à Tervueren après qu’on a avertisse si ces deux envois se trouvent parmi tout ce qui entretemps [sic] se sera amoncelé sur
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ma table de travail. Il n’y a aucune raison de croire qu’ils se soient égarés! La B[ar]onne Lambert est une de mes amies que je vois beaucoup à Bruxelles et qui marque un vif intérêt pour tout ce qui se rapporte autant à l’art qu’aux événements contemporains. Elle est autrichienne de naissance, veuve et fut mariée au B[ar]on Lambert de Rothschild. Je me demande de quoi il peut s’agir. Elle même ne m’a soufflé mot. Dès la rentrée, j’aurai à m’occuper de l’installation de sa bibliothèque, dans le château qu’elle habite, en été, non loin de ma maison de Tervueren. Je ne tarderai pas à l’apprendre. Au reste, je dois être rentré avant le 1er sept[embre] – jour auquel ma femme fêtera son 70ème anniversaire. Je vais jouir – en avare – des jours qui me restent encore à rester içi. Le pays est admirable et la vie des gens de la vallée a conservé des caractères d’une primitivité particulièrement fruste non dépourvue de curieux affinements! de pensées et de langage! Arrivé il y a 3 semaines en Suisse dans un état de surmenage total, j’ai senti rapidement revenir mes forces et, dès à présent, je peux sans fatigue me concentrer sur ce que je dois préparer afin de pouvoir à la rentrée mettre au travail tous ceux qui attendent de moi de quoi relancer la machine arrêtée pour quelque semaines par mon absence! Je suis heureux d’apprendre, cher ami, que vous-même vous remettez progressivement et il n’est vraiment pas étonnant après tout ce que vous avez dû subir qu’il vous faut un temps plus long qu’il n’en faut à un vieillard comme moi pour récupérer des forces qu’il avait bien dû dépenser sans compter et cela durant deux ans! Je me demande si vous pouvez vous occuper un peu, au moins, et si vous disposez des documents dont vous avez besoin pour le second tome de vos mémoires dont vous me disiez qu’ils se trouvaient à Majorque! Un peu de travail, deux heures par jour comme je le fais içi [sic] vous aideraient à retrouver vos forces. Et l’endroit que vous avez choisi doit être selon vos goût puisque vous l’avez choisi. Il doit être aisément accessible de Paris et cela m’engagera à vous rendre visite pendant quelque heures, au moins, à la prochaine occasion. Elle s’offrira j’espère à l’un des voyages que j’aurai encore à faire à Paris avant octobre. Il est sérieusement question de reconstruire le Pavillon Belge près de Bruxelles dans quelque endroit propice où il deviendrait un parfait instrument, muni de tout ce qu’il faudrait pour poursuivre le redressement dont le premier acte fut le participation belge à l’Exp[osition]. Paris 37. Le Pavillon est démontable et tous les matériaux dont il est fait peuvent être aisément récupérés! Le gouvernement est disposé à cette reconstruction et à me permettre de poursuivre l’effort que j’ai déclenché. Donnez-moi de temps à autre quelques brèves nouvelles, cher ami, de la marche de votre rétablissement. Je suis heureux d’avoir l’adresse de la
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Marquise votre sœur, je lui donnerai encore quelque signe de vie avant de rentrer. Bien affectueusement Vôtre van de Velde Kopie: Die Kopie des vorliegenden Briefes befindet sich im Archives et Musée de la Littérature unter der Signatur FSX 963. Das Originalschreiben hat sich nicht erhalten. Hôtel Castille: Kessler bewohnte nach seinem Klinikaufenthalt für kurze Zeit das Hôtel Castille in der Rue Cambon in Paris. Er war 1868 in dieser Straße geboren worden. Baron Henri Lambert de Rothschild (1887–1933), Direktor der Banque Lambert in Brüssel (jetzt: Banque Bruxelles Lambert). château: Gemeint ist das in Wezembeek-Oppem gelegene Schloss von Baronin Hansi Lambert (vgl. Brief Anm. 399). second tome: Kessler gelang es nicht, den zweiten Band seiner Memoiren ›Gesichter und Zeiten‹ in Angriff zu nehmen (vgl. Anm. Brief 398). à Majorque: Kesslers Tagebücher befanden sich teilweise in einem Banktresor auf Mallorca. l’endroit: Van de Velde bezieht sich auf den Ort Fournels in der Region Languedoc-Roussillon (vgl. Anm. Brief 399). Pavillon Belge: Van de Veldes Belgischer Pavillon von der Pariser Weltausstellung 1937 wurde nicht wieder in Belgien errichtet.
ohne Nr., Henry van de Velde an Harry Graf Kessler, Weimar, Jeudi DLA, Nachlass Harry Graf Kessler, A: Kessler 1905–1909, Briefkarte, gedruckt: HAUS »HOHE PAPPELN« EHRINGSDORF BEI WEIMAR.
Jeudi Cher ami, Je suis rentré hier soir de Berlin où v[on]. Hofmannsthal semble vous attendre. Êtes-vous encore à W[eimar]. et nous rencontrerons-nous aujourd’hui? Bien votre Henry
Briefe und Kommentare 681 Jeudi: Die mit »Jeudi« bezeichnete Briefkarte ist nicht datierbar. Sie stammt aus dem Zeitraum zwischen April 1908 und Sommer 1914. Briefkarte: Die Briefkarte ist adressiert an »Comte H[arry]. de Kessler Cranachstr. W[eimar].« und von fremder Hand fälschlicherweise auf »1907« datiert. Van de Velde lebte erst seit März 1908 im Haus ›Hohe Pappeln‹ (vgl. Briefpapier).
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III.
Anhang
Siglen- und Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung AML Archives et Musée de la Littérature, Bibliothèque Royale de Belgique, Bruxelles Anm. Anmerkung Ausst. Ausstellung Ausst. Kat. Ausstellungskatalog Bd., Bde. Band, Bände Bearb. Bearbeitung Diss. Dissertation DLA Schiller-Nationalmuseum/ Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar Ebd. Ebenda ENSAV École nationale supérieure des arts visuels de La Cambre, Bruxelles f., ff. folgende, fortfolgende FSX Fonds van de Velde, Archives et Musée de la Littérature, Bibliothèque Royale de Belgique, Bruxelles geb. geborene(r) gen. genannt gesch. geschieden, geschiedene(r) GHM Großherzogliches Museum GSA Goethe- und Schiller-Archiv, Klassik Stiftung Weimar H. Heft Hrsg., hrsg. Herausgeber(in), herausgegeben Inv. Inventar Jg. Jahrgang KBR Bibliothèque Royale de Belgique, Bruxelles (*sämtliche Brief bestände mit der Signatur AML, FSX befinden sich im Archives et Musée de la Littérature, Bibliothèque Royale de Belgique, Bruxelles) KGM Kunstgewerbe-Museum: Akten des Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe; Goethe- und Schiller-Archiv, Klassik Stiftung Weimar KMM Kröller-Müller Museum, Otterlo KSW Klassik Stiftung Weimar LC/S La Cambre, ENSAV, Bruxelles/ Inventar Sembach LHAS Landeshauptarchiv Schwerin NA Nietzsche-Archiv Nr., Nrn. Nummer, Nummern
o. A. ohne Autor o. D. ohne Datum o. J. ohne Jahr o. O. ohne Ort o. S. ohne Seite pl. plate S. Seite ThHStA Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Weimar StAN Stadtarchiv, Klinger-Archiv, Naumburg Theatermuseum der LandesTMD/ SHD hauptstadt Düsseldorf, Nachlaß: Schauspielhaus Düsseldorf übertr. übertragen verh. verheiratet, verheiratete(r) verw. verwitwet, verwitwete(r) Vgl., vgl. vergleiche zit. zitiert
Abbildungsverzeichnis Klassik Stiftung Weimar 6, 126 Archives et Musée de la Littérature (AML) Bibliothèque Royale de Belgique (KBR), Bruxelles (Belgique) 338, 339, 381, 382, 400, 416, 447, 569, 573, 654
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Siglen- und Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung AML Archives et Musée de la Littérature, Bibliothèque Royale de Belgique, Bruxelles Anm. Anmerkung Ausst. Ausstellung Ausst. Kat. Ausstellungskatalog Bd., Bde. Band, Bände Bearb. Bearbeitung Diss. Dissertation DLA Schiller-Nationalmuseum/ Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar Ebd. Ebenda ENSAV École nationale supérieure des arts visuels de La Cambre, Bruxelles f., ff. folgende, fortfolgende FSX Fonds van de Velde, Archives et Musée de la Littérature, Bibliothèque Royale de Belgique, Bruxelles geb. geborene(r) gen. genannt gesch. geschieden, geschiedene(r) GHM Großherzogliches Museum GSA Goethe- und Schiller-Archiv, Klassik Stiftung Weimar H. Heft Hrsg., hrsg. Herausgeber(in), herausgegeben Inv. Inventar Jg. Jahrgang KBR Bibliothèque Royale de Belgique, Bruxelles (*sämtliche Brief bestände mit der Signatur AML, FSX befinden sich im Archives et Musée de la Littérature, Bibliothèque Royale de Belgique, Bruxelles) KGM Kunstgewerbe-Museum: Akten des Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe; Goethe- und Schiller-Archiv, Klassik Stiftung Weimar KMM Kröller-Müller Museum, Otterlo KSW Klassik Stiftung Weimar LC/S La Cambre, ENSAV, Bruxelles/ Inventar Sembach LHAS Landeshauptarchiv Schwerin NA Nietzsche-Archiv Nr., Nrn. Nummer, Nummern
o. A. ohne Autor o. D. ohne Datum o. J. ohne Jahr o. O. ohne Ort o. S. ohne Seite pl. plate S. Seite ThHStA Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Weimar StAN Stadtarchiv, Klinger-Archiv, Naumburg Theatermuseum der LandesTMD/ SHD hauptstadt Düsseldorf, Nachlaß: Schauspielhaus Düsseldorf übertr. übertragen verh. verheiratet, verheiratete(r) verw. verwitwet, verwitwete(r) Vgl., vgl. vergleiche zit. zitiert
Abbildungsverzeichnis Klassik Stiftung Weimar 6, 126 Archives et Musée de la Littérature (AML) Bibliothèque Royale de Belgique (KBR), Bruxelles (Belgique) 338, 339, 381, 382, 400, 416, 447, 569, 573, 654
Literatur- und Quellenverzeichnis 683
Literatur- und Quellenverzeichnis AAM 1979 ›La Cambre 1928–1978‹, Archives d’Architecture Moderne a.s.b.l., Édité avec l’appui de la Commission Française de la Culture de l’Agglomération de Bruxelles, Bruxelles 1979
Ausst. Kat. Essen 1993 Morosow und Schtschukin – Die russischen Sammler. Monet bis Picasso. Hrsg. von Georg-W. Költzsch, Ausst. Museum Folkwang Essen, Köln 1993
Ausst. Kat. Amsterdam/ München/ Barcelona/ Paris 2004 L’Art Nouveau. La Maison Bing. Hrsg. von Gabriel P. Weisberg, Ausst. Amsterdam/ München/ Barcelona/ Paris, Antwerpen 2004
Ausst. Kat. Hagen/ Weimar/ Berlin/ Gent/ Zürich/ Nürnberg 1992 Henry van de Velde. Ein europäischer Künstler in seiner Zeit. Hrsg. von Klaus-Jürgen Sembach und Birgit Schulte, Ausst. Hagen/ Weimar/ Berlin/ Gent/ Zürich/ Nürnberg 1992–1994, Köln 1992
Ausst. Kat. Antwerpen/ Otterlo 1987 Henry van de Velde (1863–1957), Schilderijen en tekeningen – Paintings and drawings. Hrsg. von Susan Canning, Ausst. Antwerpen/ Otterlo, Antwerpen 1987 Ausst. Kat. Berlin 1905 Berliner Fächer-Ausstellung 1905 in den Salons von Friedmann & Weber, Berlin 1905 Ausst. Kat. Berlin 1996 Manet bis van Gogh. Hugo von Tschudi und der Kampf um die Moderne. Hrsg. von Johann Georg Prinz von Hohenzollern und Peter-Klaus Schuster, Ausst. Nationalgalerie Berlin, SMPK, Neue Pinakothek München 1996/97, München 1996 Ausst. Kat. Brüssel 1997 Georges Lemmen 1865–1916. Textes et catalogue de Roger Cardon, Ausst. Musée d’Ixelles, Bruxelles 1997 Ausst. Kat. Brüssel 2007 Van de Velde. La Cambre et le livre, Ausst. École nationale supérieure des arts visuels de La Cambre, Éditions ENSAV, Bruxelles 2007 Ausst. Kat. Chemnitz 1999 Edvard Munch in Chemnitz. Hrsg. von Ingrid Mössinger, Beate Ritter und Kerstin Drechsel, Ausst. Kunstsammlungen Chemnitz in Zusammenarbeit mit dem Munch-museet Oslo, Köln 1999 Ausst. Kat. Darmstadt 2005 Ludwig von Hofmann – Arkadische Utopien in der Moderne. Hrsg. von Annette Wagner und Klaus Wolbert, Ausst. Institut Mathildenhöhe Darmstadt, Darmstadt 2005 Ausst. Kat. Dresden 1897 Internationale Kunst-Ausstellung Dresden 1897, Dresden 1897 Ausst. Kat. Dresden 1906 Offizieller Katalog der dritten Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden, Dresden 1906
Ausst. Kat. Kirchheim unter Teck/ Weimar/ Mariémont 1999 Zwischen van de Velde und Bauhaus. Otto Dorfner und ein wichtiges Kapitel der Einbandkunst. Hrsg. von Mechthild Lobisch, Ausst. Kirchheim unter Teck/ Weimar/ Mariémont 1999/2000, Wiesbaden 1999 [Schriftenreihe der Burg Giebichenstein Halle 1] Ausst. Kat. Köln 1914 Deutsche Werkbund Ausstellung Cöln 1914. Offizieller Katalog, Köln 1914 Ausst. Kat. Köln/ Münster/ Gütersloh/ Coburg/ Würzburg/ München 1977 Henry van de Velde. Theaterentwürfe 1904–1914, Ausst. Köln/ Münster/ Gütersloh/ Coburg/ Würzburg/ München, Bruxelles 1977 Ausst. Kat. Kopenhagen 1907 Henry van de Velde. Katalog Over Udstillingen Af Hans Arbejder. Med En Indledning Af Emil Hannover, København April – Maj, Kopenhagen 1907 Ausst. Kat. London 1906 A catalogue of the works of contemporary German artists in London. Exhibited at Prince’s Gallery Knightsbridge, May and June, London 1906 Ausst. Kat. Marbach 1978 Rudolf Borchardt. Alfred Walter Heymel. Rudolf Alexander Schröder. Hrsg. von Bernhard Zeller, Ausst. des Deutschen Literaturarchivs im SchillerNationalmuseum Marbach am Neckar, München 1978 Ausst. Kat. Marbach 1988 Harry Graf Kessler. Tagebuch eines Weltmannes. Bearb. von Gerhard Schuster und Margot Pehle. Hrsg. von Ulrich Ott, Ausst. Deutsches Literaturarchiv, Stuttgart 1988 [Marbacher Kataloge 43]
684 Anhang Ausst. Kat. München 1899 Offizieller Katalog der Internationalen Kunst-Ausstellung des Vereins Bildender Künstler Münchens ›Secession‹ im königlichen Ausstellungsgebäude am Königsplatz, Juni–August 1899, München 1899
Ausst. Kat. Weimar 2005 Ein Arkadien der Moderne? 100 Jahre Künstlerhaus Villa Romana in Florenz. Hrsg. von Thomas Föhl und Gerda Wendermann, Ausst. Klassik Stiftung Weimar, Berlin 2005
Ausst. Kat. München 1992 Hugo Erfurth 1874–1948. Photograph zwischen Tradition und Moderne. Hrsg. von Bodo von Dewitz und Karin Schuller-Procopovici, Ausst. Köln/ Dresden/ München, Köln 1992
Barzantny 2002 Barzantny, Tamara: Harry Graf Kessler und das Theater. Autor, Mäzen, Initiator 1900–1933, Köln/ Weimar/ Wien 2002
Ausst. Kat. Münster/ Grenoble/ Weimar 1996 Farben des Lichts. Paul Signac und der Beginn der Moderne von Matisse bis Mondrian. Hrsg. von Erich Franz, Ausst. Münster/ Grenoble/ Weimar, Ostfildern-Ruit 1996 Ausst. Kat. Paris 1987 1913 Le Théâtre des Champs Elysées, commissaire général. Jean-Michel Nectoux, Ausst. Musée d’Orsay, Paris 1987 Ausst. Kat. Paris 1993 De Cézanne à Matisse. Chefs-d’œuvre de la fondation Barnes, Ausst. Musée d’Orsay, Paris 1993 Ausst. Kat. Paris/ New York 1991 Georges Seurat 1859–1891. Hrsg. von Robert L. Herbert und Françoise Cachin, Ausst. Grand Palais Paris, Metropolitan Museum of Art New York, New York 1991 Ausst. Kat. Richmond/ Sarasota/ Ohama/ New York 1986 Art Nouveau Bing. Paris Style 1900. Hrsg. von Gabriel P. Weisberg, Ausst. Richmond/ Sarasota/ Ohama/ New York 1986/87, New York 1986 Ausst. Kat. Weimar 1905 Weimarische Kunstgewerbe- und IndustrieAusstellung. Nach Entwürfen von Prof. Henry van de Velde. Vom 11. Februar bis 6. März 1905, Weimar 1905 Ausst. Kat. Weimar 1906 Katalog der Dritten Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes, Weimar 1906
Becker 2004 Becker, Ingeborg: Henry van de Velde in Berlin, Berlin 2004 Blumenfeld 1976 Blumenfeld, Erik (Hrsg.): Ivo Hauptmann. Bilder und Erinnerungen, Hamburg 1976 Bodenhausen 1955 Bodenhausen, Eberhard von: Ein Leben für Kunst und Wirtschaft. Hrsg. von Dora Freifrau von Bodenhausen-Degener, Düsseldorf/ Köln 1955 Bothe 1989 Bothe, Rolf (Hrsg.): Curt Herrmann 1854–1929. Ein Maler der Moderne in Berlin. Berlin Museum, Berlin 1989 Brinks 2003 Brinks, John Dieter (Hrsg.): Das Buch als Kunstwerk. Die Cranach Presse des Grafen Harry Kessler, Laubach/ Berlin 2003 Brinks 2007 Brinks, John Dieter (Hrsg.): Denkmal des Geistes. Die Buchkunst Henry van de Veldes, Laubach/ Berlin 2007 Cachin 2000 Cachin, Françoise: Signac. Catalogue raisonné de l’œuvre peint, Paris 2000 Cahn 2007 Cahn, Isabelle: Ambroise Vollard. Un marchand d’art et ses trésors, Paris 2007 Compin 1964 Compin, Isabelle: Henri Edmond Cross, Paris 1964
Ausst. Kat. Weimar 1999 Aufstieg und Fall der Moderne. Hrsg. von Rolf Bothe und Thomas Föhl, Ausst. Kunstsammlungen zu Weimar, Ostfildern-Ruit 1999
Dauberville 1968 Dauberville, Jean; Dauberville, Henry: Catalogue raisonné de I’œuvre peint 1906–1919, Bd. 2, Paris 1968
Ausst. Kat. Weimar 2000 Ihr Kinderlein kommet ... Henry van de Velde: ein vergessenes Projekt für Friedrich Nietzsche. Hrsg. von Thomas Föhl, Ausst. Kunstsammlungen zu Weimar/ FH Potsdam, Ostfildern-Ruit 2000
Dauberville 1992 Dauberville, Jean; Dauberville, Henry: Catalogue raisonné de I’œuvre peint 1888–1905, Bd. 1, Paris 19922
Literatur- und Quellenverzeichnis 685 De Weerdt/ Geldolf 1979 De Weerdt, Denise; Geldolf, Wim: Camille Huysmans. Geschriften en documenten, Volume VI A, Camille Huysmans en de cultuur, Antwerpen/ Amsterdam 1979
Föhl 2009 Föhl, Thomas: Henry van de Velde und das Weimarer Mobiliar für Baron von Münchhausen. Im Auftrag der Kulturstiftung der Länder hrsg. von der Klassik Stiftung Weimar, Weimar 2009 [Patrimonia 218]
Denis 1957 Denis, Maurice: Journal, Tome I (1884–1904), Tome II (1905–1920), Paris 1957
Föhl 2010 Föhl, Thomas: Henry van de Velde. Architekt und Designer des Jugendstils, Weimar 2010
Deventer 1963 Deventer, Salomon van: Henry van de Velde und seine Bindungen an das Ehepaar Kröller-Müller, Privatdruck, Eschwege 1963
Föhl/ Neumann 2009 Föhl, Thomas; Neumann, Antje: Henry van de Velde – Raumkunst und Kunsthandwerk | Interior Design and Decorative Arts – Ein Werkverzeichnis in sechs Bänden | A catalogue raisonné in six volumes, Bd. I: Metallkunst | Volume I: Works in Metal, Leipzig 2009
Dietrich/ Erbsmehl 2004 Dietrich, Conny; Erbsmehl, Hansdieter: Klingers Nietzsche. Wandlungen eines Portraits 1902–1914. Hrsg. von Justus H. Ulbricht im Auftrag der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen, Jena 2004 Easton 2002 Easton, Laird McLeod: The Red Count. The Life and Times of Harry Kessler, Berkeley/ Los Angeles/ London 2002 Easton 2005 Easton, Laird McLeod: Der Rote Graf. Harry Graf Kessler und seine Zeit, Stuttgart 2005 Egloffstein 1905 Egloffstein, Hermann Freiherr von: Caroline Großherzogin von Sachsen 1884–1905. Ein Erinnerungsblatt, Berlin 1905 Egloffstein 1934 Egloffstein, Hermann Freiherr von: Das Weimar von Carl Alexander und Wilhelm Ernst, Berlin 1934 Ehrsam/ Wyss 2002 Ehrsam, Thomas; Wyss, Regula: Thea Sternheim. Tagebücher 1903–1971, Bd. I, Göttingen 2002
Föhl/ Neumann 2014 Föhl, Thomas; Neumann, Antje: Henry van de Velde – Raumkunst und Kunsthandwerk | Interior Design and Decorative Arts – Ein Werkverzeichnis in sechs Bänden | A catalogue raisonné in six volumes, Bd. II: Textilien | Volume II: Textiles, Leipzig 2014 Föhl/ Sembach 1999 Föhl, Thomas; Sembach, Klaus-Jürgen: Henry van de Velde und das Weimarer Mobiliar von Münchhausen, München 1999 Folkers 1983 Folkers, Dörte; Folkers, Cay: Henry van de Veldes Arbeiten für Ernst Wittern in Lübeck, Frankfurt a. M./ Bern/ New York 1983 [Europäische Hochschulschriften, Reihe XXVIII, 24] Freigang 2003 Freigang, Christian: Auguste Perret, die Architekturdebatte und die ›Konservative Revolution‹ in Frankreich 1900–1930, München/ Berlin 2003
Ehrsam/ Wyss 2002 Ehrsam, Thomas; Wyss, Regula: Thea Sternheim. Tagebücher 1903–1971, Bd. V, Göttingen 2002
Gauglitz 2005 Gauglitz, Gerd: Die Berliner Wohnungen Harry Graf Kesslers in Bauakten und Adreßbüchern, Typoskript, Berlin 2005 [unveröffentlichter Recherchebericht]
Fechter 1950 Fechter, Paul: Menschen und Zeiten. Begegnungen aus fünf Jahrzehnten, Gütersloh 1950
Gill 1942 Gill, Eric: Autobiography, London 1942
Feltkamp 2003 Feltkamp, Ronald: Théo van Rysselberghe. Catalogue raisonné, Bruxelles 2003
Goldscheider 1989 Goldscheider, Cécile: Auguste Rodin. Catalogue raisonné de l’œuvre sculpté, Bd. 1, Lausanne/ Paris 1989
Fischer 2013 Fischer, Ole W.: Nietzsches Schatten. Henry van de Velde – von Philosophie zu Form, Berlin 2013
Grohé 1996 Grohé, Stefan (Hrsg.): Das Ernst Abbe-Denkmal, Arnstadt 1996
Föhl 1996 Föhl, Thomas: Curt Herrmann. Ein Künstlerleben 1854–1929, Ostfildern-Ruit 1996
Grubert 1919 Grubert, Friedrich: Der Hofdämon oder ein Fürstengeheimnis, Weimar 1919
686 Anhang Grupp 1995 Grupp, Peter: Harry Graf Kessler 1868–1937. Eine Biographie, Leipzig 1995
Sitzung vom 2. Oktober 1920 von Harry Graf Kessler nach dem Stenogramm nebst der vom Kongress angenommenen Resolution, Stuttgart 1920
Günther/ Huschke/ Steiner 1993 Günther, Gitta; Huschke, Wolfram; Steiner, Walter (Hrsg.): Weimar. Lexikon zur Stadtgeschichte, Weimar 1993
Kessler 1928 Kessler, Harry Graf: Walther Rathenau. Sein Leben und sein Werk, Berlin-Grunewald 1928
Hecht 2005 Hecht, Christian: Streit um die richtige Moderne. Henry van de Velde, Max Littmann und der Neubau des Weimarer Hoftheaters, Weimar 2005 [Weimarer Schriften, Heft 59] Hofmannsthal 1979 Hofmannsthal, Hugo von: Reden und Aufsätze III 1925–1929. Buch der Freunde. Aufzeichnungen 1889–1929. Hrsg. von Bernd Schoeller und Ingeborg Beyer-Ahlert, Neunter Bd., Frankfurt a. M. 1979 [Gesammelte Werke] Horn 2001 Horn, Gisela (Hrsg.): Entwurf und Wirklichkeit. Frauen in Jena 1900 bis 1933, Rudolstadt 2001 Hüter 1967 Hüter, Karl-Heinz: Henry van de Velde. Sein Werk bis zum Ende seiner Tätigkeit in Deutschland, Berlin (Ost) 1967 [Schriften zur Kunstgeschichte 9] Jacques 2004 Jacques, Norbert: Mit Lust gelebt. Roman meines Lebens, St. Ingbert 2004 [Schriften der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek 9] John/ Wahl 1995 John, Jürgen; Wahl, Volker (Hrsg.): Zwischen Konvention und Avantgarde: Doppelstadt JenaWeimar, Weimar/ Köln/ Wien 1995 Just 1983 Just, Johannes: Meissener Jugendstil-Porzellan, Leipzig 1983 Kessler 1898 Kessler, Harry Graf: Notizen über Mexico, Berlin 1898 Kessler 1903 Kessler, Harry Graf: Über den Kunstwert des Neo-Impressionismus. Eine Erwiderung, Berlin 1903 Kessler 1908 Kessler, Harry Graf: Vorrede (zu 60 Matt-Tonbildern und einem Catalogue raisonné), Impressionisten. Die Begründer der modernen Malerei in ihren Hauptwerken, München 1908 Kessler 1920 Kessler, Harry Graf: Der Völkerbund als Wirtschaftsund Arbeitsgemeinschaft. Rede, gehalten auf dem IX. Deutschen Pazifistentag zu Braunschweig in der
Kessler 1933 Kessler, Comte Harry: Walther Rathenau. Traduit de l’allemand par Denis Van Moppès. Préface de Gabriel Marcel, Paris 1933 Kessler 1935 Kessler, Harry Graf: Gesichter und Zeiten. Erinnerungen. Bd. 1: Völker und Vaterländer, Berlin 1935 Kessler 1936 Kessler, Harry Graf: Souvenirs d’un Européen. I: De Bismarck à Nietzsche, Paris 1936 Kessler 1962 Kessler, Harry Graf: Gesichter und Zeiten – Erinnerungen, Berlin 1962 Kessler 1988 Kessler, Harry Graf: Gesammelte Schriften in drei Bänden. Hrsg. von Cornelia Blasberg und Gerhard Schuster, Frankfurt a. M. 1988. – Bd. 1. Gesichter und Zeiten: Erinnerungen; Notizen über Mexiko, Mit einem Nachwort und Anmerkungen von Gerhard Schuster. – Bd. 2. Künstler und Nationen: Aufsätze und Reden 1899–1933. Mit einem Nachwort und Anmerkungen von Cornelia Blasberg und Gerhard Schuster. – Bd. 3. Walther Rathenau: Sein Leben und sein Werk. Mit einem Nachwort und Anmerkungen von Cornelia Blasberg Kessler 2004.a Harry Graf Kessler. Das Tagebuch 1880–1937. Hrsg. von Roland S. Kamzelak und Ulrich Ott. Zweiter Bd. 1892–1897. Hrsg. von Günter Riederer und Jörg Schuster, Stuttgart 2004 [Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft, Band 50.2] Kessler 2004.b Harry Graf Kessler. Das Tagebuch 1880–1937. Hrsg. von Roland S. Kamzelak und Ulrich Ott. Dritter Bd. 1897–1905. Hrsg. von Carina Schäfer und Gabriele Biedermann, Stuttgart 2004 [Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft, Band 50.3] Kessler 2005 Harry Graf Kessler. Das Tagebuch 1880–1937. Hrsg. von Roland S. Kamzelak und Ulrich Ott. Vierter Bd. 1906–1914. Hrsg. von Jörg Schuster, Stuttgart 2005 [Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft, Band 50.4]
Literatur- und Quellenverzeichnis 687 Kessler 2006 Harry Graf Kessler. Das Tagebuch 1880–1937. Hrsg. von Roland S. Kamzelak und Ulrich Ott. Sechster Bd. 1916–1918. Hrsg. von Günter Riederer, Stuttgart 2006 [Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft, Band 50.6] Kessler 2007 Harry Graf Kessler. Das Tagebuch 1880–1937. Hrsg. von Roland S. Kamzelak und Ulrich Ott. Siebter Bd. 1919– 1923. Hrsg. von Angela Reinthal, Stuttgart 2007 [Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft, Band 50.7] Kessler 2008 Harry Graf Kessler. Das Tagebuch 1880–1937. Hrsg. von Roland S. Kamzelak und Ulrich Ott. Fünfter Bd. 1914–1916. Hrsg. von Günter Riederer und Ulrich Ott, Stuttgart 2008 [Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft, Band 50.5] Kessler 2009 Harry Graf Kessler. Das Tagebuch 1880–1937. Hrsg. von Roland S. Kamzelak und Ulrich Ott. Achter Bd. 1923–1926. Hrsg. von Angela Reinthal, Günter Riederer und Jörg Schuster, Stuttgart 2009 [Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft, Band 50.8] Kessler 2010 Harry Graf Kessler. Das Tagebuch 1880–1937. Hrsg. von Roland S. Kamzelak und Ulrich Ott. Neunter Bd. 1926–1937. Hrsg. von Sabine Gruber und Ulrich Ott, Stuttgart 2010 [Veröffentlichungen der Deutschen Schillergesellschaft, Band 50.9] Kesten 1959 Kesten, Herman (Hrsg.): René Schickele, Werke in drei Bänden, Dritter Bd., Köln/ Berlin 1959 Kostka 1993 Kostka, Alexandre: Un nietzschéen à l’époque de Guillaume II: Harry Comte Kessler et le problème de la modernisation de la culture allemande 1895–1918, Dissertation, Université Strasbourg II, Typoskript, Strasbourg 1993
Behler, Heinz Wenzel und Wolfgang Müller-Lauter, Berlin/ New York 1984 [Monographien und Texte zur Nietzsche-Forschung. 14] Lemaire 1979 Lemaire, Claudine: Catalogue analytique du Fonds Henry van de Velde, Bibliothèque Royale de Belgique, Musée de la Littérature, Typoskript, Bruxelles 1979 Lemaire 1993 Lemaire, Claudine: Catalogue analytique du Fonds Henry van de Velde, Bibliothèque Royale de Belgique, Musée de la Littérature, Typoskript, Bruxelles 1993 Lichtwark 1924 Lichtwark, Alfred: Briefe an die Kommission für die Verwaltung der Kunsthalle. Hrsg. von Gustav Pauli, 2 Bde., Hamburg 1924 Liebold/ Franz 2003 Liebold, Birgit; Franz, Margret: Volkshaus Jena. Versuch einer Chronik, Jena/ Quedlinburg 2003 La Cité 1933 La Cité: Numéro spécial consacré à Henry van de Velde, directeur de l’Institut Supérieur des Arts Décoratifs de l’État, à l’occasion du 70e Anniversaire du Maître-Architecte, 11e année, n° 5/6, avril-mai, Bruxelles 1933 Lorenz 2001 Lorenz, Ulrike: Thilo Schoder – Ein Architekt im Spannungsfeld der Moderne. Leben und Werk in Deutschland (1888–1936), Jena 2001 Lotz 2009 Lotz, Rouven: Der Hagener Hohenhof. Das Landhaus für Karl Ernst Osthaus von Henry van de Velde, Hagen 2009 Loupiac 1993 Loupiac, Claude: L’architecture théâtrale en France à la Belle Époque et le cas du Théâtre des ChampsÉlysées. Thèse de doctorat. 2 Bde. u. 1 Anhang, Paris 1993
Kostka/ Wohlfarth 1999 Kostka, Alexandre; Wohlfarth, Irving (Hrsg.): Nietzsche and ›An Architecture of Our Minds‹, Los Angeles 1999
Maus 1926 Maus, Madeleine Octave: Trente années de lutte pour l’art. Les XX. La Libre Esthétique 1884–1914, Bruxelles 1926
Krahmer 2001 Krahmer, Catherine: Julius Meier-Graefe. Kunst ist nicht für Kunstgeschichte da. Briefe und Dokumente, Göttingen 2001
Meier-Graefe 1904 Meier-Graefe, Julius: Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst. Vergleichende Betrachtung der bildenden Künste als Beitrag zu einer neuen Aesthetik. Bde I, II (Text mit Illustrationen), Bd. III (Tafeln), Stuttgart 1904
Krause 1984 Krause, Jürgen: ›Märtyrer‹ und ›Prophet‹. Studien zum Nietzsche-Kult in der bildenden Kunst der Jahrhundertwende. Hrsg. von Mazzino Montinari, Ernst
688 Anhang Metz/ Richter/ Schmückle von Minckwitz 2003 Metz, Katharina; Richter, Tilo; Schmückle von Minckwitz, Priska: Henry van de Veldes Villa Esche in Chemnitz. Ein Gesamtkunstwerk zwischen Jugendstil und Sachlichkeit. Hrsg. von der Grundstücks- und Gebäudewirtschafts-Gesellschaft mbH Chemnitz, Basel/ Boston/ Berlin 2003 Müller-Krumbach 1968 Müller-Krumbach, Renate: Die Cranach-Presse in Weimar. Dissertation, Universität Leipzig, Typoskript, 2 Bde., Leipzig 1968 Müller-Krumbach 1969 Müller-Krumbach, Renate: Harry Graf Kessler und die Cranach-Presse in Weimar/ Hamburg 1969 Müller-Krumbach 1971 Müller-Krumbach, Renate: Die Cranach-Presse in Weimar, Weimar 1971 [Weimar Tradition und Gegenwart, Heft 20] Nabokov 1975 Nabokov, Nicolas: Zwei rechte Schuhe im Gepäck. Erinnerungen eines russischen Weltbürgers, München/ Zürich 1975 Nerdinger/ Mai 1994 Nerdinger, Winfried; Mai, Ekkehard (Hrsg.): Wilhelm Kreis – Architekt zwischen Kaiserreich und Demokratie 1873–1955, München 1994 Neteler 1995 Neteler, Theo: Verleger und Herrenreiter. Das ruhelose Leben des Alfred Walter Heymel, Göttingen 1995 Neumann 2000 Neumann, Antje: Das Haus ›Hohe Pappeln‹. Henry van de Veldes Wohnhaus in Weimar. Geschichte und Analyse eines Künstlerhauses, Magisterarbeit, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Typoskript, 2 Bde., Jena 2000 Neumann/ Baier 2005 Neumann, Antje; Baier, Eckhard: Henry van de Veldes Haus ›Hohe Pappeln‹. Geschichte eines Baudenkmals, Altenburg 2005 [Arbeitsheft des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege, Neue Folge 17] Neumann/ Föhl 1999 Neumann, Antje: Das Haus unter den hohen Pappeln. Hrsg. und eingeleitet von Thomas Föhl, Eupen 1999 Neumann/ Reuter 2007 Neumann, Antje; Reuter, Brigitte: Henry van de Velde in Polen/ w Polsce. Die Innenarchitektur im Sanatorium Trebschen/ Trzebiechów, Potsdam 2007
Neumann/ Schnitzler 1997 Neumann, Gerhard; Schnitzler, Günter (Hrsg.): Harry Graf Kessler. Ein Wegbereiter der Moderne, Bd. 37, Freiburg im Breisgau 1997 [Rombach Litterae] Nostitz 1925 Nostitz, Helene von: Aus dem alten Europa, Leipzig 1925 Nostitz 1927 Nostitz, Helene von: Rodin in Gesprächen und Briefen, Dresden 1927 Opitz 2000 Opitz, Silke: Ein Gentlemankünstler. Leben und Werk des Bildhauers Richard Engelmann, Weimar 2000 Osthaus 1920 Osthaus, Karl Ernst: Henry van de Velde. Leben und Schaffen des Künstlers, Hagen 1920 Pecher 1981 Pecher, Wolf-Dieter: Henry van de Velde. Das Gesamtwerk – Gestaltung, Bd. 1, München 1981 Pfeiffer-Belli 1961 Pfeiffer-Belli, Wolfgang: Harry Graf Kessler. Tagebücher 1918 bis 1937, Frankfurt a. M. 1961 Plietzsch 1955 Plietzsch, Eduard: ›... heiter ist die Kunst‹. Erlebnisse mit Künstlern und Kennern, Gütersloh 1955 Ploegaerts/ Kostka 1995 Ploegaerts, Léon; Kostka, Alexandre: Édition critique de la correspondance Henry van de Velde-Harry Graf Kessler. État d’avancement de la recherche, Ottawa 1995 Ploegaerts/ Puttemans 1987 Ploegaerts, Léon; Puttemans, Pierre: L’Œuvre architecturale de Henry van de Velde, Bruxelles/ Québec 1987 Pophanken/ Billeter 2001 Pophanken, Andrea; Billeter, Andrea (Hrsg.): Die Moderne und ihre Sammler. Französische Kunst in deutschem Privatbesitz vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, Berlin 2001 Post/ Werner 2006 Post, Bernhard; Werner, Dietrich: Herrscher in der Zeitenwende. Wilhelm Ernst von SachsenWeimar-Eisenach 1876–1923, Jena 2006 Präffcke 1986 Präffcke, Hans: Der Kunstbegriff Alfred Lichtwarks, Hildesheim/ Zürich/ New York 1986
Literatur- und Quellenverzeichnis 689 Redslob 1972 Redslob, Edwin: Von Weimar nach Europa. Erlebtes und Durchdachtes, Berlin 1972 Remmert 1992 Remmert, Erhard: Jugendstilfenster in Süddeutschland, Weingarten 1992 Richter 2001 Richter, Tilo: Herbert Eugen Esche. Ein Lebensbild, Leipzig 2001 Rößner 1999 Rößner, Alf: Weimar um 1900. Stadtbild und genius loci, Dissertation, Bauhaus-Universität Weimar, Weimar 1999 Rotonchamp 1906 Rotonchamp, Jean de: Paul de Gauguin 1848–1903, Paris 1906 Schäfer (Dissertation in Bearbeitung) Schäfer, Carina: Präsenz und Rezeption von Maurice Denis im Deutschland vor 1914 (Arbeitstitel), co-tutelle de thèse FU Berlin und Université Blaise Pascal, Clermont-Ferrand, (Dissertation in Bearbeitung) Scheffler 1913 Scheffler, Karl: Henry van de Velde. Vier Essays, Leipzig 1913 Scheffler 1946 Scheffler, Karl: Die fetten und die mageren Jahre, München/ Leipzig 1946 Scholz 1939 Scholz, Wilhelm von: An Ilm und Isar, Leipzig 1939 Schulte 1992 Schulte, Birgit (Hrsg.): Henry van de Velde in Hagen, Hagen 1992 Sembach 1989 Sembach, Klaus-Jürgen: Henry van de Velde, Stuttgart 1989 Sharp 1974 Sharp, Dennis: Henri van de Velde. Theatre Designs 1904–1914/ Projets du Théâtre 1904–1914, London 1974
Van Aert/ Bastiaensen 2007 Van Aert, Marina; Bastiaensen, Jean: De Kalmthoutse of Grijze School en haar tijdgenoten, Tielt 2007 Velde 1894 Velde, Henry van de: Déblaiement d’Art par Henry van de Velde orné de lettrines & de culs-de-lampe dessinés & gravés par lui, Bruxelles 1894 Velde 1899 (Geschäftskatalog Brüssel) Velde, Henry van de: Catalogue. Société anonyme. Industries d’art et d’ornementation. Bruxelles, 53 Rue Gray. Meubles, Papiers peints, Vitraux, Appareils d’éclairage pour le gaz et l’éléctricité, Bijoux. Volume I: Meubles, Bruxelles 1899 Velde 1899 (Geschäftskatalog Berlin) Velde, Henry van de: Geschäftskatalog. Werkstätten für angewandte Kunst, Berlin W., Linkstrasse 1., Möbel, Tapeten, Farbige Fenster, Beleuchtungskörper, ›Metallarbeiten, Schmucksachen‹, Berlin 1899 Velde 1900 Velde, Henry van de: Die Künstlerische Hebung der Frauentracht. Vortrag von Henry van de Velde, Krefeld 1900 Velde 1901 Velde, Henry van de: Renaissance im modernen Kunstgewerbe, Berlin 1901 Velde 1902 Velde, Henry van de: Kunstgewerbliche Laienpredigen, Leipzig 1902 Velde 1910 Velde, Henry van de: Essays (›Die Belebung des Stoffes als Prinzip der Schönheit‹, ›Die Linie‹, ›Vernunftgemäße Schönheit‹, ›Volkskunst‹, ›Kunst und Industrie‹, ›Der Fächer‹, ›Kulturpolitik‹), Leipzig 1910 Velde 1917 Velde, Henry van de: Les formules de la beauté architectonique moderne, Weimar 1917
Signac 2005 Signac, Paul: D’Eugène Delacroix au néoimpressionisme, Paris 2005
Velde 1918 Velde, Henry van de: Die drei Sünden wider die Schönheit. Deutsche berichtigte Übersetzung mitsamt dem französischen Original, Zürich 1918 [Europäische Bibliothek, 5]
Stamm 1969 Stamm, Günther: Studien zur Architektur und Architekturtheorie Henry van de Veldes. Dissertation, Göttingen 1969
Velde 1925 Velde, Henry van de: Le théâtre de l’exposition du ›Werkbund‹ à Cologne, 1914 et la scène tripartite, Anvers 1925
Thiel 2003 Thiel, Reinhold: Die Geschichte des Norddeutschen Lloyd 1857–1970, Bd. III 1900–1919, Bremen 2003
690 Anhang Velde 1933 Velde, Henry van de: Henry van de Velde entretient ses Collègues de l’Académie libre Edmond Picard de la formation poétique de Max Elskamp et d’une amitié de plus de 50 ans, 15 juin 1933, Privatdruck 1933 Velde 1942 Velde, Henry van de: Pages de doctrine, Dilbeek 1942 [Cahiers d’architecture et d’urbanisme] Velde 1955 Velde, Henry van de: Zum neuen Stil. Aus seinen Schriften ausgewählt und eingeleitet von Hans Curjel, München 1955 Velde 1962 Velde, Henry van de: Geschichte meines Lebens. Hrsg. und übertr. von Hans Curjel, München 1962 Velde 1992 Velde, Henry van de: Récit de ma vie. Vol. 1. (1863–1900). Edition Anne van Loo et Fabrice van de Kerckhove, Bruxelles 1992 Velde 1995 Velde, Henry van de: Récit de ma vie. Vol. 2. (1900–1917). Edition Anne van Loo et Fabrice van de Kerckhove, Bruxelles 1995 Velde 1999 Henry van de Velde: Les Mémoires inachevés d’un artiste européen. Édition critique établie par Léon Ploegaerts. 2 Bde., Bruxelles 1999 Venturi 1989 Venturi, Lionello: Cézanne. Son art – son Œuvre. 3 Bde., San Fransisco 1989 Vierhaus 1961 Vierhaus, Rudolf (Hrsg.): Das Tagebuch der Baronin Spitzemberg. Aufzeichnungen aus der Hofgesellschaft des Hohenzollernreiches. Hrsg. von der historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 43, Göttingen 1961 Volz 1994 Volz, Andrea: Der Heinemanhof in Hannover von Hettie und Dannie N. Heineman und Henry van de Velde, Essen 1994 Wagner 1996 Wagner, Rainer: Weimar. Straßen, Platz- und Flurnamen damals und heute, Jena 1996 Wahl 1988 Wahl, Volker: Jena als Kunststadt, Leipzig 1988 Wahl 2007 Wahl, Volker: Henry van de Velde in Weimar. Dokumente und Berichte zur Förderung von Kunsthandwerk und Industrie (1902 bis 1915), Weimar 2007
Walter 1995 Walter, Sabine: Harry Graf Kessler. Sammler und Mäzen der modernen Kunst und seine Beziehung zu Aristide Maillol, Magisterarbeit, Eberhard-KarlsUniversität Tübingen, Typoskript, Tübingen 1995 Watzdorf-Bachoff 1997 Watzdorf-Bachoff, Erika: Im Wandel und in der Verwandlung der Zeit. Ein Leben von 1878 bis 1963. Hrsg. von Reinhard Doerries, Stuttgart 1997 Weber 1994 Weber, Klaus: Henry van de Velde. Das buchkünstlerische Werk, Freiburg 1994 Weigel-Schieck 1996 Weigel-Schieck, Petra: Henry van de Velde in Jena. Dokumentation, Jena 1996 Werth 1991 Werth, Léon: Voyages avec ma pipe, Paris 1991 Zeller 1989 Zeller, Bernhard: Harry Graf Kessler. Zeuge und Chronist seiner Epoche, Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Jg. 1989, Nr. 1, Wiesbaden 1989 Artikel, Aufsätze: Bismarck 1988 Bismarck, Beatrice von: Harry Graf Kessler und die französische Kunst um die Jahrhundertwende, in: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 42/1988, S. 47–62. Block 1987 Block, Jane: The Insel-Verlag Zarathustra: An Untold Tale of Art and Printing, in: Pantheon 45, 1987, S. 129–137. Bodenhausen 1897 (Pan) Bodenhausen, Eberhard von: Henry van de Velde, in: Pan, Berlin, 3. Jg., H. 2, 1897, S. 121 f. Bodenhausen 1903 (Innen-Dekoration)
Bodenhausen, Eberhard von: Notizen zu van de Velde’s neuesten Schöpfungen, in: InnenDekoration, Darmstadt, Jg. XIV, Oktober 1903, S. 247–264. Bodenhausen 1903 (Innen-Dekoration) Bodenhausen, Eberhard von: Van de Velde und die Eisenkonstruktion, in: Innen-Dekoration, Darmstadt, Jg. XIV, Oktober 1903, S. 237–246.
Literatur- und Quellenverzeichnis 691 Domagala 1996 Domagala, Rosemarie: Der Oberburghauptmann Hans Lukas von Cranach. 7.1.1855 bis 18.10.1929, in: Wartburg-Jahrbuch 1995. Hrsg. von der Wartburg-Stiftung, Eisenach 1996, S. 137–148. Emmrich 2000 Emmrich, Angelika: ›zugleich ein Tempel und zugleich eine Häuslichkeit‹ Zur Haus- und Kulturgeschichte des Nietzsche-Archivs, in: Das Nietzsche-Archiv in Weimar. Hrsg. Stiftung Weimarer Klassik, München/ Wien 2000, S. 39–71. Erler 1906 (Westermanns Monatshefte) Erler, Margarete: Alte und neue Fächerkunst, in: Sonderdruck Westermanns Monatshefte, Braunschweig, Bd. 99, H. 594, März 1906, S. 878–889. Fechter 1906 (Dresdner Neueste Nachrichten) Fechter, Paul: ›Philister über uns.‹, in: Dresdner Neueste Nachrichten, Dresden, Nr. 157, XIV. Jg., 14.6.1906, S. 1. Föhl 1992 Föhl, Thomas: Henry van de Velde und Eberhard von Bodenhausen. Wirtschaftliche Grundlagen der gemeinsamen Arbeit, in: Ausst. Kat. Hagen/ Weimar/ Berlin/ Zürich/ Gent/ Nürnberg 1992, S. 169–229. Föhl 1999 Föhl, Thomas: Kunstpolitik und Lebensentwurf. Das Neue Weimar im Spiegel der Beziehungen zwischen Henry van de Velde und Harry Graf Kessler, in: Ausst. Kat Weimar 1999, S. 60–89. Föhl 2003 Föhl, Thomas: Die dunkle des Mondes. Zu einigen ökonomischen Aspekten der Cranach Presse und ihres Begründers, in: Brinks 2003, S. 170–186. Föhl 2005 Föhl, Thomas: Ein Netzwerk der Moderne. Harry Graf Kessler und die Gründung des Deutschen Künstlerbundes im Spiegel zeitgenössischer Quellen, sowie: Max Klinger und die Gründung der ›Florentiner Künstlerkolonie‹ Villa Romana, in: Ausst. Kat. Weimar 2005, S. 22–55. Föhl 2007 Föhl, Thomas: La découverte de l’inconnue. Henry van de Velde auf der Höhe seines Erfolges in Deutschland, in: Brinks 2007, Laubach/ Berlin 2007, S. 254–286.
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Fierens-Gevaert 1896 Fierens-Gevaert, Hippolyte: L’Indépendance belge, Bruxelles, Nr. 10, 10.1.1896, o. S.
Kessler 1920.c Kessler, Harry Graf: Proposals for the Establishment of a true League of Nations, Weimar 1920, S. 1–10.
Grupp 1999 Grupp, Peter: Geteilte Illusionen. Die Beziehung zwischen Harry Graf Kessler und Henry van de Velde, in: Wege nach Weimar – Auf der Suche nach
Kessler 1920.d Kessler, Harry Graf: Das Marburger Urteil, in: Die Deutsche Nation. Eine Zeitschrift für Politik. Berlin. Jg. 2, 1920, H. 7, S. 451–453.
692 Anhang Kessler 1920.e Kessler, Harry Graf: Die Kinderhölle in Berlin, in: Die Deutsche Nation. Eine Zeitschrift für Politik, Jg. 2, Sonderheft 11, Berlin 1920, S. 3–7. Kessler 1920.f Kessler, Harry Graf: Braunschweig und Brüssel, in: Die Deutsche Nation. Eine Zeitschrift für Politik, Jg. 2, H. 11, Berlin 1920, S. 847–850. Kessler 1931 (Imprimatur) Kessler, Harry Graf: Verzeichnis der Drucke der Cranach Presse in Weimar. Gegründet 1913, in: Imprimatur. Ein Jahrbuch für Bücherfreunde, Bd. 2, Hamburg 1931, S. 107–112. Kolb 1937/38 Kolb, Annette: Harry Graf Kessler. Ein Nachruf, in: Mass und Wert: Zeitschrift für freie deutsche Kultur, Jg. 1, H. 4, Zürich 1937/38, S. 630 f. Kostka 1992 Kostka, Alexandre: Der Dilettant und sein Künstler. Die Beziehung Harry Graf Kessler – Henry van de Velde, in: Ausst. Kat. Hagen/ Weimar/ Berlin/ Zürich/ Gent/ Nürnberg 1992, S. 253–273. Kostka 1996 Kostka, Alexandre: Physiologie der Harmonie – Kessler und sein Kreis als führende Vermittler des Neoimpressionismus in Deutschland, in: Ausst. Kat. Münster/ Grenoble/ Weimar 1996, S. 197–210. Kostka 1997.a Kostka, Alexandre: Harry Graf Kesslers Überlegungen zum modernen Kunstwerk im Spiegel des Dialogs mit Henry van de Velde, in: Neumann/ Schnitzler 1997, S. 161–180. Kostka 1997.b Kostka, Alexandre: Das ›Gesamtkunstwerk für alle Sinne‹. Zu einigen Facetten der Beziehung zwischen Hugo von Hofmannsthal und Harry Graf Kessler, in: Neumann/ Schnitzler 1997, S. 135–151. Kostka 2000.a Kostka, Alexandre: Two Ladies Vanishing. Die ›Poseuses‹ von Georges Seurat in der Sammlung Harry Graf Kessler. Kunsttransfer als Teilrezeption, in: Fleckner, Uwe; Schieder, Martin; Zimmermann, Michael (Hrsg.): Jenseits der Grenzen. Französische und deutsche Kunst vom Ancien Régime bis zur Gegenwart, Bd. 2: Kunst der Nationen, Köln 2000, S. 448–467. Kostka 2000.b Kostka, Alexandre: Eine unzeitgemäße Gabe für Weimar. Das Projekt eines Nietzsche-Tempels von Harry Graf Kessler und Henry van de Velde, in: Ausst. Kat. Weimar 2000, S. 33–72.
Leppmann 1998 Leppmann, Wolfgang: Harry Graf Kesslers Urlaub von Deutschland, in: Veröffentlichungen der Kester-Haeusler-Stiftung (Hrsg.), Fürstenfeldbruck 1998, S. 3–29. Lobisch/ Wiedemeyer 2003 Lobisch, Mechthild; Wiedemeyer, Nina: Ausgewählte Einbände für die Eclogen, den Hamlet und das Hohelied der Cranach Presse, in: Brinks 2003, S. 260–300. Loupiac 1987 Loupiac, Claude: Le ballet des architectes, in: Ausst. Kat. Paris 1987, S. 22–52. [Les dossiers du Musée d’Orsay] Lovenberg 2004 (FAZ) Lovenberg, Felicitas von: Im Dorado der Dekorateure. So kommt die Kunst direkt zum Kunden: Die Palm Beach Classic, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt a. M., Nr. 26, 23.1.2004, S. 45. Lyra-Wex 1988 Lyra-Wex, Marianne: Die Gründung des Deutschen Künstlerbundes, in: Ausst. Kat. Stuttgart 1988, S. 27–31. G. M. 1896 (The Studio) G. M.: Studio-Talk – Paris, in: The Studio, London, Nr. 37, 15.4.1896, S. 179 f. M. P. [Name abgekürzt] 1898 (Erste Beilage zur Vossischen Zeitung) M. P.: Kunst, Wissenschaft und Literatur, in: Erste Beilage zur Vossischen Zeitung, Berlin, Nr. 455, 29.9.1898, o. S. Maaz 2003 Maaz, Bernhard: ›Hier handelt es sich’s nicht blos um eine Persönlichkeit, sondern um ein Prinzip.‹ Hugo von Tschudi im Briefwechsel, in: Jahrbuch der Berliner Museen. Hrsg. von den Staatlichen Museen zu Berlin Preussischer Kulturbesitz, Bd. 45, Berlin 2003, S. 157–200. Mai 1994 Mai, Ekkehard: Die Denkmäler im Kaiserreich, in: Nerdinger/ Mai 1994, S. 29–44. Marray 1974 Marray, Bernhard: Qui est l’architecte du Théâtre des Champs-Élysées, in: L’architecture d’aujourd’hui, Paris, 174/1974, S. 114–125. Meier-Graefe 1896a (Das Atelier) Meier-Graefe, Julius: L’Art Nouveau, in: Das Atelier. Organ für Kunst und Kunstgewerbe, Berlin, März 1896, H. 6, Berlin 1896, S. 2–4.
Literatur- und Quellenverzeichnis 693 Mössinger 1999 Mössinger, Ingrid: Herbert Eugen Esche und Hanni Esche, in: Ausst. Kat. Chemnitz 1999, S. 21–24. Müller-Krumbach 1997 Müller-Krumbach, Renate: Kessler und die Tradition. Aspekte zur Abdankung 1906, in: Neumann/ Schnitzler 1997, S. 205–225. Müller-Krumbach 2000 Müller-Krumbach, Renate: ... eine der schönsten überhaupt je gedruckten ... Zur Entstehung der Großherzog Wilhelm Ernst Ausgabe Deutscher Klassiker, in: Brinks, John Dieter (Hrsg.): Vom Ornament zur Linie. Der frühe Insel Verlag 1899–1924, Laubach/ Berlin 2000, S. 217–222. Müller-Krumbach 2002 Müller-Krumbach, Renate: Henry van de Velde und das Neue Weimar, in: Die Belebung des Stoffes durch die Form. Van de Veldes Kunstschulbau in Weimar, mit Beiträgen von Norbert Korrek, Renate Müller-Krumbach, Karl Schawelka, Gerd Zimmermann, Gerwin Zohlen, Weimar 2002, S. 11–30. Neuland 2001 Neuland, Brunhild: Irene Eucken. Vom Salon Eucken zum Eucken-Haus, in: Entwurf und Wirklichkeit. Frauen in Jena 1900 bis 1933. Hrsg. von Gisela Horn, Rudolstadt 2001, S. 219–233. Neumann 2008 Neumann, Antje: Ein belgischer Architekt in Weimar. Das Haus ›Hohe Pappeln‹ von Henry van de Velde als Muster moderner europäischer Lebensart, in: Jahrbuch der Klassik Stiftung Weimar, Europa in Weimar – Visionen eines Kontinents. Hrsg. von Hellmut Th. Seemann, Göttingen 2008, S. 361–374. Newman 2003 Newman, Lindsay: Von der Bühne zum Buch. Hamlet aus der Hand von Edward Gordon Craig, in: Brinks 2003, S. 126–145. Nochlin 1994 (Art in America) Nochlin, Linda. Body Politics: Seurats ›Poseuses‹, in: Art in America, New York, 82/1994, S. 71–77; S. 121–123. o. A. ( Journal de Pharmacie d’anvers) o. A.: Nécrologie, in: Journal de Pharmacie d’anvers, Anvers, 58. Jg., Januar 1901, S. 29–40. Ott 1997 Ott, Ulrich: Kesslers Tagebücher. Probleme und Perspektiven der Edition, in: Neumann/ Schnitzler 1997, S. 29–45. Picard 1896 (L’Art Moderne) Picard, Edmond: La Maison d’Art ›Bing‹ à Paris, L’Art Moderne, Bruxelles, 19.1.1896, S. 22.
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694 Anhang Weimar/ Berlin/ Zürich/ Gent/ Nürnberg 1992, S. 341–357. Stahl 1905 (Berliner Tageblatt) Stahl, Fritz: Fächer, in: Berliner Tageblatt, Berlin, Nr. 550, Jg. XXXIV, 28.10.1905. Stahl 1906 (Berliner Tageblatt) Stahl, Fritz: ›Barbaren über uns!‹ Zur Deutschen Kunstgewerbeausstellung in Dresden, in: Berliner Tageblatt, Berlin, Nr. 203, Jg. XXXV, 1906. Stamm 1973–1975 Stamm, Günther: Monumental architecture and ideology: Henry van de Velde’s and Harry Graf Kessler’s project for a Nietzsche monument at Weimar, 1910–1914, in: Gentse Bijdragen tot de Kunstgeschiedenis, 23, 1973–1975, S. 303–342. Stamm 1992 Stamm, Rainer: Die Villa für Rudolf Springmann (1910/11), in: Schulte 1992, S. 244–250. The Studio 1899 Henry van de Velde, in: The Studio, London, Nr. 81, 15.12.1899, S. 207 f. Velde 1897/1898 (Pan) Velde, Henry van de: Ein Kapitel über Entwurf und Bau moderner Möbel, in: Pan, Berlin, 3. Jg., H. 4, 1897/1898, S. 260–264. Velde 1898 (L’art décoratif) Velde, Henry van de: Henry van de Velde, in: L’art décoratif, numéro spécial consacré à Henry van de Velde, Paris, Oktober 1898, Nr. 1, S. 1–44. Velde 1898 (Dekorative Kunst) Velde, Henry van de: Henry van de Velde, in: Dekorative Kunst, München, 2. Jg., H. 1, 1898, S. 2–43. Velde 1899 (Pan) Velde, Henry van de: Allgemeine Bemerkungen zu einer Synthese der Kunst, in: Pan, Berlin, 5. Jg., H. 4, 1899/1900, S. 261–270. Velde 1899 (L’Art décoratif) Velde, Henry van de: ›Meubles et appareils d’éclairage‹, in: L’Art décoratif Paris: no 12, 1899. Velde 1900 (Die Zukunft) Velde, Henry van de: Pariser Eindrücke, in: Die Zukunft, Berlin, 9. Jg, Bd. 33, Nr. 1, 6.10.1900, S. 14–23. Velde 1901 (Die Zukunft) Velde, Henry van de: Pariser Eindrücke, in: Die Zukunft, 9. Jg., Bd. 34, Nr. 10, 2.2.1901, S. 195–202. Velde 1901 (Die Zeit) Velde, Henry van de: Was ich will, in: Die Zeit, Wien, Bd. 26, Nr. 336, 9. März 1901, S. 154 f.
Velde 1902 (Deutsche Kunst und Dekoration) Velde, Henry van de: Das neue Kunst-Prinzip in der modernen Frauen-Kleidung, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Jg. 5, Bd. X, 1902, S. 363–371. Velde 1902/1903 (Kunst und Künstler) Velde, Henry van de: Die Belebung des Stoffes als Schönheitsprincip, in: Kunst und Künstler, Berlin, H. 12, Berlin 1902/1903, S. 453–463. Velde 1903 (Weimarische Zeitung) Velde, Henry van de: ›Pietät? Ick aben keine Pietät‹, in: Weimarische Zeitung, 11.12.1903. Velde 1906 (The Monthly Journal of the Lyceum Club) Velde, Henry van de: The Club Dinner, in: The Monthly Journal of the Lyceum Club, London, Vol. 11, No. 20, June 1906, S. 118 f. Velde 1906 (Dekorative Kunst) Velde, Henry van de: Pro domo, in: Dekorative Kunst, München, Jg. 10, H. 2, 1906, S. 49–53. Velde 1908 (Die neue Rundschau) Velde, Henry van de: Die Linie, in: Die neue Rundschau, XIXter Jg., Dritter Bd., Berlin 1908, S. 1035–1050. Velde 1910 (Süddeutsche Monatshefte) Velde, Henry van de: Kunst und Industrie, in: Süddeutsche Monatshefte, Januar 1910, Berlin, S. 78–90. Velde 1929 (Europäische Revue) Velde, Henry van de: Das Neue in Architektur und Gebrauchskunst, in: Europäische Revue, Berlin, Jg. 5, 1929, S. 116–128. Velde 1949 Velde, Henry van de: Formen. Die reine zweckmässige Form, in: Werk. Schweizer Monatsschrift für Architektur, Kunst und künstlerisches Gewerbe, Winterthur, Bd. 36, H. 8, 1949, S. 247–250. Wahl 2008 (Die Pforte) Wahl, Volker: ›Ick 'aben keine Pietät‹. Henry van de Velde als Opfer des Streits um Goethes Gartenmauer 1903, in: Die Pforte, H. 9, Weimar 2008, S. 328–354. Walter 2001 Walter, Sabine: Die Sammlung Harry Graf Kessler in Weimar und Berlin, in: Pophanken/ Billeter 2001, S. 67–93. Weber 1992 Weber, Klaus: ›Der Dämon der Linie‹. Frühe Arbeiten von Henry van de Velde zwischen Bild und Ornament, in: Ausst. Kat. Hagen/ Weimar/ Berlin/ Zürich/ Gent/ Nürnberg 1992, S. 118–131.
Literatur- und Quellenverzeichnis 695 Weber 2003 Weber, Klaus: En pleine guerre, en pays allemand. Henry van de Velde und die Kriegsdrucke der Cranach Presse, in: Brinks 2003, S. 76–85. Wollkopf 1990 Wollkopf, Roswitha: Das Nietzsche-Archiv im Spiegel der Beziehungen Elisabeth FörsterNietzsches zu Harry Graf Kessler, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 34. Jg. 1990, Stuttgart 1990, S. 125–167. Zeller 1992 Zeller, Bernhard: Die Tagebücher und Korrespondenzen des Grafen Kessler. Geschichte ihrer Erwerbung durch das Deutsche Literaturarchiv, in: KulturStiftung der Länder, Patrimonia 52, Marbach a. N. 1992, S. 6–8. Veröffentlichte Briefwechsel: Bender 1987 Bender, Hans (Hrsg.): Annette Kolb – René Schickele. Briefe im Exil 1933–1940, Mainz 1987 Bodenhausen 1953 Bodenhausen, Dora Freifrau von: Hugo von Hofmannsthal – Eberhard von Bodenhausen. Briefe der Freundschaft, Köln/ Düsseldorf 1953 Burger 1968 Burger, Hilde (Hrsg.): Hugo von Hofmannsthal – Harry Graf Kessler. Briefwechsel 1898–1929, Frankfurt a. M. 1968 Dehmel 1923.a Dehmel, Richard: Ausgewählte Briefe aus den Jahren 1883 bis 1902, Berlin 1923 Dehmel 1923.b Dehmel, Richard: Ausgewählte Briefe aus den Jahren 1902 bis 1920, Berlin 1923 Föhl 1989 Thomas Föhl: Künstlerbriefe an Curt Herrmann, in: Bothe 1989, S. 288–633. Föhl 2013 Von Beruf Kulturgenie und Schwester. Harry Graf Kessler und Elisabeth Förster-Nietzsche. Der Briefwechsel 1895–1935, hrsg. von Thomas Föhl, Weimar 2013 [Forschungen und Dokumente aus dem Nietzsche-Archiv, Klassik Stiftung Weimar] Foucart 1985 Foucart, Claude: D’un monde à l’autre. La correspondance André Gide – Harry Kessler (1903–1933), Lyon 1985
Grosz 1979 Grosz, George: Briefe 1913–1959, Hamburg 1979 Heiseler 1969 Heiseler, Bernt von (Hrsg.): Zwischen Deutschland und Russland. Briefe von Henry von Heiseler, Heidelberg 1969 Hesse-Frielinghaus 1983 Hesse-Frielinghaus, Herta (Hrsg.): Gerhart Hauptmann – Ludwig von Hofmann. Briefwechsel 1894–1944, Bonn 1983 Kamzelak 2004 Kamzelak, Roland S.: E-Editionen. Zur neuen Praxis der Editionsphilologie. Ida und Richard Dehmel – Harry Graf Kessler. Briefwechsel 1898–1935, Tübingen 2004 Kirchner/ Velde 1961 Kirchner, Ernst Ludwig; Velde, Nele van de: E. L. Kirchner. Briefe an Nele und Henry van de Velde, mit einer Vorbemerkung von Nele van de Velde und einem Nachwort von Mary van Deventer, München 1961 Miller-Degenfeld 2000 Miller-Degenfeld, Marie-Therese (Hrsg.): The poet and the countess. Hugo von Hofmannsthal’s correspondence with countess Ottonie Degenfeld, Rochester 2000 Newman 1995 Newman, Lindsay M.: The Correspondence of Edward Gordon Craig and Count Harry Graf Kessler, London 1995 Nostitz 1965 Nostitz, Oswalt von (Hrsg.): Hugo von Hofmannsthal – Helene von Nostitz. Briefwechsel, Frankfurt a. M. 1965 Nostitz 1976 Nostitz, Oswalt von (Hrsg.): Rainer Maria Rilke und Helene von Nostitz – Briefwechsel, Tübingen 1976 Schäfer 1997 Schäfer, Carina: Maurice Denis et le comte Kessler (1902–1913), Frankfurt a. M. 1997 [Publications Européennes Universitaires Histoire de l’Art] Simon 1978 Simon, Hans-Ulrich (Hrsg.): Eberhard von Bodenhausen – Harry Graf Kessler. Ein Briefwechsel 1894–1918, Marbach a. N. 1978 [Marbacher Schriften 16]
696 Anhang Unveröffentlichte, konsultierte Briefwechsel und Quellen:
Curt Herrmann an Henry und Maria van de Velde, AML, FSX 468
Fritz Behn an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Sophie Herrmann an Henry und Maria van de Velde, AML, FSX 469
Eberhard von Bodenhausen an Dora von Bodenhausen, DLA, A: Bodenhausen
Hugo von Hofmannsthal an Henry van de Velde, AML, FSX 828
Eberhard/ Dora von Bodenhausen an Elisabeth Förster-Nietzsche, GSA 72/BW 549; 550
Franz Jourdain an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Eberhard/ Dora von Bodenhausen an Henry van de Velde, AML, FSX 248
Alice Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Tagebuch Eberhard von Bodenhausen, 1896–1918, DLA, A: Bodenhausen
Harry Graf Kessler an Eberhard von Bodenhausen, DLA, A: Bodenhausen
Taschenkalender Eberhard von Bodenhausen, 1908–1918, DLA, A: Bodenhausen
Harry Graf Kessler an Alice Gräfin Kessler, DLA, A: Kessler
Wilma de Brion an Max Goertz, DLA, A: Kessler
Harry Graf Kessler an Alfred Walter Heymel, DLA, A: Heymel
Wilma de Brion/ Wilma Gräfin Kessler an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler Wilma de Brion an Henry van de Velde, AML, FSX 319 Edward Gordon Craig an Henry van de Velde, AML, FSX 301 Maurice Denis an Henry van de Velde, AML, FSX 343 Salomon van Deventer an Helene Kröller-Müller, KMM Salomon van Deventer an Henry van de Velde, KMM Herbert Esche an Henry van de Velde, AML, FSX 389 Irene Eucken an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler Willy Finch an Henry van de Velde, AML, FSX 397 Elisabeth Förster-Nietzsche an Eberhard von Bodenhausen, DLA, A: Bodenhausen Elisabeth Förster-Nietzsche an Max Klinger, Stadtarchiv Naumburg Elisabeth Förster-Nietzsche an Henry van de Velde, AML, FSX 403 Sigurd Frosterus an Ida Forsterus, AML, FSX 411 Sigurd Frosterus an Henry van de Velde, AML, FSX 411 Max Goertz an Henry van de Velde, AML, FSX 423 Ludwig Gutbier an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Harry Graf Kessler an Wilma Gräfin Kessler/ Wilma de Brion, DLA, A: Kessler Harry Graf Kessler an Max Klinger, Stadtarchiv Naumburg Harry Graf Kessler an Maria van de Velde, DLA, A: Kessler Max Klinger an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler Max Klinger an Henry van de Velde, AML, FSX 507 Moissej Kogan an Henry van de Velde, AML, FSX 513 Julius Levin an Henry van de Velde, AML, FSX 543bis Aristide Maillol an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler Aristide Maillol an Henry van de Velde, AML, FSX 555 Stéphane Mallarmé an Henry van de Velde, AML, FSX 558 Octave Maus an Henry van de Velde, AML, FSX 573 Julius Meier-Graefe an Eberhard von Bodenhausen, DLA, A: Bodenhausen Julius Meier-Graefe an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler Julius Meier-Graefe an Julius Levin, DLA, A: Levin Julius Meier-Graefe an Henry van de Velde, AML, FSX 576 Constantin Meunier an Henry van de Velde, AML, FSX 586
Literatur- und Quellenverzeichnis 697 Octave Mirbeau an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Henry van de Velde an Eberhard von Bodenhausen, DLA, A: Bodenhausen
Max von Münchhausen an Elisabeth FörsterNietzsche, GSA, Bestand NA, 72/BW 3742
Henry van de Velde an Wilma de Brion, DLA, A: Kessler
Alfred von Nostitz-Wallwitz an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Henry van de Velde an Elisabeth FörsterNietzsche, GSA, Bestand NA 72/ BW 5599,2
Alfred von Nostitz-Wallwitz an Henry van de Velde, AML, FSX 615
Henry van de Velde an Sigurd Frosterus, Suomen rakennustaiteen museo, Helsinki
Karl Ernst Osthaus an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Henry van de Velde an Alfred Walter Heymel, DLA, A: Heymel
Karl Ernst Osthaus an Henry van de Velde, AML, FSX 625
Henry van de Velde an Hugo von Hofmannsthal, DLA, A: Hofmannsthal
Aimé Charles Vincent von Palézieux-Falconnet an Herzogin Elisabeth zu Mecklenburg-Schwerin, Landeshauptarchiv Schwerin, Hausarchiv Mecklenburg-Schwerin/ Nachlaß Herzogin Elisabeth zu Mecklenburg-Schwerin, Nr. 3, Nr. 4, Nr. 6
Henry van de Velde an Max Klinger, Stadtarchiv Naumburg
Elisabeth von Palézieux-Falconnet an Maria und Henry van de Velde, AML, FSX 345
Henry van de Velde an Karl Koetschau, GHM 25b, KSW Henry van de Velde an Helene Kröller-Müller, KMM Henry van de Velde an Julius Levin, DLA, A: Levin
Marie Elisabeth von Palézieux-Falconnet an Henry van de Velde, AML, FSX 345
Henry van de Velde an Octave Maus, AML, FSX 574
Arthur von Payern an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Henry van de Velde an Alfred von NostitzWallwitz, AML, FSX 615
Max Reinhardt an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Henry van de Velde an Karl Ernst Osthaus, Osthaus Museum Hagen
Auguste Rodin an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Henry van de Velde an Maria van de Velde, AML, FSX 784
Rolland Romain an Henry van de Velde, AML, FSX 679
Maria van de Velde an Elisabeth Förster-Nietzsche, GSA, Bestand NA 72/ BW 5600
Théo van Rysselberghe an Henry van de Velde, AML, FSX 800
Maria van de Velde an Curt und Sophie Herrmann, Privatarchiv
Erica von Scheel an Elisabeth Förster-Nietzsche, GSA, Bestand NA, 72/ BW 4690
Maria van de Velde an Lina Herz, Privatarchiv
Erica von Scheel an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Maria van de Velde an Hugo und Gerty von Hofmannsthal, DLA, A: Hofmannsthal
Erica von Scheel an Rainer Maria Rilke, DLA
Maria van de Velde an Henry van de Velde, AML, FSX 786
Erica von Scheel an Henry van de Velde, AML, FSX 455
Edouard Vuillard an Wilma de Brion, DLA, A: Kessler
Karl Scheffler an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Hugo Westberg an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler
Paul Schulze an Wilma de Brion, DLA, A: Kessler A. Tordeur an Paul Otlet, Mundaneum, Doss. 9: Westende 1899–1911, Correspondance Hugo von Tschudi an Harry Graf Kessler, DLA, A: Kessler (teilweise veröffentlicht in Maaz 2003)
698 Anhang
Register Personen und Körperschaften Abbé, Ernst 101, 147, 254, 284, 411, 412, 423, 424, 566, 567, 585, 590 Académie des Beaux Arts, Antwerpen 23, 130 Académie Française, Paris 34 Albers, Jacob 450 Albert I., König von Belgien 108, 650 Alexandre, Arsène 34 Ancey, Georges 48 Anding, Herr 87, 88, 493, 495, 498 Ansorge, Conrad 69, 70, 95, 140, 296, 297, 317, 318, 385, 560, 561 Arendt, Hannah 17, 19 Aristophanes 127 Arnhold, Eduard 332, 333 Art Nouveau, Galerie (Paris) 34, 41, 146, 147, 178, 414 Ashbee, Charles 30, 379 Astruc, Gabriel 95, 547−549, 555, 560, 581, 583, 618, 620 Atheneum, Königliches (Antwerpen) 22, 227 Auffm’ Ordt (auch Auffm’ Ordt u. Ko.) 9, 10 Auguste Victoria Feodora Jenny, Deutsche Kaiserin und Königin von Preußen 219 Avenard, Étienne 445, 446 Bach, Johann Sebastian 105, 608 Backhausen, Eleonore (gen. Elly) 206, 207, 229
Backhausen, Fritz 206, 229 Baedeker, Walther 238 Baensch-Drugulin, Egbert Johannes 54, 79, 241, 243, 392, 398 Bakst, Léon 639 Bakunin, Michail Alexandrowitsch 28 Ballin, Albert 69, 346 Baluschek, Hans 366 Balzac, Honoré de 84, 433, 513, 546 Bandtlow, Oskar 410 Barnowsky, Viktor 624, 626 Barrès, Maurice 557, 559 Baud-Bovy, Auguste 189 Baudelaire, Charles-Pierre 33 Bauhaus, Staatliches 36, 108, 114, 118, 538, 615, 644, 646, 647, 650 Baum, Paul 318 Beardsley, Aubrey 38 Béarn, Martine Comtesse de 81, 82, 426, 427, 430 Beaufort, Jacques de 358 Becher, Johannes R. 112 Beckmann, Max 474 Beckmann-Tube, Minna 475 Beethoven, Ludwig van 180, 190, 535
Register Personen und Körperschaften 699 Begas-von Parmentier, Luise 14
Bieberstein, Freiherr Marchall von 128
Behmer, Hermann 85
Bienwald, Elisa 450
Behn, Max Adolf Friedrich 614−617
Bierbaum, Gemma 274
Behrens, Peter 134, 166, 238, 249, 468, 469, 475, 548
Bierbaum, Otto Julius 134, 273, 274
Benedikt XV., Papst 476, 640
Biermann, Friedrich Ludwig 564
Benoit, Peter 20, 21, 23, 129, 266
Biermann, Leopold 98, 563, 564
Benson, William Arthur Smith 313, 314
Bigot, Alexandre 33, 34, 379, 380
Berghe, Rachel van den 603
Bing, Siegfried 33, 34, 146, 153, 433
Bergmann, Ernst von 483, 487
Binswanger, Dolly 167, 665
Berlioz, Hector 21
Binswanger, Kurt 164, 167, 665
Bernard, Émile 30
Binswanger, Ludwig 164, 167, 535, 537, 538, 540, 570, 670
Bernhard, Georg 657
Binswanger, Otto Ludwig 164, 167, 410, 511, 512, 535−539, 665, 670
Bernheim, Joseph (gen. Josse) 507, 515, 516
Binswanger, Robert 164, 167, 535, 537, 540
Bernstorff, Johann Heinrich Graf von (gen. Jonny, Hans) 489
Bismarck, Otto von 105, 137, 577, 608, 609, 675
Bernstorff, Johanna Gräfin von (gen. Jeanne) 489, 490, 587 Besnard, Albert 30, 34 Bethmann-Hollweg, Theobald von 452, 471 Beyer, Robert 408 Biart, Edgar 511 Biart, Jeanne 29, 130, 509, 511 Biart, Léon 511 Biart, Léona 511
Bizet, George 97 Blanche, Jacques Émile 189, 526, 528 Blanqui, Louis August 93, 94, 414, 430, 431, 556, 558 Bleichröder, Bankhaus 96, 566 Blümer, Familie 11 Blüthner, Julius Pianofortefabrik 66 Boch, Anna 30 Bode, Wilhelm von 74, 112, 258, 368, 369 Bodenhausen, Christa 166
700 Anhang Bodenhausen, Hans-Wilke 166
Brewster, Henry 312
Bodenhausen, Julie 166
Brinckmann, Justus 258
Bodenhausen, Karin 166
Brion, Christian de Michel Duroc, Marquis de, Duc de Frioul 182, 358, 677
Bodenhausen-Degener, Dorothea Freifrau von (gen. Dora) 44, 110, 129, 132, 133, 147, 148, 166, 207, 268, 472, 474, 628, 630, 631 Bodenhausen-Degener, Eberhard Freiherr von 15, 18, 19, 33, 35, 36, 41−45, 49, 60, 65, 67, 74, 77, 105, 106, 112, 123, 124, 128, 129, 132−138, 142, 144, 146, 147, 152, 153, 155, 157, 158, 161, 165, 166, 171, 178, 179, 182, 186−188, 191, 194, 199, 203−205, 207, 214, 223, 225, 230, 237, 238, 241, 253, 268, 272, 275, 277, 291, 299, 316, 325, 327, 332, 334, 367, 368, 384, 385, 401, 403−405, 409, 425, 444, 450, 451, 454, 463, 469, 472, 485, 548, 550, 551, 556, 559–561, 564, 609, 612, 624, 628 Bondi, Felix Dr. 353, 354 Bonnard, Pierre 80, 140, 318, 404, 409, 413−415, 418, 443−445, 515, 516, 540, 541, 613 Bosse, August 363, 366, 367, 445 Bouguereau, Adolphe William 526, 528 Bourassé, Jean-Jacques 201 Bourdelle, Émile-Antoine 548, 549, 582, 583 Bouvard, Roge 96, 548, 549, 552, 555 Brahm, Otto (eigentl. Abrahamsohn) 332, 334 Brahms, Johannes 21, 233 Bramante, Donato 137 Brandenburg, Martin 366 Brentano, Lujo 13 Brentano, Sophie (gen. Sissi) 571, 620
Brion, Géraud de Michel Duroc, Vicomte de, Marquis de 182 Brion, Jacques Christian Géraud Harry de Michel Duroc, Marquis de 182, 582, 668 Brion, Wilhelma de Michel Duroc, Marquise de, Duchesse de Frioul (gen. Wilma) 17, 40, 48, 81, 115, 118, 120, 127−129, 133, 142−144, 180−182, 212, 232, 234, 258, 268, 311, 315, 346, 358, 359, 362, 395, 423, 442, 446, 447, 466, 517, 553, 582, 629, 637, 646, 653, 665, 667–669, 677, 678 Brouckère, J. de 278 Bruckmann, Hugo 398, 399, 494, 517, 518 Bruckmann, Elsa 399 Brütt, Adolf 411, 412, 415 Brunelleschi, Filippo 570 Bücheler, Franz 13 Bülow, Bernhard von 128, 566 Bülow, Cosima von 190 Bugenhagen, Johannes 127 Caesar, Gaius Julius 127 Cambre, La 67, 160, 164, 304, 311, 335, 346, 349, 354, 356, 377, 384, 401, 404, 525, 549, 558, 599, 617, 657, 662, 676 Camondo, Isaac Comte de 201, 202 Canudo, Ricciotto 618−621, 626
Register Personen und Körperschaften 701 Carl Alexander, Großherzog von Sachsen-WeimarEisenach 55, 81, 238, 245, 251, 253, 271, 288, 315, 325, 417 Caroline, Großherzogin von Sachsen-WeimarEisenach 69, 79, 84, 126, 245, 315, 347, 352, 355, 365, 374, 405, 408, 409, 414, 433, 435, 478 Carolus-Duran, Émile Auguste 24, 25, 526, 528 Casati, Marchesa Luisa 533 Caslon, William 646 Cassirer, Alfred 69 Cassirer, Bruno 172, 194, 402 Cassirer, Bruno und Paul (Verlag) 134, 186, 193, 194, 225, 227, 293, 304, 337, 392 Cassirer, Paul 71, 74, 172, 194, 293, 318, 337, 345, 352, 362, 392, 638 Cézanne, Paul 65, 76, 292, 311, 506 Chantrey, Sir Francis Leggatt 387 Charpentier, Alexandre 428–430, 458 Chéret, Jules 30 Chippendale, Thomas 400, 401 Choiseul-Praslin, Lucie Marie de 616 Christie, Archibald Haswell 637, 638 Churchill, Winston Leonard Spencer 639, 640 Claus, Émile 27 Clemenceau, Paul 621 Clemenceau, Sophie 620, 621 Cobden-Sanderson, Thomas James 77, 303, 304, 323, 398, 399
Cochin, Denys 413, 414 Cockerell, Douglas 77, 389, 390, 401, 522 Coene, de Firma 668 Colin, Georges Gaston 128, 613 Colsman, Dorothea Hedwig 352, 354 Colsman, Fräulein 69 Compagnie Japonaise, Brüssel 30 Conder, Charles 140 Corbière, Tristan 545, 546, 597 Corinth, Lovis 74, 78, 392, 405, 408 Corot, Camille 189, 515, 516 Coster, Charles de 129, 603 Courbet, Gustav 51, 189, 422, 423, 506 Cousturier, Lucie 80, 132, 409, 416, 418, 419 Craig, Edward Gordon 76, 79, 82, 144, 374, 426, 436–438, 614, 616, 623, 624 Cranach, Hans Lukas von 504, 505 Cranach, Wilhelm Lucas von 379 Crane, Walter 30, 401 Cremer, Wilhelm 346 Crès, George 652, 653, 657, 659 Cross, Donatella 403, 404 Cross, Henri Edmond 64−67, 80, 140, 222−224, 293, 307, 318, 409, 418, 507, 508, 633
702 Anhang Czapski, Siegfried 254, 407, 410, 458, 461
Dobe, Paul 39, 133
d’Agoult, Marie Gräfin 190
Dönhoff, Fritz 631, 633
d’Annunzio, Gabriele 103, 403, 404, 580, 594, 581, 612, 621
Dohna-Schlodien, Margarete Ursula Reichsgräfin von (gen. Daisy) 251
Dariac, Adrien Louis 666 Daum, Frau 192 Debussy, Claude 69, 70, 296, 297, 317, 318 Defregger, Franz von 443, 444 Defregger, Hans von 443, 444 Degas, Edgard 201, 202, 413 Degenfeld-Schonburg, Dorothea von 133, 147, 166, 560 Degenfeld-Schonburg, Ottonie von 166, 560, 615 Dehmel, Ida 121, 123, 143, 144, 237, 238, 260, 261, 386, 471 Dehmel, Richard 121, 134, 140, 141, 143, 234, 237, 238, 260, 261, 271, 272, 386, 469, 471 Delaherche, Auguste 30, 33, 379, 380 Delbrück, Ludwig 335 Deneken, Friedrich 60, 162, 212, 249 Denis, Maurice 27, 37, 46, 64, 66−70, 80, 140, 171, 292−295, 317, 318, 325, 326, 392−394, 409, 413, 416, 418, 444, 445, 459, 506, 507, 514, 547−552, 554, 580−584, 618−620 Denis, Ruth St. 490 Dettmann, Ludwig 74, 368, 369 Deventer, Sam van 39, 130, 132, 133 Diaghilew, Serge 95, 560, 561, 638
Dorfner, Otto 538, 616, 644 Douglas, Angus von 47, 65, 147, 155, 223 Douglas, Morton von 147, 154, 155, 158, 165 Drüge, Albrecht 456, 457 Druet, Eugène (Galerie Druet) 414, 423, 431, 443, 459, 464−466, 515, 653 Drugulin, Offizin Wilhelm 54, 161, 184, 241, 397, 398, 509 Du Bois (auch Dubois, du Bois), Paul 31, 359, 366, 429 Dubois, Willy 657 Dumont, Louise 74, 75, 332−334, 336, 337, 341, 345, 347, 350, 351, 353, 370−372, 376−378, 383, 384, 463 Duncan, Isadora 260, 330, 331 Dungern, Otto Freiherr von 124, 128, 499, 500, 534 Durand Ruel, Paul-Marie 201, 202, 296, 297 Duret, Théodore 413, 414 Durieux, Tilla 638, 639 Duse, Eleonora 426 École des Beaux Arts, Paris 396 Edwards, Marie Sophie Olga Zenaïde (gen. Maria, Misia) 612, 613, 619 Eelbo, Bruno 135 Eggeling, Otto 271, 406, 409
Register Personen und Körperschaften 703 Eggericx, Jean-Jules 677
Esche, Herbert 65, 69, 354, 428, 450, 451, 540, 541, 571, 601, 603
Egloffstein, Herrmann Reichsfreiherr von und zu 86, 409
Esche, Johanna Louise (gen. Hanni) 354, 428, 451, 472, 540, 541, 601−603
Ehmcke, Fritz Hellmut 475, 476
Eucken, Irene 378, 386, 407, 409, 410, 483, 484
Eichel, Karl von 88, 89, 408, 421, 498–500−502, 504
Eucken, Rudolf Christoph 484
Eichel, Marie von 78, 421, 405, 408
Eysoldt, Gertrud 472
Elisabeth, Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin 139, 355, 492
Faucigny Cystria de Faucigny-Lucinge et Coligny, Marie Louise Léonie Princesse de 562, 563, 582, 612
Elkan, Walter 166, 244, 356, 388 Elsevier, Louis (Lodewijk) 399 Elskamp, Max 20, 22, 27, 40, 112, 130, 180, 227, 228, 525 Engelbrecht, Karl 160, 162 Engelmann, Richard 39, 114 Erler, Fritz 425 Erler, Margarete 450 Ernst, Carl Friedrich Paul 386 Ernst August II. Constantin, Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 254 Ernst Ludwig, Großherzog von Hessen-Darmstadt 37, 55 Esche, Alfred 69 Esche, Arnold 534 Esche, Erdmute 451 Esche, Fritz 560, 603 Esche, Gertrud 603 Esche, Hans Herbert 451
Fayet, Gustave 431, 515, 516 Fechter, Paul Otto Heinrich 476 Fellner, Ferdinand 81, 417 Fellner & Helmer 81, 417 Fénéon, Félix 293, 385, 541 Feodora, Großherzogin von Sachsen-WeimarEisenach 245, 355 Fidus (alias Hugo Höppener) 15 Finch, Alfred William (gen. Willy) 27, 30, 33, 131, 379, 520, 521 Finckenstein, Wilhelm Graf Finck von 524, 525 Fip 90, 128, 259, 446, 503, 518 Fischer, Samuel 178, 184, 675 Fischer, Theodor 355 Fivaz, Henri 552 Flaischlen, Cäsar 193, 194, 336 Flavigny, Cosima de 190 Floury, H. 600
704 Anhang Föge, Adelheid 121
Geffroy, Gustave 430
Förster-Nietzsche, Elisabeth 42, 54−57, 62, 68, 92−97, 99, 100, 102, 103, 106, 107, 112, 114, 118, 129, 135, 136, 140−142, 161, 178, 208, 233−235, 238, 239, 245, 247−249, 251, 253, 254, 260, 261, 267−269, 272, 274, 281, 284, 291, 302, 303, 306, 321, 407, 414, 455, 477, 478, 489, 497, 505, 519, 557, 558, 560, 561, 563, 574, 575, 577, 579, 586, 604, 606, 607, 623, 624, 650
Genast, Eduard 257, 258
Fokine, Michail Michailowitsch 638 Fontane & Co. 128 Fortuny, Mariano 81, 82, 426−428, 430, 432 France, Anatole (eigtl. Jacques Anatole Thibault) 557, 558
Gerz, Simon Peter 249 Geski, Walter 631 Gide, André 69, 70, 140, 316−318, 325, 326, 618, 619 Gide, Catherine Elisabeth 318 Gill, Eric 77, 96, 140, 390, 397, 423, 522, 542, 543, 616 Giotto di Bondone 202
Francke, Otto Prof. Dr. 513, 514
Gleichen-Russwurm, Heinrich Ludwig Freiherr von 271, 365
Freud, Sigmund 670
Gobillard, Paule 409, 418
Friedmann, Ernst 450
Goebbels, Joseph 109, 119, 675
Friedrich August von Sachsen, Prinz 496
Goeckel, Constantin von 80, 384, 415, 417
Friedrich, General 112, 632
Goertz, Max 128, 657, 659, 662
Fritsch, Hugo Freiherr von 68, 80, 415, 417, 462, 464, 504, 505, 509, 523
Goethe, Johann Wolfgang von 54, 118, 135, 324, 369, 371, 372, 435, 456, 463, 511, 558, 624, 626, 646
Fröse, Aderhold Dr. 354 Frosterus, Ida 129, 131, 133, 137, 367, 372, 377 Frosterus, Sigurd 18, 39, 72, 129, 131, 133, 137, 223, 333, 346, 349, 366, 367, 372, 377, 384, 521 Fuller, Loie 260, 331 Galerie Bruno und Paul Cassirer 293 Galerie Keller & Reiner 147, 153, 186, 190, 191, 283 Gauguin, Paul 30, 79, 424, 431, 436, 437, 439, 445, 446, 483, 484, 488−490, 522 Gebhardt, Bruno 201
Gogh, Vincent van 33, 38, 65, 306, 307, 443, 444, 483, 506, 515, 516, 541 Golubeff, Natascha von 84, 403, 404, 427, 433, 434, 459, 466, 533, 594, 614, 615 Golubeff, Viktor von 65, 403, 404, 459, 466, 533 Goncourt, Edmond de 34, 430 Goosens, Franz 130 Gounod, Charles 21 Goya, Francisco de 24
Register Personen und Körperschaften 705 Grand Hôtel, Paris 427, 429, 430, 432, 436, 437, 440, 441, 445, 460, 461, 477, 480, 482, 506, 507, 510, 515, 520, 535−537, 543, 554, 555, 580, 582−584, 586, 587, 590, 610, 612, 616, 625, 626, 643, 659 Grasset, Bernard 672, 673 Graul, Richard Ernst Prof. Dr. 371 Grauls, Maria 130 Greenaway, Kate 33 Greffulhe, Elisabeth Comtesse de 612−614, 616, 620, 621 Greindl, Jules Graf von 134 Gropius, Walter 36, 114 Gross, Rudolph Gabriel Freiherr von 87, 245, 492 Grosz, George 17, 129 Grubert, Friedrich 138 Grünewald, Matthias (Mathis Gothart Nithart) 237 Guaita-Lampe, Else von 111, 113, 538, 539, 571, 643, 644, 670 Guérin, Charles 318, 380 Guilleminault, Marcel 96, 539, 549, 553, 667 Guseck, Fritz 128, 666 Gutbier, Adolf 205 Gutbier, Ludwig Wilhelm 69, 204−206 Guthmann, Dr. Johannes 392−394 Haby, François 197 Hagen, Theodor 370, 417, 495 Hahn, Hermann 412
Hain, Paul 450 Hallam, Arthur Henry 390 Hanke, Reinhold 249, 308, 309, 321, 366 Hannover, Emil 683 Harden, Maximiliam 17, 86, 87, 485, 491−494, 496 Hardt, Ernst 563, 630, 631 Harrach, Ferdinand Graf von 191, 230, 259 Harrach, Hans Albrecht Graf von 55, 56, 230, 454, 455 Harrach, Helene Gräfin von 230, 454 Hartleben, Otto Erich 469 Hauptmann, Gerhart 37, 68, 103, 140, 366, 371, 372, 416, 419, 444, 462, 464, 470, 481, 515, 516, 534, 589, 590 Hauptmann, Ivo 366, 419, 443, 444, 540, 541 Hegeler, Wilhelm 334 Heilmann, Jakob 435 Heilmann & Littmann 355, 435 Heine, Thomas Theodor 425 Heineman (auch: Heinemann), Dannie 664, 665 Heineman, James 665 Heineman, Minna 665 Heinemann, Hettie 665 Heinrich XIV., Fürst Reuß j. L. 9 Heinrich XXII., Fürst Reuß ä. L. 408
706 Anhang Heinrich XXXI., Fürst Reuß ä. L. 134
Hildebrand, Adolf von 98, 411, 412, 564, 565
Heiseler, Henry von 111, 628, 629, 631, 668, 670
Hindenburg, Conrad von 191, 192
Held, Louis 4, 373, 374, 385
Hindenburg, Sophie von 191
Helmer, Hermann 81
Hirschwald, Hermann 35, 36, 50, 51, 53, 167, 171, 203, 205, 206, 225, 230, 232, 237, 241−244, 247, 256
Helmholtz, Hermann von 98, 564, 565 Henckel, Guido Graf, 1. Fürst von Donnersmarck 191 Henckel, Katharina Gräfin, 1. Fürstin von Donnersmarck 191 Henry van de Velde G.m.b.H. 35, 49, 147, 149, 166, 177, 179, 203, 289 Herder, Johann Gottfried 135 Herman-Wain, Benedikt Freiherr von (gen. Benno) 275, 277, 278, 294 Herman-Wain, Walther Freiherr von (gen. Watsch) 275, 276, 294 Hermine (geb. Prinzessin von Reuß ä. L.) 478 Herrmann, Curt 44, 65, 69, 71, 84, 153, 157, 158, 162, 171, 202, 206, 223, 234, 274, 282, 289, 293−295, 318, 359, 360, 362, 366−368, 385, 409, 414, 431, 450, 469, 628 Herrmann, Sophie 69, 130, 144, 146, 158, 162, 164, 172, 174, 176, 199, 205, 229, 264, 307, 346, 413−415, 451, 452, 466, 544, 554, 580, 590, 628, 629, 634, 662, 665, 670 Herz, Lina 202, 287−289 Heymann, J. D. Hofmöbelfabrik (Hamburg) 47, 166 Heymans, Adrien-Joseph 27 Heymel, Alfred Walter von 6, 72, 77, 114, 271, 284−288, 290, 291, 351, 381, 389, 390, 436, 437, 473, 474, 477, 484, 499, 627, 629 Heymel, Marguerite (gen. Gitta) 6 Hickethier, Max 64, 136, 298, 299
Hitz, Dora 474 Hoffmann, Josef 672 Hofmann, Eleonore von (gen. Elly) 419, 456, 489, 523, 538, 543, 544, 546 Hofmann, Ludwig von 15, 67, 68, 78, 80, 81, 140, 173, 174, 334, 349, 378, 392, 405, 407, 415, 417, 419, 421, 425, 437, 444, 449, 450, 452, 453, 455, 456, 462, 464, 468–470, 476–478, 481, 495, 523, 534, 543, 544, 546, 624 Hofmannsthal, Hugo von 6, 9, 37, 67, 76, 92, 103, 124, 127−129, 132, 136, 137, 140, 141, 144, 372−375, 396, 425−427, 430, 444, 460, 461, 463, 464, 472, 480, 481, 485, 486, 488, 489, 499, 503, 504, 520, 521, 528, 544, 545, 550, 558, 572, 574, 614, 615, 619, 628, 638, 680 Hohenlohe-Schillingfürst, Chlodwig 128 Hohenzollern Kunstgewerbehaus, Berlin 35, 50, 53, 203, 211, 219, 241, 244, 256 Hollaender, Felix 472 Holler, F. W. 162 Homer 18, 520, 522, 524, 525, 527, 531 Höppener, Hugo (Fidus) 15 Horne, Herbert 30 Horsley, Gerald C. 401 Hotel Astoria, Leipzig 655 Hotel Baur, Zürich 655 Hotel Beaurivage, Lausanne 319, 321, 322, 324
Register Personen und Körperschaften 707 Hotel Belle-Vue, Bern 633
Hotel Vesuv, Neapel 655
Hôtel Bellevue, Dresden 240, 420
Houweninge, Anne van 264
Hotel Bristol, Berlin 202, 203, 275
Houweninge, Gerard van 264
Hotel Cecil, London 86, 116, 124, 226, 276, 278, 294, 296, 297, 302–304, 315–317, 320, 322, 336, 337, 340, 342, 343, 350, 354, 355, 357, 359, 361, 363, 366, 367, 369, 370, 383, 386, 389, 395, 397, 399, 411, 417, 422, 425, 436, 438, 445, 458–460, 467, 480, 482, 491, 493, 496–498, 500, 502, 504, 505, 625, 640, 642−645
Houweninge, Joachimus van 264
Hotel Chatham, New York 642
Hübner, Ulrich 366, 425, 430
Hotel Chatham, Paris 18, 124, 310–312, 318, 326, 351, 356–358, 367, 368, 383, 393, 417, 419
Hübotter, Wilhelm 665
Hôtel d’Angleterre, Genf 640 Hotel de Rome, Berlin 328 Hôtel des Indes, Den Haag 641 Hôtel Drouot, Paris 385 Hotel Erbprinz, Weimar 124, 254−256, 269 Hotel Foyout, Paris 426 Hotel Marquardt, Stuttgart 614, 616 Hotel Mirabeau, Clarens-Montreux 633 Hôtel Moderne, St. Jean de Luz 611 Hôtel Monte Verità, Ascona 670 Hotel Petersen, Grünheide 228 Hotel Royal, Rom 655 Hotel Russischer Hof, Weimar 456, 457 Hotel Sonnenstein, Bad Sulza 482
Houweninge, Lucie van (gen. Luus) 264 Houweninge, Nele van 264
Hugo, Victor 113 Hunnius, Johannes 381, 434−437, 441, 442, 448, 449 Huysmans, Camille 108, 648, 650, 663 Huysmans, Joris 17 Ibsen, Henrik 38, 192, 333, 371 Ida, Fürstin Reuß XXII. ä. L. 408 Iemitsu, Tokugawa 564, 565 Ieyasu, Tokugawa 564, 565 Ihne, Ernst Eberhard von 134, 353, 355, 435 Image, Selwyn 30 Isacker, Philippe Van 108 Jacques, Charlotte Catherine Marie 429 Jacques, Norbert 39 Jamot, Paul 618, 620 Janlet-van de Velde, Thylla 120
708 Anhang Jautschus, Bruno 346, 393
Kelmscott Press 30
Jenson, Nicolaus 397
Kerssenbrock, Herr 277
Jespers, Oscar 129
Kersten, Paul 644
Johann Georg, Prinz von Sachsen 496
Kessler, Adolf Wilhelm 9, 268
Johanneum 11, 127
Kessler, Alice Harriet 9, 84, 128, 129, 182, 198, 199, 232, 268, 314, 358, 433, 513
Johnston, Edward 77, 390, 616, 625 Jordaens, Jacob 441 Jorrand, Antoine 34 Jourdain, Frantz 518, 519 Junge, Margarete 366 Justi, Ludwig 200, 201 Kahn, Gustave 26 Kaiser Wilhelm I. 182 Kaiser Wilhelm II. 258, 478, 527 Kalckreuth, Leopold Graf von 74, 238, 282, 367, 377, 378, 383, 392, 393, 493 Kämmer, Paul 112, 599, 615, 631, 645 Kanold, Paul 665 Kardoff, Konrad von 408 Karl August (II), Erbgroßherzog von SachsenWeimar-Eisenach 257
Kessler, Géraud 182, 668 Kessler, Harry Graf 3−20, 27, 29, 31, 33, 35, 37, 38, 40−129, 131−166, 168−184, 186−210, 212−219, 222−251, 253−341, 343−364, 366−370, 372−374, 377−381, 383−397, 399, 401−404, 408−415, 417−438, 440−461, 463−471, 473−508, 510−522, 525−568, 570−588, 590, 592−601, 603, 606−669, 671−678, 680, 681 Kessler, Johannes 9 Kessler, Wilhelma Karoline Louise Alice Gräfin von (gen. Wilma) 17, 48, 127, 128, 144, 180−182, 212, 232, 234, 257, 268, 311, 315, 346, 358, 359, 362 Keyserling, Hermann Graf von 473 Kindler, Emil 271 Kindorf, Frau 282 Kippenberg, Anton 96, 161, 508, 510, 558, 562, 563, 578, 645 Kirchner, Ernst Ludwig 113, 167 Kleinhempel, Gertrud 366 Klemm, Hermann 665
Keep, Kaufmann 136
Klemm, Walther 114
Keller, Martin 147, 152, 153, 170, 171, 186, 190, 191, 223, 224, 283
Klimsch, Fritz 392
Keller et Guérin, Luneville 379, 380
Klimt, Gustav 425
Register Personen und Körperschaften 709 Klinger, Max 33, 54, 68, 70−72, 74, 93−96, 98, 126, 137, 140, 234, 283, 284, 309, 310, 334, 346, 347, 351, 359, 360, 362, 371, 412, 424, 425, 430, 432, 436, 440, 441, 462, 464, 474, 475, 492, 493, 556, 558–560, 562, 566–568, 570, 578, 579, 590 Knesebeck, Bodo von dem 134, 191 Koegler, Harald 503 Köhler [Kähler] 652 König, Franz 275 Koetschau, Karl 37, 90, 132, 436, 451, 509, 511, 520, 521, 524, 525, 532 Kohler, Joseph 96, 558, 566 Kohnstamm, Oskar 110, 628 Kolb, Annette 19, 40, 113, 129 Kolbe, Georg 114, 310, 425, 430, 562, 563 Kopp, Max 631 Kramer & Baum, Krefeld 212 Krehan, Arno 97, 99, 140, 141, 574−577 Kreis, Wilhelm 105, 550, 609 Kriesche, Ernst 570 Kröller, Anthony (gen. Bob) 114, 635 Kröller, Anton 108, 114, 635, 637, 648, 650, 660, 661 Kröller, Heinrich 638 Kröller-Müller, Helene 37−39, 108, 114, 115, 132, 133, 635, 636, 641, 648, 660, 661 Kropotkin, Peter (Pjotr) Alexejewitsch Fürst 28
Krupp AG, Friedrich 147, 622 Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav Georg Friedrich 621, 622 Kuehl, Gotthard 491, 493 Kuithan, Erich 254 Kunstakademie Königsberg 369 Kunstgewerbeschule, Großherzoglich-Sächsische (Weimar) 36, 73, 82, 91, 108, 110, 111, 167, 288, 289, 366, 412, 417, 440, 453, 458, 473, 486, 519, 521, 525, 599, 615, 628, 630, 631, 644, 647, 650, 655 Kunstgewerbliches Seminar, Weimar 36, 174, 287, 301, 324, 352, 366, 374, 402, 408, 466, 519, 655 Kunstschule, Großherzoglich-Sächsische (Weimar) 55, 58, 59, 61, 63, 135, 174, 233, 247, 250, 251, 253, 267−272, 280, 282, 287, 299, 303, 305, 306, 326, 349, 370, 378, 408, 409, 444, 521 Ladewig, Carl 179 Lafargue, Marc 397 Laforgue, Jules 26 Lalique, René Jules 379 La Maison Moderne (Paris) 34, 153, 182, 362 Lambert, Baronin Johanna de (gen. Hansi) 676−680 Lambert de Rothschild, Baron Henri de 678−680 Lampe, Walter 538, 540, 579 Lancken, Friedrich Karl von der 13, 128 Langenberg, Fritz 256 Lascelles, Frank Cavendish Sir 191 Lauweriks, Johannes Ludovicus Mathieu 548
710 Anhang Lavery, John Sir 83, 467, 468
Littmann, Max 82, 139, 355, 417, 427, 434–438
Le Corbusier (Charles Monet-Édouard Jeanneret-Gris) 36, 672
Livius, Titus 127
Lehrs, Max 74, 368, 369
Lloyd George, David 1st Earl Lloyd George of Dwyfor 639, 640
Leistikow, Walter 371, 373, 392, 393, 408
Loeb, James ( Jimmy) 614−617
Lemke, Rudolf 103, 606
Loeffler, Ludwig 478
Lemmen, Georges 27, 34, 160, 161, 178, 182−184, 187, 188, 280, 281, 398
Loti, Pierre 515, 516
Lenke, Rudolf 103, 606, 607 Léopold II. Louis Philippe Marie Victor 266 Lepke, Rudolph Auktionshaus 179 Lepke, Rudolph 171, 179 Les Vingt (Les XX) 27, 28, 30, 51, 152, 178, 223, 282, 318, 433, 521 Lethaby, William Richard 401 Levin, Julius ( Jules) 132, 185, 186 Lewald, Theodor 332, 333, 335 Liberty & Co. 30 Libre Esthétique, La 51, 160, 171, 174, 186, 189, 278, 280–282, 445 Lichnowsky, Karl Max Fürst von 571, 572 Lichtwark, Alfred 15, 47, 62, 165, 166, 258, 299, 367 Liebermann, Max 74, 83, 134, 140, 310, 311, 328, 335, 345, 346, 350, 352, 371, 373, 374, 467, 492 Linde, Maximilian (gen. Max) 451, 560 Lindemann, Gustav 333 Liszt, Franz 21, 118, 190, 258, 297, 646
Louis Philippe I. 200, 201 Louis XV. 465, 542 Luce, Maximilien 27, 155, 224, 318, 409, 418 Luchsinger, Erdmute Margarete 451 Lucius von Stoedten, Bertha Hedwig Freifrau von 547, 549, 550 Ludwig, Max 476 Lutens (auch: Lütens), Jenny 180 Macartney, Sir Mervin Edmund 401 Mackensen, Fritz 110, 615, 628 Madison Hotel, Paris 672 Maeterlinck, Maurice 69, 70, 111, 296, 297, 317, 318, 328, 631, 669, 670 Maillol, Aristide 17, 30, 68, 93−95, 97−99, 101, 140, 309, 373,392, 396, 397, 407, 410, 414, 428−431, 433, 443−445, 459, 461, 512, 513, 520, 522, 531, 538, 540, 556−560, 562, 564, 568−571, 589, 600, 613, 614, 616, 639, 649–651, 663, 664 Maillol, Gaspard 397 Malkowsky, Georg 135, 270–272 Mallarmé, Stéphane 26, 125, 144, 227, 228
Register Personen und Körperschaften 711 Mame, Alfred-Henri-Amand 200, 201
Merian-Genast, Emilie 257, 258
Man, Hendrik de 108
Merkelbach & Wick 249
Manet, Édouard 76, 515, 516
Messel, Alfred 345–347, 350, 472
Mangold, Anton 469
Meunier, Constantin 27, 51, 146−152, 154, 156, 157, 160, 198, 412, 428–430, 515
Mardersteig, Georg 100, 101, 578, 579, 585−588, 599 Marie Alexandrine Anne Sophie Auguste Helene Prinzessin Reuß VII (gen. Zitta) 324, 325
Meunier, Léocadie 148 Meyendorff, Olga Freifrau von 55, 525
Martens, Prof. Dr. Adriaan Albert Herman 109, 671, 672
Meyer, Richard Moritz 94, 556, 558, 559
Martersteig (später: Mardersteig), Friedrich 579
Meyerbeer, Giacomo 190
Marx, Roger 551
Mies van der Rohe, Ludwig 36, 673
Marzi & Remy 249
Miller & Richard 496
Massine, Léonide Fjodorowitsch 638
Millet, Jean-François 24, 226
Matthes, Joseph Friedrich 666
Milon, Eugène 96, 549, 583
Maurras, Charles 557, 559
Minne, Georges 27, 51, 160, 183, 184, 281, 282, 308
Maus, Madeleine 38, 131, 132, 178, 282, 521
Mirbach-Harff, Wilhelm Graf 134
Maus, Octave 131, 174, 228, 359, 412, 583
Mirbeau, Octave 34, 396, 413, 414, 428−431, 518
Meier-Graefe, Julius 15, 33, 34, 44, 49, 132, 152, 153, 162, 166, 178, 182, 186, 291, 293, 307, 351, 362, 386, 401, 402, 450, 472−474,
Molière, Jean Baptiste 48, 498, 546
Mendelsohn, Erich 118, 670 Mendelssohn, Giulietta von 472 Mendelssohn, Robert von 472 Menke, Rudolf 103, 606, 607 Menzel, Adolph von 15 Merian, Emil 258
Mommsen, Theodor 335 Monet, Claude 6, 74, 76, 77, 79, 201, 369, 371, 372, 422, 436, 437, 495 Monnom, Sylvie (›Veuve Monnom‹) 186, 317 Mons, Émile van 32 Morgan, Walter Vaughan 83, 469 Morice, Charles 188, 189, 430, 431
712 Anhang Morley’s Hotel, London 448 Morosov, Ivan Abramowitsch (auch: Morossoff, Morosow, Morozov) 443, 444
Mutzenbecher, Kurt (auch Curt) von 65, 153, 223, 392−394, 397, 401, 443, 444, 459, 463, 477, 478, 514 Mutzenbecher, Pauline Freifrau von 291
Morren, Georges 30, 366
Mutzenbecher, Victor von 134, 290, 291, 392, 463, 477, 478, 556, 558
Morris, William 15, 28–30, 33, 38, 61, 75, 161, 314, 324, 399–401, 525
Nabokov, Nicolas 17, 129
Moser, Koloman (gen. Kolo) 468, 469 Mosson, Georg 366 Müller, Hans 315, 359, 466, 519 Müller, Theodor 315, 346, 354, 359, 517, 519 Müller, Wilhelm, (gen. Willi) 315, 359, 466, 519 Müller, William 463 Münchhausen, Editha (gen. Titta) 6, 302
Nasse, Erwin 13 Natanson, Alexandre 294, 295, 613 Naumann, Constantin Georg 161, 164, 178 Nernst, Hermann 450 Newton, Ernest 401 Nietzsche-Archiv 41, 54, 63, 92, 93, 140, 182, 233, 247−249, 254, 269, 283−285, 302, 334, 362, 370, 402, 461, 511, 557, 558, 561, 563−565, 622, 623
Musée Cinquantenaire 171
Nietzsche, Friedrich 18, 28, 41, 49, 54, 57, 63, 69, 92−94, 96−99, 102, 103, 105−107, 112−114, 118, 129, 133, 135, 136, 140−142, 150, 160, 161, 178, 182, 208, 232−236, 238, 239, 245, 247−249, 251, 253, 254, 260, 261, 267−269, 272, 274, 281−285, 291, 302, 303, 306, 321, 324, 334, 335, 346, 347, 362, 370, 371, 386, 397, 402, 407, 414, 419, 455, 460, 461, 466, 477, 478, 489, 497, 505, 510, 511, 516, 519, 537, 544, 556−567, 570−575, 577−580, 585−589, 593, 599, 604−610, 613, 615, 617, 622−624, 643, 648, 650, 675
Museum Folkwang 72, 234, 239, 241, 243, 244, 289, 312, 351
Nijinsky, Vaslav 638
Museum für Kunst und Kunstgewerbe, Weimar 6, 71−73, 77, 87, 126, 138, 153, 174, 245, 253, 257, 285, 306, 318, 351, 355, 360, 362, 365, 367, 368, 379–381, 383, 384, 390, 395, 402, 408, 409, 414, 417, 425, 433, 434, 437, 450, 451, 479, 480, 511, 525
Nordenfjeldske Kunstindustrimuseum, Trondheim 171
Münchhausen, Max von 6, 18, 69, 129, 302, 303 Munch, Edvard 15, 38, 261, 450, 451, 455, 468, 469, 558, 603 Murray, George Gilbert Aime 557, 558
Muther, Richard 371, 372 Muthesius, Hermann 508, 510, 631 Mutius, Gerhart von 451, 452, 471, 487 Mutz, Richard 379, 380
Nostitz-Wallwitz, Alfred von 6, 37, 81, 123, 124, 128, 132, 134, 144, 177, 196, 197, 205, 206, 328, 329, 333, 381, 417, 425, 426, 525, 528, 544, 551 Nostitz-Wallwitz, Anna von 206 Nostitz-Wallwitz, Benno von 206 Nostitz-Wallwitz, Helene von 6, 38, 67, 84, 128, 129, 197, 205, 219, 433, 503, 525, 527, 528, 544
Register Personen und Körperschaften 713 Nostitz-Wallwitz, Karl Neale von 206
Palézieux, Marie Elisabeth von 505
Nostitz-Wallwitz, Oswald von 206
Palézieux, Vido von 505
Obrist, Hermann 275, 276, 624
Palézieux, Wilhelm Ernst von 505
Oehler, Adalbert 96, 284, 558
Palézieux gen. Falconnet, Aimé Charles Vincent von 55−59, 61, 68, 73, 74, 78, 79, 84−90, 128, 138, 139, 238, 244, 245, 250−253, 255, 260, 271, 281, 282, 298, 299, 304, 306, 316, 344, 345, 353, 355, 362, 368, 369, 376, 384, 405, 415−417, 452, 453, 462, 464, 476, 479, 480, 485, 491−495, 498−505, 512, 530
Olbrich, Joseph Maria 393, 474 Olde, Hans 61, 68, 80, 268, 280−282, 306, 326, 378, 384, 407, 411, 412, 415, 449, 462, 464, 484, 492, 493, 495 Olin, Pierre 131 Orlik, Emil 238, 260 Osthaus, Gertrud 289, 354, 544, 545 Osthaus, Karl Ernst 65, 94, 114, 130, 223, 239, 241, 256, 274, 287, 289, 309, 310, 326, 486, 492, 545, 547, 548, 556, 559, 563, 604, 624 Otlet, Paul 246 Oud, Jacobus Johannes Pieter 672 Pabst, Karl 457, 458 Paechter, Hermann 35, 166, 202, 242, 243 Paepe, Guillaume de 29, 266 Paepe, Héliodore de 266 Paepe, Maria Elisabeth de 29, 266 Paepe, Polydore de 130, 497 Paepe, Virginie de 21, 129 Palézieux, Georg von 298, 505 Palézieux, Gertrud von 505 Palézieux, James Dolben von 505
Palézieux gen. Falconnet, Elisabeth von 56, 57, 68, 238, 245, 250, 251, 271, 306, 320, 321, 324, 344, 504, 505 Pan 14−16, 33, 41, 50, 126, 128, 132, 137, 147, 153, 155, 157, 158, 161, 166, 173, 185−189, 194−196, 201, 237, 258, 274, 282, 284, 369, 371, 372, 392, 469, 527 Pankok, Bernhard 275, 276 Patentamt, Kaiserliches 150 Paul, Ernst 412 Paul, Johannes 35, 177−179 Paul, Vally 320, 321, 330 Pauli, Gustav 368, 369, 473 Pauline, Erbgroßherzogin von Sachsen-WeimarEisenach 60, 68, 70, 76, 135, 257, 258, 260, 310, 318, 326, 374, 408, 499 Paulus, Adolf 282 Payern, Arthur von 6, 70, 367, 368, 370, 396, 402, 413, 415, 416, 449, 477, 482, 512, 515 Pellegrini, Alfred Heinrich 660, 661 Penner, Otto 475, 476
714 Anhang Permanente Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe, Weimar 58, 61, 62, 245, 253, 260, 282, 299, 300−302, 304, 360 Perret, Auguste 96, 549, 582, 583, 619, 620, 647 Perret, Gustave 96, 549 Petitjean, Hippolyte 155, 318 Petrie, Maria 444, 445 Philipp II. von Spanien 20 Picard, Edmond 28, 189, 385 Picasso, Pablo 260 Pilis, J. A. von 473, 474 Pissarro, Camille 27 Plietzsch, Eduard 38, 39 Poellnitz, Rudolf von 394 Poeschel, Carl Ernst 393, 394 Poeschel & Trepte, Leipzig 390, 394 Pogge, Hans 233 Poincaré, Raymond 664, 666 Poiret, Paul 366, 541 Pompadour, Marquise de 542 Possehl, Emil 69, 324, 421, 428 Powell, Harry James 336 Powell & Sons, London 336 Preetorius, Willy 450
Pressensé, Françis de 429 Prince, Edward 625 Prior, Edward 401 Prott, Marie Agnes von 55, 57 Przybyszewski, Stanisław 151 Pullman, George Mortimer 75, 340, 342 Pullman Palace Car Company 75, 340, 342 Raleigh, Sir Alexander Walter 557, 558 Ranson, Paul 443−445, 537−540 Rathenau, Walther 96, 100, 109, 558, 566, 573, 576, 656, 657, 665, 666, 672, 673 Ratibor und Corvey, Marie Herzogin von, Prinzessin zu Hohenlohe-Schillingsfürst 191 Ratibor und Corvey, Viktor Amadeus 2. Herzog von, Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst 191 Reclus, Élisée 28 Redon, Odilon 70, 140, 318, 325, 326 Redslob, Edwin 37, 125, 297, 663 Reiner, Karl R. 147, 152, 153, 170, 171, 186, 190, 191, 223, 224, 283 Reinhardt, Max 74, 460−463, 472−474, 480, 549, 565, 617, 624 Reitzenstein, Werner Christoph von 87, 492, 494, 496 Renoir, Pierre-Auguste 76, 422 Reye, Editha 450 Richter, Cornelie 14, 35, 49, 134, 186, 189, 190−192, 194, 219, 232, 320, 321, 326, 370
Register Personen und Körperschaften 715 Richter, Gustav 124, 128, 190, 191
Rothschild, Familie 117, 658, 660
Richter, Raoul 13, 96, 103, 370, 558, 566
Rotonchamp, Jean de 431, 489
Richter, Reinhold 487
Roussel, Ker-Xavier 318, 409, 418, 445, 549
Ricketts, Charles 140, 161
Ruedel, Dr. Herr 429
Riemerschmid, Richard 468, 469
Ruland, Dr. Carl 456, 457, 511
Rilke, Rainer Maria 109, 118, 528, 541, 544, 671
Ruskin, John 28, 29, 38
Rink, Helene 450
Rysselberghe, Elisabeth van 131, 318, 364, 571
Robert, Hubert 542
Rysselberghe, Maria van (gen. Matata) 131, 167, 317, 318, 359, 364, 403, 459, 625
Rodin, Auguste 27, 38, 51, 76, 84−86, 139, 140, 245, 294, 295, 369, 429, 432−434, 473, 476, 479, 485, 486, 528, 546, 557, 615, 616
Rysselberghe, Théo van 27, 30, 31, 33, 70, 72, 74, 77, 96, 131, 140, 160, 167, 186, 223, 224, 317, 318, 349, 359, 360, 362, 364, 369, 371, 372, 380, 381, 403, 409, 418, 436, 437, 442, 444, 445, 448, 459, 463, 466, 495, 516, 521, 541, 549, 553, 592, 618, 625
Rohlfs, Christian 326, 548 Rolland, Romain 647, 648 Romberg, Konrad-Gisbert Freiherr von 112 Ronnefeld, R. 240 Roosevelt Hotel, Paris 555 Rosenberg, Adolf Carl 392, 393 Rosenhagen, Hans 134, 273, 274, 293, 361, 398, 399 Roßbach, Arwed 254 Rothe, Karl 57−62, 71, 80, 138, 238, 245, 246, 248, 250, 251, 260, 267, 268, 271, 281, 282, 285–287, 298, 300, 304, 332, 347, 349, 353, 376, 405, 407, 409, 415, 421, 425, 428, 434, 437, 442, 452, 462, 483, 484, 488, 491, 498, 523, 525 Rothe, Luise 246, 270, 271, 409 Rothenstein, William 140
Sada Koyama (Künstlername: Sada Yakko, Sada Yacco oder Sadayakko) 260, 261 Saenger, Bernhard 243 Saenger, Samuel (gen. Sam) 262, 485 Saenger-Sèthe, Elisabeth (gen. Lilli) 262 Saenger-Sèthe, Irma (Sèthe, Irma) 31, 32, 224, 262, 418 Saenger-Sèthe, Magdalene (gen. Lella, Leela, Lela) 262 Sainsère, Olivier 413, 414 Saint George’s School 10 Salis-Marschlins, Meta von 254 Salm-Horstmar, Wilhelm Prinz zu 332, 334 Salomonsohn, Arthur 174 Sauckel, Fritz 572
716 Anhang Sauter, Georg 468
Schmidt, Hermann 364, 365
Schaarwächter, Julius Cornelius 374
Schmidt, J. C. 321
Scharvogel, Jakob Julius 379, 380
Schmidt, J. F. 365
Scheel, Erica von 161, 206, 207, 365, 366, 379, 419, 429, 444, 505, 519, 535−538, 540, 541, 551, 584, 600
Schmidt-Polex, Bankhaus 245
Scheel, Heinrich von 366 Scheffler, Karl 38, 125, 214, 215, 222, 476, 484, 485, 514, 578, 579 Scheidemantel, Friedrich 117, 319, 320, 327, 335, 356, 365, 429, 517, 652, 657, 658 Scheidemantel, Heinrich 117, 319, 320, 327, 335, 356, 365, 429, 517, 652, 657, 658 Scherl, August 385, 386 Schickele, René 17, 19, 113, 129, 133, 633 Schiller, Friedrich 355, 435 Schinckel, Cecil von (gen. Cecilaatje) 675, 676 Schinckel, Clemens von (gen. Bobby) 675, 676 Schinckel, Helen von 180, 675, 676 Schinckel, Joachim von 180, 653, 675, 676 Schirach, Karl Baily Norris von 525 Schlieffen, Wilhelm Hans Karl-Viktor 138, 417 Schlippenbach, Marianne Johanna Friederike Alexandrine Gräfin von 192 Schlittgen, Hermann 474 Schlobach, Willy 281, 282 Schmidt, Eduard 255, 269
Schmitz, Bruno 81, 425, 426 Schneider, Sascha 407, 409, 411, 449 Schnorr von Carolsfeld, Familie 258 Schoder, Thilo 132, 647, 648 Scholz, Wilhelm von 36, 38, 333, 334, 376, 377, 386 Schott, Otto 254 Schröder, Rudolf Alexander 37, 287, 397, 474, 480, 481, 485, 522, 613, 630, 669 Schündler, Max 325 Schulenburg, Paul 65, 223 Schulte, Eduard Kunsthandlung 281, 282 Schulte, Hermann 282 Schulte, Max 282 Schultze-Naumburg, Paul 306, 563 Schulze, Else 446, 447 Schulze, Paul 128, 446, 447, 628, 629, 631, 632 Schumacher, Herr 478 Schuster, Richard 477, 478 Schwabach, Paul von 96, 101, 103, 558, 586 Schweinitz, Erich Graf von 12
Register Personen und Körperschaften 717 Secession, Berliner 83, 157, 272, 274, 282, 292, 371, 433, 475
Société de la musique (Antwerpen) 21
Seidlitz, Woldemar von 146, 369
Sömmering, Albert 64, 269, 295
Serrurier-Bovy, Gustav 273, 274
Solf, Wilhelm 112, 629
Sert y Badia, José Maria 618, 638
Solvay, Armand 359
Sérusier, Paul 445
Sophokles 127
Sèthe, Alice 31, 131
Spitzemberg, Carl Freiherr Hugo von 294
Sèthe, Gérard 31, 32, 167
Spitzemberg, Hildegard Freifrau von 14, 42, 49, 133, 191, 219, 294
Sèthe, Irma 31, 32, 131, 224, 418
Spitzemberg, Lothar Freiherr von 198, 295
Sèthe, Louise 31, 167, 208
Springer, Anton 13
Sèthe, Maria 23, 29, 31, 32, 129−132, 167, 266
Springmann, Rudolf 548, 553
Seurat, George 26, 33, 42, 43, 134, 153, 155, 160, 162, 168, 187, 384, 404, 483
Stahl, Fritz 453, 454, 475, 476
Seyberth, Louise 31, 167 Shakespeare, William 616 Shannon, C. H. 140
Stanislawski, Konstantin Sergejewitsch 95, 560, 561 Steer, Wilson 140 Steger, Milly 624
Shaw, George Bernhard 140, 498, 557, 558
Stern, Julius 100, 101, 103, 174, 273, 274, 393, 573, 575, 576, 586, 610, 621, 624, 648
Shaw, Martin Fallas 438
Stern, Malgonia 274
Sheraton, Thomas 400, 401
Sternheim, Carl 37, 113, 633
Signac, Paul 26, 27, 65, 67, 80, 140, 152−155, 162, 209, 224, 292−295, 307, 308, 318, 359, 367, 371, 409, 413, 414, 416, 418, 483, 506, 632, 659
Sternheim, Theo 113, 633
Simmel, Georg 328, 330, 332, 334, 335 Simon, Hugo 657 Singer, Heinrich 410 Slevogt, Max 74, 260, 452, 453
Stradonitz, Reinhard Kekulé von 13 Strauß, Richard 10, 95, 103, 560, 561, 567, 614, 615, 638 Stuck, Franz von 74, 83, 467, 469 Sue, Eugèn 615, 616
718 Anhang Sütterlin, Ludwig 644
Tschudi, Hugo von 37, 128, 134, 192, 258, 259, 294, 295
Tanz, Walter 631
Tuaillon, Louis 140, 392
Teirlinck, Herman 603, 667
Tuch, Kurt 425, 430, 462
Teirlinck, Leentje 603, 667
Ulanen, 3. Garde-Ulanen-Regiment 13, 14, 126, 194, 551
Tennyson, Alfred 390
Usener, Hermann 13
The Gordon Hotels, Brighton 301
Vaihinger, Hans 103
Thiel, Ernest 94, 556, 558, 559
Vallès, Joaquim Clare 444
Thode, Henry 200–202
Valtat, Louis 384, 385
Thomas, Gabriel 96, 547−549, 551, 552, 554, 555, 576, 582−584, 618−620
Vanderbilt, Cornelius 117, 658, 660
Thorn Prikker, Johan 27 Thüna, Annemarie von 55, 57, 245, 421 Thüna, Margarete Freiin von 55, 57, 245, 421 Thyssen-Bornemisza, Heinrich 618, 620 Tiffany, Louis Comfort 162, 185 Titz, Eduard 463
Velasquez, Diego Rodríguez de Silva y 24, 38 Velde, Anne van de 33, 167, 261, 264, 513, 514, 541, 662 Velde, Anne Louise Virginie van de 132, 167 Velde, Elisabeth van de 266 Velde, Félix van de 266 Velde, Guillaume van de 21, 130, 265, 266
Toelle, Carl 469
Velde, Helen (Lene) van de 33, 167, 180, 181, 228, 229, 280, 509, 511, 513, 514, 541, 675, 676
Toorop, Jan 27
Velde, Héliodore van de 266
Tordeur, A. 246
Velde, Henry van de 3−8, 17, 18, 20−219, 222−251, 253−337, 340, 341, 343, 345−352, 354−374, 376−395, 397−404, 408−412, 414−438, 440−461, 463,−478, 480−482, 484–486−491, 493, 494, 496−498, 500, 502−508, 510−522, 524−568, 570−572, 574−601, 603, 606, 607, 609, 610, 612−629, 631−648, 650−673, 675−678, 680, 681
Torre, Herr 358 Toulouse-Lautrec, Henri de 282, 294, 296, 297, 613 Treu, Georg 74, 368, 369 Trübner, Wilhelm 140, 495
Velde, Henry van de, Société Anonyme 198, 246 Velde, Henry van de, Werkstätten für Angewandte Kunst 177
Register Personen und Körperschaften 719 Velde, Jeanne van de 20, 21, 28, 29, 37, 131, 266, 510, 511
Voigt, Lina 292
Velde, Laurent van de 29
Voigt, Robert 285, 287, 290–292
Velde, Maria van de 8, 33, 36, 37, 48, 57, 63, 68, 88, 89, 110−112, 125, 130−132, 134−137, 139, 142, 143, 146, 158, 162, 166, 167, 172, 174, 176, 180, 181, 186, 190−192, 194, 199, 202, 204, 214, 229, 234, 243, 244, 246, 247, 253, 261, 262, 265, 275, 291, 295, 296, 299, 307, 321, 322, 349, 354, 381, 383, 386, 388, 391, 392−394, 410, 412, 421, 424, 429, 448, 450, 451, 459, 464−466, 468−470, 472−476, 478, 481, 482, 488, 490, 496, 497, 502, 504, 505, 507, 508, 510, 511, 515, 528, 529, 533, 535, 538–541, 543−546, 548−550, 552−555, 564, 565, 567, 571, 580, 582−585, 590, 592, 594, 595, 603, 609, 612, 618, 619, 621, 625, 627−629, 631−635, 656, 662, 663, 665, 667, 670, 676, 677
Volders, Jan 184
Velde, Nele van de 33, 112, 118, 143, 165, 167, 202−220, 226, 229, 264, 280, 346, 383, 480, 481, 509, 511, 512, 514, 535−537, 539, 540, 542, 546, 627−629, 633, 655, 659, 664, 665, 670, 678
Wachler, Ernst 302
Velde, Thylbert Guillaume van de 132
Wagner, Cosima 49, 134, 182, 189−192, 614
Velde, Thyl van de 33, 131, 132, 167, 383, 451, 539, 541, 601−603, 627, 630, 667, 674
Wagner, Otto 346, 350
Velde, Thylla van de 33, 114, 120, 167, 383, 451, 541, 603, 635, 677 Verhaeren, Émile 131, 189, 515, 516, 555 Verity, Thomas 341 Verlaine, Paul 15, 26, 188, 189, 546 Verlat, Charles 23, 25, 27, 130 Verwilghen, Raphaël 677 Vigeland, Gustav 151, 157 Vignau, Hippolyt von 81, 296, 297, 417, 523, 525 Vinci, Leonardo da 137 Viollet-le-Duc, Eugène Emmanuel 200, 201
Volkshaus, Jena 59, 254, 585 Vollard, Ambroise 155, 162, 311, 385, 392, 403, 404, 422, 429 Vollert, Max 434, 435 Voysey, Charles 30 Vuillard, Édouard 17, 65, 69, 70, 129, 140, 292−294, 311, 317, 318, 325, 326, 409, 418, 444, 445, 549, 580, 613
Wagner, Alfred 520, 522, 524, 527, 530−532
Wagner, Richard 21, 38, 49, 113, 134, 296, 431, 489, 490, 526 Wagner, Robert (Verlag) 166, 522, 531 Wagner, Siegfried 533 Walker, Emery 77, 140, 304, 390, 398, 399, 401 Warburg, Alma 229, 264 Watteau, Jean-Antoine 542 Watzdorf, Auguste Margarete Isabella von 55 Watzdorf, Werner Freiherr von 87, 415, 489, 491 Watzdorf-Bachoff, Erika von 87, 91, 251, 413, 415, 489, 491, 523 Webb, Philip Edward 401
720 Anhang Weber, Hermann 450
Westberg, Hugo 116, 117, 143, 291, 652−657, 658−660
Wedel, Ernst August Graf von 468−470
Whistler, James McNeill 38, 322, 324, 422, 467
Wedel, Leonie Gräfin von 468−470
White & Son 336
Wedel, Oskar Graf von 372, 495
Wieland, Christoph Martin 135
Wedell, Erhard 464
Wiener Werkstätten 203, 647
Weichberger, Susanne 450
Wilde, Oscar 17, 38
Wells, Herbert George 557, 558
Wendelstadt, Julie Freifrau von 94, 166, 540, 559, 560
Wilhelm Ernst, Großherzog von SachsenWeimar-Eisenach 36, 55−62, 68, 69, 72−74, 76, 78−82, 84−86, 88, 90, 91, 106, 110, 126, 135, 137, 238, 244, 245, 251, 253, 255, 257, 326, 344, 347, 352, 355, 384, 389, 390, 408, 414, 417, 423, 435− 437, 440, 453, 456, 469, 470, 478−481, 485, 499, 501, 505, 511, 622
Werdelmann, Wilhelm 410
Wille, Hermann 116, 642, 660
Werkbundtheater, Köln 76, 174, 624, 626, 648
Winterfeldt-Menkin, Joachim 621, 622
Werner, Anton von 259
Wirth, Joseph 639, 640
Werth, Léon 55, 394, 465, 466, 496
Wittern, Ernst Dr. 324
Werthern-Beichlingen, Elisabeth Freiin von 56, 245, 251
Wolfers frères 379
Werthern-Beichlingen, Georg, 2. Graf und Herr von 271
Wolff, Alfred 65, 94, 223, 399, 416, 418, 428, 506, 507, 559, 570, 571
Werthern-Beichlingen, Gertrud Gräfin von 57, 61, 68, 78, 271, 310, 321, 325
Wolff, Hanna 418
Werthern-Beichlingen, Hans 3. Graf und Herr von 56, 57, 135, 238
Wolffenstein, Richard 345, 346
Werthern-Beichlingen, Melanie Gräfin von 238
Wundt, Wilhelm 13
Werthern-Beichlingen, Ottobald Friedrich Freiherr und Herr von 57, 238, 245, 251, 271, 367, 368, 406, 416, 475
Wurmb, Hans Lutze von 434, 435, 448
Wendelstadt, Jan Freiherr von 134, 560
Wesendonk, Karl von 295 Wesendonk, Mathilde (geb. Luckemeyer) 489 Wesendonk, Otto Friedrich Ludwig 489
Yockney, John 664 Zapfe, Rudolf 284, 288 Zeiß, Hermann 410
Register Orte 721 Zimmern, Maria 443−445
Augsburg 459
Zola, Émile 396, 428, 429, 431, 637
Auvers 65, 307
Zuckerkandl, Berta 621
Avignon 540–542
Register Orte
Bad Berka 575
Aachen 429
Bad Hall 180–182
Aigues Mortes 542
Bad Homburg 664, 665
Aix-en-Provence 540, 541
Bad Kissingen 435
Aix-les-Bains 443, 444
Bad Kösen 54
Amsterdam 115, 180, 264, 639, 641, 663
Bad Reichenhall 435
Andernach 205–207
Bad Sulza 481, 482
Antibes 418, 419
Barbizon 24
Antwerpen (Anvers) 21–25, 29, 129–131, 144, 189, 227, 228, 260, 265, 266, 429, 440, 441, 544
Barmen 410
Arcachon 580, 611, 612 Argos 209 Arles 541, 542
Basel (Bâle) 109 Bautzen 204, 206 Bayeux 595–597
Arolla 678
Bayreuth 75, 76, 179–182, 190, 232–235, 333, 372, 375–377, 388, 526
Ascona 669, 670
Beirut 69
Ascot 10, 127
Belgrad 209, 224
Asnières 419
Bergen 539
Astene 109, 672
Bergen op Zoom 112
Athen (Athènes) 52, 69, 104, 141, 208–210, 340, 434, 520, 568, 599
Berlin 5, 7, 13, 15, 19, 35, 40–42, 44–47, 49–52, 54, 56, 59, 74, 88, 89, 95, 96, 98, 104, 106, 109, 111, 115–117, 122, 124, 128, 133–135, 141, 143, 146–152, 154–162, 165–168, 171–177, 182, 183, 185–187, 189–193, 195–199, 201–208, 210–217,
Auerbach 196
Register Orte 721 Zimmern, Maria 443−445
Augsburg 459
Zola, Émile 396, 428, 429, 431, 637
Auvers 65, 307
Zuckerkandl, Berta 621
Avignon 540–542
Register Orte
Bad Berka 575
Aachen 429
Bad Hall 180–182
Aigues Mortes 542
Bad Homburg 664, 665
Aix-en-Provence 540, 541
Bad Kissingen 435
Aix-les-Bains 443, 444
Bad Kösen 54
Amsterdam 115, 180, 264, 639, 641, 663
Bad Reichenhall 435
Andernach 205–207
Bad Sulza 481, 482
Antibes 418, 419
Barbizon 24
Antwerpen (Anvers) 21–25, 29, 129–131, 144, 189, 227, 228, 260, 265, 266, 429, 440, 441, 544
Barmen 410
Arcachon 580, 611, 612 Argos 209 Arles 541, 542
Basel (Bâle) 109 Bautzen 204, 206 Bayeux 595–597
Arolla 678
Bayreuth 75, 76, 179–182, 190, 232–235, 333, 372, 375–377, 388, 526
Ascona 669, 670
Beirut 69
Ascot 10, 127
Belgrad 209, 224
Asnières 419
Bergen 539
Astene 109, 672
Bergen op Zoom 112
Athen (Athènes) 52, 69, 104, 141, 208–210, 340, 434, 520, 568, 599
Berlin 5, 7, 13, 15, 19, 35, 40–42, 44–47, 49–52, 54, 56, 59, 74, 88, 89, 95, 96, 98, 104, 106, 109, 111, 115–117, 122, 124, 128, 133–135, 141, 143, 146–152, 154–162, 165–168, 171–177, 182, 183, 185–187, 189–193, 195–199, 201–208, 210–217,
Auerbach 196
722 Anhang 223–225, 227–244, 246–251, 256–264, 265–268, 270, 272–277, 279–281, 283, 285, 287–295, 297, 298, 302, 306–308, 321, 328, 329, 331–334, 337, 345–347, 349–351, 353, 355, 356, 361, 363, 364, 366, 367, 369, 371, 377, 378, 380, 389, 393, 394, 401, 402, 405, 413, 415, 418, 425, 437, 448, 450–452, 454, 460, 462, 463, 465, 467, 471–475, 478, 482–484, 486–491, 494, 498–501, 514–517, 520, 527, 528, 542, 545, 556, 558–560, 562–568, 570–572, 576–578, 581, 585, 599, 607, 610–612, 617, 621, 622, 628, 629, 631, 632, 634–642, 647, 655, 658–663, 667–669, 675, 680 Bern 109, 112, 143, 632, 633, 650 Besançon 423 Biberach 294 Bingerbrück 105, 609 Birmingham 61 Blankenberghe 29 Blankenhain 244 Bombay 9, 268 Bonn 12, 13, 147, 201, 245 Borgå 521 Bormio 388, 391, 393 Boulogne-sur-Mer 592 Bozen 346, 601, 603 Brannenburg 540 Braunschweig 271, 634–637 Breitbrunn 106 Bremen (Brême) 315, 369, 474, 507 Brighton 301, 302
Brunegg 665, 670 Brüssel (Bruxelles) 5, 8, 21, 25, 27, 30, 35, 40, 41, 47–49, 51, 52, 108, 112, 113, 116–118, 120, 127, 130, 134, 146, 147, 149, 150, 153, 154, 156–161, 163−165, 167–171, 173−179, 181, 182, 184−186, 188, 189, 193, 195, 196, 198, 199, 204, 241, 265, 278−282, 318, 359, 366, 379, 384, 385, 403, 429, 445, 497, 525, 607, 635, 648−650, 652, 655−659, 661−663, 665, 667, 671, 672, 676, 678−680 Bückeburg 69, 347, 408, 478 Budapest 111 Buenos Aires 251 Buitenrust 245, 453 Bürgel 365, 375, 377, 379, 521 Cabourg 480, 482 Cadzand 131, 167 Caen 513, 595, 596 Calmpthout (Kalmthout) 25, 29, 130 Cambridge 99, 568 Cannes 292, 293, 311 Capri 651, 653, 654, 656 Carteret 595–597 Caux sur Territet 320, 325 Cavaliére 418 Chania 209 Chemnitz 69, 94, 345, 353, 354, 360, 428, 436, 450, 451, 534, 540, 541, 559, 560, 587, 588, 603 Cherbourg 597
Register Orte 723 Chicago 162, 333, 485, 492
Ephesos 209
Clarens 143, 633
Eppenhausen 544, 547, 548
Coutances 595, 596
Erfurt 321, 446, 541
Crimmitschau 534
Essen 47, 147, 639
Czestochowa 630
Ettersburg 408, 423, 434, 436, 438, 440
Czocha (Tzschocha) 483
Eybach 207, 459
Darmstadt 54, 55, 61, 64, 69, 135, 166, 232–235, 239, 255, 317, 318, 393, 560
Ferleiten 388
Deauville 664, 665
Fiesole 295
Degenershausen 110, 628
Florenz (Florence) 274, 284, 303, 378, 409, 424, 425, 430, 432, 440, 441, 454, 455, 474, 475, 602
Delphi 209
Foligno 418
Den Haag (La Haye) 114, 180, 199, 244, 245, 251, 640−642, 656
Fontainebleau 404
Dessau 647
Fournels 676, 677, 680
Dordrecht 603
Frankfurt (Francfort) 117, 135, 201, 234, 443−445, 459, 506, 538, 543, 663
Dresden (Dresde) 41, 80, 83, 146, 148, 173, 174, 196, 197, 204−206, 212, 240, 241, 259, 345, 353, 392, 409, 420, 421, 424−426, 428, 435, 437–439, 441, 442, 446–450, 453, 455, 470, 472, 473, 475, 476, 482, 485, 486, 495, 533, 534, 619
Františkovy Lázne (Franzensbad) 669
Düsseldorf 248, 249, 275, 294, 302, 346, 384, 476 Duluth 642, 643 Edinburgh 496, 499 Ehringsdorf 511, 518, 519, 521, 522, 530, 533, 534, 536, 542, 550–552, 558, 601, 623, 680
Geislingen 147, 207 Gelmeroda 575–577 Geltow 274, 648 Genf (Genève) 189, 507, 639, 640 Gent (Gand) 108, 109, 310, 648–650, 671, 672 Genua 346
Eisenach 135, 234, 452, 459, 477, 505
Gera 587, 588, 647, 648
Eltville 549
Gießen 459
724 Anhang Giverny 74, 369, 372
Jaffa 69
Gortyn 209
Jena (Iéna) 59, 61, 84, 87, 101, 147, 164, 245, 254, 282, 299, 353, 355, 377, 378, 386, 410, 412, 433, 435, 458, 460, 461, 465, 466, 479, 483, 495, 512, 513, 535–537, 585, 590
Gotha 566 Greiz 408 Grünheide 228, 229, 231–236, 238, 239, 242 Guernsey (Guernesey) 593–595, 597, 598 Hagen 57, 77, 234, 239, 241, 243, 244, 249, 274, 288, 289, 312, 326, 356, 370, 371, 397, 417, 459, 469, 486, 495, 539, 544, 545, 547, 548, 584, 587, 588, 590, 593, 602, 604, 606, 607 Halle 201 Hamburg (Hambourg) 9, 10, 47, 117, 119, 157, 158, 160, 165, 166, 212, 230, 238, 270, 293, 315, 328, 337, 346, 369, 379, 461, 471, 600, 663, 668, 669, 674–676 Hammersmith 304, 314, 323, 399 Hannover (Hanovre) 198, 199, 354, 544, 665 Heidelberg 147, 201, 234, 236, 237, 537 Heinrichau 245, 255, 452, 453 Helsinki 521 Hérouvillette 513, 520, 525, 527, 531, 533, 592, 593, 596–599, 603 Hierapolis 209 Houlgate 102, 529, 593–595 Hume 676, 678 Istanbul (Konstantinopel) 69, 209, 212, 213, 219, 222, 224, 251 Ixelles 428 Izmir (Smyrna) 53, 209, 212, 213, 215
Jersey 592–597 Jerusalem 69, 597 Kairo (le Caire) 69, 406, 489 Kaliningrad (Königsberg) 74, 272, 274, 368, 369 Kalmthout (Calmpthout) 25, 29, 130 Kamenz 241 Kaprun 391 Karlsruhe 237, 378 Kediri 264 Kesselfall 388, 390, 391 Kijkduin 179, 180 Killarney 127 Knocke (Knokke) 26, 29, 131 Koblenz 197, 426 Köln (Cologne) 113, 155, 174, 199, 207, 620, 623–626, 646–648 Königstein 110, 628 Konstantinopel (Constantinople) 69, 209, 212, 213, 219, 222, 224, 251 Kopenhagen (Copenhague) 507, 508 Kortrijk (Courtrai) 668 Krefeld (Crefeld) 60, 134, 212, 248, 249, 273, 366, 446
Register Orte 725 Kreuzlingen 90, 164, 167, 535, 537, 540, 665, 670
Lyon 109, 120, 678
Kristiania (Oslo) 507
Madonna di Campiglio 540
Laeken 29
Magdeburg (Magdebourg) 567
La Haye du Puits 595–597
Mailand 69, 346, 656
La Louvière 521
Malta 69
Lancashire 10
Mannheim 273, 274, 276, 277, 416
Landro 528, 530, 533
Marbach 8, 127, 463, 628, 682
Laodikeia 209
Marignolle 455
Lauban (Luban) 483
Marly-le-Roi 396, 443, 600, 614, 615, 664
Lausanne 314, 317, 319–322, 324
Meiningen 245, 459
Lauterbach 534
Meißen (Meissen) 81, 244, 345, 347, 353, 422, 423−426, 428, 442
Leipzig 13, 54, 98, 103, 117, 147, 161, 164, 196, 197, 233– 235, 241, 284, 386, 390, 394, 398, 426, 440, 441, 446, 496, 566–568, 570, 579, 606, 650, 655, 656, 663
Meran 388
Les Beaux 542 Löwen (Louvain) 109, 146 London (Londres) 19, 64, 70, 75, 77, 83, 85, 86, 89, 95, 116, 122, 124, 131, 136, 182, 226, 237, 238, 251, 276, 278, 279, 294–298, 302–304, 312–317, 319, 320, 322–324, 336, 337, 340, 342, 343, 349, 351, 354–357, 359– 361, 363, 366, 367, 369, 370, 383, 384, 386, 387, 389, 390, 393, 395–397, 399, 401, 402, 411, 417, 422, 425, 429, 430, 436, 438, 442, 445, 448, 458–460, 467–469, 472–474, 480, 482, 489, 491, 493, 494, 496–500, 502–505, 512, 525, 528, 543, 560, 572, 606, 614, 625, 627, 637, 638, 640–643–646, 663, 664, 667, 673
Merion 168 Metz 366 Middelburg 672 Middelkerke 246 Montabaur 249 Montpellier 541, 542 Montreux 633 Montval 397, 615, 616
Luban (Lauban) 483
Morgat 418
Lübeck 69, 94, 158, 324, 559, 560
Moserboden 388, 391, 392
Luneville 380
Moskau (Moscou) 95, 444, 560
726 Anhang Mülheim 155
Oxford 77, 99, 390, 442, 568
München (Munich) 48, 74, 76, 136, 147, 181, 211, 212, 233, 251, 329, 332, 333, 345, 367, 376, 379, 384, 385, 411, 416, 418, 428, 436, 437, 443, 454, 459, 469, 476, 490, 492, 510, 514, 528, 538, 558, 570, 571, 580, 585–587, 614–617, 641
Palavas 542 Palma de Mallorca 675, 676
Neustadt 244
Paris 9, 11, 13, 19, 23–25, 31, 37, 41, 51, 64, 70, 77, 79, 81, 84, 86, 95, 96, 99, 108, 109, 118, 120, 122, 124, 127, 128, 132, 133, 136, 144, 146, 147, 152–155, 160, 167, 168, 178, 182, 185, 186, 189, 198, 208, 223–226, 228, 259, 265, 267, 268, 275, 276, 278, 279, 292, 293, 295–297, 301–305, 309, 310, 312– 314, 316, 318, 320–323, 325, 326, 333, 349–351, 356–359, 362, 366–368, 371, 373, 379, 383–385, 389, 392–396, 401, 403, 404, 412, 414, 417, 419, 422, 423, 425–432, 434, 436, 437, 440, 441, 443–445, 449, 459–466, 473, 477, 479, 480, 482, 490, 506–508, 510, 512, 513, 515, 519–521, 528, 535–537, 540, 541, 543, 545–555, 560–564, 566, 568, 571, 580–587, 589, 590, 593–595, 598–600, 605–607, 610–614, 616–623, 625–627, 638, 640, 642–644, 646, 652, 655, 657, 659, 660, 664, 667, 672, 673, 677–680
New York 109, 132, 206, 209, 642
Peking (Pékin) 71, 199
Niedergrunstedt 572
Pergamon 209, 212
Nikko 98, 564, 565
Petrikau 630
Nîmes 541, 542
Piräus 520
Nizza (Nice) 346
Pompeji 520
Oberägeri 167, 678
Pontaneveaux 676, 677
Oberhof 497, 667, 668
Posen 453
Orange 540, 542
Potsdam 13, 14, 102, 194, 274, 298, 300, 301, 378, 480, 552, 600, 622
Münsterberg 453 Mykene 209 Naumburg 54, 57, 233, 238, 254, 306, 412, 440, 563, 682 Nauplia 209 Neapel (Naples) 114, 348, 520, 655, 656 Neubeuern 140, 182, 528, 540, 560, 615, 675
Ornans 422, 423 Oslo (Kristiania) 151, 366, 507 Osterode 477, 478 Otterlo 114, 635, 637
Pretzfeld 157, 172, 199, 202, 281, 388, 513, 514 Priene 209 Puget-Théniers 431 Racot 453
Register Orte 727 Reifnitz 303
Schweikershain 206
Rethymnon 209
Schwerin 139, 355, 492, 653, 682
Reutte 673, 675
Sestroretzk 628
Riga 609
Shanghai 197, 199
Rigi-Scheidegg 358
Sils-Maria 107, 539
Rijeka (Fiume) 209
Sluis 131
Röcken 54, 207, 208, 233, 235
Smyrna (Izmir) 53, 209, 212, 213, 215
Rom (Rome) 221, 222, 326, 328, 333, 543, 544, 602, 639, 640, 655, 656
Somat 209
Rouen 77, 390, 437 Saalfeld 511 Saint Brélade 595, 596 Saint-Clair 65, 223, 293 Sainte Honorine 446, 512, 513, 525, 527, 528, 531, 532, 590, 594, 600, 601, 614, 616, 617 Saint-Germain-en-Laye 618, 620 Saint Louis 328, 333 Samois 65, 293, 295, 307, 418 San Bernardino 658–661 Scandicci 455 Sceaux 582 Schulpforta 54 Schwarzburg 508, 510, 543 Schwechow 652–654, 676
Sondershausen 446 Sparta 209 Stenchewo 453 St. Gilles 108, 542, 650, 662 St. Jean de Luz 611, 612 St. Malo 594, 595, 598 Stockholm 104, 141, 142, 251, 507, 599, 607, 609, 629 St. Petersburg 251, 347, 403, 444, 628 Straßburg 537 St. Rémy 542 Stuttgart 206, 275–277, 294, 378, 507, 614–617, 637 Tannroda 363 Taormina 520 Tarascon 542 Tautenburg 244
728 Anhang Tervu(e)ren 108, 650, 662, 671, 677–679
Virginal 521
Theben 209
Warschau (Varsovie) 109
Tiefurt 54, 234, 384
Wassenaar 114, 635, 637
Tokyo 565
Wechel der Zande 24, 25, 28, 131, 226
Trafoi 388
Turen 264
Weimar 5, 16–18, 33, 36, 39, 50, 54–65, 69–71, 73–82, 84–93, 95, 96, 98, 100–102, 106–108, 110, 112–114, 116–118, 121, 122, 124–126, 135–138, 140, 141, 144, 166, 174, 183, 197, 207, 215, 223, 232–235, 238, 244–257, 259–262, 265, 267–271, 273–275, 277, 278, 280–286, 288, 290–309, 312, 315–319, 321, 324–328, 332–335, 344–347, 349, 351–354, 356–374, 376–381, 383, 384, 386–398, 401–406, 408, 409, 411, 413–415, 417–424, 426, 427, 429–431, 433–443, 445, 446, 448, 449, 451–461, 463, 464, 466, 468, 470–481, 483–486, 488, 489, 492–500, 502–504, 506–508, 510–514, 517–523, 525–534, 536, 538, 540–545, 550–554, 557, 558, 562, 563, 566–568, 570–572, 574, 576–580, 583–588, 592, 593, 598–601, 603, 605, 606, 609, 611–615, 618, 622, 623, 625, 627, 629–631, 644–650, 652, 653, 655–657, 659–663, 667–669, 676, 680, 682
Tzschocha (Czocha) 483
Weißenfels 208
Uccle 31, 41, 47, 48, 132, 147, 150, 153, 160, 167, 168, 181, 183, 185, 196, 198, 208, 212, 214, 451
Weißenthurm 206
Travemünde 420, 421, 428 Trebschen (Trzebiechów) 69, 325 Tripolis 209 Troja 209 Trondheim 171, 507 Tschenstochau 629, 630
Uppsala 629 Utrecht 180 Uttwil 114, 143, 633, 634 Valence 542 Venedig (Venise) 223, 418, 419, 528, 533 Verona 528 Versailles 591 Vicenza 528
Wenduine (Wenduyne) 428, 429, 435, 438, 440, 441 Wickersdorf 509−511, 514, 529 Wien (Vienne) 90, 95, 111, 197, 209, 212, 224, 350, 503, 560 Wiesbaden 54, 135, 392, 435, 459, 463, 514, 520, 521, 524, 527 Winterthur 664, 682 Wohlau 291 Zell am See 388, 391 Zorgvliet 453 Zürich (Zurich) 507, 537, 655, 656, 664